Waking Up In Vegas von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 1: Now we´re Partners in Crime -------------------------------------- Der heiße Wind griff in meine ausnahmsweise geöffneten Haare und bauschte mein weißes Shirt auf, sodass es darunter angenehm warm wurde. Die nackten Beine hatte ich auf das Amaturenbrett gelegt und spreizte genüsslich die Zehen, deren Nägel Auberginenfarben lackiert waren. Es war herrlich sonniges Wetter, kein Wölkchen spiegelte sich in meiner breiten Sonnenbrille, so, wie sich das für die Wüste Nevadas gehörte, auch, wenn das meinem Chauffeur nicht so sehr gefiel wie mir. "Diese Hitze ist echt krank", beschwerte sich Shikamaru, der bei der letzten Rast sein Shirt ausgezogen hatte, was mich ganz und gar nicht störte. "Du räkelst dich wie ein Kätzchen, Temari, und ich verreck halb." "Du bist eben eine Heulsuse", gab ich belustigt zurück und öffnete ihm die Colaflasche, damit er sich etwas abkühlen konnte. Als er getrunken hatte, drückte ich die Flasche gegen seinen muskulösen Oberarm und sah zu, wie das Kondenswasser an seiner für diese Breitengrade viel zu blassen Haut hinunter lief. Wann war er nur so ein Schrank geworden, nach dem schlaksigen, übellaunigen Teenager, den ich jahrelang gekannt hatte? "Du solltest dich eincremen; wenn du so weiter machst, siehst du in einer Stunde aus wie ein Hummer." Shikamaru und ich kannten uns schon immer, denn er war der Sohn der Nachbarn meiner Eltern. Ich war drei Jahre älter als er, trotzdem hatte er mich immer meinen jüngeren Brüdern vorgezogen; wir waren beste Freunde und er hätte eine sehr peinliche Biografie über mich schreiben können, aber ich wusste, dass ich mich immer hundertprozentig auf ihn verlassen konnte. Als ich im Abschlussjahrgang gewesen war, hatte es mal eine Zeit gegeben, in der fast etwas zwischen uns gelaufen wäre, aber wir waren beide zu stolz, um den ersten Schritt zu tun, kannten uns zu lange... Die üblichen ´Abers` eben. Und dann der Altersunterschied! Also war, bis auf in einer Gewitternacht, als wir in der Schule festgesessen hatten, weil wir etwas für das Schülerkomitee vorbereitet hatten, nie etwas passiert. Ich war die erste, mit der er Sex hatte, aber seine erste feste Freundin war Ino Yamanaka, eine himmelschreiende Nervensäge, mit der er es sage und Schreibe drei Jahre ausgehalten hatte, bis sie sich vor einem Monat von ihm getrennt hatte, weil sie meinte, mit diesem Frauenheld Sasuke Uchiha ins Bett springen zu müssen. Wegen dieses Umstandes auch unser Ausflug in die Wüste Nevadas, nach Las Vegas. Raus aus unserem San Fransiscoer Großstadtalltag und rein in die verlogene, glitzernde Scheinwelt. Wir hatten alles, was dieses Miststück ihm je geschenkt und auch das, was sie noch bei ihm zwischengelagert hatte, versetzt und zu Geld gemacht und uns den Fort Mustang gemietet, in dem wir gerade saßen, eine Suite in einem genialen Hotel gebucht und uns auf den Weg gemacht, um die Erinnerungen an diese unschöne Episode von Shikamarus Leben unter die Leute zu bringen. Ich half ihm mit einer gewissen düsteren Befriedigung, denn für mich war immer klar gewesen, dass Ino ihm nicht gut tat - Sie konnte ihm ja nicht mal intellektuell das Wasser reichen. Ein hübsches Püppchen, ein Spielzeug. Ich selbst hatte während der Zeit ihrer Beziehung wechselnde, belanglose Partnerschaften, die mich unbefriedigt zurückließen. Witz, Esprit, Charme, Direktheit, Intelligenz - War das zu viel verlangt von einem Mann? "Soll ich ein bisschen fahren?" "Als würde ich dir den