Return to Gaia von sakura_18 ================================================================================ Kapitel 1: XVI – La Torre – der Turm ------------------------------------ Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Doch es ist Wirklich! 5 Jahre ist es nun schon her seit ich Van und Gaia zum letzten Mal gesehen habe. Ich studiere an einer Universität in Kyoto und habe eine eigene Wohnung bezogen. Eigentlich sollte mein Leben in geregelten Bahnen laufen, doch Alpträume, nein, ich weiß es besser, Visionen stören mein friedliches Leben. Ich bekomme Angst. Was sie wohl zu bedeuten haben? Ich weiß etwas Schlimmes kommt auf mich zu, denn noch nie haben meine Visionen mich belogen und doch fühlte ich Erleichterung. Sind diese Visionen vielleicht mit Gaia verbunden? Darf ich etwa nach gefüllten 5 Jahren Van endlich wiedersehen? Hoffentlich. Ich sehne mich nach ihm… Schweißperlen rannen ihren verschwitzen Körper hinab. Das Braunhaarige Mädchen war auf die Knie gesunken und hielt sich krampfhaft den Kopf fest. Es sollte aufhören. Sie wollte nicht noch mehr sehen. Sie schloss gewaltsam die Augen und hoffte vergebens, dass die Bilder verschwinden, doch es wurde nur noch schlimmer, schmerzhafter. Die Visionen schienen realer zu werden. Sie sah Blut, Tote, zerstörte Dörfer und dann das Feuer, das alles zu verschlingen drohte… Inmitten des tobenden Krieges schaute sie zu wie sich Hunderte von Guymelefs bekämpften und innerhalb der Menge sah sie ihn. Hitomi schien es unbegreiflich, wie sie ihn bis jetzt noch nicht entdeckt hatte. Von fast allen Seiten wurde er brutal angegriffen und konnte sich nur schwer zur Wehr setzen. Es schien als hätte sie vergessen, dass alles nur eine blöde Vision war. Es war alles noch nicht geschehen. Sie wollte schreien, ihm helfen. Aber Hitomi war wie gelähmt. Kein Muskel bewegte sich, nur noch ihr ohrenbetäubendes Herz pochte schmerzhaft laut in ihrer Brust. Etwas in ihr zerbarst in Tausend Stücke als sie sah wie jemand hinter Escaflowne hinterhältig das Schwert erhob und es ihm mit voller Kraft in den Rücken rammte. Ein metallisches Geräusch ertönte als die Waffe den Guymelef durchbohrte. Zur selben Zeit hörte sie seinen durchdringenden Schrei und gleichzeitig rief sie verzweifelt nach ihm, bevor unter ihr der Boden brach und Hitomi in eine grausame Finsternis stürzte. Mit einem erstickten Keuchen riss sie die Augen auf. Eine Sekunde lang schien es so als wäre sie eingefroren. So blass und bewegungslos wie sie war, könnte man meinen sie wäre eine echte, lebensgroße Puppe. Doch dann beherrschte tödliche Angst ihren zitternden Körper, bevor sie ihre Arme noch fester um sich schlang. Nach Minuten oder auch Stunden, sie wusste es nicht mehr, hatte sie sich ein wenig beruhigt und stemmte sich vorsichtig am Baumstamm hoch. Hitomi sah sich kurz um und erkannte die Treppen des alten Tempels in der Nähe des Sportplatzes ihrer alten Schule. Was war passiert? Wieso war sie hier? Während sie sich langsam, stockend auf den Weg nach Hause machte, kehrten nach und nach wieder ihre Erinnerungen zurück. Trotz, dass ihre Kräfte an ihr zerrten, war sie erschüttert und auch etwas verstört. Sie hatte gedacht ihre Fähigkeit verloren zu haben, doch sie waren noch da. Stärker als je zuvor. Schon seit ein paar Wochen bekam sie seltsame Träume und zumindest hatte Hitomi schon eine Ahnung gehabt, dass sie nicht gewöhnlicher Natur sein konnten, doch sie hatte den Sinn an ihnen nicht verstanden. Die Visionen passten nicht zusammen, so sehr sie versucht hatte sie zusammenzusetzen. Es war einfach nur verrückt. Mittlerweile war es schon so weit das ihr schlaflose Nächte keine großen Sorgen mehr machten, zumal sie schon so lange nichts Ungewöhnliches mehr waren. Sie kannte es schon. Es war inzwischen ein Teil ihrer selbst geworden. Hitomi wusste es war nicht mehr an schlaf zu denken, weshalb sie sich auch auf den Weg gemacht hatte um einen kleinen Spaziergang zu machen und Erholung zu finden, doch stattdessen hatte sie unbarmherzig eine Vision gepackt. Als Hitomi die Wohnungstür ihres Appartements schloss und sich aufs Sofa fallen ließ, erkannte sie, dass es wieder angefangen hatte. Etwas Böses hatte in Gaia, dem Planeten hinter dem Mond begonnen und Hitomi wusste auch, dass ihre Träume keine Streiche spielten. Schon immer hatte sie sich auf sie verlassen können und heute war der Punkt gekommen an dem sie sich sicher gewesen war, dass es mit Van zutun hatte. Zum ersten Mal war die Vision klar und deutlich gewesen. Van brauchte ihre Hilfe, sonst würde er sterben und das wollte sie sich nicht mal in ihren schlimmsten Alpträumen vorstellen. Mit einem tiefen und langen Seufzen stand sie schließlich auf, schüttelte sich ihre Schuhe von ihren Füssen und nahm sich eine kalte Dusche. Die Kälte machte ihr nichts aus. Es beruhigte sie eher als das es sie abschreckte. Sie schloss die Augen und spürte wie das Wasser in sanften Wellen über sie floss. Sie wollte nicht groß nachdenken. Ihre Gedanken würden zu sehr schmerzen, dass wusste sie mit absoluter Wahrscheinlichkeit. Hitomi wollte einfach nur abschalten und genau das tat sie. Mit einem viel zu kurzen Handtuch, das gerade so ihre Blöße bedeckte, schritt Hitomi in ihr Schlafzimmer, zog sich ihre Unterwäsche und ein kurzes, cremefarbenes Kleid mit samter Spitze, an. Es war ihr Lieblingskleid, besonders weil es von ihrer besten Freundin stammte. Yukari hatte es ihr kurz, nachdem sie auf die Erde zurückgekehrt war, geschenkt. Nachdem sie Zuhause ihren 16-ten Geburtstag verpasst hatte, wollte Yukari unbedingt eine Party feiern. Hitomi hatte sich strikt geweigert, da sie zu dieser Zeit überhaupt nicht in der Stimmung gewesen war. Doch wie immer hatte Yukari ihren Sturkopf durchgesetzt und obendrein die größte Fete, auf der sie jemals gewesen war, geplant. Zu diesem Anlass hatte Yukari ihr das Kleid geschenkt und beinahe hatte sie es nicht angenommen. Es war das wertvollste und Schönste was sie besaß. An diesem Tag hatte sie tatsächlich Spaß gehabt, wenigstens ein bisschen. Für ein paar Stunden konnte sie Gaia einfach aus ihrem Gedächtnis streichen und damit war Yukaris Plan aufgegangen. Sie hatte Hitomi aufgeheitert, und wie sie später erzählt hatte, selbst eine aufregende Nacht erlebt. Daran war der Alkohol nicht ganz unschuldig. Jedes Mal, wenn sie zurückdachte, kamen unfreiwillig Schuldgefühle in ihr hoch. Bilder schossen durch ihren Kopf, die ihr augenblickliches Kopfzerbrechen bereiteten. Auch wenn sie an diesem Tag mehr als benebelt war, wusste sie noch ganz genau, was der Alkohol mit ihr angestellt hatte. Zu schrecklichen dingen, hatte er sie gebracht. Hitomi schüttelte schnell unmerklich den Kopf, versuchte ihre kommenden Erinnerungen an diese Nacht zu verbannen. Als sie sich ihre schwarzen High Heels überstreifte, konzentrierte sich nur noch auf den Tag, der vor ihr lag, obwohl sie selbst kaum glauben konnte wohin sie gerade ging. Als sie ihre Wohnung verließ und sich auf den Weg zur Braut machte, schien sie ganz in Gedanken versunken. Hitomi freute sich für ihre langjährige Freundin, auch wenn sie es wirklich zu früh fand. Aber es war die richtige Wahl, für Yukari. Für sie war es die richtige Entscheidung, auch weil in ihr ein lebendiges Wesen heranwuchs. Deshalb war es eine ganz andere Situation. Yukari konnte nicht frei durch ihre Gefühle entscheiden, nun hatte sie die Bürde eines Kindes bei sich, aber Glück war dass sich beides irgendwie überkreuzte. Und doch hatte Hitomi Zweifel, die nicht zu verschwinden drohten. Sie litt mit ihr, wahrscheinlich mehr als jede andere, mehr als Yukari selbst. Hitomi verstand es nicht. Wieso konnten ihre Freundinnen, Amano und besonders Yukari nicht sehen was für ein riesen Fehler sie getan hatte! Yukari war wirklich noch nicht reif genug, wenn sie nicht mal das einsah! Noch lange nicht, ihrer Meinung nach, aber vielleicht lag es nur an ihr? Vielleicht verstand sie es nicht? Nein, das konnte nicht sein! Im Moment war ein Kind, der größte Fehler, den sie begehen konnte. Besonders in ihrem Alter! Yukari war doch selbst gerade erst ein Teenager gewesen! Das einzig Gute an der Sache war, das ihr Kind nicht vaterlos sein würde. Ein Kind kostete Geld und so schafften sie es wahrscheinlich gerade so über die Runden. Aber was ihr bei der Sache am meisten Sorgen machte, war das Yukari sich sogar aufrichtig freute aber vielleicht tat sie einfach nur das richtige und war nicht so wie sie. Yukari konnte nicht so pessimistisch sein wie Hitomi, das war für niemanden gut und besonders für das Baby nicht. Sie hatte es akzeptiert und man konnte ein Lebewesen ja nicht einfach der Müllabfuhr abgeben, obwohl… Man könnte es weggeben, einer besseren Familie zum Geschenk machen, welche es so liebevoll behandeln würde, wie die echte Mutter, aber davon wollte Yukari nichts hören. Hitomi hatte dieses Thema schon angesprochen, ohne Erfolg. Im Nachhinein konnte Hitomi selbst kaum glauben, dass sie je daran gedacht hatte und erkannte sich manchmal selbst kaum wieder. War sie so ein Mensch?! So kalt und rücksichtslos! So wollte sie nie sein, nie werden. Manchmal verabscheute sie sich wirklich selbst, für das was aus ihr geworden war. Wieso dachte sie so? Ihre Mutter hatte doch auch etwa im gleichen Alter wie Yukari ihr erstes Kind bekommen. Nämlich ihren Bruder und sie schien es nie bereut zu haben. Vielleicht… Vielleicht hatte sie solche angst, weil sie selber nicht dazu imstande wäre, weil sie noch nicht bereit wäre und das wusste sie innerlich. Ja, das musste es sein. Nicht Yukari war es die unreif war, sondern ganz alleine Hitomi. Trotzdem prophezeite sie Yukari, dass schlimme Zeiten auf sie zukommen würden. Da würde Hitomi jede Wette eingehen, doch mit voller Zuversicht wusste sie auch dass schöne, glückliche Zeiten kommen würden. Wie die letzten viereinhalb Jahre welche ihre beiden besten Freunde zusammen als Paar verbracht hatten und Hitomi konnte manchmal selbst kaum glauben, wie gut sich beide verstanden. Es war als wären sie wirklich füreinander bestimmt. Natürlich gab es zwischendurch Spannungen aber wenn es nichts Derartiges gäbe, dann müsste man sich auch wirklich Sorgen machen. Natürlich konnte Hitomi das nicht groß beurteilen. Bis jetzt hatte sie noch nie etwas Ernsthaftes gehabt und darüber war sie wenn sie ehrlich war eigentlich sehr froh. An den letzten Streit der beiden konnte sie sich noch lebhaft erinnern. Letztes Mal, so weit sie sich erinnern konnte, war es wirklich heftig gewesen. Yukari war zuweilen übertrieben eifersüchtig und das Amano oft geschäftlich unterwegs war, machte es auch nicht gerade besser. Diesmal war es das gleiche Problem wie meistens gewesen. Die blöde Eifersucht die das Leben der beiden manchmal wirklich behinderte. Aber sie wusste, wie sehr Amano Yukari liebte und deshalb machte sie sich auch nie große Sorgen. Manchmal hatte man einfach das Gefühl als würde er es mögen sie so ein bisschen zu ärgern. Nein, Hitomi glaubte nicht, dass er das absichtlich tat. Sie kannte ja ihre Rothaarige Freundin und wusste manchmal war es wirklich schwer mit ihr. Sie musste seufzen, als sie vor einem bestimmten Block stehen blieb. Sie war Trauzeugin und erste Brautjungfer. Wieso hatte sie bloß zugestimmt und nicht einfach abgelehnt?! Aber nein, einfach antworten ohne nachzudenken! Dumme, dumme Hitomi! Sie wusste Yukari würde heute reichlich gestresst sein und spürte, dass ihr eine lange und ohrenbetäubende Rede bevorstand. Man sagte ja der Hochzeitstag wäre der schönste Tag des Lebens, da konnte sie nur höhnisch auflachen. Was war schön daran, wenn man vor Aufregung und Anspannung fast wahnsinnig wurde und man die anderen selbst auch noch verrückt machte?! Leise klopfte die Studentin an die Tür, obwohl sie sich hundertprozentig sicher war, dass man sie nicht hören würde. Man konnte den Lärm in der Wohnung einfach nicht überhören. Laute Stimmen waren zu hören, doch hauptsächlich Yukaris übertönte alle. Langsam drückte sie den Türknauf runter und war keineswegs überrascht als diese sich öffnen ließ. Hitomi steckte vorsichtig den Kopf durch die Tür und sah fragend in die Runde. „Bin ich etwa schon wieder zu spät?!“ Einstimmiges Gekicher folgte, naja fast. Yukari kam ihr wutentbrannt entgegen –zumindest schlussfolgerte sie das, nachdem Hitomi ihr rotanlaufendes Gesicht sah- und stemmte die Hände in die Hüfte. „Nein, du bist so pünktlich wie immer, “ sagte Yukari beherrscht ruhig und ihr sarkastischer Unterton entging Hitomi kaum, doch dann schrie sie, „Natürlich bist du zu spät! Wie konnte ich je glauben, dass du dich wenigstens an meinem Hochzeitstag zusammenreißt und es pünktlich schaffst?! Du bist einfach unglaublich, Hitomi! Wirklich unglaublich!“ Yukari fuhr sich mit der Hand durch die etwas verstrubbelten Haare und versuchte ihren einigermaßen beschleunigten Atem zu beruhigen. Hitomi probierte unterdessen den kommenden Redeschwall, den sie befürchtete zu unterbrechen in dem sie sanft Yukaris Hand in ihre nahm und leise flüsterte: „ Ach komm, du kennst mich doch. So bin ich eben, etwas zeitverloren aber dafür sehr liebenswürdig. Das magst du doch an mir, nicht?“ Leise lachte Yukari. Anscheinend hatte ihr Plan funktioniert. Die junge Frau vor ihr hatte sich ein wenig beruhigt. „Außerdem haben wir bis zur Kirche noch genügend Zeit, stimmt’s?“ Hitomi wandte ihren braunen Schopf ein wenig nach rechts und sah ihre Freundinnen fragend an, die gemütlich auf dem Sofa lümmelten und sie beide grinsend beobachteten. „Stimmt“, bestätigte Rina ihre Vermutung, diese hatte sich nun auch zu den beiden gesellt und umarmte Yukari zärtlich von hinten. „Also, sei nicht allzu streng zu ihr. Das ist eben ihre kleine Macke. Das wusstest du das doch vorher schon. Ich für meinen Teil, da wir nun endlich vollständig sind, möchte dir nun endlich dein hübsches Gesicht noch schöner gestalten. Sonst verpasst du wirklich noch deine eigene Hochzeit und das wollen wir doch nicht?“ Die Rothaarige Braut seufzte. „Nein, das wollen wir nicht.“ Sie sah aus dem Fenster. Lächelnd und ein wenig nachdenklich. Ein wunderschönes Lied lief im Radio der Limousine und merkwürdigerweise stimmte es die braunhaarige Studentin fast melancholisch. Sie kannte das Gefühl und doch war es eher fremd für sie. Es fühlte sich merkwürdig, aber trotzdem so unscheinbar glücklich wie lange nicht mehr an. Sie genoss die Gefühle, die kribbelnd in ihr aufstiegen. Keine der anwesenden im fahrenden Auto, bemerkte den beseligten Wechsel der in der schon lange gebrochenen Frau herrschte und das war auch gut so. Niemand sollte je bemerken, was für ein Chaos von Gefühlen in ihr momentan waltete. Hitomi schloss stumm ihre Lider, während die anderen immer noch summend mitsangen. Doch unwillkürlich erschien vor ihrem geistigen Auge Jemand bei dem es ihr das Herz zusammenzog. Es fühlte sich so wirklich an als wäre er tatsächlich hier und nicht nur eine von ihren nur allzu bekannten, verrückten Wahnvorstellungen. Hitomi spürte wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Mit aller Kraft versuchte sie diese aufzuhalten. Sie krallte ihre Hände in ihr Kleid, so fest, dass ihre Knöchel weiß vortraten. Den Schmerz, ignorierte sie. Sie wagte es nicht ihre Finger ein bisschen zu lockern, sie hatte einfach panische Angst auf einmal in Tränen auszubrechen. Sie durfte es nicht zulassen. Nicht an diesem Tag, nicht heute, wo Yukari doch heiratete. Besonders jetzt konnte sie es nicht zulassen. Niemand auf Erden durfte sie jemals wieder so sehen. Schwach und zerbrechlich, ohne Würde. Einmal hatte gereicht, ein einziges Mal hatte Yukari sie erwischt und damals hatte sie es sich selbst geschworen. Nie mehr wieder. Es war so demütigend gewesen. Der junge Mann vor ihr sah so verdammt traurig aus, dass es ihr buchstäblich das Herz zerriss. Er schaute in eine unbestimmte Richtung, trotzdem sah sie auf den ersten Blick was sich hinter seiner schwer erkämpften, Fassade verbarg. Sie wünschte sich einfach ihre grünen Augen zu öffnen und sich vor dem ganzen hier zu verstecken. Sie versuchte es, Gott ja, wie sie es versuchte aber wieso gelang es ihr trotzdem nicht? Sie hatte keine Ahnung. Leere und Trostlosigkeit zeigten sich unverkennbar in seinen Augen. Deine Schuld, sagte ihr Gewissen. Sie biss die Zähne zusammen. Hitomi wollte ihm so sehr helfen, obwohl es ihr selber so unfassbar wehtat. Kein Mensch hätte je verstehen können, was sie im Moment empfand. Mitleid für diesen Einzigartigen Mann kämpfte mit dem Gefühl der Machtlosigkeit und des Schmerzes. Die braunhaarige verspürte so ein unglaubliches Verlangen ihm näher zu kommen, ihn in die Arme zu nehmen und zu trösten. Doch ihr Körper war wieder einmal wie gelähmt. Sie hasste es so hilflos zu sein und nichts tun zu können. Besonders wenn er gerade vor ihr stand und sie nichts weiter tun konnte als seinem Leiden zuzusehen. Seine Haltung war mehr als gebrochen und doch war seine nackte Brust nach wie vor so kräftig wie zuvor, wenn nicht noch kräftiger, muskulöser. Er schien grösser als damals vor fünf Jahren, vor allem erwachsener, doch das meiste was sie beeindruckte waren seine Flügel die sich weiß wie der Schnee um ihn herum verbreiteten. Obwohl seine dunklen Augen so unglücklich schienen, war es als stände ein Engel vor ihr. Ein mächtiger, majestätischer Engel, dem alles und jeden zu Füssen lag. Aber wieso sah er dann so unerträglich traurig aus? Plötzlich sie hätte es nicht verhindern können, drehte er sich um, breitete seine Flügel noch einmal richtig aus und verschwand in die Höhe bis sie ihn irgendwann nicht mehr sehen konnte und damit kehrte die absolute Dunkelheit zurück. Ihr persönliches Licht und die weißen Flügel waren verschwunden. Hektisch sah sie in alle Richtungen, versuchte irgendein Licht auszumachen aber nichts erinnerte mehr im Entferntesten daran. Ein unheimliches Gefühl kroch in ihr hoch. Schauder liefen über ihren Rücken und Angst schnürte ihr die Kehle zu. Es durchzuckte ihren ganzen Körper. Beinahe verzweifelt, schlang sie ihre Arme um sich. Sie wollte weg, egal wohin, nur weg von dieser furchterregenden Dunkelheit. Dann vernahm sie plötzlich eine vertraute Stimme. Sie wirbelte herum, doch nichts anders als Schwärze empfing sie. Die eindeutig männliche Stimme, kam ihr ungemein bekannt vor, aber sie konnte sie einfach nicht richtig identifizieren. Sie dachte streng nach, doch ihr fiel einfach nicht mehr ein wem sie gehörte oder wann Hitomi sie zuletzt gehört hatte. Er hörte sich gedämpft an und fast so an als ob er nach ihr schrie. Ihr griff um sich wurde fester, doch dann lockerte sie ihn und ließ ihre Arme lose fallen. Einen Augenblick schloss sie ihre Lider um sie gleich wieder zu öffnen. An ihrem Blick hatte sich nichts verändert. Verzweifelte Angst und Hoffnungslosigkeit spiegelte sich in ihnen. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so einsam wie in diesem Moment gefühlt. Sie schrie, bat um Hilfe, von ihm. Doch in Wahrheit kam nur ein Hauchen aus ihren Lippen. Sie versuchte es noch einmal. Diesmal funktionierte es, glaubte sie jedenfalls, als sie mit aufgerissenen Augen aufwachte. In der ersten Sekunde hatte sie noch nicht begriffen, wo sie war und wie entsetzt ihre Freundinnen sie anstarrten. Zunächst sah sie sich noch etwas verwirrt um, während schon aufgedrehte Stimmen auf sie niederdrosselten. „Hitomi? Hitomi?! Alles in Ordnung mit dir?“ Sofort hatte sie aber verstanden und zog sich im Sitz hoch und fragte unbeabsichtigt leise: „Was ist? Ist etwas passiert?“ Antwort war ein Schnauben und undefinierbares Geflüster, bevor Yukari ihr verständlich antwortete. „Was passiert ist, fragst du? Naja wie soll ich es dir schonend beibringen… Sagen wir es so, die Kurzfassung: du hattest einen Alptraum…“ Hitomi hob ihre Augenbrauen. „Ich hab geschlafen? Was..“ mitten im Satz hielt sie inne. Momentmal hatte sie nicht eine Vision gehabt, jedenfalls etwas Ähnliches. Fast wie ein Traum und gleichzeitig so real. Ihr dröhnte schon der Schädel. Die Visionen wurden immer komplizierter. Sie wusste einfach nicht genau, was sie Hitomi mitteilen wollten. Sie sollte später darüber nachdenken. Die anderen starrten sie nämlich noch immer so mitleidig an. Sie hasste es, wenn man sie ansah als wäre jemand gestorben. „Mit mir ist echt alles in Ordnung, Okay?!“ Es nützte nichts. An ihren Augen sah sie, dass sie ihr nicht glaubten und schon gar nicht Yukari. Die Rothaarige kannte Hitomi wie ihre eigene Westentasche und manchmal verfluchte sie ihre beste Freundin dafür. Bei ihr fiel es ihr schwerer ihre unantastbare Maske beizubehalten. Mittlerweile wusste sie, wie sie ihre Freundin täuschen konnte aber deswegen war es nicht einfacher. „Hör zu“, unterbrach Rina ihre wirren Gedanken. „Du bist eingeschlafen und als wir dich wecken wollten ging es nicht. Es war komisch, als wärst du in einer Art Trancezustand gefangen gewesen und plötzlich hast du geschrien, so laut und Angsterfüllt, dass wir dachten du könntest… sterben. Also ich denke du bist alles, nur nicht in Ordnung.“ Heilige Scheisse! Hoffentlich hatten sie nichts von ihren Visionen mitbekommen - was redete sie sich da eigentlich ein? Bestimmt war Yukari schon in den Sinn gekommen, dass ihre Visionen wieder aufgetaucht waren. Verdammt gerade heute verlor sie ihre Fassung. Sie hatte sich doch geschworen, dass Yukari und besonders ihre Freundinnen – die wirklich keine Ahnung hatten - nichts mitbekamen. „Ihr solltet euch keine unnötigen Sorgen um mich machen, ehrlich!“ versuchte sie die anderen trotzdem noch zu überzeugen, obwohl sie wusste, dass es nichts mehr brachte. Yukari seufzte. „Das kann ich nicht, Hitomi.“ Zaghaft streichelte Hitomi über den Oberschenkel ihrer Freundin. „Wieso nicht?“ Eindringlich sah Yukari in die glühenden Smaragde ihrer Trauzeugin. Mit jeder weiteren Sekunde die verging fühlte es sich unerträglicher an, so dass sie irgendwann ihren Blick senken musste. Wieso hatte nur ein einziger Blick Yukaris solch unglaubliche Macht über sie? Vielleicht lag es einfach daran, dass sie sich nun schon so lange kannten. Yukari war irgendwie so was wie ihre Seelenverwandte geworden. Sie gehörte einfach zu ihrem Leben. „So kann es nicht weiter gehen, Hitomi.“ Oh, Gott! Sie wusste etwas. Klar, war ja zu erwarten gewesen. Yukari war nicht blöd, nein sie war alles andere als blöd. Deshalb hatte sie auch nicht übersehen, dass etwas nicht mit ihr stimmte. Nur ein Blinder hätte das nicht sehen können, nein, das war wohl falsch. Niemand sah, dass es ihr nicht gut ging. Das es sie unglaubliche Kraft kostete jeden einzelnen Tag zu überstehen und meistens war sie einfach nur froh das es so war. Hitomi wollte nicht von diesen bedauernswerten Blicken heimgesucht werden und so nochmal die Bestätigung zubekommen, was für ein Wrack sie geworden war. Das brauchte sie nicht. Sie wusste es doch schon. Jedes Mal wenn sie in den Spiegel sah, konnte sie es kaum länger als ein paar Minuten aushalten. Sie verabscheute sich ja selber, was sie sich angetan hatte. Sie gab auf, ließ sich hängen und genau das wollte sie nicht. Die neuen Visionen hatten es nur noch schlimmer gemacht. Mit jedem Atemzug tat es mehr weh und auf masochistische Art und Weise fühlte es sich gut an. Sie begriff, dass sie Van immer näher kam und Hitomi wusste wie eigennützig sie war, doch alles was sie wollte war endlich wieder glücklich zu sein. Ihr war egal ob ein Krieg herrschte, dann würde sie ihn mit ihm besiegen. Van! „Was denn?“ fragte sie mit unschuldigen Augen und mit vorgeschobener Unterlippe, versuchte ihr innerliches Durcheinander zu überspielen. „Das weißt du ganz genau! Ich weiß doch was los ist! Du brauchst mir nichts mehr vorspielen. Denkst du wirklich ich bin so dumm?! Denkst du ich weiß nicht, wie unglücklich du seit diesen Fünf Jahren bist? Ich liebe dich, Hitomi, das tue ich wirklich aber ich kann das nicht länger mitansehen, wie du daran zugrunde gehst. Es tut mir leid, es ist meine Schuld. Ich war selbstsüchtig. Ich wusste, wie sehr du gelitten hast, trotzdem wollte ich dich nicht gehen lassen. Ich liebe dich zu sehr und hatte einfach zu große Angst, dass du einfach verschwinden könntest, dir etwas zustoßen könnte oder schlimmeres. Aber heute ist mir eins klar geworden… Ich kann dich nicht aus meinen egoistischen Gründen hier behalten. Ich dachte du würdest über ihn hinwegkommen, aber das wird so wie ich es sehe nicht mehr passieren. Es ist wirklich unglaublich, wie sehr du diesen Van liebst. Ich denke er ist deine große Liebe, “ flüsterte sie am Schluss und legte eine Hand auf Hitomis Wange. „Er ist deine große Liebe, Hitomi. Du darfst nicht länger warten, sonst wird er nicht mehr gewillt sein länger auf dich zu warten. Ich kann von dir nicht verlangen unglücklich vor dich hinzuleben, während ich inzwischen überglücklich meine Hochzeit feiere. Das wäre nicht fair dir gegenüber.“ Hitomi sah sie mit großen Augen an und bemerkte Tränen in den Augenwinkeln ihrer Freundin. „Yukari… Was meinst du damit?“ Diese musste lächeln. „Ist das noch nicht klar?“ Sie legte eine kurze Pause ein. „Ich meine damit, dass ich will, dass du gehst.“ Hitomi senkte stumm ihr Haupt. „D-Das kann ich dir und besonders meiner Familie doch nicht antun. Ich weiß doch wie es wäre, wenn ich nicht mehr da wäre. Es spielt sowieso keine Rolle mehr. Ich kann nicht mehr zurück.“ Dabei ließ sie aus, dass sie neustens Visionen hatte, die deutlich ankündigten, dass sie bald wieder etwas in Gaia zutun hatte. „Ich denke ehrlich, deine Familie ist derselben Meinung wie ich. Das ist wirklich kein Problem. Aber etwas anderes… warum kannst du nicht mehr zurück, letztes Mal ging es doch auch?“ Hitomi biss sich auf die Lippen. Weiter durfte es nicht gehen. Die anderen waren noch hier. Sie hatten keine Ahnung von ihrem Leben in Gaia. Das Gespräch gelang immer mehr dorthin. Bis jetzt glaubten sie wahrscheinlich noch, das alles mit einem Jungen zutun hatte, welchen sie liebte und sie zurückgewinnen sollte. Doch würden sie weiter miteinander sprechen, würden sie auch bald Fragen stellen und das konnte sie nicht zulassen. Als sie sah, wie sie vor der Kirche zum stehen kamen, dankte sie innerlich für diesen Glücksfall. Dann wandte sie sich gespielt grinsend an Yukari. „Später, in Ordnung? Du wirst jetzt heiraten! Und ich…Ich werde dabei sein. Ich hab es dir versprochen und ich halte immer meine Versprechen, das weißt du doch. Also dürfen wir keine weitere Sekunde mehr verlieren…“ Sie öffnete die Tür und schlüpfte schnell aus dem Fahrzeug. Draußen auf dem Asphalt, musste sie sich erstmals den Kopf halten und schmerzend die Augen schließen. Die anderen konnten nicht in ihr Gesicht sehen, da sie nun den Rücken zu ihnen gedreht hatten. Wenn sie es getan hätten, wäre ihnen bewusst gewesen, wie hart es um Hitomi stand. Ihre Fröhlichkeit war verblasst und hatte stattdessen einen bitteren Ausdruck im Gesicht hinterlassen. Nach und nach kamen auch die anderen die breite, steinerne Treppe hoch. Um sich von ihren eigenen Gedanken abzulenken sah sie sich die Kathedrale genauer an. Hitomi war ehrlich beeindruckt. Sie war fasziniert vom gotischen Baustil. In den zentralen Türen der Hauptfassade erhoben sich die beiden fast anmutigen, hohen, quadratischen Türme mit den eisernen Spitzen. Sie blieb auf der dritten und somit letzten Ebene der Treppe stehen und wartete geduldig auf die anderen. Jäh legte sich eine Hand auf ihre rechte Schulter. Sie ließ sich von ihrer Überraschung nichts anmerken und hörte dann auch gleich Yukaris leise aber bestimmte Stimme: „Wir reden nachher noch.“ Hitomi nickte ihr leicht lächelnd zu, diesmal weniger überzeugend weder vorhin, so dachte sie zumindest als sie in Yukaris Gesicht sah. Hitomi konnte nicht genau beschreiben, was es war – vielleicht die leidvollen Lider, die ihre Freundin zu verstecken versuchte in dem sie durch eine der Nebentüren ging - aber sie wusste, dass sie Yukari enttäuscht und verletzt hatte. Hitomi fühlte sich schuldig, so dass sie einen Moment brauchte um ihr zu folgen. Es war ihre Schuld, dachte sie, genau heute sollte Yukaris schönster Tag werden, doch sie, ihre beste Freundin hatte ihr schon den halben Tag verdorben. Fest umklammerte Hitomi mit ihren kräftigen Händen den Blumenstrauß. Sie wusste, es war nicht richtig. Es war falsch, dass sie hier war und das lag nicht nur daran das ein verruchtes Stechen in ihrer Bauchgegend sie fast um den Verstand brachte. Das war nicht gut, ganz und gar nicht. Ein Fremdes Gefühl durchströmte ihren Körper. Es war komisch, irgendwie unbekannt. Etwas, was sie nicht zuordnen konnte. Sie schluckte ihren Klos im Hals herunter und sah wieder auf das Brautpaar hinüber. Das Letzte Gespräch mit Yukari hatte ihr ein wenig zu schaffen gemacht. Sie wollte nicht, dass Yukari über solche belanglose Dinge, wie Hitomis Leben nachdachte und schon gar nicht an ihrem Hochzeitstag. Hitomi wollte nicht Yukaris schönsten Tag ihres Lebens kaputt machen. Das würde sie sich niemals verzeihen. Aber sie fürchtete genau das würde sie tun. Sie wollte, dass es wieder wie vorher war als kein Mensch auf Erden bemerkte wie sie in Wirklichkeit empfand. Sie wollte missverstanden werden, das war alles. Ihr Blick klärte sich wieder ein wenig nachdem sie ein paar Mal blinzelte. Yukari war ohne Zweifel wunderschön. Schultern und Hals lagen bloß. Das mehrteilige, elfenbeinfarbene Kleid aus Satin und Spitze betonte ihre schmale Taille und umschmeichelte ihre zarten Rundungen. Liebevoll wurde es mit Pailletten und Kunstperlen geschmückt. Auf dem Rücken wurde es geschnürt und danach folgte eine lange Schleppe. Es war einfach perfekt. Als wäre es nur für diesen einen Tag und nur für diese eine Frau gemacht. Sie lockerte ein wenig ihren eisigen Griff im Blumenstrauß und dann erschien ein friedvolles Lächeln auf ihrem Gesicht. So als wäre es schon immer da gewesen. Ab jetzt sollte alles glatt laufen, alles sollte so perfekt wie die Braut werden und bis jetzt sah es sehr gut aus. In diesem Moment wusste Hitomi noch nicht wie sehr man sich doch täuschen konnte. Kilometer entfernt, weit weg vom Mond der Illusionen, sah jemand genau dorthin. Die Gestalt hatte es sich am höchsten Platz der Stadt gemütlich gemacht. Der junge Mann lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf dem Dach des neuerbauten Palastes, welches dem alten zum verwechseln ähnlich sah. Damals, während dem Aufbau Fanelias, hatte er es eigenständig veranlasst. Auch wenn es noch immer schwer an ihm nagte, was gleich nach seinem Thronaufstieg geschehen war, wäre es noch schmerzlicher gewesen irgendeinen anderen Palast aufzubauen. Ohne ihn wäre es nicht dasselbe, genau dieser gehörte hierher. Aber im Moment war das nicht wichtig. Etwas anderes oder besser jemand anderes hatte schon lange den Platz seiner Gedanken eingenommen. Sie drehten sich nämlich seit einiger Zeit ganz allein nur um sie. Ja, das war nichts Ungewöhnliches mehr und auch sein Ausdruck auf dem Gesicht schien sehr bekannt. Sehnsucht spiegelte sich in seinen trüben Augen, wie immer wenn er an ihr schönes Antlitz dachte. Ein trauriges Lächeln schlich sich über seine Züge. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie sie wohl inzwischen aussah. Wie er selbst musste sie sich auch verändert haben. Das war nur natürlich. Auch wenn man nicht sagen konnte, dass er sich beträchtlich verändert hatte. Seine schwarze Mähne hatte sich nicht verändert, manchmal war es kürzer, manchmal etwas länger. Sein Körperbau war noch viel kräftiger geworden, da er mit seinem Training weder nachgelassen noch aufgehört hatte. So was hätte er sich nie verziehen, außerdem gab es ihm Kraft, ohne das sich Hitomi unwillkürlich in seine Gedanken schlich, jedenfalls meistens. Er genoss diese Stunden, hin und wieder in vollkommener Einsamkeit. Im Moment trug er eine einfache Hose, ein rotes Hemd und wie immer hatte er sein altbekanntes Schwert bei sich. Sein Outfit ähnelte sehr dem früheren von vor Fünf Jahren. Meistens war er nicht anders angezogen, außer man verlangte es von ihm als König bei festlichen Anlässen. Hitomi würde ihn selbst durch seine Veränderung erkennen können, aber würde er sie erkennen? Er wusste nicht wie sehr SIE sich verändert hatte. Fünf Jahre waren eine lange Zeit. Er konnte nicht einfach sein Land im Stich lassen und mit Escaflowne auf die Erde verschwinden. So sehr es auch wollte es wäre nicht fair seinem Volk gegenüber. Selbst wenn, wäre er einfach zu feige. Seine unmögliche Angst war, wenn er ehrlich war, sein einziges Problem. Was würde sie tun, wenn sie ihn sehen würde? Würde sie ihn verspotten, ihn ignorieren, ihn umarmen oder ihn sogar zurückschicken?! Es machte ihn fast wahnsinnig. Diese Ungewissheit...! Sein Verlangen nach ihr war stark aber die Furcht ihrer Zurückweisung, war stärker. Nicht nur das machte ihn zu schaffen. Was wenn sie ein Leben ohne ihn angefangen hatte, ein leben mit einem anderen Mann? Der Gedanke ließ ihn beinahe verrückt werden. Es tat so furchtbar weh, dass er es nicht mal herausfinden wollte. Er war vielleicht ein König, hatte Dornkirk und mit ihm den letzten Krieg überstanden aber wieso war es so verdammt schwer einem Mädchen gegenüberzutreten?! Er war schwach ihr gegenüber und nur ihr gegenüber. Sie war sein einziger Schwachpunkt und deshalb wusste er auch, dass er noch nicht bereit war. Er war noch nicht bereit für eine Frau... für jemand anderen, auch wenn es seine Berater und selbst sein Volk es wollten. Er wusste, er konnte seine Gefühle für dieses eine Mädchen nicht verleugnen und sich einfach einer anderen zuwenden. Er würde es nicht tun können und er wollte auch nie herausfinden ob er es könnte. Es würde ihm das Herz zerreißen. Er würde nicht damit leben können. Van wusste, würde er je der Begierde seines Volkes nachgeben, würde ihn seine Schuld von innen auffressen. Nein, er wagte es nicht seine Hitomi zu betrügen. Es wäre zu schmerzhaft. Für sie – wenn sie es je herausfinden würde- und für Van selbst – wenn er es je tun würde-. Er gehörte zu ihr. Das war so unwiderruflich, das es fast als Gesetz galt. Schon immer war es nur sie gewesen, niemand anderes besaß sein Herz mit Leib und Seele. Diese Tatsache war so unumstritten, dass es trotz seiner langen Einsamkeit noch immer ein Gefühl gab, dass ihn überleben ließ. Hoffnung. Das war es, ein Gefühl, mehr nicht und doch gab es ihm soviel Kraft. Er glaubte an Hitomi und glaubte irgendwann würde sie wieder zu ihm zurückkehren. Er würde warten, wie lange es auch dauerte. Van hatte die Gewissheit, dass seine Gefühle für sie sich nicht verändern würden und er wusste Hitomi hatte ihn damals geliebt. In diesem Moment als sie realisiert hatte, dass sie ihn liebte, waren ihre Gefühle in ihn übergangen. Wahrscheinlich wusste sie das gar nicht aber sie waren stärker gewesen als er es je erwartet hätte. Es war das Gefühl der Liebe, die man nur für einen Menschen empfand. So wie er es nur für Hitomi empfand und deshalb gab er nicht auf. Es durchzuckte Hitomi wie ein Blitzschlag. Ihr wurde mit einem Mal so heiß, dass ihr schwindelig wurde. Sie zog den Blumenstrauß näher an ihre Brust und drückte ihre Finger Fester um das Gebinde. Sie fürchtete in Ohnmacht zu fallen. Ihr Körper schien in Flammen zu stehen. Hitomis schlagendes Herz raste als wollte es nicht mehr aufhören. So laut wie es war, dachte sie, dass es sogar die Worte des Pfarrers übertönte. Schmerzend dröhnte es in ihren Ohren. Sie spürte wie sich ihr Atem unaufhörlich beschleunigte und konnte schon unangehneme Blicke auf sich spüren aber im Moment war ihr das egal. Keine Vision, die ihr diese Heidenangst einjagte, bloß eine lächerliche Vorahnung. Sie war nicht lächerlich, wie sie im nächsten Moment feststellte. Ihr Blumenstrauß fiel lautlos in dem Gedränge, das nachher herrschte, zu Boden. Fast wie eine Salzsäule blieb sie als einzige wie erstarrt stehen. Die Lichtsäule war so überraschend und unwillkürlich aufgetaucht, dass sie nichts anderes tun konnte als zu starren. Kein Gedanke herrschte in ihrem Inneren. Nur absolute Leere. Aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass sich auch Yukari und Amano nicht vom Fleck berührt hatten, aber sie waren nicht minder überrascht. Schreie schossen durch den ganzen Raum, aber es kam ihr wie weites Geflüster vor. Nachdem schon mehr als die Hälfte aus der Kirche geflüchtet war, kam Hitomis erster klarer Gedanke. Sie hatte die Hochzeit zerstört, wie prophezeit. Tränen rannen ihre Wangen hinab, doch dabei lächelte sie matt. Sie fühlte sich wie in einem Film, so als wäre das nicht real, es war alles so unwirklich. Die Situation war für sie einfach nur erdrückend und überfordernd. Es war alles zu viel. Jetzt wollte sie ohnmächtig werden aber ihr Verstand war so klar, dass es ihr Angst machte. Ihr Blick hob sich und sie sah in Pechschwarze Augen. Diese schienen sie zu durchbohren, heimzusuchen. Als könnten diese Augen in ihr innerstes sehen. Hitomi kannte sie nicht aber sie machten ihr eine Angst, die sie seit Gaia nie zuvor gehabt hatte. Die Hand des Guymelefs hob sich und dann schoss sie wie vom Blitz getroffen herunter. Kaum war sie sich dem bewusst, spürte sie schon einen festen Griff um ihren Körper, der ihr die Luft aus den Lungen nahm. Ihre Atmung wurde immer schwerer, bis Sie irgendwann das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen. Das Schwindelgefühl tauchte mit einem Kribbeln im Körper wieder auf, aber diesmal war es Tausend Mal schlimmer als zu Anfang. Immer wieder öffnete sich ihr Mund Hilfesuchend, doch nichts war zu hören. Sie wollte so gerne etwas sagen, wenn es auch nur ein flüstern war, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Dann wurde ihr schwarz vor Augen, doch bevor sie jedoch das Bewusstsein verlor, hörte sie noch Yukaris und Amanos Schreie, die immer leiser wurden und schließlich ganz verschwanden. Ihr Letzter Gedanke galt IHM, demjenigen, den sie von ganzem Herzen liebte und vergötterte. Van, wo bist du?! Hilf mir, rette mich, Van! „Du denkst wieder an sie, stimmt’s?“ Van unterdrückte den dringenden Impuls zu seufzen. Er musste sich nicht umzudrehen um zu wissen, wer ihn im nächsten Moment von hinten sachte umarmte. „Immer“, sagte er leise, so das nur sie es hören konnte, wobei es nur für ihre Katzenohren bestimmt war. Merle verstärkte ihren Griff. „Majestät?“ „Hm?“ Das Katzenmädchen löste die Arme von ihm und setzte sich lautlos neben ihn. Wie er selbst sah sie nun ebenfalls auf den Mond der Illusionen, sah nach jemanden, den sie nicht entdecken konnte. „Denkst du sie wird jemals zurückkommen?“ Ihre Stimme war nicht mehr der kindliche Ton von früher, sondern war der einer erwachsenen, verführerischen Stimme einer Katze gewichen und gerade als er ihr antworten wollte, meinte er etwas gespürt, gehört zu haben, dass schon seit mehreren Jahren nicht mehr der Fall gewesen war. Er riss geschockt die Augen auf. „Hitomi“, flüsterte er so leise, dass es fast Merle mit ihrem überdurchschnittlichen Gehör nicht hören konnte. „Was?“ sagte sie überrascht und drehte sich nun doch zu ihm, doch plötzlich schoss er in die Höhe. Langsam stand sie auch auf und sah ihn fragend an. „Was ist los?“ „Hitomi! Es war eindeutig Hitomi! Sie hat nach mir gerufen. Sie braucht meine Hilfe!“ rief er äußerst aufgewühlt und erschüttert, dass konnte Merle schon auf den ersten Moment erkennen. „Das weißt du nicht, Van!“ sagte sie nun auch etwas lauter. „Doch, du kannst das nicht verstehen. Ich… Ich habe es gespürt. Sie hat fürchterliche Angst. Ich muss sie retten!“ Van war schon dabei vom Dach zu springen, als ihn ihre hohe Stimme aufhielt. Sie war so laut, dass er augenblicklich stehen blieb. „Majestät, bleib sofort stehen!“ Fast beängstigend lief sie auf ihn zu. „Du kannst das nicht tun, Van. Du hast ein Land zu herrschen und…“ Sie stoppte mitten in ihrem Satz und sah mit schockgeweiteten Augen an ihm vorbei. Besorgt bemerkte auch er Merles Blick. „ Merle, was ist los?“ Sie ignorierte seine Frage. „Van, ich glaube du musst sowieso nicht mehr auf den Mond der Illusionen..“ „Was, wieso?!“ Als Antwort streckte sie ihren Arm in seine Richtung. Er hob seine Augenbraue, drehte sich nun doch in die Richtung und da verstand er, was sie gemeint hatte. Entgeistert starrte er auf die Lichtsäule, die nun langsam verschwand. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Er wusste nicht was er tun sollte… War das Hitomi?! Und wenn nicht, war sie in ihrer Welt in Gefahr?! Musste er zu ihr oder hatte sie es geschafft nach Gaia zu flüchten?! Was sollte er bloß tun? Kapitel 2: IX - El Ermitano - Der Eremit ---------------------------------------- Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Inzwischen hat sich mein Leben normalisiert und auch meine besten Freunde sind so gut wie verheiratet. Ich bin mit meinen Freundinnen auf dem Weg zur Hochzeit. Unwillkürlich bekomme ich eine Vision, die ich nicht hatte kommen sehen. Yukari stellt mich zur Rede und will das ich wieder zu meinem geliebten Van zurückkehre. Das wäre ja nicht allzu schlimm, doch urplötzlich erscheint in der Kirche vor allen Augen eine Lichtsäule. Panik bricht aus. Ein Guymelef, mit einem unheimlichen und unbekannten Piloten nimmt mich in seine Fänge und verschwindet so schnell wie er gekommen ist. Auch Van merkt, dass etwas nicht stimmt. Er spürt, dass ich Angst habe und will mir zu Hilfe kommen. Merle hält ihn auf und zu recht. Sie sehen die Lichtsäule die langsam zu verschwinden droht. Van weiß nicht, was er tun soll. Er ist wie Zwiegespalten. Als sie erwachte fühlte sie sich wie gerädert. Sie versuchte ihre schmerzenden Glieder zu strecken aber irgendwie gelang ihr das nicht so richtig. Deshalb öffnete Hitomi etwas benommen ihre Lider und setzte sich mühsam auf der alten Pritsche auf. Kaum hatte sie versucht sich ein wenig zu orientieren, entwich ihr ein kurzer Aufschrei des Entsetzens. Sie sah an sich runter und musste ihre Angst runterschlucken. Ihre Handgelenke lagen in Fesseln und mit ihren Füssen schien es sich nicht besser zu verhalten. Sie begann mit aller kraft an ihren Fesseln zu zerren, wand sich hin und her und versuchte alles um aus ihrer misslichen Lage zu kommen. Dennoch blieb ihr Versuch ohne Erfolg. Nach einer Weile spürte sie die wundgescheuerten Handgelenke mit jedem weiteren Ziehen. Sie achtete nicht darauf und versuchte es weiter und weiter. Noch ein letztes Mal bäumte sie sich unter ihren Fesseln auf, doch dann gab sie es mit einem tiefen Seufzen auf. Es brachte doch eh nichts. Sie war einfach zu schwach und außerdem ein hilfloses, kleines Mädchen. Sie war geliefert, wem auch immer. Wieso hatte man sie überhaupt hergebracht? Wegen ihren Visionen? Wenn ja, hatten diese sie wieder einmal in ein mächtiges Schlamassel gebracht. Hitomi hatte keine Ahnung wieso, aber ihre vorherige Angst war verschwunden und hatte stattdessen einer unendlichen Wut Platz gemacht. Wieder fing sie an wie wild um sich zu schlagen und sie spürte, dass es nicht unbedingt gut für ihre Verletzungen war. Schlagartig änderte sich auch ihre Stimmung wieder und sie hörte langsam auf, doch dabei sammelten sich Tränen in ihren Augen. Sie war wieder in Gaia und Jetzt..?! Sie musste fast kichern über ihre eigene, lächerliche Situation. Es war ja auch wirklich zu lächerlich. Wie oft hatte sie sich gewünscht noch ein letztes Mal in dieses fremde Land zurückzukehren?! Zu oft, als das sie es aussprechen konnte. Nun rannen die Tränen und sie versuchte nicht mal sie irgendwie zurückzuhalten. Nun war sie wieder da aber was machte das schon?! Niemand wusste von ihrer Rückkehr, von ihrem Schmerz, ihrer Pein außer natürlich ihren namenlosen Entführern. Im Augenblick hatte sie einfach nicht die Kraft darüber nachzudenken was ihre Kidnapper mit ihr anstellen wollten. Im Moment weinte sie einfach. Ohne große Gedanken zu verschwenden, weinte sie still und leise, ohne das es irgendjemand mitbekam. Und im Stillen war sie sehr froh darüber. „Ich versteh das nicht!“ Zornig vergrub Van seine Hände in seinem Haar, während er fast bemitleidenswert und gleichzeitig beängstigend auf der Lichtung kniete. Sein Kopf sank plötzlich gen Boden und dann biss er seine Zähne zusammen. Plötzlich fiel er vornüber und stützte sich mit beiden Händen auf der Erde ab. Merle beobachtete ihn mehrere Meter entfernt, versteckt hinter einem Baum in spürbarer Sicherheit. Sie konnte es nicht ertragen ihn so zu sehen, trotzdem wagte sie es nicht einen Schritt näher zu treten. Gerade eben hatte er vollkommen die Kontrolle verloren. Die Wiese war restlos zerstört und sie wusste nicht ob es nochmal geschehen würde. Würde er wissen, wer sie war, wenn er noch einmal den Verstand verlor? Sie wollte es um keinen Preis herausfinden. Auch wenn er diesmal nicht mehr in Escaflowne steckte, war er noch genügend wütend, genügend gefährlich, dass es nichts machte ob er jetzt einen gigantischen Guymelef steuerte oder eben nicht. Aber dann sah sie etwas, das ihre Meinung unwillkürlich veränderte. Tränen schimmerten in den Augenwinkeln ihres besten Freundes und sie weitete augenblicklich ihre Augen, als diese auf den Boden tropften. Fast wie Ferngesteuert bewegten sich ihre Beine nun wie von selbst. Jetzt stand sie direkt vor ihm und es traten ihr selber Tränen in die Augen, doch sie hielt sie tapfer zurück. Dafür war im Moment wirklich kein Platz. Später war noch reichlich Zeit dafür. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und dann als Merle gerade noch einen Schritt näher treten wollte, stoppte sie seine unerkennbar resolute Stimme: „Komm nicht näher!“ Unbewusst zuckte sie zusammen. „Komm nicht näher… bitte, Merle. Tu mir diesen einen Gefallen und verschwinde am besten. Im Moment kann ich wirklich keine Nähe ertragen.“ Wortlos krallte sie ihre Finger in die Haut und für einige Sekunden blieb sie einfach stehen. Und zuerst wollte sie auch gar nicht auf ihn hören, aber dann dachte sie an das letzte Mal als sie nicht auf ihn gehört hatte. Es war furchtbar gewesen. Sie hatte richtige Angst vor ihm bekommen. Sie, vor ihrem besten Freund – welchen sie schon seit Geburt auf kannte. Merle wollte ihm helfen aber er anscheinend nicht. Unverletzt endete es damals nicht. Es war nichts Schlimmes und Merle hatte ihm auch sofort verziehen, nachdem er sich reuevoll entschuldigt hatte. Doch von dieser Erfahrung wusste sie jetzt, dass es besser war auf ihn zu hören, wenn er so drauf war. Eine kleine Schnittwunde an der Wange, blieb ihr als permanente Erinnerung. Langsam drehte sie sich um und verschwand wieder in den Wald. Das hatte sie wirklich nicht leichtfertig getan. Es war besser so. Für ihn und auch für Merle. Van wollte alleine sein und sie verstand das. Immerhin war sie in gewisser Weise seine nie gekannte Schwester. Noch ein letztes Mal flog ihr Blick nach hinten und ein unschuldiges Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie freute sich wenn Hitomi wieder da war. Van brauchte Hitomi und nur Hitomi konnte ihren Van wieder zurückholen. Ein gewisses, unbekanntes Gefühl sagte ihr, dass es nicht mehr lange dauern würde und dem war sie sich auch ziemlich sicher. Es machte sie traurig, dass nicht sie es sein durfte, die ihm helfen konnte, aber Hitomi war nun einmal seine einzig große Liebe. Keine andere konnte ihm helfen. Nur sie allein bedurfte es zutun. Van war froh, dass sie weg war. Jedenfalls konnte er sie unter seinem Tränenschleier nicht mehr erkennen. Er war nicht wütend, weder auf sich selbst noch auf jemanden anderen. Im Moment ganz sicher nicht und ändern wollte er dies auch nicht. Es würde sich nicht ändern aber nur um auf alle Fälle zu gehen. Das letzte Mal war es zwar nicht plötzlich geschehen, trotzdem wollte er sie nicht in seiner Nähe haben, besonders nicht in seinem jetzigen Zustand. Er war mehr als durcheinander und für wirklich alle, außer ihm vielleicht, eine Gefahr für seine mittelbare Umgebung. Nie mehr würde er jemanden, seinetwegen in Gefahr bringen. Wie etwa Merle vor nicht allzu langer Zeit. Er würde sich das nie verzeihen können. Aber sie hatte ihm so schnell verziehen und tat so als wäre nie etwas geschehen. Er wusste nicht ob er sich selbst vergeben würde, wäre er an ihrer Stelle gewesen. Langsam drehte Van sich um, so dass er nun auf dem Rücken lag. Seine Augen fixierten die Erde und wahrscheinlich unbewusst streckte er den Arm nach ihr aus, als wollte er nach etwas greifen. Nichts als bloße Luft umfassten seine nackten Hände. Seine Tränen rannen noch immer, wollten nicht aufhören und damit ließ er seinen Arm langsam sinken. Es brachte nichts, seine Kraft war nach seinem Nervenzusammenbruch völlig vertilgt. Alles was er noch tun konnte, war in Selbstmitleid zu versinken. Aber eins verstand er nicht, so sehr er es auch versuchte es zu verstehen. Van konnte nicht mehr zu ihr. Er wollte es, diesmal wollte er es wirklich, aber es funktionierte nicht mehr. So sehr er sich auch anstrengte - es erschien keine Lichtsäule mehr vor seinen Augen. Ob er mit Escaflowne, oder mit seinen Flügeln flog, es sich so sehr wünschte wie lange nicht mehr, es tat sich nichts. Niemand schien ihn zu erhören. Er war König, oder nicht?! Wieso durfte er dann nicht zu ihr? Van verstand es einfach nicht. Ihre Tränen waren schon seit einer Weile versiegt. Schon lange dachte sie nach was sie jetzt tun sollte, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung. Hitomi konnte nicht entkommen. Die Fesseln waren so fest angemacht, dass es ihr in die Haut schnitt wenn sie stärker daran zog. Daraus fand sie nur eine Lösung. Lautlos musste Hitomi seufzen. Alles was sie jetzt in diesem Moment machen konnte, war warten. Nichts als Warten blieb ihr in dieser Situation, der Gedanke daran machte es nicht leichter. Schon der Gedanke, ließen ihr Tränen in die Augen aufsteigen. Es war zum heulen! Ja, das war es wirklich, sie wusste ja nicht einmal wo sie sich gerade befand, aber noch einmal würde sie sich nicht die Blöße geben. Das schwor sie sich still und heimlich. Da vernahm sie plötzlich ein Geräusch -Schritte- die sich ihr näherten. Ihre Ohren spitzen sich, bevor eine Gänsehaut sie durchfuhr. Hitomis Augen stierten konzentriert auf die hölzerne Tür, welche sie dort im dunklen Raum ausmachen konnte. Einzig ein winzig, kleines Fenster mit eisigen Gittern, spendete ihr ein wenig Licht in der Finsternis. Doch was sich da oben befand, konnte sie nicht sagen. Es war einfach zu dunkel und keine Sonne schien rein. Äußerlich war sie ganz ruhig, aber innen sah es ganz anders aus. Hitomi atmete nicht, konnte nur ihr wild schlagendes Herz hören und natürlich die Schritte. Sie kamen immer näher. Jeden Moment war es soweit, da war sie sich ziemlich sicher. Sie zitterte immer mehr und instinktiv drückte sie sich noch dichter an die Matratze. Dann hörte sie das Drücken des Türknaufs und sah mit eigenen Augen wie die Tür langsam geöffnet wurde. Aber vielleicht kam ihr das auch nur so vor. Hitomi konnte nichts tun als ihrem gegenüber verängstigt in die Augen zu sehen. Sie war wie gelähmt, was auch egal war. In den Fesseln konnte sie so oder so nichts ausrichten. „Na, auch endlich wach, Mädchen vom Mond der Illusionen!“ zischte ihr gegenüber sie an, erkannte aber sofort die weibliche Stimme. Auch wenn es eine Frauenstimme war, klang sie recht kühl und nicht sehr Freundlich. Wieder durchfuhr Hitomi ein eisiger Schauder. Gut, jetzt war etwas ziemlich klar. Sie befand sich auf Gaia, so wurde sie nämlich nur hier genannt und nur hier kannte man sie unter diesem Namen. Sie war sich aber auch ziemlich sicher, dass ihr gegenüber nicht wirklich erfreut über ihren widerwilligen Besuch war. Das stellte sie nur an der Stimme fest. Hitomi konnte nämlich nur Umrisse der Gestalt vor sich erkennen. Noch immer hatte sie keinen Ton von sich gegeben und Hitomi glaubte, dass es die andere nicht nur ein wenig störte. „Könnt ihr Leute da auch sprechen, wo du herkommst?!“ Auch wenn Hitomi Angst hatte, wollte sie sich das nicht auf sich sitzen lassen. Sie hatte nicht nur Hitomi beleidigt, sondern dabei die ganze Menschheit der Erde und das auch noch in diesem herablassenden Tonfall. Kurz räusperte sie sich um wütend drauf los zu fauchen: „Wer will das wissen?!“ Anscheinend fand sie das auch noch lustig. Belustigt kicherte sie und es klang weder süß noch freundlich, eher grausam. „Hab ich dich etwa wütend gemacht“, da hörte Hitomi ein Geräusch und dann konnte sie schon den Atem an ihrem gefährlich nahe spüren. „Nicht sehr vorteilhaft in deiner Situation, findest du nicht?“ Hitomi biss ihre Zähne zusammen. Sie wollte keine Schwäche zeigen, was wirklich schwierig in ihrer Lage war. „Was willst du?“ ignorierte Hitomi ihre vorherige Frage. Hitomi bemerkte wie sich die Frau vor ihr entfernte und sich wieder gerade hinstellte. „ Um ehrlich zu sein will ich gar nichts von dir. Wenn es nach mir ginge, wärst du schon lange nicht mehr unter den Lebenden, “ meinte sie fast wie in einem beiläufigen Ton, aber eben nur fast. „Wieso lebe ich dann noch?“ Sie seufzte genervt. „Sag mal hörst du nie zu oder bist du einfach nur dämlich!“ Sie legte eine kurze Pause ein. „Wie schon gesagt, wenn’s nach mir ginge, wärst du schon lange Geschichte. Aber er möchte dich eben lebendig sehen, sehr zu meinem Bedauern.“ „Er?“ fragte Hitomi plötzlich unbeabsichtigt. „Den wirst du schon noch früh genug kennenlernen, aber im Moment musst du nichts über ihn erfahren…“ Gerade als sie weiter sprechen wollte, unterbrach Hitomi sie, was die Unbekannte ungemein ärgerte. „Und wieso bin ich überhaupt hier? Wieso habt ihr mich gefangen genommen?“ „Wollt ich grade sagen, wenn du mich nur nicht so einfältig unterbrochen hättest!“ Hitomi zog scharf die Luft ein, als sie erkannte, dass die unbekannte Frau wohl ziemlich wütend darüber war. „Wieso du genau hier bist, weiß noch nicht mal ich zu diesem Zeitpunkt genau. Alles was ich Weiß, dass du zu schwach für ihn bist. Sehr zu meinem Leideswesen soll ich dich trainieren, “ sagte sie kalt und ich hörte wie sehr es sie aufregte. „Trainieren, wozu?“ Hitomi wusste nicht woher ihr Mut die ganze Zeit kam. Sie unterhielt sich als wäre diese Frau nicht jemand, der sie umbringen wollte. „Na um stärker zu werden, warum denn sonst.“ Doch da kam Hitomi die Frage, worin sie den stärker werden sollte. „Und was wenn ich mich weigere?“ Aus den Augenwinkeln konnte sie eine Bewegung wahrnehmen und da spürte Hitomi bereits eine kalte Hand, die sich um ihren Hals legte. Noch drückte sie nicht fest zu, doch das konnte sich ja noch ändern. „Kannst du dir das nicht denken?“, sagte die Frau höhnisch und grinste dabei amüsiert. Wieder konnte es Hitomi nur erkennen, weil sie wieder so nahe war. Wenn sie nicht wieder in so eine gefährliche Lage gelandet wäre, hätte sie gelacht. Na super, tolle Aussichten blieben ihr da. Entweder der Tod oder Training den sie nicht kannte und auch nicht wusste für wen sie das tun sollte. Aber da klang die zweite Variante wesentlich besser, um einiges besser. Für einige Sekunden schloss Hitomi die Augen. Sie wusste nicht was sie erwartete, aber sie war nicht bereit zu sterben. Sie war in Gaia und irgendwo hier befand sich der Mann ihrer Träume, so idiotisch es auch klingen mag. Heute würde sie nicht sterben und auch in nächster Zeit nicht. Yukari würde sie umbringen wenn sie jetzt einfach aufgab. Ihre beste Freundin machte sich sicher Sorgen, also musste sie weitermachen, so schwer es auch werden mag. Hitomi würde kämpfen… Und dann öffnete sie voller Entschlossenheit ihre grünen Augen. „Also gut, Einverstanden.“ Mit Erleichterung spürte Hitomi wie der Griff um ihre Kehle verschwand. „Sehr gut“, meinte die Unbekannte und diesmal klang es ehrlich erfreut. „Dann muss ich dich nicht mit unmöglichen Dingen dazu nötigen.“ Hitomi wollte gar nicht wissen, was für Dinge sie meinte. Sie konnte es sich vorstellen und wollte keine Einzelheiten. „Da wir sicher für mindestens ein Jahr zusammen arbeiten – und ich ehrlich gesagt noch nicht weiß für wie lange wir ab jetzt zusammen geschweißt werden – möchte ich mich dir vorstellen.“ Da erstrahlte plötzliches etwas helles und warmes neben ihrem Bett. Erstaunt sah sie zu der Lichtquelle und musste belustigt feststellen, dass es nur eine einfache Kerze war. Nun auf der Erde zündete man selten Kerzen an, deshalb war es für sie auch so überraschend gekommen. Weiter kam sie nicht, da ertönte auf einmal fast freundschaftlich die Stimme der Frau: „ Ich bin Luca, eine von den Kommandanten hier, also musst du dir bei mir keine Sorgen machen, dass du nichts lernen könntest.“ Sprachlos sah Hitomi nun direkt in pechschwarze Augen. Sie wusste nicht wie viel Male es heute jetzt waren, aber wieder überfiel sie ein Schauder. Plötzlich war es als wurde ihr etwas in ihrem Innern klar. Es waren die gleichen Augen, dieselben die sie bei ihrer Entführung gesehen hatte, dieselben die ihr eine Heidenangst eingejagt hatten und sie jetzt in diesem Moment ansahen. „Du warst es, stimmt’s?“ Luca hob ihre Augenbrauen. „Ich verstehe nicht.“ „Ich meine, du warst es. Du hast den Guymelef gesteuert, der mich entführt hat.“ Luca schüttelte den Kopf. „Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen aber das war nicht ich.“ Was? Sie war es nicht, aber… „Aber wer dann?“ rutschte es Hitomi harsch über die Lippen. „Mein Bruder war es. Wir sind Zwillingsgeschwister und haben dieselben Augen, das hast du sicher schon bemerkt. Ursprünglich sollte auch ich es sein, die dich holen sollte aber ich bekam frühzeitig eine Mission. Ich bat ihn, das für mich zu übernehmen…“ „Und er willigte ein..“ „Ja.“ Hitomi schwieg und beobachtete zum ersten Mal ihre Gegenüber genauer. Auch wenn es dunkel war, konnte sie erschreckend viel erkennen. Sie konnte nicht sagen, dass sie etwas Bestimmtes erwartet hätte, aber das ganz sicher nicht. Zuerst hatte sie nur auf die Augen geachtet und so den Rest völlig ignoriert, doch jetzt sah Hitomi sie genauer an und musste feststellen… Luca war heiß! Das musste sie zugeben, auch wenn sie solche Sachen normalerweise nicht sagte, vor allem nicht zu einer Frau, die nicht sehr viel älter als sie selbst war. Vor allem auffallend war ihr hüfte langes, feuerrotes Haar, welche sie zu einem hohen Zopf zusammen gebunden hatte. Dagegen wirkte ihre Kleidung nun doch recht einfach. Eine weite, grüne Hose und braune Lederstiefel schmückten ihr Antlitz, welches sie mit einem weiteren, auch in grün gehaltenem Top vervollständigte. Dieses reichte ihr nur bis knapp zum Bauchnabel und brachte ihren Busen schön zur Geltung. Alles in allem sah Luca richtig militärisch aus, dennoch war ihr Outfit recht stylisch. „Ich werde jetzt die Fesseln entfernen“, sagte sie wieder in diesem Kühlen Ton. Ihre Freundlichkeit war gänzlich verschwunden, was Hitomi ein wenig schade fand. „Und wage es ja nicht wegzulaufen, du wirst es sowieso nicht schaffen!“ Hitomi spürte zuerst Luca‘s kalte Hände, hörte dann ein raschelndes Geräusch und ein paar Sekunden später, lagen ihre Gliedmaßen endlich frei ohne schweres Gewicht am Körper. Erleichtert seufzte sie auf. „Auf dem Tisch liegen ein paar Habseligkeiten. Wir wollen ja auch nicht, dass du uns verhungerst, außerdem brauchst du etwas Kraft für dein erstes Training nachher!“ Dann konnte Hitomi die schwere Tür zuknallen hören. Es kümmerte sie nicht, oder sie war eher beruhigt. Diese ganze Unterhaltung hatte lange genug gedauert. Langsam versuchte sie sich aufzusetzen und bereute es schon von der ersten Bewegung an. Ihr ganzer Körper schmerzte. Wie lange musste sie gelegen haben um solche Schmerzen zu haben? Sie wusste es nicht und im Grunde war es ihr Egal. Auf wackligen Beinen nahm Hitomi den Kerzenhalter aus Eisen in die Hand und schwenkte vorerst vom einen Ort zum anderen. Es war ein relativ bescheidener Raum. Die kleine Pritsche besaß eine Strohmatratze, nicht sehr bequem aber wenigstens kein harter Boden auf dem Hitomi schlafen musste. Neben diesem stand ein Nachttisch und gegenüber diesem konnte Hitomi einen kleinen Tisch entdecken. Sie hob den Kerzenständer ein wenig zum Fenster. Was sie da sah, brachte sie nicht weiter. Sowie es aussah befand sie sich innerhalb eines dichten, unbekannten Waldes. In der Nähe war das Plätschern eines Flusses zu hören. Die Gegend kannte sie nicht. Hitomi konnte sich nicht erinnern hier je gewesen zu sein. Langsam wandte sie sich ab und bewegte sich schon sicherer auf den Beinen zum kleinen Tisch. Dort legte sie den Kerzenhalter neben dem ganzen Kram ab und studierte den Plunder gründlicher. Neben einem Tablett Nahrung stand ein Bündel Kleidung. Auf dem Tablett stand ein Becher Wein, ein hartes Stück Brot und eine Schüssel, die mit einer Suppe gefüllt war. Erst jetzt bemerkte sie, wie viel Hunger sie tatsächlich hatte. Hitomi löffelte die Schüssel komplett aus, tunkte dabei das Brot in die Suppe, damit sie überhaupt abbeißen konnte und trank dann vorsichtig den Wein aus. Fertig gespeist, lief sie rückwärts auf das Bett und setzte hin sich nachdem sie auf die Bettkante stieß. Merkwürdig. Erst jetzt wurde es ihr richtig klar. Ab jetzt würde es nie mehr so sein wie früher, es sei denn jemand kam ihr zur Hilfe und rettete sie, aber daran zweifelte sie stark. Das hieß ab heute würde sich ihr Leben beträchtlich verändern. Tag für Tag musste sie sich von altem, vielleicht auch verfaultem Essen ernähren und hausen wie im Mittelalter. An sich wäre das ja nicht allzu schlimm, wenn bloß Van oder einer ihrer anderen Freunde da wäre. Doch diese wussten ja noch nicht einmal, dass sie hier in Gaia war. Es gab also keine Rettung für sie. So, wusste sie nicht wie sie das alles bewältigen sollte, warum sie es meistern sollte. Sie war allein, ganz allein. Würde man sie nicht sowieso umbringen?! Wozu hatte man sie sonst hergebracht? Irgendwann würde sie so oder so sterben. Aber es wäre so feige von ihr, hier und jetzt einfach aufzugeben. Das wusste sie selbst und doch fürchtete sie sich vor der nahen Zukunft. Hatte sie sich vorhin nicht geschworen nicht aufzugeben! Und doch hegten sie nun solche Selbstzweifel. Sie machten Hitomi solche Angst! Was geschah nach diesem Training? Was sollte sie für diese Leute tun, was war ihre Aufgabe?! Wenn diese Aufgaben nur einen ihrer Freunde verletzten, dann wollte sie lieber Aufgeben! Es war einfach nur verrückt und doch konnte sie nichts ändern. Sie war zu schwach, wie Luca gesagt hatte. Vielleicht war sie zu einem späteren Zeitpunkt stärker und darauf musste sie festhalten… Wieder stand Hitomi auf, stellte sich vor den Tisch und fuhr mit den Fingern über ihre vermutlich permanentes Outfit. Es bestand aus einem hellblauen Kimono, welcher ihr gerade Mal bis zu den Oberschenkeln reichte und aus einem blutroten Gürtel. Dazu gab es schwarze Stiefel, die ihr knapp unter die Knie reichten. Hitomi sah noch ein letztes Mal ihr Kleid an. Noch immer trug sie dasselbe wie auf der Hochzeit. Es war ein wenig schmutzig, aber nicht allzu schlimm, wenigstens hatte es kein Loch oder derartiges. Es war ihr einziges Erinnerungsstück an die Erde und alles was damit zusammen hang. Seufzend zog sie es sich aus und drückte es sich eng an die Brust. Das einzige was ihr von der Erde geblieben war. Sie würde gut auf das Kleid aufpassen. Hitomi musste das tun. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn man es ihr wegnahm. Die Schuhe hatte man ihr scheinbar entrissen, aber das war auch egal. Die Schuhe waren unwichtig, sie hätten hier auf Gaia nur gestört. Resigniert legte sie ihr Kleid neben dem Bündel und zog sich an. Nach einigen Minuten war sie fertig und als hätte Luca genau darauf gewartet, öffnete sie die Tür. Fragend sah Hitomi ihre baldige Lehrmeisterin an. „Schön, dass du klug genug warst deine neue Kleidung anzuziehen. Folge mir bitte, wir werden mit dem Training anfangen, “ sagte Luca mit einem seltsamen lächeln auf den Lippen. Hitomi zog noch einmal die Luft ein und folgte ihr dann schweigend. Kapitel 3: IV - El Emperador - Der Herrscher -------------------------------------------- Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Nachdem mich ein Mann aus einem Guymelef entführt, erwache ich in einem dunklen Raum wieder. Ich bin gefesselt und kann mich auf der Pritsche kaum bewegen. Auch Van scheint es nicht besser zu gehen. Er will zu mir auf die Erde, da er denkt mich dort zu finden, doch das hilft ihm nicht. Keine Lichtsäule erscheint und er schafft es nicht. Deswegen verliert er den Verstand und zerstört seine unmittelbare Umgebung und bricht dann in Tränen aus. Bei mir sieht es wenig später nicht besser aus. Eine angsteinflößende Frau taucht auf und teilt mir mit, dass ich bei ihr lernen muss. Ich sei noch zu schwach für ihren Meister, oder wer auch immer. Entweder das oder der Tod. Ich wähle natürlich das Training und noch immer hoffe ich auf eine aussichtslose Rettung… Hitomi lag angelehnt an einem Baum und schloss die Augen. Sie hatte das vermisst. Seit einer Ewigkeit hatte sie das nicht mehr gemacht. Einfach entspannen und die Sonne genießen. Seit etwa 425 Tagen trainierte sie nun schon bei ihrer Mentorin, dachte sie zumindest. Hier so tief im Wald, verlor man schnell das Zeitgefühl und heute war vielleicht erst das dritte oder vierte Mal, dass sie sich einfach nur ausruhen durfte. Es fühlte sich gut an, einmal nicht daran zu denken, wie Luca sie wohl wieder bestrafen könnte. Luca war streng, wie sie es ab der ersten Sekunde erwartet hatte. Wenn Hitomi einen Fehler machte, so klein er auch sein mag, wurde sie bestraft. Mit allem möglichen. Darüber wollte sie im Moment gar nicht grübeln. Luca’s Rechtfertigung war, dass es ihr Meister es nicht anders gemacht hatte und man so abgehärtet wurde. Hitomi konnte darauf nichts weiter erwidern, immerhin war Luca der lebendige Beweis, dass es funktionierte. Auch wenn sie nun schon so lange unter Luca’s Führung trainierte, war sie einfach nicht gut genug, nicht für Luca. Schon seit mehr als einem Jahr war sie nun hier und noch immer hatte Hitomi keine Ahnung, wo sie sich eigentlich befand. Gefragt hatte sie schon genügend oft, half ihr aber auch nicht weiter, wenn ihr keiner antwortete. Obwohl sie solche Dinge nicht wusste, hatte sie anderes herausgefunden. Dinge, die wichtig waren, falls sie je hier rauskam. Hitomi konnte nicht sagen, dass sie es nicht versucht hätte. Das hatte sie nämlich, mehrmals. Luca hatte sie zu Anfang gewarnt. Sie sollte nicht versuchen zu fliehen und wie immer hatte ihr eigener Sturkopf nicht auf sie gehört. Sie war zu naiv gewesen. Sie erinnerte sich noch sehr gut an das erste Mal. Ihr erster Fluchtversuch war schrecklich verlaufen und Hitomi musste feststellen, dass es Luca mehr wie eine Herausforderung sah. Noch jetzt könnte sie bei dem Gedanken an diesen Abend in den Erdboden versinken. Ihre Bestrafung war nicht schlimmer gewesen, weder ihre Blamage und wie Luca sie ins Lächerliche gezogen hatte. All ihre äußerlichen Narben waren nichts gegen die Schande, die Hitomi laut ihrer Lehrmeisterin machte. Hitomi musste seufzen und strich sich unbewusst über eine ihrer ersten Narben, die sie sich am Handgelenk selbst zugefügt hatte. Es war bei dem Versuch passiert, als sie nach ihrem ersten Aufwachen versucht hatte die Ketten von ihren Gliedmaßen zu lösen. Das lag nun auch schon so lange zurück und noch immer hatte sie es nicht geschafft zu entkommen, doch was ihr die meiste Angst einjagte, war die Tatsache, dass sie sich langsam an das alles gewöhnte. Ans Training und alles was damit Zusammenhang. Auch an Luca gewöhnte sie sich. Sie gewöhnte sich nicht nur, Hitomi mochte es. Das machte ihr Angst. Hatte sie sich verändert?! Wahrscheinlich und doch war sie irgendwie noch die alte. Ihre Gefühle gegenüber ihren Freunden hatten sich nicht verändert. Das würde sich auch nie ändern, das wusste sie mit absoluter Sicherheit. Hitomi öffnete ihre grünen Iris und sah in den blauen Himmel hinauf, direkt auf die Erde und den Mond. Sie vermisste nicht sehr viel aus ihrer Heimat. Wenn sie ehrlich war fühlte sie sich hier wie Zuhause, wenn sie nur wieder ihre Freunde sehen könnte. Dann wäre es perfekt, obwohl es ihrer Familie gegenüber leid tat, wusste sie, dass diese sie verstehen würde. Die Sonne schien heiß auf sie herab und sie genoss das Kribbeln auf ihrer Haut. Hier zeigte sie sich selten und meistens war sie nur froh deswegen. Das Training war anstrengend genug. Da konnte sie die pralle Sonne schlecht gebrauchen. Doch diesmal ergötzte Hitomi sich vor ihr. Plötzlich sah sie Schritte auf sich zukommen. Langsam hob sie ihren Blick und sah in Pechschwarze Augen. „Steh auf! Wir werden mit deiner Ausbildung fortfahren!“ entgegnete Luca und Hitomi bemerkte sofort ihren beunruhigten Klang in der Stimme. „Beeilung!“ Ja, Ja, meckerte sie in Gedanken, stand schließlich auf und folgte ihr schweigend. Der Weg führte Hitomi weiter in den Wald hinein, so entfernten sie sich immer mehr von der kleinen Hütte das sie beide bewohnten. Hitomi verstand nicht ganz weshalb Luca sie plötzlich zum Training dazu zog. Gestern hatte sie ihr noch hoch und heilig versprochen, dass sie heute einen freien Tag für sich allein hatte. Aber das hatte sie wahrscheinlich schon wieder vergessen, oder auch nicht. Den Vormittag durfte sie ausschlafen, wenn sie es gewollt hätte und auch mittags zeigte sich Luca noch sehr freundlich. Sogar ein warmes Essen hatte es gegeben. Doch jetzt hatte sich Luca’s Stimmung total verändert. Hitomi kannte sie nun gut genug, dass sie wusste, dass etwas im Busch war. Für Hitomi kam der Tag wie immer vor. Nichts Besonderes. Innerlich seufzte sie. Hitomi würde es nachher so oder herausfinden. Sie sollte sich keine unnötigen Gedanken machen. Auf einmal blieb Luca stehen und Hitomi mit ihr. Sie befanden sich auf einer Lichtung, welche ganz schön verunstaltet wurde - das war nämlich einer ihrer Trainingsplätze. Zwei Guymelef saßen auf der Lichtung. Einer von beiden war Luca‘s und er war so schwarz wie ihre Augen. Der andere hatte nichts ungewöhnliches, grau wie ein Stein, konnte man sagen. Sie drehte sich um und sah Hitomi an. „Ich möchte, dass wir heute an deiner Technik mit dem Guymelef feilen. Die ist noch alles andere als perfekt, also beweg deinen Hintern und steig in den Guymelef!“ Hitomi tat, wie geheißen, hatte aber ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Es war merkwürdig, alles war mehr als merkwürdig. Wieso sie heute schon wieder mit einem Guymelef kämpfen sollte, war ein wenig seltsam, eigentlich hatte Luca etwas ganz anderes angekündigt. Hitomi stieg ein und ihre Mentorin tat es ihr gleich. Sie standen mit den Guymelefs auf und Hitomi wartete auf Luca’s Befehle. „Zieh dein Schwert, Hitomi!“, forderte Luca sie auf. Sie zog es und sah wie Luca dann mit ihrem in ihre Richtung rannte. Gerade noch reichzeitig riss sie ihr Schwert in die Höhe und blockte den Schlag ab. Doch der Druck war so heftig, dass er durch ihren ganzen Körper lief. Hitomi erwiderte den Schlag und versuchte ruhig zu bleiben. Schwächeln war keine Lösung, dass wusste sie. Sie parierte und blockte jeden Schlag, so gut sie konnte. Sie hatte vor nicht zu langer Zeit gerade gelernt in einen Guymelef zu steigen und sich zu bewegen. Kämpfen und sich dabei auf jede Kleinigkeit zu konzentrieren war schwieriger als gedacht. Es war nicht das erste Mal, aber Hitomi hatte es auch nicht so oft gemacht, dass es ihr wie im Schlaf gelang. Heute war vielleicht erst das dritte Mal. Deshalb war es wirklich schwierig. Jäh sah sie vor ihren inneren Augen Bilder auftauchen, wie bei einer Vision. Verdammt, Nicht jetzt!, dachte sie zähneknirschend. Ein schwarzhaariger Junge mit weißen Flügeln tauchte auf und drehte ihr den Rücken zu, aber er verschwand nicht. Genau jetzt wollte sie nichts von ihm sehen! Er tauchte auch immer zum falschen Zeitpunkt auf! Sie sah ein Schwert auf sich zu donnern, hob ihr Schwert und wollte abblocken, doch da schlug Luca es ihr aus der Hand. Scheisse! „Du bist unkonzentriert, so wirst du einen echten Gegner nie besiegen können!“ schrie Luca wütend zu ihr rüber. „A-Aber ich hatte…“ versuchte Hitomi zu erklären, doch abrupt unterbrach Luca sie. „Es gibt kein aber. Auf dem Schlachtfeld hast du auch keine jämmerliche Ausrede, verstanden! Heb dein Schwert auf. Wir Versuchen es nochmal.“ In der Nacht zuvor Hitomi schlief bereits, als es spät in der Nacht leise an der Eingangstür der Hütte klopfte. Luca lächelte darauf und öffnete lautlos die Tür. Sie umarmte den hineingebetenen und er erwiderte die liebevolle Geste. „Lange nicht gesehen, Schwesterherz“, hauchte er leise an ihr Ohr. Sie sagte nichts, war einfach nur froh ihren kleinen Bruder endlich in den Armen zu halten. Langsam lösten sich beide und setzten sich auf dem kleinen Holztisch jeweils gegenüber. Beinahe konzentriert sahen sich beide in die pechschwarzen Augen. Der Mann ihr gegenüber hatte etwas zu sagen und das wusste sie. Er war immerhin ihr Bruder. Sie kannte ihn so gut wie ihre Westentasche und gerade in diesem Moment schien er etwas vor ihr zu verbergen. Luca mochte das nicht. Sie hatten sich doch geschworen nie Geheimnisse voneinander zu haben? Sie legte ihre Hand auf die des anderen, welche reglos auf dem Tisch lag und für einen Moment zuckte er vor Überraschung zusammen. Anscheinend war er so tief in Gedanken versunken, dass er es nicht bemerkt hatte. „Schlechte Nachrichten?“ fragte Luca überflüssigerweise nach und obwohl man es für unmöglich hielt, klang sie recht sanft. Er lachte auf. „Kann man wohl sagen.“ „Du kannst mir alles anvertrauen, das weißt du oder Darius?“ „Ja, das weiß ich“, sagte er leise und lächelte sie leicht an. Dann stand er auf, setzte sich neben sie und nahm ihre Hand in seine. „Aber ich fürchte es wird dir nicht gefallen.“ „Ich musste schon schlimmer durchmachen als schlechte Neuigkeiten“, meinte sie gelassen und doch war sie innerlich unruhig. Selten hatte Darius Angst ihre Gefühle zu verletzten, denn er wusste so gut wie sie, dass sie es nicht mochte, wenn er mehr als sie wusste. „Auch das ist mir nicht unbekannt, Schwester!“ sagte er mit kräftiger Stimme und einem Schmunzeln auf dem Gesicht. „Also gut, es geht um Hitomi und ich weiß, dass du dich mit ihr angefreundet hast und ich missachte das nicht. Ich finde das ist ein Fortschritt für dich, aber es gibt Probleme im Bezug auf sie…“ „Probleme?“ rutschte es ihr über die Lippen. „Ja. Er hat sich entschieden und du weißt, was das heißt, Luca! Du weißt, was er mit Hitomi vorhat. Morgen will er sie zu sich holen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie in seine Fänge gerät. So sehr ich es auch leugnen will, wie bei dir hat Hitomi mich um ihren kleinen Finger gewickelt.“ Darius seufzte. „Ich glaube selbst nicht, was ich da sage.“ Ein Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. „Ich versteh dich gut, das frage ich mich auch jeden Tag.“ „Wie auch immer. Das hier war ja noch wie im Kindergarten, aber wenn sie dann bei ihm ist, wird sie innerlich zerbrechen. Ihr Funkeln in ihren Augen wird erlöschen und das möchte ich um Gottes Willen nicht, da bist du sich der gleichen Meinung.“ „Ja, stimmt. Sie war zu Anfang so ein hilfloses Mädchen… Ich habe sie verändert und wenn sie bei ihm ist, wird sie sich völlig abschotten.“ Sie sah traurig aus dem einen Fenster. „Das stimmt schon, aber ohne dich wird sie keine Chance haben. Sie kann sich dank dir verteidigen. Irgendwann wird sie ihn bekämpfen müssen und um zu überleben darf sie keine Schwäche zeigen. Du hast ihr die Grundkenntnisse beigebracht und natürlich ist sie noch lange nicht perfekt, aber sie wird sich verbessern, wenn du ihr erstmals diesen Brief hier gibst, “ versuchte er sie aufzumuntern, stellte dann aber fest, dass er es ernst meinte. Erstaunt sah sie zu ihm hoch und erblickte in seinen Händen einen Brief. Luca nahm ihn entgegen und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was ist das?“ „Informationen, welche du schon lange kennst, aber Hitomi noch nicht. Sie werden ihr nützlich sein, wenn sie uns verlässt.“ Er machte eine kurze Pause. „Du hast mich schon richtig verstanden, Luca. Du musst dafür sorgen, dass sie von hier verschwindet, spätestens Morgen um die gleiche Zeit. Es darf nicht so aussehen als hättest du sie praktisch dazu verleitet das zu tun. Es muss aussehen als wäre sie mit Gewalt ausgebrochen. Hast du das Verstanden, Luca?!“ Beharrlich sah er nun in ihre Augen und ballte seine Hände zu Fäusten. „Ja, ich denke ich hab‘s verstanden.“ „Gut, sonst kommst du selbst in Schwierigkeiten und das wollen wir beide nicht.“ „Ja, ich weiß das selber“, meinte sie fast schon zermürbt. Darius fuhr sich mit der Hand über sein feuerrotes, kurzes Haar. „Es tut mir leid, ich habe dich verletzt und zu gerne würde ich dich trösten, aber ich kann nicht. Ich muss leider schon gehen.“ „Jetzt schon?“ fragte sie emotionslos, naja sie versuchte es aber Darius kannte sie zu gut und hörte den traurigen Unterton. „Ja, leider. Wenn ich nicht gehe, wird er Verdacht schöpfen und das möchte ich nicht.“ „Es ist Okay“, lächelte ihm Luca aufmunternd zu. „Also gut“, murmelte er leise, stand auf und sie gleich mit ihm. Noch ein letztes Mal umarmten sich beide innig, bevor sie sich wehleidig verabschiedeten. Dann ließ sie sich auf einen der Stühle fallen, stand nach ein paar Minuten wieder auf und nahm sich ein Stück Papier und Tinte zur Hand, welche sie dann auf den Tisch legte. Luca hatte gewusst, dass es so kommen würde. Zu Anfang war sie noch der festen Überzeugung gewesen, dass dieses Mädchen nichts anderes als eine Last war und sie froh sein sollte, wenn er sie endlich besaß, aber jetzt war ein Problem entstanden. Leider war Hitomi eine gute Freundin geworden. Es kam noch schlimmer. Sie war ihre erste richtige Freundin. Sie hatte nie gewusst, was es bedeutete einen echten Freund zu haben und jetzt da sie es wusste, wollte sie Hitomi nicht verlieren aber sie musste. Sie verehrte ihren Meister, aber auch wusste sie, dass Hitomi bei ihm psychisch zerbrechen würde. Auch wenn sie ihm bei fast allem zustimmte, würden Hitomi diese Dinge verhasst sein. Also war das die einzige Möglichkeit sie lebend aus diesem Schlamassel zu bringen. Sie fing an ihren ersten Satz ihres Abschiedsbriefes zu schreiben. Gegenwart Gerade machten sich beide auf dem Weg in die Hütte, die nur einige Hundert Meter entfernt lag. Hitomi hatte mit ihrer Lehrmeisterin gerade ihr heutiges Training abgeschlossen, hoffte sie jedenfalls zu glauben. Es war genug für heute gewesen. Stundenlang musste sie mit dem Guymelef kämpfen. Es war mehr als hart gewesen. Ihre Gedanken drehten sich. Ein dumpfes, schreckliches Gefühl wurde immer klarer und es schien als wollte es sie warnen, aber vor was? Wieso half keine Vision? Wieso erschienen sie in dem Moment, wo sie sie brauchte nicht?! Sie hatte im Moment nicht die geringste Ahnung. Ihr ganzer Körper schmerzte und jede einzelne Bewegung schien ein Fehler ihrer selbst zu sein. Insgeheim wollte sie nur noch schlafen, aber es klang falsch. Sie durfte es heute nicht mehr tun. Sie wusste nicht genau wieso, aber dem war sie sich vollkommen sicher. Als sie die einzige Haustür passierten, Hitomi ihr unwiderruflich folgen musste und sie schließlich im letzten Zimmer – ihrem Zimmer – standen, hatte sie plötzlich Angst etwas zu sagen. Das war ihr noch nie passiert. Sicher, hatte sie schon viele Male Angst gehabt, aber immer war sie fähig gewesen etwas Freches zu erwidern oder raus zu posaunen. Ihr Zustand war ihr neu. Hitomi‘s Kehle war wie zugeschnürt und ihre Lippen so trocken, dass ihre Zunge unbewusst drüber leckte. Plötzlich wurde sie am Arm gepackt und aufs Bett geworfen und kaum war sie sich dem bewusst lagen ihre Arme und Beine schon in Fesseln. „Hey, was soll das?!“ fuhr es ihr dann laut über ihre Lippen und sie war ein wenig überrascht, zerrte dann aber heftig an den Fesseln. Schon seit einer Ewigkeit hatte ihre Mentorin sie nicht mehr so ans Bett festgenagelt. Was war heute denn nur mit ihr los?! „Luca! Jetzt antworte mir schon!“ schrie Hitomi und wand sich immer mehr. „Sei Ruhig!“ rief Luca und ging dann wortlos zur Tür. Hitomi wurde augenblicklich ruhiger und wartete auf Luca’s nächste Worte. „Ich muss jetzt gehen und etwas erledigen. Ich werde lange nicht mehr herkommen, wahrscheinlich Monate, also lauf nicht weg!“ Damit hörte man wie die Tür ins Schloss ging. „Was! Aber Luca, wie soll ich dann überleben! Komm wieder her und mach mir diese Dinger ab. Ich dachte wir sind Freunde?! Luca!