Das Schicksal eines Mannes von Ayres (Eine magische Geschichte) ================================================================================ Prolog: -------- Eine Gestalt schlenderte durch die zerfallenen Straßen der Ruinen. Er war schlank, groß und hatte schulterlanges, braunes Haar. Er trug eine braune Hose und ein braunes Hemd. Alles in allem ein unscheinbarer, junger Mann, wären da nicht diese auffallend grünen Augen gewesen. Er schlenderte scheinbar ziellos an alten, zerstörten, mit Moos überwucherten Häusern vorbei. Nur kurz blieb er vor einer ausgebrannten Schmiede stehen. Ihre Außenwände waren noch vollkommen intakt, jedoch geschwärzt und mit Moos überzogen. Der Innenraum war verwüstet da der größte Teil des Daches herabgestürzt war. Er ging weiter bis er einen großen, zerfallenen Marktplatz erreichte. Etwa in der Mitte des Platzes stand ein, größtenteils zerstörter Brunnen. Er ging zu dem Brunnen und setzte sich auf eine einigermaßen intakte Stelle. Er kam öfter hierher und wusste wenn er dem Weg, der nördlich vom Marktplatz weg führte; folgen würde käme er an den zerstörten Palast. “Owyn!” Er kannte diese Stimme. “Owyn wo bist du denn?!” Es war sein bester Freund, sein Bruder. “Ich bin hier Ronan!” Ronan kam aus einer kleinen Gasse auf ihn zu. Er war dünn, hatte kurzes dunkelblondes Haar und trug die gleiche Kleidung wie Owyn. Auffällig war ein goldenes Drachenamulett, dessen Oberfläche vollkommen glatt war und das an einem Lederband hing. “Das dachte ich mir. Ich mag diese Ruinen nicht. Sie verursachen ein seltsames Gefühl bei mir. Sie sind unheimlich.” “Ja das geht wohl allen so.” Er erhob sich und machte sich auf den Rückweg. “Nicht allen. Bei dir ist es anders.” Owyn blieb stehen und blickte seinen Freund an. “Vielleicht liegt es daran das du anders bist.”, sagte Ronan. “Anders? Das ist eine nette Untertreibung.”, antwortete ihm Owyn lächelnd und hielt seine Handfläche, nach oben gerichtet vor sich. Plötzlich schwebte eine kleine Feuerkugel etwa zwei Zentimeter über ihr. Ronan lachte und sagte: ”Wenn Elain erfährt das du jetzt schon Feuerkugeln erzeugen kannst, musst du wieder eine extra Vorstellung geben.” Owyn blickte ihn ernst an. “Du wirst es Elain doch nicht verraten.” “Natürlich werde ich das.“, antwortete Ronan lächelnd. Owyn schüttelte den Kopf und ging weiter. Sie ließen die Ruinen hinter sich und betraten den Orebar Wald. Kapitel 1: ----------- Dieser war ein Laubwald aus Eichen und Buchen. Er war sehr alt und daher waren die Bäume etliche Meter hoch und ihre Stämme sehr dick. Es gab nur einen Pfad der sich einmal gabelte. Nahe des Waldrandes zu Sevo floss der Liewe durch den Wald, welcher dem Lonba Gebirge entsprang und durch Schmelzwasser gespeist wurde. Der Fluss war knietief und etwa drei Meter breit. Eine alte Holzbrücke führte von einem Ufer zum anderen. Als die beiden Freunde den Fluss erreichten dämmerte es bereits. Plötzlich blieb Owyn stehen. “Warte.” “Warum was ist denn los? Stimmt etwas nicht?” “Ich fürchte wir werden überfallen.” “Wie kommst du darauf?” Plötzlich antwortete eine dunkle Stimme aus dem Gebüsch. “Na er wird uns wohl gehört haben.” Ein bärtiger, dunkelhaariger Mann trat aus dem Gebüsch. Er trug schwarze Kleidung und hatte ein Schwert in der rechten Hand. Auf der anderen Seite des Weges traten ebenfalls zwei dunkelhaarige, bärtige, in schwarz gekleidete Männer aus dem Gebüsch. Beide hatten ebenfalls Schwerter in der Hand und grinsten. Ronan blickte Owyn gelassen an. Dieser schüttelte den Kopf. “Nein gerochen.” Die beiden die jetzt hinter ihnen standen funkelten sie wütend an. Der Mann, welcher der Anführer zu sein schien, lächelte und antwortete: “Dann wissen wir ja was wir mit dem Verdienst machen.” Owyn nickte und löste den Beutel an seinem Gürtel. Ronan sah ihn verständnislos an. “Du wirst ihnen doch nicht dein Geld geben.” Der Anführer blickte ihn prüfend an. “Ihr seid unbewaffnet.” “Das stimmt nicht ganz.”, antwortete Ronan. Owyn schüttelte abermals den Kopf und warf dem Anführer der Wegelagerer ein paar Münzen zu. “Euer ganzes Geld wenn ich bitten darf.“, sagte der Anführer und fügte, mit einem scharfem blick auf Ronan, hinzu: “Euer beider Geld.” “Nein das müsst ihr euch schon mit Gewalt holen!“, schrie Ronan und funkelte ihn, die Hände zu Fäusten geballt, herausfordernd an. “Bringst du deinen Freund dazu, mir sein Geld zu geben, oder sollen meine Freunde und ich das tun?” Forschend blickte Owyn seinen Bruder an. Dann drehte er sich wieder zu dem Mann. “Tut mir leid, dass kann ich nicht. Treten sie zur Seite und lassen sie uns passieren. Ich möchte sie ungern verletzen. Sie haben doch Geld bekommen.” Ronan setzte eine zufriedene Miene auf. Der Mann vor ihnen sah jedoch belustigt aus. “Ich erwähnte es bereits, ihr seid unbewaffnet. Es wäre Selbstmord sich zu widersetzen.” “Nun ich denke, dass ich es riskieren werde.”, antwortete Owyn mit einem funkeln in seinen grünen Augen. Der Anführer starrte ihn an. Plötzlich stutzte Owyn und schaute in die Richtung aus der sie gekommen waren. Der Wegelagerer drehte ebenfalls den Kopf und lauschte angestrengt. Dann nickte er und seine beiden Begleiter verschwanden im Gebüsch. “Was ist denn jetzt?”, fragte Ronan verwirrt. Der Anführer deutete in die Richtung, in die Owyn immer noch blickte und antwortete: ”Eure Rettung naht. Wir werden das ein andermal klären.” Dann verschwand auch dieser im Gebüsch. “Was sollte das denn? Ich habe n…”, er unterbrach seine Rede und lauschte. Langsam näherte sich Hufgetrappel. “Es ist Daniel.”, sagte Owyn. “Oh, dann ist er also aus Egin zurück. Das ging schnell.”, erwiderte Ronan Kurz darauf kam ein Wagen in Sicht, vor den zwei Pferde gespannt waren. Das Gespann wurde von einem dünnen, großen Mann in mittlerem Alter gelenkt. Er hatte schulterlanges, schwarzes Haar und trug eine weiße schmucklose Robe. Als er sie erkannte rief er: “Hallo ihr Beiden. Soll ich euch mitnehmen?” Bevor Owyn den Mund aufmachen konnte, antwortete Ronan bereits. “Ja danke. Das wäre sehr nett.” Daniel brachte den Wagen neben ihnen zum stehen. “Steigt auf und reicht mir mal die Lampe.” Sie stiegen auf und Owyn reichte ihm die Lampe. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und es war schwer etwas, das weiter als einen Meter entfernt war, zu sehen. “Was macht ihr um diese Zeit noch im Wald?” “Wir wurden aufgehalten.”, antwortete Owyn knapp. Daniel kramte in der Zwischenzeit in einem Beutel, auf der suche nach seinem Feuerstein. “Aufgehalten wurdet ihr also. Von was denn?” Sarkastisch antwortete Ronan: “Ach nur von so ein paar Wegelagerern, die uns umbringen und ausrauben wollten.” Daniel hörte auf in seinem Beutel zu kramen und blickte die Beiden, mit hochgezogenen Augenbrauen an. “Wie habt ihr sie verjagt?”, fragte er und sein Blick ruhte auf Owyn. “Wir haben sie nicht verjagt, du warst es. Als sie dich näher kommen hörten, sind sie geflohen.”, antwortete ihm Owyn. Ronan nickte bloß. “Aha so war das also. Sag mal Owyn, könntest du mir mal zur Hand gehen?”, meinte Daniel und hielt ihm die Lampe entgegen. “Klar.” Owyn zückte seinen Feuerstein und entzündete die Lampe. Ronan fing lauthals an zu lachen und Daniel sah enttäuscht aus. Er hängte die Lampe so an den Wagen, dass sie die Straße beleuchtete und nahm die Zügel wieder in die Hand. Langsam beruhigte sich Ronan und hörte auf zu lachen. Gemeinsam fuhren sie weiter in Richtung Sevo. Sevo war ein kleines Dorf. Es gab ein kleines Gasthaus mit einem Stall, einen Schmied, einen Heiler, etwa zweidutzend Häuser und einen kleinen Marktplatz. Bald kamen die Lichter in Sicht. Sie fuhren durch die leere Hauptstraße bis sie den kleinen Marktplatz erreichten. Am anderen Ende des Platzes standen das einzige Gasthaus und daneben ein Stall. Daniel hielt vor dem Stall und stieg ab. “So da sind wir. Wo ist denn Horst?” “Er ist bestimmt eingeschlafen.”, antwortete Ronan und sprang vom Wagen. Owyn stieg ebenfalls ab. Aus dem Gasthaus drangen viele laute Stimmen. Es diente meist als Schenke für die Dorfbewohner und das war am heutigen Abend nicht anders. “Also ich gehe jetzt mal nachsehen wo dieser Nichtsnutz steckt.”, sagte Ronan und schritt auf die Stalltür zu. Als er sie erreichte flog sie auf und traf hart seine Nase. Er stürzte zu Boden und fluchte. In der Tür stand ein kleiner, dünner Junge mit kurzem, struppigem, dunkelblondem Haar. Er trug eine braune Hose und ein schmutziges, weißes Hemd. Er schaute sich um und sah Ronan am Boden sitzen. “Oh nein! War ich das? Tut mir leid, ich bin nun mal ein Nichtsnutz.”, sagte er, mit dem Anflug eines Lächelns im Gesicht. Dann ging er zu Daniel und Owyn hinüber. “Guten Abend.” Owyn und Daniel nickten. Dann ging Daniel zu Ronan hinüber. “Zeig mir mal deine Nase.” Ronan nahm die Hand von der Nase und fragte: ”Kannst du das wieder in Ordnung bringen?” “Ja natürlich, sie ist nicht einmal gebrochen.”, antwortete er und hielt seine Hand dicht vor Ronans blutende Nase. Dann zog er die Hand wieder zurück. Die Nase hatte aufgehört zu bluten. “Na wie ist es?” “Super danke. Du hast zu Recht den Titel eines Heilers.” Daniel wurde leicht rosa im Gesicht. “Vielen dank.” “Ich bin ja tatsächlich ein Nichtsnutz. Noch nicht mal gebrochen war sie.”, flüsterte Horst Owyn zu. Dieser lächelte. Dann drehte sich Horst zu Daniel. “Ich kümmere mich um die Pferde und den Wagen.” Daniel nickte und Horst führte das Gespann neben den Stall. “Möchtest du nicht noch mitkommen und eine Tasse Tee trinken Owyn? Miranda würde sich sicher freuen.”, fragte Daniel heiter. Owyn schüttelte den Kopf. “Nein tut mir leid. Ein anderes Mal vielleicht.” “Da kann man nichts machen.”, sagte Daniel und machte sich auf den Nachhauseweg. Inzwischen hatte Horst eines der Pferde aus dem Gespann gelöst und führte es in den Stall. “Lass uns nach Hause gehen. Ich bin müde.”, sagte Owyn. “Geh schon vor, ich komme später. Ich gehe noch ein Bier trinken.”, mit diesen Worten verschwand er in dem kleinen Gasthaus. Owyn verließ den Marktplatz und bog in eine kleine Gasse ein. Nach einer Weile blieb er vor einem Haus stehen. Er ging zur Tür und öffnete sie. Der Raum dahinter war von einem Feuerschein erhellt, der von einem Kamin am Ende des Zimmers stammte. In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch um den sechs Stühle standen. Auf dem Tisch selbst standen zwei Teller mit Löffel und einem Leib Brot, eingroßer Topf und eine Lampe. Instinktiv sah sich Owyn nach Elain, seiner kleinen Schwester um. Doch es war zu dunkel und daher war ein Großteil des Zimmers nicht einzusehen. Er ging zum Tisch und nahm die Lampe die darauf stand. Owyn nahm den Feuerstein aus seiner Tasche und entzündete sie. Er hob sie hoch und der Rest des Zimmers wurde schwach beleuchtet. Zwei Türen führten aus dem Raum in andere. In einer Ecke des Raumes lag ein kleines, dünnes Mädchen mit schulterlangem, braunem Haar. Sie trug eine braune Hose und ein braunes Hemd. Owyn wusste das es die alte Kleidung ihres Bruders war. Elain schien zu schlafen. Er stellte die Lampe vor einer der Türen ab und hob sie vom Boden auf. Sie schlief ruhig weiter und Owyn trug sie durch die Tür, vor der die Lampe stand, in einen anderen Raum. In diesem herrschte vollkommene Dunkelheit. Owyn trat zur Seite und der Schein der Lampe viel in das erheblich kleinere Zimmer. Im Zimmer standen ein großes Bett und eine große Truhe. Owyn schloss die Augen und konzentrierte sich. Ein matter Schein ging nun von ihm aus. Er öffnete die Augen und trug das Mädchen durch die nächste Tür. Der Raum wurde von dem Licht, das von Owyn ausging leicht erleuchtet. Dieser war etwa so groß wie der vorherige und hatte in etwa dieselbe Ausstattung. Ein Bett, das jedoch kleiner war als das in dem vorhergegangenen Raum und eine Truhe. Er legte Elain auf das Bett und deckte sie zu. Dann verließ er den Raum und kehrte wieder in den Raum mit dem Kamin zurück. Dort hob er die Lampe wieder auf und stellte sie zurück auf den Tisch. Das matte leuchten, das von ihm ausging, verschwand. Er setzte sich eine Weile an den Tisch und wartete auf Ronan. Doch dieser kam nicht. Dann beschloss Owyn schlafen zu gehen. Er nahm die Lampe und verließ den Raum durch die andere Tür. Der Raum den er betrat war etwas größer als der, in dem Elain schlief. Es standen zwei Betten und drei Truhen darin. Auf einem der beiden Betten lagen mehrere Bücher. Owyn stellte die Lampe auf einer der Truhen ab und räumte die Bücher vom Bett. Dann zog er Hemd und Hose aus und legte sich schlafen. Am nächsten Morgen wurde er von Elains flüsternder Stimme geweckt. Sie kniete vor seinem Bett und blickte ihn an. Ein lautes schnarchen sagte ihm das Ronan noch immer schlief. “Bist du wach?” “Ja bin ich.” “Ich wollte mich bedanken. Du hast mich doch gestern ins Bett getragen, oder?” “Ja habe ich. Hattest du auf uns gewartet?” “Ja. So lange Mama und Papa in Egin sind kümmere ich mich um den Haushalt. Ich hatte gekocht.” “Ich habe es gesehen. Ich habe es nicht probiert. Tut mir leid.” “Macht nichts. Ich kann es aufwärmen und wir essen es heute zum Frühstück. Allerdings glaube ich nicht das Ronan aufstehen will. War er wieder im Gasthaus um Katrina zu sehen?” “Natürlich. Du weißt doch dass er in sie verliebt ist.” “Schon. Sie ist aber nicht in ihn verliebt.” “Das ist ihm noch nicht aufgefallen. Aber Ronan lässt