Jahreszeitenwechsel von konohayuki (OsT #001) ================================================================================ Kapitel 1: Jahreszeitenwechsel ------------------------------ Jahreszeitenwechsel Marisol wusste, dass ihre Zeit bald gekommen war. Nicht nur der mit einem Mal schneller wachsende Aktenstapel in ihrem Arbeitszimmer erinnerte sie daran, sondern auch die Tatsache, dass sie ihre geliebten Sommerkleider gegen die etwas wärmeren, bis auf den Boden fallenden Exemplare hatte austauschen müssen. Sogar die ersten eingefärbten Blätter waren ihr während ihrer Spaziergänge in den letzten Tagen aufgefallen. Sarads Arbeitsbeginn rückte schleichend aber beständig näher. Und für heute hatte er einen Besuch bei ihr angekündigt. Sie freute sich darauf, ihren Bruder wiederzusehen. Das letzte Mal hatten sie auf ihrer Geburtstagsfeier einen kurzen Moment zum Reden gefunden, viel Zeit hatten sie jedoch nicht dazu gehabt. Zum einen war es aufgrund der Größe des Festes nicht möglich gewesen, vor allem aber hatte es zum gleichen Zeitpunkt ein Problem mit ihrer Wärmemaschine gegeben, sodass sie selbst an ihrem Geburtstag alle Hände voll damit zu tun gehabt hatte, Handwerker zu dirigieren und Maschinenüberprüfungen durchzuführen. Nicht, dass sie wirklich viel hätte selbst überprüfen können, ihre Technikkenntnisse erstreckten sich nur auf das, was gerade eben nötig war um die Gerätschaften bedienen und kleine Fehlerchen ausmerzen zu können. Trotzdem, sie vermisste die Gespräche mit ihrem Bruder. Vielleicht würden sie ja heute ein wenig Zeit finden, sich ganz normal zu unterhalten. Gespannt fragte sie sich, ob er mit seinem Automobil kommen würde, einer dieser ganz neuartigen Erfindungen. Immer wenn ihr Weg eines dieser Gefährte kreuzte, versetzte sie deren Anblick in Staunen. Und natürlich war ihr Bruder einer der Ersten in Amberwel Falls gewesen, der sich ein eigenes Automobil gekauft hatte. Sie beschloss ihn zu fragen, ob er sie auf eine kleine Spritztour mitnehmen würde, wenn er nicht zu Fuß kam. Wie sich so eine Fahrt wohl anfühlen musste? Aber vermutlich würde die Befriedigung ihrer Neugierde warten müssen. Es war gewiss nicht ungewöhnlich, dass sich zwei Wettermacher kurz vor ihrem Schichtwechsel trafen, um die notwendigen Abstimmungen vorzunehmen. Ein Jahreszeitenwechsel wollte gut geplant und durchdacht sein, immerhin konnte es zu ungewollten Nebenwirkungen kommen. Und wer wollte schon gerne Schnee im September haben? Nun ja, bei eben diesem Vorfall hatte Yule, ihr für das Winterwetter zuständiger Bruder, seine Finger mit im Spiel gehabt, aber damals war die Wetterbehörde von Amberwel Falls mit so vielen Beschwerden überflutet worden, dass sie nun ein sehr viel genaueres Augenmerk auf derartige Vorgänge legte. Marisol hatte sich geschworen, dass ihr so etwas nie wieder passieren würde. Aber auch sonst gab es Dinge, die abgestimmt werden wollten. Die Temperatur durfte nicht von einem Moment auf den anderen komplett außer Rand und Band geraten, Regenwahrscheinlichkeiten mussten neu eingestellt werden und so weiter. Was die Wetterbehörde alles absegnen musste, das wollte sie gar nicht erst auflisten, die Formulare lagen ja sowieso schon alle als Mahnung auf ihrem Schreibtisch verstreut. Marisol seufzte. In Momenten wie diesen fragte sie sich, warum sie nicht abgelehnt hatte, als man ihr den Posten der Sommerwettermacherin angeboten hatte. Nun gut, sie hätte eine jahrzehntelange Tradition unterbrochen. Ihre