“ Hitomi schrie so laut sie konnte, aber nach einiger Zeit merkte sie, dass niemand ihr zuhören konnte. Sie wurde wütend und schlug wie wild um sich, versuchte mit aller Kraft aus diesen Fängen zu kommen, aber es ging nicht. Zufällig oder auch nicht, Hitomi konnte es nicht genau sagen, aber sie sah auf die Decke hinauf. Geradezu gleichzeitig riss sie fassungslos ihre Augen auf. Sie konnte kaum glauben, was sie da sah. Ein kleiner, weißer Zettel schmückte die Holzwand, doch was Hitomi so sehr schockte war der Text darin. Verschwinde, Hitomi! Das ist ein Befehl, wenn du es nicht tust, wirst du es später noch bereuen! Du wirst Sterben, wenn du nicht verschwindest, also Hau ab! Bevor du gehst, nimm all deine Sachen und diesen Zettel hier mit. Einen kurzen Moment war sie wie erstarrt. Doch dann bemerkte sie neben sich an die Pritsche gelehnt ihr Schwert. War das etwa Luca’s Plan gewesen, wollte sie, dass Hitomi so entkam?! Den Gedanken verstaute sie schnell in die hinterste Ecke ihres Gehirnes. Die Nachricht machte ihr Sorgen, vielleicht sollte sie wirklich verschwinden und zwar sofort. Langsam versuchte sie das Schwert mit ihrer linken Hand zu erreichen. Noch ein bisschen, dachte sie als sie es fast erreichte, doch die Kette die an der Fessel hing war einfach zu kurz. Sie zog stärker, so dass es in ihre Haut schnitt, aber mittlerweile spürte sie es kaum und dann endlich bekam sie ihr geliebtes Schwert in die Hand. Fest krallte sie ihre Finger in den Holzgriff mit dem massiven Metallknauf und zog die Klinge aus der Scheide. Diese kippte zu Boden, doch Hitomi war das redlich egal. Mit einem Klirren zerbrachen die Ketten nach und nach, welche sie ans Bett fesselten und sie konnte sich endlich aufsetzen. Sie sah sich die Schellen an ihren Hand- Fußgelenken an und musste seufzend feststellen, dass sie diese heute wohl nicht abbekam. Sie würde sich nur selbst verletzen. Egal, dann eben später auch wenn es nicht so leicht war, wie es zu sein schien. Hitomi stand auf, so dass sie den Zettel abnehmen konnte und hüpfte dann vom Bett auf den Boden. Sie starrte das Stück Pergament nun genauer an und musste erstaunt feststellen, dass sich hinter diesem noch zwei weitere Briefe befanden. Auf beiden Umschlägen stand vorne etwas und nur deshalb weil Hitomi die Sprache lesen und schreiben gelernt hatte, konnte sie es nun entziffern. Den einen sollte die Braunhaarige wohl erst später lesen. Mit etwas nervösen Händen öffnete sie den zweiten Brief, zog die Verschiedenen Papiere heraus und faltete sie auseinander. Bei dem einen identifizierte sie ihn als eine Karte; von Gaia nahm sie an und der andere war ein echter Brief von Handgeschrieben. Von der rüden Sprache Luca‘s war sie nicht überaus verblüfft und auch was darin stand war nichts sehr weltbewegendes. So was hatte sie überaschenderweise erwartet. Schon der erste Satz enthielt die Bestätigung, dass dieser Mann, von dem sie noch nicht einmal den Namen kannte, sie zu sich holen wollte. Dann eine kleine Erklärung, was der andere Brief zu bedeuten hatte; Darius hatte ihr ihn geschrieben und es standen genügend Informationen für sie selbst. Hitomi fragte sich was für Informationen für sie wichtig waren, jedenfalls durfte Hitomi das noch nicht wissen, da sie es noch nicht lesen durfte. Sie könnte einfach den Befehl missachten, aber man würde es ihr nicht raten, wenn es nicht so besser war. Am Schluss entschuldigte Luca sich das erste Mal seit Hitomi sie getroffen hatte. Es berührte sie bis tief in die Seele. Sie erzählte in dem Brief wie leid es ihr tat Hitomi gefangen genommen und verletzt zu haben, sagte aber auch, dass sie nun um einiges stärker geworden war. Dann dankte sie ihr, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine gute Freundin gefunden hatte. Zum Schluss und fast hätte Hitomi es übersehen, sagte sie ihr sie solle so schnell wie möglich abhauen. Abhauen war also angesagt. Sie faltete die Karte auseinander und legte sie dann in voller Größe auf den Tisch. Jetzt konnte sie endlich entdecken, wo um Himmels Willen sie sich wirklich befand. Ein rotes Kreuz war zwischen Zaibach und Egzardia eingezeichnet. Mit dem Finger fuhr sie weiter und blieb in Pallas stehen. Genau hier musste sie hin. Hier kannte sie wenigstens jemanden und hoffentlich kam sie dann auch ohne Probleme rein, was im Moment eigentlich nicht wichtig war. Sie sollte erstmals aus diesem Ort verschwinden. Dann konnte sie über alles andere nachdenken. Sie ging wieder zu ihrer Scheide neben dem Bett, platzierte ihr Schwert wieder an dem richtigen Ort und hakte es sich an die linke Seite ihrer Hüfte. Gut dass sie ihre Kampf Ausrüstung schon anhatte, so musste sie nur noch ihr Zeug einpacken und dieses war wirklich nicht viel. Sie nahm ihre schwarze Tasche hervor, die sie vor ein paar Wochen von Luca bekommen hatte. Ihr Kleid, dass sie von Yukari bekommen hatte, war noch immer in demselben Zustand und nun legte sie es mit ein paar Geldscheinen, den Briefen, der Karte, den blauen Kimono und schwarzen Stiefeln in die Tasche. Dann hängte sie sich die Tasche um die Schulter. Worauf Hitomi sich dann ihren Umhang aus grauem Wildleder anzog. Darunter trug sie einen leicht und gut verarbeiteten Brustpanzer aus göttlichen Schmieden, darüber hatte sie sich ein langes, rotes Band um den Bauch gebunden. Im unteren Bereich trug sie etwas was einem kurzen Mini-Rock ähnelte. Er war Onyxfarben mit einem leichten Grünschimmer und bestand aus Drachenschuppen. Die perfekte Panzerung, wobei es außerdem an den Seiten geschlitzt war. Eine Drahtschnur hielt es jeweils auf beiden Seiten Zusammen, so dass Hitomi beim gehen genügend Bewegungsfreiheit hatte. Ihre Füße bedeckten braune Lederstiefel, die ihr bis oberhalb der Knie reichten, außerdem schützten die Schuhe sie im Kampf, da es mehrere Metallstücke besaß. Auch ihre Hände beschützte sie und zwar doppelt. Die ersten Handschuhe waren aus simplem Stoff, welche ihr bis zur Armbeuge reichten. Dann kamen die zweiten Handschuhe, welche um einiges mehr Schutz bieteten als die ersten. Das meiste bestand mehr aus Metall als aus Leder. Zuletzt sah sie sich ihre Schwertscheide an. Er war lang und reichte fast bis zum Boden. Es war mit Gold verziert zudem kunstvoll mit Ätzungen und Runen versehen. Ihr Outfit gefiel Hitomi und nicht nur weil es sehr nützlich bei einem Kampf war. Es sah auch noch gut aus. Immer noch in Gedanken versunken öffnete sie die Tür, lief den Gang runter und wollte durch die Haustür, doch da zeigte sich ihr plötzlich eine böse Überraschung. Luca hatte die Tür tatsächlich abgeschlossen! Wollte sie nicht eigentlich, dass Hitomi von hier verschwand?! Das half ihr nicht sehr viel weiter. Sie sah kurz um sich und musste feststellen, dass der Weg durchs Fenster wohl die einzige Möglichkeit war. Hitomi riss die Schwertscheide aus ihrer Taille und zerschlug das Fenster mit dem Metallknauf. Ohne weiteres stieg sie aufs Fensterbrett und landete mit den Knien auf dem Boden. Schnell stand sie auf und ging in den Stall im hinteren Bereich der Hütte. Dort wartete ihr strahlend, weißes Pferd Aris schon auf Hitomi. Erstaunlicherweise war er schon bereit drauflos zu reiten. Hatte ihn Luca für sie vorbereitet? Wahrscheinlich. Sie führte Aris nach draußen, zog sich ihre Kapuze über und setzte sich dann auf den zurechtgelegten Sattel. Sie beugte sich ein wenig nach unten, strich leicht über seine Mähne und flüsterte dann leise, aber fest: „Revio, tolog lobor nín, Aris!“ Anm:*Revio, tolog lobor nin, Aris! – Fliege mein treues Pferd, Aris! *Noro, Lim, Aris! – Reite weiter, Aris! Kaum waren diese wenigen Worte über ihre Lippen, stürmte er auch schon voraus in den Wald mit dem Ziel Pallas vor Augen. Sie ritt so schnell es ihr mit Aris möglich war und nach einiger Zeit, versank sie in Gedanken, wenn auch nur ein Teil von ihr. Sie hatte nicht nur lesen und schreiben gelernt, sondern auch noch eine andere unbekannte Sprache gelernt. Sie wusste selbst nicht wieso, doch es war ihr unheimlich leicht gefallen. Darius hatte ihr das beigebracht und er meinte es wäre für sie lebenswichtig, wieso wusste sie nicht. Er wollte es ihr nicht verraten und auch Luca nicht. Obwohl, er hatte etwas erwähnt; es solle etwas mit ihrer Familie zutun haben, aber daraus war sie nicht schlau geworden. Außerdem sagte er ihr das Aris sie nur so verstand und so sprach sie mit ihm eben nur in dieser Sprache. Plötzlich fragte sich Hitomi, wieso sie über diese Dinge nachdachte, beantwortete sich die Frage dann aber selbst. Sie wollte sich wohl einfach nur ablenken und nicht nachdenken was als nächstes Geschah. Schon stundenlang, wenn nicht Tage galoppierte sie durch die Öde Landschaft, außer ein paar Dörfern gab es hier nichts und eigentlich war sie auch froh, dass es so war. Was sollte sie denn in einer Stadt schon machen?! So wäre es nur schwieriger in diese rein zu kommen und wieder rauszufinden. Beinahe wünschte sie sich, dass etwas Aufregendes geschah, so dass Hitomi nicht vor Langeweile einschlief, überlegte es sich dann aber anders. Doch dann geschah wirklich etwas Fürchterliches. Gerade als sie über eine massive Steinbrücke ritt, hörte sie hinter sich mehrere Hufgeräusche. Schnell drehte sie ihren Kopf nach hinten und musste mit Schrecken feststellen, dass fünf, nein sechs seltsam, schwarze Gestalten ihr folgten. Sie hatten nichts Gutes im Sinn, da war sie sich vollkommen sicher. Luca hatte Recht gehabt. Abhauen war die beste Lösung. Sie wurde schneller, doch die Gestalten näherten sich ihr immer mehr. Sie waren nur noch einige Meter entfernt. Gerade kam sie dem Ende der Brücke zu und bog gleich rechts ab so dass sie wieder in den unbekannten Wald kam. Wo sie sich gerade befand, wusste sie nicht aber es war auch egal. Ihr Überleben war wichtiger. „Noro, Lim, Aris!“ forderte sie ihr Pferd schreiend auf. Hitomis Atem hatte sich beschleunigt und ihr Herz raste, da ihre Gegner gefährlich nahe kamen. Sie waren nur noch etwa einen Meter entfernt und auch neben sich waren einige aufgetaucht, obwohl sie Kreuz und Quer durch die Bäume hetzte. Auf einmal sah sie vor sich einen Baumstamm auf dem Boden liegen. War der vorhin schon da gewesen?! Gerade noch rechtzeitig konnte sie mit Aris drüber springen. Sie stellte fest, dass die anderen es ihr gleich taten oder um ihn herum gingen, nachdem sie kurz über ihre Schulter gesehen hatte. Unbeirrt ritt sie immer weiter und merkte wie es langsam bergab ging, doch sie zögerte keine einzelne Sekunde daran es vorsichtiger zu gestalten. Nach einiger Zeit kam sie in eine staubige Naturstraße und sie gewann endlich wieder ein wenig Abstand, doch weder konnte sie aufatmen noch es gemütlicher angehen lassen. Jäh sah sie vor sich einige Häuser, ein Dorf nahm sie an. Na toll, dass konnte sie im Moment gerade überhaupt nicht gebrauchen, obwohl vielleicht half es ihr, damit sie diese schwarz vermummten Leute endlich loswerden konnte. Unerwarteterweise hörte sie ihren Namen von einer sehr bekannter Stimme rufen… aber das konnte doch nicht sein! Sie sah dorthin von wo aus die Stimme gekommen war, nämlich nach oben und sie weitete die Augen als sie den Crusador und die Menschen darin sah. Doch sie konnte sich nicht weiter darum kümmern, denn dadurch war sie ein wenig unvorsichtig geworden. Alle waren näher gekommen, doch einer hatte es sogar so weit geschafft, dass er genau neben ihr ritt. Hitomi konnte sein dämliches Grinsen selbst unter seinem Helm entdecken. Einstimmig ritten sie ins Dorf hinein und sie konnte sehen wie er zischend sein Schwert zog. Gleichzeitig konnten einige Leute vor ihnen gerade noch ausweichen und dann herrschte reges Chaos im Dorf. Fast alle schrien, machten Platz oder liefen ganz wild durcheinander. Das machte ihre Lage wirklich nicht besser, auch wenn ihr die Leute hier Leid taten - doch da bekam sie blitzartig eine geniale Idee. Sie zog an den Zügel, so dass sie dem schwarzen Pferd noch näher kam, auch wenn es unmöglich schien. Hitomi verpasste dem Pferd einen heftigen Tritt ihrer Fersen und es geriet leicht ins Schwanken, leider war das Ergebnis nicht sehr zufriedenstellend. Denn mehr als dass sie nun wieder mehr Abstand hatte, war ihr nicht gelungen, doch auch das änderte sich nach ein paar Sekunden, doch diesmal war es Schlimmer denn jeweils neben ihr war nun einer. Beide hatten ihre Schwerter erhoben und sie fragte sich, weshalb diese Reiter sie nicht angriffen. Auch sie zog nun ihr eigenes Schwert, war aber nicht so zimperlich wie die anderen. Sie holte mit voller Kraft aus und traf es dem Linken in den Bauch, so dass dieser Rückwarts zu Boden fiel. Nun wurde auch der andere mutiger, denn er holte mit seinem Schwert aus, doch da konnte Hitomi gerade noch ausweichen aber es traf sie an der Schulter. Neben ihr links war wieder einer aufgetaucht und dieser schrie den anderen gerade an: „Was hast du gemacht?! Wir dürfen sie nicht verletzen! Du hast den Meister gehört!“ Ach, deshalb, langsam wurde es ihr klarer. Sonst wäre es noch viel schwieriger als es schon war. „Ja, aber es nützt nichts, sonst haben wir keine Chance sie einzufangen! Sie ist zu gut!“ antwortete der andere, holte wieder aus und schlug nach ihr, diesmal konnte sie ihn aber mit ihrem Schwert abwehren und schlug zurück, so dass sein Schwert aus seiner Hand fiel. Er fluchte drauflos, wurde unachtsam und sie stieß zu. Volltreffer, er fiel zu Boden und wieder tauchte neben ihr wieder einer auf. Wieder trat sie mit ihrem Fuß direkt ins Pferd, doch diesmal klappte es, das Pferd fiel um, da sie um einiges mehr an Kraft gebraucht hatte. Wieder tauchte neben ihr erneut einer auf, dass hieß einer war noch hinten und dann jeweils einer neben sich. Das sollte zu schaffen sein. Sie zog stärker an den Zügel, so dass Aris noch einmal beschleunigte und wieder war sie etwa einen Meter voraus. Sie galoppierte an den Leuten vorbei und hoffte das würde ein Hindernis für die anderen drei sein. Nebenbei stieß sie ihr Schwert wieder in ihre Scheide. Spontan klaute sie einem älteren Mann, sein Messer, dass er in der Hand als Schutz hielt. Sie schnitt sich in die Hand, doch das war ihr egal. Wieder schwenkte sie ihren Blick nach hinten und konnte sehen, wie sie ihr wieder näher gekommen waren. Etwas weniger als ein Meter. Sie warf das Messer mit voller Wucht zu jemandem der ihr nur noch etwa eine Armbreite entfernt war. Anscheinend hatte sie getroffen, denn gleich darauf hörte sie wie er mit einem Schrei zu Boden ging. Also blieben nur noch Zwei. Augenblicklich verließ sie das Dorf und kam in eine Wiese, in der das Gras unheimlich hoch war. Hier war es schwerer sich vorwärts zu bewegen, doch vor sich sah Hitomi ihre herbeiersehnte Rettung. Der Crusado vor ihr, bewegte sich nun langsam nach unten. Doch dieser war mehr als nur einige Meter entfernt und sie musste feststellen, dass die anderen sie schon wieder erreicht hatten, als sie einen schmerzenden Stich im Arm spürte. Ihr entwich ein hoher, qualvoller Schrei, zog darauf wütend auf sich selbst ihr Schwert. Nur weil sie nicht aufgepasst hatte, floss ihr nun Blut aus der Wunde. Sie holte mit ihrem Schwert aus und wollte es einem, der gerade in ihrer Nähe war ans Genick treffen, doch er wehrte ab und brachte Hitomi so ins straucheln. Wieder kamen Schwerter auf sie zugeschossen, doch sie beschleunigte wieder und konnte ihnen so entfliehen. So schnell sie konnte, wollte sie mit Aris nun abhauen, doch sie ließen es nicht zu. Jeweils an einer Seite eilten sie ganz nah an Aris und es war ein Wunder, dass er sich noch so schnell bewegen konnte. Was sollte sie jetzt tun?! Sie steckte in der Klemme. Hitomi konnte nun nicht mit dem Schwert angreifen. Sie wäre schneller Tod, als dass sie zustechen konnte. Wobei, plötzlich fiel ihr ein, dass diese Männer sie ja gar nicht umbringen durften, vielleicht bestand so eine kleine Rettung. Mit beiden Fersen trat sie in die beiden Pferde, schaffte es so, dass beide ins straucheln kamen, doch sie musste einen kleinen Preis dafür zahlen. Beide hatten sie noch mit ihren Schwertern angegriffen und Hitomi beide einen Verletzung zugefügt. Eine an ihrem Bein und eine am Bauch, aber nichts Lebensgefährliches. Da sie nun wieder vorne war, nutzte sie die Chance und zog wieder stärker an den Zügeln. Sie wurde immer schneller. Da sah sie Merle, Allen und einige andere von seiner Truppe im offenen Crusado. „Hitomi! Beeil dich und Spring!“ schrie Merle ihr zu. Aber das war schwerer als gesagt, dachte Hitomi schwitzend. „Pass auf, Hitomi, Hinter dir“, hörte sie nun auch Allen’s Stimme. Automatisch hob sich ihr Schwert in Hitomi’s Händen und sie konnte dem Angriff hinter ihr gerade noch ausweichen und selbst zuschlagen. Zwar konnte sie nur seine Seite Treffen, konnte aber so verursachen, dass er ein wenig nach hinten fiel. Sie bewegte sich immer näher dem Crusado zu, doch noch durfte sie sich keine Schadenfreude zeigen. Ihre zwei Feinde waren immer noch wie verrückt hinter ihr her. Gerade so als hätte sie es geahnt, drehte sie ihren Kopf gerade nach hinten und sah ein scharfes Messer auf sich zu donnern. Sie weichte aus, aber spürte gleich darauf, dass sie zu langsam gewesen war. Es hatte ihr in die linke Wange geschnitten, doch das war nicht von Bedeutung. Der Crusado war noch einige Meter entfernt und Merle schrie, dass Hitomi sich beeilen sollte, aber das war leicht für sie gesagt. Die schwarzen Männer beschleunigten auf einmal und ritten wieder jeweils an einer Seite von ihr. Hitomi war nicht darauf gefasst und ließ sich zurück fallen. Ihr Glück würde sie sagen, denn so konnte sie mit ihrem Schwert wieder ausholen und es einem direkt in den Rücken stechen. Gleich darauf ritt sie zur Seite, hatte Angst, dass der andere gleich darauf angreifen könnte und ihre Vorahnung war sicher gewesen. Er hatte sein Schwert erhoben und war überrascht, dass Hitomi nicht mehr neben ihm war und so konnte sie seine Verwirrung dazu nutzen Aris dazu zu lenken, weiterzureiten und in den Crusador zu springen. Noch atmete sie nicht aus, sondern schrie gleich: „Los schließt die Türen und fliegt wieder hoch!“ Sie taten wie geheißen und sie war froh, dass sie so schnell reagierten, denn gleich darauf sah sie wie der letzte Mann ihr folgte und in den Crusador springen wollte, doch da schlossen sich die Türen wieder. Als letztes warf er ein Messer. Es flog hinein bevor sich die Türen ganz schlossen und steckte an der Decke fest. _____________________________________ Heii.. So endlich ein neues Kapitel! Hoffe es gefällt euch und wenn ihr wollte könnt ihr gerne ein Review dalassen, würde mich riesig freuen. ;D Hier habe ich noch ein Bild, dass ich als Titelbild gemacht habe, hoffe es gefällt euch, ach ja, die in der Mitte ist, Hitomi: http://www.myfanfiction.de/galerie/1343908686932_gr_42823.jpeg Hier noch ein Bild wie Hitomi's Outfit in dem Kapitel aussieht: http://www.myfanfiction.de/galerie/1343942009350_gr_42823.png Kapitel 4: Reina de Cruces - Königin der Stäbe ---------------------------------------------- Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? 425 Tage sind inzwischen vergangen seit ich entführt wurde. Noch ist niemand gekommen um mich zu retten und ich zweifle daran, dass je jemand kommt, doch dann ändert sich alles. Der Tag schien normal, bis zu einem Augenblick. Luca sagte auf einmal, dass wir mit dem Training weiter machen, obwohl sie einen freien Tag angekündigt hatte und wäre das alles nicht genug, legt sie mich am Bett in Fesseln. Ich frage mich wieso, das hat sie seit Monaten nicht mehr getan. Dann entdecke ich eine Botschaft. Ich muss fliehen. Mit zusätzlichen Briefen verschwinde ich mit meinem Zeug. Tagelang geschieht nichts und es ist zum verrückt werden, denn Pallas lässt sich einfach nicht blicken, doch dann geschieht erst das Schreckliche. Gerade als ich eine Brücke überquere, bemerke ich wie mir Sechs vermummte Leute folgen. Ich ahne, dass sie nichts Gutes im Sinn haben. Also reite ich in den Wald und so fängt die Verfolgungsjagd an. Ich kann sie nicht abhängen, muss mich verteidigen und angreifen. Später sehe ich in einem Crusado meine alten Freunde. Sie retten mir das leben… Endlich konnte Hitomi erleichtert ausatmen. Sie war in Sicherheit und zu ihrem Glück noch in die Arme ihrer Freunde gelaufen. Als sie nach endlosen Stunden wieder von Aris abstieg, zog sie jemand sofort in eine enge Umarmung und dann als man ihr das ganze Gesicht ableckte, wusste sie schon ganz genau wer es war. „Merle, nicht so stürmisch!“ sagte sie kichernd, obwohl ihre Wunden schmerzten. „Aber wir haben uns doch so lange nicht mehr gesehen“, lachte auch das Katzenmädchen und drückte sie ganz fest. „Ich hab dich auch vermisst, Merle“, gab sie ehrlich zu, löste sich nach einigen Sekunden von ihr und sah sich interessiert um. Eine menge Männer sahen sie grinsend an. „Allen, Gardes und auch alle anderen, es freut mich euch nach all der Zeit wieder zu sehen und ich bedanke mich, dass ich so kurzfristig zu euch stoßen durfte, “ sagte sie lächelnd und sank in einen leichten Knicks. Sie hörte lautes Gelächter und hörte dann Allen’s einzigartig, sanfte und leichte Stimme. „Es ist uns eine Ehre, Hitomi. Du bist uns immer willkommen.“ Dann kam er Hitomi näher, kniete sich runter und küsste sanft ihren unverletzten Handrücken. Als er langsam aufstand, sah sie ihm schmunzelnd entgegen und sie erkannte seine minimale Veränderung. Sein blondes Haar lag ihm nur noch bis zur Schulter, doch sonst schien er noch derselbe, zumindest äußerlich. Er sah noch beinahe so aus wie vor etwa Sechs Jahren. Sein Alter hatte ihm nichts angetan. Er war nun etwa 30 Jahre alt, wenn sie sich nicht irrte und das tat sie zu ihren Gunsten selten. Statt der Uniform eines Ritters trug er nun eine staatliches Gewand, welche sie nun leider nicht identifizieren konnte. Es verschlug ihr den Atem, als Hitomi wieder einmal auffiel wie sehr ihm Amano ähnelte. Wie konnten zwei Menschen aus unterschiedlichen Welten sich so ähnlich aussehen? Sie konnte nicht leugnen, dass Allen wirklich gut aussah, erkannte aber nun wie lächerlich ihre Gefühle ihm gegenüber gewesen waren. Eine alberne Schwärmerei, nichts weiter. Erneut wurde ihr klar, wie sehr sie Van liebte und wie viel er ihr bedeutete. Ihr wurde warm ums Herz als sie an ihn dachte und zugleich spürte sie einen schmerzhaften Stich. „Es ist schön dich zu sehen… aber könntest du mir einen kleinen Gefallen machen?“ fragte Hitomi ihn und versuchte so leise wie möglich zu sein. „Ja, natürlich Hitomi, was auch immer du möchtest. Dein Wunsch sei mir Befehl, “ sagte er schmunzelnd mit einer vertrauten, beruhigenden Stimme. Sie konnte nichts machen, als sein Lächeln zu erwidern. Es zog sie förmlich dazu an. „Es ist wirklich nichts Großes. Ich habe einige Verletzungen, “ damit zog sie ihren inzwischen zerfetzten Umhang aus, so dass man an verschiedenen Stellen, die offenen Wunden und ihr strömendes Blut sah. „Deshalb würde ich dich gerne um ein wenig Verbandszeug bitten.“ Einige zogen scharf die Luft ein und sie spürte wie alle Blicke fassungslos auf sie gerichtet waren. Es war ihr wirklich mehr als unangenehm. Sie fragte sich, wieso sie nicht vorher gesehen hatte, dass sie in dem Kampf vorhin verletzt wurde. „Oh mein Gott, Hitomi, was hast du denn gemacht?!“ rief Merle geschockt. Die Verletzte hätte beinahe gelacht. „Konntest du das vorhin etwa nicht sehen?“ Betroffen klappte Merle‘s Mund auf und schloss sich dann beschämt wieder, bevor sie wegsah. „Und was meinst du, Allen? Hast du etwas hier?“ richtete sie ihre eigentliche Frage an den Ritter und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er schien ziemlich geschockt, hatte sich aber ziemlich schnell im Griff. Wie von einem echten Ritter erwartet. „Ja, natürlich, folge mir bitte und du Merle kannst uns ruhig Gesellschaft leisten.“ Jeder war in seine eigenen merkwürdigen Gedanken versunken, als sich alle drei gemeinsam in Bewegung setzten. Van stand im Arbeitszimmer nahe seinem Fenster und blickte wie so oft auf den Mond der Illusionen. Eigentlich sollte er seinen heutigen Stapel Papierkram durchforsten, doch im Moment ließ er sich nur von seinen Gedanken treiben. Es war schmerzhaft, aber auf masochistische Art und Weise fühlte es sich gut an. Immerhin hatte er nach Stundenlangen durchwälzens eine Pause verdient, wie er fand. Van fragte sich ob er Allen’s Rat folgen sollte. Sogar Allen, der schon zu Anfang an Hitomi’s Rückkehr geglaubt hatte, war nun vom Gegenteil überzeugt. Er meinte, eine Frau oder auch eine Mätresse, wenn es sein musste, würden in seinem Leben nicht schaden. Anscheinend wusste jeder besser bescheid und meistens stieg ein unnachgiebiger Zorn in ihm auf, so dass er jedes Mal explodieren könnte, doch dieses eine Mal fühlte er sich einfach nur schuldig. Wenn er gesagt hätte, dass der Wunsch des ehemaligen Ritters schon lange in Erfüllung gegangen war… Van wusste nicht wie Allen dann reagiert hätte. Er fühlte sich ja selbst so Schrecklich deswegen. Van wünschte sich jeden einzelnen Augenblick auszulöschen und er verabscheute sich zutiefst, dass er es nicht konnte. Er hatte sich doch geschworen nie ein anderes Mädchen als Hitomi zu lieben -wenn auch nur auf körperlicher Basis- aber wieder Mal hatte er sein Versprechen gebrochen. Er wollte noch nicht einmal, dass Hitomi zurückkehrte. Wie könnte er ihr so in die Augen sehen? Doch wieder belog er sich selbst. Er war so ein furchtbarer, egoistischer Mensch, dass er nichts anderes wollte als sie wieder in seine Arme zu nehmen. Er konnte nicht anderes. Aber lebte sie überhaupt noch? Verzweifelt, krallte er seine Finger in die Fensterbrüstung und schloss seine rot-braunen Augen. Er wusste es nicht und seine Angst um sie wurde Tag für Tag schwerer. Alpträume raubten ihm seinen erholsamen Schlaf. Sie fühlten sich so echt und schmerzhaft an, dass er sich manchmal wirklich wünschte Hitomi nie kennengelernt zu haben. Obwohl er es schon so lange kannte, war es immer fürs neue erschreckender. Doch er konnte nichts an seinen Gefühlen ändern. Wäre er nicht durch seinen Titel als König an dieses Land gebunden, wäre er schon lange über alle Berge und wäre Merle nicht gewesen, wäre er wohl wirklich nicht mehr hier. Unbewusst drückte er den Anhänger an seinem Hald fester, so dass er bald fürchten müsste ihn zu zerquetschen. Er wusste, was er damals gespürte hatte war echt gewesen. Er hatte sich Hitomi’s Gefühle und Gedanken nicht eingebildet. Sie waren wirklich da gewesen, doch niemand verstand ihn, sogar Merle, die dabei gewesen war, wollte es nicht verstehen. Sie sagte es zwar, aber er wusste sie glaubte nicht daran. Hitomi hatte nach seiner Hilfe gerufen und er fühlte sich schrecklich, dass er ihr nicht helfen konnte. Wie denn? Auf die Erde konnte er nicht und ob sie sich in Gaia aufhielt wusste er nicht, obwohl er nicht groß daran glaubte. Ihre Stimme damals noch ein letztes Mal zu hören, war für ihn wie Balsam für seine geschundene Seele gewesen. Daraus hatte er übermächtige Hoffnung geschöpft. Er wünschte sie sich endlich wieder in seiner Nähe, auch wenn sie keine Berührung zuließ. Ihre bloße Anwesenheit wäre wie Himmel auf Erden. Hitomi sah dem Katzenmädchen aufmerksam dabei zu, wie sie die Wunde an ihrem rechten Oberschenkel verband. Sie hatte bis eben nicht darauf geachtet, aber nun sah auch sie Merle’s Veränderung. Ein Wunder, dass Hitomi sie gleich erkannt hatte. Merle war ziemlich erwachsen geworden und es stand ihr wirklich gut. Ihr Haar war inzwischen so lang geworden, das es Merle bis zur Hüfte reichte, welche sie zu einem hohen Zopf zusammengebunden hatte. In ihrem Gesicht konnte man das kleine Mädchen von früher noch gut wiedererkennen, auch wenn sie sehr viel älter und reifer wirkte. Ihre wohlgeformten Kurven schmiegten sich großzügig in das kurze, hautenge Kleid und es überraschte Hitomi wie… sexy sie darin aussah!? Sie brauchte einen Moment um richtig zu realisieren an was sie gerade gedacht hatte. Es war einfach zu absurd. Beinahe musste sie auflachen und biss sich dabei versehentlich in die Zunge. Na toll, eine weitere Wunde, wenn auch so klein, war wieder einmal ein echter Glückstreffer. Ein bitteres Lächeln schlich sich auf ihre sanften Züge, als es ihr langsam dämmerte. Ihr Abenteuer auf Gaia war wohl länger her, als sie gedacht hatte. „Merle, du hast dich verändert?!“ Es klang wohl eher nach einer Frage als einer Feststellung. „Ach nein, wirklich?!“ kam ihre spöttische Antwort mit einem schelmischen Grinsen auf dem Gesicht. Hitomis Lächeln wandelte sich in ein erheitertes Schmunzeln. „Nein, weißt du ich hab das nur so gesagt“, erwiderte Hitomi und befeuchtete instinktiv ihre Lippen. „Also von dir kann man ja auch nicht gerade behaupten, dass du dich sehr verändert hättest.“ „Denkst du?“ „Ja, auf alle Fälle“, meinte Merle und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Einen Moment sahen sich ohne mit der Wimper zu zucken in die Augen, doch dann brachen beide in schallendes Gelächter aus. Merle beruhigte sich als erste, strich noch ein letztes Mal über die nun behandelte Wunde. „So, fertig! Ich habe all deine Wunden so versorgt, wie es Allen mir gezeigt hat. Vorsichtshalber sollte Millerna doch nochmal einen Blick darauf werfen, immerhin bin ich keine Ärztin so wie sie, aber jetzt solltest du dich wieder anziehen. Wir sollten zurück und Allen will sicher mit dir über diese Sache sprechen, ich übrigens auch.“ Sie lächelte Hitomi freundlich an, doch Hitomi sah das versteckte hinterhältige Funkeln in ihren Augen. Innerlich seufzend zog sie sich ihre Rüstung wieder an - zuckte überrascht zusammen, als die Wunden zum ersten Mal mit dieser in Berührung kamen. Es tat ziemlich weh, ja fast unerträglich. Bis eben hatte sie beinahe nichts gespürt, nur wie ein dumpfer Schmerz. Doch jetzt, da ihre Haut an den Panzer rieb, spürte sie die Schmerzen umso mehr. Wahrscheinlich war ihr mit Adrenalin vollgepumpter Körper daran schuld. Auf dem Crusado wurde mit jeder weiteren Sekunde die verging, die Qual spürbar grösser. Wohl nicht unbemerkt, denn deutlich spürte sie Merle’s Blick auf sich. „Was ist?“ fauchte Hitomi sie unabsichtlich schneidend an. Diese schien unbeeindruckt und umging ihre Frage. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ erkundigte sich Merle stattdessen. Die Braunhaarige log wie aus der Kanone geschossen. „Mit mir ist alles in bester Ordnung!“ Dann stand Hitomi auf, öffnete die Tür und wandte sich noch ein letztes Mal an Merle. „Können wir gehen?“ Diese schien nur ein seltsam, nachdenkliches Nicken für sie übrig zu haben. „Du hast deinen Titel als Ritter… verloren?!“ Hitomi lauschte argwöhnisch Allen’s Geschichte, während er anfing leicht zu schmunzeln. „So glauben die meisten, ja, aber in Wahrheit habe ich es vorgezogen meinen Posten als Ritter abzudanken. Nach dem Krieg fand ich es als die weiseste Entscheidung Asturia den Rücken zu kehren und dafür in die Fußstapfen Freids zu treten.“ Er machte eine kurze, abwesende Pause. „Chid war noch ein Kind, inzwischen bald ein hochangesehener Mann, doch damals war er allein mit den Aufgaben eines Herzogs. Ich wollte mich um ihn und Serena kümmern. Sie lebt nun auch dort mit mir zusammen. Ich wollte in der schweren Phase, die sie durchmachte bei ihr sein und so schien es die Beste Lösung für alle zu sein. Als Ritter des Himmels hätte ich kaum Zeit gehabt für sie gehabt und so kann ich mich mit dem Namen eines Generals von Freid schmücken.“ Er sah nachdenklich aus dem kleinen, kreisförmigen Seitenfenster und schien an seine guten, alten Zeiten zu denken. Hitomi versuchte ihren Seufzer zu unterdrücken. Sie freute sich, dass es ihren Freunden nach all dem Krieg wieder besser ging, so schien es ihr jedenfalls. Doch was ihr wirklich zu schaffen machte, waren diese Schuldgefühle, die sie quälten. Sie verstand sie nicht. Es war ihre Entscheidung gewesen auf die Erde zurückzukehren und obwohl sie es für möglich hielt, fühlte sie sich nicht nur Van schuldig. Mit jeder weiteren Sekunde, die sie bei ihren Freunden verbrachte, fühlte sie nicht nur Freude. Es war beinahe zum verrückt werden, doch da sprach Allen plötzlich weiter und innerlich dankte sie ihm dafür ihre Gedanken unterbrochen zu haben. „Natürlich fiel es mir alles andere als leicht. Ich musste meine ganze Mannschaft zurücklassen und auch Asturia dem Land in dem mein Zuhause gewesen war, aber im Nachhinein betrachtet, denke ich, war es die richtige Entscheidung.“ Er sah so voller Stolz und Anmut aus, so dass Hitomi einmal heftig schlucken musste. Allen hatte sich wirklich kein bisschen verändert. Sie bewunderte ihn noch immer für sein gezügeltes Temperament. Er war so, wie man sich einen echten Ritter vorstellte. Es war seltsam keinen Ritter in ihm zu sehen. Allen war wie dazu geboren. „Weshalb sitzt du dann hier mit deiner Mannschaft? Wenn deine Worte der Wahrheit entsprechen, solltest du eigentlich in dem Land Freid horsten, oder etwa nicht?“ fuhr es ihr dann unaufgefordert über die etwas spröden Lippen. Sie hörte ein Glucksen. Das konnte nicht sein, hatte er etwa gerade … gekichert?! Sie konnte es selbst kaum glauben, als schon wieder seine hohe Stimme erklang. „Natürlich Hitomi, du hast vollkommen recht. Ich wäre wohl nicht hier, wenn eines schönen Tages Gardes und die ganze Mannschaft nicht in Freid aufgetaucht wären und nicht nur um deinetwillen bin ich sehr vergnügt deswegen.“ Plötzlich schien etwas Trauriges seine Augen zu trüben. „Nun auf Millerna’s Auftrag hin, wurde ich durch ganz Gaia gesandt. Um welchen Auftrag es sich handelt hat für dich keine Bedeutung. Nur das ich auch in Fanelia war und Van einen Besuch abgestattet habe, so ist auch Merle zu uns gestoßen. Von Van persönlich wurde sie mir empfohlen und ich muss zugeben zu Anfang war ich wirklich sehr skeptisch, doch sie hat sich als redlich nützlich erwiesen.“ Hitomi hörte Merle’s Schnauben, die neben ihr an dem länglichen Holztisch saß. Darauf konnte sie nicht anders und musste einfach grinsen. Es war einfach typisch Merle. „Das will ich auch hoffen“, meinte das Katzenmädchen überzeugt, wie eh und je. „Immerhin war ich höchstpersönlich Van’s Schülerin.“ „Ach ja? Wobei?“ Sie wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen an Hitomi. „Na, im Schwertkampf natürlich, worin denn sonst!“ „Weis ich ja nicht, deshalb frage ich ja.“ Dann kräuselte sie für einen Augenblick ihre Stirn. „Momentmal du wurdest von… Van im Schwertkampf ausgebildet?!“ Es fiel ihr schwer seinen Namen auszusprechen und noch schwerer fiel es ihr zu glauben, dass die kleine vorlaute Merle eine gelernte Schwertkämpferin war. „Ja und nicht nur das. Er hat mich auch gelehrt mit einem Guymelef umzugehen, obwohl ich zugeben muss, dass es mit diesem nicht gerade problemlos läuft.“ Sie schien richtig stolz, so wie sie ihre Brust hervorhob. „Dann können wir ja mal zusammen trainieren“, sagte Hitomi ohne nachzudenken und kaum war es raus, hielt sie sich mit der Hand und weit aufgerissenen Augen den Mund zu. Verdammt! Das war nicht gut, das war ganz und gar nicht gut. Schon die ganze Fahrt hatte sie sich geweigert hier irgendetwas von ihrer misslichen Vergangenheit zu berichten, doch nun war ihr so ein Dummer unterlaufen. Langsam nahm sie die Hand runter und versuchte eine rationale Antwort in ihren kreuz und quer fliegenden Gedanken zu finden. Aber sie fand nichts, die das ohne weitere Fragen erklären konnte. Hitomi spürte bohrende Blicke auf sich. Langsam sah sie auf und sah den beiden in die Augen und wusste welche Fragen in ihren Köpfen rumkreisten. Hitomi würde sie heute nicht für sie beantworten, das schwor sie sich im Stillen, also wartete sie wie sie weiter reagierten. Allen erhob als Erster das Wort. „Hitomi… Wie meinst du das? Möchtest du uns nicht endlich mitteilen, wieso du von diesen mysteriösen Leuten gejagt wurdest?“ Anscheinend sah er, dass sie sich entschieden weigerte auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen. Denn gleich ergänzte er: „Wenigstens seit wann du wieder auf Gaia bist?“ Hitomi sah auf den sauberen Tisch vor sich und richtete ihre glühenden Augen angestrengt auf diesen. Ihr Herz raste und sie biss sich schuldbewusst auf ihre Lippen. Dann stand sie abrupt auf, so dass sie selbst ein bisschen überrascht war. Sie drehte sich um und ging zur Tür. Sie hörte Merle wehleidig ihren Namen sagen und das gab ihr den Rest. Das könnte sie ihnen doch sagen, immerhin wusste sie ja noch nicht einmal das. „Ich bin schon seit etwa mehr als einem Jahr hier…“, sagte sie leise und machte dann eine nachdenkliche Pause. „Und wenn ich es gekonnt hätte, wäre ich sofort nach Fanelia gereist...“ Und hätte keine einzelne Sekunde lang gezögert, dich wieder zu sehen, fügte Hitomi noch in Gedanken hinzu. Hitomi fühlte sich so schwach, matt und elend, als sie endlich bemerkte, dass sie in Asturia angekommen waren. Sie landeten gerade, doch das bekam sie kaum mit. Sie hatte sich neben Aris bequem gemacht und lehnte sich an ihn, welcher direkt neben dem Ausgangstor saß. Ihre Sicht verschwamm mehr und mehr und sie fragte sich was mit ihr los war. Trotz, dass ihre Wunden nun teilweise gut behandelt waren, schmerzte jede einzelne höllisch, so dass sie sich anstrengen musste, nicht aufzuschreien. Plötzlich sah sie vor sich Füße auftauchen. Langsam hob sie ihren Blick und sah in Merle’s besorgte Augen. „Hitomi, ist wirklich alles in Ordnung mit dir?! Du siehst nicht gut aus!“ hörte sie ihre Stimme leise sagen. Merle beugte sich zu ihr runter und streichelte sanft über ihren Kopf. „Komm, wir sind da. Wir sollten so schnell wie möglich zu Millerna. Sie sollte sich das wirklich ansehen.“ Damit zog Merle sie langsam hoch und betrachtete ihr blasses Gesicht. „Du siehst wirklich nicht gut aus. Du musst dich ausruhen.“ „M-Mir geht’s gut“, antwortete Hitomi ihr mit Mühe und zusammengebissenen Zähnen. „So siehst du wirklich nicht aus“, lachte Merle und bemerkte unruhig ihren leicht zitternden Atem. Da wurde das Katzenmädchen plötzlich aus den Gedanken gerissen, als sie Leicht und doch kräftig genug von ihr gestoßen wurde. „H-Hitomi, was soll das?!“ verlangte sie sofort zu wissen und trat hinter ihre Freundin. „I-Ich…“ Hitomi rang leise hechelnd nach Atem. „Kann selbst laufen!“ „Ach ja, wirklich! Du siehst aber aus, als würdest du gleich umkippen, “ protestierte sie als sie schließlich an ihre Seite trat und sie konnte kaum so schnell reagieren, da fiel die Braunhaarige vorneüber. Gerade konnte sie Hitomi noch in ihren Armen auffangen, so dass sie nicht gleich auf dem Boden aufklatschte, doch diese sah nicht mehr gesund aus. „Hitomi? Hitomi?! Wach auf! Mach die Augen auf! Hitomi, Bitte! Du darfst nicht sterben, bevor du Van wiedergesehen hast!“ Jetzt rüttelte Merle heftig an ihr. „ Hörst du! Van, er liebt dich noch immer und ich bin sicher du auch ihn. Ich habe deinen Blick gesehen. Du liebst ihn noch immer, stimmt’s?! Also darfst du nicht sterben. Ich bringe dich um, wenn du stirbst… Was wird dann aus uns, aus ihm…?! Was wird aus Van! Du darfst jetzt nicht so selbstsüchtig sein und uns hier wegsterben! Bitte, Van wird sterben, wenn du es tust… Also bitte, tu‘s nicht!...“ Inzwischen waren auch Allen, Gardes und einige andere zu ihnen getreten, durch das Geschrei und den Tränen des Katzen Mädchens angelockt. Sie konnten nur hilflos dabei zusehen, wie Merle bat Hitomi nicht zu sterben. Sie wussten nicht, was sie tun sollten, noch war der Crusado in Luft höhe. Hitomi sah das einladend, weiße, gleißende Licht als plötzlich Merle’s Stimme zu ihr durchdrang. Zwar nur wie weites Geflüster, doch die nächsten Worte die bei ihr ankamen, ließen sie dem warmen weißen Licht den Rücken kehren und stattdessen der unheimlich, schwarzen Dunkelheit in die Augen treten. Es machte Hitomi Angst und doch kämpfte sie gegen den Drang einfach aufzugeben und ins Licht zu treten. Van, Van, Van, Van…Van! Er war ihr einziger Grund nicht aufzugeben. Er brachte sie dazu weiter bei Bewusstsein zu sein, auch wenn jeder einzelne Atemzug, so schien es ihr, immer schlimmer wurde. In diesem Moment gab es die Tatsache nicht, dass sie furchtbare Angst vor seinen abgekühlten Gefühlen hatte. Es war egal. In dieser Sekunde zählte nur, dass sie ihn vom ganzen Herzen liebte. Kapitel 5: VII - Sieben der Münzen ---------------------------------- Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Ich bin gerettet und bei Merle, Allen, Gardes und seiner Mannschaft gelandet. Van sehe ich leider nirgends, aber ich bin froh die anderen wieder zu sehen. Merle behandelt meine Wunden und ich sehe wie sehr sie sich verändert hat. Es stimmt mich in eine traurige, melancholische Stimmung. Van scheint nicht in einer besseren Verfassung zu sein. Er leidet darunter, dass er mich betrogen hat. Er vermisst mich, weiß selbst nicht ob ich noch lebe und möchte mich endlich wieder in seiner Nähe. Dabei weiß er nicht, dass er mich bald früher sieht als er je geahnt hätte. Allen hat sich auch geändert, zumindest sein Wohnort. Er lebt nun in Freid und kümmert sich um Serena und Chid. Merle selber, so wie ich erfahren habe wurde persönlich von Van im Kampf trainiert. Ich kann es selbst kaum glauben, da entwischt mir etwas Dummes über die Lippen. Sie wollen wissen, was es auf sich hat und wie lange ich hier schon in Gaia bin. Das ist die einzige Frage, die ich ihnen beantworte. Stunden später landen wir, doch mir geht’s längst nicht mehr so gut wie vorhin. Die Schmerzen tun höllisch weh und am liebsten würde ich schreien. Unter Merle’s Aufsicht kippe ich um und nur ihre Worte halten mich bei Bewusstsein. Ob ihr Traum einen Streich spielte, oder alles wirklich Realität war, wusste sie nicht mehr, zumindest war sie sich nicht mehr sicher. Doch es war unmöglich, dass das was sie gerade erlebte, echt war. Es war nicht richtig und fühlte sich nie und nimmer so an. Hitomi hatte das Gefühl als würde sich alles wieder und wieder wiederholen. Wie in einem nie fertig gewordenen Film. Jedes Mal, wenn es zu ende war, änderte sich beim Neubeginn wiederum alles. Es war zum verrückt werden. Hitomi wusste nicht mehr woran sie glauben konnte. Wieder begann es und mit der Zeit glaubte sie dem Geschehen, wie jedes Mal. Es wäre schön, wenn sie die Augen schließen und einfach einschlafen könnte, aber sie zwang sich zum Gegenteil. Hitomi wusste nicht ob sie die Augen aufriss oder nur einen Spaltbreit offen hielt, aber es war egal, nur die Tatsache zählte, dass sie noch bei Bewusstsein war. Jedenfalls konnte sie ihre unmittelbare Umgebung nur schemenhaft erkennen, doch es war als würde sie in einem Stummfilm feststecken. Merle hatte ihren Kopf anscheinend auf ihren Schoss gelegt und sprach scheinbar mit ihr. Tröstende Worte, die ihr halfen bei Verstand zu bleiben. Scheinbar hatten sie geholfen, auch wenn sie sich an die wenigen Sätze nicht mehr erinnern konnte. Hitomi wüsste gerne, was für Sätze ihr halfen nicht ohnmächtig zu werden. Denn ihr Leib schmerzte unvorstellbar, doch ihr Unterbewusstsein weigerte sich bewusstlos zu werden, so dass sie wie um sich abzulenken, sich auf ihr Umfeld konzentrierte. Nun konnte sie auch Allen neben sich entdecken, der sanft ihre Hand hielt. Er rief irgendetwas nach hinten und Hitomi konnte es nicht verstehen. Sie wollte endlich begreifen, was um Himmels Willen gerade vor ihren Augen passierte. Plötzlich wurde sie von Allen in seinen Armen hochgehoben und er trug sie laufend, beinahe rennend hinaus um wieder etwas in eine bestimmte Richtung zu brüllen. Hitomi hörte bewegende Hufgeräusche, bevor sie wieder auf den Boden gelegt wurde. Für einen kurzen Moment wurde ihr Schwarz vor Augen und als Hitomi sie wieder auf machte, beugte sich Millerna über sie. … Millerna?! Was machte sie hier? Waren sie nicht gerade im Crusado gewesen? Waren sie etwa schon in Asturia! Sie versuchte ihre Sinne zu schärfen und konnte Millerna’s wunderschönes Gesicht nun besser erkennen. Ihre Lippen bewegten sich hektisch und Hitomi spürte wie Millerna’s Hände ihren Körper abtasteten. Sie schätzte wohl ab, wie groß ihre Verletzungen waren. Ihre Augen beobachteten die Lippen der Königin bedächtig und ganz langsam konnte sie einige Wortfetzen von ihr wahrnehmen. „… bist… das?