sich da auch nichts sagen.” Elain nickte und stand auf. “Ich gehe schon mal das Essen aufwärmen.”, mit diesen Worten verließ sie das Zimmer. Owyn stand auf und zog sich an. Dann folgte er Elain. Sie versuchte gerade den Topf über das Kaminfeuer zu hängen. Er ging auf sie zu um ihr zu helfen. Plötzlich rutschte ihr der Topf aus der Hand, doch er fiel nicht zu Boden. Elain drehte sich um und sah Owyn mitten im Raum stehen. Er hatte die Handfläche auf den Topf gerichtet und bewegte sie jetzt. Elain drehte sich wieder zum Topf. Dieser schwebte über das Kaminfeuer. Plötzlich erzitterte er. Schnell befestigte Elain den Topf und sah zu Owyn hinüber. Dieser schwankte leicht und setzte sich auf einen Stuhl. “Bist du in Ordnung Owyn?” “Mach dir keine Sorgen. Es geht mir gut. Es liegt daran, dass ich noch nicht ganz wach bin. Ich bin nur etwas erschöpft.” “War das ein neuer Zauber?” “Ja.” “Seit wann kannst du das?” “Lass mich mal überlegen.”, sagte Owyn nachdenklich. “Seit letzter Woche. Deshalb beherrsche ich ihn auch nicht so gut. Er strengt mich zu sehr an.” “Passiert das öfter?”, fragte Elain besorgt. “Nein nur bei neuen Zaubern die ich nicht gut beherrsche.” Elain musterte ihn aufmerksam. “Es geht mir wirklich gut.”, sagte Owyn lächelnd und stand wieder auf. “Wenn du es sagst.”, entgegnete Elain ungläubig und nahm sich einen Holzlöffel, aus einer Truhe neben dem Kamin. Dann fing sie an damit den Eintopf zu rühren. Owyn ging zu der Truhe und holte zwei Teller, zwei Löffel und ein Tuch um den Topf darauf zu stellen hervor. “Nein lass mich das machen.”, meinte Elain und nahm ihm die Sachen ab. Owyn schüttelte ungläubig den Kopf und setzte sich wieder auf den Stuhl. Dann fragte er sie: “Wann hast du Geburtstag? In zwei Tagen wirst du elf, nicht?” “Nein in drei.” “Ja richtig.” Nach kurzer Zeit stellte Elain den dampfenden Eintopf auf den Tisch. Sie aßen und wuschen dann die Teller, an dem kleinen Brunnen neben dem Haus ab. Als sie wieder ins Haus kamen, saß Ronan am Tisch. “Ach da seit ihr. Ich habe euch schon gesucht.” “Wir waren keine fünf Minuten weg.”, sagte Elain. “Das spielt doch keine Rolle. Ihr wart nicht im Haus.” Owyn und Elain setzten sich zu Ronan an den Tisch. “Ich habe schon mit Elain gefrühstückt.” “Habe ich bereits bemerkt.”, antwortete Ronan und deutete auf die abgewaschenen Teller und Löffel, die nun auf dem Tisch lagen. “Ich werde einfach im Gasthaus essen.”, fuhr Ronan grinsend fort. “Ja bei Katrina.”, sagte Elain belustigt. Ronan wurde rot. “Davon verstehst du nichts! Wie denn auch du bist erst zehn.” “In drei Tagen werde ich elf. Außerdem verstehe ich genug davon, um dir sagen zu können das Katrina nicht in dich verliebt ist.” Ronan klappte der Mund auf. Schockiert starrte er seine kleine Schwester an. Dann stand er ruckartig auf und verließ das Haus. Elain und Owyn sahen ihm nach. “Wo geht er denn hin?” Owyn antwortete ihr Schulter zuckend: “Zu Katrina. Oder besser gesagt ins Gasthaus.” “Du denkst er glaubt mir das nicht?” “Nein ich weiß es.” Elain stand auf und verstaute die Teller und Löffel wieder in der Truhe neben dem Kamin. “Ich gehe dann jetzt mal zu Horst. Ich muss ihm schließlich sagen, dass du einen neuen Zauber kennst.” Sofort drehte sie sich um und lief zur Tür. Owyn wollte ihr noch etwas nachrufen, doch sie war schon durch die Tür verschwunden. Eine ganze Weile saß er am Tisch und starrte in die Flammen. Dann klopfte es an der Tür. Owyn ging zur Tür und öffnete sie. Ein großer, schlanker, alter Mann mit einer schmutzigen blassblauen Hose und einem schmutzigen weißen Hemd stand davor und starrte ihn an. “Ich suche einen Magier namens Owyn. Bist du sein Sohn?” Owyn blickte ihn verwirrt an. “Nein. Mein Name ist Owyn. Kann ich euch helfen?” “Ihr seid Owyn? Aber ihr seid doch höchstens neunzehn Jahre alt.”, sagte der alte Mann schockiert. “Ich bin zwanzig guter Mann. Wie kann ich Euch helfen?” “Ihr könnt mir nicht helfen. Ich bringe doch ein Kind nicht in Lebensgefahr!” Owyn sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Der Mann wollte gerade gehen doch Owyn hielt ihn zurück. “Wartet. Wer hat Euch zu mir geschickt und wobei soll ich helfen?” “Das ist das Problem bei euch jungen Leuten. Ihr hört einfach nicht zu. Ich sagte, dass du mir nicht helfen kannst.” “Wer hat Euch zu mir geschickt?” Eine heitere Stimme antwortete ihm: “Ich habe ihn zu dir geschickt. Es gibt hier weit und breit nur einen Magier und das bist nun einmal du.” Owyn musste sich nicht nach der Quelle der Stimme umsehen. Er wusste auch so, dass es Daniel war. Er blickte zur Straße und sah wie erwartet Daniel dort stehen. Der alte Mann nickte. “Richtig. Von eurem Heiler.” “Um was geht es denn überhaupt? Es wäre nett mich darüber nicht im Unklaren zu lassen.” Daniel kam auf sie zu und schob Owyn und den alten Mann ins Haus und schloss die Tür hinter ihnen. “Dieser Mann hier stammt aus Bato. Du kennst das Dorf wahrscheinlich nicht. Es liegt einen Tagesmarsch hinter den Ruinen von Idar. Das Dorf wurde direkt neben dem Andagsee erbaut. Die Menschen dort leben hauptsächlich vom Fischen. Da der Wald vor den Ruinen endet, gehen sie nicht jagen. Es ist einfach ein zu weiter Weg. Seit einiger Zeit fangen sie kaum noch Fische und ein paar Kinder aus dem Dorf werden vermisst. Ich kenne mich in der Hinsicht zwar nicht gut aus, aber ich denke es ist ein Wasserdämon im Andagsee. Dämonen kann man, wie du vielleicht weißt, nur mit Magie wirksam bekämpfen. Daher habe ich diesen Mann zu dir geschickt”, erzählte Daniel. Der alte Mann schaute Daniel wütend an. “Ihr könnt doch nicht glauben, dass ich diesen jungen Mann mit in mein Dorf nehme. Er hat sein ganzes Leben noch vor sich. Wenn es wirklich ein Wasserdämon ist, muss ich einen ausgebildeten Magier bitten.", sagte er wütend. “Nun dramatisiert das doch nicht so. Owyn ist durchaus in der Lage einen Wasserdämon zu besiegen.” Owyn sah von einem zum anderen. “Dürfte ich auch etwas zu dem Thema beitragen?” “Das ist nicht nötig. Ich werde dich nicht mitnehmen.", sagte der Alte stur. “Ihr müsst wenn ihr nicht verhungern wollt. Außerdem wird der Dämon früher oder später das Dorf angreifen. Bis ihr einen anderen Magier gefunden habt, der im stande ist einen Wasserdämon zu besiegen, hat er euer ganzes Dorf vernichtet.", sagte Daniel gelassen. Der Alte starrte ihn mit offenem Mund an. Dann meldete sich Owyn zu Wort. “Ich hatte noch nie etwas”, fing Owyn an, doch Daniel unterbrach ihn. “Nehmt ihr Owyn nun mit oder nehmt ihr in kauf, dass euer Dorf verwüstet wird und die Menschen die darin leben, sterben werden?” “Ich weiß nicht. Ich muss erst darüber nachdenken”, antwortete der Alte. “Das können Sie gern bei mir tun.”, sagte Daniel und öffnete die Tür. Der Alte nickte nur. Gerade als sie das Haus verlassen wollten, schlug ihnen die Tür vor der Nase zu. Beide drehten sich um und sahen Owyn, der die Handfläche auf die Tür gerichtet hatte “Einen Moment noch.", sagte er gelassen. “Keine Sorge Owyn. Ich werde dir alles was ich über Wasserdämonen weiß beibringen. Außerdem wird der Dämon das Dorf ausrotten, wenn du ihnen nicht hilfst. Ich komme später wieder, aber jetzt bringe ich erst mal diesen netten Mann in mein Haus. Dort kann er sich ein wenig ausruhen.", sagte Daniel freundlich. Owyn musterte die beiden Männer. Dann senkte er die Hand. Daniel und der alte Mann verließen das Haus und überließen Owyn seinen Gedanken. Es dauerte nicht lange bis es wieder an der Tür klopfte. Er öffnete sie. “Hallo Owyn, wie geht es dir? Mein Vater hat mich geschickt.” Vor der Tür stand Daniels Tochter Miranda und strahlte ihn an. Sie war ein Jahr älter als Owyn. Sie war dünn und hatte schwarzes, schulterlanges Haar das mit einem Leberband zusammen gebunden war. Sie trug eine schwarze Robe, dessen Saum und Ärmel mit goldenen Fäden bestickt waren. “Mir geht es gut. Daniel wollte doch persönlich vorbei kommen. Es ging um den Wasserdämon.", sagte Owyn und trat zur Seite. Miranda trat ein und meinte: “Ja aber ich habe ihn gebeten mich zu schicken. Ich habe ohnehin mehr Ahnung von Dämonen als er.” Sie setzte sich und Owyn holte zwei Becher und eine Kanne aus der Truhe und stellte sie auf den Tisch. Miranda zog einen Becher und die Kanne zu sich. Dann hielt sie ihre Hand über die Kanne und konzentrierte sich. Nichts geschah. Owyn legte seine Hand auf ihre und die Kanne füllte sich mit heißem Wasser. Miranda lächelte und warf ein paar Kräuter hinein. “Ich beherrsche es noch immer nicht.” “Das braucht Zeit. Die Magie einer Heilerin ist anders als die eines Magiers. Aber ich bin mir sicher, dass du es irgendwann schaffst.” “Du hast Recht, danke. Aber ich bin ja wegen des Dämons gekommen. Ich habe schon mal etwas über sie gelesen und einer der Händler hat mir von ihnen erzählt.” “Bist du je einem begegnet?” “Nein. Das hätte ich auch nicht überlebt. Ich bin nur eine Heilerin. Sie sind sehr gefährlich. Deshalb ist es sehr wichtig, dass du alles über sie weißt.” “Ich weiß nicht ob ich einem Wasserdämon gewachsen bin.” “Keine Sorge. Das schaffst du schon. Außerdem werde ich dich begleiten.” “Wie bitte? Hat Daniel dir das erlaubt?", fragte Owyn entsetzt. “Nein natürlich nicht. Das würde er mir niemals erlauben.” “Ich will dich nicht in Gefahr bringen.” “Das wirst du nicht. Außerdem wäre ich eine schlechte Freundin, wenn ich dich einfach alleine gehen ließe.", sagte sie lächelnd. Owyn sah sie abschätzend an. “Ich habe keine Chance richtig?” “Richtig. Aber jetzt zurück zu dem Dämon. Also ein Wasserdämon besteht, wie der Name schon sagt, vollkommen aus Wasser. Wenn sie sich im Wasser aufhalten, sieht man sie kaum noch. Sie können das Wasser für kurze Zeit verlassen. Sie fressen Fische, Tiere und Menschen. Sie vermehren sich in dem sie Eier legen. Die Eier haben eine leicht grünliche Farbe und liegen meist am tiefsten Punkt des Gewässers. Das ist alles was ich über sie weiß.” “Haben Wasserdämonen keine Schwächen? Wie bekämpft man sie?” “Ich weiß es nicht. Tut mir leid.", antwortete Miranda betrübt. Owyn sah sie nachdenklich an. “Gut dann werden wir das wohl herausfinden müssen”, meinte Owyn. Miranda lächelte ihn glücklich an und nickte. “Ja werden wir wohl. Morgenfrüh brechen wir auf.” “Gut.” “Ich hole dich ab.” “Ihr holt mich ab. Oder willst du den alten Mann etwa hier lassen?", fragte Owyn lächelnd. “Nein natürlich nicht.", antwortete Miranda und wurde leicht rosa im Gesicht. Immer noch lächelnd goss Owyn ihr Tee in den Becher. Sie nahm ihn und trank einen großen Schluck daraus. Sie blieb bis es dunkel wurde und ging dann nach Hause. Kurze Zeit später tauchten auch schon Elain und Ronan auf. “Hallo Owyn. Warst du den ganzen Tag zu Hause?", fragte Ronan. “Ja war ich. Hört mal ich muss euch etwas erzählen.” “So ein Zufall. Ich muss dir auch etwas erzählen. Wir sind heute Abend alle drei zum Essen eingeladen.", sagte Ronan stolz. “Ja James hat uns eingeladen”, meldete sich Elain zu Wort. Ronan nickte glücklich. “Katrina wird extra für uns kochen. In ihrem Haus. Du weißt schon, dass neben dem Gasthaus”, erzählte er. “Das ist ja toll.”, entgegnete Owyn. “Was wolltest du uns sagen?", fragte Elain. Ich sage es euch später. Im Moment kann das warten. Lasst uns gehen.” Sie machten sich auf den Weg. Als sie dort ankamen öffnete ein, in die Jahre gekommener, leicht übergewichtiger Mann, mit breiten Schultern und kurzem, blondem Haar, die Tür. Er trug eine braune Hose und ein weißes Hemd. Lächelnd sagte er: “Hallo ihr Drei. Das ging ja wirklich schnell.” “Hallo James.", entgegnete Owyn. Die anderen beiden nickten nur grinsend. “Kommt rein und setzt euch. Das Essen wird bald fertig sein”, meinte James und trat bei Seite um sie einzulassen. Sie betraten das Haus. Ein Kamin, in dem ein Topf hing, befand sich an der gegenüberliegenden Wand. Daneben befand sich eine Tür und auf der anderen Seite stand eine Truhe. Über der Truhe hing ein kleines Regal, auf dem Teller und Töpfe standen. Ein Stück vom Kamin entfernt stand ein großer Tisch um den sechs Stühle standen. Auf einem der Stühle saß ein Mädchen, das etwa in Owyns Alter war. Sie war schlank und hatte hüftlanges, blondes Haar. Sie trug ein gelbes Kleid und darüber eine weiße Schürze. Hinter dem Tisch befand sich eine weitere Tür. Die Drei gingen zum Tisch und setzten sich. “Hallo.", sagten Owyn und Elain. “Hallo”, erwiderte sie lächelnd. “Hallo Katrina”, meinte Ronan. Katrina nickte ihm lächelnd zu. Dann stand sie auf und ging zum Kamin um nach dem Essen zu sehen. James setzte sich zu den Drei. “Owyn ich habe heute Nachmittag gehört das du”, fing James an, doch Owyn unterbrach ihn. “Nein unsere Eltern sind noch nicht aus Egin zurück. Das stimmt nicht.” “Nein nein. Das meinte ich nicht.", sagte James. Owyn blickte ihn böse an. Elain sah von James zu Owyn. “Stimmt etwas nicht? Um was geht es denn?” “Ich sage es euch, wenn wir wieder zu Hause sind. Versprochen.", antwortete Owyn. Nach einer Weile kam auch Horst dazu. Das Essen verlief ereignislos. Als sie wieder zu Hause waren fragte Elain sofort: “Was wolltest du uns sagen? Was ist denn los?” Owyn zögerte. Ronan sah ihn fragend an. “Ich werde morgen nach Bato aufbrechen. Wenn ich durch die Ruinen gehe, brauche ich etwa eineinhalb Tage.", sagte Owyn. “Moment mal! Was zum Henker willst du in Bato?! Warum hast du uns das nicht früher gesagt.", sagte