Welcome to the Universe von Jaywalker ================================================================================ Kapitel 14: Oblivion -------------------- ~*~ Kapitel 14: Oblivion ~*~ NOW – SIOUX FALLS, SOUTH DAKOTA Die ersten Sonnenstrahlen krochen langsam über die alte Tagesdecke und feine Staubpartikelchen glitzerten wie Diamanten, als sie in der Luft durch die hellen Lichtstreifen flogen, die durch das Fenster in den Raum eindrangen. Sam hatte für dieses Schauspiel gerade jedoch keinen Blick. Seine Augen waren unverwandt auf das blasse Gesicht gerichtet, das als Einziges unter der Decke hervorlugte. Der restliche Körper war nur vage zu erkennen. Ein dicker Verband wand sich um den Kopf des Schlafenden und bildete keinen großartigen Kontrast zu dessen heller Haut. Nur die Haare wirkten im Vergleich zu der weißen Bandage dunkler als sonst. Die Gesichtszüge waren ungewöhnlich entspannt, was dafür sorgte, dass der Mann um einiges jünger aussah, fast schon jünger als Sam selbst. Da fragte man sich wirklich, wer hier der ältere Bruder war. Sams Augenbrauen zogen sich bei diesem Gedanken ein wenig zusammen und er wandte den Blick von dem anderen Mann ruckartig ab. So ein Mist... Es war nicht das erste Mal, dass er sich selbst wieder in Erinnerung rufen musste, dass dieser Mann dort NICHT Dean war, auch wenn er vielleicht auf den ersten Blick genauso aussah. Jensen war nicht sein Bruder und er würde es auch nie werden, so viel stand fest! Und doch fühlte er sich seltsam verbunden mit dem anderen Mann. In seinem Inneren hatte sich genau die gleiche unbändige Sorge, die er sonst nur für Dean empfand, ausgebreitet, als er die regungslose Gestalt in Gabriels Armen gesehen hatte. Ganz so als wäre es wirklich sein Bruder gewesen und nicht dieser mysteriöse Schauspieler, der so plötzlich in ihrem Leben aufgetaucht war. Mit einem lautlosen Seufzen lehnte sich Sam zurück, so dass sein Rücken bequem an der Stuhllehne ruhte. Er wusste nicht, wie lange er nun schon neben dem Bett saß. Es mussten bestimmt schon mindestens zwei Stunden vergangen sein. Von Castiel und Dean – dem echten Dean! – hatte er immer noch nichts gehört und Gabriel hatte sich auch noch nicht gerührt seitdem er in Bobbys Wohnzimmer zusammengebrochen war. Dem sonst so taffen Trickster schien es nicht sonderlich gut zu gehen, und das war eine gnadenlose Untertreibung. Sam hatte nicht gewusst, was er davon halten sollte, als er eine stark blutende Wunde an dem blonden Erzengel entdeckt hatte. Immerhin hatte er schon oft genug gesehen, wie sich Castiel selber geheilt hatte, da sollte diese belanglose Verletzung wirklich nicht das Problem sein. Doch dann hatte der jüngere Winchester dieses bläuliche Leuchten wahrgenommen, das unter all dem Blut schier untergegangen war. Unwillkürlich musste Sam sich an das kleine Fläschchen zurück erinnern, in dem sich damals Annas Gnade befunden hatte. Dieses unheimliche leuchtende Flüssigkeit, die aus der Wunde heraus sickerte sah dem Flascheninhalt verdammt ähnlich. Das konnte einfach nichts Gutes bedeuten... Notdürftig hatte er schlussendlich auch bei dem Erzengel einen Verband angelegt, obwohl er eigentlich zu 90 Prozent sicher war, dass das eine absolut sinnlose Aktion gewesen war. Die Bestätigung dafür ließ auch nicht lange auf sich warten. Der Verband stoppte zwar allmählich die Blutung, aber das beängstigende Leuchten schien dadurch nur an Intensität zugenommen zu haben. Sam wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Tagesdecke ein leises Rascheln von sich gab. Jensen hatte sich auf die Seite gedreht, so dass die Sonnenstrahlen ihn somit direkt im Gesicht trafen. Die Augenlider