“ „Was… ist … passiert?“ „…Hitomi.. mich hören?!“ „… musst bei Bewusstsein bleiben, hast du … verstanden!“ Als Hitomi antworten wollte, war sie sich ziemlich sicher, dass kein Ton ihrem Mund entwich. Aber sie wollte ihr vermitteln, dass sie Millerna verstand und ihr Bestes versuchte. Langsam versuchte sie ihren Arm zu bewegen, aber er rührte sich nicht. Er war wie gelähmt. Sie konnte ihn nicht spürten. Wieso? Sie sammelte ihre Kräfte und dann endlich, sie spürte ein Ziehen an ihrem Arm. Hitomi versuchte etwas zu packen und plötzlich spürte sie etwas Weiches. Sie sah genauer hin und sah, dass es Millerna’s Arm war. „Hitomi..?“ flüsterte die Königin leicht ungläubig. Sie war also tatsächlich noch bei Bewusstsein. „Allen, jetzt schnell! Wir müssen uns beeilen, bevor sie uns noch verblutet!“ Einige Tage Später Die untergehende Sonne warf ein dämmerndes Licht in das Zimmer. Der Anblick der sich draußen bot, war atemberaubend. Hinter dem großen, weiten Meer die finstere Stadt in einem rötlichen Licht eingehaucht, dem Abendrot. Zum träumen, doch die Sicht im inneren des Zimmers, trübte die unglaubliche Stimmung. Niemand, so schien es, scherte sich um die Aussicht draußen. Eine junge Frau lief gestresst - wenn man genauer hinsah, konnte man erkennen, dass es ein Katzenmädchen war – durch das feudale Zimmer und überquerte immer wieder alle vier Wände des quadratischen Raumes. In der Mitte stand ein großes Himmelbett, welches von einigen Personen umrundet wurde. Außer der Seufzer und Schritte der Katzenfrau war nichts zu hören. Doch dann riss die blonde Frau, welche bisher lautlos neben dem Bett kniete, den Kopf hoch und starrte die scheinbar mürrische Katzenfrau wütend an. „Sag mal, Merle, kannst du dich mal entscheiden?!“ Diese schaute verdutzt. „W-Was…?“ setzte sie an, wurde dann aber schlagartig unterbrochen. „Wenn du hier sein willst, schön! Aber bitte lauf nicht so durch die Gegend. Du machst uns damit wirklich nervös - insbesondere mich - also beherrsch dich. Das bringt wirklich niemandem was! Bitte geh für eine Weile raus, wenn du dich nicht beruhigen kannst. Ich muss mich jetzt nämlich konzentrieren…“ Merle seufzte noch ein letztes Mal ergeben und setzte sich dann an die Fensterbank. „Tut mir leid“, richtete sie sich noch ein letztes Mal an die blonde Ärztin. Diese nickte ihr zu und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre verletzte Freundin. Merle indessen legte ihren Kopf in den Nacken und starrte hinauf auf den immer dunkel werdenden Himmel, dabei kaute sie nervös auf die Unterlippe. Sie versuchte wie versprochen still zu halten, doch es wurde ihr von Sekunde zu Sekunde immer schwerer. Sie wünschte sich etwas tun zu können und nicht nur so blöd rumzusitzen, doch das einzige was ihr blieb war wie erwähnt, ruhig zu bleiben. Alles, was sie in dieser Situation machen konnte, war Van in allem in Erkenntnis zu setzten und das war getan. Sie fragte sich wie er reagiert hatte, als er ihren Brief bekommen hatte. Insgeheim wusste Merle, dass sie das niemals erfahren wollte. Sie hatte zumindest versucht es in Milde Worte zu packen, doch trotzdem war es für ihn wohl schwer genug. Sie konnte sich seine Reaktion gut vorstellen; leider musste sie anmerken. Immerhin war es ja zuerst mal der Schock, dass Hitomi wieder da war und dann auch noch, dass sie verletzt war. Merle hatte nicht beschrieben, wie es dazu gekommen ist, weitere Informationen wollte sie ihm fürs erste wirklich ersparen. Das er nicht hier sein konnte, war wirklich eine Schande, aber vielleicht war es auch besser so. Wenn er gesehen hätte, was sie gesehen hatte… Merle wusste nicht, wie er das unter seinem jetzigen Zustand verkraftet hätte. Sie wollte nicht das er Hitomi unter diesem Zustand sah, deshalb hoffte sie, dass Hitomi, wenn er hier auftauchte, ihn mit einem Lächeln begrüßen konnte. Ob er wohl schon abgereist war? Sehr wahrscheinlich, nein mit Sicherheit! Für Hitomi – die einzige, die sein Herz höher schlagen ließ – würde er durch ganz Gaia reisen und noch weiter. Ihm war egal, was seine Verpflichtungen waren und genau das schätzte sie insgeheim an Van. Sie musste lächeln, egal wie misslich die Lage gerade schien, sie konnte nicht anders als zu lächeln. Merle erfreute sich so sehr an dem Gedanken, dass Hitomi wieder da war, dass sogar der fragwürdige Zustand für einen Moment in die hinterste Ecke ihres Gehirns rutschte. Van durfte Hitomi wieder sehen und nur deshalb vergaß sie für einen Moment alles andere. Außerdem wusste sie irgendwie einfach, dass Hitomi einfach mal durschlafen und sich erholen musste, immerhin hatte sie ihren Kampf mit diesen mysteriösen Männern mit eigenen Augen gesehen. Wie Merle es von der Entfernung beurteilen konnte, war es ziemlich heftig gewesen und wie man nachher gesehen hatte, ihre Verletzungen auch nicht ohne. Hitomi hatte sich ziemlich lange nichts anmerken lassen und dadurch war ihr Blutverlust nicht minder geworden. Millerna war erstaunt gewesen, dass sie es so lange geschafft hatte bei Bewusstsein zu bleiben. Merle schwor sich es Hitomi dafür noch heimzuzahlen. Einfach so ne Nummer abziehen. Sie hatte sich riesen Sorgen gemacht und auch jetzt… Millerna fand es ungewöhnlich, dass sie so lange schlief, aber sie meinte es wäre nur noch eine Frage der Zeit. Ihr ganzer Körper kribbelte förmlich vor Aufregung. Sie schwenkte ihren Blick wieder in Richtung Bett. Hitomi, wach doch bitte wieder auf. Van ist bald da und wenn er da ist… dann bitte … du musst endlich aufwachen! Merle spürte, dass bald etwas passieren würde, konnte aber nicht genau sagen, ob es gut war. Sie machte sich große Sorgen. Als sie bemerkte, dass Millerna wohl mit ihren üblichen Routineuntersuchungen fertig war, stand sie auf und ging an ihre Seite. „Und? Wie geht’s ihr?“ Mehrere Augenpaare lagen nun auf der Ärztin. Jene strich sich erstmals gedankenverloren über die offenen Haare. „Da sie immer noch nicht aus ihrem komaartigen Zustand erwacht ist, kann ich noch nicht sehr viel sagen, aber ich denke es geht ihr nun um einiges besser als zu Anfang.“ „Wirklich?“ sagte Merle nun hoffnungsvoll und kam ihr nun gefährlich nahe, wie Millerna fand. Sie musste einen Schritt zurücktreten, bevor sie wieder antwortete: „ Ja. Bei fast all ihren Wunden geht der Verheilungsprozess langsam dem Ende zu. Es sieht jedenfalls schon viel besser aus.“ Dann lächelte Millerna leicht. „Ja, ich denke Hitomi ist bald wieder auf den Beinen.“ Kaum waren diese wenigen Worten über ihre Lippen, wurde sie auch schon stürmisch von Merle umarmt. „Oh, wirklich! Ich bin ja so froh. Van wird sich freuen!“ „Van?“ fragte Millerna leicht irritiert. „Ja, ich hab Van geschrieben und er ist sicher schon auf dem Weg. Hab ich dir das noch nicht erzählt, “ meinte Merle als sie sich schließlich von ihr löste. „Nein, hast du nicht. Das muss dir wohl entfallen sein, “ sagte Millerna, während sie sich mit Merle und den anderen aus dem Zimmer machte. „Naja, genug Aufregung hatten wir ja.“ „Das kannst du laut sagen!“ kicherte diese darauf. Darüber bekamen beide nicht mit, dass ein gewisser Jemand sich unmerklich bemerkbar machte. „Van…“ erhellte eine sanfte Stimme den Raum, doch außer Hitomi selbst bekam das keiner mehr mit. Langsam schlug die Frau, die in dem weißen Himmelsbett lag, die Augen auf. „Van…“ Noch einmal erklang ihre helle Stimme, als wollte sie sich nach ihm erkundigen. Doch dann schloss die Braunhaarige Frau sie wieder, als wäre nie etwas gewesen und so schlief sie wieder ein. Niemand hatte mitbekommen, dass sie für einige Sekunden wach gewesen war und nach ihm verlangt hatte. Wirklich keines Menschenseele, oder vielleicht doch?! Sein Herz raste, als wollte es aus seiner Brust springen. Das hatte sich seit Stunden nicht geändert. Mit jeder weiteren Sekunde, die verging, wurde es schmerzhafter und Van fragte sich wie jedes Mal, wann er endlich dort sein würde. Bei ihr; in Asturia. Sie brauchte ihn. Hitomi brauchte Van und das spürte er so gut wie sein Blut, das heiß durch seine Adern pulsierte. Mit jeder Faser seines Körpers verlangte es ihn nach ihr. Er biss sich fest die Zähne zusammen um nicht gleich in Tränen auszubrechen oder auszurasten. Einer der beiden Varianten waren dem Ziel nicht weit, dass wusste er. Er saß mit aufgerissenen Augen auf dem Bett seiner Kabine und dabei krallte er seine Finger fast panisch in den Stoff seiner Hose. Für einige Sekunden schloss er gequält die Augen und erinnerte sich unabsichtlich an die letzten Stunden. Irgendwie kam es ihm so fremd und unwirklich vor. War das wirklich passiert? Er erinnerte sich so gut, als würde es gerade passieren - im Gegensatz zur Wirklichkeit. Plötzlich fragte er sich, ob sich Hitomi während einer ihrer Visionen genau so fühlte… Es war schrecklich. Er konnte sich genau vor sich sehen, wie er vor ein paar Stunden Brief um Brief geöffnet hatte und ihm dann Ein Umschlag ins Auge gesprungen war. Er war von Merle und er fand es zu Anfang an in jeder Beziehung merkwürdig. Auch wenn sie nun wieder einmal, seit Wochen, wenn nicht Monate Fanelia für kurze Zeit verließ, schien es ihm doch sehr sonderbar. Es war einfach nicht die Art des Katzenmädchens. Merle schrieb normalerweise keine Briefe. Etwas musste vorgefallen sein. Er wusste noch genau, dass er es anfänglich gar nicht richtig glauben konnte. Van musste den Inhalt darin mehrere Male überfliegen, jedes Mal schien ihm das geschriebene unrealistischer. Es wurde weder verständlicher noch interessanter, eher schockierender. Für einige Minuten, oder auch Stunden – Van hatte keine Ahnung, die Zeit kam ihm nur wie ein einziges, unbedeutendes Wort vor – war er wie erstarrt gewesen. Doch dann war es ihm klar geworden. Die ganze Wahrheit. Es war kein Scherz. Über so etwas würde Merle nie Witze reißen und jäh war er sich nicht mehr sicher ober glücklich oder traurig sein sollte. Sein Wunsch war wahr geworden. Hitomi war tatsächlich wieder in Gaia. Sie war .. zurück… Er hätte weinen können, aber der andere Teil, der so verdammt traurig war, dass Van sich zusammenriss, ließ ihn innehalten. Außerdem… verletzt. Danach ging alles so schnell, dass er sich im Unklaren war, ob er nicht alles nur geträumt hatte. Er war sich schnell bewusst geworden, dass er nicht weiterhin hier so rumsitzen und nichts tun konnte. Das hatte er lange genug getan und es ging ihm tierisch auf die Nerven. Er hätte auf seinen Instinkt hören sollen und sich sofort auf die Suche nach ihr machen sollen. Gleich nachdem er nach Jahren - das einzige Mal - diese Lichtsäule gesehen hatte. Manchmal verfluchte er seine Pflicht als König, wie jetzt auch aber nur für dieses eine Mal war es ihm Scheiss egal. Es überraschte Van selbst, wie schnell alles gegangen war. Innerhalb einer Stunde war sein Luftschiff flugbereit gewesen und dann war es auch schon gestartet. Und jetzt saß er hier. Er konnte nicht sagen wie sehr sein Herz schmerzte, wie viele Sorgen er sich um Hitomi machte… man konnte es einfach nicht in Worte fassen. War es ein Traum oder Wirklichkeit? Oder vielleicht doch eine Vision?! Hitomi glaubte eine Vision, aber daran konnte sie nicht festhalten. Seit einiger Zeit schien sie in diesem verrückten Zustand. Nicht mehr in diesem traumlosen Zustand, sondern eher wach aber trotzdem konnte sie nicht richtig aufwachen. Sie nahm zwar ihre äußere Umgebung war und konnte auch die Gespräche um sich herum sehr gut verstehen, aber aufwachen durfte sie wohl dennoch nicht. Auf einmal wusste sie, dass sie gerade eine Vision erlebte. Nun glaubte Hitomi es nicht nur, denn dieses Gefühl konnte ihr niemand nehmen. Sie wusste wie es war, wahrscheinlich als einzige, doch irgendwie war sie froh deswegen. Sie wäre traurig es zu missen. Es gehörte nun einfach zu ihrem Leben. Gut konnte sich noch an die Zeit auf der Erde, ohne jegliche Visionen, erinnern. Auch als sie eines Tages plötzlich weg waren und einfach nicht mehr da gewesen waren. Sie hatte sie einfach vermisst. Als die Vision aber unwillkürlich ihre Sicht nahm, spürte sie wieder dieses bohrende Gefühl in der Lunge. Das schmerzhafteste, was sie sich momentan vorstellen konnte. Es fiel ihr furchtbar schwer zu atmen. Hitomi riss die Augen auf, als sich endlich der graue Nebel, in diesem schwarzen Nichts, lichtete und sie endlich hinein sehen konnte. Es schockierte sie, was sie sah. Nicht wie sonst, sah sie einer ihrer Freunde oder Van – auch nicht irgendeine Szene die sie nur verwirrte und aus der sie nicht schlau wurde – Hitomi sah ihren Tod! Im Grunde beobachtete sie sich gerade selbst, nur dass sie ganz genau wusste, dass sie in die Zukunft sah. Wie wohl jetzt in diesem Augenblick lag sie mit geschlossenen Augen auf diesem prachtvollen Bett und ahnte nicht, dass sich ihr Mörder gerade grinsend ihrem Bett näherte. Er hatte ein Messer in der Hand und Hitomi konnte sehen, dass er damit schon getötet hatte. Es sah scheußlich aus, aber noch immer zielgerecht fürs töten gefestigt. Es schauderte sie leicht und das auch noch in einer Vision. Wenn man darüber nachdachte wäre es witzig, aber ihr war in dieser Situation nicht nach lachen zumute. Jemand bedrohte sie gerade mit einem Messer – vielleicht auch erst in ein paar Stunden, den Zeitpunkt konnte sie nicht festlegen – nichtsdestotrotz konnte sie nicht aufwachen. Der unbekannte Mann… Hitomi hielt abrupt inne. Unerwartet erkannte sie seine hässliche Fratze plötzlich wieder. Er war einer dieser Männer! Er war der letzte, der sie verfolgt hatte! Wer war er? Sie hatte sich sein Gesicht ins Gehirn gebrannt, wie ihre Narben die für immer an ihrem Körper hafteten. Der einzige, an den sie sich partout erinnern konnte. Sie hatte das Gefühl, nein sie wusste, dass gierige Mordlust in seinen Augen loderte. Jetzt in dieser Vision und auch damals bei der Verfolgungsjagd. Aber wieso? Was hatte sie getan, dass er sie umbringen wollte!? Sie war sich sicher, dass sie ihn zuvor noch nie gesehen hatte. Etwa weil sie sich verteidigt hatte? Das war ihr Recht. Niemand durfte ihr deswegen die Schuld geben. Dann bekam sie wirklich Angst als sie sah wie er voller Vorfreude sein Messer erhob – direkt vor ihrer Brust – und zustach! Genau in diesem Moment riss sie hellwach die Augen auf, konnte das Messer auf sich zustechen sehen und konnte ausweichen. In letzter Sekunde, konnte Hitomi sich noch zur Seite drehen. Mit so einer Geschwindigkeit, dass sie vom Bett fiel, so dass sie nicht sah wie das Messer nun kerzengerade in der Matratze steckte. Ihr blieb nicht viel Zeit um sich auszuruhen. Hitomi sah es als ihre einmalige Chance, als der braunäugige Mann verwirrt stammelnd das Messer wieder rauszog. Ihre Augen suchten verrucht nach ihrer Kampfausrüstung, ihrem Schwert inbegriffen und als sie es endlich fand, stand der Mann schon wieder vor ihr und grinste wieder so hämisch. Sie hatte nicht bemerkt, wie schnell er sich wieder gefunden hatte. Jetzt, schnell! Dachte sie zähneknirschend und bemerkte wie sehr ihr sein Grinsen auf die Nerven ging. Er hatte sein Messer eingesteckt, doch dafür lag jetzt ein gefährlicheres Schwert in seiner Linken Hand. Erneut holte er aus … und wiederum konnte Hitomi ausweichen, wenn man es denn so nennen konnte. Schnell hatte sie sich unter seinem Schlag durchgeschlängelt und war nach vorne zu ihrem eigenen Schwert gestolpert. Hitomi war dadurch, dass sie gerade erst aufgewacht war, noch etwas benommen. Sofort nahm sie aber ihre Schwertscheide, die sorgfältig mit all ihren anderen Sachen auf einem lag Tisch lag, in ihre Hände und rannte aus der Tür. Welche Gott sei Dank gleich neben an stand. Er verfolgte sie. Das konnte sie hören und sie konnte sich verdammt nochmal in ihrem Zustand nicht verteidigen. Sie musste so schnell wie möglich jemanden finden. Jemand, der ihr helfen konnte. Aber sie wusste nicht wo. Sie kannte sich hier einfach nicht aus. Wahrscheinlich befand sie sich irgendwo in einem Gang innerhalb des Pallas Palastes. Wenn dem so war, musste sich auch noch Allen hier befinden. Er konnte ihr ganz sicher helfen. Rennen war also die einzige Lösung. Sie musste so schnell rennen, wie es nur ging. „Du entkommst mir nicht!“ brüllte er von hinten und sie hatte eine Heidenangst, wie nah sich seine Stimme anfühlte. Sie versuchte ihre Schritte zu beschleunigen, doch da spürte sie schon einen schneidenden Schmerz am Rücken, so dass sie ihren Schrei nicht unterdrücken konnte und auf die Knie fiel. Sie hörte ihn kichern und es überraschte wie sehr es ihr ins Mark ging. Erst jetzt bemerkte sie ihren zitternden Körper. Sie drehte ihren Kopf leicht nach hinten und sah ihm verängstigt in die Augen, dabei vergrub sie ihre Fingernägel hart in den Teppichboden. Hitomi hatte nicht geglaubt, dass sie noch so empfinden konnte. Diese unglaubliche Angst, welche sich bald in eine Verzweiflung wandelte. Sie hatte gedacht Luca hatte sie schon genug abgestumpft. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln und sie wünschte sich nur noch weg von hier. Er kam ihr langsam näher, mit diesem idiotischen Gesichtsausdruck und dem blutenden Schwert in der Hand. Ihrem Blut. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als er das Schwert an seine Lippen ansetzte und er ihr Blut ableckte. Nein! Sie wollte nicht sterben. Auf keinen Fall. Sie musste hart schlucken, bevor sie ihr Schwert endlich aus der Scheide zog und mit dem Schwert Ende des Ganges lief. „W-Was?!“ hörte sie ihn stottern, aber Hitomi kümmerte sich nicht weiter darum und stürmte unbeirrt weiter. „Hey, Warte!“ Gerade als sie an einer breiten Steintreppe ankam, spürte sie seine Hand an ihrer Schulter, welche sie hinderte weiter zu laufen. Sie versuchte sich zu wehren und seine Hand weg zu schieben, doch es brachte nichts. Dann wie automatisch holte Hitomi mit ihrem Schwert aus und spürte wie sie weiches Fleisch traf. Er schrie, fluchte und währenddessen ließ er sie los. Sie versuchte die Treppe runter zu hasten, aber da ging es plötzlich so schnell. Sie stolperte und fiel. Hitomi konnte nur noch sein vor Wut verzerrtes Gesicht sehen, bevor sie hart aufschlug. Als Van wieder die Augen aufschlug, wusste er, dass sich nichts geändert hatte – zumindest nicht im oberflächlichen Sinne. Wenn ein völlig Fremder ihn beobachtet hätte, würde er wohl kaum glauben, dass er König eines Landes war. Van wusste ohne sich im Spiegel ansehen zu müssen, dass er einfach nur zu bemitleiden war. So fühlte er sich zumindest und so sah er mit absoluter Sicherheit wohl aus. Er war mit den Nerven am Ende und es wurde nicht besser. Wenigstens war er nun besser dran als vor ein paar Stunden. Nun saß die Majestät in irgendeiner Kutsche, welche ihn in den Palast Pallas bringen sollte und das brachte ihn Hitomi schon näher, so hoffte er. Seine Vorfreude daran wurde stark getrübt, da sich seine Stimmung seit dem Erhalt des Briefes um Welten verschlechtert hatte und dort war ja schon nicht mehr Friede, Freude, Eierkuchen gewesen. Er sah aus dem kleinen Seitenfenster. Dank dem Regen, befand sich fast keiner mehr auf den Straßen Pallas und so war es auch kein Problem ohne Zwischenfälle durch die Straßen zu galoppieren. Wohl ein Platzregen. Vielleicht hatte ihn der Himmel geschickt. Damit er keine Zeit mehr verlor Hitomi zu treffen. „Majestät?!“ verschreckte ihn eine tiefe Stimme, welche gleich ihm gegenüber saß. „Können sie mir nicht endlich verraten, wieso wir so schnell abreisen mussten…?“ „Sie mussten gar nichts. Das haben sie ganz allein für sich entschieden, “ unterbrach ihn Van harsch. Der andere schloss innerlich stöhnend seine dunklen Iris. „ Nun, das mag wohl stimmen Hoheit, dennoch mache ich mir große Sorgen. So etwas dürfen sie sich aus einer Laune aus nicht bestimmen… Sie sind König…“ „Ganz genau, ich bin König Fanelias. Nun genau genommen kann ich tun und lassen, was ich will, aber ich habe mich zurückgenommen. Nur für dieses eine Mal möchte ich meinem Wunsch nachkommen und das Königreich unter ihrer Aufsicht lassen, also deswegen frage ich sie jetzt, wieso sind sie um Himmels Willen mitgekommen? Sollte es nicht ihre Aufgabe sein, während meiner Abwesenheit für alles andere zu Sorgen?“ sagte Van mit fester Stimme und sah den Minister streng an. Dieser zuckte für einen kurzen Moment zusammen, doch Van bemerkte es sofort. Er wusste was für eine Wirkung er auf andere hatte, wenn er erstmals wütend geworden war. „E-Es tut mir Leid, Majestät, aber sie waren so schnell flugbereit, dass ich sie noch nicht einmal fragen konnte, wohin sie überhaupt wollen. Ich hatte Angst, dass sie…“ „Dass ich verschwinden könnte, Demetrios?“ Van war wütend und bestürzt. Hielt man so wenig von ihm? „N-Nein, natürlich nicht, aber hören sie Van… können sie mir versichern, dass sie niemals daran gedacht hätten?“ Van sagte nichts. „Sehen sie. Ich kannte ihren Vater Van. Auch er hatte es sehr schwer, bevor er ihre Mutter Varie traf. Wen Ich verspreche ihnen, wenn sie erstmals jemanden wie sie getroffen haben, wird alles besser.“ Demetrios sah ihm mitfühlend in die dunkel rot-braunen Augen. Van blieb noch immer stumm und sah nach draußen. „Ich glaube, ich habe sie bereits getroffen.“ „Wie?“ Für eine Zeit lang sagte niemand etwas und Van sah einfach nur auf die Regentropfen, die leise an das Glas klatschten. „Sie kennen Hitomi sicher noch. Sie ist das Mädchen vom Mond der Illusionen, doch gerade scheint sie sich bei Königin Millerna in höchster Lebensgefahr zu schweben.“ Demetrios riss geschockt die Augen auf und dann schien er plötzlich um Jahre gealtert. Jetzt lächelte er, gerade als der Wagen stehen blieb. „Kümmern sie sich nicht um ihre Pflichten, weder um die Menschen noch das Land. Ich werde mich um alles in ihrem Namen kümmern und währenddessen bleiben sie hier. So lange, wie sie die Zeit benötigen.“ Diesmal war Van überrascht. „A-Aber ich kann sie doch nicht alles machen lassen“, wollte er sich rechtfertigen. „Genau, das wirst du tun, Van. Das schuldest du dir, wenigstens dir. Ich schäme mich, wie wenig ich mitbekommen habe, aber nun möchte ich dir helfen.“ Dann öffnete er die kleine Tür und bedeutete dem König somit endlich auszusteigen. Van lächelte seinem alten Freund und Berater noch ein letztes Mal zu, bevor er absprang. „Danke, Demetrios.“ Van sah der Kutsche nach, als sie ohne ihn wieder um die nächste Ecke verschwand. Trotz der unglaublichen Anspannung, die in ihm herrschte, fühlte er zum ersten Mal wieder ein Gefühl der Freude in ihm. Er war frei, nur für Tage, oder ein paar Wochen, aber nun standen ihm keine Verpflichtungen, doch die Freude wurde durch den Gedanken an Hitomi sofort zerschmettert. „Vaaaaannn…?!“hörte er laut seinen Namen Rufen und er wusste es konnte nur jemand sein, die ihn so rief. Kaum hatte er sich zu ihr umgedreht, hatte er schon eine aufgelöste Merle an seinem Hals. „Van, endlich, endlich … bist du da!“ Leicht strich er mit der Hand über ihr Haar und versuchte sie zu beruhigen. „Ich wusste, dass du alles Stehen und liegen lassen würdest, du bist endlich da, Van!“ Langsam löste sie sich von ihm, hatte aber ein einmaliges Lächeln auf ihrem Gesicht und es linderte seine Furcht um Hitomi’s Tod ein wenig. Er konnte kaum glauben, dass er überhaupt an so was dachte. „Merle“, sagte er. „Wie geht es ihr?“ Sie zögerte für einen Moment, hatte aber noch immer das Lächeln auf ihren Lippen, so dass er stark zweifelte ob es wirklich schlechte Neuigkeiten gab. „Millerna sagt sie wird bald wieder auf den Beinen sein.“ Er schien die Information nicht gleich aufzunehmen. Seine Gedanken drehten sich und Merle’s einzelner Satz spukte in seinem Kopf, trotzdem schien er es gar nicht richtig zu realisieren. „Van?“ Sprach sie zu ihm. „Hast du nicht gehört, Hitomi wird es wieder besser gehen.“ Er reagierte nicht und langsam machte sie sich ernsthaft Sorgen. Zudem er ziemlich blass aussah. „Van?“ Plötzlich wurde sie harsch an den Schulter gepackt und kurz schrie sie auf. „Hitomi geht es gut! Merle, du machst mir auch nichts vor?! Bitte sag mir, dass es ihr wirklich wieder besser geht…“ Sie musste leise kichern. Ja, sie hatte ihn vermisst und zum ersten Mal seit Jahren, verstand sie erst wie weit seine Gefühle für sie gingen. „Ja, Van. Im Moment schläft sie noch, aber wenn du willst können wir zu ihr, vielleicht ist sie jetzt auch schon aufgewacht.“ Sie nahm ohne Widerworte seine Hand und zog ihn hinter sich her ins Königshaus. Er ließ sich einfach ziehen, wusste nicht, was er sonst noch erwidern könnte. Jäh spürte er wie eine riesen Anspannung, die ihn seit Stunden beherrschte, endlich von ihm wich. Er wusste, dass erst jetzt sein Unterbewusstsein überhaupt wahrgenommen hatte, dass Hitomi bald wieder auf den Beinen war. Doch jetzt konnte er es nicht mehr erwarten sie endlich zu sehen, nach endlosen 6 Jahren - vielleicht würde sie noch schlafen, aber das war egal. Van durfte sie endlich wieder sehen. Er musste ehrlich zugeben, dass er nicht mehr daran geglaubt hatte, aber nun sollte es wahr werden. In wenigen Minuten würde er sie sehen. Sein Ein und Alles. Kurz fragte er sich, wie sehr sie sich wohl verändert hatte, aber dann wurde ihm klar; das war doch egal. Sie würde so oder so wunderschön sein. Sein Herz schlug wie verrückt und langsam spürte er auch wie sein Magen vor Aufregung rebellierte. Er drückte Merle’s Hand um sich erstens selbst davon zu überzeugen, dass er all das nicht träumte und zweitens, dass er seinen Verstand nicht verlor und einfach ohnmächtig wurde. Merle schaute kurz zurück, lächelte dann aber als sie ihn so sah. Sie konnte es nicht glauben. Vorhin schien er noch leichenblass, doch jetzt wo er wusste, dass Hitomi nicht sterben würde und er jeden Moment bei ihr sein konnte, schien er innerlich zu strahlen. Er lächelte nicht, aber Merle wusste, dass er so glücklich war als könnte er Luftsprünge machen. Sie wusste es, dass einzige was seine kranke, geschundene Seele benötigte war Hitomi, das war alles. Das Katzenmädchen blieb stehen als sie sah, wie ihnen Millerna und Ritter Allen entgegenkam. „Allen, Millerna! Seht mal wer hier ist! Was hab ich euch gesagt!“ Merle grinste selbstüberlegen. Van versuchte seine Worte, die ihm im Hals stecken blieben, für sich zu behalten. „Van!“ rief Millerna überrascht. „Es ist schön dich zu sehen“, ergänzte Allen mit einem höflichen Nicken. Allen war ebenso wie Millerna überrascht. Er hatte nicht gedacht ihn so bald hier zu sehen. Er hatte gewusst, dass es schnell gehen würde, aber so schnell?! Aber anderseits freute er sich, dass es Hitomi nun besser als in den anderen Tagen ging. Er wollte Van diesen Anblick wirklich ersparen. In den letzten Tagen hatte sie wirklich schlimm ausgesehen und nicht nur einmal hatte er Angst gehabt. „Ebenso“, sagte auch Van, versuchte schnell zur Sache kommen und die ganze Begrüßung, nicht allzu höflich gestalten zu lassen. So dauerte es nicht lange und die Gruppe ging des Weges weiter, obwohl sie nun wenige Personen mehr waren. Schweigen herrschte eine Zeitlang zwischen allen und sogar die aufgedrehte Merle ließ alle in Ruhe. Gerade als sie einen engen Gang entlang liefen, ertönte ein markerschütternder, hoher Schrei. Sofort blieben alle stehen. Hitomi!, durchzuckte es ihn in Gedanken. „W-Wer war das?“ schrie Merle aufgewühlt. Das konnte einfach kein Scherz gewesen sein. Die anderen schauten verwirrt umher, doch wie sollte man sich auch hier verstecken?! Es musste ein Stock höher gewesen sein und Van wurde das Gefühl nicht los, das es Hitomi’s Schrei gewesen war. Augenblicklich als er nach vorne stürmen wollte und dem Schrei auf den Grund gehen wollte, spürte er ein eisiges Gefühl, dass nicht ihm zu gehören schien. Hitomi! Etwas, was er seit einem Jahr vermisst hatte. Sie schien Angst zu haben. Fürchterliche Angst, das ihn schaudern ließ. Nun war er sich fast vollkommen sicher, dass sie es war, die geschrien hatte und dann rannte er schon, kaum das er sich dem bewusst war. „Van!“ hörte er Merle hinter ihm rufen, doch es kümmerte ihn nicht und er nahm an, dass sie ihm folgten. Nach weniger als einer Minute, sah er eine riesige Treppe, die in den nächsten Stock führte, aber gerade als er diese hoch steigen wollte, blieb er wie erstarrt stehen. Van war sich jetzt nicht mehr sicher, ob er seinen eigenen Augen trauen konnte. Es zerriss ihm beinahe das Herz. Endlich sah er sie, aber unter diesen Umständen, fragte er sich wirklich, ob es nicht besser wäre alles nur zu träumen. Sie lag auf einem Treppenabsatz im oberen Berreich und irgendwie wusste er einfach, dass sie es war. Außerdem schien das Gefühl nur noch tausend Mal stärker. Ein bösartiger Mann beugte sich über sie und hatte ein blutverschmiertes Schwert in der Hand. Van hatte eine Ahnung, dass er nicht guter Natur war. Plötzlich grinste er und hob das Schwert an. „Hitomi!“ schrie er ihren Namen, ohne darüber nachzudenken. Wie sollte er sie bloß retten?! Als Hitomi beim erst besten Treppenabsatz endlich liegen blieb, konnte sie sich nicht bewegen – noch aufstehen! Wie denn auch! Ihr ganzer Körper schmerzte, jetzt noch mehr als zuvor und das spürte sie an ihrem Rücken am besten. Sie schlug sich für ihre Dummheit innerlich selbst. Wieso musste sie in solchen misslichen Situationen auch so tollpatschig sein! Typisch Hitomi, würde Yukari sagen. Da gab sie ihr wohl ungern Recht. Dann hörte sie Schritte, wohl von dem, wofür sie ihre neuste Wunde hatte. Hitomi versuchte langsam ihren Blick zu heben und Überraschung… sie lag richtig. Nicht gut. Er schien wütender als vorhin. War wohl ihre Schuld, denn jetzt sah sie wie er die Wunde an seiner Seite hielt, die sie ihm wohl ausversehen zugebracht hatte. Jetzt stand er genau über ihr und grinste wieder. Konnte er eigentlich je aufhören zu grinsen?! Hatte ihm nie jemand gesagt, wie nervig das war? Wohl nicht. Sie sollte es versuchen. Als sie ihren Mund öffnete und ihm endlich die Meinung geigen wollte, kamen die wenigen Worte einfach nicht über ihre Lippen. Sie blieben ihr im Hals stecken. Hitomi hatte keine Ahnung wieso. Langsam beugte er sich zu ihr herab und sah ihr kalt in die Augen. Er wäre fähig sie durch einen Schlag völlig außer Gefecht zu setzen und er wäre nicht feige es durch einen Stich ins Herz zu tun, das war ihr bewusst. Er zog sein Schwert in ihr Sichtfeld, so dass sie es gut erkennen konnte. „Siehst du das?“ flüsterte er leise. „Durch dieses Schwert wirst du endgültig verrotten. Es gehörte meinem besten Freund, dem der du deins hinterrücks in den Rücken gestochen hast! Es hat ihn getötet, wusstest du das?! Jetzt wirst auch du sterben! Verabschiede dich schon mal von allen die du liebst!“ Dann sah Hitomi wie er es senkrecht hielt und die Spitze genau auf ihren Brustkorb zeigte. Merkwürdigerweise fühlte sie keine Angst, die sie in diesem Moment wohl empfinden sollte, jedenfalls nicht die Todesangst, eine andere Angst. Sie fürchtete Van nie wieder zu sehen. Das war alles. Sie fürchtete sich davor nie wieder sein Gesicht zu sehen und ihm zu sagen, was sie für ihn empfand. Sie war doch so weit gekommen, wieso war sie jetzt so schwach und konnte diesen einen Kerl nicht bezwingen?! Dann genau auf diese Sekunde, ließ er das Schwert hinabsausen – und auf die gleiche Sekunde hörte sie seine Stimme, er rief nach ihr und dann zwang sie sich plötzlich nicht so leicht aufzugeben. Der Mann schien plötzlich ein wenig verwirrt, dass konnte sie sich einfach nicht zusammenreimen aber es gab ihr Zeit. Ihr Schwert, das immer noch in ihrer Hand lag, hob sich und die Spitze fiel genau auf die Schwertkante. Wie auch sie, war er auch überrascht. Alles weitere was geschah, ging zu schnell um es wirklich ausführlich zu erklären. Sie versuchte mit ihrem sein Schwert wegzuschlagen. Es gelang ihr, obwohl sie sich nicht sicher war, wie. Dann wollte sie einfach nur noch irgendwie weg. Da sie nicht aufstehen konnte, blieb ihr nur eine Möglichkeit. Mit aller Kraft, die sie noch hatte, stoß sie sich vom Boden und rollte wieder die Treppe runter. War wohl besser so, auch wenn ihre Schmerzen nun verschlimmert wurden, denn als sie auf einem weiteren Treppenabsatz wieder liegen blieb sah sie, wie sein Schwert nun im Boden steckte. Er war wohl wütend, stinkwütend. Das konnte sie sogar unter ihrem verschwommenen Sichtfeld erfassen. Er rannte runter, hatte sein Schwert in der Hand, bereit zu töten und dann als er eigentlich gleich neben ihr stand, wurde sein Schlag von jemanden anderen abgeblockt, doch nicht von ihrem Schwert. Also von wem? Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, wahrscheinlich müsste sie ihres nur ein wenig heben, aber dafür reichte ihr nicht die Kraft. Hitomi sah nur Beine und nach einer Sekunde kam noch ein weiteres Paar dazu. Nach einer Weile - sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war- kniete sich jemand neben sie. Noch immer fragte sie sich wer es wohl war. Allen? Das konnte gut sein, immerhin wäre es ihm ein leichtes so einen Schwertkämpfer zu besiegen, außerdem war er gerade im Haus. Etwas in ihr, weigerte sich aber diesen Unbekannten als Allen zu identifizieren. „Hitomi?“ fragte die Stimme des Unbekannten leise, so dass sie sich ziemlich sicher war, dass nur sie ihn hören konnte. Seltsam, für sie klang die Stimme einladend, warm und sanft. „Geht es dir gut?“ Aha, das bedeutete er kannte sie und sie hatte ihn schon mal getroffen. Er strich ihr leicht übers Haar, bevor er sich über sie beugte und sie ihm endlich in die Augen sehen konnte. Sie konnte nicht sagen, ob sie wirklich überrascht war. Sie konnte einfach nicht sagen, was sie gerade fühlte. Vielleicht Leere? Sie wusste es nicht, und doch erkannte Hitomi, dass sie so unscheinbar glücklich wie schon sehr lange nicht mehr war. „Van…“ Kapitel 6: IX - Neun der Stäbe ------------------------------ Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Ich scheine mich in einem immer währenden Traum wieder zu finden. Einige Tage Später, scheint auch Merle Van bereits mein Zustand geschrieben zu haben. Er ist sofort auf dem Weg zu mir. Millerna berichtet Merle und den anderen auch endlich, dass ich mich bessere und ich schon bald wieder auf den Beinen bin. Nachdem sie gegangen sind, scheine ich das erste Mal aufzuwachen. Später scheine ich im Schlafen wieder Visionen zu erleben. Es schockt und überrascht mich. Jemand will mich töten und ich habe ihn nicht das erste Mal gesehen. In letzter Sekunde wache ich auf und kann ausweichen. Ich renne mit meinem Schwert weg, doch er verletzt mich durch einen tiefen Schnitt im Rücken. Noch immer kann ich weglaufen, obwohl ich für einige Minuten wie erstarrt war. Doch wieder hält er mich auf und ich falle die Treppe runter. Van scheint inzwischen in Pallas angekommen und auch sein Berater gibt ihm endlich seinen Segen hier bei mir zu bleiben. Merle trifft ihn als erstes und mit Millerna & Allen machen sie sich auf dem Weg zu mir. Doch kurz bevor hören sie einen fürchterlichen Schrei. Van glaubt meiner und rennt. Als er mich sieht, kann er es fast kaum glauben und mit seinem Ruf rettet er mir das Leben, wieder einmal. Die Nacht war bereits eingebrochen, als sie Hitomi in ihr Bett legten und sie zudeckten. Nach und nach verließen alle das überfüllte Zimmer - außer einer. Van war ihr in keiner einzelnen Sekunde von der Seite gewichen. Sanft hielt er ihre rechte Hand und saß neben ihr, ohne einmal seinen Blick von ihr zu lassen. Er konnte beinahe nicht glauben, wie schön sie war, auch wenn sie ein wenig blass schien. Nun waren ihre stechend grünen Augen geschlossen, doch er konnte sich noch so gut erinnern, wie ihre Smaragde gestrahlt hatten, als sie seine zum ersten Mal erblickt hatten, dass es ihm ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Er erinnerte sich gerne an die letzten Stunden zurück und einzig die Gewissheit, dass er wieder ihre strahlenden Augen sehen durfte, schenkten ihm die Erinnerungen mit großer Wonne. Wie gerne würde er wie Stunden zuvor wieder ihre Stimme hören. Sie übertraf alles, was er je zuvor gehört hatte. Er hatte vergessen, wie einmalig ihre Stimme klang. Das schönste und bezaubernste, was er jemals gehört hatte. Hitomi hatte nur seinen Namen geflüstert und doch war es ihm vorgekommen als wäre in dem Moment die Welt stehen geblieben. Er war nicht fähig gewesen etwas zu erwidern. Warum, wusste er selbst nicht genau. Aber wobei er sich ganz sicher war, dass er der glücklichste Mensch auf Erden gewesen war als sie ihn leicht angelächelt hatte. Doch als es plötzlich erstarb und sie in seinen Armen zusammensackte, wäre er fast wahnsinnig geworden. Sie jetzt zu verlieren, dass hätte er einfach nicht verkraftet und da er es nicht musste, dankte er innerlich jeden Gott, den er irgendwie kannte oder von dem er gehört hatte. Millerna hatte ihm versichert, dass sie in wenigen Stunden oder auch Minuten aufwachen würde. Deshalb durfte er ihre Seite nicht verlassen, selbst wenn er es gewollt hätte. Fast musste er auflachen als er an die weiteren Minuten dachte. Es war beinahe belustigend, In betracht dessen, wie er von Millerna behandelt wurde, immerhin war er eine geachtete Person. Wäre Van nicht in so einer Situation gewesen, wäre er darüber wohl wirklich verwundert gewesen, doch da er sich weiß Gott, andere Gedanken machte, hatte er nichts dagegen getan. Er erinnerte sich, noch ganz genau, wie er sich in diesem Augenblick gefühlt hatte. Für einige Sekunden lang, hatte sich alles in seinem Kopf wie verrückt gedreht. Es war als läge Van in einem Trancezustand. Er war einfach nicht fähig gewesen irgendetwas Hilfreiches zu tun. Er hatte Hitomi endlich wieder in seinen Armen und da wurde sie auch schon ohnmächtig - irgendetwas Ironisches lag in der Sache, nicht wahr?! In diesem Moment hatte Millerna die Kontrolle übernommen und ab diesem Zeitpunkt hatte er erst wirklich wahrgenommen, dass sie Königin von Asturia war. Er hatte in ihr nie, die strenge, hochachtungsvolle Rolle der Königin gesehen, das war eher für Dryden gedacht, vielleicht weil er sie nie in ihrem Schloss gesehen hatte, oder einfach weil er seit Jahren nicht mehr zu Besuch gewesen war. Wenn er länger darüber nachdachte, tat ihm das jetzt Leid. Aber vor ein paar Stunden hatte ihn das nicht gekümmert. Vergessen war die Tatsache, dass sie ihn heftig von ihr geschubst hatte und ihn sogar angeschrien hatte, denn ganz allein ihr hatte er es zu verdanken, dass Hitomi noch lebte. Van war ihr etwas schuldig, mehr als er es in Worte fassen konnte. Würde sie jemals etwas von sich aus begehren, würde Millerna es bekommen, aber er zweifelte stark daran, dass sie etwas wollte, was sie noch nicht hatte. Sie hatte einfach schon alles, was man haben konnte. Er dachte daran, wie es weitergegangen war. Millerna hatte Hitomi behandelt und als er sie in einen geschützten Raum brachte, wollte sie ihn unbedingt raus, doch er hatte sich strikt geweigert. Sie war stur gewesen, doch er sturer und dann hatte sie wohl erkannt, dass Hitomi’s Leben auf dem Spiel stand. Sie hatte ihn seufzend reingelassen und ehrlich gesagt, war es wirklich schmerzhaft gewesen mit anzusehen was Millerna alles tat um Hitomi zu retten. Doch es hatte sich gelohnt, wenn es auch Stunden gedauert hatte. Hitomi lebte. Luca wusste, dass dieses Gespräch Unangenehm werden würde und das erkannte man nicht nur an ihrer angespannten Haltung, sondern weil sie immer wieder alle Wände des dunklen Saales überquerte. Dabei biss sie sich die ganze Zeit fest auf die Lippen und ballte ihre Hände zu Fäusten. Einzig ein paar glühende Fackeln erhellten den trüben Raum. Luca, die einzige im Saal, kümmerte es nicht und blieb in der Mitte plötzlich stehen. Wohl gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn kaum eine Sekunde später, öffnete sich die Tür vor ihr. Sofort kniete sie sich runter und zollte so ihre Beugsamkeit. Der eher schmächtige Mann, setzte sich auf einen großen, prunkvollen Stuhl – man konnte ihn wohl schon als Thron bezeichnen - der auf einer Art Altar stand. Durch eine Handbewegung seinerseits, erhob sie sich wieder und versuchte ihre emotionslose Maske beizubehalten, doch Luca zweifelte nicht daran, dass diese je länger sie ihn ansah, bröckelte. Sie wollte sich entschuldigen, ihr ganzes Herz bei ihm ausschütteln, aber sie durfte nicht. Er hatte keine Ahnung, dass sie seinen Befehl einfach missachtet hatte. So was hatte sie noch nie getan, noch nicht mal gewagt, je an so was zu denken. Sie hatte fürchterliche Angst, was er tun würde, wenn er davon erfahren würde. Luca wusste nicht ob er es schon wusste, denn wenn man es seinem Gesicht ablas, war er jetzt schon stinkwütend. Sie sah nur auf den harten Steinboden, etwas anderes riskierte sie nicht. Viel zu große Angst, hatte sie vor irgendeinem Ausbruch seinerseits. Oh, verdammt, er weiß es... „Luca!“ Abrupt zuckte sie zusammen und starrte doch noch immer auf den Boden. „Sieh mich an!