Ronan aufgebracht. “Hast du denn meinen Geburtstag vergessen?", fragte Elain traurig. “Nein. Es tut mir sehr leid. Ich habe es auch erst heute erfahren. Es geht nicht anders. Ich habe keine andere Wahl.” “Wieso willst du auf einmal nach Bato? Da stimmt doch etwas nicht.", sagte Ronan misstrauisch. Owyn erzählte ihnen von dem alten Mann und von dem See, in dem ein Wasserdämon hauste. Er erklärte ihnen, dass man einen Dämon nur mit Magie wirksam bekämpfen könne und dass er weit und breit der einzige Magier sei. “Aber du hast doch keine Ahnung, wie man einen Wasserdämon bekämpft.", sagte Elain besorgt. “Natürlich hat er das. Stimmt doch Owyn. Oder nicht?” “Nein.” “Was du hast keine Ahnung! Das gib es doch nicht! Bist du etwa Lebensmüde”, brüllte Ronan schockiert. “Du glaubst doch nicht, dass wir dich gehen lassen.", sagte Elain wütend. Owyn blickte beide an. Dann lächelte er und sagte: “Natürlich werdet ihr das.” Die beiden sahen ihn schockiert an. “Gut wann gehen wir?", fragte Ronan. “Wir?” “Natürlich ich lasse dich doch nicht alleine gehen.” “Und ich auch nicht.", sagte Elain. “Ich werde keinen von euch beiden mitnehmen.” “Was!", sagten Elain und Ronan gleichzeitig. “Das du Elain nicht mitnehmen willst, ist in Ordnung. Aber warum nimmst du mich nicht mit?", fragte ihn Ronan ernst. “Weil du Elain nicht alleine hier lassen kannst. Ganz einfach.” “Ich werde bald elf. Ich bin kein kleines Kind mehr”, meinte Elain aufgebracht. “Doch bist du, aber ich nicht”, meinte Ronan. “Das spielt keine Rolle. Ich nehme euch Beide nicht mit. Das ist mein letztes Wort.", sagte Owyn bestimmt. Die anderen Beiden nickten wütend und verschwanden in ihren Zimmern. Kapitel 2: ----------- Am nächsten Tag holten Miranda und der alte Mann Owyn ab. Der Alte stellte sich als Lars vor. Nach kurzer Zeit überquerten sie den Fluss. Owyn blieb lächelnd stehen und die anderen beiden blickten ihn fragend an. “Sie haben sich gewaschen.” “Wer?", fragte Miranda verwirrt. “Die Männer die mich und Ronan überfallen haben.” “Wie kommst du denn jetzt darauf?” “Frag lieber nicht.” Gerade als sie weiter gehen wollten, sprang der Anführer der Wegelagerer auf den Weg. “Wer seid ihr”; fragte Lars den Mann. “Was wollt ihr?", fragte Miranda. “Habt ihr es auf mich abgesehen?", fragte Owyn. “Ich möchte nur euer Geld.", sagte der Mann und zog sein Schwert. Die Drei machten keine Anstalten ihm ihr Geld auszuhändigen. “Ihr tragt immer noch keine Waffe, junger Freund.", sagte der Anführer zu Owyn. “Ihr habt Recht. Ich sollte mir tatsächlich eine Waffe zulegen.” “Händigt mir euer Geld aus.” “Es ist höchst unklug einen Magier anzugreifen”, meinte Miranda gelassen. Lars stimmte ihr wortlos zu. “Einen Magier?", fragte der Wegelagerer ungläubig. “Ja.”, bestätigten Lars und Miranda. Der Mann trat blitzschnell einen Schritt vor, ergriff Mirandas Handgelenk und zerrte sie zu sich. In Owyn grünen Augen war ein funkeln zu sehen. “Lass sie los! Sofort!", sagte Owyn bestimmt. “Ihr müsst mir nur euer Geld geben und schon ist sie wieder frei.", antwortete der Mann und hob sein Schwert an Mirandas Kehle. Als sie immer noch nichts taten, verstärkte der Mann den Druck auf sein Schwert. Miranda verzog ihr Gesicht und ein kleines Blutrinnsal lief ihr den Hals hinab. Owyn ballte die Hände zu Fäusten und schloss die Augen. Plötzlich zerfiel die Klinge des Wegelagerers zu Staub. Dieser ließ Miranda los und starrte fassungslos auf das Heft, das er in Händen hielt. Miranda lief zu Owyn und Lars. Augenblicklich sprangen die anderen Beiden Wegelagerer aus einem Busch hinter den Drei. Sofort wirbelte Owyn herum und trat einen Schritt vor. Er kniete sich nieder, legte die Handfläche auf den Boden und schloss wiederum die Augen. Sofort fing die Erde an zu beben. Lars, Miranda und die drei Männer stürzten zu Boden. Angsterfüllt krochen die Wegelagerer ins Gebüsch. Das Beben wurde schwächer und hörte kurz darauf auf. Owyn kippte zur Seite und lag keuchend am Boden. Mit besorgtem Blick ging Miranda zu ihm. “Owyn? Owyn was ist denn? Geht es dir nicht gut?", fragte sie ihn. “Was ist? Ist er verletzt?", fragte Lars verwirrt. “Nein.", antwortete Owyn immer noch keuchend. “Geht es wieder?", fragte Miranda und half ihm sich aufzusetzen. Owyn nickte. “Gut dann können wir ja weitergehen, bevor diese Kerle wiederkommen”, meinte Lars. “Sie werden bestimmt nicht wiederkommen. Wir machen hier kurz rast, damit Owyn sich ausruhen kann.", entgegnete ihm Miranda. Nach einer kurzen Rast gingen sie weiter. Die Drei kamen nur langsam voran, da Owyn sehr erschöpft war. Als es dämmerte hatten sie gerade die Ruinen Idars verlassen. “Wir sollten uns einen Schlafplatz suchen, bevor es völlig dunkel ist.", sagte Miranda. Owyn stimmte ihr zu. “Zwischen Bato und den Ruinen gibt es weder Wald noch einen Berg. Es ist eine Ebene, die sehr gut zu überblicken ist.", entgegnete Lars. “Dann können wir auch kein Feuer machen. Wir haben kein Feuerholz”, stellte Miranda fest. “Wir haben einen Magier. Wozu brauchen wir da Feuerholz?", fragte Lars. “Das wird nicht gehen. Ich kann zwar Feuer entfachen, aber es nicht die ganze Nacht brennen lassen. Nicht ohne Feuerholz. Selbst ein Magier ist an solche Dinge zum Teil gebunden.", antwortete ihm Owyn. Sie setzten sich ein Stück abseits des Weges ins Gras. “Wie geht es deinem Hals?", fragte Owyn Miranda. “Es ist nicht schlimm. Zumindest noch nicht. Ich habe meinen Beutel mit Heilkräutern vergessen. Es wird sich bald entzünden.” “Kannst du es denn nicht heilen?” “Nein. Es hört sich zwar seltsam an, aber meine Heilkunst reicht noch nicht aus um mich zu heilen. Sich selbst zu heilen ist weitaus schwieriger, als andere zu heilen.” “Soll ich es mal versuchen?” “Das ist nicht deine Magie. Du bist ohnehin erschöpft.” “Es geht schon wieder. Ich habe es ein bisschen übertrieben. Aber ich sollte es schaffen. Außerdem ist es eine kleine Wunde.” “Lass es lieber. Morgen sind wir ja in Bato. Zumindest wenn wir uns beeilen.” Owyn nickte. “Wir haben eine menge Zeit verloren.", sagte Lars mürrisch. Miranda zuckte mit den Schultern. “Du hast dein Geld noch”, meinte sie und legte sich schlafen. Owyn nickte wiederum und tat es ihr gleich. Am nächsten Morgen gingen sie weiter. Sie kamen zügig voran und machten nur eine kurze Rast, um etwas zu essen. Nach einigen Stunden, erreichten sie den Andagsee und das Dorf kam in Sicht. Als es dämmerte betraten sie Bato. Es war wie ausgestorben. Das Dorf lag direkt am See. Der See hatte etwa einen Durchmesser von siebenunddreißig Metern, dass klare Wasser war sehr tief, aber nur an den tiefsten Stellen konnte man den Grund nicht sehen. Ein etwa ein Meter breiter Holsteg führte, vom gras bewachsenen Ufer, etwa zwei Meter auf den See hinaus. Das Dorf selbst war knapp fünf Meter vom Ufer entfernt. Es bestand aus etwa zweidutzend Häusern, einem kleinen Marktplatz und einem Bootsbauer. Sie passierten etwa ein halbes Dutzend Häuser und erreichten dann den kleinen Marktplatz. Lars zeigte auf ein kleines Haus am Rande des Platzes. “Das ist mein Haus. Wir haben hier leider kein Gasthaus. Daher lade ich euch in mein Haus ein.” Miranda und Owyn folgten ihm ins Haus. Sie betraten einen großen Raum in dessen Mitte ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen stand. An der rechten Wand befand sich ein großer Kamin. Links und rechts davon stand jeweils eine Truhe. Vor dem Kamin stand ein alter, zerschlissener Sessel. An der linken Wand befand sich eine Tür und an der, ihnen gegenüberliegenden, Wand standen zwei kleine und eine große Truhe. Lars ließ sich in den Sessel sinken und bedeutete ihnen, sich auf die beiden Stühle am Tisch zu setzen. “Ist es um diese Zeit immer so ruhig im Dorf?", fragte Owyn verwundert. “Nein”, war die knappe Antwort von Lars. “Wie vernichten wir den Dämon? Hast du schon eine Idee?", fragte Miranda. “Nein. Mir fällt nichts Brauchbares ein. Mein erster Gedanke war es, ihn zu verdampfen. Das wird aber nicht funktionieren. Ich glaube nicht, dass der Dämon in aller Ruhe abwartet, bis ich ihn verdampft habe.” “Ja, wahrscheinlich nicht.” Lars verließ den Raum durch die Tür an der linken Wand. Er kam mit zwei Decken zurück. Die hier sind für euch. Ihr müsst leider hier schlafen. Vor dem Kamin ist es am gemütlichsten. Ich bin müde und ihr solltet besser auch schlafen gehen”, meinte er, gab ihnen die Decken und verließ den Raum wieder durch die Tür. Miranda öffnete die linke Truhe neben dem Kamin und tastete darin herum. “Aha. Ich hatte Recht. Ich habe das Feuerholz gefunden.” Sie warf ein paar Stücke in den Kamin und schloss die Truhe wieder. Mit einer Bewegung seiner Hand entfachte Owyn ein Feuer im Kamin. Beide breiteten die Decken auf dem Boden aus und rollten ein Ende zu einem kleinen Kissen auf. Dann legten sie sich hin. “Wir hätten daran denken sollen, uns eigene Decken mitzubringen.", sagte Miranda. “Hast du kalt?” “Na ja, ein bisschen.” Owyn wiederholte die Geste mit seiner Hand und das Feuer wurde größer und heller. “Danke. Schlaf gut. Morgen überlegen wir, wie wir den Wasserdämon vernichten.", sagte sie und schloss die Augen. “Ja.” Owyn lag noch einige Zeit wach und dachte über den Dämon nach. Dann schlief er ein. Gerade als die Sonne aufging, schreckte Owyn aus seinem schlaf. Verwirrt starrte er auf den Kamin, in dessen innerem es noch ein wenig glühte. Dann begriff er, warum er aufgewacht war. Von draußen drangen Hilfeschreie herein. Jetzt erwachte auch Miranda. “Was ist los? Ist es der Dämon?", fragte sie verschlafen. “Ich weiß es nicht. Komm wir müssen nachsehen.", antwortete er ihr, erhob sich und lief zur Tür. Als er sie öffnete und hinaus auf den Marktplatz schaute, sah er eine Menschenmenge. Es waren ungefähr sechs Kinder und neun Erwachsene. Er schaute den Weg entlang und sah eine Gestalt, die vollkommen aus Wasser zu bestehen schien. Sie näherte sich unaufhaltsam der Menschenmenge. Owyn und Miranda traten aus der Tür und liefen auf die Leute zu, die immer noch um Hilfe riefen. Einige der Erwachsenen versuchten die Kinder hinter sich zu drängen. “Was machen wir jetzt?", fragte Miranda als sie die Menge erreichten. “Improvisieren.", antwortete Owyn ihr ratlos. “Wer seid ihr? Ich habe euch hier noch nie gesehen.", fragte eine mutige Frau. Sie trug ein braunes, ungeschmücktes Kleid, hatte kurze, weißblonde Haare, war leicht übergewichtig und etwa im mittleren Alter. Gerade als Miranda antworten wollte, schickte die Gestalt aus Wasser ihnen eine Kaskade entgegen. Owyn hob die Hände vor sich, die Handflächen auf die Wasserkaskade gerichtet. Kurz vor ihnen spritzte sie auseinander. Owyn stolperte zurück. “Ein Magier”, rief die Frau verblüfft. Sofort verebbten die Schreie. Der Wasserdämon blieb stehen. Nun konnte Owyn ihn erkennen. Seine Gestalt war menschenähnlich. Er war geschlechtslos und hatte weder Haare noch ein Gesicht. “Er ist stark.", sagte Owyn zu Miranda. “Und nun? Hast du schon eine Idee?", fragte Miranda mit einem Anflug von Angst in der Stimme. Owyn blickte sie an. “Ja.” “Und welche?” “Zeitschinden bis mir etwas besseres einfällt. Außerdem sagtest du, dass er nur eine bestimmte Zeit das Wasser verlassen könne.” Wieder schickte der Dämon eine Wasserkaskade los. Wie zuvor bereits, blockte Owyn sie ab. Ein lautes Gurgeln war zu hören. “Na los doch Junge, greif ihn an”, feuerte ihn die übergewichtige Frau an. Miranda schenkte ihr einen missbilligenden Blick, den die Frau gekonnt ignorierte. Der Dämon setzte sich wieder in Bewegung. “Owyn.", sagte Miranda drängend. Ratlos schaute er sich um. “Owyn!", sagte Miranda lauter. Owyn wandte den Blick wieder zu dem Dämon um. Dieser hatte die Hände erhoben. “Was hat er denn vor?”, fragte Owyn. Bevor er reagieren konnte schickte der Dämon einen großen Eissplitter los. Schnell breitete Owyn die Arme aus. Eine Linie aus Feuer zog sich um die Menschenmenge. Der Splitter wurde kleiner und schmolz. Aber das Feuer nahm Owyn die Sicht. Wie aus dem Nichts, traf Ihn eine Wasserkaskade und schleuderte ihn durch die Menge. Das Feuer verlosch. Keuchend blieb er knapp vor einer Hauswand liegen. Starr vor Angst starrte Miranda auf die Schneise, die sich in der Menge gebildet hatte. Sofort fing sie sich wieder und rannte zu Owyn. Dieser setzte sich mit mühe auf. “Owyn! Owyn bist du schwer verletzt?", fragte Miranda und lies sich neben ihm auf die Knie fallen. Die Leute wichen an die Hauswand zurück. Wieder startete der Dämon einen Angriff. Owyn hob eine Hand um diesen zu blocken. Als das Wasser auf die Blockade traf, verzog Owyn das Gesicht. Langsam näherte sich das Wasser und drängte die Blockade zurück. Plötzlich hörte der Angriff auf. Das letzte was Owyn sah, bevor er das Bewusstsein verlor, war das der Dämon in Richtung See verschwand. Nach einiger Zeit kam er wieder zu sich. Er spürte einen stechenden Schmerz in seinem rechten Handgelenk. Owyn öffnete die Augen und sah Miranda. Sie kniete neben ihm und blickte ihn an. Als er sich umschaute stellte er fest, dass er sich in Lars Haus befand. “Dein Handgelenk ist gerissen. Ich habe versucht es zu heilen, aber meine Heilkunst reicht nicht aus.” Owyn sah erst Miranda und dann sein bandagiertes Handgelenk an. “Warum nicht?” “Ich glaube es liegt daran, dass du magische Fähigkeiten hast. Das würde erklären weshalb ich mich nicht selbst heilen kann.” Mit Mirandas Hilfe