Wagen überlassen." "Hey! Ich fahre ja wohl zehn Mal besser als du, du Grünschnabel." Er lächelte sein schmales, sarkastisches Lächeln. "Stimmt, so als Mannsweib musst du das ja." Ich zeigte ihm den Mittelfinger, drehte die Musik lauter, lehnte mich zurück und fühlte mich wohl wie die Made im Speck, wie immer, seitdem dieses Weib aus seinem Leben verschwunden war. "Dreaming about the good old Times... You need to forgive, forget", schallte es aus dem Radio und ich gab dem Sänger recht. Ich vergebe dir, dass du mich damals nicht wolltest, wenn du dieses Miststück jetzt vergisst, Shikamaru. Es war noch nicht dunkel, als wir die Stadt erreichten, dementsprechend schlecht war unser erster Eindruck; Überall Dreck, Penner, Nutten, Schnapsleichen der letzten Nacht, streunende Hunde. Ein Portier im Livre öffnete mir gallant die Tür des Wagens, starrte dann aber unverholen auf meine Beine in den knappen, engen Shorts. Ich wollte ihn gerade zurechtweisen, als ein Arm um meine Schultern gelegt und dem unverschähmten Kerl der Autoschlüssel zugeworfen wurde. "Ich kenn die Tachozahlen, also keine Extrarunden", erklärte mein bester Freund, der zuvor unsere Koffer ausgeladen hatte. Bei dem mürrischen Gesicht des Portiers hätte ich fast lachen müssen, aber stattdessen spielte ich die dankbare Freundin und schmiegte mich an meinen Ritter im verschwitzten Shirt. Als der Mann weg war, gönnte ich mir doch ein Grinsen, stellte mich auf die Zehenspitzen - Gott, vor einem Jahr war ich doch noch größer als er gewesen! - Und küsste ihn auf die Wange. "Danke, oh großer Held!" "Ist doch logisch dass ich eine Jungfrau in Nöten rette", gab er gelassen zurück, ehe er sich die Koffer schnappte und mir die Tragetasche und meine Handtasche überließ. Wir checkten in dem pompösen Hotel ein, ließen unser Gepäck auf das Zimmer bringen, das groß genug war für eine Minibar, einen Balkon, ein riesiges Bett und eine ganze Schrankwand. Ich beschlagnahmte erst mal das Bad und dachte darüber nach, dass ich eigentlich nicht wollte, dass Shikamaru auf der Couch schlief, wie er angekündigt hatte. Ob er schon bereit wäre für etwas Neues? Mich überhaupt noch anziehend fand? Als ich im Bademantel durch das Zimmer wanderte, um meine Kleider einzusammeln, warf er mir jedenfalls Blicke zu und als ich mich umentschied und mich auf das Bett flätzte wie ich war, anstatt mich anzuziehen, blieb er mit verschränkten Armen stehen. Ich streckte die Hand aus nach ihm. "Komm her, Stinker." "Lieber nicht, ich dusche erst..." "Ist mir egal", betonte ich, woraufhin er tatsächlich ins Bett krabbelte und sich auf mich legte. Sein Gewicht fühlte sich gut an über mir, ich bekam Herzklopfen. Mein Körper erinnerte sich daran wie es war, ihn in sich zu haben, während es draußen regnete und stürmte... "Wie geht es dir?", versuchte ich mich abzulenken. "Scheiße." "Wie kann es dir Scheiße gehen, Dummkopf? Du liegst auf meinen Brüsten!", lachte ich ungezwungen und kitzelte ihn, woraufhin er aufsprang und mich mit einem Kissen bewarf. Wir balgten uns wie Welpen und schliefen auch verkeilt wie junge Hunde ein, als die Erschöpfung der langen Reise uns einholte. Die kühle Nachtluft, die durch die offene Balkontür strömte, weckte mich später. An mich geschmiegt lag Shikamaru neben mir in einem Wust aus Kissen. Ich knuffte ihn ungeduldig in die Schulter. "Aufwachen! Wir haben viel vor heute Abend." Schnaubend verkroch sich der notorische Faulpelz unter der Decke und nuschelte etwas wie "Geh doch alleine...", aber das ließ ich nicht gelten. Resolut