“ erklang seine wütende Stimme und jetzt war sie sich wirklich ziemlich sicher, dass er ihren Verrat kannte, also hob sie ganz langsam ihr Haupt und versuchte ihr innerliches Durcheinander zu verbergen. Seine grünen Augen bohrten sich fast in ihre und sie hatte das Gefühl, als könnte er ihr bis tief in die Seele schauen. Ein erzitternder Schauder lief ihr über den Rücken. Er stand ganz langsam auf und lief die wenigen Stufen, der Treppe runter und genau einige Zentimeter vor ihr blieb er stehen. Sie sah ihrem Herr und Gebieter direkt in die Iris. So sehr sie sich seinem Blick auch entziehen wollte, Luca konnte es nicht. Er war verletzt, dass wusste sie. Er musste es nicht sagen, denn für sie war es klar, obwohl er es hinter seinem nüchternen Gesicht perfekt verbarg. Urplötzlich legte er seine Hand sanft auf eine ihrer blassen Wangen und sah ihr für einen Moment einfach in die Augen, fast unerträglich schien es. „Ich bin enttäuscht“, sagte er nun die unbestrittene Tatsache aus. „Aber ich nehme an, dass weißt du schon.“Sie öffnete den Mund bereit zu antworten, aber dann bekam sie jäh Angst, dass kein Ton ihren Lippen entfloh, also nickte sie nur knapp. Endlich ließ er sie los, setzte sich stattdessen auf eine der Stufen, während sie weiter einfach steif dastand und ihn beobachtete. Er sah wieder hinauf zu ihr und sein Blick tat fast schmerzhaft weh. „Weißt du ich habe mich ehrlich gefreut, sie endlich zu sehen und in ihre grünen Augen zu blicken.“ Luca hatte das Gefühl, als würde er in Erinnerungen schwelgen, aber sie hatte keine Ahnung in welchen. „Ich nehme es dir nicht übel“, sagte er leise und seine Stimme hatte wieder einen harten, verbitterten Klang. „Ich weiß ja, was dieses Mädchen mit Menschen anstellen kann, egal ob Mann oder Frau. Aber ich kann dir nicht sagen, dass ich es niemandem Übel nehme.“ Wieder erklangen die angst- und schmerzerfüllten Schreie, die Mal zu Mal einige Sekunden still blieben und dann wieder drauflos schrien. Doch nun war ihr klar, wessen Lärm sie hörte. Sie zuckte zusammen als ihr klar wurde, dass ganz allein sie schuld an dessen Schmerzen war und das eigentlich sie an derer Stelle wäre. Aber dann war sie plötzlich überrascht, dass ihr das vollkommen egal war. Luca kannte keinen von ihnen, das einzige was sie wusste, dass diese Menschen ihren unverzeihlichen Fehler ebenfalls nicht richtig gemacht hatten - insgeheim war sie froh deswegen. Deshalb war er innerlich so wütend und sonnte sich in den verzweifelten Geschrei, den man sogar hier oben im Saal hören konnte. Es war außergewöhnlich. Nun ja, das war wohl falsch ausgedrückt. Sie sollte wohl sagen, es war einfach nicht seine Art so zu… töten! Er bevorzugte es schnell und schmerzlos. Das musste bedeuten ihm war Hitomi wirklich wichtig und irgendwie war sie eifersüchtig, dass sie solche Aufmerksamkeit erhielt, obwohl Hitomi es nicht mal wusste. Stunden mussten wieder einmal vergangen sein, wie Van überflüssigerweise bemerkte. Er hielt, wie wahrscheinlich zuvor auch, immer noch ihre Hand und sah ihr einfach still ins engelsgleiche Gesicht. Sein Herz schlug noch immer so schnell und es überraschte ihn, dass es niemals aufgehört hatte ruhiger zu schlagen. Schlagartig als er eine kaum wahrnehmbare Berührung spürte, hielt er es zuerst auch nur für eine Phantasie seinerseits. Aber als es nochmal passierte, war er sich vollkommen sicher. Hitomi’s Hand hatte gerade gezuckt und erst jetzt bemerkte er die ebenfalls zuckenden Lider. Sie würde jeden Moment aufwachen! Er hielt den Atem an und starrte noch intensiver auf Hitomi’s geschlossene Lider und dann endlich konnte er ihr in die einzigartigen Smaragde blicken. Er war zu nichts fähig. Er starrte einfach weiter und beobachtete wie sich ihre Iris hin und her im Zimmer umsahen, bis sie plötzlich ganz allein ihn in Augenschein nahmen. Hitomi war wie erstarrt und obwohl ihr Kopf pochte, konnte sie sich nicht von dem Bild losreißen. Sie glaubte nicht recht daran. Was da wirklich geschah, konnte nur eine Vision sein. Wo auch sonst begegnete sie Van so wie jetzt! Das konnte einfach nicht wahr sein. Erst als sie einen leichten Händedruck spürte, bemerkte sie, dass ihre Wunschvorstellung ihre Hand hielt. Sie weitete abrupt ihre Augen. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie spürte ihn und es fühlte sich so echt an, dass sie stark daran zweifelte in einer blöden Vision zu stecken. Wieder durchbrach ein einziger Gedanke Hitomi‘s Wirrwarr von Gefühlen. Oh bitte, ich will nicht träumen, lass mich bitte in keiner Vision sein. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln, während sie versuchte ein paar Mal zu blinzeln. Hitomi drückte seine Hand, versuchte festzustellen ob es wirklich echt war. Die Tränen rannen nun, da sie sich nun absolut sicher war in Van’s rot-braune Augen zu sehen. „Van“, sagte sie leise, doch in Wahrheit kam nur ein Krächzen aus ihr raus. Doch Van war egal, wie ihre Stimme klang. Es machte ihn noch glücklicher, als er es vor ein paar Stunden gewesen war. Sie hustete ein paar Mal und versuchte es nochmal. Diesmal klappte es und wäre es nicht zu anstrengend, hätte sie auch noch gelächelt. Van betrachtete dabei besorgt ihr tränenreiches Gesicht, tat aber nichts, hatte Angst dabei alles zu zerstören. Langsam versuchte sie sich aufzusetzen und sofort war er an ihre Seite getreten und half ihr, bis sie es geschafft hatte. Hitomi sah ihm dabei die ganze Zeit in die Augen. „H-Hitomi“, hauchte er leise und sofort bemerkte sie die Reaktion darauf. Ihr Herz hämmerte so laut in ihrer Brust, dass sie Angst hatte er könnte es hören. Seine Hand hob sie und strich ihr dann sanft die Tränen aus ihrem Gesicht. Es ließ ihre Wangen glühen. Sie wollte nur noch eins, wie sie es langsam in ihrem Innern drängend spürte und damit umarmte sie ihn fest. Nach einigen Sekunden konnte sie auch seine Arme um sich spürten. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie in dem Augenblick einfach nur komplett. Nie zuvor war ihr das klarer gewesen. Erst jetzt fiel ihr auf wie groß ihre Sehnsucht nach ihm gewesen und sie war sich sicher, dass sie deswegen noch gut davon gekommen war. Wie lange sie auf dem Bett so dasaßen, wusste sie nicht. Hitomi’s Zeitgefühl war vollkommen aus ihr gewichen, doch als sie sich langsam, fast wie in Zeitlupe langsam lösten, konnte sie endlich lächeln, ganz allein für ihn. Es schien als sollte der Moment danach ewig andauern, doch so sollte es wohl doch nicht sein. Denn gleich darauf erklang eine hohe Stimme, welche sich an Van wegdrängte und Hitomi stürmisch in die Arme nahm. Diese konnte gar nicht so schnell reagieren und war zuerst einfach nur geschockt. Dabei bemerkte der Übeltäter nicht einmal, dass er den König Fanelias auf den harten Teppichboden beförderte. Dieser stand murrend auf und fauchte mit den Händen an die Hüfte gestemmt: „Merle!“ Die eher zierliche Katzenfrau zuckte darauf zusammen und drehte sich langsam zu ihm um. Unschuldig kratzte sie sich am Hinterkopf und grinste. „Hey Van, was machst du denn da?! Hast du gesehen Hitomi ist endlich aufgewacht.“ Dieser verdrehte darauf die Augen. „Ja, das habe ich auch schon bemerkt.“ Gerade als Merle noch was erwidern wollte, hielt sie abrupt durch ein Kichern inne. Hitomi hatte alles leise mit verfolgt und es brachte sie zum Lachen, dass zwischen den beiden noch immer diese Lockere Stimmung herrschte. Beide sahen sie lächelnd an, worauf Hitomi sie dann fragend ansah. „Was ist?“ Merle grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Nichts.“ Hitomi ließ es dabei und bemerkte, dass sie nun viel kräftiger als vorhin war. Wie nebenbei hörte sie, wie Van Merle wegschickte und wie sie ihr noch einen Kuss auf die Wange gab. Dann setzte sich Van wieder neben sie. „Alles in Ordnung mit dir?“ Leicht lächelte sie und sah ihn beruhigend an. „Es ging mir nie besser.“ Van nahm ihre Hand und küsste sanft ihren Handrücken. „Das ist wundervoll“, hauchte er leise. Tränen schossen ihr wieder in die Augen und sie vermag es nicht einmal sie aufzuhalten. „Ich… Ich bin so glücklich und ich…“ Hitomi wurde jäh von ihm unterbrochen, indem er einen Finger vor ihren Mund hielt. „Shh… bitte sag jetzt nichts, lass mich dich einfach noch einmal fest umarmen.“ Somit tat er es und sie ließ sich auf seine harte Brust sinken. Sie wünschte sich immer so zu bleiben, für immer bei ihm zu sein. Es überraschte sie wie laut Van’s Herz in seiner Brust hämmerte. Es war beinahe so schnell wie ihres und das machte sie einfach nur überglücklich. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich nur auf den Klang seines Herzens. EinigeTage Später Hitomi atmete erleichtert die frische Nachtluft ein. Sie sah vom marmornen Balkon hinab auf den prächtig geschmückten Garten. Seufzend lehnte sie sich mit verschränkten Armen an die Brüstung und ließ leicht den Kopf hängen. Niemals zuvor hatte sie sich so sehr gewünscht Alkohol in sich aufzunehmen, wie jetzt. Aber das Problem war, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie so leicht wie auf der Erde wirklich schmeckbares bekommen konnte. Nun ja zumindest nicht ihren Lieblingsdrink und wie sie hier aus dem Palast rauskam, wusste sie auch nicht ganz recht. Sie wurde fast wie eine Prinzessin bewacht. Zu Anfang fand sie es ja noch ganz schmeichelhaft, doch nach einiger Zeit wurde es nur noch anstrengend. Hitomi fand ja, dass das alles unnötig war, denn immerhin hatte sie niemand seit dem Vorfall je wieder angegriffen. Sie hatte versucht die anderen davon zu überzeugen die hohe Maßnahme fallen zu lassen, aber keine Chance, nicht einmal Merle hatte sich überreden lassen, wobei sie gedacht hatte, diese würde sie am liebsten alleine raus lassen. Normalerweise befand sich zu jeder einzelner Minute jemand bei ihr, doch als sie ein wenig laut wurde, hatte man sie endlich allein gelassen und stand sie hier. Die ersten Minuten war sie so erleichtert, wie schon lange nicht mehr. Es hatte sich so gut angefühlt nicht in stetiger Gesellschaft zu sein. Immerhin brauchte jeder Mal – mindestens einmal pro Tag – Zeit für sich und das war ihr bis jetzt verwehrt geblieben. Doch je länger sie alleine war, desto mehr Gedanken konnte sie sich machen und dann kam plötzlich der Punkt, bei dem sie sich an die letzten Tage zurück erinnerte. Es war schmerzhaft, doch dann tauchte jäh ein Bild vor ihren Augen auf, dass sie innerlich erzittern ließ. Es war der zweite Brief den sie von Darius bekommen hatte. Sie wusste, dass da etwas stand, dass ihr nicht gefallen würde und nur deshalb fürchtete sie sich davor. Bisher hatte sie es gut genug verdrängt und bisher war sie noch nicht alleine gewesen um den Brief zu lesen, doch jetzt schien der perfekte Zeitpunkt. Sie wollte ihn nicht öffnen und HItomi wusste, dass sie ihn nicht lesen wollte, trotzdem musste sie es tun. Der Brief war vielleicht Lebenswichtig auch wenn es ihr nicht gefiel. Sie drehte sich um und lief nach einigen Sekunden auf ihre Tasche zu. Zum Glück hatte niemand ihre Sachen durchsucht, fast schon überraschend für Merle, aber sie sollte froh sein. Sie nahm den Brief heraus und für einen Moment sah sie ihn nur an. Selbstzweifel plagten sie, welche Hitomi mit einem Kopfschütteln verdrängte. Es klappte einigermaßen und gerade als das Mädchen den Umschlag aufschneiden wollte, klopfte es an der Tür. Erschrocken zuckte sie zusammen und verstaute den Brief schnell wieder in ihre Tasche. Noch ein letztes Mal atmete sie einmal tief ein und aus, bevor sie harsch die Tür aufriss. Eine junge Frau, etwa Hitomi’s Alter, wahrscheinlich etwas jünger, blickte sie mit schüchternen großen, blauen Augen an. „Sae. Was ist los? Was bringt dich zu mir?“ Fragend sah Hitomi fast drängend zu ihr. Nervös kaute diese auf ihre Unterlippe und sah abwechselnd auf und ab. „E-Euer Dinner sollte jeden Moment serviert sein. Königin Asturia’s fragt um ihre Anwesenheit.“ Wenige Sekunden blickte sie auf das scheue Mädchen und dann tat es ihr auch schon wieder leid, dass sie sie so barsch behandelt hatte. Hitomi wusste doch, dass es mit ihr schwierig war. Sie konnte ja nichts dafür, dass sie im Moment ein wenig gereizt war. Bevor sie leise die Tür schloss, betrachtete Hitomi noch einmal ihre Tasche indem der Brief verstaut war, und wandte sich dann dem blonden Mädchen zu. „Tut mir leid, Sae. Ich bin im Augenblick nur… etwas reizbar. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.“ „H-Habe ich nicht“, antwortete das ängstliche, zierliche Mädchen auch prompt. „Ich war nur ein wenig erschrocken.“ Gleichzeitig machten sich beide auf dem Weg in den Speisesaal. Hitomi musste leicht schmunzeln, als sie daran dachte, wie es zu Anfang gewesen war als sie Sae kennengelernt hatte. Bei ihrer ersten Begegnung hatte Sae sie nicht einmal angesehen, doch Hitomi hatte sie schnell ins Herz geschlossen. Sie war ein unsicheres, süßes Mädchen dem niemand was zu Leide tun konnte und obwohl sie es nicht mal ahnte, war sie deshalb so zwingend liebenswert. Sie musste schreckliches erlebt haben, wenn sie solche Angst vor einer Fremden zu haben schien – oder sie hatte einfach Angst vor ihr! – der in die Zukunft sehenden Hexe vom Mond der Illusionen. Sie hatte erfahren, dass man sie unter anderem so nannte; wohl in ganz Gaia, doch ehrlich gesagt war ihr das wirklich piepegal. Was kümmerte sie es auch, was die Leute von ihr dachten oder wie andere sie nannten. Nach und bestimmt auch während dem Krieg hatten diese irrsinnigen Gerüchte angefangen. Wie auch immer, jedenfalls war Sae ihr nun als Zofe unterstellt. Hitomi hatte sich wirklich strikt geweigert und alles Mögliche versucht um es abzulehnen, aber auch hier war ihre Mühe umsonst gewesen. Millerna hatte sie schlussendlich überredet, als sie meinte, dass man eine Zofe ganz und gar brauchte und das Mädchen bei ihr vielleicht aufgeschlossener wurde. Sie war der einzige Grund, warum sie überhaupt ihr Einverständnis gegeben hatte. Hitomi wusste einfach nicht wozu sie solch eine Zofe überhaupt brauchte. Bisher war sie sehr gut ohne ausgekommen und einzig ihr Mitgefühl hatte dem Wunsch nachgegeben. Aber Millerna hatte Recht gehabt - glaubte sie zumindest - denn einige Tage später, schien sie schon keine Angst mehr vor ihr zu haben. Dennoch störte sie etwas noch ungemein. Hitomi hasste den Gedanken, dass jemand für sie - wahrscheinlich war es Millerna – eine Zofe bezahlte. Wie konnte sie das nur je zurückzahlen, außerdem hatte sie hier in Gaia definitiv nicht viel Geld. Da schlich sich automatisch ein schmerzender Gedanke durch ihren Kopf. Hitomi sah es auf eine Art und Weise plötzlich wie eine Sklaverei in der Sae arbeitete. Das konnte doch nicht wahr sein. Den Gedanken musste sie sofort wieder verscheuchen. Das war nicht richtig. Sae arbeitete einfach als diesen Beruf, das war alles, redete sie sich ein. Sie bekam ja Geld und Sklaverei war ja auch weitaus schlimmer, als sie es sich je vorstellen konnte. Wieso war ihr der Gedanke auch jäh vor ihrem inneren Auge aufgetaucht?! Wahrscheinlich, weil noch nie jemand für sie gearbeitet hatte. Das schüchterne Mädchen brauchte auch nur Arbeit um zu überleben, dass kannte sie ja von sich selbst. Auf der Erde hatte sie neben ihrem Studium ständig Nebenjobs gehabt, also wieso war sie so irritiert über diesen Beruf hier. Es gab ihn auf ihrer Welt nicht mehr, nur deswegen war Hitomi zuerst so irritiert gewesen. Langsam beruhigte sie sich wieder und beide betraten gemeinsam den vertrauten Raum durch eine hohe, vollständig mit Gold verkleidete, Flügeltür die von zwei Wachen geöffnet wurde. Sae stellte sich, wie andere Angestellten auch, an eine der vielen Säulen nahe des länglichen Tisches, welcher mit einem schneeweißen Tischtuch bedeckt war. Hitomi trat vor, so dass sie bemerkte wie stumm alle Augen auf sie gerichtet waren und verbeugte sich tief, bevor sie an alle eine Entschuldigung für ihre unverschämte Unpünktlichkeit, richtete. Dann bewegte sie sich mit versucht geschmeidig, sanften Schritten über den Boden - welcher mit dicken, tiefgrünen Teppichen bedeckt war - auf ihren Platz zu, welcher diesmal neben Merle war. „Schon vergessen“, Meinte Millerna mit ihrer lieblich einnehmenden Stimme. „Unser Essen wurde noch nicht einmal serviert, also denke ich nicht, dass du sehr spät dran bist.“ Dankbar lächelte Hitomi sie an, nahm dann von einer stillen, jungen Frau in gepflegter Arbeitskleidung ihr langstieliges Glas mit Wein entgegen, welches die anderen alle schon besaßen. Sie trank ein Schlückchen der säuerlichen, herben Flüssigkeit und dachte jäh an das erste Mal als sie hier gesessen hatte und zum ersten Mal ein Schluck getrunken hatte. Damals war sie schon nach kürzester Zeit beschwipst und hatte es für einen sehr guten Wein gehalten. Aber sechs Jahre Später, konnte ihr ein Glas Wein nichts mehr antun und nun wusste sie, dass es wirklich besseren Wein gab, aber er war schmackhaft. Van erschien just in dem Augenblick, als das Essen aufgetragen wurde – als es ihr plötzlich peinlich wurde, dass sie noch gar nicht bemerkt hatte, dass er sich auch noch nicht zu ihnen gesellt hatte. Er setzte sich neben sie und lächelte das schönste Lächeln, das sie je an jemanden gesehen hatte. Sie lächelte zurück und spürte wie ihr Herz schlagartig einen Hüpfer machte. Während die anderen – Millerna, Allen, Merle und noch einige andere, deren Namen sie vergessen hatte – gepflegt miteinander plauderten, konzentrierte sie sich unteranderem aufs Essen und auf natürlich auf den Mann neben ihr. Es war unumgänglich; in seiner Gegenwart fühlte sie sich sprichwörtlich wie im siebten Himmel. Ob Van wohl ahnte, was für eine Wirkung er auf sie hatte?! Sie wusste es nicht und im Grunde war es ihr auch egal. Sie senkte wieder ihren Blick – der stetig an ihm wie eine Klette hing- und hatte wieder ihre Mahlzeit vor Auge. Kürbissuppe, ein bitteres Gemüse mit erbsengroßen Peperoni, frisches Kalbfleisch, hauchdünn geschnitten, Kartoffeln in einer dünnen Soße, Käse, der auf der Zunge zerging und mit süßen blauen Weintrauben serviert wurde. Die Kellner, allesamt junge Leute, kamen und gingen wortlos und sorgten dafür, dass Teller und Gläser stets gefüllt waren. Hitomi versuchte sich auf das Gespräch zu konzentrieren, als sie hörte, dass es um Diebstähle in verschiedenen Ländern ging. Anscheinend wurden altertümliche und sehr begehrenswerte Dinge gestohlen, welche wirklich wertvoll waren. Es gab sie, der Legende nach schon seit Jahrtausenden und sie waren die Heiligtümer Gaias. Jeder Gegenstand schien in derselben Nacht, derselben Zeit erbeutet worden zu sein. Beinahe erschreckend. Man schloss bald auf eine Gruppe, die vom gleichen Täter angeführt wurden. Jedoch hatte man noch keinen Hinweis, keinen einzigen Beweis für den Täter, doch es war absolut sicher… es gab einen. Hitomi hatte das seltsam nagende Gefühl, dass diese Diebstähle etwas miteinander gemein hatten… nun sie war der gleichen Meinung wie die anderen und sie glaubte – sie wusste nicht mal wieso – dass sie irgendwas mit ihrer damaligen Entführung zu tun hatten. Auch wurde sie das Gefühl nicht los, dass eine Vision sie heimsuchen sollte, die aber glücklicherweise in dem unpassenden Moment nicht kam. Das Gespräch wurde abrupt unterbrochen – was sie sehr schade fand – als ein Mädchen eine umwerfend aussehende Torte auf den Tisch stellte. Hitomi war überrascht. Sie hätte nicht gedacht, dass es sowas auch hier in Gaia gab. Als sie den ersten Bissen nahm, war sie verblüfft wie lecker es schmeckte und liebend gerne nahm sie weitere Bissen. Danach begab sich Hitomi einige Stunden später in ihr Zimmer und kramte den Brief wieder aus ihrer Tasche. Beinahe abwesend setzte sie sich mit ihm auf ihr Bett und jetzt, da sie sich sicher war von niemanden mehr gestört zu werden; sie hatte es selbst veranlasst heute alleine gelassen zu werden, bekam sie wieder diese zügellose Furcht. Sie musste schlucken, bevor sie behutsam das Siegel brach und langsam den Brief mit einem zischenden Geräusch rauszog. Eine Gänsehaut überkam sie, als gleichzeitig ihr Atem nur noch in stockenden Stößen ging. Sie schlug das sorgfältig gefaltete Pergament auseinander und fragte sich plötzlich wieso sie bisher noch kein Verlangen verspürt hatte ihn zu lesen, denn jetzt war es da, so sehr dass ihr Herz schlug, als dürfte es den nächsten Morgen nicht mehr erleben. Für einen Moment sah Hitomi auf das Papier, welches mit einer feinsäuberlich, markanten Schrift vollgeschrieben waren. Während sie noch einmal tief einatmete, begann sie zu lesen. Hitomi, Fürchte dich nicht meinen Brief zu lesen. Ich verspreche dir meine Worte werden interessant und sehr aufschlussreich, je nachdem wie du sie betrachtest. Doch ich muss leider zugeben, dass ich weiß, dass sie dich schocken werden und ich bin mir nicht sicher ob du mich danach nur verabscheust oder sogar hassen wirst. Wahrscheinlich letzteres. Wie auch immer. Ich stelle mich dem und hoffe du wirst meine Gefühle verstehen und dadurch nicht wieder auf den Mond der Illusionen flüchten, wenn du es nur könntest. Zudem komme ich später. Aber zu aller erst möchte ich dir sagen, dass ich nicht vollstes informiert bin und dir nur teilweise berichten kann, was ich weiß, selbst wenn es mir tatsächlich verboten ist und mich dafür eigentlich der Tod kosten würde. Ich denke einfach, du hast die Wahrheit verdient, selbst wenn es nur ein Bruchteil davon ist. Ich frage mich, wie ich nur anfangen kann und plötzlich denke ich deine Entführung ist der beste Anfang. Ja, das stimmt wohl. Du willst bestimmt wissen, wieso ausgerechnet du wieder diejenige bist, die in allem verstrickt worden ist. Das weiß ich auch nicht genau. Aber ich kann dir sagen, zu wem du an diesem Tag gebracht werden solltest, als du wahrscheinlich noch Gott sei Dank fliehen konntest. Ich kenne ihn gut und stehe tief in seiner Schuld. Sein Vater hat mir und meiner geliebten Schwester das Leben gerettet, als wir dachten wir wären am Ende. Er hat uns bei sich aufgenommen und wir sind von nun an bei ihm aufgewachsen. Da dieser aber seit einigen Jahren verstorben ist, dienen wir nun ehrfürchtig seinem Sohn, Ares. Seit klein auf bin ich mit ihm zusammen aufgewachsen, wie auch meine Schwester Luca, jedenfalls kenne ich ihn ein bisschen mehr als manch andere. Ich denke schon, dass ich ihn als meinen besten Freund bezeichnen kann. Ganz sicher, nur leider weiß ich nicht was er von mir hält. Er war schon immer sehr geheimnisvoll und es ist schwer seine Gedanken in seinem Gesicht abzulesen. Ich habe das Gefühl als sei ihm schon früh etwas Schlimmes zugestoßen, von dem ich keine Ahnung habe. Ich will ihm helfen. Deshalb weiß ich, dass du ihm eines Tages gegenüber treten wirst, selbst wenn es dir nicht gefällt, aber du bist ihm sehr wichtig. Wie sehr weiß ich noch nicht. Du musst wissen, dass ich ihn deswegen schon ausgefragt habe und wenn du ihn in diesem Moment gesehen hättest – ich glaube selbst du hättest Mitleid gehabt; für den Mann, der dich jagt, Hitomi. Er hat mich angesehen und ich wusste sofort es war ein Fehler ihn zu fragen, trotzdem hat er geantwortet. >Ich will sie einfach wieder in meiner Nähe sehen< Weißt du was das bedeutet, Hitomi? Bestimmt hast du es gleich bemerkt. Es bedeutet du warst schon einmal bei ihm und es hat mich damals so überrascht, wie wahrscheinlich dich in diesem Moment. Dann hat er sich umgedreht und ist einfach gegangen. Ich kann dir nichts weiter sagen. Ob er dich umbringen will, oder dich für seine Zwecke verwenden will – ich weiß es wirklich nicht. Obwohl es für mich nicht nach einem Rachsüchtigen Mann ausgesehen hatte. Aber wenn er das vorhatte, dann nicht nachdem du ihn getroffen hättest, sonst hätte er uns wohl kaum veranlasst dich zu trainieren. Ich kann dir aber sagen, falls ich mich eines Tages entscheiden muss, dann wirst es nicht du sein. Also bereite dich darauf vor, bald gegen einen von uns, Luca oder mich, gegenüberzutreten. Ich verspreche dir, ich kann auch für sie sprechen: Wir werden kämpfen, selbst wenn es bedeutet dich zu verletzten. Du solltest diese Kämpfe nicht mehr als Training ansehen. Von nun an wird es für dich um Leben und Tod gehen. Außerdem solltest du wissen, dass wir wissen wo du dich befindest, egal wo du dich versteckst. Egal ob auf der Erde, in Gaia oder wie jetzt in Pallas, wir wissen es einfach! Deswegen schlage ich vor dich nicht bei deinen Freunden, bei deinem Geliebten oder sonst wem zu verstecken. Es ist besser für dich alleine umher zu reisen, obwohl es ist wohl um einiges gefährlicher, es wird aber weniger Opfer geben und das würdest du dir doch wünschen, oder Hitomi? Denn, wenn es sein muss, werden wir über Leichen gehen. Wie wir es dir gelehrt haben… wir zeigen keine Emotionen. Auch wird dir die Erde nichts nützen. Wie du es selbst erlebt hast, finden wir dich auch dort. Da fällt mir ein, wollte ich dir zu Anfang nicht noch berichten, wieso du nicht auf die Erde zurück kannst? Ja, ich glaube ich erinnere mich wage. Es ist einfach. Ares hat Dornkirk’s Schicksalsmaschine repariert und perfektioniert. Du wusstest bestimmt nicht, dass sie viele Fehler aufweist. Er schon. Er meinte, er musste vieles ausbessern und konnte noch einige seiner eigenen Nebeneffekte erzielen. Du siehst es, Ares ist sehr intelligent. Damit hat er die Lichtsäulen, die es einem ermöglichen in andere Welten, Sphären zu reisen, im Griff und kann sie beliebig herbeiwünschen oder sie zerstören. Und wenn er will, kann er sie steuern, dass keiner außer ihm zu einer Lichtsäule in der Lage ist. So, als ob, die Funktion blockiert wäre. Ich schweife ab. Jedenfalls kannst du nicht zurück auf die Erde. Es sei denn, er will es so und ich glaube das ist nicht der Fall. Ich glaube der einzige Weg ihm zu entkommen ist, dich ihm zu stellen und ihn zu töten. Aber dafür fehlt dir, denke ich, der Mumm und weitaus mehr an Erfahrung. Du bist einfach noch nicht soweit. Du solltest noch mehr trainieren, wenn du eine Chance gegen ihn haben willst. Da fällt mir ein, es gäbe da doch noch eine andere Lösung. Du könntest natürlich einen anderen für dich kämpfen lassen, aber würdest du so tief sinken? Ich glaube nicht, aber wieder fällt mir etwas ein. Da wir es gerade von der Schicksalsmaschine hatten. Du hast den letzten Krieg selbst miterlebt, also möchte ich dich beruhigen. Ares hat, denke ich, nicht dieselben Interessen wie Dornkirk. Es tut mir leid, ich weiß nicht viel, was mir erst jetzt auffällt. Es ist wenigstens etwas Information. Ich wünsche dir viel Glück und hoffe du überlebst alles. Ich möchte dir noch sagen, dass ich dich als Freundin sehe und du mir sehr viel bedeutest. Er bedeutet mir einfach noch ein bisschen mehr und noch einmal, es tut mir leid. - Darius Hitomi war geschockt, dass konnte man wohl laut sagen. Ihre Arme, in deren Hände der Brief lag, blieben steif und gefühllos. Das Gesicht aschfarben, die Augen teilnahmslos und ihre Lippen bewegten sich kaum merklich. Für einige Sekunden hielt sie einfach ihre Augen weit auf und sah starr in die gegenüberliegende Wand, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Keine Regung war in ihrem Gesicht zu erkennen, fast beängstigend. Man hätte das Fallen einer Stecknadel gehört. Dann plötzlich regte sie sich wieder, beinahe so als hätte man ihr wieder Leben eingehaucht und doch schien sie nicht richtig da. Langsam - wenn man ihr zusah, hätte man fast meinen können, sie wäre eine lebensechte Puppe - legte sie den Brief samt Umschlag wieder in die Tasche. Dann schritt sie aus dem Zimmer, ging den Gang entlang, die Treppe runter um darauf aus dem Eingangstor nach außen zu gelangen. Dabei war ihr aber die ganze Zeit entgangen, dass jemand sie mit seinen braunen Augen verfolgte. Er ließ sich auch nichts anmerken und war so leise wie möglich, damit sie ihn nicht bemerkte. Obwohl er nicht wusste, wie unnötig es war. Sie hätte es so oder so nicht gehört. Draußen erwartete sie ihr Pferd Aris schon. Hitomi wusste nicht genau wieso, doch wann immer es ihr schlecht ging, wusste es Aris und tröstete sie auf seine Art. Sie war dankbar dafür, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie ihr Liebling, das anstellte. Sie stand auf der letzten Stufe ganz unten der Treppe und strich mit ihren langen Fingern über die Weiße Mähne ihres Pferdes. Aris beugte sein Haupt und stupste es zaghaft gegen ihre Schulter. Hitomi hob ihre Hand und berührte ihn zwischen den Augen, streichelte dann über die weichen Nüstern. Sie lächelte, es erstarb aber abrupt als sie Schritte hinter sich hörte. Hitomi’s Schimmel schien zu spüren, dass er nun nicht mehr von ihr beachtet wurde, denn er legte sich auf den Boden. Er hatte Recht. Sie drehte sich um und keine Sekunde später, war nur noch Jemand in ihren Gedanken. Van. Sie war überrascht ihn zu sehen, doch das hatte nicht viel zu sagen. Er sah in dieser Nacht wunderschön aus, dachte sie. Durch den heutigen Vollmond und die leuchtende Erde hinter seinem Rücken, wurde dieser Eindruck nur noch verstärkt. Sie bemerkte nicht einmal, wie er sich auf dem Weg zu ihr machte, so sehr war sie von seinem ganzen Wesen beeindruckt. Erst als er genau eine Stufe vor ihr stand, fiel es ihr auf. „Du solltest doch nicht alleine umherwandern, besonders nicht bei Nacht.“ Sein klagender Unterton entging ihr kaum, doch es war ihr egal. „Das tut mir leid, aber ich … sagen wir ich hatte den dringenden Wunsch nach Draußen zu gehen“, flüsterte sie unbewusst und sah ihm tief in die Augen. Van entwich ein leiser Seufzer. „Du hättest mich fragen können.“ „Das habe ich wohl vergessen“, meinte sie nur. „Ich wäre mitgekommen“, sagte Van und erwiderte ihren Blick. „Ja, vielleicht.“ „Ganz sicher“, beteuerte er. Hitomi konnte nicht mehr. Ihr Herz tat zum Zerreisen weh und in dem er hier war und so wunderbar aussah, machte er es nicht besser. Sie fällte schlagartig einen Entschluss. „Es tut mir leid, Van und auch für das, was ich jetzt tun muss, tut es mir leid. Aber ich kann nicht mehr. Schon die ganzen Tage, nein Jahre musste ich warten. Es reicht, Van…“ Damit ignorierte sie seinen fragenden Blick völlig, legte ihre Arme um seinen Hals, so dass sie ihn zu sich runter ziehen konnte und ihre Lippen auf seine drücken konnte. Kapitel 7: XII - El Colgado - Der Gehängte ------------------------------------------ Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Ich scheine von Millerna behandelt worden zu sein und Van bleibt stetig bei mir, ohne je von mir zu weichen. Nach dem die Nacht eingebrochen ist, herrscht endlich Ruhe und Van lässt seinen Gedanken freien Lauf. Luca unterdessen hat nach ihrer Todesangst endlich Erleichterung. Doch es kostet einigen Männern das Leben. Nach einigen Stunden wache ich auf und Van ist natürlich an meiner Seite. Ich kann es fast nicht glauben. Einige Tage Später scheinen meine Wunden verheilt und ich bin zum ersten Mal wieder alleine. Nicht lange währt meine erholsame Einsamkeit. Bald kommt mir der Brief Darius nicht mehr aus dem Kopf. Gott sei Dank unterbricht mich meine Zofe Sae dabei. Doch nach dem Abendmahl muss ich ihn durchlesen. Es schockt mich so sehr, dass ich ganz blass ohne meine Umgebung richtig wahrzunehmen nach Draußen gehe. Aris erwartet mich schon. Wenige Minuten kann er mich aufmuntern, doch dann taucht jemand anders auf, der all meine Gedanken in sich aufnimmt. Van taucht auf und wir tauschen wenige Sätze miteinander aus, bis es mir reicht und ich mein Verlangen einfach nicht mehr aufhalten kann. Ich küsse ihn und zum ersten Mal in meinem Leben glaube ich, dass es das schönste ist, was ich je getan habe. Ich genieße den Moment und lasse all meine Sorgen fallen. Van wusste noch sehr genau, wie besorgt er um Hitomi gewesen war - als er sie draußen ganz allein mit ihrem Schimmel entdeckt hatte. Und dieses Gefühl hatte sich nicht gebessert, nach dem er sich ihr gezeigt hatte. Doch plötzlich hatte er etwas in ihren Augen funkeln sehen. In diesem Moment hatte er sich wirklich gefragt, was sie dachte. Seine überflüssigen Gedanken waren völlig verblasst, als sie ihn jäh zu sich runtergezogen und ihn einfach nur geküsst hatte. Kein Gedanke herrschte in dem Moment in seinem Kopf. Irgendwie dachte er, dass ihm wohl gar nicht richtig bewusst war, was sie gemacht hatte; zumindest für den ersten Augenblick nicht. Dann hatte er einfach in ihre geschlossenen Augen gesehen und seine ebenso wie ihre geschlossen. Langsam hatte er angefangen, es überhaupt zu realisieren und Van würde schwören, es war das schönste, was er je in seinem jämmerlichen Leben gefühlt hatte. In diesem Moment war es egal, dass er noch nicht einmal wusste, ob sie ihn noch immer liebte oder nicht. Es war egal gewesen und er hatte diesen perfekten Moment einfach nur genossen. Abrupt wurde dieser schöne Augenblick auch gleich wieder zerstört. Gleichzeitig rissen beide erschrocken die Augen auf und stießen sich von sich. Der unerwartete Knall hatte beide überrascht. Es klang als würde Gestein zerstört, zerbröckelt werden und hart auf den Boden fallen. Und so war es auch. „Was…“, entfuhr es ihr und beide betrachteten einige Sekunden lang, was vor ihren Augen geschah. Mehrere Guymelef flogen auf Pallas ein und einige griffen schon Häuser an. Es versetzte Hitomi einen schmerzenden Stich im Herzen, als sie daran dachte, dass wieder einmal sie ganz allein an allem schuld war. Das waren bestimmt Luca und Darius. So wie er es ihr prophezeit hatte. Sie hätte den Brief früher lesen sollen. Dann hätte sie sich vorbereiten können oder wegrennen, dann wären all ihre Freunde nicht mit reingezogen worden. Jäh wurde sie am Arm gezogen. Van hielt sie fest und sah ihr stur in die Augen. „Du musst hier weg. Ich weiß zwar nicht, wer die sind, aber ich werde dich beschützen!“ Nachher ging alles andere so schnell, dass sie sich jetzt beinahe ein bisschen wunderte. Schnell hatten sich die wichtigsten Personen im Hof versammelt und natürlich herrschte inmitten des ganzen reges Treiben. Bald war es so, als hätte Van sie völlig vergessen, aber Hitomi nahm es ihm nicht übel. Er war eine wichtige Person in Gaia und genau in so einem Fall wie diesen musste er natürlich zur Stelle sein. Während sie mit Millerna und einigen anderen in einer Gruppe zusammenstand, beobachtete Hitomi, wie Merle sich mit Van stritt. Worüber wusste sie nicht. Es schien heftig zu sein, doch es übertönte die lärmende Menge leider nicht. Sie selbst ärgerte sich gerade total, dass sie nun in dieser Lag war und nicht helfen konnte. Nun sie könnte schon, aber ihre Freunde würden sie wohl nicht lassen. Insbesondere Van. Er hatte keine Ahnung von allem, naja vielleicht doch und man hatte ihm schon alles erzählt, zumindest den Teil, den sie wussten. Hitomi hatte ihnen noch nichts Weiteres erzählt, das lag einfach nur daran, dass sie noch nicht gefragt hatten. Vielleicht hatten sie wegen ihrer zahlreichen Verletzungen ein wenig Rücksicht genommen. Wie auch immer, dieses Mal musste sie ihnen Recht geben. Sie war wirklich noch ein wenig angeschlagen. Es war in der letzten Woche einiges passiert. Und doch fragte sie sich insgeheim ob es wirklich Darius und Luca waren, die Pallas angriffen. Auch Van und Merle schienen ihren kleinen Konflikt endlich beendet und sich geeinigt zu haben. Merle kam offensichtlich entnervt ohne Van zu ihnen rüber und Hitomi fragte sich, was mit ihm war. Dabei war die Antwort so plausibel wie einfach. Er würde sich ohne sie ins Schlachtfeld stürzen und gewinnen, so wie jedes Mal. Hoffte sie. „Was war los?“ fragte sie an Merle gewandt, versuchte ihre Stimme so leise wie möglich zu halten und doch so laut, dass Merle sie gut verstand. Diese winkte ab und sagte an alle nahestehenden Personen gewandt. „Wir sollten aufbrechen und uns in Sicherheit bringen, direkter Befehl von König Van!“ Perfektes Timing, dachte sie, als siebeobachtete wie einige Kutschen vorangefahren kamen und wie sich Millerna und Dryden gleich hineinsetzten. In dieser Situation konnten sie nichts anderes tun, als die Führung Van zu überlassen, scheinbar hatten sie absolut keine Ahnung, was sie tun sollten und sie waren wohl insgeheim froh über seine Erfahrung. Für einen Moment drehte Hitomi ihren Kopf und sah, wie Van dasselbe tat und sie wünschte ihm mit ihrem Blick alles Glück der Welt. Sie versuchte ihm mittzuteilen, dass er vorsichtig sein sollte und aus irgendeinem Grund, ahnte sie, dass er sie verstand. Dann wandten sich beide ab, fast wie abgesprochen und erst jetzt sah Hitomi die Rauchfahnen, welche hinten am Horizont, am äußersten Rand der Stadt, aufstiegen. Sie versuchte Merle dazu überreden mit Aris zu reiten und überraschenderweise fand sie direkt Zugang zu ihr. Scheinbar wollte Merle ebenfalls mit einem Pferd vorausreiten und so die Übersicht behalten. Gemeinsam gingen sie in den Pferdeschuppen und bereiteten die Tiere so schnell es ging für den kurzen Marsch vor. Die ganze Zeit sprachen sie kein Wort, weder über den Angriff, über den Streit mit Van, noch etwas anderes. Aufbruchsbereit liefen sie zu den wenigen Kutschen, die alle abfahrtbereit auf sie warteten. Es dauerte nicht lange und beide ritten voraus um die hinteren, wenn nötig mit ihrem Leben zu beschützen. Mit der einen Hand hielt sie die Zügel und die andere lag sachte auf dem Schwertknauf, welcher am Gürtel befestigt war. Das Schwert hatte sie in letzter Sekunde von Merle bekommen. Bevor sie hinaus gerannt waren, hatte das Katzenmädchen es ihr noch zugeworfen und sie war dankbar dafür. So ohne Waffe fühlte sie sich wirklich hilflos, gab sie zu. Es war zwar nicht ihres, aber jetzt war keine Zeit mehr. Sie ritten so schnell sie konnten. Doch die Straßen waren noch immer so überfüllt, dass es beinahe unmöglich schien zügig die Stadt zu verlassen. Da sie so langsam vorankamen, kam Hitomi nicht umhin ihre mittelbare Umgebung näher zu betrachten. Es war beängstigend, was sie sah. In praktisch jeder Straßenecke konnte sie die Menschenmenge sehen, die größtenteils verängstigt und verzweifelt durch die Straßen hetzten. Es herrschte so ein Gedränge, dass in ihr die Angst auf kam, dass sie sich so sogar selbst verletzten. Ohne sich wahrscheinlich bewusst zu sein, blockierten sie die Plätze und Straßen. Hitomi konnte auch die kämpfenden Kampfmaschinen hören. Sie waren nicht in ihrer fassbaren Nähe, aber sie wusste, was sie anrichten konnten. Je mehr sie den Palast hinter sich ließen, desto trauriger wurde es. Nur noch vereinzelte Leute liefen ihnen über den Weg und die Verwüstung hatte auch am Rand der Stadt ihren Lauf genommen. Nun konnte sie alles ganz genau erkennen. Sie spürte wie es langsam hinauf ging. Als sie Merle gefragt hatte, wohin sie steuerten, meinte sie ein sicherer Platz, welcher ganz sicher von niemandem gefunden werden konnte. Hier sollte anscheinend die Königsfamilie untergebracht werden, mit eingeschlossen die Gäste der Hoheiten. Die Bewohner waren an einem anderen sicheren Ort evakuiert worden. Hitomi kam es ein bisschen suspekt vor, dass nicht alle am gleichen Ort verfrachtet worden waren. Musste wohl eine Sonderbehandlung für die Adligen sein. Das ärgerte sie, wenn sie ehrlich war. Doch ihren Frust darüber, ließ Hitomi unbeachtet in sich wachsen. Massive Stadtmauern passierten sie durch ein geheimes, hölzernes Tor, welches nicht viel grösser war als die Kutschen selbst und von ausgedehntem, dichtem Gestrüpp umgrenzt wurde. Hitomi wunderte sich, dass sie nicht stecken blieben. Sie ritt nach vorne zum Katzenmädchen, nach dem sie artig alle Kutschen vorbei gelassen hatte und den Ausgang wieder verschlossen hatte und den metallischen Riegel vorgelegt hatte. Merle atmete erleichtert aus, als sie daran dachte, dass die erste Hürde geschafft war. Die Stadt hatten sie sicher überquert und kein Feind hatte ihnen Ärger gemacht. Nun ein wenig gemächlicher lenkten sie die Kutschen über die Felder zum Gebirge hin. Eine Weile ging es auf schlechten Wegen den Wald bergauf. Hitomi zählte nicht die Minuten, aber mehr als eine Stunde konnte nicht vergangen sein. Sie drosselten das Tempo, als vor ihnen ein weites Tal, mit zig Hügeln auftauchte. In etwa der Mitte des Tales auf einem Hügel, stand ein eher kleineres Anwesen. Zu den Füssen des Hügels wurde er von einem friedlichen Fluss eingerahmt. Vor diesem mussten sie absteigen. Die Pferde ließen sie frei und verteilten sie an alle Leute. Fast lautlos gingen sie dann über das fließende Gewässer. Die Frauen und Kinder wurden auf die Pferde gesetzt. So war es sicherer für sie. Auf der anderen Seite angelangt, stiegen sie ab und alle machten sich vorsichtig auf dem Weg nach oben und diesmal hatte auch Hitomi sich auf den Boden gestellt. Sie hielt die Zügel in der Hand und zog Aris hinter sich her. Wie Merle auch und zusätzlich einige Wachen beobachtete sie aufmerksam ihre Umgebung. Alle ihre Sinne waren aufs Genauste geschärft. Der Wind pfiff leise, aber kräftig, die Vögel zwitscherten einen melodischen Gesang, die Sonne gab nur noch ein dämmerndes Licht von sich und Hitomi fürchtete die Nacht nahte heran. Sie fröstelte. Sie fürchtete außerdem eine kalte Nacht vor sich zu haben. Es war – sie wusste es nicht genau – wahrscheinlich Anfang Frühling. März würde sie schätzen. Die übrige Schneedecke hatte höchstens noch ein paar Flecken zurück gelassen und doch war es eiskalt, wie sie zitternd bemerkte. Komisch, erst jetzt war ihr das richtig aufgefallen. Einige Minuten mussten wieder einmal vergangen sein, als sie die Kuppe des Hügels erreichten. Hitomi war auf den ersten Moment wirklich überrascht. Von weit weg und nicht direkt daneben, hatte sie unterschätzt wie groß dieses Anwesen wirklich war. Sie musste zugeben es war nicht wie der Palast in Pallas, aber manche würde ihn bewundern. Selbst sie tat es. Für einige unmerkliche Sekunden betrachtete sie das Gebäude staunend - umgeben von alten, prächtigen Bäumen, Büschen und einer Wiese. Wahrscheinlich besaß es zweieinhalb Geschosse, obendrein zu beiden Seiten jeweils einen weiteren zweigeschossigen Flügel. Über dem Eingang befand sich ein Balkon, welcher von Säulen getragen wurde. Wenige Stufen führten ins Haus hinein. Es sah alles wirklich sehr gepflegt aus. Man hatte wohl dafür gesorgt, dass es nicht verkam. Die weiße Fassade draußen sah fast wie neu gestrichen aus. Hitomi folgte den anderen schweigend ins Foyer, nachdem sie sich endlich gefangen hatte. Sae hatte besorgt auf sie gewartet und sie schämte sich dafür, dass sie das schüchterne Mädchen nicht eher bemerkt hatte und noch mehr dafür, dass sie noch nicht einmal geachtet hatte, ob sie hier war oder eben nicht. Milde lächelte sie und gemeinsam machten sie sich auf dem Weg ins Warme. Im Salon hatten sich alle schon teilweise bequem gemacht. Besorgte Blicke kamen ihr entgegen und sie selbst hatte gerade keine Ahnung, wie ihr eigener Gesichtsausdruck aussah. Hitomi wollte nicht daran denken. Mit kurzen Sätzen, bat sie Sae sich hinzusetzen. Nach kurzem Zögern, tat sie es und setzte sich an den Tisch für die Angestellten. Hitomi dagegen stellte sich neben Merle, die neben einem Fenster an die Wand angelehnt mit geschlossenen Augen stand. Hitomi sprach sie nicht an und beobachtete die Leute. Mehr als ein Dutzend konnten es nicht sein und doch sah sie die Verwirrung, die Angst, so als könnte Hitomi sie tatsächlich spüren. Sie erblickte Millerna, wie sie sich klammernd an Dryden hängte und wie sie flüsternd einige Dinge besprachen. Hitomi wusste nicht genau wieso, aber etwas in diesem Bild schmerzte und gleichzeitig verspürte sie eine Freude, die sie wahrhaft überraschte. Immerhin griffen fremde Guymelef Pallas an und Hitomi konnte nichts dagegen tun. Sie schlug die Augen zu, verschränkte die Arme und zwang sich nicht abzudriften. Eine abrupte Berührung an ihrem linken Arm ließ sie ihre Iris aufreißen. Millerna ließ ihre Hand wieder sinken und sah ihr entschlossen entgegen. Hitomi konnte sich keinen Reim daraus machen. Was war mit ihr los? Was wollte sie von ihr? „Könnten wir mit dir reden?