Mutter wäre enttäuscht gewesen, wäre es an ihr gescheitert. Aber wenn sie ehrlich war, dann konnte sie sich auch nicht vorstellen, einen anderen Beruf auszuüben. Es war vorgeschrieben, dass die vier Wettermacher aus einer Familie stammen mussten. Ob es sich dabei um Geschwister oder Cousins und Cousinen handelte war dabei egal, die Hauptsache war, dass ihre Geburtsdaten sich im Rahmen von zehn Jahren bewegten. In ihrem Fall reizten die vier Geschwister diese Zeitspanne genau aus. Sie waren gut in dem, was sie taten, fand Marisol. Wirklich, ihnen unterliefen wesentlich seltener Fehler als der Gruppe um ihre Mutter, als sie die Posten innegehabt hatten. Vermutlich lag das aber auch am Fortschritt der Technik, Vieles, was früher von Hand hatte gemacht werden müssen, funktionierte heute automatisch. Aber es gab doch einen Fehler im Gesamtbild, der Marisol immer wieder störte. Und das waren die Streitereien zwischen Yule und Vesna. Der Winterwettermacher und seine Schwester, die für das Frühlingswetter zuständig war, hatten sich dank des nachtragenden Charakters Vesnas und der beinahe unnormalen Freude Yules daran, seine Schwester zur Weißglut zu treiben, ständig in den Haaren. Und auch wenn es am Anfang lustig gewesen war, als es um verschleppte Stofftiere ging, so waren die beiden inzwischen in einem Alter, in dem sie das Kindergartenverhalten ruhig hätten lassen können. Da sie sich aber immer wieder gegenseitig hochschaukelten, hatte Marisol es irgendwann aufgegeben, die Schlichterin spielen zu wollen. Sollten sie doch machen. Zwar sollten die vorgeschriebene Familienzugehörigkeit und der geringe Altersunterschied genau solche Reibereien unterbinden – normalerweise kamen Gleichaltrige ja besser miteinander klar als Menschen aus zwei oder gar drei Generationen – aber in ihrem Fall schien diese Rechnung nicht aufzugehen. Lautes Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Reichlich verwirrt erhob sie sich von ihrem Sofa und machte sich auf den Weg, die Tür zu öffnen. Sie hatte niemanden ankommen hören, normalerweise bekam sie immer mit, wenn sich jemand über den Kiesweg ihrer Wohnung näherte. Doch alle Überlegungen, ob ihr Gehör vielleicht schlechter wurde, waren wie weggefegt, als sie die Tür öffnete. Mit breitem Grinsen sah Sarad, seines Zeichens Herbstwettermacher, sie an. „Wie geht es dir, Schwesterherz?“, fragte er überschwänglich, als er ihr einen Kuss auf die Wange drückte und sie danach in die Arme schloss. „Es ist dir noch nicht zu kalt, oder?“ Sie schüttelte den Kopf. Nein, dieses Jahr schien alles glatt gelaufen zu sein. Während ihre Maschinen begannen, sich langsam, aber stetig herunterzufahren, hatten seine im selben Tempo begonnen, ihren Betrieb aufzunehmen. Dieser Prozess war es, der die meiste Abstimmungsarbeit erforderte. In ihrer Anfangszeit hatten sie dort – selbst unter der Anleitung ihrer Vorgänger – die meisten Fehler begangen. „Das freut mich doch“, sagte er. „Und ansonsten läuft alles nach Plan?“ Sie nickte und bat ihn herein. „Wir können uns in den Garten setzen, wenn du möchtest“, schlug sie vor. „Warm genug ist es dafür ja noch.“ Er nickte zustimmend. „Dann will ich nur eben noch einen Tee machen, ich habe auch deinen Kürbistee da“, sagte sie und deutete in Richtung Küche. Diese spezielle Teesorte war seine absolute Lieblingssorte, sodass er sie bei all seinen Geschwistern vorsorglich in den jeweiligen Küchen deponiert hatte. „Mach es dir schon mal bequem.