zog ich sein Versteck beiseite und scheuchte ihn ins Bad, während ich mich für den Abend anzog. Ich hatte mir ein herrliches, weißes Kleid gekauft, dessen Rock in Kellerfalten gelegt war, die man mit lilanem Stoff eingefasst hatte. Es hatte keine Träger, also steckte ich mir das Haar zu einem aufwändigen Dutt hoch und legte passende Ohrringe an, dann schlüpfte ich in die lilanen Pumps, die ich mir ebenfalls extra für diesen Anlass besorgt hatte. Gerade als ich anfing, mich zu schminken, kam mein Begleiter aus dem Bad. Er trug einen schwarzen Anzug ohne Krawatte und ein waldgrünes Hemd, von seinem Haar hatte er ausnahmsweise nur die oberste Partie zusammengebunden. Ich bevorzugte ihn zwar in den schlichten Shirts, die er sonst anhatte, aber er sah doch verdammt gut aus. So erwachsen. "Du siehst aus wie ein Junge auf der Kommunion", grinste ich und wandte mich wieder meinem Make-Up zu, konnte mich aber nicht konzentrieren, weil ich im Spiegel sah, dass er mich beobachtete. "Was denn?" "Du siehst umwerfend aus", sagte er ehrlich und wurde einen Hauch rot. Ich errötete selbst und warf einen Kajalstift nach ihm, um meine Verlegenheit zu überspielen. "Hör doch auf, du Lustmolch", lachte ich geschmeichelt und machte mich endlich fertig. Ein Wunder, dass er plötzlich bemerkte, dass ich auch eine Frau war, dieser angeblich hochbegabte Volltrottel. Als ich aufstand musste ich feststellen, dass Shikamaru sogar mit meinen mörderischen Absätzen zehn Zentimeter größer als ich war, was ihn sehr amüsierte, mich aber eher verwirrte. Ich hatte mir wohl während seiner Beziehung mit Ino ziemlich erfolgreich verboten, ihn zu genau anzusehen. Wir hatten Karten für eine Zaubershow in einem anderen Hotel, zu dem wir zu Fuß gingen, um die Stadt genießen zu können. Es war noch recht warm und überall waren Nachtschwärmer unterwegs, die nichts mehr von dem ungesunden Eindruck erahnen ließen, den die Stadt tagsüber vermittelte. Es war spät, als wir endlich in einem der riesigen Casinos ankamen, dennoch waren sehr viele Leute anwesend, allesamt in opulenten Abendkleidern, teuren Anzügen, schicken Livrée. "Jetzt wissen wir also, wo alle Welt ihr Geld hinbringt", scherzte Shikamaru, als wir mit einem Glas Champagner, das man uns als Begrüßung gereicht hatte, am Rande der Versammlung standen und alles interessiert beobachteten. Ich lächelte, genoss die exquisite Umgebung und die Blicke der Männer, die mich musterten genauso wie die der Frauen, die neidisch zu meinem Begleiter linsten. Aber heute würde ich ihn ganz für mich haben nach all der Zeit, auch, wenn das unsere ursprünglichen Kuppel-Pläne durcheinander brachte. Angenehm beschwippst sahen wir bei dem einen oder anderen Spiel zu, bis wir an einem Blackjacktisch stehen blieben. Bisher hatten wir uns gut unterhalten, sodass mir Shikamarus plötzliche Schweigsamkeit auffiel. Seine Augen folgten den Kartenspielern und dem Deck gebannt, mit einem konzentrierten Ausdruck, den ich sehr gut an ihm kannte. "Na, magst du mitspielen?", fragte ich, doch er antwortete nicht sofort. "Es müsste rein theoretisch möglich sein, die Karten auszuzählen...", erklärte er schließlich langsam. Ich warf ihm einen interessierten Blick zu. Nachdem in den sechziger Jahren jemand ein Buch über das Auszählen der Karten geschrieben hatte, wurden in den Casinos so viele Decks verwendet, dass diese Taktik für normale Menschen unmöglich war, aber Shikamaru war alles andere als gewöhnlich und mit seinem fotografischen Gedächtnis könnte es unter Umständen sogar möglich