“ meinte sie und zeigte dabei auf Dryden der hinter ihr stand. Hitomi bemerkte ihn erstaunlicherweise erst jetzt. Kurze Zeit später standen die drei Freunde auch schon in einem leeren Zimmer, welches zwar eher spärlich eingerichtet war, dafür aber geeigneter für ein vertrauliches Gespräch war. „Und?“ unterbrach Hitomi die Stille, nachdem sie sich ans Fenster begab. Sie hatte das Gefühl als wären die beiden nicht mehr so sicher, ob sie ihr antworten sollten. Nach einigen Sekunden, könnten aber auch Minuten sein – Hitomi hatte aufgehört zu zählen – stellte sich Millerna ihr gegenüber, während Dryden sich auf einem Sofa gemütlich gemacht hatte. Die Blonde krallte sich mit den Händen in ihr Kleid und sah auf den Parkettboden. Jäh hob sich ihr Blick. „Ich möchte, dass du deine Fähigkeit dazu benutzt uns mitzuteilen, was da draußen in Pallas gerade passiert!“ „Wie bitte?!“ Hitomi konnte nicht glauben, was sie da hörte und zuallererst hielt sie es auch tatsächlich für einen Witz. „Ich meine es ernst; ich muss wissen, was da draußen gerade passiert.“ Millerna sah ihr etwas ängstlich entgegen und ihr kam der Verdacht auf, dass sie fürchtete Hitomi könnte einen Wutausbruch erleiden. Lächerlich. „Und wieso bist du dann hier und versteckst dich, wenn du das so sehr wissen musst?“ Hitomi meinte es nicht wirklich böse, aber es gab den Anschein als glaubte ihr Gegenüber das. Sie sah wie Millerna einmal tief durchatmete. „Ich kann nicht dort sein. Wenn ich sterbe, wer soll dann für dieses Land sorgen? Es geht nicht! Dryden ist plötzlich deine Fähigkeit in die Zukunft zu sehen wieder eingefallen. Ich dachte zuerst es wäre eine schlechte Idee dich darum zu bitten, aber er hat mich schließlich zum Gegenteil überzeugt.“ Darauf richtete Hitomi kurz ihren kritischen Blick auf Dryden, welcher kurz zusammen zuckte. „Das verstehe ich ja auch, aber ehrlich gesagt, möchte ich das wirklich nicht tun.“ Millerna weitete ihre irdisch-blauen Augen und fasste sie an den Schultern. „Wieso, Hitomi? Das ist doch nicht so schwer, wieso möchtest du es nicht tun?!“ Sanft löste die braunhaarige die Hände von ihrem Körper. „Weil es weh tut. Du weißt nicht, was das für ein Gefühl ist. Du hast keine Ahnung, was ich jedes Mal durchleiden muss und dieses Mal wird es noch schlimmer – denkst du es wird keine Toten geben?! Du wirst es auch ohne mich erfahren, also sei einfach geduldig, Millerna.“ Hitomi war stur und hatte sich schon zwischen ihr durchgeschlängelt. Gerade als sie das Zimmer verlassen wollte und ihre Hand schon an der Klinke war, hielt sie durch eine männlich Stimme inne. „Du bist nichts weiter als feige. Du wärst uns eine große Hilfe, auch wenn wir draußen keine Hilfe wären, wüssten wir zumindest den Stand der Dinge. So könnten wir wenigstens vorausplanen und wüssten endlich wieso all das passiert. Bist du nicht neugierig, Hitomi? Ich an deiner Stelle wäre es und würde mich schuldig fühlen, einfach still dazusitzen, obwohl ich etwas tun könnte.“ Einige Zeit war es wirklich still, niemand sagte ein Wort und sie dachte über seine Worte nach. Er hatte keine Ahnung, wie sie sich fühlte und eigentlich hatte er kein Recht ihre Entscheidung zu urteilen. Er wusste nicht, was sie letztes Jahr durchgemacht hatte, doch dann spürte sie innerlich ein schmerzliches Gefühl, welches ihr die Luft zum atmen nahm. Kurz schloss sie die Augen. „Also gut, du hast gewonnen. Aber geduldet euch trotzdem noch. Ich kann das nicht so auf hier und jetzt. Ich muss alleine sein und mich konzentrieren.“ Damit verschwand sie und ging wie in Trance den langen Flur entlang. Sie hielt ihren Arm ausgestreckt und streifte ihre Finger an der Wand. Hitomi wollte es nicht sehen. Wieder einmal verfluchte sie ihre Fähigkeit dafür, dass sie ihr sowas aufzwängten. Keiner hatte eine Ahnung, wie man sich dabei fühlte. Sie dachten es wäre einfach, doch das war es nicht. Es war eines der schmerzhaftesten Dinge, die sie immer wieder durch litt. Für ein paar Minuten lief sie ziellos durch das ganze Haus und widmete sich unhörbar ihren Gedanken. Dann als sie in einem relativ unbekannten Raum stehen blieb - sie behauptete hier noch nicht gewesen zu sein – hatte sie ihre Entscheidung getroffen. Sie würde es tun, zumindest würde sie es versuchen. Hitomi wusste nicht, was sie erwartete, aber sie hatte es geschworen und sie hielt ihr versprechen. Es war bereits Nacht. Das Licht des Mondes und der Erde dahinter, schienen durch die weiten Bogenfenster, welche sich an den hohen Wänden befanden. Hitomi bewegte sich auf den Balkon zu, der gleich rechts von ihr lag. Sie stand nun draußen, befand sich im zweiten Stock und setzte sich im Schneidersitz etwa auf die Mitte des Balkons. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich so sehr, dass die Stimmen der anderen allmählich verschwanden und dafür die Geräusche der Natur sich verfeinerten. Das Rascheln und Seufzen der Blätter, vom Winde verweht, fiel ihr als allererstes auf, welches sich mit einem weiteren Laut vermischte – dem rieseln von Wasser, sehr wahrscheinlich vom Fluss, den sie überquert hatten. Es war unmöglich alle weiteren Geräusche aufzuzählen, aber es klang nach einer friedlichen Nacht. Hitomi verdrängte auch langsam diese erholsamen Geräusche und driftete weg, so unbemerkt, dass selbst sie es nicht bemerkte. Nun vergaß sie alles um sich herum. Schwärze umhüllte sie schleichend und dann war sie plötzlich dort. Im Kampfgeschehen mitten drin. Sie hatte Angst und sie spürte, selbst wenn sie wollte, konnte sie hier nicht mehr so einfach verschwinden. Sie war in ihrer eigenen Vision gefangen. Wirklich beängstigend, fand sie. Sie war wieder in Pallas und alles schien so lebendig, als hätte es den vorherigen Marsch gar nicht gegeben. Hitomi kannte diese Gegend nicht und doch war sie sich hundertprozentig sicher noch in Pallas zu sein. Sie stand auf einer relativ verlassenen Straße und Ihre Augen weiteten sich als sie die beiden kämpfenden Guymelefs vor sich erkannte, wohl eher sah, wer sie steuerte. Ihr Mund wurde fürchterlich trocken, als sie nach Van, auch den anderen im Cockpit erkannte. Sie hatte das Gefühl als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren. …Luca. Es war Luca, die mit Van kämpfte. Nun hatte sie die volle Gewissheit, dass es allein ihre Schuld war. Kaum vorstellbar, aber ein kleiner Teil ihres Unterbewusstseins hatte wahrhaftig noch an ihre Unschuld geglaubt. Die Schuld übermannte sie fast wie ein Vulkanausbruch. So unerwartet und schmerzhaft, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Hitomi wollte helfen, so dass Van damit nicht reingezogen wurde, doch das ging nicht. Wenigstens schlug er sich gut, sogar sehr gut. Er war noch besser geworden. Sie war nicht schlecht, aber sie hatte Mühe gegen Van anzutreten und es erleichterte Hitomi‘s Gewissen ein wenig. Aber Luca spielte unfair, als sie versuchte ihn zu provozieren. Über seine Kampfkünste – ganz ehrlich, da log sie bis zum abwinken. Er war perfekt. Keinen Fehler konnte Hitomi an seiner Technik erkennen und genau das fürchtete die rothaarige wohl. Das wusste auch Van, denn zum Glück ging er nicht darauf ein und dann versuchte sie es mit einer todsicheren Sache, dass wusste Luca. Das erkannte Hitomi aber erst als es geschah. Hitomi hätte nicht gedacht, dass es funktionierte, aber tatsächlich bemerkte sie eine Schwachstelle an Van. Es überraschte sie, als sie sah, wer sein Schwachpunkt war, wahrscheinlich mehr als jede andere. Hitomi war es. Sie selbst und schlagartig hätte sie weinen können. „Jämmerlich, was findet sie nur an dir?“ Luca spuckte die Worte geradezu heraus und für einen Moment hielt Van inne. Schlagartig nutzte Luca das aus und Escaflowne fiel zu Boden. Sofort rappelte er sich wieder auf und fragte: „Wen meinst du?“ Sie lachte gehässig. „Ach, wen ich meine, möchtet ihr gerne wissen... das solltet ihr doch am besten wissen, König von Fanelia!“ Van knirschte mit den Zähnen und während er sie wieder angriff, schrie er: „ Was weißt du schon…!“ Wieder erklang ihr Lachen. „Scheinbar mehr als du!“ sagte sie und wich ihm mit Leichtigkeit aus. Voller Wut griff Van an und vernachlässigte seine Deckung, so dass es Luca leicht fiel Escaflowne Wunden zuzufügen. Hitomi wusste, was das bedeutete. Wenn Van sich nicht besser konzentrierte, würde er sterben. „Also wirklich, Hitomi hat etwas Besseres verdient. Sieh doch wie unvorsichtig du bist, außerdem habe ich gehört sie hat sich auf der Erde mit Vergnügen ausgetobt; das heißt wohl, du bedeutest ihr wohl gar nicht so viel.“ Hitomi spürte fast, wie es in Van brodelte. Was erzählte Luca da auch für ein Unsinn! „Sei Still..!“ Er schrie es und sogar Hitomi machte es Angst. Sein Schwert traf ihren Guymelef hart an der Schulter und sie schrie auf. Oh Nein, Hitomi hatte das Gefühl, als würde er bald die Kontrolle verlieren. „Was erlaubst du dir eigentlich! Wer bist du eigentlich?!“ „Ach“, tobte Luca. „Auf einmal möchtest du wissen, wie ich heiße!“ Hitomi wollte wegsehen. Sie ertrug das hier alles einfach nicht. „Na, gut, ich bin Luca!“ Und dann entglitt alles vor Hitomi’s Augen. Als sie wieder ihre grünen Iris aufschlug, befand sie sich auf dem Balkon, wo sie auch schon immer gewesen war. Sie schlang ihre Arme um sich und zitterte wie Espenlaub. Blöde Idee, ganz blöde Idee war das gewesen. Wieso hatte sie sich auch überreden lassen. Sie war selbst ein wenig neugierig gewesen, gab sie zu, aber deswegen musste das nicht heißen, dass sie gleich sehen musste, was passierte. Ihre Gedanken drehten sich und einzig ein Gedanke tauchte immer wieder in ihrem Kopf auf. Van durfte nicht sterben. Er musste heil wieder zu ihr zurückkommen. Kein Zeitgefühl herrschte noch in ihr. Stunden, Minuten, Sekunden – Hitomi konnte es nicht sagen, doch irgendwann legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Es könnte genauso gut ein Feind gewesen sein, sie hätte nichts ausrichten können. Aber als sie den Kopf hob sah sie in das liebliche Gesicht Millerna’s. Sie lächelte Hitomi aufmunternd an. „Was ist denn los, meine Süße?“ Hitomi schüttelte den Kopf. „Nichts.“ „Ach ja?“ Sie strich ihr leicht übers Haar. „Danach siehst du aber leider nicht aus.“ Noch immer schwieg Hitomi. „Hitomi, ich kann dir nicht helfen, wenn du mir dabei nicht wenigstens ein bisschen entgegen kommst, also bitte..“ Ein leiser Seufzer entglitt ihr. „Ich verspreche dir, ich werde niemandem davon weiter erzählen; du kannst mir vertrauen, Hitomi.“ Das Mädchen vom Mond der Illusionen schloss kurz die Augen, bemerkte wie sie sich nach und nach langsam beruhigte und versuchte ihr dann zu antworten: „I-Ich habe in die Zukunft gesehen oder Gegenwart, wie man es auch nennen mag.“ Hitomi bemerkte wie Millerna ihre Augen leicht aufriss. „Jedenfalls war ich in Pallas; überall gab es Kämpfe und die Stadt ist nicht unverschont geblieben und irgendwann hab ich Van entdeckt. Er kämpfte mit einer gewissen Luca und sie hat ihn leicht angestachelt. Ich habe einfach Angst…“ „Ihn zu verlieren…“ Unterbach sie die Blondhaarige. Hitomi nickte einfach nur. Nach einer kurzen Stille regte sich ihre Freundin. „Also gut“, sagte Millerna, während sie ihr vorsichtig aufhalf. „Gehen wir erst einmal rein. Du wirst uns sonst noch erfrieren und Van wird das nicht gerne sehen.“ Bevor sie reingingen, sagte Millerna mit einem festen Blick in ihren Augen: „Er wird gesund wieder zurück kommen, hast du mich verstanden.“ Zögerlich bejahte Hitomi. Als sie die Tür hinter sich schloss, meinte Millerna außerdem Hitomi’s Stimme gehört zu haben, aber sie war sich nicht ganz sicher ob sie es sich eingebildet hatte. „Ja, er wird ganz sicher zurückkommen.“ Ein eiskalter Wind wehte Van um die Ohren. Seine Hände froren, trotzdem wollte er nicht wieder zurück ins Haus. Er sah das Geschöpf vor sich, welches still in absoluter Schönheit einfach auf dem kalten Boden saß. Für einen Moment drehten sich seine Gedanken. Nachdem der Kampf in Pallas geendet hatte und sie langsam begriffen hatten, dass Hitomi nicht dort war, schienen sie sich langsam zurückzuziehen. Sogar diese mysteriöse Luca, die scheinbar eine Menge über Hitomi wusste. Er wusste noch nicht genau, was er davon halten sollte. Er würde Hitomi später noch fragen, aber das kam später. Sofort hatte er seinen Guymelef in einen Drachen verwandelt und flog so Richtung Norden, wo er sie vermutete. Es hatte nicht lange gedauert und er machte vor dieser Villa halt. Er beachtete die Regeln nicht und stürzte einfach hinein und rief laut ihren Namen. Keine Antwort kam ihm entgegen. Dafür Merle und Königin Millerna. Er hatte noch nicht mal die Zeit zu fragen, da sagte die blonde auch schon, wo er seine Angebetete finden konnte. Hinter dem Haus im Garten. Sie hatten ihn soweit begleitet, doch dann als er durch die Terrassentür ging, wusste er nicht mehr ob sie ihm folgten oder beobachteten. Als er sie sah, hatte er die beiden ganz vergessen und nun stand er hier. Einige Meter hinter ihr. Der Kampf vor ein paar Minuten war längst vergessen. Er kam ihr immer näher, Schritt für Schritt, ging durchs nasse Gras und dann stand er wirklich direkt hinter ihr. Bevor er auch ihren Namen sagen konnte, sagte sie seinen. Er war überrascht, für den ersten Augenblick, doch dann fing er sich und setzte sich neben sie. „W-Wie hast du?“ flüsterte er ungewollt. Sie drehte ihren Kopf, lächelte geheimnisvoll und er fand, dass ihre Augen unter dem Mond heute besonders schön glitzerten. Dann sagte sie: „Hast du meine speziellen Fähigkeiten etwa schon vergessen?“ Seine Augen weiteten sich und er schellte sich dafür, dass er es tatsächlich vergessen hatte. Hitomi wandte sich wieder ab und sah auf den Mon der Illusionen. „Wunderschön, findest du nicht?“flüsterte sie und er wusste nicht, ob wirklich er gemeint war. Sie hatte etwas Melancholisches an ihrer Stimme. Van hatte das Gefühl als änderte sich ihre Stimmung plötzlich um 90 Grad. Sie sah auf ihre Hände, die in ihrem Schoss lagen. „Ich hatte heute angst. Nicht um mich oder um jemanden anderen, “ eine Wolke verdeckte den Mond und die Erde, während sie das sagte und gleichzeitig ihre Stimme brach. „Nur um dich.“ Plötzlich konnte er sich selbst nicht mehr beherrschen und sein Körper handelte von selbst. Seine kalte Hand hob sich und drehte ihr Gesicht zu ihm. Hitomi hatte Tränen in den Augen. Er spürte, wie sein Herz dagegen appellierte. Wie von selbst zog er sie in eine stürmische Umarmung. „Red keinen Unsinn! Weißt du was du da sagst; du solltest dich lieber um dich kümmern. Ich kann gut auf mich selbst sorgen und brauche dein Mitleid nicht, aber… ich kann nichts dagegen tun als das ich mich einfach nur gut fühle, bei dem Gedanken, dass du dich um mich sorgst. Ach Verdammt, Hitomi, du weißt nicht wie viel Angst Ich um dich hatte.“ Ihre Tränen rannen und sie fühlte sich einfach nur geborgen in seinen starken Armen. Seine ersten Sätze hatten sie verletzt und doch war sie zutiefst gerührt, als sie seine weiteren Worte vernahm. Er war der erste, der sie beide voneinander löste, als er merkte, dass ihre Tränen versiegt waren. Ein kleines Lächeln lag auf ihren rosigen Lippen. Ohne auch ihre Zustimmung zu bekommen, senkte er sein Haupt und drückte sanft seine Lippen auf ihre. Das letzte was er sah, bevor er seine Augen schloss, war wie sich ihre leicht weiteten. Kapitel 8: Caballo de Mascaras - Königin der Münzen --------------------------------------------------- Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Wir küssen uns, doch plötzlich ist der Moment zerstört. Fremde greifen Pallas an und bald ist Hof voll von wichtigen Leuten. Ich, Millerna, Merle und eine Menge andere werden zu einer Villa auf einem großen Hügel gebracht. Van und Allen sind in der Stadt und kämpfen. Ich würde mich ihnen gerne anschließen. Kaum in der Villa angekommen, spricht mich Millerna an, Dryden in ihrem Handgepäck. Scheinbar durch seine Idee wollen sie nun, dass ich ihnen die Zukunft vorrausage. Zuerst weigere ich mich, doch überredet mich Dryden. Auf einem einsamen Balkon konzentriere ich mich und habe eine Vision. Sie ist mehr als ich ertragen kann. Ich zittere und ich bin so aufgeregt, dass mich erst Millerna wieder beruhigen kann. Van taucht langsam auf und er küsst mich unerwartet. Sie waren wieder im Palast Pallas. Die Stadt erholte sich langsam und glaubte in Sicherheit zu sein, doch Hitomi fühlte sich fast wie in einer Haft gefangen. Ein dämpfender Seufzer entfloh ihren Lippen. Sie hätte es wissen müssen. Früher oder später wären sie gekommen. Die Fragen, die sie ihr entgegen schleuderten, waren vorhersehbar gewesen. Zu gerne würde sie die Zeit manipulieren und wieder Vans Lippen auf ihren spüren. Aber das war unmöglich, auch er stellte die Fragen. Wahrscheinlich die meisten. Sie saß inzwischen beinahe zusammengesunken auf dem Stuhl, den man ihr gegeben hatten - sie musste zugeben zu Anfang hatte sie noch ihre Haltung bewahrt. Mehr und mehr war diese von ihr gewichen, ohne dass es Hitomi richtig bewusst geworden war. Bis sie wieder die größte Stadt Asturias vor Augen hatte, war die Stimmung relativ friedlich gewesen. Der Weg zurück war nicht mehr so hektisch zugegangen. Wie sich doch alles ändern konnte, dachte sie. Nach einiger Zeit hatte man sie wortlos in ein leeres Zimmer gesetzt. Dann war sie für einige Minuten alleine gewesen. Sie hatte versucht an nichts Schlimmes zu denken, doch schon an diesem Zeitpunkt spürte sie ein schreckliches Gefühl in ihrer Magengrube. Der Mond drückte ein unheimliches Licht ins Zimmer, welches ihr völlig unbekannt gewesen war. Es war in etwa so groß wie ihr altes Zimmer bei ihren Eltern und hatte etwas Kolossales an sich. Es gehörte zum Königshaus dazu. Sie biss sich leicht auf die Unterlippe. In diesem Moment hatte sie sich gewünscht, dass die Minuten schneller vergingen. Nach Stunden, würde Hitomi schwören, kam Van zurück. Natürlich nicht alleine. Wäre einfach zu schön gewesen. Allen, Millerna, Dryden und einige andere wichtig aussehende Typen waren mit von der Partie. Sie ließ sich nichts anmerken und wartete darauf, bis jemand etwas sagte. Es ging etwa eine Minute lang, bis sich alle in die weichgepolsterten Stühle setzten und Dryden das Wort erhob. „Hitomi, schön, dass du auf uns gewartet hast.“ Er nickte ihr höflich zu. „Es mag dir vielleicht grob vorkommen, aber wir können es nicht länger hinauszögern. Es soll kein Vorwurf werden, damit du das als erstes verstehst – wir wollen nur Antworten und wir denken du könntest uns helfen.“ Hitomi sah auf den Mahagonitisch, welcher mit kunstvollen Schnitzereien verziert war. Ihre Hände legte sie in den Schoss, während ihr einige Haarsträhnen ins Gesicht fielen. „Wie kann ich helfen?“ Hitomi hatte schon eine Ahnung, aber davor sollten sie es ruhig vorher aussprechen. Es war mucksmäuschenstill, bis sie Vans Stimme erkannte. Er klang ein wenig gereizt. Sofort drehte sich ihr Haupt zu ihm. „Ich denke, du weißt sehr gut wie du uns helfen kannst. Fangen wir zuerst einmal an, wie Allen und seine Truppe dich gefunden haben; wie ich gehört habe, bist du geflüchtet – von wo und wem auch immer. Sie wollten dich zurück, so sehr, dass sie dich verletzten mussten und selbst so, konntest du dich ganz alleine verteidigen. Da wären die ersten Fragen. Kommen wir zu dem heutigen Abend. Auch wenn du nicht direkt am Kampfgeschehen beteiligt warst, müssen wir dir sagen, dass du indirekt sehr wohl daran beteiligt warst. Du bist bis hier verfolgt worden, ist dir das klar, Hitomi? Hast du gewusst, dass du deine ganze Umgebung somit in eine mittelbare Gefahr stellst? Die Angreifer waren heute nur hier, weil sie dich wieder zurück haben wollten, soviel ist mir nun klar, oder irre ich mich da, Allen?“ Van blickte die ganze Zeit nur sie an und wendete niemals den Blick ab, obwohl er gerade zu seinem blonden Freund sprach. „Ich kann dir nicht widersprechen, mein Freund. Auch mir stellen sich Fragen, die nur du uns beantworten kannst, Hitomi.“ Somit wandte Allen sich nun an die braunhaarige. Sein bohrender Blick entfachte in ihr ein quälendes Gefühl, welches sie krampfhaft zu verdrängen versuchte. „Also gut“, gab sie sich geschlagen. „Ich sage euch alles, was ich weiß.“ Somit erzählte sie ihnen alles bis ins kleinste Detail. Von der Entführung auf der Erde, bis in die einjährige Gefangenschaft. Fortgesetzt am versuch ihrer Flucht, bis schlussendlich der Brief ihre Ausführung beendete. Auch komplettierte sie ihre Geschichte mit den letzten Diebstählen in letzter Zeit und ihren Vermutungen. Mindestens jeder von ihnen stellte noch eine Frage und so dauerte es noch länger bis spät nach Mitternacht. Als langsam alles gesagt wurde und keiner mehr etwas zu bemeckern hatte, standen alle nach und nach auf und liefen an Hitomi vorbei. Millerna legte noch kurz tröstend die Hand auf ihre Schulter, bevor auch sie verschwand. Van war der letzte und wenigstens von ihm hatte sie Verständnis erhofft, aber er lief ohne Worte an ihr vorbei. Es war verletzend und kurz versuchte sie ihn aufzuhalten. Es brachte nichts, als sie nach ihm rief, reagierte er nicht. Nach dem kleinen Schock ging auch Hitomi und in ihrem Bett, starrte sie einfach hoch an die Decke. Sie war nicht müde, ganz und gar nicht. HItomi dachte noch an den Angriff und an ihr ehemaliges Zuhause. Ob sie wohl je wieder auf die Erde zurückkehrte? Wie es wohl Yukari, Amano und ihrer Mutter erging? Sie machten sich sicher riesige Sorgen. Sie wünschte sich wenigstens sich von ihnen zu verabschieden. Das war sie ihnen Schuld und wenn das nicht ging, würde sie ihnen gerne eine Nachricht zukommen lassen. Es brachte nichts darüber nachzudenken. Sie schloss die Augen um zumindest noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Morgen würde es sicher nicht leichter werden. Sie schlummerte schneller ein, als sie erwartete und schlief traumlos. Sie konnte höchstens ein paar Stunden geschlafen haben, als man sie abrupt aus ihrem schönen Schlaf riss. Zuerst hörte sie undeutliches Geschrei und dann spürte sie die aufgehende Sonne auf sich. Langsam öffnete sie ihre Augen und bemerkte, wie Merle die Vorhänge aufgezogen hatte. Hitomi war schlecht gelaunt. Sie war so müde wie noch nie. „Was willst du?“ nuschelte sie, während sie sich die Decke über das Gesicht zog. „Ah… nicht wieder einschlafen, “ rief die rothaarige mit vollem Tatendrang und zog sie wieder zurück. „Was willst du?“ fragte Hitomi noch einmal und versuchte erfolglos ihre gemütliche Bettdecke zurück zu bekommen. „Ich möchte, dass du endlich deinen Allerwertesten aus dem Bett bekommst, ist das angekommen?“ antwortete sie prompt und zog Hitomi an den Armen hoch. „Aua, au… Ich habe schon verstanden Merle, du musst nicht ziehen.“ „Na, gut, mal sehen…“ Sie schien sich suchend umzuschauen, während Hitomi sich augenreibend aufsetzte. „Ah, ja, zieh das an!“ Merle hielt Hitomi ihre Kampfkleidung vor die Nase. Sie fragte gar nicht erst und zog sie an. Gerade als sie sich die Stiefel überstreifte, bemerkte sie: „Sag mal, Merle habt ihr alles für mich frisch gewaschen, oder täusche ich mich da?“ Merle lächelte. „Tust du nicht. Es ist wieder einsatzbereit, auch die wenigen Brüche haben sie repariert, jedenfalls dachte ich wir könnten es ja mal austesten?“ „Am frühen Morgen?“ Hitomi hob ihre Augenbrauen. „Natürlich am frühen Morgen, welche Tageszeit wäre geeigneter dafür. Alle schlafen noch, so sind wir ihnen nachher einen Schritt voraus und sind hellwach. Außerdem hast du ja mal gesagt, dass wir mal trainieren sollten.“ „Ja, aber, “ Hitomi streckte sich kurz, bevor sie aus der Tür traten. „Teufel, heute?! Ich denke nicht, dass es ein guter Zeitpunkt ist.“ „Deswegen um Morgenfrüh. So stören wir keinen und Van kann mich deswegen nicht rügen.“ „Er weiß nichts?“ „Natürlich nicht, was würde er denken, wenn ich dich fertig mache.“ Ihre Stimme trotzte vor Übermut. Hitomi musste ihren Kopf schütteln. „Wie kannst du nur so von dir Selbstüberzeugt sein.“ „Einfach, weil es stimmt“, grinste Merle. Hitomi keuchte stark, als ihr Schweiß den Körper hinab rann. Inzwischen war die Sonne fast gänzlich über das Gebirge. Sie hatten mindestens zwei Stunden trainiert, dementsprechend war sie auch erschöpft. Nun saßen sie nebeneinander im Trainingsraum mit jeweils einer Flasche Wasser in der Hand. Im Gegensatz zu vorhin war sie jetzt hellwach. Merle hatte Recht gehabt, das war wirklich die beste Art um den Tag zu beginnen. Sie musste feststellen, dass ein Kampf gegen Merle zwar einfacher als mit Luca war und Hitomi doch keine echte Chance hatte. Zumindest keine große. Merles Streiche waren präzise und kräftig. Aber sie meinte behaupten zu können, sich ganz gut zu schlagen. Nachdem sie noch einen weiteren Schluck der kalten Flüssigkeit nahm, wandte sie sich an die rothaarige. „Du bist echt gut, Kompliment!“ Ein müdes Kichern ertönte. „Hab ich auch dich endlich überzeugt, aber das war ja klar.“ „Tu jetzt nicht so. Du warst genau so wie ich außer Atem. Gibs zu auch ich habe etwas drauf!“ Kurz legte Merle ihr die Hand auf die Schulter und stand dann ruckartig auf. „Würde ich nicht tun, selbst wenn mein Leben davon abhinge.“ „Lustig“, erwiderte sie grinsend und tat es der Katzenfrau gleich. Frisch gebadet, saß sie an diesem Morgen zum ersten Mal am Frühstückstisch. Sie hatte sich diesmal ihren kurzen Kimono angezogen, denn Hitomi letztes Jahr bekommen hatte. Dabei steckte sie sich mit Haarnadeln kunstvoll die Haare auf dem Kopf zusammen. Als sie ankam, war der Tisch schon gedeckt und das Wasser lief ihr schon im Munde zusammen. Die schönste Tischdecke, die sie je gesehen hatte, war aufgelegt, der Tisch mit prächtigen Blumensträußen in Vasen geschmückt und das hübsche Geschirr und Silberbesteck, glänzte mit der Sonne, die in das Esszimmer schien, um die Wette. Es standen mindestens zwanzig Gerichte auf dem langen Tisch aus Rosenholz. Merle schlug schon kräftig zu und bemerkte nicht einmal, wie Hitomi dazu kam. Durch das Training hatte sie einen Bärenhunger bekommen. Ein junges Mädchen, von kleiner, zierlicher Statur mit tiefschwarzen Haaren stand am nächsten des Tisches. Die anderen Bediensteten schienen ihr zu weit weg. Als Hitomi sie fragte, ob sie sich selbst nehmen dürfe, nickte sie. Sie belud sich ihren Teller mit Eiern, Würstchen, Brötchen und blass lila Melonenscheiben. Es verging wieder eine Weile bis die nächsten –Millerna und Dryden - zu Tisch kamen und bis dahin aß sie ihren Teller komplett aus und hatte sich schon was Neues geschöpft. „Guten Morgen“ begrüßte Millerna die beiden. „Und einen schönen, guten Appetit.“ „Morgen“, begrüßte Hitomi zurück und war froh, dass Dryden und Millerna wohl nicht allzu wütend auf sie waren. Da stand Van wohl auf einem ganz anderen Stern. Hitomi aß weiter und es war schön sich mit den anderen über belanglose Dinge zu reden. Der Tisch wurde immer voller, doch Van tauchte erst dann auf, als Hitomi sich dazu entschloss wieder in ihr Zimmer zurückzukehren. Sie blieb sitzen und beobachtete heimlich, was als nächstes geschah. Van begrüßte alle und als er sich ziemlich weit von ihr entfernt setzte, dachte sie, dass er sie wie gestern Nacht weiter ignorieren würde, aber plötzlich sah er sie an. Etwas Intensives lag in seinem Blick und sie konnte ihren nicht abwenden. Er wandte sich als erster ab. „Wie war sie, Merle?“ Merle musste schlagartig ein Grinsen unterdrücken. „Akzeptabel, denke ich.“ „Ach ja?“ sagte er und währenddessen nahm er sich etwas vom frischen Brot, Gemüse, Käse, Rauchfleisch und ein Glas Milch. „Ja, ich muss zugeben ich war überrascht. So schlecht, wie ich dachte, war sie nicht. Ich war am Ende sogar Außer Atem und das Beste kommt noch; Hitomi kann sogar mit einem Guymelef umgehen. Wir haben es ausprobiert. Natürlich ist sie im Gegensatz zu dir eine kleine, graue Maus, aber mit ihren Fähigkeiten kann sie sich vor einfachen Soldaten widmen.“ Hitomi hörte ihr still zu und sie hatte das Gefühl, das tat jeder im Raum. Sie riss die Augen auf, als sie bemerkte, dass Merle sie schamlos angelogen hatte. Van wusste sehr wohl von ihrem kleinen Kampf am Morgen. Hitomi wettete, dass Van Merle dazu angefordert hatte. Er wollte wissen, wie stark sie inzwischen geworden war. Sie fühlte sich ein wenig verletzt, dass er nicht selber Zeit hatte, dass mit ihr ausdiskutieren. Aber viel mehr war sie wütend. „Wusste ich es doch!“ rief sie aus. „D-Du… I-Ihr habt das geplant! Stimmts?!“ „Nun ja, ja du hast recht“, sagte Merle. „Aber, wieso… Van?! Wenn du etwas wissen wolltest, wieso hast du mich nicht einfach selbst gefragt?“ Hitomi wandte sich nun direkt an ihn. „Ich war wütend auf dich, dass du uns so viel verschwiegen hast, deshalb hielt ich es für das beste Merle gehen zu lassen. Womöglich hätte ich dich sonst noch verletzt und das würde ich bereuen. Auch jetzt bin ich noch wütend auf dich, aber so konnte ich wenigstens ein wenig Schlaf finden und die Wut ein bisschen verklingen lassen.“ Er schien ganz ruhig und aß seine Mahlzeit. „Aber trotzdem..“ Hitomi brach abrupt ab. Sie verstand ihn nun ein bisschen mehr. Es verstrichen wieder einige Minuten, ehe Van wieder das Wort erhob. „Ich werde noch heute abreisen, auch wenn ich weiß, dass du deren Ziel bist, kann ich nicht verantworten Fanelia ohne ihren König zurückzulassen. Aber wenn du willst, kannst du mit mir mitkommen, Merle wird mich auch begleiten.“ Eine Sekunde lang dachte sie darüber nach. „Aber Van, du hast es doch gerade gesagt ich bin deren Ziel. Wenn ich mitkomme, werden sie ganz sicher Fanelia angreifen. Weißt du nicht mehr, was ich gesagt habe?! Sie werden mich überall finden; ich bin eine reine Gefahr für euch alle.“ „Das stimmt, Hitomi, aber…“Unterbach Allen das Erdenmädchen. „Genau deshalb sollten wir dich nicht alleine lassen und bei Van bist du in guten Händen.“ „Aber…“ setzte sie an. „Du scheinst es nicht zu verstehen, Hitomi. Falls sie wirklich hinter dir her sind, darfst du dich nicht fangen lassen. Wir wissen nicht, warum sie dich jagen und wozu sie dich gebrauchen. Am besten wäre, dass du dich versteckst, aber wie sie behaupten, wirst du immer gefunden werden. Ob das der Wahrheit entspricht, können wir noch nicht sagen. Du solltest fürs erste bei Van bleiben. Er ist einer der besten Kämpfer Gaias. Er wird dich beschützen können, “ sagte Dryden. „Ganz genau. Wir unterdessen versuchen mehr Informationen zu beschaffen“ lächelte Millerna. Hitomi runzelte die Stirn. „Wie?“ „Das ist Eries Spezialgebiet. Sie ist uns eine große Hilfe im Regiment. Sie tätigt sich in unserem Geheimdienst und ist vorsitzende Leiterin.“ „Stimmt das?“ fragte Hitomi ein wenig überrascht die blonde Prinzessin. „Ja, du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde herausfinden wer die sind.“ Hitomi hatte absoluten Respekt vor ihr und sie vertraute ihr mit ganzem Herzen. „Also gut“, seufzte sie. „Ich werde mit Van mitgehen, falls das kein Problem für dich ist.“ Wieder sah sie ihn an. „Absolut nicht“, sagte er und als er ihr ein winziges Lächeln schenkte, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Alles war bereit. Hitomi hatte für ihre Reise nach Fanelia gepackt, ihre Tasche wartete auf dem Bett des Gästezimmers, in dem sie die Tage übernachtet hatte. Sie war fertig, obwohl das Luftschiff Vans erst am späten Nachmittag abfliegen sollte und jetzt war es erst eine Stunde nach Mittag. Vielleicht war das auch gut so. Sie beschloss Millernas Schwester Eries noch einen Besuch abzustatten. Hitomi wollte wissen, was sie unternehmen wollte. Während ihrem Streifzug begegnete sie einzig Angestellten; welche sie um den Weg fragte. Schnell war das Zimmer gefunden und als Hitomi anklopfte, hoffte sie Eries in ihrem Zimmer vorzufinden. Als eine sanfte, bestimmte Stimme sie hereinbat, holte sie noch einmal tief Luft. Die junge Prinzessin saß an einem runden Eichentisch und rührte mit ihrem Silberlöffel in ihrer Tasse herum. „Ich habe dich schon erwartet, Hitomi… setz dich doch.“ Dabei zeigte sie mit ihren langen Fingern auf einen antiken Stuhl. Wortlos setzte sie sich ihr gegenüber und saß schweigend da, als die blonde ihr auch eine Tasse Tee einschenkte. Plötzlich wurde ihr Mund fürchterlich trocken und sie setzte das Porzellan an ihre Lippen. „Nun..?“ fing Eries das Gespräch an und lächelte ihr aufmunternd zu. Sie versuchte auch zu lächeln. Das war schwieriger als Hitomi gedacht hatte. Sie war nie so vertraut mit der strengen Prinzessin gewesen und nun, dass sie ihr in ihre Arbeit rein pfuschen wollte, war nicht einfach. Sie musste schlucken, bevor sie schließlich ihre Stimme erhob: „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, womit ich anfangen soll. Ich bin mit dem Gefühl zu dir gekommen, dass ich Antworten will aber jetzt weiß ich nicht, was ich dich fragen will.“ Sie schwieg einen Moment um darüber nachzudenken. „Ich werde versuchen dich nicht deiner Zeit zu berauben und werde gleich zur Sache kommen.“ Sie atmete ein. „Weißt du schon wie du vorgehen wirst? Ich meine wegen dem Angriff gestern, weißt du schon, wie du weiter vorgehen wirst?“ Ein paar Sekunden war es still. Eries trank ganz ruhig von ihrer Tasse. Als sie es wieder auf den Tisch stellte, sagte sie: „Natürlich, möchte ich deine Fragen beantworten, selbst wenn ich weiß, dass es verboten ist. Ich tätige mich wie gesagt im Geheimdienst, aber du bist mehr in diesem Fall beteiligt als jeder andere. Deshalb denke ich du hast dir dein Recht verdient.“ Sie machte eine Pause. „Zunächst einmal, viel ist nicht zu sagen. Immerhin haben wir die Ermittlungen noch gar nicht richtig angefangen. Ich hatte mit einer Gruppe von Leute eine Besprechung und wir haben besprochen, was wir als nächstes tun könnten.“ „Und was könnt ihr tun?“ Hitomi sah interessiert auf Eries. „Fürs erste Haben wir die Dinge gesammelte die wir haben und wissen. Stichpunktartig haben wir sie aufgezählt. Zuerst das Messer, welches wir auf dem Crusado – mit dem du hier angekommen bist - gefunden haben.“ Während sie sprach, stand sie auf und ging auf eine Kommode zu. Hitomi beobachtete, wie sie leise eine Schublade öffnete und als sie sich wieder hinsetzte, legte sie das genannte Messer auf den Tisch. „D-Das ist…!“entfuhr es Hitomi willkürlich. „Ja. Allen hat es gefunden und sagte der Verfolger hat es dir nach geworfen. Sieh es dir mal genauer an, bemerkst du nicht etwas?“ Eries schob das Messer zu ihr hinüber und sie nahm es vorsichtig in ihre Hände. Zunächst sah sie noch in die ernsten Augen der älteren und schaute dann wieder aufs Messer. Sie korrigierte sich; der Dolch war schön und von guter Qualität, trotzdem lag er federleicht auf der Hand. Die Klinge war beidseitig geschliffen und so auch dementsprechend scharf. Es waren geschwungene Ornamente in die Klinge eingearbeitet und er war mit einem beinernen Griff verfasst. Wenn sie genauer hinsah, konnte sie bewusste Schnitzereien am Heft erkennen. Hitomi runzelte die Stirn. „Was meinst du?“ Sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Sanft nahm die blonde, den Dolch aus ihrer Hand und legte ihn gerade auf den Tisch. Mit dem Zeige- und Mittelfinge zusammengepresst zeigte sie auf das Heft. „Du musst die Besonderheiten schon bemerkt haben, aber vielleicht wusstest du es nicht, aber diese Schnitzerei am Heft sind sehr ungewöhnlich in Gaia, zumindest sieht man sie nicht alle Tage. Die Muster an der Klinge dagegen kann man sehr oft in einem Messer sehen. Wie auch immer, ich sollte dir sagen, was genau daran so ungewöhnlich ist. Die Art, wie die Schnitzerei gemacht ist, kann sehr beunruhigend sein. Natürlich hängt es stark davon ab, wie man es betrachtet.“ Sie machte eine Pause. „Aber da wir nur wenig Möglichkeiten haben, müssen wir jede einzelne desto besser ansehen. Zurück zum Heft; es wurden Zeichen und Symbole gesetzt, die hier bei uns nichts Gutes bedeuten. Ich erkläre es dir: die Eins hier oben, “ dabei zeigte sie mit dem Finger auf das genannte. „Bedeutet das Ungeschiedene und Vollkommene; den Himmel und hier die Vier, “ ihr Zeigerfinger fuhr runter bis zum Anfang des Knaufs. „Ist das Symbol für Unheil oder Tod.“ Hitomi musste ihren Klos im Hals herunterschlucken. „Der Drache hier in der Mitte im Kreis bedeutet Glück und positives Schicksal. Ebenso steht er für den Neubeginn, Erfolg und Wohlstand.“ „Aber das ist doch gut?“ Ein kühles Lächeln erschien auf Eries Lippen. „Das sollte man meinen, aber nein ich denke nicht. Der Drache präsentiert außerdem das Drachengottvolk, die Draconier.“ „Also du meinst die Draconier haben etwas damit zu tun?“ platzte es plötzlich aus ihr heraus. Eries nickte. „Ich dachte sie wären längst verschollen, unauffindbar.“ Tausend Gedanken schossen Hitomi durch den Kopf. Auch Van tauchte in ihrem Kopf auf. „Das hast du genau richtig verfasst, verschollen! Bedeutet es das sie Tod sind, nein. Sie wären sehr wohl in der Lage gewesen. Bisher wissen wir nur von Vans Mutter und wer sagt uns nicht, dass es weitere Wesen vom Drachengottvolk gibt?!“ „Ist das nicht zu simpel? Selbst wenn der Drache das Drachengottvolk ausdrückt, deshalb dürfen sie wir doch nicht verdächtigen. Wir haben keinen triftigen Beweis für unseren Verdacht.“ „Du hast natürlich recht Hitomi und wenn es auch nur dieser Beweis wäre, wäre ich auch nie zu dieser Vermutung gekommen.“ „Du hast noch mehr?“ fragte die jüngere. „Glücklicherweise ja. Weißt du noch als du uns sagtest du hättest eine Ahnung, dass die letzten Diebstähle ein Verbindung zu dem Angriff von gestern bestehen könnte?“ „Ja?“ Hitomi hob fragend ihre Augenbrauen. „Du hattest recht. Es besteht tatsächlich eine Verbindung.“ „Ach ja, welche?“ Hitomis Stimme klang beinahe erfreut. „Weißt du auf welche Mission Millerna Allen geschickt hat?“ Die braunhaarige schüttelte nichtsahnend den Kopf. „Auf meinen Wunsch hin hat Millerna ihn durch ganz Gaia gesandt. Die Diebstähle haben nämlich nicht nur dich verwirrt, auch mich. Ich wollte, dass sich das ein erfahrener Ritter mal besser ansieht.“ „Du meinst die Tatorte?“ „Ja. Ich gebe zu er ist kein Ritter mehr und normalerweise verrichten das auch keine Ritter für mich, aber er ist der Beste den ich kenne und ich wollte, dass er es unter geheimster Geheimhaltung tut.“ „Was tut?“ Hitomi runzelte die Stirn. „Er durchsuchte die Raubüberfalle aufs gründlichste und suchte nach Beweisen.“ „Hat er etwas gefunden?“ Eries hielt inne und nahm wieder einen Schluck ihrer heißen Brühe. Je länger Hitomi warten musste, desto ungeduldiger wurde sie. „Du wärst überrascht, was er gefunden hat“, sagte die Blonde schlussendlich. Die Braunhaarige seufzte. „Lass mich raten; eine Feder.“ Die ältere der beiden lächelte, besser gesagt, sie grinste. „Du hast es erfasst.“ „Aber… das muss nichts bedeuten.“ Sie kicherte hilflos. „Wieso glaubst du so fest an ihre Unschuld, Hitomi?“ Die Frage überrumpelte sie. „I-Ich w-weiß nicht… Also i-ich meine.. d-das stimmt doch gar nicht…“ „Es ist wegen Van, stimmt’s?“ Eries Stimme klang ruhig und allwissend. „Also ich…“ Hitomi schwieg. „Du musst deine Gefühle für ihn unterdrücken können, den die Beweise sprechen für sich. Und damit du es wirklich verstehst, werde ich dir alles noch einmal erklären, damit auch du endlich verstehst.