zuckten leicht, was dafür sorgte, dass die dunklen, langen Wimpern schier die Wangenknochen des Mannes berührten. Er rümpfte widerwillig die Nase, ganz so als würde ihn die Sonne kitzeln. Schließlich ergab sich der Schauspieler seinem Schicksal. Mit einem leisen Murren schlug er die Augen auf und Sam sah sich plötzlich zwei grünen Seelenspiegeln gegenüber, die ihn verschlafen musterten. Es dauerte einige Sekunden, bis sich Jensens verschwommene Sicht ein wenig lichtete und er seine Umgebung und schließlich auch den jüngeren Mann, der neben dem Bett saß wahrnehmen konnte. Mit einem überraschten Keuchen versuchte der Schauspieler sich aufzurichten. „Was... Wo...“ Er schaffte es nur ein unverständliches Krächzen von sich zu geben. Sein Kopf fühlte sich so schwer an, als wäre er auf das zehnfache angeschwollen und ein unangenehmes Pochen breitete sich hinter seiner Stirn aus. Es war fast so wie ein schlimmer Kater, jedoch war sich Jensen ziemlich sicher, dass er gestern nichts getrunken hatte. „Beruhige dich!“ Sam war näher an das Bett heran gerutscht und drückte den verwirrten Schauspieler wieder zurück in die weichen Kissen, so dass er entspannt an dem Kopfende des Bettes lehnen konnte. „Du bist in Sicherheit.“ Jensen schüttelte leicht den Kopf, was er schnell wieder bereute, als sich das Pochen zu einem nervtötenden Hämmern verstärkte. Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen griff er sich an die Stirn und starrte den jüngsten Winchester ungläubig an, als er den weichen Verband fühlen konnte. Er versuchte sich daran zu erinnern, was genau passiert war und vor allem wie er hier gelandet war... Das sah nicht nach dem Hotelzimmer aus, in das ihn Gabriel gebracht hatte. Moment... Gabriel... Wo steckte dieser Kerl? Und wie verdammt nochmal, war er hier hergekommen? „Wie bin ich...“ Der Dunkelblonde musste sich räuspern, da seine Stimme ihm immer noch nicht so richtig gehorchen wollte. Jedoch schien Sam ihn auch so verstehen zu können. „Gabriel hat dich hier her gebracht.“ Der Jäger zeigte keine Gefühlsregung, jedoch konnte sich Jensen schon denken, dass er darüber nicht sonderlich begeistert zu sein schien. Die Winchesters waren mit dem Erzengel nicht gerade auf einer Wellenlänge, um es einmal freundlich auszudrücken. Deshalb war Jensen darüber auch so überrascht gewesen, als er festgestellt hatte, dass Gabriel ihm zur Seite stand. Und scheinbar hatte er ihn schon wieder gerettet... Wovor auch immer. Nur dunkel konnte der Schauspieler sich noch daran erinnern, wie er in dem Bad des Hotelzimmers gestanden und eine gewaltige Panik ihn ergriffen hatte. Und dann... Nichts... Absolute Schwärze. Es war so als wollte man sich an einen Traum erinnern. Je mehr man versuchte sich Einzelheiten ins Gedächtnis zurück zu rufen, umso verschwommener wurde alles, bis man sich schließlich an rein gar nichts mehr erinnern konnte. „Was... was ist passiert?“ Sams Augenbrauen zogen sich zusammen und er seufzte leise, während er die Arme vor seinem breiten Oberkörper verschränkte. „Nun... eigentlich hatte ich gehofft, dass du mir diese Frage beantworten könntest!“ Irritiert starrte Jensen den jüngeren Mann an. Er konnte hier gar nichts beantworten. Seit er in dieser beschissenen Welt gelandet war, bestand sein Leben nur noch aus unbeantworteten Fragen! Sam gab ein weiteres Seufzen von sich und stand schließlich von dem alten Holzstuhl auf. Jensen musste den Kopf weit in den Nacken legen, um dem größeren Mann weiterhin ins Gesicht blicken zu könne. „Du hast ganz schön was abbekommen. Du solltest dich noch ein wenig ausruhen und vielleicht kannst du dich dann auch wieder daran erinnern, was genau passiert ist!