sein. "Ist das nicht illegal?", fragte ich, den Blick wieder auf die Spieler gerichtet. Er schüttelte den Kopf. "Nein, gesetzlich verboten ist es nicht, aber natürlich sehen die Casinos es nicht gerne und verhängen unter anderem Hausverbote, wenn sie es merken." "Wieso kennst du dich so gut damit aus? Hast du das schon alles geplant?", lachte ich, doch er zuckte die Schultern. "Ich hab mich informiert, bevor wir losgefahren sind. Reine Neugierde." Ich zögerte, dann grinste ich herausfordernd. "Komm, wir probieren es aus", verlangte ich und setzte mich an den Tisch, als die Runde beendet war und zwei andere Leute gingen. Er seufzte, als wäre das unerträglich anstrengend, nahm dann aber doch neben mir Platz. "Ich wollte sowieso was machen und nicht nur blöd rumstehen." Wir bekamen eine Einführung, dann spielten wir mit. Ich machte kleine Einsätze und verlor auch das meiste, genauso wie Shikamaru zu Beginn. Doch nach ein paar Runden war zum deutlichen Missfallen von Bank und Mitspielern zu merken, wie mein bester Freund immer öfter gewann. Seine Miene war gelassen, stoisch wie immer, doch ich fühlte, wie meine Wangen glühten vor Aufregung. Dieser Idiot machte es wirklich! Sein Stapel wuchs beständig, bis er schließlich aufstand, sich bedankte und den Tisch verließ. Ich tat es ihm nach und er legte ganz natürlich den Arm um meine Taille, als wir gingen. "Das war so geil!", lachte ich und er grinste befriedigt, als ich aufgeregt an seinem Hemd zog. "Machen wir es noch mal!" Das taten wir dann auch und es funktionierte wunderbar. Inzwischen hatte Shikamaru Chips im Wert von mehreren Zehntausend Dollar vor sich auf dem Tisch und ich hatte aufgehört zu spielen. Stattdessen bezog ich den Platz hinter seinem Stuhl, die Hand auf seine Schulter gelegt, um die lästigen Weiber zu vertreiben, die sich ihm immer wieder anbiederten. Einer besonders Zudringlichen, die aussah wie eine Nutte, zischte ich "Verpiss dich oder ich reiße dir die Haare aus..." zu, was sie erschrocken aufkeuchen ließ. Trotzdem sammelte sie lieber ihre Highheels ein und machte auf dem Absatz Kehrt, nicht jedoch, ohne mir "Verrücktes Miststück!" zuzuzischen. Als ich ihr nachblickte, fielen mir drei Männer in schwarzen Anzügen mit Sonnenbrillen und Kopfhörern auf, die schon länger dort standen und uns beobachteten. "Shikamaru...", flüsterte ich ihm zu. Er nickte, ohne aufzusehen. "Wir sollten lieber gehen... Die Security beobachtet uns." Jetzt warf er doch einen Blick darauf und gab mir Recht, indem er das Spiel beendete und sich erhob. Gemeinsam gingen wir zu der Dame, die ihn auszahlte, bevor wir den Laden verließen. Draußen lachten wir wie die Bekloppten und küssten uns ein paar Mal vor Freude überschwänglich, aber es reichte noch nicht, noch lange nicht. Dasselbe Spiel zogen wir in mehreren Casionos ab, bis wir betrunken waren von unserem Glück und dem Champagner und gar nicht mehr bemerkten, dass wir beobachtet wurden. Shikamaru kam sogar mit, als ich sagte, dass ich tanzen wollte. Gemeinsam machten wir uns zum Affen, als wir in der Mitte des Ladens Arm in Arm zu wanken anfingen. Meine Füße taten schrecklich weh, aber es war in dem Moment egal, als er seine Hände auf meine Hüften legte. Ich schlang die Arme um seinen Hals, grinste ihn beduselt an. "Du bist echt der geilste besoffene Kerl, den es hier gibt", kicherte ich und er grunzte mürrisch. "Ich bin der reichste besoffene Kerl, den es hier gibt." "Das ist doch dasselbe." Meine Hand spielte mit den Strähnen in seinem Nacken. Ich schluckte leicht, sah