setzte er sich auf. “Wo ist Lars?” “Ich habe keine Ahnung. Er ist vor kurzem weggegangen.” “Wie lange liege ich denn schon hier? Und was ist mit dem Dämon? Hat er wieder angegriffen?” “Du liegst hier seit etwa einem halben Tag. Der Dämon hat sich seit dem nicht mehr gerührt.” “Ich habe ihn geschwächt.", sagte Owyn. “Fragt sich nur, wer wen am meisten geschwächt hat.", meinte Miranda besorgt. “Das wird sich noch zeigen.” “Hast du jetzt eine Idee wie du den Wasserdämon besiegst?” “Ich hätte eine.” “Ist sie gefährlich?” “Wie man es nimmt. Sie unterscheidet sich nicht viel von meiner letzten Idee.” “Jetzt sag schon. Was meinst du denn?” “Wir müssen Zeit schinden. Wenn er dann zurück ins Wasser will, halten wir ihn auf.” “Und wie?” “Da wird mir schon etwas einfallen.” Ungläubig betrachtete sie ihn. Er stand auf und ging zum Tisch. “Wie geht es eigentlich deinem Hals? Hat es sich entzündet?", fragte er Miranda. Sie betastete ihren Hals. “Ja hat es. Aber es ist nicht schlimm. Oh! Du hast ja noch gar nichts gegessen.” Sie ging zum Kamin und öffnete die rechte Truhe. Sie kam mit einem Laib Brot, einem Stück Käse und einem leeren Becher. Dieser füllte sich mit heißem Wasser. Miranda griff in ihre Robe und warf zwei Blätter hinein. “Siehst du ich wusste, dass du es schaffst.", sagte Owyn stolz. Miranda blickte ihn ernst an. “Owyn du darfst deine Hand nicht belasten. Am besten hältst du sie ganz still. Sonst könnten bleibende Schäden entstehen. Ich müsste sie eigentlich schienen, aber ich habe nichts dafür. Das Feuerholz kann ich nicht nehmen. Es ist zu dick und an manchen Stellen splittert es.” “Ich darf meine rechte Hand nicht belasten! Ich brauche sie! Darf ich sie zumindest ein bisschen belasten, wenn sie geschient ist?” “Ich habe nichts zum schienen und selbst wenn könntest du sie nur minimal belasten. Allerdings müsstest du dann nicht mehr so darauf achten sie ruhig zuhalten.” “Miranda ich brauche meine rechte Hand. Du wirst sie mir Schienen müssen.” “Tue ich gerne, aber womit denn? Verrätst du mir das?” Owyn sah sich im Raum um und stellte fest, dass es nichts Geeignetes gab. Dann blieb sein Blick an der Truhe mit dem Feuerholz hängen. “Was genau brauchst du für eine Schiene?", fragte Owyn nachdenklich. “Es würden schon zwei einigermaßen gerade und splitterfreie Holzstücke reichen. Worauf willst du hinaus?” Lächelnd erhob sich Owyn und ging zu der Truhe. Er öffnete sie und nahm zwei Stücke Holz, mit seiner linken Hand heraus. Miranda kam zu ihm und schloss die Truhe wieder. “Kannst du das Holz mit deiner Magie verändern?", fragte Miranda sichtlich verwirrt. “Nein. Ich muss es auch nicht. Ein Bootsbauer kann Holz bearbeiten. Boote bestehen schließlich aus Holz.” “Du hast Recht, keine schlechte Idee.", sagte Miranda und öffnete ihm die Tür. Sie verließen das Haus und gingen in Richtung Bootsbauer. Wieder fiel Owyn auf das die Straßen leer waren. Sie verließen den Marktplatz und erreichten bald den Rand des Dorfes, wo sich das Haus des Bootsbauers befand. Als sie an die Tür klopften, bekamen sie keine Antwort. Wieder klopften sie. “Guter Mann ein Dämon klopft bestimmt nicht an eine Tür und wartet ruhig ab, bis sein Opfer die Tür öffnet. Währet ihr so gütig uns zu öffnen”, rief Owyn laut. Miranda grinste und hob die Hand um wiederum anzuklopfen. Die Tür wurde geöffnet und ein alter Mann mit grauweißem Haar und hartem Gesicht stand darin. Er war groß, hatte breite Schultern und trug eine gelbe Hose und ein offenes, weißes Hemd. Abschätzend blickte er Owyn und Miranda an. “Weißt du Jungchen, du bist ganz schön vorlaut. Aber du hast Recht, der Dämon wird wohl nicht klopfen. Kommt.", sagte der alte Mann und schritt zur Seite um sie einzulassen. “Nein danke. Ich möchte nur, dass sie diese beiden Holzstücke bearbeiten. Ist ihnen das möglich?”, meinte Owyn und hielt ihm die Stücke entgegen. Der Mann blickte ihn fragend an. Sie warteten ab. Zögernd nickte er und nahm Owyn das Holz aus der Hand. “Ja natürlich kann ich das. Wie hättet ihr es denn gern?” “Jedes muss etwa fünfzehn Zentimeter lang und drei Zentimeter dick sein.”, erklärte Miranda ihm. Der Alte nickte. “Kommt in etwa einer dreiviertel Stunde wieder. Dann müsste ich fertig sein.” Miranda und Owyn stimmten zu und gingen wieder Richtung Marktplatz. Nach etwa einer dreiviertel Stunde standen sie wieder vor dem Haus des Bootsbauers. Dieses Mal öffnete er ihnen schon nach dem ersten Klopfen. Ohne etwas zu sagen reichte er Miranda die Holzstücke. Sie entsprachen genau ihren Maßen und ihre Oberfläche war glatt. Miranda bewunderte die Arbeit des Mannes. “Wie viel kostet Eure Arbeit?", fragte Owyn den alten Mann. Dieser schüttelte den Kopf. “Ich schenke es euch. Ihr habt schließlich eine menge Leben gerettet. Darunter waren auch meine Frau und mein Sohn. Ihr habt daher etwas gut bei mir. Braucht ihr sonst noch etwas?” Owyn und Miranda schüttelten den Kopf, bedankten sich und gingen wieder zu Lars Haus. Miranda schiente Owyns gerissenes Handgelenk, was sehr schmerzhaft war. Der Dämon tauchte auch am nächsten Tag nicht auf. Miranda achtete darauf das Owyn die geschiente Hand so ruhig wie möglich hielt. Am darauf folgenden Tag flog die Tür auf und die übergewichtige Frau stand davor. “Der Dämon kommt! Die meisten Einwohner versammeln sich auf dem Marktplatz. Wir brauchen eure Hilfe. Ihr müsst uns helfen Magier.” Owyn blickte sie einen Moment verdutzt an. “Wieso versammeln sie sich auf dem Marktplatz? Es gibt nur einen Weg und der führt zum See. Sie sperren sich gerade selbst ein und außerdem habe ich einen Namen und wäre dankbar wenn Ihr ihn auch verwendetet.” Er ging an der Frau vorbei und schaute auf den Marktplatz. Als er die Menschenmenge erblickte, klappte ihm der Mund auf. Es waren etwa dreißig Männer, Frauen und Kinder. Miranda stand geschockt neben ihm. Die Menschenmenge füllte beinahe dreiviertel des Platzes aus. “Was machen die denn alle hier? Sind die verrückt?", fragte sie Owyn. “Nein sind sie nicht! Sie hoffen darauf, dass der Magier sie rettet!", antwortete ihr die Frau. “Verdammt noch mal! Macht es mir nur schwer!", meinte Owyn wütend. “Kannst du sie alle schützen?", fragte Miranda besorgt. “Nein.” “Wie? Aber das kann doch nicht sein! Ich sah Euch mit dem Dämon kämpfen!", sagte die Frau schockiert. “Und Ihr saht mich verlieren. Ich kann nicht genügend Kraft mobilisieren um gegen den Dämon zu kämpfen und diese Menschen zu schützen. Wenn er an mehreren Stellen angreift, könnte es sein das mein Schild bricht.” Die Frau sagte nichts und Miranda verlagerte nervös ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. “Was tun wir nun? Wir können diese Leute nicht mehr von hier fort bringen. Außerdem kannst du deine rechte Hand nicht gegen den Dämon einsetzen.", meinte Miranda verzweifelt. “Gut.” “Gut? Owyn bist du jetzt verrückt geworden?” “Was? Nein so habe ich das nicht gemeint. Komm mit.", antwortete ihr Owyn und setzte sich in Bewegung. In der Menschenmenge bildete sich ein Durchgang. Sie gingen bis zum Anfang der Menge, wohin ihnen die übergewichtige Frau folgte. Owyn schaute den Weg entlang, in Richtung des Sees. Es war nichts zu sehen. “Wo ist er? Ich dachte, dass er hier her kommt.”, fragte Owyn verwundert. “Vielleicht ist er in den See zurück.”, mutmaßte Miranda. “Er fürchtet sich vor dem Magier! Der Dämon ist wieder in den See zurück!”, rief die Frau, die sie verfolgt hatte. Ein lautes Jubeln hob an. “So lange er nicht auf dem Marktplatz ist, kann ich ihn aussperren. Ich müsste nur einen Schild vor den Weg setzen und es nicht um die Menschen herum errichten.”, rief Owyn über die Jubelrufe hinweg. “Aber er ist nicht…”, begann Miranda den Satz und verstummte. Owyn blickte sie forschend an. Der Mund klappte ihr auf und sie zeigte auf etwas. Er wandte den Blick in Richtung des Sees und erstarrte. Eine riesige Wand aus Wasser bewegte sich auf den Marktplatz zu. Jetzt verstummten auch die Jubelschreie und Panik brach aus. “Schnell tut doch etwas!”, schrie die übergewichtige Frau, die noch immer bei ihnen stand. “Du musst vorsichtig sein. Der Dämon ist vielleicht da drin. Kannst du uns vor dem Wasser schützen?”, fragte Miranda. “Das meinte ich damit, dass mein Schild brechen könnte wenn der Dämon an mehreren Stellen angreift. Ich werde es versuchen.” “Sperr ihn aus, wie du gesagt hast. Blockier einfach nur den Weg.” “Und wenn das Wasser von oben kommt? Diese riesige Wasserwand ist ziemlich hoch.” Owyn hob die linke Hand und hielt die Handfläche auf die Welle gerichtet. Nach ein paar Sekunden ließ er sie wieder sinken und kniete sich auf den Boden. “Tritt zurück.”, sagte Owyn und seine außergewöhnlich grünen Augen funkelten gefährlich. Miranda sprang ein paar Schritte zurück und zog die übergewichtige Frau mit sich. “Was hast du vor?”, rief sie ihm zu. Owyn streckte seine rechte Hand vor sich, der Verband wickelte sich ab und fiel mit den beiden Holzstücken zu Boden. Mit einer Geste seiner linken Hand, flogen der Verband und das Holz zu Miranda. Dann legte Owyn die linke Hand auf den Boden. Bevor Miranda etwas sagen konnte, begann der Boden zu beben. Das Beben wurde schnell stärker und vor Owyn riss der Boden auf. Der Spalt wurde langsam größer. Kurz bevor die Wasserwand den Spalt erreichte, hob Owyn beide Hände, die Handflächen auf das Wasser gerichtet. Das Wasser prallte gegen Owyns Schild und lief in die Spalte. Bevor das Wasser in der Spalte verschwunden war, sprang der Wasserdämon heraus. Mit einem wütenden gurgeln, drehte er sich zu der Menschenmenge um. Owyn erhob sich langsam und hielt sein rechtes Handgelenk umklammert. Der Dämon und er starrten sich an. Dann richtete der Dämon beide Handflächen auf Owyn. Dieser richtete seinerseits die linke Handfläche auf den Dämon. Gebannt blickte die Menschenmenge auf die beiden Widersacher. Owyn lächelte leicht und wartete ab, was der Dämon tun würde. Der Wasserdämon schickte eine Kaskade aus Wasser, welche gegen eine unsichtbare Mauer prallte und ihr Ziel nicht erreichte. Wieder war ein Gurgeln zu hören. Der Dämon richtete seine Handflächen gen Himmel. Owyn hob den Kopf und blickte in die weißen Wolken. Plötzlich begann der Boden zu beben. Geschockt blickte er zu Boden. “Owyn was passiert hier?”, schrie Miranda verängstigt. Owyn drehte sich zu Miranda und sah ihr in die Augen. “Lauf! Lauf weg von mir!”, brüllte er sie an. Miranda rührte sich nicht. Auf einmal brach ein Wasserstrahl, hinter Owyn, aus dem Boden. Dann brachen zwei weitere zwischen Miranda und ihm aus dem Boden und warfen Miranda nach hinten. Plötzlich verschwanden die Strahlen, der Dämon drehte sich um und versuchte zu fliehen. “Du bleibst hier!”, schrie Owyn und richtete seine linke Handfläche auf den Fliehenden. Dieser prallte gegen eine unsichtbare Mauer und stürzte zu Boden. Dann konzentrierte sich Owyn und breitete die Arme aus. Ein Ring aus Feuer zog sich um den Wasserdämon. Mit einem Strahl aus Wasser löschte dieser das Feuer. “Gut das hatte ich auch nicht erwartet.”, sagte Owyn nickend. Dann hörte er die Stimme der übergewichtigen Frau. “Warum läuft der Dämon denn weg?” “Er muss zurück in den See.”, antwortete die Stimme Mirandas. “Warum denn?” Owyn dachte nach. Warum musste der Dämon eigentlich zurück ins Wasser? Der Dämon kämpfte gegen die Blockade an, die Owyn errichtet hatte und die ihn von dem See trennte. Kurz darauf drehte er sich wieder zu Owyn um, der Gedankenversunken, die Handfläche auf den Dämon gerichtet, dastand. Der Wasserdämon nutzte diese Gelegenheit und feuerte einen Eissplitter auf Owyn ab. “Vorsicht!”, schrie Miranda in Panik. Owyn versuchte noch auszuweichen, doch er reagierte zu spät und der Splitter bohrte sich in seinen rechten Oberarm. Von der Wucht des Aufpralls, fiel Owyn nach hinten. Mit einem Schmerzensschrei landete er hart auf dem Boden. Der Dämon versuchte noch einmal zurück zum See zu laufen, doch die Barriere blockierte nach wie vor den Weg. Owyn stand mit schweißüberströmtem Gesicht wieder auf. Aus der Wunde, in der noch immer der Splitter aus Eis steckte rann Blut. Wieder drehte sich der Wasserdämon zu Owyn um. Beide standen da und blickten sich an. Dann fiel es Owyn ein. Er trocknet langsam aus. Das ist der Grund, weshalb er in den See zurück will. Erde. Aber meine Kräfte reichen dazu nicht aus. Nicht mehr. “Miranda ich brauche deine Hilfe. Bitte.”, keuchte Owyn. Miranda stellte sich an seine rechte Seite und legte die Hände auf seinen blutenden Arm. “Nein. Das meine ich nicht. Ich brauche einen Teil deiner Kraft.” “Wie mache ich das?!” “Gib mir deine Hand.” Sofort ergriff sie Owyns rechte Hand. Dieser keuchte und zuckte zusammen. “Tut mir Leid.”, sagte Miranda mit Tränen in den Augen. Owyn schloss seine Augen. Er stand reglos wie eine Statue da. Ein leichter Wind hob an. Owyn öffnete die Augen und hob die linke Hand neben sich. Dann ballte er sie zu einer Faust und richtete sie ruckartig auf den Dämon, der immer noch bei der Barriere stand und Owyn ansah. Eine Wolke aus Sand traf den Wasserdämon. Ein lautes Gurgeln hob an und verebbte. Mirandas Knie gaben nach und sie stürzte zu Boden. Als sich der Nebel aus Sand gelegt hatte, war der Dämon verschwunden. Mit einem lächeln auf den Lippen, brach Owyn zusammen. Kapitel 3: ----------- Owyn kam wieder in Lars Haus zu sich. Diesmal lag Miranda schlafend neben ihm. Im