“ Der Dunkelhaarige wandte sich schon zum Gehen um, als Jensen ihn am Armgelenk packte und auffordernd ansah. Mit einem fragenden Blick drehte der Jäger sich wieder um. „Wieso fragt ihr nicht einfach Gabriel, was passiert ist? Er müsste doch wissen, was genau...“ Jensen vollendete den Satz nicht, als er den Gesichtsausdruck von Sam sah. „Was ist los? Gabriel ist doch noch hier, oder? Du hast doch gesagt, dass er mich hier her gebracht hat.“ „Ja... er hat dich hergebracht, aber...“ „Was aber? Wo ist er? Ist er wieder verschwunden?“ Sams Augenbrauen zogen sich so weit zusammen, dass sich tiefe Falten auf seiner Stirn bildeten und er wandte den Blick von dem Schauspieler ab, so dass er knapp über ihm auf die weiße Wand starrte. „Sammy?“ Jensens Griff um das Handgelenk des Jägers wurde eine Spur fester, als der Jüngere keine Anstalten machte ihm auf seine Frage zu antworten. Der Spitzname war ihm ganz unbewusst über die Lippen gekommen, jedoch schien Sam sich darüber auch nicht sonderlich aufzuregen. Im Gegenteil. Der Größere biss sich lediglich auf die Unterlippe, ganz so als wollte er sich daran hindern zu viel zu verraten. Schließlich wandte er sich resignierend an Jensen zurück. „Er ist unten im Panikraum.“ „Was? Ihr... habt ihn eingesperrt? Wieso verdammt nochmal?“ „Wir können ihm nicht trauen und er...“ Jensen schnaubte widerwillig und ließ Sam nicht die Chance auszusprechen. „Ich weiß du wirst mir nicht glauben, aber ich denke wirklich nicht, dass er gefährlich ist! Er hat mir geholfen. Und das nicht nur einmal!“ „Du verstehst nicht ganz... Es geht nicht nur darum, ihn wegzusperren, so dass wir ihn im Auge behalten können!“ „Sondern? Worum denn noch?“ „Darum ihn zu beschützen! Gabriel hat ziemlich was abbekommen und es sieht nicht gut für ihn aus...“ Der Griff des Schauspielers löste sich, so dass Sam sich befreien konnte und seinen Arm aus der Reichweite von Jensen bringen konnte. „W...was?“ „Ich... denke nicht, dass er das überstehen wird!“ ~*~ THEN – HEAVEN, GARDEN OF EDEN Chuck wusste nicht, wie lange er nun schon festsaß. Zeit hatte hier anscheinend nicht die gleiche Bedeutung wie auf der Erde, denn – so viel stand schon mal fest – dort befand er sich nicht mehr. Sekunden schienen hier zu Stunden zu werden und Tage glichen Monaten. Alles bewegte sich irgendwie zähflüssiger. Egal ob nun die Zeiger seiner Armbanduhr, seine eigenen Arme und Beine oder die Wolken am Himmel, die er durch die Decke hindurch sehen konnte. Die Halle, in der er zu sich gekommen war, war riesig, einfach nur überwältigend. Nicht einmal die vier langen Tische, die sich hier befanden und reichlich mit Speisen gedeckt waren, die er noch nie zuvor gesehen hatte, schafften es sie auszufüllen. Ganz am Ende stand ein weiterer Tisch quer an dem einige größere Stühle standen und über ihm schwebten Kronleuchter, die vermutlich an der Decke befestigt waren, obwohl sich Chuck da nicht so ganz sicher war, da die Decke nicht wirklich vorhanden war. Vielmehr wirkte es so als gäbe es gar keine Zimmerdecke, da man bei einem Blick nach oben ungehindert in den Himmel sehen konnte. Nicht einmal ein Glasdach war dort! Wenn Chuck es nicht besser wüsste, dann hätte er gesagt, dass das hier verdammt nach der sogenannten 'Großen Halle', dem Speisesaal aus einem ganz bestimmten Jugendbuch aussah, aber wahrscheinlich spielte ihm sein Verstand da gerade nur einen Streich. Außer natürlich Dumbledore kam gleich um die Ecke... Wirklich gewundert hätte ihn das auch nicht mehr. Und das wäre auf jeden Fall eine willkommene Abwechslung gewesen, noch dazu, da Chuck ein heimlicher Fan dieser bekannten Bücherreihe – insbesondere von dem etwas eigensinnigen Schulleiter – war. „Eine interessante Vorstellung, die Sie da haben, Chuck Shurley!