“ Sie starrte fast wie hypnotisiert auf die Tischplatte und presste die Lippen aufeinander. „Ich fange wieder mit dem Messer an“, fuhr die geborene Aston fort. „Ich habe dir die Bedeutungen der Symbole mitgeteilt, aber du weißt meine Schlussfolgerung noch nicht. Wie gesagt bedeutet die Eins den Himmel und die vier den Tod. Und der Drache bedeutet vollkommenes Glück. Wenn wir es uns als eine Botschaft ansehen, dann kann es zu etwas sehr erschreckendem werden. Ich stelle mir das so vor: die eins und die vier sind Gegensätze und wenn wir den Drachen als das Drachengottvolk ansehen, denke ich sie wollen Tod bringen um ewiges Glück zu erschaffen.“ Die braunhaarige weitete willkürlich die Augen. „Natürlich ist alles nur reine Spekulation. Aber ich denke sie wollen die Menschenwelt völlig verrotten lassen, was du in ihren Überlegungen zu suchen hast, weiß ich noch nicht. Doch durch die Auffindung der Feder sind wir einen Schritt weiter und ob du es glaubst oder nicht, die Diebstähle gehören zu meinem Beweis dazu. Jeder Beweis der spurlos verschwunden ist, gehört den alten Sagen nach zu früherer Zeit dem Drachengottvolk, jeder einzelne Gegenstand.“ Hitomi konnte kein Wort mehr erwidern. Viel zu sehr war sie enttäuscht und beinahe ohne Hoffnung. Nachdem Eries die Draconier erwähnt hatte, hoffte sie wirklich, dass Vans Rasse da nicht mit reingezogen wurde. Doch jetzt sah es nach dem genauen Gegenteil aus. „Nun, obwohl bis vor kurzem habe noch nicht einmal ich selbst wirklich daran geglaubt. Du musst wissen, bis vor kurzem waren sie mehr als Märchen bekannt als wie echte, lebende Dinge.“ Diebraunhaarige war verwirrt, mehr als sie es am Anfang für möglich gehalten hatte. Dabei runzelte sie die Stirn. Eries fuhr einfach fort. „Der Legende nach gab es einmal drei Geschwister, die in der Morgendämmerung eine einsam, gewundene Straße entlang wanderten. Sie besaßen himmlisch weiße Flügel auf dem Rücken. Mit ihnen konnten sie überall hin fliegen wohin sie wollten. Sie waren jung und abenteuerlustig. Aber auch arm, destotrotz reisten sie durch die Welt. Sie trafen viele Menschen und nach einiger Zeit trat ihnen eine Kapuzengestalt in den Weg. Er hatte Flügel wie sie, doch sie waren schwarz wie die Dunkelheit. Er gratulierte ihnen zu ihrer langen Reise und das sie es von Atlantis soweit geschafft hatten. Er meinte, da sie so talentiert gewesen waren, verdiene jeder von ihnen ein Geschenk. Bevor auch einer antworten konnte, zeigte er auf seine Flügel und sagte, er würde ihnen helfen, dass ihnen nicht so ein Missgeschick geschah. Dem ältesten Jungen gab er eine goldene Taschenuhr. Mit dieser war er fähig die Zeit beliebig zu verändern. Dem zweiten Jungen schenkte er einen Energiestein, dessen Farbe nicht von dieser Welt zu sein schien. Dieser war grösser, stärker als es der junge jemals gesehen hatte. Mit diesem konnte er sich Träume erfüllen, von denen er sich nie erträumen konnte. Dem einzigen Mädchen und der jüngsten in der Gruppe, mit wunderschönen, blonden Locken war eine Schönheit, die man nie gesehen hatte. Ihr verlieh er eine kleine Schatulle, die mit Rouge gefüllt war. Mit Hilfe dessen, sollte sie in der Lage sein nie zu altern und für immer ihre Schönheit behalten. Die Gestalt verschwand so schnell, wie sie gekommen war. In einem eigenartigen schwarzen Federregen war er gänzlich verschwunden. Nach diesem merkwürdigen Erlebnis trennten sich die Geschwister. Der erste Bruder reiste in ein fernes Dorf und drehte die Zeiger fünf Mal um die Zwölf. Er war erfreut, als er sich wieder in dem Moment wiedersah, als er seine wahre Liebe verschmäht hatte. Er sagte ihr, dass er sie liebte, doch nach einiger Zeit schien sie das Interesse zu verlieren und verliess ihn. Wahnsinnig vor unerfüllbarer Sehnsucht tötete er sich. Der zweite Bruder wanderte nach Hause, wo er den Stein in der Hand in seinen Ruhm verwandelte. Er konnte sich seine Träume erfüllen. Mit Geld und Stärke konnte er sich nun zeigen. Trunken von der Macht, prahlte er mit seinem Ruhm und seiner Unbesiegbarkeit. Doch sein Glück währte nicht lange, noch in denselbem Jahr stahl ein anderer den Energiestein und schnitt ihm obendrein die Kehle durch. Das Mädchen reiste weiterhin um die Welt. Von ihrer Schönheit besessen, wurde sie arrogant und genau so wie von ihrer Schönheit auch von Männern besessen. Sie liebte die Aufmerksamkeit. Doch eines Tages, sah sie in den Spiegel und wie jeden Morgen wollte sie ihr Rouge anbringen, doch dann erblickte sie ihr wahres Gesicht im Spiegel. Eine alte Frau sah ihr entgegen. Sie klopfte gegen den Spiegel und schrie, doch sie konnte es nicht ändern. Dann versuchte sie sich mit dem Rouge zu schminken, aber je mehr Farbe auf ihrem Gesicht kam, desto schlimmer wurde es. Schlussendlich weinte sie und im Selbstkummer starb sie alleine und einsam.“ Hitomi schwieg, als auch Eries die Geschichte beendet hatte. „Das sind sie also, die Heiligtümer von Atlantis. Wie du wohl bemerkt hast, hat jeder Gegenstand Kummer und Tod gebracht. Aber wenn sie wirklich diese Fähigkeiten haben sind sie zusammen gefährlicher, als du es dir je vorstellen könntest. Der Zeitumkehrer ist übrigens in Freid gestohlen worden und den Energiestein in der Nähe von Fanelia. Der letzte Gegenstand, die Schatulle ist nicht weit entfernt von hier in Asturia gestohlen worden.“ „Aber, wie konntet ihr den wissen, dass die Gegenstände aus der Geschichte stammen?“ fragte jetzt auch wieder die braunhaarige. „Das ist ganz einfach. Zwar wussten nicht alle von diesen Heiligtümern, aber sie waren schon immer als Märchen bekannt. Es gab jene, die dafür Sorgen mussten, dass es so blieb und welche für den Schutz zuständig waren. Als sie die Heiligtümer nicht mehr fanden, gaben sie alles an die Presse weiter. Es wurde schnell verbreitet und wenn man Zeitung liest, wusste das bald jeder.“ „Also gut, aber was willst du jetzt weiteres tun?“ Die Frage blieb lange im Raum stehen. „Ich denke wir werden einmal Nachforschungen nachgehen und noch mehr Informationen über die Draconier suchen.“ Einige Zeit war es wieder still. „Sind deine Frage damit alle beantwortet?“ „Ja, ich denke schon.“ Hitomi sah auf Eries Gesicht. „Jedenfalls danke.“ „Keine Ursache.“ Hitomi erreichte das Luftschiff in allerletzter Sekunde. Nachdem sie mit Eries gesprochen hatte war sie in ihr Zimmer zurückgekehrt. Nicht lange Zeit war vergangen und Merle war vor ihrer Tür aufgetaucht, lebensfroh wie immer und hatte sie aus dem Zimmer gescheucht. Van und die anderen warteten anscheinend nur noch auf sie. Rennend – damit sie alle nicht noch länger warten liess – beeilten sie sich zum Landeplatz. Schon von weitem erkannte sie sein mürrisches Gesicht. Er war wohl immer noch wütend und ihre Verspätung, hatte es nicht besser gemacht. Obgleich sie nicht genau gewusst hatte, wann sie wo zu sein hatte. Man hatte ihr früher nur mittgeteilt, dass sie erst am späten Nachmittag abfliegen wollten. Trotzdem hatte sie sich entschuldigt und sich von allen, die nicht mitkamen gefühlvoll verabschiedet. Auch Allen, der noch eine Weile zur Sicherheit in Asturia blieb, schenkte sie eine freundschaftliche Umarmung. Hitomi wusste nicht mehr, ob sie es sich nur eingebildet hatte aber sie hatte deutlich einen Blick auf sich gespürt, als sie Allen nahe gekommen war. Sie hatte unbemerkt nachgesehen, wen sie da auf sich spürte und umso überraschter war sie, als sie Vans rote Augen erkannte, die in die ihren eindrangen und sie erfüllten. Er sah tief verletzt aus. Er wirkte geradezu elend und entkräftet. Sie verstand ihn nicht. Plötzlich fiel ihr der Tag ein, als sie Allen zum ersten Mal geküsst hatte und Van sie dabei erwischt hatte. Sein Blick hatte etwas Ähnliches gehabt, was ihr ungemein weh tat. Nicht um ihretwillen, seinetwegen. Dann hatte sie sich wie Van und Merle auch ins Luftschiff begeben. Kapitel 9: III - Drei der Kelche -------------------------------- Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Als die Feinde abziehen und Van uns abholt, werde ich im Palast in einem leeren Zimmer gefangen gehalten. Sie stellen mir Fragen und ich muss ihnen antworten. Am nächsten Tag trainiert Merle mit mir, alles auf Vans Befehl hin. Ich bin tief verletzt als ich das erfahre. Er will auch, dass ich mit ihm zurück nach Fanelia gehe. Nach einigem Zögern stimme ich zu. Doch vorher will ich noch mit Eries, Millernas Schwester reden. Sie hilft anscheinend im Geheimdienst. Ich erfahre einige erschreckende Dinge. Später gehe ich mit Van und Merle in sein Luftschiff und wir verlassen Pallas. Hitomi stand an der Reling, die Sonne schien ihr entgegen und eine sanfte Brise strich ihr durchs Haar. Der Ausblick, der sich ihr bot, war wunderschön. Direkt nach der Abfahrt war sie zur Rehling gegangen und hatte ihren Freunden noch nachgesehen, bis Hitomi sie nicht mehr sehen konnte. Die Stadt hatten sie inzwischen seit einigen Minuten überflogen. Stattdessen breitete sich unter ihr das weite, blaue Meer aus. Wenn sie sich leicht vorlehnte, sah sie zu ihrer rechten noch Wälder, Felder und kleine Dörfer. Am Horizont konnte sie eine Gebirgskette erkennen. „Idiot.“ Abrupt wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Hitomi fuhr herum, als sie Merles Stimme hinter sich erkannte. „Wie bitte?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem herablassenden Gesichtsausdruck sah Merle sie an. „Idiot, oder bist du schon schwerhörig geworden?“ Jäh war der schöne Ausblick vergessen. „Was ist dein Problem?“ Für einen kurzen Moment schwieg Merle und ihr Gesicht war wie eine eiserne Maske, ihre Lippen zogen sich zusammen und ihre Katzenaugen schienen eiskalt, beinahe gleichgültig. Ein Schauder überfiel Hitomis Rücken. „Was mein Problem ist, fragst du?“ Merles Stimme klang spöttisch, so als ob Hitomi die Antwort wissen müsste. Als die braunhaarige nicht antwortete, fuhr sie fort: „ Das solltest du am besten wissen oder nicht?!“ „Tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung!“ Nun ähnelte auch Hitomis Gesicht dem des Katzenmädchens. Man wollte den beiden gerade nicht zu nahe treten, dass bemerkte auch eine Hilfskraft, als diese vorbeiging. Merle lachte auf und dann grinste sie. „Das ist ja so witzig! Manchmal frage ich mich einfach, was sich in deinem süssen, kleinen Kopf befindet!“ „Merle!“ Sie wusste nicht, was in die Katzenfrau gefahren war. Vor der Abfahrt schien sie noch freundlich, im Gegensatz zu früher. Sie hatte gedachte Merle hatte sich verändert, vielleicht war das auch nur eine Täuschung gewesen. „Du scheinst es wirklich nicht zu wissen“, antwortete die rosahaarige ihr schliesslich. „Du bist eine absolute Vollidiotin, weisst du das eigentlich! Wie konntest du ihm das nach allem nur tun...“ „Aber was tun? Was habe ich denn so schlimmes getan?“ Ihre grünen Iris zogen sich fragend zusammen. „Du hast ihn verletzt, Hitomi! Das hast du getan!“ Hilflos schüttelte sie den Kopf. Einige braune Strähne lösten sich aus ihrem Dutt und fielen Hitomi ins schmale Gesicht. „Wen? Und wie?“ Ihre Stimme klang genau so, wie sie aussah. Überrascht, verwirrt und einfach nur ratlos. „Wen!“ Rief sie aus. „Denk mal scharf nach!“ „Aber ich… Ich weiss es wirklich nicht. Glaube mir doch, Merle.“ Aus Hitomis Lippen entkam nur noch ein murmeln, als sie gleichzeitig nachdachte und sich unbewusst mit der Zunge über die Oberlippe strich. Welche Regung auch immer, etwas schien Merle zu beruhigen. Die Rosahaarige atmete noch einmal tief ein und aus. „Hitomi“, sagte sie leise. „Ich weiss du scheinst dich keiner Schuld bewusst zu sein, aber du hast Van zutiefst verletzt, als du Allen so innig umarmt hast.“ „Was?“ Hitomi weitete ungläubig die Augen. „Auch wenn Allen sein Freund ist, weiss ich, auch wenn er es mir nicht sagte - er dich nicht in seiner Nähe sehen kann, “ fuhr sie unbeirrt fort und willkürlich begann Hitomi zu begreifen. Stück für Stück und als Merle es sagte kamen ihr die Bilder vor Fünf ein halb Jahren wieder in den Sinn. Ein Schmerz durchzuckte ihr Herz, den man nicht beschreiben konnte, aber der ihr Herz rasen liess. „Du solltest dich noch erinnern. Als er dich mit ihm zusammen –küssend- fand, hat es ihm willkürlich das Herz gebrochen. Wahrscheinlich will er nicht, dass ich dir das sage, aber damals… ich werde dir sagen, warum er damals an diesem Ort war. Als es an diesem Tag zu regnen begann, hat er sich Sorgen gemacht, weil du noch immer nicht zurück warst. Deshalb ging er nach dir suchen, obwohl ich es für eine schlechte Idee hielt. Und dann als er dich endlich findet, tust du ihm sowas an. Küsst vor seinen Augen jemand anderen.“ Gerade als Hitomi ihr Mund öffnen wollte um etwas zu erwidern, unterbrach die andere sie. „Ich weiss, dass du damals noch nicht von seinen, noch deinen Gefühlen wusstest. Aber jetzt – heute ist die Lage vollkommen anders. Ich weiss von deinen Gefühlen zu ihm und deshalb solltest du wissen, was du besser nicht tun solltest.“ Dann ging sie und liess sie einfach zurück. Alleine und einsam mit ihren Gedanken, die sich ganz allein um einen einzigen Menschen drehten. Hitomi blieb noch einige Minuten, doch dann ging auch sie wieder zu den anderen. Aber sie konnte Van nirgends entdecken, auch Merle nicht, doch im Moment wollte sie sowieso nur ihn sehen. Hatte ihm das wirklich so weh getan? War sie Schuld, dass es ihm jetzt schlecht ging? Sie konnte den Gedanken daran nicht ertragen. Hitomi ging in den hinteren Teil des Luftschiffes. Die Kabinen hier sollten in Einzel- und Doppelkabinen unterteilt sein. Wahrscheinlich besass Van einer der grössten, aber leider hatte sie keine Ahnung, welches das sein sollte, noch welches ihre eigene Kabine war. Sie ging ein paar Mal durch den Gang hin und her, mit welcher die Kabinen getrennt waren und gerade als sie es fast aufgab, öffnete sich eine Tür zischend. Überrascht sah sie zurück und erblickte Merle, die gerade von einer der hintersten Kabine rausging. Als sie sich umdrehte, öffneten sich ihre Lippen ohne auch nur ein Wort zu verlassen. Merle blieb kurz vor ihr stehen. Sie sah sie mit einem Blick an, den sie von ihr noch nicht kannte und dann legte sie ihr eine Hand auf die Schulter. „Bring das wieder in Ordnung, versprich mir das!“ Sie wartete gar nicht darauf, dass sie antworte, sondern ging dann einfach. Hitomi blieb für eine Sekunde noch im Gang stehen, während sich ihre Gedanken drehten und ihr Herz fast schmerzhaft schlug. Dann setzte sie sich in Bewegung ohne, dass sie es wollte und ohne, dass sie es beschlossen hatte, drückte sie den Türknauf runter. Van hörte sie nicht als eintrat und für einen Moment stand sie wie erstarrt am Türrahmen, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Er stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und sah auf das Meer unter ihnen. Sein verspannter Körper sagte fast alles aus. Sie tat vorsichtig einen Schritt auf ihn zu und als sie seinen Namen nannte, reagierte er plötzlich blitzschnell. „Habe ich nicht gesagt du sollst mich in Ruhe lassen, Merle!“ Dann warf er ein Buch nach ihr, das auf einem Tisch neben ihm gelegen hatte. Instinktiv hatte sie einen Arm vor ihr Gesicht gehalten und glücklicherweise fiel das Buch dann einfach wieder auf den Boden. Er drehte sich um, machte eine Bewegung als wollte er auf sie zugehen, doch dann blieb er wie versteinert stehen. „Hitomi!“ Van konnte nicht glauben, wer vor ihm stand. Scham kroch in all seinen Gliedern empor. Er stand wie eine Salzsäure und seine Augen waren weit aufgerissen. Er wagte nicht eine Bewegung zu tun. Sie war sicher wütend. Ohne Grund hatte er ihr ein Buch angeworfen, dabei dachte er es wäre Merle. Doch entgegen seiner Erwartungen lief sie ganz ruhig auf ihn zu. Plötzlich stand sie direkt vor ihm und sie hob ihren Arm, dann dachte er, dass sie ihn schlagen wollte. Eigentlich hatte er es ja verdient, aber sie tat nichts dergleichen. Hitomi legte sanft eine Hand auf seine Wange und er stand regungslos da, wusste nicht, was er tun sollte. „Van“, flüsterte sie abermals und plötzlich kam ihm das Bild von vorhin wieder in den Sinn. Er legte seine Hand auf ihre, drückte sie dann nach unten und ging an ihr vorbei um sich auf sein Bett zu setzen. „Was willst du?“ Sie spürte einen schmerzhaften Stich in ihrer Brust, als sie hörte wie hart seine Stimme klang. Es fühlte sich beinahe so an, als lägen Meilen zwischen ihnen, obwohl es nur einige Meter waren. Sie schluckte ihren Klos herunter, dann stellte sie sich vor ihn und kniete sich nieder. Er starrte sie einfach an, ohne ein Wort zu verlieren. Sie legte ihre Hände auf seine Knie und versuchte ihn zu beruhigen, nicht weiter aufzuregen. „Es tut mir leid, bitte verzeih mir.“ Er sah sie einfach nur überrascht an. Sein Mund öffnete sich, als wollte er etwas sagen, aber dann schloss er ihn wieder. „Bitte, sag was.“ Er presste seine Lippen aufeinander und Hitomi hatte das Gefühl, dass er das nicht tun würde. „Ich habe nicht daran gedacht, dass es für dich noch immer ein rotes Tuch sein könnte, deshalb, bitte verzeih mir!“ Ihre Augen sahen bittend, fast flehend in seine. „Was?“ erhob er zum ersten Mal wieder seine Stimme. „Was soll ich dir verzeihen?!“ „ Das, weswegen du die ganze Zeit hier auf dem Schiff schon so wütend auf mich bist. Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht, aber dann als mir Merle es mir an den Kopf geworfen hat, habe ich endlich verstanden.“ „Merle hat was!“ Er war blitzschnell aufgestanden, an ihr vorbei gelaufen und gerade dabei die Türklinke runterzudrücken. Da war auch sie endlich aufgestanden und ihm nachgelaufen. Sie griff mit ihren Fingern in sein Hemd und versuchte ihn davon abzuhalten einfach wieder zu verschwinden. Er blieb stehen und spürte wie eine wohlige Wärme sich an der Stelle ausbreitete und sich am ganzen Körper verteilte. „Geh nicht!“ Langsam drehte er sich um. Plötzlich spürte er wie sich die Wärme auf sein Gesicht übertrug. Er sah in ihre stechend grünen Augen, auf ihre lieblichen Lippen, ihr Haar, welches so himmlisch roch und er konnte nur noch daran denken, wie wunderschön sie doch war. Just nahm sie sein Gesicht in ihre Hände. „Hör mir zu, Van. Ich weiss, dass ich Allen umarmt habe, hat dich verletzt und dich vielleicht an den Kuss an damals erinnert, aber du musst mir vertrauen.“ „Aber wie?“ Er stiess sie leicht von sich. „Wie kann ich mir sicher sein! Ich bin so wütend auf ihn! Er stand zwischen uns, er hat dich vor mir geküsst, glaubst du ich will, dass du ihm je wieder so nahe kommst!“ Ihr Unterkiefer zitterte und Tränen sammelten sich in ihren Augen. „I-Ich war blind. Ich habe meine Gefühle bis zum Ende nicht verstanden. Es tut mir leid…“ Dann rannen ihre Tränen die Wangen hinab. Er kam ihr näher und wollte sie tröstlich umarmen, aber sie drückte ihn von sich. „Nein, Van, lass mich los. Du hast Recht; er stand zwischen uns, weil ich fürchterlich verwirrt wegen meinen Gefühlen war…“ Er wischte ihre Tränen mit dem Handrücken weg. „Ja, du hast Recht, aber wenn mich Merle nicht darauf hingewiesen hätte, wäre ich selbst nie darauf gekommen.“ Jäh wandte er sich von ihr ab und sah in eine andere Richtung. „Ich hätte nicht so laut werden sollen, bitte verzeih meine Taktlosigkeit.“ Kurz starrte sie ihn an. Dann griff sie ihn am Handgelenk und zog ihn zu sich, bevor sie ihre Arme um ihn schlang und ihn innig küsste. Als sie sich lösten, umarmte er sie fest und grub sein Gesicht in ihre Halsgrube. „Ich habe dich furchtbar vermisst, Hitomi…“ Zwei Tage lang hatte sie unter sich nur Wasser gesehen. Sie hatten sich Fanelia zunächst über das Meer genähert. Danach flog das Luftschiff ein Gebirgshang hinauf, dass sich direkt hinter einer grossen Bucht befand. Diesen überquert, sah sie lange nichts anderes mehr als Wälder. Zwischen den verschiedenen Arten von Bäumen, blitze saftiges Grün hervor. Einige Male gab es zwischendurch Wiesen mit hohem, grünem Gras. Dann wieder einige Hügel. Doch nach etwa einem halben Tag zeigten sich kleine Dörfer und grosse Felder. Nach einem weiteren halben Tag konnten sie endlich die Stadt Fanelias erblicken. Hitomi konnte kaum glauben, was sie unter sich erblickte. Sie drückte sich so weit wie möglich ans Fenster im Cockpit des Luftschiffes, um so viel wie möglich mit ihrem Blick zu erhaschen. Die Stadt war riesig geworden, vielleicht bildete sie es sich nur ein, da sie beim letzten Mal beim Wiederaufbau arbeiteten, aber Van konnte stolz auf sich sein. „Van“, richtete sie sich dann erstaunt an ihn. „Das ist unglaublich!“ Er hob einfach nur seine Augenbrauen, als wüsste er nicht, worüber sie sprach. „Schau doch nicht so!“ Sie sah wieder auf Fanelia hinab. „ Fanelia ist wunderschön.“ Dann näherte auch er sich dem grossen Fenster und als er hinunter sah, konnte Hitomi ein kleines Lächeln an ihm entdecken. Es war fast so, als ob seine Augen funkeln würden. Sie konnte ihren Blick nicht von ihm lenken. „Ja, du hast Recht“, murmelte er, und sie spürte den Stolz, das zerstörte Land, wieder aufgebaut zu haben, dass es fast greifbar schien. Als sie ausstiegen, schlug ihnen sofort Lärm entgegen. Hunderte von Menschen hatten sich auf dem Landeplatz breit gemacht und riefen dem König von Fanelia Rufe zu. Während sie hinter Van, die Treppe des Luftschiffes hinunterlief, fühlte Hitomi sich geradezu fehl am Platz. Als wäre er einer dieser Promis, und die Meute, die kreischenden Fans. Hitomi fühlte sich wie auf der Erde, als sie vor etwa drei Jahren mit Yukari und ihren Freunden ausnahmsweise mal ein Konzert besucht hatte. Scheinbar ein beliebter Sänger; sie hatte sich nie besonders für Namen und Sternchen interessiert – jedenfalls, dank Rina, einer ihrer Freundinnen, kannte scheinbar jemanden aus der Band, so verbachten sie mit ihnen noch die Nacht. Es war verrückt, kaum hatten sie zum ersten Mal die offene Straße betreten, fing das Gekreische, das Gehimmel und die Fragen an. Es war sehr unangenehm. Am liebsten wäre Hitomi sofort gegangen, aber ihre Freundinnen fanden das toll. Das konnte sie um Himmels Willen nicht nachvollziehen. Wie auch jetzt, fühlte sie sich einfach fehl am Platz. Hitomi ging neben Merle her, die hinter Van voranschritt. Sie wusste einfach nicht, was sie genau tun sollte. Deshalb sah sie einfach etwas hilflos und beinahe überwältigt in die Menge. Als sie endlich in eine Kutsche gebracht wurde, die sie ganz zum Palast bringen sollte, war dieses Gefühl noch immer nicht ganz verschwunden. Sie saß neben Merle und ihr gegenüber war Van höchstpersönlich. Sie sah aus dem kleinen Fenster und sah dabei zu wie die Bewohner Fanelias am Straßenrand ihm zuwinkten und Dinge zuriefen. Die Menschen schienen ihn zu vergöttern. Merle bemerkte anscheinend ihr Unwohlsein und grinste sie nur frech an. Endlich beim Palast angekommen, fiel ihr beinahe ein Stein vom Herzen. Zwar hörte sie noch die vielen Bewohner hinter sich, aber nur wie ein grauer Schlauer. Nicht mehr so aus nächster Nähe und sie musste seufzen. Plötzlich hörte sie neben sich ein helles Lachen und sie sah Merle fragend an. „Was ist?“ Merle fing nur noch lauter zu lachen und sagte dazwischen: „Das hättest du nicht gedacht, stimmt’s!“ Rot im Gesicht wandte sie den Blick ab und begegnete Van’s Blick, dabei wurde sie noch röter, als sie sein schmunzeln bemerkte. Es war nun kurz nach Mittag und Hitomi wurde in ein kleines, bezauberndes Zimmer gebracht. Nachdem sie ihre wenigen Habseligkeiten dort deponiert hatte, ging sie die Stadt ein wenig besichtigen. Merle war blitzschnell verschwunden, wohin wusste Hitomi auch nicht genau und Van musste sich schnell wegen eines Treffens mit seinen Beratern verabschieden. Sie verstand das, denn es war in den letzten Tagen viel passiert. Sie hatte ihm mit einem Lächeln mitgeteilt, dass es in Ordnung war und sie sich die neuaufgebaute Stadt ansehen würde. Bevor er fertig war, würde sie wieder in ihrem Zimmer auf ihn warten. Zuerst traf sie beim Markt ein. Die Straßen bis dahin waren sehr belebt. Verschiedene Händler aus verschiedenen Teilen Gaias liefen mit ihren Karren hin und her. Von allen Ecken ertönte Stimmengeschwirr, aber diesmal war es nicht mehr unerträglich. Eine angemessene Menge auf einem Markt, wie sie fand. Sie erinnerte sich daran wie es damals gewesen war und war froh, dass sich alle wieder aufgerafft hatten. Es war so als ob es die Vorkommnisse im Krieg nie gegeben hatte, als ob Fanelia nie zerstört wurde. Sie wollte nicht daran denken, dass jetzt wieder etwas im Anmarsch war. Die Menschen hier verdienten Glück und Frieden. Auf dem Markt strömten Hitomi dutzende von Gerüchen entgegen. Sie ging schlendernd an den Ständen vorbei. Verschiedenste Sorte von Käse, Brot und Fleisch fand sie dort. Die exotischsten Gewürze, welche sie je gesehen hatte. Hühner in kleinen Käfigen. Bunte Blumen von überall. Aber auch schöne Kleidung erhaschte sie. Kurz gesagt es gab von allem etwas. Manchmal durfte sie sogar kleine Häppchen probieren. Als sie an einem Stand stehen blieb, der Kleider aus allen Teilen Gaias verkaufte, musste sie einfach länger bleiben. Sie probierte verschiedene Sachen an, darunter ein dunkel blaues Kleid und Schuhe, denen sie einfach nicht widerstehen konnte. Sie musste sie kaufen, auch wenn damit ihr ganzes Geld verflogen war. Als sie wieder langsam zurück in den Palast wollte, hatte sie sich irgendwie verlaufen. Da sie unter keinem Stress stand, ging sie den Weg, welcher zumindest ihrer Meinung der richtige war. Hitomi ging durch viele kleine Gassen, aber dann kam sie an der dicken, breiten Stadtmauer an. Sie hatte sich geirrt. Der Weg war total falsch gewesen. Schlussendlich entschloss sie es war besser jemanden nach dem Weg zu fragen. Sonst würde sich Van noch Sorgen machen, denn es war bereits sehr später Nachmittag. Sie lief eine Weile einsam umher, bis sie tatsächlich jemanden fand. Hier ganz nah am Stadtrand schienen sich wenige, wenn nicht sogar niemand aufzuhalten. Sie sah zuerst helle Lichter, hörte fröhliches Lachen und Instrumente, die eine unbekannte Melodie formten. Als Hitomi näher kam, konnte sie die Menschen, die auf dem kleinen Platz feierten endlich erkennen. Wenn sie näher hinsah, identifizierte sie den Platz als den Landeplatz auf dem sie heute zu Anfang gewesen war. Wie war sie denn hier her geraten? Als sie näher kam, erkannte sie die Flugmannschaft, welche sie die paar Tage begleitet hatte. Auch diese schienen sie zu erkennen. „Hitomi! Was für eine Ehre, möchtest du auch?“ rief der eine mit seltsam hoher Stimme und hielt seine Flasche hoch in die Luft. Sie nahm an Alkohol, denn Hitomi sah, dass er leicht angetrunken war. Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Danke, aber ich bin eher zufällig her gekommen. Ich habe mich verlaufen – jemand eine Ahnung, wie es zurück zum Palast geht?“ Sie sah ein paar Köpfe schütteln, doch dann plötzlich schoss ein Arm in die Höhe und eine junge Frau rief: „Ich weiss es, ich weiss es!“ Sie erkannte sie mit dem Namen Maryna. Eine Frau mit langem, goldblondem Haar und intensiven, grünen Augen. Sie war eine immer fröhliche Person, noch nie hatte Hitomi sie mit keinem Lächeln auf dem Gesicht gesehen. Sie war ein kleiner Sonnenschein. Ihr rundes, weißes Gesicht sorgte gleichzeitig dafür, dass man sich ihr anvertraute und sich mit ihr anfreundete. „Dann verrat mir bitte den Weg“, fragte Hitomi und kniete sich neben ihr auf den Boden nieder. Maryna grinste. „Dafür musst du aber auch etwas tun.“ „Was willst du?“ Sie lachte wieder laut und mit ihr die anderen. „Jetzt schau doch nicht so. Es ist ja nicht so, als ob du jemandem die Kehle durchschlitzen sollst…“ „Ach nein?“ „Wir sind doch keine Barbaren, nein, ich möchte nur, dass du mit uns etwas trinkst.“ „Das ist alles?“ Skeptisch kräuselte Hitomi ihre Stirn. „Natürlich, ich verspreche es“, sagte sie und öffnete ihr eine Flasche, die auf dem Boden lag. Es war etwas Ähnliches wie Bier, dachte Hitomi, als sie einen ersten Schluck probierte. „Nicht schlecht“, meinte sie und hob ihre Flasche hoch um anzustoßen. Maryna kicherte vergnügt als alle Flaschen fast wie ein helles Glockenspiel zusammen stießen. Nachdem sie wieder einen tiefen Schluck nahm, sah Hitomi prüfend in die Runde. Jeder saß oder lag irgendwie in der Runde, ein paar sorgten mit Instrumenten Musik und Beleuchtung wurde durch ein paar Öllampen, welche in der Nähe aufgehängt wurden, gesorgt. Merle keuchte und Schweiß rann ihren Körper hinab, als sie die Straßen Fanelias hindurchrannte. Ihr offenes Haar, schwenkte immer wieder von der einen Seite zur anderen, während ihr Kopf sich suchend nach Hitomi umschaute. Im Moment verfluchte sie diese dumme Frau wie keinen anderen. Sie dachte wohl nie nach, was ihre Handlungen für Folgen haben könnten. Es war in Ordnung, dass sie sich alleine die Stadt ansehen wollte, aber Hitomi sollte dafür auch zu einer angemessenen Zeit wieder im Palast erscheinen. Für einen Stadtrundgang brauchte man nämlich nicht einen ganzen verdammten Tag. Sie hasste es, wenn sich Vans Gesicht in ein sorgevolles Gemüt verwandelte und genau das war passiert. Nachdem er seine Sitzungen beendet hatte, wollte er Hitomi natürlich gleich einen kleinen Besuch abstatten, doch sie war nirgend im Schloss zu finden. Als sie ihm begegnete war er schon völlig außer Atem und nur durch ihr spezifisches Gehör hatte sie verstanden, dass er nach Hitomi suchte. Sie hatte es geschafft ihn ein wenig zu beruhigen und nur weil ein wichtiger Beamter von ihm noch unbedingt mit ihm sprechen wollte, konnte sie ihn mit diesem in ein leeres Zimmer schieben. Dabei versprach sie ihm gleichzeitig, bevor die Nacht anbrach sie heil mit Hitomi zurück war. Merle hoffte, bis dahin würde er warten. Er verdiente wirklich ein wenig Ruhe. Sie wollte nicht, dass er um die ganze Stadt rannte und seine Kraft dafür verschwendete. Musste sie die Braunhaarige ab jetzt immer im Auge behalten? Sie hoffte nicht. Das wäre sehr ärgerlich. Hitomi lachte laut mit den anderen mit als ein gutaussehender Junge, wahrscheinlich in ihrem Alter, einen Witz erzählte. Sie trank einen weiteren Schluck ihrer nur noch halb gefüllten Flasche. Inzwischen hatte man sie zu einer weiteren Flasche überredet und sie spürte den Alkohol bereits im Blut, so dass sie nicht weiter überlegte, als man ihr die volle Flasche hinhielt. Außerdem tat es gut ein wenig die Sau raus zu lassen, sich nicht immerzu Sorgen zu machen, immer etwas im Kopf zu haben. So wie früher, als sie noch auf der Erde war. Sie gab zu sie hatte Van, wie keinen anderen vermisst, aber sie hatte auch gute Zeiten dort. Aufregende Nächte, die sie mit ihren Freunden verbracht hatte, manchmal in Klubs oder auch ruhige Nächte bei sich zuhause. Sie vermisste es und musste zugeben auf der Erde war alles viel einfacher. Hier schien alles immer so kompliziert. Es schien schon wieder etwas anzufangen, wovon sie nichts zu tun haben wollte und sie sich doch nicht entziehen konnte. Sie liebte Van und nur seinetwegen war sie hier. Sie könnte wahrscheinlich sowieso nicht weg, aber weil Van hier lebte, würde sie auch niemals mehr verschwinden. „Sag mal“, sagte Maryna. „Kommst du eigentlich wirklich vom Mond der Illusionen?“ „Ja, wieso?“ Seit sie hier war hatte man sie noch nicht auf dieses Thema angesprochen und das war schon ein wenig überraschend. „Bist du wirklich eine Hexe, wie man es dir nachsagt?“ unterbrach der gutaussehende Junge, dessen Name Nevio war, wie ihr auf einmal wieder einfiel, Maryna als sie ihr gerade antworten wollte. Hitomi musste kichern bei dem Gedanken, was sich diese Menschen hier ausdachten. „Nein, auf keinen Fall bin ich eine Hexe“, sagte sie und strich sich eine verlorene Strähne aus dem Gesicht. „Aber du hast Visionen aus der Zukunft, jedenfalls sagt man sich das“, wandte Nevio ein. „Ja, das ist richtig, aber deswegen bin ich nicht gleich eine Hexe. Ich habe nur unfreiwillig eine Fähigkeit bekommen, die vielleicht nicht jeder hat.“ „Du meinst niemand“, nuschelte Nevio ein wenig unverständlich. „Und wie ist das? Wie fühlt es sich an?!“ Maryna’s Gesicht kam ihr ungemein nahe und mit ihr ein paar andere. Hitomi zuckte unangenehm berührt zurück. „Naja.. ähm… Sag mal wollten wir nicht eigentlich dieses Kartenspiel ausprobieren!“ Dabei schüttelte sie ihre Hand leicht hin und her in der die Karten wie ein kleiner Fächer lagen. „Sie hat Recht“, erwiderte ein weiterer junger Mann mit aschigen blonden Haaren, blauen Augen, blasser Haut und einem stämmigen Körperbau. Er hieß Drystan und war ein netter, humorvoller Junge, wie sie ihn bis jetzt erlebt hatte. „Wir wollten ihr ja eigentlich dieses Kartenspiel zeigen, von dem sie gemeint hat es ist wie das aus ihrer Welt… Wie hieß es nochmal?“ Hitomi seufzte kurz erleichtert auf. Froh, dass sie jemanden gefunden hatte, der sie verstand und von dem Thema ablenkte. „Ich weiß nicht, ich kenne nur das Spiel“, antwortete sie sie ihm dann. „Also“, sagte er lächelnd. „Spielen wir dieses Spiel!“ Die anderen stimmten ihm teilweise grummelnd zu. „Du hast es verstanden?! Es ist ganz einfach, wer die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt.“ „Alles klar, so schwer ist das ja auch nicht“, sagte sie grinsend und nahm wieder einen Schluck. „Und eins noch, “ meinte Maryna. „Die Dame zählt als eine Drei, der Mann als vier, das große Herz als elf, und der junge hier als eine Zwei.“ Hitomi nickte noch einmal und wartete darauf, dass sie anfingen. Jeder, zumindest die, die mitmachten, gab eine Karte ab, bis sie selbst irgendwann dran war. Da alle eine rote Karte gesetzt hatten, musste sie das wohl auch. Sie setzte das große Herz ein und damit hatte sie die größte Karte und für diese Runde gewann sie. Nach einer Weile wurde es ein wenig eintönig und dann antwortete sie Maryna, wenn auch verspätet. Es war nicht so, als wollte sie ihr wirklich antworten. Der Alkohol schien ihre Zunge zu lockern und doch war ihre Stimme auffallend klar. „Es ist das schrecklichste, was du dir vorstellen kannst. Ich wollte es nie, weißt du. Ich wollte nie diese schrecklichen Dinge sehen, alles was ich je wollte, war ein wenig mit meinen Karten zu spielen und meinen Freunden Freude bereiten.“ Sie hielt kurz inne und genehmigte sich wieder einen Schluck ihrer fast leeren Flasche. „Lange hat das auch geklappt, aber dann änderte sich alles auf einen Tag auf den anderen. Ich muss zugeben, dass es mir nicht nur Pech gebracht hat. Hätte ich diese Fähigkeit nicht, wer weiß, vielleicht wäre es nie so weit gekommen. Vielleicht hätte es einen toten König gegeben, vielleicht hätte Dornkirk den Krieg gewonnen, “ sie gab diesmal eine schwarze Karte ab, während sie wieder eine Pause machte. „Wie auch immer, das ist nicht wichtig. Es scheint etwas Schrecklicheres als der Krieg ist im Anmarsch und ich denke es wird wieder meine Fähigkeit gebraucht. Selbst wenn es mir Schmerzen bereitet, selbst wenn ich es nicht will; ich muss diese Fähigkeit zulassen.“ Einige Zeit war es still, beinahe jeder schien in Gedanken versunken zu sein, trotzdem ging das Spiel weiter. Einige Runden vergingen, bis Nevio zum ersten Mal wieder das Wort erhob: „Es ist doch gut, dass du diese Fähigkeit hast, wer weiss was passiert wäre.“ Willkürlich sah sie auf, aber er sprach unvermittelt weiter. „Kannst du diese Fähigkeit denn beherschen?“ Seinem bohrendem Blick war schwierig auszuweichen und ihr Blut pulsierte heftig unter ihrer Haut. „Nein,“ sagte sie dann. „Es kommt meistens sehr unerwartet, aber mithilfe meiner Tarotkarten bin ich in der Lage die Vergangenheit und Zukunft zu sehen.“ „Tarot Karten?“ fragte Maryna. „Ja. Tarot Karten, ein Kartenspiel mit insgesamt 78 Karten. Jede Karte oder auch miteinander bedeuteten etwas anderes. Zusammen kann ich sehen, was mir oder jemand anderem die Zukunft bringt auch kann ich darin deine Vergangenheit lesen. Das besondere daran ist, dass ich es schaffe es so zu lesen, dass mein vorhergesehenes auch wirklich passiert.“ „Dann kannst du mir die Zukunft vorraussagen?“ sagte Maryna nun beinahe aufgeregt. „Nein.“ Antwortete sie ihr mit einem leidenden Unterton. „Leider hatte ich es nicht geplant nach Gaia zu reisen und so kam auch hier alles sehr unerwartet. Ich habe die Tarotkarten vorher leider nicht eingepackt.“ „Aber ist das nicht seltsam?“ sagte Drystan plötzlich und sie konnte nur verwirrt die Augenbrauen heben. „Ich meine,“ fuhr er fort. „Weshalb hattest du das hier nicht geplant und wie geht das überhaupt? Sollten dir deine Fähigkeiten nicht jeden Schritt deiner Zukunft vorhersagen?“ Hitomi war überrascht. „Nein,“ antwortete sie ihm schliesslich. „Meistens wollen sie mich wohl nur vor etwas warnen, vor etwas was mich meistens bedroht oder jemand anderen. Sie sind nicht dazu da, dass ich jeden einzelnen Schritt vorausplanen kann, so konnte ich auch nicht wissen, dass ich heute mit euch trinken und spielen würde. “ Drystan murmelte etwas merkwürdiges vor sich hin, was sie nicht verstehen konnte. Nur wenige hörten wirklich gespannt ihren Worten zu, zumindest von denen die noch nüchtern waren. Aber die, die es waren, taten es umso mit gespitzteren Ohren. „Ich habe gehört du wurdest auf deiner Welt in unsere Welt entführt, warst du damals nicht in Gefahr?“ Auf Nevio’s Frage hin, war sie im ersten Moment einfach nur geschockt. „D-Das hast du gehört! Woher denn?“ „Als wir in Asturia waren und uns ein bisschen umhörten, gab es einige Gerüchte in der Stadt und das war eines davon.“ „Wie ist das bloss bekannt geworden?“ murmelte Hitomi nun selbst vor sich her und kaute unruhig auf ihrer Unterlippe herum. „Wie auch immer,“ unterbrach Drysten ihren strömenden Gedankenfluss. „Ich finde Nevio hat einen wunden Punkt erwischt.“ Sie hob zuerst ihre Augenbraue, worauf sie dann antwortete: „Das ist wahr. Aber eines wisst ihr noch nicht. Nach dem Krieg auf der Erde - einige Zeit, sogar Jahre später fingen meine Visionen an seltsam zu werden. Mit der Zeit wurden meine Visionen immer schwächer, sie wurden immer unklarer. Ich konnte immer weniger erkennen und dann eines Tages verschwanden sie ganz. Für mindestens ein Jahr hatte ich keine Vision mehr und für ein Jahr lebte ich wieder ganz normal. Wie ein normales Mädchen. Wie auch immer, ich schweife ab, jedenfalls tauchten sie plötzlich wieder auf. Aber diesmal stärker als je zuvor, klarer und schmerzhafter als das sie je gewesen waren. Sie wurden immer verrückter, weil sie mich Dinge sehen liessen, die ich nicht verstand. Doch mit den Visionen tauchte auch ein neues Problem auf. Ich bekam schlaflose Nächte und lange war es für mich einfach nur unterträglich.“ Und nicht nur wegen Van. „Damit ich as richtig verstehe,“ sagte Drystan. „Das heisst deine Visionen waren zu stark geworden, so das du nur noch Dinge gesehen hast, die keinen Sinn ergaben.“ „Genau,“ rief sie und schlug dabei gleichzeitig ihre letzte Karte auf den Tisch. Dann nahm sie das Blatt an ihre Seite, welches sie diesmal gewonnen hatte. Dann nahm jemand anderes alle Karten an sich und fing an neu durchzumischen. „Ich verstehe nicht, warum diese Visionen dir nicht geholfen haben, als du ein Jahr in Gefangenschaft warst. Ich meine dir hätte sonst was passieren können,“ meinte Maryna nach einiger Zeit, als die Karten wieder aufgeteilt wurden. Hitomi schüttelte leicht den Kopf, als sie ihr Blatt sah. Es sah schlecht für sie aus. „Das verstehe ich auch nicht, glaub mir. Meine Visionen hatten mich schon immer vor lebensgefährlichen Situationen gerettet. Aber kann es sein, dass ich gar nicht in Gefahr war? Ich weiss nach dieser langen Zeit noch immer nicht genau, wer diese Leute genau waren. Aber sicher ist, dass sie mich trainieren wollten, so dass ich ihnen nicht leicht absterben würde. Aber wieso? Auch wenn sie mir gedroht haben – mehr als einmal sogar – habe ich nicht das Gefühl, als ob sie mir etwas antun konnten oder eher durften. Ihr Meister, wie sie ihn manchmal nannten, schien mich zu kennen, glaube ich von ihren Erzählungen zumindest. Wenn ich doch nur wüsste wer er ist…“ Ein langes Schweigen entstand. „Was wenn du recht hast, Hitomi?“ Sie sah überrascht auf, doch Nevio sprach einfach weiter. „Was wenn dieser Meister wirklich jemand ist, der dich kennt? Dann könnte es jemand sein den du kennst, der dich vielleicht wegen deiner Visionen benutzen will und dich so gut es geht abhärten wollte. Du sagst du glaubst diese Diebstähle hängen miteinander zusammen, vielleicht stimmt das sogar.Vielleicht hängt alles Übernatürliche in letzter Zeit zusammen und es ist nur eine Frage der Zeit bis er dich zu sich holt. Irgendetwas ist los und du scheinst unweigerlich damit verbunden zu sein.“ „Vielleicht hast du Recht, aber im Moment können wir nichts weiter tun als abwarten.“ „Können wir wirklich nichts weiter tun? Oder könntest du nicht mithilfe deiner Fähigkeit in die Zukunft sehen?“ fragte Drysten mit einem leichten Unterton in der Stimme. „Tut mir Leid. Wie gesagt wird das nicht möglich sein. Ich bin noch nicht so weit, dass ich meine Visionen kontrollieren könnte, aber schluss damit!..“ Hitomi kam nicht dazu weiter zu sprechen, denn plötzlich sprach eine ihr bekannte weibliche Stimme für sie weiter. „Ganz genau, schluss damit!“ Hitomi war einfach nur schockiert, als sie sich blitzschnell umdrehte und das Gesicht der Katzenfrau entdeckte. Geschwind war sie dann auf den Beinen. „M-Merle?!“ stotterte sie. „Was machst du denn hier?“ Die Hände in die Hüfte gestemmt, sagte die rosahaarige empört: „ Sollte ich das nicht eher dich fragen?“ Merle schien tief Luft zu holen. „Wo warst du verdammt nochmal!“ Hitomi zuckte leicht vor der wütenden Stimme zurück. „N-Naja, ich war auf dem Markt und dann bin ich weiter. Irgendwie habe ich mich dann irgendwie verlaufen und bin hier gelandet. Als ich nach dem Weg fragte, hat irgendwie eins dem anderen ergeben und deswegen bin ich immer noch hier.