“ Sarad ließ sich das nicht zweimal sagen und machte sich auf den ihm noch bekannten Weg. Marisol sah ihm nach, beobachtete seine federnden Schritte. Auf den ersten Blick würde niemand auf den Gedanken kommen, dass sie Zwillinge waren. Während sie die blonden Korkenzieherlocken und die nicht wirklich herausragende Größe ihrer Mutter geerbt hatte, war Sarad hochgewachsen und sein schwarzes Haar stand ihm wirr vom Kopf ab. Der Ansatz eines Bäuchleins ließ sich unter seinem Hemd vermuten, aber das machte ihn nicht minder populär bei den Frauen. Marisol lächelte. Ja, von ihren Geschwistern mochte sie ihren Zwillingsbruder am liebsten. Leise pfeifend verschwand sie in der Küche, um den Tee vorzubereiten. Sarad seufzte derweil wohlig, als er sich in Marisols Garten auf einem der Holzstühle niederließ. Noch immer waren die Sträucher und Blumen in den Beeten seiner Schwester wunderschön anzusehen und präsentierten sich ihm in voller Farbenpracht. Sie hatte schon immer ein Händchen für Gartenarbeit gehabt, schon als sie kleiner gewesen waren hatte sie ihrer Mutter immer im Garten geholfen. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, wie sie ihm voller Stolz ihre ersten selbstgezogenen Sonnenblumen präsentiert hatte. Marisols Stimme, die plötzlich neben beständigem Geklirre aus der Küche zu hören war, schreckte ihn aus seinen Erinnerungen: „Ich habe übrigens noch Himbeerkuchen da. Möchtest du ein Stück?“ Ihm lief beim Gedanken an das Gebäck das Wasser im Mund zusammen. Seine Schwester buk nicht oft, aber wenn sie es tat, dann waren ihre Kreationen ein Genuss. Und da sie sich sowieso sehr selten sahen, kam er nicht oft dazu, ihre Backkünste zu genießen. Eine solche Gelegenheit konnte und wollte er sich nicht entgehen lassen. „Gerne“, antwortete er deshalb. Bis zu seinem Geburtstag dauerte es noch ein bisschen, und bis dahin war das seine einzige Chance. Auch wenn sie eigentlich Zwillinge waren, so war es doch Brauch, den offiziellen Geburtstag der ersten Wettermacher anzunehmen, wenn man den Posten annahm. „Möchtest du Sahne dazu?“ Er schüttelte den Kopf, dachte dann aber daran, dass sie das gar nicht sehen konnte. Also wiederholte er seine Ablehnung noch einmal in gesprochener Form: „Lieber nicht. Du weißt doch, ich muss auf meine Linie achten.“ Schallendes Lachen ertönte aus der Küche und Marisol lachte immer noch, als sie mit zwei Tellern Kuchen zu ihm kam. Auf ihr Stück hatte sie – wie hätte es auch anders sein können – eine übermäßig große Portion Sahne geschaufelt. Sie wusste, spätestens nachdem sie sich ihre ersten Bissen genehmigt hatte, würde er nicht widerstehen können und ihr ein wenig von der Sahne stibitzen. „Sie ist übrigens ungezuckert, also mach dir keine allzu großen Sorgen“, zwinkerte sie ihm verschwörerisch zu. Nachdem sie noch einmal in die Küche zurückgekehrt war, um Tassen und die Teekanne zu holen, ließ sie sich Sarad gegenüber nieder. „Also, was gibt es außer dem offensichtlichen Thema noch, worüber du mit mir reden willst?“, wollte sie wissen. Das erste Mal, seit er angekommen war, sah er wieder besorgt aus. „Augenscheinlich haben sich Yule und Vesna ordentlich in die Haare gekriegt“, antwortete er. „Aber dieses Mal scheinen sie ein wenig mehr über die Stränge geschlagen zu haben als sonst. Ich habe heute die Information erhalten, dass dieser Disput momentan seinen Weg zum Disziplinarausschuss nimmt.“ „Was?“, unterbrach Marisol ihn. „Wie jetzt? Warum weiß ich da noch nichts von?