“ Erschrocken zuckte Chuck zusammen und drehte sich so schnell um, dass er ein wenig ins Schwanken geriet. Hinter ihm stand der leibhaftige Dumbledore... Zumindest war das der erste kurze Schreckmoment, der dafür sorgte, dass seine Wahrnehmung durcheinander geriet. Soweit er wusste war Dumbledore nämlich alles andere als ein dunkelhäutiger Mann, der zwar schon graue Haare vorweisen konnte, aber ansonsten keinen langen Bart hatte und der auch nicht in langen Gewändern steckte, sondern eher einem Hausmeister glich – zumindest was die Kleidung anbelangte. „W... was?“ Der ältere Mann machte eine ausladende Bewegung, so dass es aussah als wollte er versuchen die ganze Halle mit seinen Armen zu umschließen. Ein anerkennendes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Diese Darstellung hier. Wirklich sehr beeindruckend!“ „Ah... ha?“ Chucks hatte die Augenbrauen so weit nach oben gezogene, dass sie fast schon seinen Haaransatz berührten. Fragend sah er den etwas größeren Mann an und wusste nicht, was er von alldem halten sollte. „Die Meisten sehen eine Halle, die mehr einem Thronsaal gleicht, oder sie sehen einen Garten, ihr persönliches Paradies... Aber ein Speisesaal... Das ist selbst mir neu!“ Der Dunkelhäutige zwinkerte ihm belustigt zu, ehe er sich an einen der vier Tische setzte und seinen Blick andächtig über die verschiedenen Gerichte schweifen ließ. Als er bemerkte, dass Chuck keine Anstalten machte, sich zu ihm zu setzen, wies er auffordernd auf den Platz ihm gegenüber. „Setzen Sie sich doch! Wenn Sie hier schon so ein Festmahl zaubern, dann sollten wir das nicht verkommen lassen.“ „Ähm... Ich... Okay...“ Irgendwie konnte man diesem komischen Kerl nichts abschlagen. Man musste ihn einfach sofort ins Herz schließen und so machte sich Chuck daran umständlich über die Sitzbank zu klettern, bis er dem mysteriösen Mann gegenüber saß. „Entschuldigung, aber... ich glaube, ich verstehe immer noch nicht so ganz, was sie meinten.“ „Ich meinte, dass Sie etwas essen sollten, bevor es kalt wird!“ Der Mann schöpfte etwas von der dampfenden, duftenden Suppe aus einer großen Schüssel und füllte den Teller damit, der vor Chuck stand. Erst jetzt bemerkte der Prophet, was für einen Hunger er hatte, allerdings war jetzt wirklich nicht die richtige Zeit um ans Essen zu denken. Er schüttelte leicht den Kopf und starrte den älteren Mann unverwandt an, ganz so als würde er dadurch die gewünschten Antworten bekommen. „Nein... Das war nicht wirklich die Frage... Was meinten Sie damit, als Sie sagten, dass das eine interessante Darstellung wäre? Die Meisten sehen einen Thronsaal, oder einen Garten? Was bedeutet das?“ „Es bedeutet, dass dieser Raum ganz alleine Ihren Vorstellungen entspricht!“ „Meinen Vorstellungen? Vorstellungen von was?“ Der dunkelhäutige Mann griff, nachdem er sich selbst etwas von der Suppe in seinen eigenen Teller gegeben hatte, nach einem silbernen Löffel. Schon wieder lag dieses anerkennende Lächeln auf seinen Lippen. „Ihren Vorstellungen von dem Garten Eden natürlich. Von Gottes Thronsaal!“ Es klang so als würde der Ältere über das Wetter sprechen, als wäre das absolut nichts Außergewöhnliches. Chucks Mund jedoch klappte auf und ein entgeisterter Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Das war ja wohl ein Witz! „Oh das ist alles andere als ein Witz, Chuck Shurley.“ Der Mund des Propheten klappte noch ein Stück weiter auf, falls das überhaupt möglich war. „W... wie haben Sie das gemacht? Können Sie Gedanken lesen?