Kamin brannte ein Feuer aber es war niemand im Haus. Draußen war es bereits dunkel geworden. Als Owyn versuchte aufzustehen, schmerzten sein rechter Arm und seine rechte Hand. Jetzt bemerkte er, dass man ihm sein Hemd ausgezogen hatte und seinen rechten Oberarm sowie seine rechte Hand bandagiert hatte. Die Bandagen an seinem Oberarm waren durchgeblutet. Vorsichtig betastete er diese Stelle, doch als ein stechender Schmerz durch seinen Arm schoss, ließ er davon ab. Nach kurzer Zeit schaffte er es sich aufzusetzen. Besorgt betrachtete er Miranda. Ihr Gesicht war sehr blass und er hatte Angst, dass er ihr zu viel abverlangt hatte. Doch endlich regte sich Miranda und öffnete die Augen. “Wie fühlst du dich?”, fragte Owyn. Verwirrt blickte sie ihn an. “Wie ich mich fühle?” “Ja wie fühlst du dich?” “Ich weiß nicht genau. Ich bin müde. Was ist denn passiert?” “Wir haben gegen den Dämon gekämpft. Ich hatte nicht mehr genug Kraft um ihn zu vernichten und bat dich um deine Hilfe. Du hast mir deine Kraft gegeben. Weißt du nicht mehr?” “Doch. Aber was ist dann passiert? Ist er jetzt tot?” “Ja ist er.” “Wie?” “Mir ist eingefallen, dass er austrocknet wenn er zu lange außerhalb des Wassers ist. Wenn du Wasser auf Erde schüttest, nimmt die Erde die Feuchtigkeit in sich auf. Ich habe einfach Erde auf ihn geworfen.” “Und deine Verletzungen? Hast du große Schmerzen?” “Es tut weh aber ich glaube, dass es nicht allzu schlimm ist.” “Ich sehe es mir mal an.”, sagte Miranda und versuchte aufzustehen. Owyn hielt sie zurück. Sie sah ihn an und legte sich wieder hin. “Im Moment könntest du mir ohnehin nicht helfen. Du bist noch zu erschöpft.”, sagte er zu ihr und legte sich ebenfalls wieder hin. Nach einer Weile schlief Owyn wieder ein. Er wurde von zwei Stimmen geweckt. Als er die Augen öffnete sah er Lars und die übergewichtige Frau miteinander sprechen. “Wir könnten eine kleine Brücke aus Holz darüber legen.”, meinte Lars nachdenklich. “Das wäre eine Möglichkeit, aber mit was bauen wir sie?”, entgegnete die Frau. Beide betrachteten sich fragend. Owyn versuchte sich aufzusetzen. Durch die Bewegung wurden die Frau und Lars auf ihn aufmerksam. “Bleib liegen Junge.”, sagte Lars. Die übergewichtige Frau nickte. Unter Schmerzen setzte sich Owyn auf. “Um was geht es denn? Wozu braucht ihr eine Brücke?”, fragte Owyn sie neugierig. “Im Moment kommt niemand vom Marktplatz.“, antwortete Lars. Irritiert blickte ihn Owyn an. “Die Erde hat gebebt und jetzt ist eine große Spalte zwischen dem Rest des Dorfes und dem Marktplatz.”, erklärte die Frau. Owyn nickte und betrachtete seine Schulter. Der Verband musste gewechselt worden sein, denn die Stelle wo er durchgeblutet war, war nun wesentlich kleiner. “Ihr braucht keine Brücke. Ich werde den Spalt wieder schließen.”, sagte Owyn zu den Beiden. Lars musterte ihn mit einem Gesichtsausdruck, den Owyn nicht deuten konnte. Die Frau nickte zufrieden und ging zum Kamin. Owyns Blick folgte ihr und er sah, wie sie in einem Topf rührte, der über dem Feuer hing. Erst jetzt bemerkte er, dass er Hunger hatte. Kurz darauf war das Essen auch schon fertig. Sie aßen von dem Eintopf und tranken Kräutertee. Miranda schlief ruhig weiter. Nach dem Essen stand Owyn auf, ging zur Tür und blickte hinaus. Auf dem Marktplatz spielten vier Kinder, die Owyn etwa auf fünf Jahre schätzte. Fünf Frauen bei den Kindern und unterhielten sich. In der Nähe des Spaltes standen fünf Männer und sprachen miteinander .Der Rest der Menschenmenge hatte sich an die Häuserwände gelehnt. Einer der fünf Männer schien den Versuch wagen zu wollen, über den Spalt zu springen. Owyn trat hinaus. Die vier Kinder hörten auf zu spielen und starrten ihn mit offenen Mündern an. Owyn lächelte sie an und ging dann auf die fünf Männer zu, diese verstummten und sahen ihn an. “Wie fühlt Ihr euch, Meister Magier?”, fragte einer von ihnen und musterte ihn. “Ich denke, dass meine Kräfte ausreichen um den Spalt wieder zu schließen.”, antwortete ihm Owyn und betrachtete sich den Spalt. “Ich hoffe, dass wir dich danach nicht wieder in Lars Haus zurücktragen müssen, Jungchen.”, entgegnete eine vertraut klingende Stimme. Er drehte sich um und sah den Bootsbauer ganz in der Nähe stehen. Grinsend schüttelte Owyn den Kopf. “Nein diese Arbeit werde ich Euch dieses Mal ersparen.” “Das ist nett, denn weißt du Jungchen, mein Rücken ist nicht mehr so gut wie vor zehn Jahren. Eine solche Last sollte man einem alten Mann nicht mehr zumuten.” Owyn lächelte und ging zum Spalt. Nach genauerer Betrachtung, runzelte er die Stirn und musterte den Mann, der zuvor über den Spalt springen wollte. “Das ist zu weit, um hinüber springen zu können.”, sagte Owyn zu dem Mann. “Aber nein. Man muss sich nur Anlauf nehmen.”, meinte dieser selbstsicher. “Wirklich? Meinst du nicht, du überschätzt dich?”, fragte ihn der Bootsbauer. Der Mann schüttelte den Kopf und entfernte sich vom Spalt. Ein paar Meter entfernt blieb er stehen und drehte sich um. “Er überschätzt sich gewaltig. Oder was meinst du, Jungchen?”, meinte der alte Mann. Wieder betrachtete Owyn den Spalt. “Der Spalt ist zu breit um hinüber zu springen. Jemand sollte ihn davon abhalten, so lange es noch möglich ist.”, entgegnete Owyn. Der alte Bootsbauer nickte und ging auf den Mann zu, welcher plötzlich loslief. “Verdammt!”, murrte der Bootsbauer. “Nein so nicht.”, sagte Owyn und hob die linke Hand. Der Läufer prallte gegen eine unsichtbare Mauer und fiel mit blutender Nase zu Boden. Als er nicht mehr aufstand, ging Owyn zu ihm und betrachtete ihn. Der Alte stellte sich ebenfalls neben den Bewusstlosen. “Das tut mir Leid.”, sagte Owyn. “Es tut dir Leid? Warum denn? Du hast ihm das Leben gerettet. Mach dir keine Sorgen Jungchen, die Nase heilt wieder.”, entgegnete der Bootsbauer. “Vielleicht kann Miranda später nach ihm sehen. Aber jetzt schließe ich dieses Loch, bevor noch jemand auf die Idee kommt, hinüber springen zu wollen.” “Ja, tu das Jungchen. Tu das.” “Bitte tretet alle von dem Loch zurück.”, sagte Owyn und kniete sich, etwa einen Meter vom Spalt entfernt, hin und legte die linke Hand auf den Boden. Die Männer und der Bootsbauer stellten sich, etwa eineinhalb Meter, hinter Owyn und warteten ab. Dieser schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Doch dann öffnete er wieder die Augen und starrte auf die Straße zum See. “Was ist denn? Ist etwas nicht in Ordnung, Jungchen?”, fragte der Alte. “Wir bekommen Besuch aus meinem Dorf. Wenn ich mich nicht irre.”, antwortete er. Kurz darauf war das Getrappel von Hufen zu hören. Dann kam ein Wagen in Sicht, auf dem zwei Personen saßen und der von zwei Pferden gezogen wurde. “Wer ist das?”, fragte der alte Bootsbauer. “Das sind Daniel, der Vater von Miranda und mein Bruder Ronan.” Daniel brachte den Wagen einige Meter vor dem Spalt zum stehen. Er und Ronan stiegen ab und näherten sich dem Spalt. “Du bist ja verletzt! Was ist passiert?”, fragte Ronan. “Ich habe gegen einen Wasserdämon gekämpft. Geht zum Wagen und haltet die Pferde gut fest.”, entgegnete Owyn. Ronan und Daniel gingen zu den Pferden und hielten sie fest. Wieder schloss Owyn die Augen und kurz darauf, begann die Erde zu beben. Die Pferde am Wagen scheuten und versuchten sich dem Griff, der beiden Männer zu entwinden. Mit aller Kraft die sie hatten, stemmten sich diese dagegen. Dann schloss sich der Spalt und die Erde hörte auf zu beben. Ronan lief zu Owyn, der nun schwankend auf den Beinen stand. Als Ronan ihn erreichte, stützte er ihn. “Wo ist Miranda?”, fragte Daniel, der sich nun langsam mit dem Wagen näherte. “Sie ist noch in Lars Haus und schläft.”, antwortete ihm Owyn. “Ist sie verletzt?” “Nein ihr ist nichts passiert.” Daniel übergab den Wagen in die Obhut eines Mannes und schaute sich auf dem Marktplatz um. Sein Blick blieb auf dem Bewusstlosen, mit der blutenden Nase ruhen. “Was ist passiert? Hat er auch gegen den Wasserdämon gekämpft?”, fragte er Owyn. “Nein. Nicht wirklich.”, entgegnete dieser. Daniel kniete sich neben den Bewusstlosen und legte vorsichtig die Hand auf dessen Nase. “Die Nase ist gebrochen. Es kommt mir so vor, als sei er gegen eine Mauer gelaufen. Zumindest sieht der Bruch so aus.”, meinte er verwundert. Er zog seine Hand zurück. “Deine Wunde sehe ich mir besser im Haus an. Können wir zu Lars gehen oder gibt es hier ein Gasthaus?” “Wir gehen zu Lars.”, antwortete Owyn und schritt voran. Als sie das Haus betraten, saß Miranda am Tisch und trank Tee. Sie begrüßte ihren Vater mit einer Umarmung und versicherte ihm, dass es ihr gut ginge. “Jetzt kümmere ich mich erst um deine Wunde. Setz dich bitte.”, sagte Daniel und zeigte auf einen Stuhl. Owyn nickte und setzte sich. Daniel begutachtete den Verband und berührte ihn, an der durchgebluteten Stelle. Verwirrt sah er an Owyns Arm herunter und schloss die Augen. “Dein Knochen ist angerissen. Du darfst dein Handgelenk gar nicht bewegen. Miranda hast du das nicht bemerkt?”, fragte Daniel. “Doch habe ich. Ich hatte sein Handgelenk bereits geschient.”, antwortete sie. Daniel ergriff das verletzte Handgelenk. Owyn verzog das Gesicht und keuchte. Dann ließ der Heiler wieder los und wickelte den Verband ab. “Beweg deine Hand mal.”, sagte er zu Owyn. Er drehte seine Hand, griff dann Mirandas Becher und hob ihn hoch. “Ich habe keine Schmerzen mehr in der Hand.”, meinte Owyn. “Gut. Trotzdem solltest du noch etwas vorsichtig mit der Hand umgehen.”, entgegnete Daniel und begann, den anderen Verband abzuwickeln. Eine tiefe, etwa vier Zentimeter breite und fünf Zentimeter lange, blutende Wunde kam zum Vorschein. Mirandas Vater zog sich einen Stuhl zu Owyn und setzte sich. “Was war das?”, fragte er und zeigte auf die Wunde. “Ein Eissplitter. Ich konnte nicht mehr ausweichen.” Daniel hielt seine Hand dicht über die Wunde und schloss wiederum die Augen. Als nichts geschah, drückte er die Hand auf die Wunde. Owyn keuchte und wurde ganz bleich im Gesicht. Schweißperlen rannen über das Gesicht des Heilers, als er die Augen öffnete und seine Hand zurückzog. Die Wunde war noch immer da, hatte jedoch aufgehört zu bluten. “Im Moment kann ich es nicht heilen. Ich werde dir ein paar Kräuter darauf legen und die Wunde wieder bandagieren. Morgen werde ich dann wieder danach sehen.”, sagte der Heiler, zog einen Beutel aus seiner weißen Robe und entnahm diesem ein paar Kräuter. In der Zwischenzeit lief Miranda in einen anderen Raum und brachte ihrem Vater saubere Bandagen. Nachdem die Wunde an Owyns Oberarm versorgt war, erzählten Miranda und Owyn was geschehen war. Daniel hörte fasziniert zu und Ronan wollte wissen, wie ein Wasserdämon aussehe und ob es sehr schmerzhaft sei, von einem Eissplitter durchbohrt zu werden. Am nächsten Tag brachen sie nach Sevo auf. Drei Stunden vor der Abenddämmerung, erreichten sie die Ruinen Idars. Daniel hielt den Wagen, ein paar Meter vor den ersten Häusern an und stieg ab. “Wir machen hier Rast. Ich mag die Ruinen nicht.”, erklärte Daniel. Die anderen stimmten zu und stiegen ebenfalls vom Wagen. Als Ronan ein Feuer entfacht hatte, teilte Miranda Brot und Käse aus. Owyn brachte einen Trinkschlauch, der mit Tee gefüllt war und setzte sich zu den beiden anderen ans Feuer. Daniel versorgte die Pferde. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, kümmerte sich der Heiler um Owyns Wunde. Wieder konnte er sie nicht völlig heilen. “Das ist eine wirklich interessante und außergewöhnliche Wunde.”, meinte Daniel fasziniert. Owyn nickte Geistesabwesend, während er die Ruinen und Straßen Idars beobachtete. “Ist etwas nicht in Ordnung?”, fragte ihn Miranda. “Nein. Alles in Ordnung.” “Was siehst du dir denn an?”, fragte Ronan. “Ein schwaches leuchten. Seht ihr das nicht?” “Nein.”, antworteten Daniel, Ronan und Miranda gleichzeitig. “Vielleicht bildest du dir das bloß ein.”, sagte Ronan. Daniel und Miranda starrten noch immer die Ruinen an. Auf einmal breitete sich Verwirrung auf dem Gesicht des Magiers aus. Ronan folgte seinem Blick, konnte jedoch nichts Auffälliges entdecken. Dann stand Daniel auf und schaute nervös zwischen den zerstörten Häusern hin und her. “Was?”, fragte Ronan interessiert. “Owyn du scheinst Probleme anzuziehen, wie das Feuer die Motten.”, meinte Daniel. “Ja das denke ich allmählich auch.”, entgegnete ihm Owyn. “Miranda lösch das Feuer.”, befahl Daniel seiner Tochter. Diese nickte und sah sich nach dem Trinkschlauch um. Owyn hielt eine Hand über das Feuer, welches sofort erlosch. “Es wird nichts helfen.”, sagte Owyn. “Warum denn nicht? Um was geht es denn? Räuber?”, fragte Ronan verwirrt. “Etwas magisches kommt auf uns zu.”, antwortete der Heiler. “Es ist ein Tier. Ich denke, dass es ein Hirsch ist. Irgendjemand muss ihn verzaubert haben.”, fügte Owyn hinzu. “Oder er hat etwas Verfluchtes gegessen oder getrunken.”, meinte Miranda. Daniel nickte stolz. “Wie dem auch sei, es kommt auf uns zu.”, sagte Owyn. Alle Vier sahen gebannt zwischen den Häusern der Ruine umher. Dann tauchte etwas Pechschwarzes zwischen zwei der zerstörten Häuser auf. Sie hielten die Luft an. Das Wesen spähte in der Dunkelheit umher und sein Blick blieb auf Ronan hängen. Dieser trat sofort einen Schritt zurück. Daniel streckte die Hand aus und hielt Ronan fest. “Steh still.”, flüsterte der Heiler. Ronan nickte fast unmerklich. Langsam bewegte sich das Wesen