von seinem Hals wieder in seine Augen und spürte, wie die Stimmung sich gewandelt hatte, wie sein Griff um mich etwas fester geworden war und sein Blick ernst. "Hey...", hauchte ich und küsste ihn zum ersten Mal nicht vor Übermut, sondern aus betrunkenem Verlangen. Er erwiderte die Berührung nach kurzem Stocken und hörte dabei nicht auf uns im Takt der Musik zu drehen, die ich gar nicht mehr hörte unter dem Rauschen meines Blutes in meinen Ohren. Ich lachte in den Kuss, als seine Hände sich fast schüchtern um meinen Hintern schlossen und fühlte mich noch viel betrunkener als eben, nur von seiner Nähe. Deshalb war ich auch verwirrt, als er sich löste, weil ihn jemand mit "Mr Nara?" ansprach. Mein Blick wanderte skeptisch über die Anzugfutzis und meine Hände klammerten sich fest in den Kragen seines Hemdes; das Sakko hatte er mir vor einiger Zeit gegeben, weil mir kalt gewesen war. Diese Typen waren gefährlich. "Was kann ich für Sie tun?" Typisch, sogar in so einer Situation höflich. "Wir möchten etwas mit Ihnen besprechen. Wenn Sie einen Moment mit uns kommen würden...?" Zu meinem Missfallen löste Shikamaru sich tatsächlich aus meiner Umarmung, die Hand jedoch behielt er noch einen Moment auf meiner Hüfte. "Natürlich... Temari, geh zur Bar und bestell dir was. Ich komm gleich." Es gefiel mir weder, wie er mich rumkommandierte, noch, dass er alleine mit diesen Männern sein sollte, doch er ging einfach und ließ mich stehen. Er drehte sich noch mal um und zwinkerte mir mit einem umwerfenden Lächeln zu, bei dem ich nicht anders konnte, als es schwach zu erwidern. Warum war er nicht geblieben, um mir weiter diese alkoholischen Küsse zu geben, die mich stärker betrunken machten als jeder Schnaps...? Wiederwillig kam ich der Aufforderung meines besten Freundes nach und setzte mich mit einem Cuba Libre an die Bar. Natürlich war es verboten, aber das hielt mich trotzdem nicht davon ab, eine Zigarette anzuzünden und die Tür, durch die er verschwunden war, skeptisch zu beobachtete. Eine Viertel Stunde später öffnete sich diese und ich stand auf, aber heraus kamen nur die Fremden, von denen einer eine Platzwunde an der Stirn hatte und ein zweiter verdächtig humpelte. Kein Shikamaru. Wie von selbst stand ich auf und ging auf die drei zu, stellte mich ihnen in den Weg. "Wo ist er?" Der einzig Unverletzte von ihnen war bestimmt zwei Meter groß und musterte mich amüsiert. "Von wem redest du, Missi?", fragte er höhnisch, aber ich war weder in der Stimmung, mich veraschen noch einschüchtern zu lassen, also griff ich ihn an der Krawatte und zog ihn zu mir runter. "Wenn Sie mir nicht sofort sagen, wohin Sie ihn gebracht haben, mache ich eine ´Missi` aus Ihnen", zischte ich gefährlich leise, aber es war deutlich, dass ich es ernst meinte. "Also?" "Randale in der Eingangshalle", hörte ich es hinter mir, als einer von ihnen sein Walkie-Talky benutzte. "Miss, bitte folgen Sie mir. Wir bringen Sie nach draußen und holen ein Taxi..." "Ich will in kein Taxi sondern zu meinem Freund!", blaffte ich und wehrte mich gegen die Hände an meinen Schultern. "Fassen Sie mich nicht an!" Ich wehrte mich heftig, was aber letztendlich nur dazu führte, dass ich hinten in einem Polizeiwagen landete und eine halbe Ewigkeit erklären musste, was genau passiert war, bis ein Beamter mit mir zum Casino fuhr und die Hinterstraßen untersuchte. Aber auch dort war kein Shikamaru zu finden. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Wo hatten sie ihn nur hingebracht? Der Polizist kratzte sich am Kopf, musterte mich, schüttelte dann aber nur den Kopf, als habe er solche Fälle schon zu oft gehabt. "Ok, hören Sie. Ich bringe Sie jetzt in Ihr Hotel und da schlafen Sie sich am besten erst Mal aus, ja? Vielen tut Vegas nicht gut und Sie haben schon einiges getrunken, nicht? Na also. Vielleicht taucht ihr Freund ja von selbst wieder auf." Er sprach das aus, als hätte ich mir Shikamaru nur eingebildet, aber ich versuchte nicht mehr, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Widerstandslos ließ ich mich ins Hotel bringen, ging sogar ins Zimmer und blieb dort eine Weile, um sicher zu gehen, dass die Polizei abgezogen war. Während ich wartete, trank ich Wein aus der Minibar und versuchte, meinen besten Freund anzurufen, aber der ging nicht ans Telefon. Also zog ich Jeans, Stiefel und ein Sweatshirt von Shikamaru an, band mir die Haare zu vier Zöpfen hoch und schlich mich aus dem Zimmer. Wenn die glaubten, ich würde diesen Mist einfach so hinnehmen, kannten sie mich aber schlecht. Ich nahm ein Taxi zu dem Casino, in dem wir gewesen waren, und beobachtete den Eingang. In meinem jetzigen Aufzug hätten sie mich wohl nicht mehr reingelassen, aber ich war mir sowieso ziemlich sicher, dass sie Shikamaru wo anders hingebracht hatten. Nochmals versuchte ich, ihn anzurufen, erneut erfolglos. Also machte ich mich daran, die Umgebung des Etablissements auf eigene Faust zu erkunden. So ganz alleine fühlte ich mich dabei zwar ziemlich unwohl, aber mit der Kapuze tief ins Gesicht gezogen beachtete mich kaum jemand. Während ich die Hinterhöfe durchkämmte, rief ich meinen Freund immer wieder an in der Hoffnung, seinen Klingelton irgendwo zu hören, aber es funktionierte nicht und schließlich half meine ´Tarnung` auch nichts mehr und eine zwielichtige Gestalt sprach mich an. "He, Kleine", sagte ein schwarzer Mann an einer Hausecke. Ich sah ihn misstrauisch an und wollte an ihm vorbei, als er fortfuhr: "Du suchst jemanden, oder? Läufst zum dritten Mal hier vorbei." Zögernd blieb ich stehen und sah ihn an. Wenn er etwas komisches versuchte, konnte ich ihn immer noch fertig machen; man sah es mir zwar nicht an, aber ich machte seit Jahren Kickboxen und war verdammt gut darin. "Ja", erwiderte ich also. "Mein... Ein Freund von mir ist von den Mafiosi aus dem Casino da verschleppt worden und ich weiß einfach nicht, wo ich noch suchen soll." "Die", schnaubte der Fremde, als wäre von den Angestellten dieses Hauses nichts anderes zu erwarten. Sein Blick wanderte über mich, als er eine Zigarette rauszog. Er hielt mir die Schachtel hin, doch ich schüttelte den Kopf. Ich würde sicher nichts von Unbekannten nehmen. "Was hat dein Kumpel denn verbrochen...? Oh, schon gut, du musst nichts sagen. Ich glaub aber, ich hab gesehen, wie sie einen rausgeschafft haben... "Wohin?", fragte ich und trat näher. "Mhm... So genau kann ich mich nich mehr erinnern..." Ich zog drei Hundertdollar scheine aus der Hosentasche. Es war mir egal, ob er sie für Drogen oder Alkohol benutzen würde oder sich eine Nutte kaufte, Hauptsache, er sagte mir, wo Shikamaru war. "Und jetzt?" "Ah, es wird schon besser aber..." "Übertreibs nicht." "Oho, schon gut, Kätzchen." Er grinste ein Zahnlückenlächeln und nahm das Geld, bevor er weiter sprach. "Ich könnte jetzt auch einfach abhauen oder dir Scheiße erzählen, das ist dir klar, oder?