“ Chucks Gesichtsfarbe glich momentan eher einem der Geister aus seinem Lieblingsjugendbuch. Er war bleich wie die Wand. Wahrscheinlich saß er hier gerade einem übernatürlichen Gedankenleser gegenüber, der zuerst die Suppe und dann ihn verspeisen würde. „Sie haben wirklich eine blühende Fantasie! Aber das brauchen Sie wohl auch als Buchautor... Ich kann Sie beruhigen. Ich hatte nicht vor Sie zu verspeisen...“ Der ältere Mann hob den Löffel an und schüttelte belustigt den Kopf, was dafür sorgte dass doch wieder ein bisschen Farbe in Chucks Gesicht zurückkehrte, wenn auch nur in seine Wangen, die unangenehm brannten. „Wie machen Sie das?“ „Sagen wir einfach, ich bin ein guter Zuhörer!“ „Aber... Das ist ein wenig beängstigend, um ehrlich zu sein! Können Sie... das nicht abstellen?“ „Abstellen?“ „Ja... unterbinden, aufhören! Ich finde das beunruhigend, wenn Sie durch meine Gedanken stöbern!“ Chuck reichten schon die ganzen Visionen, die er vom Himmel zugesandt bekam. Da wollte er nicht auch noch irgendeinen komischen Kerl in seinem Kopf haben. Egal wie freundlich dieser Typ nun war... „Nun... dann haben wir allerdings ein kleines Problem!“ Der Ältere legte den Löffel mit einem leisen Klirren in den mittlerweile leeren Teller und schob ihn ein Stück zur Seite, ehe er die Hände wie zum Gebet faltete und vor sich auf die Tischplatte legte. Fragend musterte Chuck den andern Mann an. „Warum? Sie müssen meinen konfusen Gedanken nicht lauschen und ich bin wieder beruhigter. Ich denke das ist eine eindeutige Win-Win-Situation!“ „Wenn ich Ihren Gedanken nicht mehr lauschen darf, dann wäre das eine sehr einseitige Unterhaltung!“ „Was? Wieso...?“ Der ältere Mann griff sich an den Hals und deutete schließlich mit einem bedauernden Blick auf Chuck. „W... was....“ Chucks Mund bewegte sich. Er formte die gewohnten Laute mit den Lippen, er dachte die Worte, während er sie aussprach... oder eher... während er sie NICHT aussprach. Erst jetzt wurde es ihm bewusst. Die Worte verließen nie seine Lippen, schon das ganze Gespräch über... Kein Laut kam aus seinem Mund, seine Stimmbänder wurden nicht in Schwingungen versetzt, nichts dergleichen. Die Unterhaltung war von Anfang an einseitig gewesen, zumindest was die Stimmen anbelangte die in der Halle zu hören waren. Nur der ältere Mann sprach seine Worte laut aus. Das Blut in Chucks Adern schien zu gefrieren, als er sich an die letzte Begegnung mit Raphael zurück erinnerte. Was hatte sein Schutzengel ihm noch gesagt? 'Wer seine Zunge hütet, bewahrt sein Leben.... Wer aber mit seinem Maul herausfährt, über den kommt Verderben!' Sein Leben war nach wie vor bewahrt – immerhin war er der Prophet – und doch war das Verderben über ihn gekommen, wenn auch in einer anderen Form, wie er sich das vorgestellt hatte... „Es tut mir wirklich Leid, was man Ihnen angetan hat!“ Chuck versuchte sich weitestgehend zu beruhigen, allerdings fiel ihm das alles andere als leicht. Der Hunger war ihm vergangen. Alleine schon der Geruch der Suppe sorgte dafür, dass sich sein Magen umdrehte. Schließlich richtete er seinen Blick wieder auf den älteren Mann. Das Bedauern war nicht aus dessen Augen gewichen und Chuck wusste insgeheim, dass die Entschuldigung aufrichtig war. Trotzdem... Wer war dieser Kerl? Wenn er im Thronsaal Gottes war, oder wie auch immer dieser Ort hier nun hieß, dann bedeutete das, dass dieser Typ ein Engel war... „Wie unhöflich von mir... Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.“ Der dunkelhäutige Mann schüttelte den Kopf. Chucks Gesicht verzog sich jedoch zu einer Grimasse. Das war wirklich unheimlich, wie dieser Kerl seine Gedanken las. „Mein Name ist Joshua.