“ Die neuen Informationen regten sie auf, das konnte man ihr deutlich ansehen. „Weißt du, was sie angestellt haben?“, wollte sie wissen. Sarad schüttelte den Kopf. „Das müssen wir noch herausfinden. Ich weiß nur, dass irgendetwas Schaden genommen hat.“ „Und das unsere Stadtführung alles andere als erfreut ist“, fügte Marisol leise hinzu. „Und was tun wir jetzt?“ Sarad nahm einen Schluck Tee und spießte ein Stückchen seines Himbeerkuchens mit der Gabel auf. „Nun“, meinte er kauend, „Wir müssen rausfinden, was genau sie zerstört haben und sie dazu bringen, sich dafür zu entschuldigen oder sonst wie für den Schaden aufzukommen. Ich hoffe ernsthaft, dass sie niemanden verletzt haben.“ Marisol betrachtete nachdenklich ihre Tasse. „Ich vermute, du hast schon einen Plan?“, fragte sie schließlich. Wieder bestätigte Sarad ihre Vermutung. „Wenn alles so läuft, wie ich es will, ist die Antwort auf die Frage, was genau vorgefallen ist, schon auf dem Weg hierher. Und alles andere müssen wir danach entscheiden“, er langte mit der Gabel nach der Sahne auf ihrem Teller und nahm sich ein wenig davon. „Also, schau nicht so miesepetrig drein und iss deinen Kuchen. Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass er vorzüglich ist?“ Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis eine Brieftaube mit einer Nachricht bei ihnen eintrudelte die ihnen einen Ort in Amberwel Falls nannte. Natürlich hatten sie sich sofort auf den Weg gemacht – zu Fuß, denn Sarad war nicht mit seinem Automobil gekommen. Glücklicherweise hatten sie es nicht sonderlich weit, lagen die Koordinaten doch im Sommerviertel der Stadt. Marisol wusste, dass ihr die Ortsangabe etwas sagte, kam aber beim besten Willen nicht darauf, was. Als sie sich jedoch immer weiter näherten, formte sich ein Verdacht, der sich immer weiter verhärtete. „Du …“, meinte sie plötzlich, weil sie den Drang verspürte, sich Sarad mitzuteilen. „Ich glaube, es sind die Apfelplantagen.“ Sarad blieb stehen und sah sie an. „Was?“, fragte er. „Ich glaube, wir sind auf dem Weg zu den Apfelplantagen.“ Amberwel Falls hatte sich auf die Herstellung von allen möglichen Produkten spezialisiert, deren Hauptbestandteil Äpfel waren. So gab es jedes Jahr ein Apfelkuchenfest, das auch viele Menschen von außerhalb anlockte. Aber auch Apfelwein und Apfelsaft wurden hier hergestellt. In beiden von ihnen regte sich eine leise Befürchtung, die sich bestätigte, als sie um die nächste Kurve bogen. „Ach du heilige Scheiße“, stieß Marisol aus. Sarad währenddessen starrte fassungslos auf das Feld – oder bessergesagt auf das, was davon noch übrig war –Marisol hatte das Gefühl, dass sie gleich jemandem an die Kehle springen würde. Ja, manchmal waren ihre zwei jüngeren Geschwister etwas übermütig, ja, sie übertrieben es auch manchmal mit dem Ausmaß ihrer Streitereien. Dieses Mal jedoch hatten sie eine Grenze überschritten. Nur noch vereinzelt ragten Apfelbäume in die Höhe, vielen von ihnen fehlten Äste oder sie waren ganz entwurzelt worden. Doch auch die Bäume, die dem offensichtlich über das Feld gewehten Sturm widerstanden hatten, waren nicht mehr zu retten, denn auch die Stärksten konnten einer so intensiven Kälte, wie sie hier geherrscht haben musste, nichts entgegensetzen. Auf einigen Stämmen konnte Marisol sogar noch einzelne Eisblumen erkennen. „Ich kann verstehen, warum der Disziplinarausschuss hinter ihnen her ist“, murmelte Sarad. Marisol nickte. Der Ausfall der Ernte von diesem Feld würde Amberwel Falls eine beachtliche Summe Geld kosten. Gleichzeitig fragte sie sich, wie sie dieses Malheur denn jetzt bitteschön wieder gradebiegen konnten. Ein gutes Wort würde in jedem Fall nicht reichen. Sie merkte, wie Panik ihr die Luft zu nehmen schien. Marisol raufte sich die Haare. „Was machen wir denn jetzt?