“ Die braunhaarige sprach unabsichtlich immer leiser, aber die Katzenfrau schien sie sehr gut zu verstehen. „BIST DU VÖLLIG VON SINNEN?!“ Merle’s Augen waren weit aufgerissen und Hitomi war völlig übberascht zurück gesprungen. Willkürlich hatte sie ihre Arme vor ihre Brust gehalten, fast wie ein Schutzschild, und würde am liebsten einfach weglaufen. Sie verstand nicht, wieso sich ihre Freundin so aufregte. Hatte sie etwas schlimmes getan? Sie verstand ja, dass sie nicht die ganze Nacht hier bleiben konnte. Immerhin wussten die anderen nicht, wo sie war, zumindest hatten sie es nicht gewusst – aber es war doch erst anfang Abend und die Sonne war noch immer nicht untergegangen. Sie verstand nicht, wieso sie sich nicht ein paar Stunden Spass gönnen konnte. „Du kommst jetzt mit mir!“ rief sie schon etwas ruhiger, packte Hitomi am Handgelenk und zerrte sie hinter sich her. Sie kam gerade dazu den Gefährten aus der Schiffsmanschafft zum Abschied zuzuwinken, die sich, wie es aussah, kaputt lachten und einen Heidenspass hatten. Merle sagte wütende Sachen vor sich hin, aber Hitomi war es Recht so. Lieber so, als dass Merle sie wieder so anschrie. Das war schrecklich. Dann fühlte sie sich fast wieder wie auf der Erde, als Yukari sie anschrie, wenn sie mal wieder etwas falsch gemacht hatte. Mit keinem Jungen etwas festes angefangen hatte, oder so. Das war hier wohl auch so der Fall. Nachdem sie schon einige Minuten so durch die Stadt liefen, fragte Hitomi dann leise und vorsichtig, was eigentlich in sie gefahren war. Abrupt blieben sie stehen. „W-Was in mich… Fragst du mich das allerernestes, Hitomi!“ Verdammt! Sie hätte lieber die Klappe halten sollen. „I-Ich, naja, sieht so aus?“ Die Antwort kam eher als Frage, als eine ernstgemeinte Antwort und das Merle nicht endgültig der Kragen platzte, atmete sie tief ein und aus, bevor sie wieder das Wort erhob. „Jetzt hör mir mal ganz genau zu.“ Ihre Stimme klang beinahe rasiermesserscharf und doch so ruhig, dass es fast beängstigend war. „Ich weiss, dass du nicht gerade die hellste bist und das verstehe ich auch. Aber ich bin mir doch bewusst, dass du nicht ein absoluter Vollidiot bist, zumindest dachte ich das. Du musst verstehen, dass du von nun an für dein Handeln, Verantwortung tragen musst. Nur wegen einem Grund und vergiss das nie, wegen Van. Er ist in dich verliebt, ich gebe es nicht gerne zu, aber du bist die einzige die ihn glücklich machen kann. Also verhalte dich auch so. Wenn du mit jemanden etwas trinken und spielen gehst, musst du immer daran denken, dass irgendwo Van alleine hockt und sich fragt wo du bist. Wenn du mit jemandem die Zeit verbringst, denke daran, dass Van sehr leicht eifersüchtig wird und daraus leicht Streit entsteht. Am wichtigsten ist, denke immer daran, dass er jetzt König ist und er kein Stress verträgt. Er hat schon genug um die Ohren, also bitte, mute ihm nicht noch mehr zu. Sorge dafür, dass er in deiner Gegenwart entspannen kann und nicht, dass es schlimmer wird.“ Dann war es still und Merle, lief wieder weiter, ihr Handgelenk immer fest umschlossen. Hitomi war als hätte man sie in eiskaltes Wasser getränkt. Ihr Kopf war wie leergefegt und ihre Beine liefen einfach wie von selbst. Sie konnte den Zustand nicht genau beschreiben, aber es war beängstigend. Sie nahm ihre Umgebung erst wieder war, als sie vor dem Palast stehen blieben und zuerst auch nur wie in einem Nebel. Alles schien weit weg. Die beiden Frauen liefen die Treppe hinauf und auch das bekam sie erst nicht mit. Dann erst als ihr Name laut aufgerufen wurde und sie in eine gefühlvolle Umarmung gezogen wurde, war sie plötzlich wieder wach. Sie fühlte wie ihr Kopf an eine muskulöse Brust gezogen wurde und sie hörte Van’s immer wiederholende Worte: „Dir ist nichts passiert. Was für ein Glück.“ Dann auf einmal hörte sie ein unregelmässiges klopfen an ihrem Ohr und es ging eine Weile, bis sie verstand, dass es Van’s Herz war und dann ging ihr ein Licht auf. Sie musste jetzt daran denken, dass sie nicht mehr ganz alleine auf dieser Welt war. _______________________________________________________________________ Du meine Güte! Es ist so lange her, seid ich ein Kapitel hochgeladen habe. Es tut mir so leid. Hoffe ihr verzeiht mir. Viel spass beim neuen Kapitel. Ich hoffe auf schöne Reviews..:D Kapitel 10: II - Zwei der Kelche -------------------------------- Ist es ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Als wir Pallas verlassen, stelle ich mich an die Rehling und geniesse den Ausblick. Doch kurze Zeit später kommt auch schon Merle. Sie wirft mir Dinge vors Gesicht, die mich zum Nachdenken verleiten. Als ich zu Van gehe, sehe ich mit Schrecken sein gestörter Anblick nach meiner und Allen’s Umarmung. Ich versuche ihn zu trösten. Und als wir in Fanelia ankommen, bekomme ich erst richtig mit, dass er jetzt König ist. Die Menschen lieben ihn. Dank einer oder mehreren Sitzungen, muss ich das neuerbaute Fanelia alleine besichtigen. Ich verspreche Van bald wieder zurück zu sein. Doch durch eine unerwartete Wendung trinke ich mit ein mir bekannten Leuten und vergesse die Zeit. Als Merle uns findet, ist sie stocksauer. Erst als Van mich sehnsüchtig umarmt, verstehe ich, dass ich nun eine Verantwortung zu tragen habe. Hitomi brauchte einige Tage, bis sie Merle’s Vertrauen wieder voll bekam. Niemals am Tag hatte sie ohne Van den Palast verlassen dürfen und wenn nur mit ihr als Begleitung. Sie hing ihr wie eine Klette und keine Sekunde verliess sie ihre Seite, ausser einige wenige Male. Wenn sie zum Beispiel auf die Toilette musste oder wenn sie ihre Zeit mit Van verbrachte. Langsam war es ihr wirklich unheimlich geworden. Zumindest in der Nacht durfte sie alleine schlafen, obwohl es da auch eine Kleinigkeit gab, die wichtig zu erwähnen war. Sie hatte es eher durch Zufall rausgefunden, als sie in der Nacht plötzlich das dringende Verlangen verspürt hatte etwas zu essen. Das war ihr auch verweigert worden. Als sie die Tür öffnen wollte, war sie abgeschlossen und sie musste seufzend festellen, dass ihr nichts anderes übrig blieb als wieder ins kuschlige Bett zu gehen. Merle war sogar das erste was sie sah, wenn sie aufwachte – klar, wenn sie nicht warten konnte, bis sie aufwachte und Hitomi bereits weckte, wenn noch nicht mal die Sonne aufgegangen war. Sie gewöhnte sich nie daran und der tägliche, halbstündige Trainingskampf ging ihr auch tierisch auf die Nerven. Auch weil ihr ständiges Verlieren ihre Stimmung am morgen früh nicht besser machte. Doch dann eines Tages wachte sie durch die sanften Sonnenstrahlen auf, die ihr ins Gesicht schienen. Zuerst hatte sie sich nur augenreibend aufgesetzt, doch dann war ihr klar geworden das etwas nicht stimmte. Als sie nach Merle rief, tauchte stattdessen Sae ihre Zofe in ihrem Zimmer auf. Sie meinte nur Fräulein Merle warte auf sie unten am Frühstückstisch und half ihr dann beim anziehen ihres blauen, trägerlosen Kleides, (welches sie vor ein paar Tagen gekauft hatte) und frisieren ihrer Haare, welche sie offen in leichten Locken trug. Ihr Gesicht war dezent geschminkt, passend zum Outfit. Hitomi ging mit Sae die Treppe hinunter in den ersten Stock und dann rechts einen langen Gang entlang. Zwei junge Frauen, die ihnen entgegenkamen grüssten freundlich. An den Fenstern, an denen sie vorbeikamen, schauten sie in einen grossen Garten mit üppigen Blumenbeeten, summenden Bienen und singenden Vögeln. Sie gingen an vielen Türen, gerahmten Ölgemälden und antiken Schränken voller ledergebundenen Bücher vorbei, bis sie endlich beim Esszimmer ankam. Sae öffnete ohne Worte die Tür für sie und Hitomi trat mit mulmigem Gefühl ein. Der Saal, in den sie traten, war vollständig mit dunklem Holz getäfelt, so ähnlich wie das Haus ihrer Grosseltern in den Bergen, kam es ihr plötzlich in den Sinn. Schnell verflüchtete sich der Gedanke, als sie Merle bereits in beiden Händen mit Essen bewaffnet, am Mahagoni-Tisch endteckte und diese sie mit vollem Mund begrüsste. Hitomi setzte sich ihr gegenüber und meinte nur grinsend: „Mit vollem Mund spricht man nicht,“ bevor sie selbst etwas Milch in ihre Tasse einschenkte. „Wer sagt das?“ schmatzte sie und Hitomi verstand kein Wort davon. „Wie bitte?“ Die Katzenfrau schluckte alles mühsam herunter und wiederholte es diesmal verständlich. „Ist das im allgemeinen nicht bekannt?“ stellte die braunhaarige die Gegenfrage. „Egal. Ich habe etwas wichtigeres mit dir zu besprechen,“ sagte sie und sah ihr ernst in die Augen. Auch Hitomi’s Gesicht verhärtete sich. „Ja?“ „Es ist so; heute Abend kommt Besuch und sagen wir du hast eine nicht unbedingt unwichtige Aufgabe darin.“ Hitomi seufzte auf. „Was! Soll ich jetzt etwa auch noch servieren und kochen.“ Sofort gabs ein Klaps auf den Kopf. „Natürlich nicht, du Idiot,“ Merle verdrehte die Augen. „ Wieso solltest du das tun? Wir haben hier Personal, schon vergessen?“ Ein peinlicher Ton entwich ihr. Merle sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen und hervorgehobenem Mund angeberisch an. Schliesslich fuhr sie fort: „ Du bist ein Gast heute Abend und Van hat mir vorgetragen dich hübsch anzuziehen und dir Manieren beizubringen.“ Schlagartig hob sich eine ihrer Augenbrauen. „Du!“ dabei betonte sie das Wort beabsichtigt stärker. „Willst mir Manieren beibringen?“ Dabei zeigte Hitomi auffallend auf sie, als das Katzenmädchen wieder ein Stück Fleisch zwischen den Zähnen anknabberte. „Was willst du damit sagen,“ regte sie sich prompt auf und sah sie mit einem tödlichem Blick an. „Naja,“ sagte Hitomi zuerst ein wenig zögernd. „Du hast bisher nicht mit einer allzu königlichen Art überzeugt, eher zum Gegenteil.“ „Das ist unhöflich. Nur, weil ich keine Lust habe mich wie eine Dame zu verhalten,muss das nicht heissen, dass ich nicht anders kann.“ Hitomi fand sie klang ein bisschen wie ein quengelndes Mädchen, dass nicht bekam, was sie wollte. Sie spürte wie ein Grinsen sich auf ihr Antlitz schlich. Die Stirn des rosahaarigen Mädchens runzelte sich wütend und ihr Grinsen wurde breiter. „Jedenfalls solltest du gut frühstücken; dir steht ein hartet Tag bevor!“ versuchte Merle das Thema in eine andere Richtung zu lenken, Hitomi gewährte es ihr innerlich kichernd. „Noch härter als sonst,“ tönte ihre Stimme stattdessen höhnisch. „Ja,“ meinte Merle leicht lächelnd, etwas geheimnisvolles zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. „Dank mir wird es für dich nicht nur eine Höllenqual, sondern schlimmer.“ „Juhui,“ grummelte die braunhaarige leise und begann etwas Konfitüre auf ihr Stück Brot zu streichen. Sie beendete damit das Thema und genoss die Zeit die ihr noch blieb. Nach etwa eineinhalb Stunden stand Hitomi inmitten von Stoffen, Kleider, Nähmaschinen, Schneiderpuppen, Scheren und Garnrollen; in einer Nähstube. Eine simpathisch aussehende, schlanke Frau mit üppigem rotblondem Haar, sah ihr lächelnd entgegen. Merle stand direkt neben der Frau, welche sie im mittleren Alter schätzte, wahrscheinlich fünfunddreissig bis vierzig. „Willkommen,“ sagte sie mit einem unüberhörbaren Akzent. „Du musst Hitomi sein. Ich bin Adrienne und kümmere mich um deine Garderobe.“ Sie hielt ein Massband in die Höhe. „ Schliesslich können wir dich heute Abend nicht so herumlaufen lassen, nicht wahr?“ Hitomi sah stirnrunzelnd an sich herunter. „Was stimmt denn nicht?“ „Wahrscheinlich würdest du eine, im schlimmsten Fall, Latrinenparole um ganz Gaia anzetteln und alle Augen würden sich auf König Van richten,“ sagte sie. „Das ist jetzt echt übertrieben, so schlimm sehe ich auch nicht wieder aus und wenn doch, was solls, sollen sie tratschen!“ „S-Sie sollen tratschen! Wenn doch jeder nur so denken würde, wie du Schätzchen! Nein,Hitomi das bedeutet nicht nur ein Gerücht, dass sich ausbreitet, sondern auch unser Land und damit unser König, der beschmutzt wird.“ „Gut,“ seuftzte Hitomi und fuhr sich durch die Haare. „Ich verstehe trotzdem nicht, wieso ich nicht auch so gehen kann. Zaubern sie mir eine hübsche Frisur und ich werde… akzeptabel aussehen.“ „Akzeptabel! Keiner der durch meine Tür gekommen ist, darf es (akzeptabel!) wieder verlassen,“ sagte sie und betonte ein bestimmtes Wort besonders. Hitomi nickte geschlagen. „Wie sie wollen, ich wollte damit nur sagen, dass sie es auch leichter haben könnten…“ „Das möchte ich auch gar nicht. Ich arbeite in diesem Beruf, so halte ich mich am Leben und nehme gerne schwierige Aufträge an, am liebsten vom König selbst – nun indirekt, muss ich dieses Mal sagen,“ unterbrach sie Hitomi harsch. Hitomi machte eine einladende Geste auf sich selbst. „Dann nur zu, wenn’s ihnen Spass macht.“ Adrienne kam ihr näher und schlang das Massband um ihre Taille. „Sehr Schön. Und jetzt die Hüften. Gut, perfekt. Oh, ich denke damit lässt sich was machen.“ Sie betrachtete ein zartgelbes Kleid mit weisem, durchsichtigem Spitzenbesatz, das an einem Kleiderständer hing, während Adrienne auch um ihren Hals und Kopf das Massband legte. Adrienne wirbelte um sie herum, als sie endlich Abstand nahm und etwas auf ein Dokument schrieb, (höchstwahrscheinlich ihre Masse). „Fürs erste bist du entlassen,“ sagte sie als sie das Dokument auf einen mit Stoffen bedeckten Tisch legte. „Bis später, meine Süsse.“ Hitomi lächelte und erwiderte: „ Bis später, Adrienne.“ Blitzschnell hatte Merle ihren Arm gepackt und zerrte sie aus dem Zimmer in den obersten Stock. Hitomi liess schweigend mit sich machen, da sie schon an ihre Art gewöhnt war – ausserdem hatte sie wirlklich schon viel schlimmeres durchgemacht. Sie fielen in einen Laufschritt und Hitomi hatte Mühe dem Katzenmädchen im gleichen Tempo zu folgen. „Wir sind gleich da.“ Wieder erstreckte sich ein endlos langer Korridor vor ihnen. Hitomi war es ein Rätsel, wie man sich in diesem Labyrinth auskennen konnte. Sie hatte es gerade einmal geschafft von der Eingangstür zu ihrem Zimmer und dann auf die Toilette zu gehen ; ohne sich zu verlaufen. Natürlich verirrte sie sich wie in einem Irrgarten trotzdem jeden einzelnen Tag, seit sie hier war. „Wo gehen wir hin?“ „Ganz nach oben,“ sagte Merle indem sie grinsend auf die Decke zeigte. „Ich bringe dich zu Mr. Coith. Du wirst bei ihm alle Fragen beantwortet bekommen. Van hatte das schon lange persönlich mit dir geplant, aber noch keine Zeit gefunden. Da heute dieses Treffen ansteht, findet er du solltest zumindest das wichtigste von Gaia wissen und gleichzeitig kannst du auch fragen stellen, wenn du möchtest.“ „Ich verstehe nicht genau, was so wichtig an diesem Treffen ist. Wer wird da sein?“ Merle lachte. „Tut mir leid, werde ich dir nicht sagen. Du hast mich heute früh gereizt, nun selbst Schuld, frag jemand anderen. Falls jemand überhaupt noch etwas von diesem Treffen weiss.“ Hitomi blieb stehen. „Merle!“ Sie drehte sich überrascht um, als ihre Freundin nicht mehr neben ihr stand. „Das kannst du doch nicht machen!“ „Wieso nicht?“ Das Katzenmädchen tat so, als ob sie wirklich nicht die geringste Ahnung hatte. Das war doch verrückt. Man schickte zu einer Schneiderin und würde sie noch, was weis sie schon noch wohin bringen und dann wollte Merle ihr noch nicht einmal erzählen, was für Leute das waren! Das war verrückt und Van hatte sie auch seit Stunden nicht mehr gesehen. Wo war er? Was hatte das zu bedeuten? „Ernsthaft, Merle! Ernsthaft!“ Merle tat als ob sie Hitomi nicht hörte und lief einfach weiter. Hitomi hob verständnislos die Hände und sagte: „Ernsthaft jetzt?“ Nachdem Merle links um die Ecke verschwand, flüsterte sie es nocheinmal zu sich selbst und rannte ihr dann grummelnd hinterher. Den Rest des Weges lief es ruhig und relativ gelassen zwischen ihnen her. Ausser der gleichmässigen Schritteund das Gepfeife der Katzenfrau war beinahe nichts zu hören. Hitomi seufzte genervt auf, aber sie riss sich zusammen und sagte nichts. Merle riss so wie sie nun mal war die Tür auf und die Person darin schien nicht im geringsten überrascht, anscheinend kannte er sie schon. Die Person war anscheinend Mr. Coith und er stutzte sie ein wenig zurecht. Hitomi war überrascht, wenn nicht sogar geschockt – nicht, dass er sich traute sich gegen Merle zu stellen (die Jahre hatten sie zu einer reifen, einschüchternden Person gemacht) sondern, dass sie Respekt vor ihm hatte und das war für Hitomi wirklich etwas neues. Ausser bei Van schien sie sich vor nichts und niemanden etwas sagen zu lassen, aber er war anscheinend eine Ausnahme. Hitomi wusste nicht wieso. Obwohl; sie musste zugeben er hatte etwas spezielles an sich. Er war etwas anderes, was sie erwartet hatte. Als sie den Namen gehört hatte, war ihr insgeheim ein weiser, vielleicht etwas seniler, alter Mann in den Sinn gekommen. Man sollte nicht zu schnell urteilen, sagte man doch oder? Er war gross und hatte kurzes braunes Haar, definitiv war er nicht viele Jahre älter als sie. Auch konnte sie kräftige Muskeln erkennen, die sich unter seinem dunklen Shirt abzeichneten. Als er im Stuhl hinter dem Mahagonitisch aufstand und in ihre Richtung hinsteuerte, spürte sie augenblicklich wie sie die Luft einzog und den Atem anhielt. Was war das? War sie nicht seit Jahren in Van verliebt? Aber verdammt sie musste zugeben von nahem sah er noch besser aus. Er hatte glühend blaue Augen, die einem sofort ins Auge stachen. Wieso hatte sie die nicht eher bemerkt? Noch nie im Leben hatte sie Augen wie diese gesehen. Er musste tausend Verehrerinnen haben. Er streckte ihr die Hand hin und lächelnd hob er eine seiner Augenbrauen. „Was?“ Sie fühlte sich wie ein Idiot und bemerkte, dass er fast einen ganzen Kopf grösser war als sie. Merle lachte laut und sie fühlte eine Ader auf ihrer Stirn pulsieren. „Ich sagte; du musst Hitomi sein und ich freue mich dich kennenzulernen. Ich bin Noan Coith, aber bitte nenn mich Noan, ist mir lieber.“ „Nenn ihn Mr. Coith,“ rief Merle kichernd dazwischen. Er seufzte tief und er machte ein gespielt gequältes Gesicht. „Tu das bitte nicht, dabei fühlte ich mich immer so alt.“ Er sah sie bittend an. „Das bist du ja auch,“ sagte Merle und liess sie nicht ausreden. „Stimmt doch gar nicht,“ sagte er und dabei klang er wirklich nicht wie ein alter Mann, eher wie ein Teenager; höchstens. „Stimmt doch! Wie weise du bist,“ grinste sie. Er lachte beinahe verlegen. „Du übertreibst.“ „Also gibst du doch zu, dass du alt bist.“ Gleich darauf bekam sie einen Klaps auf den Kopf und sie lachte vergnügt. „Ich liebe es dich zu ärgern.“ Er lächelte schelmisch und umarmte sie kurz. Hitomi konnte nur erstaunt allem zusehen. So ein Verhalten hatte sie noch nie bei ihr gesehen – ausser natürlich bei Van – es erfüllte Hitomi mit Freude. Sie war froh, dass Merle jemand anderes auch noch gefunden hatte, bei dem sie sie selbst sein konnte. Danach verabschiedete sich Merle blitzschnell um Hitomi noch zuzurufen, dass sie in zwei Stunden wieder hier sein würde und sie ihr bis dann noch viel Spass wünsche. Innerlich verdrehte Hitomi die Augen. Als sie wieder Noan’s Blick begegnete lächelte er zufrieden und wies auf ein Sofa in der Nähe der Fenster. Die Sonne schien hell herein und sie konnte Kinder draussen spielen sehen. Sonst gab es einen Kamin, in dem wahrscheinlich Nachts Feuer brannte und ausser seinem Arbeitstisch, erkannte sie noch Bücherregale und- schränke ringsherum sowie einladend aussehende Ohrensessel, einen kleinen Tisch und das breite Sofa, auf dem sie jetzt sassen. Sie spürte sofort, dass ihre anfangs schockierende Verlegenheit mit dem vorherigen Gespräch verschwunden war und sie war froh deswegen. „Sicher hast du jede Menge Fragen,“ sagte Noan. „Ich werde dir sie beantworten so gut ich kann.“ „Einen Moment,“ unterbrach sie ihn etwas zögerlich. „Um was geht es hier eigentlich? Wo von sollte ich fragen haben?“ Er hob die Augenbrauen. „Was soll das heissen? Hat man dir nichts gesagt?“ Sie schüttelte hilflos den Kopf. „Nein, ich weiss so gut wie gar nicht, was das heute alles soll und wer wichtiges heute Abend zu Besuch kommt.“ Er lachte auf. „Das ist aber nicht gut, Hitomi. Heisst das ich muss dir nun alles bis aufs kleinste Detail erklären?“ Sie bewegte hektisch die Hände. „Mach dir keine Umstände, das nötigste an der Geschichte reicht.“ Seine Lippen formten ein Schmunzeln. „Du bist mir ja eine.“ Er sah kurz auf die Decke, als ob er über etwas nachdachte. „ Ich mag dich.“ Sie musste schmunzeln. „Gut.“ „Trotzdem, ich frage dich noch einmal: hast du im Moment gerade Fragen, die dich quälen?“ Auch Hitomi sah in Gedanken auf die Decke und erkannte ein Muster in das Holz geschnitzt, das ziemlich alt aussah. Vielleicht vom alten Palast. Konnte das sein? „Woher kennst du Merle?“ fragte sie, weil es die erste Frage war, die ihr in den Sinn gekommen war. Er grinste. „Wir sind … Sandkastenfreunde.“ Er zögerte mit der Antwort. „Ich kenne Van und Merle fast schon seit ich denken kann. Meine Familie arbeitet schon sehr lange für die Königsfamilie, so waren auch mein und sein Vater so etwas wie beste Freunde. So haben auch wir die Tradition fortgesetzt und natürlich weiss ich auch einige Dinge über dich.“ „Über mich?“ „Natürlich. Immerhin warst du es, die Vans’s Welt auf den Kopf gestellt hatte.“ Hitomi wurde unbewusst rot. „Trotzdem verstehe ich nicht, wieso ich dich vor fünf Jahren nicht getroffen habe.“ „Verständlich. Zu diesem Zeitpunkt war ich mit meiner Mutter Verwandte besuchen und habe erst später von dem Unglück erfahren. Dabei ist auch mein Vater gestorben.“ „Das tut mir Leid,“ sagte Hitomi und sie meinte es wirklich so. „Ist schon gut,“ winkte er ab. „Inzwischen habe ich es gut verkraftet und bin dabei sein Erbe fortzusetzen.“ „Erbe?“ fragte sie. „Ich wünsche mir Van bei seinem Lebensweg so gut helfen zu können wie es geht und alle Mysterien und unerklärliche Dinge in Gaia aufzuklären.“ Hitomi schwieg auf Weiteres. „ Gibt es noch etwas, was du wissen möchtest?“Sie biss sich auf die Lippen, weil ihr eine Frage in den Sinn gekommen war, von der sie nicht wusste ob sie in Ordnung war. „Ist schon gut. Du kannst mich fragen was du willst.“ Überrascht sah sie hoch in sein freundliches Gesicht und seufzte. „ Es gibt da etwas, a-aber wenn du meinst das ist privat musst du es mir nicht sagen,“ sagte sie schnell. Er nickte ihr still zu um ihr mitzuteilen, dass sie fortfahren sollte. „Ging es Van sehr schlecht nach dem ich ging?“ Ihr drehte es der Magen um, wenn sie an die vielen Alpträume dachte, welche sie anfangs schmerzlich heimgesucht hatten. Meistens über ihn, dass er sie verliess, dabei war es anders herum gewesen. Wie sehr hatte er gelitten? Er sah ihr unentwegt in die Augen und sie musste den Blick abwenden. „Es ging ihm mit jedem weiteren Tag schlechter und es wurde einfach nicht besser. Auch wenn er seine Pflichten erfüllte, habe ich gesehen, dass er nicht glücklich war. Ich habe mir gewünscht etwas tun zu können, doch alles was ich tun konnte war ihm zu sagen, dass wenn du ihn liebst du wieder zurück kommen würdest. Und du bist zurück gekommen.“ Sie starrte auf die holzgetäfelte Wand und war Sekunden darin versunken. „Etwas spät,“ sagte sie dann leise vor sich hin und merkte nicht einmal, dass sie es laut aussprach. „Besser spät als nie,“ war seine Antwort und Hitomi sah ihn überrascht an, als Noan sie aus den Gedanken riss. „Es mag vielleicht Jahre gegangen sein, aber du bist zurück gekommen. Das ist das einzige was zählt.“ Ihr Blick wurde trauriger. „Was wenn ich dir sage, dass ich gar nicht sicher bin ob ich gekommen wäre, wenn ich nicht entführt worden wäre?“ „Liebst du ihn?“ sagte er nach einer nachdenklichen Pause und Hitomi konnte gar nicht reagieren. „Ich frage dich, Liebst du ihn?“ Langsam verstand sie die Frage und Hitomi sagte: „Ja, von ganzem Herzen.“ Er lächelte und sie bekam den Eindruck, dass er Van wirklich liebte. „Dann spielt es keine Rolle. Denk nicht darüber nach, was hätte sein können und was nicht. Wie gesagt, das einzige was zählt, ist, dass du zurückgekommen bist.“ Plötzlich verhärtete sich sein Gesicht. „Ich kenne dich noch nicht und da ich weiss, dass du schon jetzt fester Bestandteil in Van’s Leben bist, möchte ich, dass du auch mich besser kennen lernst...“ Aufeinmal klopfte es an der Tür und vor Schreck sprang Hitomi auf und bat denjenigen hinter der geschlossenen Tür hinein. Fast gleichzeitig schämte sie sich, als sie Sae mit einem Tablet in der einen Hand erkannte, und setzte sich wieder. Noan machte einen übberaschten Ton. „Ich habe doch gar nichts in der Küche bestellt, du musst die falsche Tür erwischt haben, Mädchen.“ Hitomi sah wie rot Sae im Gesicht wurde, als sie zu ihnen sah. „D-Das ist das richtige Zimmer, mein Herr. Fräulein Merle hat mich geschickt um Tee und Kekse vorbei zubringen.“ Noan stand auf und ging auf sie zu. Sofort zuckte sie zusammen und Hitomi dachte, dass sie ihn wohl auch für einen gutaussehenden Kerl hielt. Er nahm ihr Das Tablett ab und stellte es auf den kleinen Tisch vor dem Sofa. „Sag Merle bitte vielen Dank und nenn mich Noan. Ist ja nicht so, als ob ich viel älter wäre als du.“ „In Ordnung,“ sagte sie scheu und strich sich eine verlorene Strähne aus dem Gesicht. „Wie ist dein Name, wenn ich fragen darf? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“ „Ich bin Sae, m-mein He…, Noan.“ Er lächelte ihr freundlich zu und es schien sie nur noch mehr zu verwirren. Langsam stand auch Hitomi auf und stellte sich neben die beiden. „Ja, sie ist meine Zofe und ist hier auch neu. Ich glaube vorher hat sie in Asturia gearbeitet, nicht?“ Fragend blickte Hitomi sie an. „Ja, das stimmt. Um genau zu sein habe ich vorher auf einem Hof in der Nähe der Hauptstadt gearbeitet.“ „Ach ja?“ sagte Noan. „Bei wem, wenn ich fragen darf? Vielleicht kenne ich ihn ja.“ „Bei Sir Kevan, Noan.“ „Oh,“ stiess er überrascht aus. „Der Name sagt mir nichts.“ „Kein Wunder. Er ist nicht sehr reich noch besitzt er grosses Land, doch er war sehr freundlich zu mir und allen anderen.“ „Nun gut,“ er klatschte wie zum Abschluss in die Hände. „Das ist genug. Wir sollten uns jetzt unterhalten, Hitomi. Alleine.“ Dabei sah er sie an und dann wieder auf ihre Zofe. Sae ging wieder und dann setzten sich die beiden wieder hin um etwas Tee einzuschenken. Hitomi nahm die Tasse in beide Hände um sich etwas aufzuwärmen. Noan wartete darauf, bis sie ihn ansah und fuhr fort: „Ich glaube ich wollte gerade, dass wir uns besser kennenlernen und bitte Hitomi erzähle es nicht weiter. Kann ich dir vertrauen?“ Er sah ihr fest in die Augen und er meinte es wohl wirklich ernst, dass sie die Tasse absetzte und langsam nickte. „Van liebt dich, hast du das verstanden, Hitomi.“ Sie musste hart schlucken. „Deswegen bitte geh nie wieder. Ich bitte dich, wegen Van. Er darf nicht wieder verletzt werden und wirst du es tun, ich schwöre dir... du wirst leiden.“ Hitomi’s Herz schlug so schnell und schmerzhaft, dass ihre Lippen anfingen zu zittern. Auf einmal weitete er fast überrascht die Augen und dann schüttelte er ungläubig den Kopf. „Tut mir leid. Ich scheine dich geängstigt zu haben, dass wollte ich nicht. Ich wollte es dir nur sagen, bevor wir mit dem wichtigen Stoff anfangen.“ Er rieb mit der Innenfläche seiner Hand denKopf. Wäre sie allein gewesen, hätte sie geweint, oder geschrien, vielleicht auch beides. Er hatte sie nicht nur geängstigt, sondern zu Tode erschreckt. Sie hatte seine Reaktion gesehen. Sie hatte seinen Hass gegen sie in seinen Augen gesehen. Nicht nur Abneigung - Hass, weil sie gegangen war,ohne auch nur Van’s Gefühle zu bedenken. Es tat ihr furchtbar leid, aber sie konnte nichts Ungeschehen machen. Sie fragte sich, was er mit dem richtigen Stoff meinte. Denn das war für sie schwer genug gewesen. Sie konnte sich nichts vorstellen, was sie mehr erschüttern könnte. Anscheinend meinte Noan mit wichtig, langweilig. Wäre Hitomi auf der Erde in ihrer Universität in der sie studierte, würde sie die nächste Stunde eine Geschichtsstunde nennen. Er erzählte ihr die Geschichte Gaias, welche Götter sie hier verehrten und was es für Sitten gab. Als die Stunde vorbei war, fielen ihre Augen beinahe zu und sie musste sich anstrengen nicht zu gähnen. Es war nicht so, dass sie sich nicht dafür intressierte, aber einiges hatte sie schon gehört und auch bei ihrem letzten Besuch in Gaia mitbekommen. Als sie sich zum zigsten Mal wieder Tee einschenken wollte, war die Kanne leer. Sie seufzte und lachend teilte er ihr mit, dass ihre Qual nun ein Ende hatte. Verlegen kratzte sie sich am Hinterkopf. „So schlimm war es auch wieder nicht. Es ist nur, dass ich einiges schon gehört habe.“ „Ach ja?“ fragte er verwundert. „Wieso hast du mir denn nichts gesagt? Ich hätte es kürzen können.“ „Habe ich wohl vergessen,“ sagte Hitomi. In Wahrheit hatte sie sich nicht getraut ihn zu unterbrechen. Als nächstes schickte er sie zurück zu Madame Adrienne. Natürlich dauerte es einige Zeit, bis sie endlich das gewünschte Zimmer fand. Als Hitomi ankam, war sie gerade dabei anzuklopfen als sie grob am Arm gepackt wurde und hinter Merle hergezogen wurde. „H-Hey! M-Merle! Sollte ich nicht zu Adrienne?!“ beklagte sie sich lautstark und zwang das Katzenmädchen stehen zu bleiben. Wütend starrte Merle sie mit ihren blauen Augen an. „Sagt wer?! Soweit ich weiss hat Van mir deine Tagesplanung überlassen.“ „W-Was?“ fragte Hitomi, doch da wurde sie auch schon weiter gezogen und sie konnte sich den Rest selbst ausdenken. Innerlich seufzte sie und dann befanden sie sich im grössten Badezimmer des Palastes. Das Badezimmer des Königspaares, aber im Moment gehörte es einfach nur Van. Der Raum war geräumig, in sehr dunkel gehaltenen Tönen, kaum das man eintrat, sprang einem die ovale Badewanne sofort ins Auge. Sie war aus dunklem Holz angefertigt, mit schönen eingeschnitzten Ornamenten verziert und stand auf einem Podest. Blickte Hitomi nach rechts, entdeckte sie zwei riesige Spiegel. Der Fussboden war im Schachbrettmuster verlegt worden und war natürlich auch aus Holz. Man hatte heisses Wasser in die Badewanne eingelassen und ihr geholfen, sich auszuziehen, bis kein Stück Stoff an ihrer Haut hing. Sie wurde purpurrot und schaute die ganze Zeit auf den Boden. Sie musste sich eingestehen, dass das hier nun mal so war, wenn man in einem Königshaus wohnte. Merle war schnell wieder verschwunden und hatte ihr mitgeteilt, dass Adrienne später noch kommen würde. Sie schloss beinahe sofort die Augen und sank wohlwollend in das Wasser. Sie vergass alles um sich herum, sogar dass sie von vier Frauen beobachtet wurde, die sich einfach nicht vertreiben liessen. Ein Leben hier in Gaia war manchmal wohl echt mühsam, dachte sie als mit der Zunge über ihre Lippen strich. Dann fühlte sie, wie sie müder wurde und tiefer in das Wasser sank. Sie spürte, wie sie langsam in eine Art Trance verschwand, halb wach, halb im Schlaf. Hitomi spürte, wie man ihren Körper lautlos wusch und sie versuchte nicht aufzuwecken. Sie war dankbar dafür und dann kam es unwillkürlich, so schnell, dass sie es fast nicht bemerkte. Hitomi seufzte im Halbschlaf. Sie war in der Hölle, dachte sie, schon wieder war sie in der Hölle gelandet. In ihrer eigenen, kleinen Hölle namens Vision. Es war still und dunkel, genau, wie sie es hasste. Dann hörte sie eine helle Stimme, die eines unschuldigen Kindes. Sie klang ihr ungemein bekannt und gleichzeitig erinnerte sie sich nicht, wann sie die Stimme gehört haben sollte. Sie drehte sich um, dort wo sie meinte, die sanfte Stimme zu hören, aber Hitomi sah nur Dunkelheit. Dann ertönten die leichten Schritte eines Kindes. Sie hörte, wie er begann zu rennen. Auf einmal spürte sie das ziehen ihres Kleides, dass sie anhatte. Überrascht entdeckte sie den kleinen Jungen neben sich. Er hatte smaragdgrüne Augen, die sie unschuldig und lächelnd ansahen. Sein hellbraunes Haar war zerzaust, fast als ob er gerade aufgestanden war und dann sagte er etwas, was sie mehr als alles andere schockte und sie wusste nicht mal wieso. „Schwester.“ Dann war es vorbei und ihre Augen waren weit offen. Hitomi’s Herz schlug so schnell, beinahe wie ihr Atem und einzig, weil Sae sie besorgt ansah, zwang sie sich zu beruhigen. „J-Ja?“ sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Was ist?“ „I-Ich wollte dich gerade nur wecken. Du musst aufstehen, Fräulein Adrienne erwartet dich.“ Hitomi glaubte, sie schien nichts zu merken und in Gedanken seufzend, stand sie auf und liess sich abtrocknen. Im schwarzen seidenen, Bademantel erschien sie durch eine weitere Nebentür vor Adrienne. Diese machte einen gespielt überraschten Ton. „Da bist du ja Hitomi.“ Zwei stunden später nahm Adrienne ihre Hand und führte Hitomi vor den grossen Wandspiegel. Adriennes Augen leuchteten vor Begeisterung. Auf den ersten Blick konnte sie sich kaum wieder erkennen. Das lag vor allem an den normalerweise glatten Haaren, die zu unzähligen Locken gedreht wurden und dann hochgesteckt, um mit der ganzen Pracht sanft auf der Seite runterzufallen, so dass ihre Korkerzieherlocken auf ihre nackte Schulter fiel. Der dunkelrote Farbton des gigantischen Kleides, liess sie noch blasser wirken, als Hitomi ohnehin schon war, aber sie sah nicht krank aus, sondern strahlend. Sie hörte ein fröhliches Kichern und drehte sich überrascht um, als sie Merle entdeckte. „Und?“ fragte Hitomi. „Was meinst du?“ Mit lautlosen Schritten kam sie ihr näher, bis sie nur noch eine Armlänge entfernt stand. Merle nahm einer ihrer Locken zwischen Zeige- und Mittelfinger und drehte sie leicht. „Wie eine echte Prinzessin,“ sagte sie. „So bist du es wert neben Van zu stehen.“ Hitomi konnte nicht verhindern, dass sie bei den Worten leicht rot um die Wangen wurde. Merle lächelte liebevoll. „Komm,“ sagte sie nach einer kurzen Pause. „Wir müssen weiter.“ „Noch mehr?“ empörte sie sich und pulsterte sich ganz leicht die Wangen auf. Merle lachte laut. „Damit gehst du schon wieder nicht als Prinzessin durch.“ „Ist doch egal,“ meckerte sie. „Was kommt als nächstes?“ „Nichts. Ich bringe dich zu Van, wie er es mir gesagt hat.“ Die rothaarige strich sich eine verlorene Strähne aus dem Gesicht, während sie die vielen Stockwerke hinunter liefen. Dabei sah sie nicht, wie Hitomi unwillkürlich anfing nervös zu werden und mit ihren Fingern rumspielte. Was Van wohl heute getan hatte? Wo war er überhaupt gewesen? Ob sie ihm so wohl auch gefiel? Liess sie sein Herz genau so höher schlagen wie er ihres? „So, wir sind da,“ brachte die Katzenfrau sie aus ihren unsinnigen Gedanken und klopfte an der Tür vor der sie standen. Sie waren im vierten Stock eines Nebengebäudes des Palastes gelandet und Hitomi war hier noch nie gewesen. Als niemand antworte, noch die Tür öffnete, machte es Merle selbst. Aber niemand war im Zimmer. Hinter Merle schaute sie neugierig an ihr vorbei um ein leeres Arbeitszimmer zu entdecken. Sie sah einen Kamin in dem Feuer lichterloh brannte, jemand musste hier also gerade noch gewesen sein. Auch sah sie einige Regale, die vollgestopft mit dicken und alten Büchern waren. In der Mitte nahe der Fenster, stand der Arbeitstisch mit einem prächtigen Ledersessel. Merle ging einige Schritte in das Zimmer und sah sich um, Hitomi machte es ihr gleich. „Van scheint noch nicht hier zu sein, also wieso wartest du nicht hier, bis er kommt?“ Hitomi hob die Augenbrauen. „Er kommt hierher?“ „Ja,“ meinte Merle. „Wieso klingst du so skeptisch? Immerhin ist das sein Arbeitszimmer.“ Sie war überrascht. „Das wusste ich nicht.“ „Um ehrlich zu sein, Hitomi, du weisst so einiges nicht und ich bin sicher in Noans Arbeitszimmer hättest du auch nicht gedacht, es wäre seins.“ Sie zögerte. „Naja, nicht so ganz…“ „Dann warte einfach hier und warte.“ Dann war die Tür zu und sie war alleine in diesem Zimmer. Es war komisch sich Van in diesem Zimmer vorzustellen, vorallem arbeitend. Es war überhaupt komisch sich Van als König vorzustellen und es war merkwürdig, hier zu sein und dieses Kleid zu tragen. Sie lief mehrmals um das Zimmer und merkte, dass sein Duft in der Luft lag. Sie sog ihn mit geschlossenen Augen ein und nach einer Weile wurde ihr langweilig. Sie sah sich die Dokumente auf dem Tisch an und konnte nichts sonderlich intressantes entdecken, bis sie sich die Bücher auf dem Regal ansah. Es war der Name eines Buches, der ihren Blick fing. Schneewittchen. Ein Klassiker in ihrer Zeit. Aber das sollte es hier in Gaia nicht geben. Gaia war nicht die Welt in der dieses Buch entstanden war. Auf einmal wurde sie aprubt aus den Gedanken gerissen, als sie die Tür knarren hörte. Überrascht drehte sie sich um. „Van?“ Er machte einige Schritte auf sie zu. „Du bist hier,“ sagte sie und lächelte freudig. „Du siehst..“ er stockte und sah sie von Kopf bis Fuss an. „Unglaublich aus.“ Sie bedankte sich, bevor sie sich von ihm umarmen liess. Es war gut seine Nähe zu spüren. Ihr war der Tag vorgekommen, fast wie ein halbes Jahrhundert - ohne ihn ging die Zeit einfach nicht um. „Sagst du mir jetzt, für wen das alles ist?“ sagte sie und zeigte dann auf sich, nachdem sie sich wieder gelöst hatten. Er schaute verwirrte. „Hat Merle dir nichts gesagt?“ Hitomi schüttelte hilflos ihren braunen Schopf. „Aber wenigstens Noan?“ fragte er weiter. Wieder schüttelte sie den Kopf. Er seufzte laut. „Das darf doch nicht wahr sein! Können sie nicht mal diese kleine Aufgabe erledigen…“ Er schnaufte. „Wenigstens bist du jetzt hier bei mir, schön, wie noch nie. " Sie lächelte besänftigend. „Siehst du, also hat es doch was gebracht.“ Er küsste Hitomi leicht auf die Stirn. „Du bist mein Rettungsanker heute Abend, Hitomi.“ „Wer kommt denn?“ sagte sie leise, ohne die Stimmung zu verderben. Er sagte eine Weile nichts und sie wartete, bis er ihr antwortete: „Ein…“ Er überlegte kurz. „Ein Bekannter aus dem Norden in Asgard. Vor einer Woche hatte er mir geschrieben; dass seine Leute etwas über die Diebstähle rausgefunden hätten. Er wollte mir nicht sagen was, er sagte mir nur mit einem Brief wäre es zu unsicher, deshalb kommt er selber. Es scheint sehr wichtig zu sein.“ „Ein Bekannter sagst du? Du magst ihn wohl nicht sonderlich.“ Sie machte eine nachdenkliche Miene. „Ehrlich gesagt nein. Wir stehen uns nicht sehr nahe, ausserdem ist er mir unsympathisch, aber der alte Mann ist schon sehr lange auf der Welt und er scheint Dinge zu wissen, die nicht jeder kennt. Um dich und Fanelia zu beschützen, musste ich Kontakt mit ihm aufnehmen.“ Eine Weile lauschte sie seinem Herzschlag. „Es tut mir leid,“ sagte sie dann. „Was denn?“ „Ich bringe nur Unglück, kaum tauche ich hier auf, scheinen sich die Ereignisse zu überschlagen.“ „Sag sowas nicht, Hitomi. Jemand will Gaia wieder Leid zufügen und daran bist nicht du schuld. Du scheinst nur zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.“ „Also,“ sagte sie ganz unschuldig. „Dann soll ich wieder gehen?“ Sie meinte es eher als Witz, er schien es ernst zu nehmen. Seine Stimme verdunkelte sich, als er ihr antwortete: „Du kannst machen, was immer du willst. Aber ehrlich gesagt nein, ich will nicht, dass du gehst. Das könnte ich nicht ertragen.“ Erschrocken wich sie von ihm zurück. „Entschuldige, Van! I-Ich meinte das nicht ernst. Ich will nicht weg von dir. Ich habe es nur so als Spass gesagt.“ Er schien erleichtert, als er sie wieder an seine Brust drückte. Eine viertel Stunde später standen sie draussen vor dem Haupteingang und warteten auf den Besuch, der pünktlich jeden Moment erscheinen sollte. Im Foyer befand sich noch Van’s Berater und ein paar weitere Beamten. Sie fragte sich innerlich wieso sie hier war. Sie war nicht die Königin, noch war sie jemand besonderes. Nur jemand von der Erde. Eine weitere halbe Stunde später war der Besuch immer noch nicht gekommen. Langsam machte sich jeder Sorgen. Nur zeigte es nicht jeder so frei und nicht jeder hatte die Selbstbeherrschung wie Van. Inwzischen herrschte ein einziges Durcheinander im Raum. Man konnte kaum das eine Wort des anderen verstehen, weil jeder dazwischen redete. Sie drängte sich nervös an die getäfelte Wand und sie sah Van von der Seite an. Er hielt ihre Hand und starrte auf einen ungenauen Punkt an der Wand. Sie beneidete, wie ruhig er im Moment wirkte. Als man nicht besonders höflic ihn um seine Meinung fragte, schien er sich endlich zu regen und befahl so schnell wie möglich einen Suchtrupp aufzustellen. Dann waren sie beide allein. Langsam setzten sie sich nebeneinander auf die Treppe, die in den ersten Stock führte und eine Weile schwiegen sie nur. Noch immer hielt er ihre Hand und sie musste zugeben, es fühlte sich gut an. „Tut mir leid,“ sagte er als erster etwas. „Meinetwegen hast du dich so rausgeputzt und niemand konnte es geniessen.“ „Ist schon gut,“ sagte sie sanft und drückte seine Hand. „Ich konnte dir Freude bereiten, stimmts?“ Er lächelte schwach. „Du bist der einzige den ich beeindrucken will, also mach dir um mich keine Sorgen. Ich mache mir eher um dich Sorgen. Ist alles in Ordnung?“ Er drückte ihr einen leichten Kuss auf die Schläfe. „Weil du bei mir bist, ja.“ „Denk nicht darüber nach, was wohl passiert ist.“ Sie stand auf. „Komm, ich bringe dich ins Bett.“ „Ich will nicht…“ Er starrte zu Boden, nachdem auch er aufgestanden war, als wäre ihm etwas peinlich. „Ich will nicht ins Bett gehen, wenn du nicht bei mir bist, Hitomi.“ Sie lächelte liebevoll. „Ich kann bei dir schlafen wenn du willst.“ Er sah sie lange ohne ein Wort an. „Ich will das sehr gerne, wenn es dir nichts ausmacht.“ „Natürlich nicht. Ich bin froh, wenn ich dich aufmuntern kann.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)