“ ~*~ NOW – SIOUX FALLS, SOUTH DAKOTA „Lass mich los verdammt nochmal!“ Jensen versuchte sich gegen den festen Griff zu wehren, allerdings hätte er genauso gut versuchen können sich aus der Umklammerung eines Schraubstockes zu befreien. Mit einem frustrierten Schnauben musste er einsehen, dass seine Kräfte einfach nicht ausreichten und so sank er gegen den warmen Oberkörper des größeren Mannes und stellte jegliche Gegenwehr ein. Sonderlich weit war er nicht gekommen. Sie standen auf dem dunklen Flur, knapp vor der Treppe, die nach unten ins Erdgeschoss führte und an dessen Ende nun Bobby auftauchte und einen skeptischen Blick zu ihnen nach oben warf. „Ist alles in Ordnung bei euch?“ „Ja... alles... prächtig!“ Sam war ein wenig außer Atem, was zumindest einen kleinen Erfolg für Jensen darstellte. Nachdem er erfahren hatte, dass Gabriel schwer verletzt im Panikraum vor sich hin vegetierte, hatte der junge Winchester gar nicht so schnell schauen können, da war der Schauspieler regelrecht aus dem Bett gesprungen und hatte sich an ihm vorbei gedrängt. Weit war er wie gesagt leider nicht gekommen. Der Jäger hatte ihn schnell eingeholt, was mitunter an Jensens schlechtem Gleichgewichtssinn lag, der durch die Kopfwunde beeinträchtigt wurde. Es hatte ausgesehen, als hätte er ein paar Bier zu viel zu sich genommen, als er aus dem Zimmer gewankt war und so war es nicht schwer gewesen ihn zu stoppen. „Gar nichts ist prächtig!“ Jensen versuchte sich zur Seite zu drehen um über seine Schulter hinweg einen Blick auf Sam zu werfen. Allerdings lockerte der Größere seinen festen Griff nicht, wodurch der Schauspieler dazu gezwungen war stur geradeaus zu blicken. Also starrte er Bobby vorwurfsvoll an, als ob der ältere Mann in dem Rollstuhl in irgendeiner Weise für seine momentane Lage verantwortlich war. Dem ehemaligen Automechaniker wurde das Ganze scheinbar zu bunt, da er sich mit einem Augenrollen umdrehte und wieder in dem Wohnzimmer verschwand. Als ob das Jensens Stichwort gewesen wäre, setzte er erneut zum Sprechen an. „Nun lass mich endlich los!“ „Nein, das werde ich erst, wenn du dich beruhigt hast. Sei doch vernünftig.“ Ein Schnauben war alles was der Jäger dafür erntete. „Wieso willst du nicht verstehen, dass du ihm nicht helfen kannst?“ „Ha... Und wieso willst du nicht verstehen, dass ich es wenigstens versuchen muss, verdammt nochmal? Das bin ich ihm schuldig...“ Jensen sackte noch ein wenig mehr gegen Sam ohne es wirklich zu wollen, aber vor seinen Augen drehte sich mittlerweile alles. Er versuchte das zwar nicht zu beachten, genauso wie die Übelkeit, die sich langsam seine Speiseröhre hoch kämpfte, allerdings konnte er seine Beine, die sich wie Wackelpudding anfühlten nicht ignorieren. „Bitte...“ Jensen wurde mittlerweile nur noch von dem Größeren aufrecht gehalten. „Bitte... Sammy...“ Resignierend atmete der Jäger tief durch. Sein einer Arm wanderte von Jensens Oberkörper zu seiner Hüfte, während seine andere Hand sich das Handgelenk des kleineren Mannes schnappte und dessen Arm über seine Schulter zog, so dass er Jensen nicht mehr umklammerte sondern ihn vielmehr stützte. Sam murmelte leise vor sich hin, was verdächtig nach '… zwei von der Sorte... das hält doch keiner aus... wieso immer ich?' klang. Jensen beschwerte sich nicht darüber, da ihm der größere Mann die Treppen hinunter half und es ganz so aussah als würden sie den Weg zum Panikraum einschlagen. Da konnte man das leise Stänkern getrost ignorieren und ein triumphierendes Lächeln machte sich auf Jensens Lippen breit. Wäre doch gelacht, wenn er dem Erzengel nicht doch irgendwie helfen konnte... ~*~ tbc... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)