“, fragte sie hysterisch. „Wenn wir das nicht wieder gutmachen können … und der Jahreszeitenwechsel steht auch an. Ich werde kein Auge zu tun.“ „Mari“, sagte Sarad beschwörend, was sie kurz innehalten ließ. Die Kurzform ihres Namens benutzte er nur in ganz besonderen Situationen. „Einatmen und ausatmen nicht vergessen.“ Sie tat wie geheißen, und als sie sich auf ihre Atmung konzentrierte merkte sie, dass sie kurz vor dem Hyperventilieren gestanden hatte. Sie sackte ein wenig in sich zusammen. So viel Stress auf einmal konnte unmöglich gut sein. Sarad nahm ihre Hände in die seinen. „Wir kriegen das schon wieder hin“, sagte er. „Wir haben das bis jetzt immer wieder hinbekommen.“ Sie nickte, atmete einmal tief durch. Sarad lächelte. „So gefällt mir das schon viel besser“, stellte er fest. „Und jetzt werden wir uns unsere Geschwister der Reihe nach vornehmen und ihnen klar machen, dass es da etwas gibt, was sie wieder gutmachen müssen.“ Er kratzte sich am Kinn. „So, mit wem von den beiden wollen wir denn anfangen?“ Letztendlich hatten sie sich dazu entschieden, den ersten Zwischenstopp bei Yule einzulegen – schlicht und ergreifend, weil er näher an ihrem Ausgangspunkt wohnte. Marisol fröstelte es und sie schlang die Arme um ihren Oberkörper. Um Yules Behausung – anders konnte man die alte Hütte, in der er wohnte, nicht bezeichnen – war es immer ein wenig kälter als im Rest der Stadt, was darin geendet hatte, dass in direkter Nähe zu seinem Domizil wenige andere Menschen wohnten. Aber ihm schien das nichts auszumachen, er mochte die Einsamkeit. Tatsächlich trafen sie ihren Bruder an, dieser saß auf der Holzbank, die er neben seiner Haustür aufgestellt hatte, um eventuellen Besuchern die oft anfallenden Wartezeiten angenehmer zu gestalten. Yule mochte ausladende Spaziergänge, wenn man also nicht ankündigte, dass man vorbeikam, war es nicht ungewöhnlich ihn nicht anzutreffen. Doch so erfreut die beiden darüber waren, die Angelegenheit direkt zur Sprache bringen zu können, so wenig erfreut war ihr jüngerer Bruder sie zu sehen. „Ich versteh euch nicht“, maulte er. „Wenn die Kleine und ich uns in die Haare kriegen, lasst ihr uns normalerweise doch auch in Ruhe. Ich meine …“ „Normalerweise nehmt ihr aber auch keine ganzen Apfelplantagen auseinander“, unterbrach Marisol ihn unwirsch. „Sarad und ich sind nicht eure Erziehungsberechtigten, wir müssen euch nicht jedes Mal hinterherrennen, wenn ihr eure Angelegenheiten wieder nicht wie Erwachsene regeln könnt. Aber da euch dieses Mal wohl unsere Stadtführung im Nacken sitzt …“ Yule kommentierte diese Aussage mit einem entnervten Seufzen. „Das wisst ihr also auch schon“, grummelte er und zuckte mit den Schultern. „Vesna ist sowieso wieder schuld. Wenn die sich mal im Griff hätte, wäre das alles ganz harmlos.“ Sowohl Sarad als auch Marisol beschlossen, diese Aussage unkommentiert zu lassen. Yule seufzte erneut und zog einen Schmollmund. Das hatte er schon immer gut gekonnt, schon als kleines Kind. „Und jetzt?