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich könnte die Information auch aus dir rausprügeln, das ist dir klar, oder?" "Tche... Na gut, du bist ganz süß, also bin ich mal nicht so." Er schien mir nicht zu glauben, aber es war sein Glück, dass er dennoch tat, was ich wollte, denn ich hätte nicht gezögert, handgreiflich zu werden. "Sie bringen ihren... ´Abfall` meistens zu einer Schrottdeponie etwas außerhalb der Stadt. Wenn du Glück hast, haben die Hunde deinen Schatzi noch nicht gefressen..." Er sagte mir eine Adresse, ich drehte um und suchte ein Taxi. Mir war klar, wie verzweifelt und dumm es war, zu tun, was dieser Kerl mir sagte, aber ich WAR verzweifelt, weil ich einfach nicht wusste, wo ich noch hätte suchen sollen. Der Fahrer schien wenig angetan, so weit rauszufahren und noch weniger, als ich ihn bat, auf mich zu warten, aber er tat es, sodass ich nach Shikamaru suchen konnte. Die Deponie war verlassen und unheimlich, aber vor allem war sie abgesperrt. Ich war froh, dass ich die Highheels abgelegt hatte, als ich fluchend über den Drahtzaun kletterte und auf der anderen Seite wieder runtersprang. Möglichst leise - Hatte der Typ nicht irgendwas von Hunden gesagt...? - Schlich ich mich durch die Metallhaufen und rief wieder Shikamarus Handy an, bis ich tatsächlich seinen Klingelton hörte. Mein Herz machte einen erfreuten Stolperer. Jackpot! Wesentlich unvorsichtiger als zuvor stürzte ich auf das Geräusch zu und wurde prompt von einem Rudel knurrender Hunde begrüßt. Sie hatten das Fell aufgestellt und fletschten die Zähne und hätten mich sicher gefressen, wenn nicht etwas weiter entfernt ein metallisches Knirschen zu hören gewesen wäre. Ohne zu zögern lief ich zu der Stelle, an der ich Shikamaru vermutete. Er hatte sich auf einen der Haufen gerobbt, wo er den Bestien entkommen war, und lächelte schwach, als er mich sah. "So ein Zufall...!", grinste er aus einem völlig zerschundenen Gesicht. Seine Augenbraue war aufgeplatzt, er hatte ein Veilchen, mehrere Kratzer und sein schönes Hemd war an mehreren Stellen zerrissen. Ich schluckte meine Angst runter, als ich seinen Arm über meine Schulter schob. "Du bist so ein Idiot... Warum bist du mit denen mitgegangen...?", zischte ich, als wir gemeinsam über den Müll stolperten. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Hunde zurück waren, und ich konnte den Mann ganz eindeutig nicht über den Zaun heben, also überlegte ich fiebrig, was ich tun sollte. Plötzlich gaben Shikamaru die Knie nach und er fiel, wobei er mich ebenfalls zu Boden riss. Schwer keuchend versuchte ich, ihn wieder auf die Beine zu bringen, aber er war halb ohnmächtig. "Du kannst hier nicht verrecken...! Das Geld ist noch nicht in deinem Testament auf mich überschrieben!", schimpfte ich, den Tränen nahe, und schlug ihn mehrmals mit der flachen Hand ins Gesicht, bis er wieder bei sich war. Trotzdem dauerte es viel zu lange, bis wir beim Zaun angekommen waren, und dann blieb immer noch die Frage, wie ich ihn darüber schaffen sollte. Ich konnte schon die witternden Hunde hinter uns hören, als ich auf ein kleines Häuschen neben dem Tor aufmerksam wurde, zu welchem ich ihn zerrte. "Das Geld... Sie haben es mir abgenommen, die Schweine...", erklärte Shikamaru, scheinbar völlig verwirrt. "Macht nichts... Jetzt kletter da hoch. Los, los!", trieb ich ihn an, als er schlampig nach dem Rand des Wellblechdachs griff. Mein Herz raste wie verrückt und meine Muskeln brannten wie Feuer, als ich versuchte, ihn irgendwie dort hochzuhieven, aber schließlich zog er gerade das Bein über die Kante, als hinter mir das Tapsen von Pfoten lauter wurde. Ich versuchte, auch hochzuklettern, aber ich war zu schwach. Unter mir wackelte das Fass, auf