auf sie zu. “Es hat uns gesehen. Was tun wir jetzt?”, fragte Miranda flüsternd. “Vielleicht können wir es mit Feuer verscheuchen.”, entgegnete Ronan leise. Daniel zuckte mit den Schultern und sah Owyn an. Dieser stieß die Faust in die Luft. Von der Feuerstelle schossen Flammen, einer Säule gleich, einige Meter in die Höhe. Das Wesen wurde beleuchtet. Es war ein schwarzer Hirsch mit vollkommen weißen Augen und einem messerscharfem Geweih. “Ein schwarzer Hirsch!”, schrie Ronan entsetzt. Der Hirsch stand dort, wie angewurzelt und starrte Owyn an, welcher noch immer mit erhobener Faust, in der Nähe der Feuerstelle stand. “Feuer verscheucht ihn nicht. Aber das hatte ich auch nicht geglaubt. Was nun?”, meinte Daniel ruhig. Wieder setzte sich der Hirsch in Bewegung. Er senkte den Kopf, so dass sein messerscharfes Geweih auf Owyn gerichtet war und lief los. Blitzschnell senkte Owyn die Faust und öffnete sie. Der Hirsch prallte auf eine unsichtbare Mauer und stolperte rückwärts. “Als sei er gegen eine Mauer gelaufen.”, sagte Daniel und blickte Owyn erstaunt an. Auf einmal änderte sich der Gesichtsausdruck des Heilers. Er sah so aus, als sei ihm etwas schlagartig klar geworden. Das Tier stand einige Meter von der kleinen Gruppe entfernt und scharrte mit einem Huf auf der Erde. “Es sieht so aus, als würde der Hirsch bald wieder angreifen.”, sagte Ronan. “Nein. Wenn er angreifen wollte, würde er sein Geweih senken. Im Moment steht er mit erhobenem Kopf da.”, entgegnete ihm Miranda. Owyn und Daniel nickten. “Ich glaube, dass er auf etwas wartet. Vielleicht sucht er nach einer Schwachstelle in unserer Verteidigung.”, meinte Owyn. “Hat unsere Verteidigung denn eine Schwachstelle?”, fragte Daniel. “Für den Hirsch allein, gibt es keine Möglichkeit.”, antwortete ihm Owyn. “Seht doch mal. Die Ruinen, sie leuchten.”, stellte Ronan schockiert fest. Ein leicht bläuliches, schwaches Licht leuchtete zwischen den Häusern. “Was ist das?”, fragte Miranda. “Ich weiß es nicht.”, antwortete ihr Vater. “Es hat nichts mit den Ruinen zu tun. Das ist etwas anderes.”, meinte Owyn. Der Lichtschein wurde heller. Plötzlich tauchte ein Ball aus Energie zwischen den Häusern auf und flog mit unglaublicher Geschwindigkeit auf die Vier zu. Owyn stutzte. Kurz bevor der Ball auf die, von Owyn errichtete Barriere prallte, senkte er die Hand und sprang zur Seite. Der Ball raste zwischen Daniel und ihm hindurch. Einige Meter entfernt, blieb die Kugel dann in der Luft schweben. Der Hirsch nutzte diese Gelegenheit, um Owyn anzugreifen. Dieser wirbelte herum und baute abermals sein Schild auf. Als der Hirsch auf das Schild traf, brach sein Geweih und er fiel zu Boden. “Owyn!”, schrie Miranda, kurz bevor der Ball aus Energie auf Owyns Schild traf. Mit einem Schrei ging dieser zu Boden. Der Ball verfehlte ihn nur um haaresbreite. Wieder schwebte der Ball, einige Meter von der Gruppe entfernt, in der Luft. Daniel ging auf Owyn zu um ihm zu helfen, wurde jedoch von einer unsichtbaren Mauer aufgehalten. Miranda und Ronan liefen zu Daniel und drückten gegen das unsichtbare Hindernis. Der am Boden liegende Owyn, drehte sich auf den Rücken und setzte sich auf. “Owyn sei vorsichtig! Dieses fliegende Ding ist noch immer da!”, schrie Ronan. Owyn blickte ihn verwirrt an und versuchte dann aufzustehen. Mit Mühe schaffte er es, sich auf den Beinen zu Halten. Ruhig sah er sich um. Sein Blick blieb an dem schwebenden Ball hängen. “Bist du in Ordnung?”, fragte Daniel besorgt. “Ja.”, antwortete ihm Owyn knapp. Wieder startete die Kugel einen Angriff. Owyn drehte sich weg und landete auf dem Hintern. Er ballte seine Hand zu einer Faust, öffnete sie wieder und hielt sie vor sich. Über seiner Handfläche tauchte eine kleine Flamme auf, welche schnell größer wurde und sich zu einer Kugel formte. Owyns Feuerkugel schwebte langsam auf den Energieball zu. Dieser setzte sich in Bewegung und flog mit rasanter Geschwindigkeit um die Feuerkugel. Abermals stand Owyn auf. Er richtete die Hand, mit der Handfläche auf den Ball aus Feuer und ballte sie zu einer Faust. Augenblicklich verlosch der Feuerball. Die Energiekugel stand wieder still. Der junge Magier wendete den Blick von der Kugel ab und musterte die Ruinen. Erneut formte Owyn einen Feuerball, welcher zwischen den Ruinen der Häuser verschwand. So plötzlich wie der Energieball aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden. “Was hast du gemacht?”, fragte Miranda. “Ich habe die Person angegriffen, die mir diesen Energieball auf den Hals gehetzt hat.”, antwortete der junge Magier. “Und, hast du ihn getroffen?”, fragte Ronan beeindruckt. “Nein.” “Warum ist der Energieball denn dann verschwunden?” “Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich ihn überrascht.” “Das ist alles sehr interessant, aber währest du so nett diese Barriere verschwinden zu lassen?”, meinte Daniel trocken. Owyn grinste und zuckte mit den Schultern. “Aber natürlich. Wenn man so nett gebeten wird.” Nachdem die unsichtbare Mauer verschwunden war, stellte sich Daniel zu Owyn und starrte ihn an. “Stimmt etwas nicht?”, fragte Owyn. “Noch mal zu diesen unsichtbaren Barrieren.”, begann Daniel. Owyn sah den Heiler an und überlegte. “Man kann sie nicht sehen. Sie sind wie Mauern die man nicht sieht. Habe ich Recht?”, fuhr Daniel fort. “Stimmt. Ich benutze sie meist als Schild. Worauf willst du hinaus?” “In Bato lag ein Mann mit gebrochener Nase auf dem Boden.” “Ja ich erinnere mich. Denkst du, dass er gegen solch eine Barriere gelaufen ist?” “Ist er?” “Ja.”, antwortete ihm Owyn. Daniel blickte ihn missbilligend an. Ronan grinste und schlug Owyn auf die Schulter. “Ich dachte, dass du deine Magie nicht zum Spaß einsetzt.”, sagte er. “Das tue ich auch nicht. Es war zu seiner eigenen Sicherheit. Ich musste ihn aufhalten.”, antwortete Owyn schulterzuckend. “Da gab es bestimmt eine sanftere Methode.”, entgegnete Daniel. “Um etwas anderes zu versuchen, war die Zeit zu knapp.”, meinte Owyn. “So, so.”, entgegnete Daniel ungläubig. “Wir sollten uns schlafen legen. Es besteht doch keine Gefahr mehr.”, sagte Miranda. “Keine Sorge. Wir können uns gefahrlos schlafen legen.”, meinte Owyn. Kurze Zeit später legte sich die kleine Gruppe schlafen. Am nächsten Tag erreichten sie Sevo, kurz nach der Mittagszeit. Auf dem Marktplatz wurden sie von Elain und Horst begrüßt. Elain berichtete, dass ihre Eltern in Egin ausgeraubt wurden und deshalb noch dort bleiben mussten. Nach einer kurzen Mahlzeit im Gasthaus, trennte sich die Gruppe. Ronan begleitete Miranda und Daniel nach Hause, während Owyn, Elain und Horst in Richtung des Orebarwaldes verschwanden. Als Owyn und die Kinder, kurz vor der Abenddämmerung zurückkamen, sahen sie einen großen, muskulösen Mann mit breiten Schulter und einer Glatze vor der Schmiede stehen. Er war etwa im mittleren Alter und trug nur eine schwarze Hose. “Sieh mal Owyn. Da ist Merlock.”, sagte Elain fröhlich. Owyn nickte ging ging zum Dorfschmied. “Ach, wenn das nicht unser Dorfmagier ist.”, meinte Merlock grinsend. “Hallo Merlock. Wie läuft das Geschäft?” entgegnete Owyn. “Ich kann nicht klagen. Zurzeit könnte ich gut einen Lehrling gebrauchen. Du könntest doch mal bei deinem Freund Ronan nachfragen.” “Hast du diesen Versuch nicht schon einmal vor einem Jahr gestartet? Wenn ich mich recht entsinne, wollte Ronan lieber lernen wie man kämpft.” “Ja, du hast Recht. Diese Trachtprügel wird er sein ganzes Leben nicht vergessen.”, antwortete ihm Merlock lachend. “Daher hatte er also diese ganzen blauen Flecken und Prellungen. Es hat fast zwei Monate gedauert, bis er wieder normal aussah. Er hat überall erzählt, dass er im Wald, mit bloßen Händen, gegen einen wilden Eber gekämpft hat.”, meinte Elain. Horst nickte grinsend. “Kannst ihn ja mal fragen. Das kostet doch nichts. Wo wir gerade bei kosten sind. Dein Anhänger ist fertig.”, sagte der Schmied. “Das hatte ich fast vergessen. Ich gebe dir sofort dein Geld.”, sagte Owyn, kramte in seinem Beutel und drückte Merlock ein paar Münzen in die Hand. Dieser drückte seinerseits Owyn einen etwa fünf Zentimeter langen und zwei Zentimeter breiten Gegenstand in die Hand. Owyn verabschiedete sich und ging dann. Elain und Horst folgten ihm. Am Gasthaus verabschiedeten sich Horst und verschwand im Stall. Als Horst die Türen geschlossen hatte, konnte Elain ihre Neugier nicht mehr zügeln. “Was hat Merlock dir denn da gerade gegeben?”, fragte sie ihn aufgeregt. “Ich dachte schon, du seiest krank.” “Wieso?” “Na, weil du mich nicht sofort gefragt hast.” “Ich dachte, es sei ein Geheimnis und Horst dürfe es nicht wissen.” “Aber Horst ist doch der Erste, dem du es verrätst.”, entgegnete ihr Owyn grinsend. Augenblicklich errötete Elain. Owyn zuckte mit den Schultern und hielt ihr den Anhänger hin. Sie ergriff ihn, drehte und wendete ihn und blickte den Anhänger unverwandt an. “Was ist das?”, fragte Elain, während sie den Anhänger noch immer anblickte. “Das ist eine Schutzrune.” “Wow! Woher weißt du das denn?”, fragte sie ihn verblüfft. Owyn sah sie verwirrt an. “Darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich muss es wohl gelernt haben, als ich noch klein war.”, antwortete er. Elain blickte ihn nachdenklich an und hielt ihm dann den Anhänger hin. Owyn schüttelte den Kopf. “Behalte den Anhänger ruhig. Du hast noch nichts von mir zum Geburtstag bekommen.” Überglücklich verschwand Elain im Stall des Gasthauses. Kopfschüttelnd schlenderte Owyn nach Hause. Noch am selben Abend tauchte Elain mit einem Lederband auf und ließ sich von Owyn die Rune um den Hals hängen. Die nächsten beiden Tage gab es einen riesigen Rummel um das kleine Mädchen, mit der seltsamen Rune um den Hals. Owyn vermied es mit Daniel zusammen zu treffen, welcher großes Interesse an dem Anhänger zeigte. “Ich mache mir langsam Sorgen um unsere Eltern.”, sagte Ronan am darauf folgenden Tag zu Owyn und Elain. Beide nickten. “Ja du hast Recht. Es ist sehr ungewöhnlich, dass sie so lange fort bleiben.”, antwortete Owyn. “Aber sie wurden bestohlen. Vielleicht liegt es daran.”, meinte Elain. “Stimmt.”, sagte Ronan. “Ich werde trotzdem nach Egin gehen um sie zu suchen.”, entgegnete Owyn. “Moment mal! Wieso gehst du? Ich bin der Ältere von uns.”, sagte Ronan aufmüpfig. Elain runzelte die Stirn. “Soll das ein Scherz sein? Wenn du gehst, wirst du wahrscheinlich bis auf das Hemd ausgeraubt.” Ronans Gesicht fing zu glühen an. “Ich hätte den Banditen mein Geld nicht freiwillig gegeben, im Gegensatz zu Owyn! Außerdem kann ich sehr gut auf mich alleine aufpassen! Ich bin viel stärker als er!” “Ja das ist richtig.”, antwortete ihm Owyn. “Aber ohne Intelligenz nutzt dir stärke nichts.”, sagte Elain. Ronan warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Owyn legte den Finger auf den Mund. “Macht leise.”, flüsterte er. Die anderen Beiden blickten stumm zur Tür, dann klopfte es. “Ist jemand Zuhause?”, erklang Daniels Stimme vor der Tür. “Verdammt es ist nicht abgeschlossen.”, knurrte Owyn. Elain ging zur Tür und legte den Riegel vor. ”Nein. Es ist niemand da.”, rief sie. “Owyn ich möchte dich etwas fragen.”, sagte Daniel durch die verschlossene Tür. “Nur zu.”, meinte Ronan. Owyn schüttelte den Kopf, ging zur Tür und öffnete sie. “Ja?” “Darf ich reinkommen?”, fragte Daniel. “Natürlich.”, antwortete Owyn und trat beiseite. “Dieses Zeichen, das Elain um den Hals trägt, was bedeutet es? Es ist doch von dir, nichtwahr?” “Das ist eine Schutzrune.” “Woher kennst du sie?” “Ich weiß es nicht. Leider muss ich heute noch nach Egin aufbrechen und habe noch einige Vorbereitungen zu treffen. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest.”, meinte Owyn. Daniel nickte unzufrieden und verließ das Haus. “Du gehst nach Egin?”, fragte Ronan aufmüpfig, nachdem Owyn die Tür geschlossen hatte. Dieser nickte. Noch am selben Tag brach er nach Egin auf. Owyns Reise verlief ereignislos. Als das Dorf gerade in Sichtweite kam, bemerkte er zwei Gestalten, welche mitten auf dem Weg saßen. Die Beiden standen auf und musterten ihn. Sie trugen beide eine rote Hose und ein rotes Hemd. Beide Männer hatten kurze braune Haare und waren sehr muskulös. Einer der Männer, der ein wenig kleiner war als der andere, trat einen Schritt vor. “Wohin führt Euch euer Weg, junger Freund?” “Nach Egin. Ich bin auf der Suche nachmeinen Eltern.” “In Egin ist es dieser Tage gefährlich geworden. Es ziehen Räuberbanden in der Stadt umher.”, sagte der etwas größere der Beiden. “Wie ich bemerke, seit Ihr unbewaffnet.”, meinte der Kleinere. Owyn musterte sie. “Ihr ebenfalls.”, antwortete Owyn. “Verseht Euch nicht in uns. Wir sind starke Kämpfer. Wir sind immer bewaffnet.”, entgegnete er dem jungen Magier. Wiederum musterte dieser, die beiden Männer in rot. Die Beiden traten beiseite um ihn passieren zu lassen. Owyn ging weiter. Egin war ein Dorf mit etwa drei Dutzend Häusern, einer großen Schmiede mit Stall, zwei Gasthäusern, einem Schmuckhändler und einer Kräuterkundigen. Etwas außerhalb des Dorfes befand sich eine Mühle. Die Menschen in den Dörfern, die in der Nähe lagen, brachten ihr Korn dorthin. Einmal im Monat fand auf dem großen Marktplatz ein Markt statt, zu dem Händler aus allen teilen des Landes kamen und ihre Waren zum verkauf anboten. Seine Eltern kamen stellvertretend für ihr Dorf und verkauften dort Brot, Tränke des Heilers und Waren des Schmiedes. Als Owyn und Ronan noch klein waren, nahmen ihre Eltern sie mit auf den Markt. Dort hatten sie sich etwas Geld verdient und es gespart. Owyn schlenderte durch die Straßen und erreichte den Marktplatz. Sofort bemerkte er eine aufgeregte Menschenmenge und ging dorthin. In Mitten der Menschen stand ein Mann, der eine junge Frau an den Handgelenken festhielt und ein weiterer der zwei Beutel in Händen hielt. “Dieses Mädchen ist eine Diebin!”, rief der Mann mit den Beuteln. Das Mädchen hatte eine ungewöhnliche Erscheinungsform. Sie war sehr hübsch und etwa in Owyns Alter. Statt eines Kleides trug sie eine braune Hose und ein dreckiges, weißes Hemd. Sie hatte zotteliges braunes, schulterlanges Haar, braune Augen und war schlank. Sie versuchte sich loszureißen. “Los mich sofort los!”, schrie sie. Der Mann, der sie festhielt grinste nur. “Du bist keine gute Diebin. Weißt du, gute Diebe lassen sich nicht erwischen. Wo sind deine Komplizen?”, sagte der Mann mit den Beuteln und sah sich um. Owyn spürte etwas, doch als er sich umdrehte, war nichts mehr zu sehen. “Ich habe keine Komplizen! Lass mich endlich los!”, entgegnete die junge Frau. Der Mann, welcher die Beutel hielt, zog ein Messer und schritt auf sie zu. “Rede besser. Ich bin es leid, bestohlen zu werden.”, meinte er und hielt ihr das Messer an die Kehle. Sie schwieg. Der Mann nahm das Messer von ihrer Kehle und zog es ihr über den Arm. Die junge Frau wurde blass und verzog das Gesicht. Owyn trat vor, dicht gefolgt von einer älteren Frau. Ihr Haar war schulterlang, braun, mit silbernen Strähnen durchzogen und zu einem Zopf geflochten. Sie war klein und schmal. An ihrer Hüfte hingen drei Beutel und sie trug ein hellblaues Kleid, mit einer schmutzigen weißen Schürze. “Schluss damit! Lassen Sie das Mädchen los!”, sagte die Frau aufgebracht. “Halt dich da raus, du Kräuterhexe!”, sagte der Mann mit dem Messer. “Ihr werdet dem Mädchen nichts mehr tun!”, meinte sie. “Was willst du dagegen tun, Weib? Willst du mich mit deinen Kräutern bewerfen?”, entgegnete der Mann lachend. Die Frau wurde rot und drehte sich zu den Menschen um, die dort wortlos standen. “Rede.”, sagte der Mann wieder zu dem Mädchen und setzte das Messer an ihren Arm. Owyn schritt zu dem Mann und umklammerte das Handgelenk mit dem Messer. “Überleg dir das noch mal, Junge. Ich bin stärker als du. Ich warne dich nur einmal, also lauf.” “Nein. Lass sie laufen.”, entgegnete Owyn. Der Mann schlug dem jungen Magier, mit der linken in den Magen. Dieser lockerte seinen Griff und krümmte sich. Der Mann nutzte die Gelegenheit und entwand sein Handgelenk Owyns Griff. “Nein!”, brüllte die ältere Frau. Owyn ließ sich zur Seite fallen und entkam nur knapp der Klinge. “Schnell bist du ja.”, meinte der Mann. Owyn nickte. Ein dünner Mann drängelte sich in der Menschenmenge nach vorn. Er hatte kurzes, dunkelblondes Haar, trug braune Kleidung und hatte eine enorme Ähnlichkeit mit Ronan. Der Mann war etwa im mittleren Alter. Owyn kam wieder auf die Füße. Er sah zu dem Mädchen, das mittlerweile auf dem Boden saß und ihn ansah. Von ihrem Arm tropfte Blut. Der junge Magier bemerkte den Mann in der Menschenmenge. Dieser nickte ihm zu. “Pass besser auf.”, sagte der Angreifer und stieß zu. Owyn wich aus und schlug dem Mann ins Gesicht. Dieser stolperte zur Seite, fing sich jedoch schnell wieder und griff nochmals an. Owyn wich dem Messer gekonnt aus. In der Zwischenzeit schlich sich der Mann, der Ronan so Ähnlich sah, an das Mädchen und dessen Wächter heran. Er verpasste dem Wächter einen Schlag ins Gesicht, welcher ihn von den Füßen riss. Dann setzte er sich auf den, am Boden liegenden und beobachtete den Kampf. Es sah gut für den jungen Magier aus. Er war schneller und flinker. Doch als er ins stolpern kam, streifte ihn das Messer des Angreifers. Owyn wurde von ihm am Handgelenk gepackt. “Jetzt ist Schluss mit dem herumgehobse!”, stellte er grinsend fest. Doch bevor er Owyn das Messer in den Bauch rammen konnte, sprang das Mädchen auf und trat den Angreifer ans Bein. Der junge Magier riss sich los und trat den Mann zwischen die Beine. Diesem entwich die Luft aus den Lungen und er fiel zu Boden. Owyn schob das Messer weg und wandte sich dem Mädchen zu. “Komm.”, sagte Owyn, ergriff ihre Hand und lief auf eine enge Gasse zu. Ihr Helfer folgte ihnen. Sie liefen bis sie vor einem Gasthaus standen. Über der Tür hing ein Schild, welches ein Pferd zeigte, das auf den Hinterbeinen stand. Darunter stand: Gasthaus zum bockenden Gaul Ihr Helfer ging hinein und die Beiden folgten. In dem großen Raum standen etwa vierzehn Tische. Ein kleines Podest, auf dem etwa sechs Stühle platz gehabt hätten, stand in der Mitte des Raumes. An der rechten Wand befand sich ein Kamin. Hinter der Theke befand sich eine Tür, welche in die Küche führte. Links neben der Theke führte eine Treppe nach oben. Im Schankraum saßen etwa zwei Duzend Menschen, welche aßen, tranken und sich unterhielten. Der Wirt sah zu ihnen herüber. “Ah Tyler. Wie ich sehe, hast du deinen Sohn mitgebracht. Hallo Owyn.” “Hallo Roland, lange nicht mehr gesehen.”, sagte Owyn lächelnd. Der Wirt nickte und besah sich die junge Frau an Owyns Hand. Die Drei gingen die Treppe hinauf und betraten einen Flur. Vor der Tür am Ende des Flurs, blieben sie stehen. Der Mann mit Namen Tyler zog einen Schlüssel hervor und öffnete die Tür. In dem Raum, den sie betraten, standen zwei Betten, ein Tisch mit drei Stühlen und eine abschließbare Truhe. Owyn zog das Mädchen zu einem der Stühle. Sie setzte sich und beobachtete die beiden Männer. “Was machst du denn hier?”, fragte Tyler und schritt auf den jungen Magier zu. “Wir haben uns Sorgen um euch gemacht. Ist alles in Ordnung? Wo ist Mutter?” “Uns geht es gut. Margret ist gerade in der Küche. Sie meinte, wenn wir sowieso noch hier blieben, könne sie der Frau von Roland ein wenig zur Hand gehen. Du kennst sie ja, Frala ist krank und ein wenig schwach auf der Brust.”, meinte er lächelnd. Owyn nickte. Tyler zog ihn in den Arm. “Wer seid ihr?”, fragte das Mädchen. Die Beiden drehten sich um und blickten sie an. “Tut mir leid, ich habe mich nicht vorgestellt. Ich bin Tyler und das ist mein Sohn Owyn.” “Ich heiße Talia.” “Du bist verletzt.”, sagte Tyler und blickte Owyn an. Dieser schüttelte den Kopf und zeigte auf Talias Arm. “Darf ich es mir ansehen?”, fragte er. Sie nickte. Er ergriff ihren Arm und besah sich die Verletzung, dann hielt er seine Hand darüber. Der Schnitt schloss sich. Schweiß klitterte auf Owyns Stirn. Talia blickte ihn erstaunt an. “Bist du ein Heiler?” Gerade als er antworten wollte, fiel ihm eine dünne rote Linie auf, die genau an der Stelle des Schnittes verlief. Er stutzte. “Ist etwas nicht in Ordnung?”, fragte Tyler. Die junge Frau besah sich ebenfalls ihren Arm. “Was ist das?”, fragte sie. “Ich bin mir nicht sicher, es könnte eine Vergiftung sein.”, antwortete Owyn. Tyler blickte ihn an. “Du wurdest verletzt.”, sagte er. Der junge Magier nickte. “Kannst du die Vergiftung denn heilen?”, fragte sein Vater. “Nein. Vergiftungen kann ich nicht heilen.”, antwortete er. Talia sah von einem zum anderen. “Wartet hier.”, sagte Tyler und verschwand durch die Tür. “Wohin geht er?”, fragte Talia. Owyn zuckte mit den Schultern. “Ich habe keine Ahnung.” “Bist du ein Heiler?” “Nein, nicht wirklich. Und du? Bist du eine Diebin?”, erwiderte er. Talia musterte ihn. “Ich tue was nötig ist, um zu überleben.” Owyn nickte. “Was hast du jetzt vor? Es wäre nicht klug, mit deiner bisherigen Tätigkeit weiterzumachen.”, meinte er. “Richtig. Aber ich kann sonst nichts. Auf dem Markt, wollten sie mich nicht. Sie sagten, Frauen seien nicht dafür geschaffen, schwere Kisten zu tragen. Ich bestehle auch nur Leute, die genug haben.” “Diese beiden Kerle, wer waren die? Kennst du sie?” “Ich kenne sie nicht. Sie arbeiten für einen Magier. Es heißt, er wäre für die meisten Diebstähle hier verantwortlich. Ich dachte, es könne ihm nicht schaden ihm zu zeigen, wie es ist bestohlen zu werden. Außerdem hatten sie eine Menge Geld dabei.”, sagte sie. “Ihm zeigen wie es ist, bestohlen zu werden? Du stiehlst doch auch.” “Das ist etwas anderes. Ich nehme nur was ich brauche. Dieser Magier hat genug Geld um zu kaufen, was er braucht.” “Warum unternimmt niemand etwas gegen ihn?” “Es ist nur unter den Dieben in Egin bekannt. Wie soll man denn den Menschen sagen, dass einem die Leute des Magiers beim stehlen zuvor gekommen sind?” “Ja, das ist ein Argument.”, entgegnete der junge Magier. Dann klopfte es an der Tür. Talia zuckte zusammen. Owyn ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit. Vor der Tür stand die ältere Frau, die ihnen auf dem Marktplatz geholfen hatte. “Hallo, ich bin hier um mir die Wunden anzusehen. Tyler sagte, dass die Klinge des Messers vergiftet war. Ich bin die Kräuterkundige des Dorfes. Darf ich eintreten?”, sagte die Frau. Owyn trat beiseite und ließ sie hinein. “Nennt mich Abi.”, sagte sie, zog einen Stuhl zu Talia und setzte sich vor sie. “Mein Name ist Owyn und das ist Talia.” Abi nickte und untersuchte Talias Arm. “Die Wunde ist geschlossen? Ist einer von euch ein Heiler?” “Nein, nicht wirklich. Ist es eine Vergiftung?”, entgegnete er. “Ja. Wer hat die Wunde geschlossen?” “Ich.” Abi musterte den jungen Magier. Dann griff sie in einen ihrer drei Beutel und zog ein Stück Kohle und ein Stück Pergament hervor. Sie zeichnete ein paar Zeichen darauf und warf es zu Owyn. Kurz bevor es ihn berühren konnte, verschwanden die Zeichen. “Kein Heiler sondern ein Magier. Nicht wahr?”, meinte die Frau. Er nickte. “Das habe ich vor vielen Jahren von einem alten Magier gelernt.”, sagte sie stolz. Der junge Magier musterte sie. Still beobachtete Talia alles. Noch mal untersuchte Abi den Arm des jungen Mädchens. “Beweg doch bitte mal deine Finger.”, sagte sie. Talia nickte, ballte die Hand zur Faust und öffnete sie wieder. “Ist etwas anders als sonst?” “Ja sie fühlt sich irgendwie taub an.”, entgegnete ihr Talia. “Sonst noch etwas?” “Nein. Oder doch, ich habe ein komisches Gefühl. Aber ich kann es nicht beschreiben.” Plötzlich zuckte Owyn zusammen und stützte sich auf dem Tisch ab. Die beiden Frauen sahen ihn an. Er blickte auf seine Hüfte. Abi und Talia folgten seinem Blick und sahen, blaue Flammen an der Stelle, wo ihn das Messer gestreift hatte. Owyn presste seine Hand auf die Flammen, Abi sprang auf und näherte sich ihm. Talia klappte der Mund auf. “Was ist das?”, fragte sie schockiert. “Er hat wohl etwas gegen andere Magier.”, sagte Owyn, während Abi ein paar Kräuter hervorzog. “Kannst du den Zauber brechen? So kann ich dem Gift nicht entgegen wirken.” Der junge Magier spürte etwas, konnte es jedoch nicht zuordnen. Er schloss die Augen und zog die Hand von den Flammen, welche sofort verschwanden. Die ältere Frau zog Owyns Hemd nach oben und drückte ein paar Kräuter auf den kleinen Schnitt. “Festhalten.”, befahl sie, griff in einen Beutel und zog eine Bandage hervor. Sie rückte die Kräuter zurecht und befestigte sie mit dem Verband. “So, das sollte reichen.” Sie zog eine weitere Bandage hervor, legte Kräuter auf Talias Arm und verband ihn. “Was war das gerade?”, fragte Talia neugierig. “Ein Zauber, für den Fall dass mit diesem Messer ein Magier verletzt wird. Du hattest also Recht, es waren die Männer des Magiers.”, antwortete Owyn “Ja natürlich waren das Eriks Männer. Aber warum tragen sie vergiftete Messer mit sich herum? Und wozu dieser Zauber? Nur um die Diebe zu stoppen?”, erwiderte Abi. “Ich dachte, ich sei der einzige Magier, im Umkreis von sechs Tagesmärschen.” “Da bist du nicht auf dem neusten Stand. Erik ist vor zwei Jahren hierher gekommen. Er hat sich, außerhalb der Stadt ein Haus gebaut. Seit dem lebt er hier. Du warst wohl länger nicht mehr in Egin.”, stellte die Kräuterkundige fest. Owyn schüttelte den Kopf. Die Tür flog auf und eine, etwas kräftigere, hübsche Frau in einem roten Kleid betrat den Raum. Ihr Haar war hellbraun und zu einem Zopf zusammengebunden. Owyn wusste, dass ihr Haar etwa hüftlang war, wenn sie es offen trug. Die Frau durchquerte den Raum und zog, den jungen Magier in ihre Arme. Jetzt betrat auch Tyler den Raum. “Vorsicht Schatz, du erdrückst ihn sonst noch.”, meinte er grinsend. “Oh, tut mir Leid. Wie geht es dir, Ronan und Elain? Ist alles in Ordnung?”, sagte Magret. “Ja, bei uns ist alles in Ordnung. Ich kam her um euch zu suchen.” “Und wer ist das junge Mädchen?”, fragte sie. “Ich bin Talia. Ihr Sohn und ihr Mann haben mich gerettet.”, antwortete sie und deutete auf ihren Arm. “Freut mich sehr, ich bin Magret.”, sagte Owyns Mutter und nickte ihr freundlich zu. Nachdem Owyn erzählt hatte was sich in letzter Zeit zugetragen hatte, stellte die Kräuterkundige fest, dass er das Unheil anzog, wie das Licht die Motten. “Du bist zweimal überfallen worden? Von denselben Männern? Und du hast gegen einen Wasserdämon und einen verzauberten Hirsch gekämpft?”, fragte Talia ungläubig. Der junge Magier nickte, während seine Eltern ihn besorgt musterten. “Du solltest unbedingt mal bei Erik vorbei schauen und ihn fragen, weshalb seine Männer vergiftete Waffen bei sich tragen.”, schlug Abi vor. “Ich denke, das ist keine gute Idee.”, sagte Margret. “Wenn er es mit einem Wasserdämon aufnehmen kann, dürfte