dem ich stand, dann kippte es und ich hing mit zitternden Armen dort, zwei Meter von den Hunden entfernt. Ich kniff die Augen zu, dachte an meine Brüder und Shikamaru, den ich leise als einen Idioten beschimpfte, und an meine Eltern und an seine dumme Exfreundin, wegen der nie etwas aus uns geworden war und daran, dass das nicht stimmte, weil ich mir einfach keine Mühe gegeben hatte, ihn für mich zu gewinnen... Und dann schlossen sich große Hände um meine und zogen mich mit einem Ruck nach oben auf das Dach. Völlig aufgelöst, mit von Tränen verschmierten Augen, starrte ich auf zu Shikamaru, der keuchend neben mir hockte und immer noch aussah, als wäre er unter einen Rasenmäher gekommen. "Scheiße, wenn wir das den anderen erzählen...", keuchte er. "Was in Vegas passiert, bleibt auch in Vegas", erwiderte ich entschlossen. Meine Beine zitterten zwar immer noch, aber ich richtete mich auf, denn unter uns bellten die Hunde bedrohlich und ich wollte ungern noch engere Bekanntschaft mit der Polizei schließen wegen Hausfriedensbruch. Gemeinsam kletterten wir über den Zaun und wankten in Richtung des tatsächlich noch wartenden Taxis. Als wir einstiegen, schüttelte der Fahrer resolut den Kopf. "Ich weiß nich, was Sie gemacht haben, aber es sieht nich koscher aus. Raus hier, ich transportier Sie nicht..." Ich gab ihm Geld für drei Mal die Fahrten, die er gemacht hatte und verlangte, dass er uns ins Krankenhaus brachte, was er dann auch tat. Während der Fahrt lehnte ich an Shikamarus Schulter und er hatte den Arm um mich gelegt. "Du bist so ein Schlappschwanz...", nuschelte ich und nahm eine seiner Hände, die ebenfalls zerkratzt war. "Du hättest mal die anderen sehen sollen." "Hab ich", zischte ich, erleichtert darüber, dass er bereits wieder Witze machte und nicht mehr so bekifft wirkte wie eben noch. "Und die sahen relativ gut aus." "Oh weh, die sind dir über den Weg gelaufen? Leben sie noch?" Ich schmunzelte. "Gerade noch so." "Mannweib." "Ich hab dich gerettet, Prinzessin... Oder hättest du lieber auf diesem Schrottplatz geschlafen?" "Ne, ich schlaf lieber mit dir in einem Bett." Er grinste und kam mir dabei gefährlich nahe, was mein Herz zum rasen brachte, aber ich drückte sein Gesicht resolut mit der offenen Hand weg. "Pah, als würde ich mit einer Heulsuse das Bett teilen, die gerade verprügelt wurde!" "Denkst du, ich würde einem Mannweib wie dich anfassen wollen?" "Warum solltest du mir sonst so nahe kommen?", grinste ich selbstgefällig, jetzt zärtlich mit den Fingern durch sein Haar streichelnd und einzelne Staub- und Dreckpartikel daraus zupfend. "Um mich davon zu überzeugen, dass du wirklich Brüste hast", gab er zurück, ohne sich aus meiner Berührung zurückzuziehen, selbst dann nicht, als ich ihm eine Kopfnuss gab. "Tja, auch mit Möpsen habe ich dich gerettet." "Oh ja, mein großer Held", antwortete er mit gespielt schmachtender Stimme und falschem Wimpernaufschlag, der mich zum Lachen brachte. Er neigte sich etwas näher zu mir, die Hand auf meinem Oberschenkel, und sah mich fragend an. "Wenn ich die Prinzessin bin, bist du dann mein Prinz...?" "Dir ist aber klar, dass der Prinz am Ende immer seine Prinzessin bekommt, oder...?", antwortete ich und er brummte "Mhm..." bevor er sich noch etwas näher lehnte und mich endlich küsste. "Hey, wir sind im Krankenhaus", verkündete der Taxifahrer, der skeptisch die Augenbrauen hochzog, als er unsere Knutscherei sah. "Oder soll ich Sie doch lieber ins Hotel bringen...?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)