dieser diebische Möchtegern Magier und seine Lakaien kein Problem darstellen.”, entgegnete die Kräuterkundige. Tyler und Owyn nickten. “Gut, ich begleite dich.”, sagte Talia entschlossen. “Dann lass uns gehen.”, meinte Tyler und schritt zur Tür. Die junge Diebin und Owyn nickten und folgten ihm. “Moment.”, sagte Owyn und blieb stehen. “Was ist denn?”, fragte Talia. “Sieht man von hier aus den Marktplatz?” “Ja, von unserem Zimmer aus sieht man ihn.”, antwortete ihm Tyler. Gemeinsam gingen sie in Margrets und Tyler Zimmer und sahen aus dem Fenster. Keiner der Anwesenden konnte etwas seltsamen entdecken. “Sieht jemand diesen Erik?”, fragte Owyn. “Nein. Warum fragst du?”, antwortete Abi. “Ich spüre Magie, die aus dieser Richtung zu kommen scheint.” “So etwas kannst du auch?”, fragte Talia. Der junge Magier nickte. “Also ich sehe ihn nicht. Owyn, hast du dich vielleicht geirrt?”, meinte sein Vater. Der junge Magier schüttelte den Kopf und öffnete das Fenster. “Kannst du etwa auch Fliegen.”, spottete Talia. “Nein. Ich kann einiges, aber mit fliegen kann ich leider nicht dienen.”, antwortete er grinsend. Abi beugte sich aus dem Fenster und blickte nach unten, dann schüttelte sie den Kopf. “Nichts.”, stellte sie fest und zuckte mit den Schultern. “Dann lasst uns jetzt gehen.”, meinte Talia. “Da, ist das nicht Erik? Dort drüben, auf dem Marktplatz.”, fragte Margret und deutete auf einen, in eine leuchtend blaue Robe gekleideten Mann. Tyler, Abi und die junge Diebin, sahen aus dem Fenster und nickten. “Ja, diese Robe ist tatsächlich seine.”, antwortete die Kräuterkundige. “Wir sollten besser vom Fenster weggehen. Ich bin noch keinem anderen Magier begegnet. Vielleicht spürt er auch meine Magie.”, sagte Owyn. “Ja das tut er.”, entgegnete Tyler und schob sich vor seine Frau. Die Anderen drei drehten sich um und sahen, dass Erik gerade eine Feuerkugel formte. “Was soll denn das?! Ist er verrückt geworden?! Was tut er denn da?!”, schrie Abi wütend. Dann flog die Feuerkugel auch schon auf sie zu. Owyn hob die Hand und richtete sie auf die Kugel. Diese erstarrte. Erik vollführte eine Geste mit seinem Arm und plötzlich vergrößerte sich der Ball aus Feuer. Nun richtete der junge Magier auch die zweite Handfläche auf das Feuer. Plötzlich umschlossen Flammen seine Handgelenke. “Was?!”, rief er verblüfft aus. Margret schrie auf und wollte ihm zur Hilfe kommen, doch Tyler hielt sie zurück. Owyn zuckte zurück, die Barriere um die Kugel löste sich auf und diese raste auf sie zu. Die anderen Vier zogen schützend die Arme vor das Gesicht. Dann spürten sie eine ungewohnte Hitze. Als sie wieder hin sahen, erblickten sie Owyn, der wie es schien, den Feuerball mit bloßen Händen zurück hielt. “Owyn!”, schrie sein Vater und sah sich suchend um. Owyn schloss die Augen und stieß die Hände nach vorn. Die Kugel entfernte sich langsam und verharrte etwa einen Meter vor ihm. Tyler ergriff einen Krug mit Wasser und schüttete den Inhalt über die Hände, des jungen Mannes. Dieser öffnete seine grünen Augen, in denen ein ungewöhnliches funkeln zu sehen war. Wenige Zentimeter vor seinen Händen formte sich ein Wasserball. Welcher schnell größer wurde, sich auf die Feuerkugel zu bewegte und sie löschte. Erik setzte sich auf den Boden und erteilte seinen Männern Befehle. Die Fünf sahen zu, wie sich der Marktplatz leerte. Als niemand, außer Erik und seinen beiden Handlangern in der Nähe waren, hob der, in eine leuchtend blaue Robe gekleidete Magier, eine Hand. Owyn tat es ihm gleich und drehte sich zu den Anderen um. “Bist du verletzt?”, fragte ihn Tyler. “Nein, es ist so weit alles in Ordnung.”, antwortete er. “Was jetzt?”, fragte Abi. “Jetzt gehen wir ihn zur Rede stellen.”, antwortete der junge Magier. “Gut, los.”, sagte Talia und ging hinaus. Tyler, Abi und Owyn folgten ihr. Die Straßen waren Menschenleer. Als sie den Marktplatz betraten, stand Erik auf und musterte sie. Erik war ein beleibter Mann, mit kurzem blondem Haar, der eine leuchtend blaue Robe trug. Welche am Saum mit goldenen Fäden bestickt war. Owyn bemerkte, dass der ältere Magier etwa einen Kopf größer war, als er selbst. “Ihr seid eine interessante Gruppe. Eine junge Diebin, die Kräuterkundige des Dorfes, ein kämpfender Händler und ein, für sein Alter, sehr begabter junger Magier. Was führt euch nach Egin?”, fragte Erik. “Der Handel. Wie Ihr schon so treffend bemerkt habt, bin ich ein Händler und das ist mein Sohn Owyn. Nun zu Euch, warum habt Ihr uns angegriffen?”, entgegnete Tyler. “Das liegt doch auf der Hand. Owyn und diese junge Diebin sind eine Gefahr für Egin. Da ich wusste, dass er ein Magier ist, wollte ich kein Risiko eingehen und ihn gleich außer Gefecht setzen. Aber das erwies sich, als nicht ganz so leicht wie ich es mir dachte.”, entgegnete Erik mit einem Blick auf Tylers Sohn. “Mein Sohn ist Keine Gefahr für Egin. Er sah, dass Talia Hilfe brauchte und handelte dementsprechend. Ihre Männer, sie sind gefährlich.”, konterte Tyler. “Meine Männer handeln nach meinen Anweisungen.” “Dann habt Ihr ihnen befohlen, junge Mädchen zu quälen?!”, schaltete sich Abi in das Gespräch ein. “Nein, ich habe ihnen gesagt, sie sollen die Diebe stellen.” “Und was dann? Sie zum Schweigen bringen, damit niemand erfährt, dass Ihr ebenfalls ein Dieb seid?”, sagte Owyn. “Sei vorsichtig, was du sagst Junge! Das ist eine sehr ernste Anschuldigung!”, entgegnete Erik wütend. “Es ist keine Anschuldigung, es ist die Wahrheit!”, schrie Talia. Um Eriks Hände züngelten plötzlich Flammen. “Sei vorsichtig damit, was du sagst!”, sagte der wütende Magier. Drohen Sie mir?”, fragte Talia mit einem leichten grinsen. “Talia.”, sagte Tyler mahnend. “Ich habe es nicht nötig zu stehlen. Ich habe genug Geld, um zu kaufen was ich brauche.”, stellte Erik fest, während die Flammen verloschen. “Und warum tut Ihr das nicht?”, fragte Talia Erik schenkte ihr einen abfälligen Blick. “Beweise erst einmal was du da behauptest.” “Das können wir wohl nicht, aber erzählt uns warum Eure Männer vergiftete Dolche bei sich tragen.”, entgegnete Owyn. Erik musterte ihn. “Wurdest du von diesem Dolch verletzt?”, fragte der beleibte Mann. Owyn nickte knapp. Der ältere Magier grinste. “Wie alt bist du?”, fragte er. “Ich bin zwanzig, aber was tut das zur Sache?” “Es gibt einige junge Magier. Doch die meisten können ihre Fähigkeiten nur dürftig kontrollieren. Du bist zwar sehr begabt, aber ich denke, du kannst nicht sehr gut mit deiner Kraft umgehen.” “Und darauf setzt Ihr? Eure Fähigkeiten, die Magie betreffend sind auch nicht die besten.”, entgegnete Owyn kühl. Wieder züngelten Flammen um Eriks Hände. “Forderst du mich heraus? Ich bin zwar im Nachteil, da du das Element Wasser beherrschst, allerdings bin ich viel erfahrener und besser, im Umgang mit der Magie.”, meinte der beleibte Mann wütend. “Ich möchte Euch nicht herausfordern, denn Ihr wäret tatsächlich im Nachteil. Meine Fähigkeiten sind stärker, als Ihr glaubt.” “So? Ist das so? Ich nehme das als eine Aufforderung, es mir selbst anzusehen. Mach dich bereit und zeige mir deine Überlegenheit.” “Ich bitte euch zurückzutreten.”, sagte Owyn mit einem Blick auf die anderen Drei. Diese zogen sich langsam zurück. Der junge Magier wandte sich wieder Erik zu, dieser legte seine brennenden Handflächen aneinander und zog dann seine Hände auseinander, bis sie links und rechts neben ihm waren. Ein Kreis aus Feuer flammte um die beiden Männer herum auf. Owyn sah sich ungerührt die Feuerwand an. “Damit uns niemand dazwischen funkt.”, sagte der ältere Mann grinsend, während die flammen um seine Hände verloschen. “Das wird nicht nötig sein. Es wird sich niemand einmischen und ich werde dieser Konfrontation nicht aus dem Weg gehen. Darum solltet Ihr diese Energieverschwendung nicht länger aufrechterhalten.” Sein Gegner schüttelte lediglich den Kopf. Der junge Magier zuckte mit den Schultern und blickte ihn geduldig an. Sein Gegenüber murmelte etwas, formte eine Feuerkugel von etwa zehn Zentimeter Durchmesser und warf diese auf den jungen Mann. Dieser sprang zur Seite und die Kugel verfehlte ihn. Dann verschwand sie in den Flammen, nur um sich kurz darauf wieder neben Owyn aus ihnen zu lösen. Wieder weichte er der Kugel aus, doch diesmal verfehlte sie ihn nur knapp und verschwand abermals in den Flammen. Er hob die Hände links und rechts, in Hüfthöhe neben sich und führte langsam die Handflächen aneinander. Der Kreis aus Feuer verlosch und Erik sah sich verwundert um. Schließlich blickte er den jungen Magier an. Dieser lächelte. “Ein interessanter Trick. Du hast mein Feuer gelöscht, ohne Wasser zu benutzen. Du bist begabter, als ich angenommen hatte.”, meinte Erik. Owyn nickte. “Wollt ihr weiter machen?” “Natürlich, aber jetzt machen wir ernst.” “Ernst?” fragte Owyn. “Ja.” “Ich dachte, Ihr wolltet Egin vor mir beschützen und es nicht, mit meiner Hilfe dem Erdboden gleich machen.”, meinte der junge Mann schmunzelnd. Erik blickte ihn nachdenklich an. Die beiden Magier standen sich gegenüber und warteten, auf den nächsten Zug des anderen. Dann hob der ältere Magier die Hand und richtete sie mit der Handfläche, einen Spruch murmelnd, auf seinen Gegner. Langsam erwärmte sich die Luft um Owyn herum. “Was?”, fragte dieser irritiert und sah zu Boden. Um ihn herum wurde es immer heißer und schweiß rann ihm übers Gesicht. Dann begann er zu schwanken und sah sich ratlos um. “Wird es dir zu heiß?”, spottete Erik. Da bemerkte Owyn, dass weder seine drei Freunde, noch Erik etwas von dieser enormen Hitze spürten. Er wankte zur Seite, bis er spürte dass es wieder kühler wurde und ging dann in die Knie. “Gegen indirekte Angriffe, kannst du wohl nicht viel ausrichten. Ich sagte doch, dass du deine Kräfte noch nicht gut, kontrollieren kannst.”, sagte der beleibte Magier triumphierend. “Stimmt. Doch Angriff ist die beste Verteidigung.”, keuchte Owyn und stieß seine linke Faust in Eriks Richtung. Dieser stolperte zurück, als hätte man ihn gestoßen und viel auf den Hintern. Owyn öffnete die Hand und legte sie auf den Boden. Die Erde begann zu beben und Tyler musste die beiden Frauen festhalten, damit sie nicht zu Boden gingen. “Hör auf! Lass das! Du wirst noch alles niederreißen!”, schrie Erik empört. Langsam ließ das Beben nach, bis es letztlich ganz aufhörte. Erik lag mittlerweile flach auf dem Rücken und hatte die Augen geschlossen. Owyn machte eine Handbewegung in der Luft, die aussah als streiche er über eine Oberfläche. Sein Gegner öffnete die Augen und mühte sich vergeblich, sich aufzurichten. “Was ist das?! Was ist das?!”, schrie der beleibte Mann, außerstande einen klaren Gedanken zu fassen. Schließlich blieb er liegen und wartete ab. “Was ist nun mit dem Dolch?”, fragte der junge Magier. “Ich habe ihn von einem Mann, der wollte dass ich den Zauber oder Fluch, der auf ihm lastet breche. Ich gab ihn einem meiner Männer.” “Gut und die Diebstähle?”, fragte ihn Owyn. “Ich habe nur unverkäufliches gestohlen! Alles was ich so erwerben konnte, bezahlte ich. Ich brauche diese Gegenstände. Sie haben eine magische Bedeutung.”, antwortete Erik resignierend. “Wieso? Was sind das für Gegenstände?”, fragte Abi neugierig. “Ich weiß nichts Genaueres darüber. Auf ihnen sind seltsame Zeichen. Sie sind wohl sehr alt.”, antwortete er. Owyn setzte sich in den Schneidersitz und betrachtete, den am Boden liegenden. “Und mir willst du es anhängen! Das ist ja interessant.”, erwiderte Talia aufbrausend. Tyler legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. “Und du bist nie auf die Idee gekommen, die Besitzer der Gegenstände einfach zu fragen, ob du sie dir ansehen darfst?”, fragte Abi verwundert. Stille. “Ich gebe die Gegenstände, die mir nicht gehören zurück.”, sagte der ältere Magier, nach einer Weile. “Und den Dolch darfst du behalten.”, fügte er zügig hinzu. “Dann geht, aber lasst den Dolch gleich hier.”, sagte Owyn, der immer noch auf dem Boden saß. Erik stand zögernd auf, ging zu einem seiner Männer, nahm den Dolch entgegen und warf ihn in Richtung, des jungen Mannes. Dann verschwand er in einer Seitenstraße, dicht gefolgt von den beiden Männern. Während Talia den Dolch aufhob, trat Tyler zu seinem Sohn und ging in die Hocke. “Alles in Ordnung, Owyn?”, fragte er. Dieser schüttelte den Kopf. Abi stellte sich neben Tyler und musterte den jungen Magier. “Ich sehe keine Verletzungen oder Verbrennungen.”, stellte die Kräuterkundige fest. Wiederum schüttelte er den Kopf. Tyler legte einen Arm um die Hüfte seines Sohnes, ergriff dann dessen Arm und legte ihn sich um die Schulter. Er zog ihn auf die Beine und wartete. Owyns Beine begannen zu zittern und gaben nach. Die kleine Gruppe machte sich gemeinsam auf den Weg zum Gasthaus. Dort angekommen setzte Tyler seinen Sohn auf dem Bett ab und zog sich selbst einen Stuhl heran. “Was ist denn?”, fragte Margret voller Sorge. Abi, Talia und Tyler musterten den jungen Mann. “Keine Sorge. Es ist nichts, was man mit ein wenig Ruhe nicht kurieren könnte.”, antwortete dieser mit einem matten Gesichtsausdruck. “Gut, dann lassen wir dich jetzt mal ausruhen.”, sagte Abi, ergriff Margrets Arm und zog sie, mit sanfter Gewalt aus dem Zimmer. Die anderen beiden folgten ihnen wortlos. Der junge Magier legte sich hin und schlief fast augenblicklich ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)