“, fragte er letztendlich. „Ich wette, ihr habt Wichtigeres zu tun, mit dem Jahreszeitenwechsel und so …“ Marisol richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und wollte gerade zu einer weiteren Standpauke ansetzen, doch Sarad hielt sie zurück. „Genau deshalb werden Vesna und du die Sache auch schnellstmöglich klären“, erklärte er. „Damit Marisol und ich ruhige Nächte haben. Willst du direkt zu ihr mitkommen? Den Disziplinarausschuss milde zu stimmen wird sicher die schwierigere Aufgabe.“ Yule sah tatsächlich so aus, als würde er einen Moment überlegen. „Muss das wirklich sein?“, fragte er. Marisol und Sarad nickten synchron. Yule erhob sich und strich den grauen Anzug glatt, den er heute Morgen als einziges sauberes Kleidungsstück in seinem Schrank gefunden hatte. Im Gegensatz zu seinen Geschwistern kam er sich viel zu feierlich angezogen vor. Ihm kam eine Idee. „Kann ich denn in sicherer Entfernung warten während ihr herausfindet, ob ich mich Vesna gefahrlos nähern kann?“ Sie hatten sich tatsächlich dazu überreden lassen, Yule nicht sofort mit seiner Schwester zu konfrontieren. Marisol war immer noch darüber erstaunt, dass sie es zugelassen hatte, dass Yule nun hinter einem Gestrüpp in der Nähe von Vesnas Haustür hockte und darauf wartete, dass sie ihm grünes Licht gaben. „Wir sind einfach zu nachsichtig mit ihm“, hatte Sarad ihr geantwortet, als sie die Frage gestellt hatte. Yule hatte diese Aussage mit einem „Ich höre euch übrigens“ kommentiert, was sie allerdings beide – wieder einmal – ignoriert hatten. Wenn er diese Sache wieder geradegebogen hatte, würde er vielleicht wieder etwas zu melden haben. „Und weiter geht’s“, seufzte Sarad. Marisol klopfte. Kurze Zeit später wurde die Tür geöffnet und sie standen ihrer jüngsten Schwester gegenüber. Vesna setzte dazu an, ihrer Schwester um den Hals zu fallen wie sie es sonst immer tat, aber als sie ihren Gesichtsausdruck sah, brach sie diesen Versuch direkt ab. Sie seufzte. „Es geht um die, ähm, die Sache, oder?“, fragte sie eindeutig kleinlaut. „Ich habe mir schon gedacht, dass ihr kommt.“ Sie bat ihre zwei Geschwister darum einzutreten und platzierte sie im Wohnzimmer. Sie verschwand kurz in ihrer Küche und tauchte kurz darauf mit Kaffee und passenden Tassen wieder auf. „Ich würde euch ja Tee anbieten, aber bei deinem letzten Besuch habe ich die Reste des Kürbistees, den du mir gegeben hast, aufgebraucht“, entschuldigte sie sich dafür, dass ihre Gäste ohne ihr Lieblingsgetränk auskommen mussten. Vesna ließ sich auf einem bequem aussehenden Ohrensessel nieder, der sich aufgrund seines Orangetons mit ihrem grünen Kleid biss, und schaute ihre Besucher an. „Ich weiß, wir waren etwas heftig dieses Mal“, begann sie, was ihr ein Schnauben von Marisol einbrachte. „Okay, okay, etwas heftig trifft es wohl nicht. Aber es ist einfach zum Mäuse melken mit ihm!“ Marisol schwor sich, sollte jetzt wieder die Geschichte mit dem zerstörten Stofftier von anno-sonst-was ausgegraben werden, dann würde sie Vesna die Leviten lesen. Ihre jüngste Schwester war zwar dafür bekannt, dass sie extrem nachtragend war, aber irgendwann war es auch einmal gut. „Seid ihr schon bei Yule gewesen?“, fragte sie. Marisol und Sarad nickten. „Er hat sicher erzählt, ich hätte angefangen“, erboste sie sich. „Dabei war er es, der wieder mal nur mein Unglück im Sinn hatte!“ Sie deutete nach draußen in ihren Garten, den man von ihren Plätzen aus einsehen konnte. „Seht ihr das Beet da? Das, wo noch so ein paar einzelne Stängelchen aus dem Boden ragen? Da standen mal Sonnenblumen. Und was für welche, hach, da wärst selbst du neidisch geworden, Schwesterherz! Aber nein, mein Bruder konnte mir das mal wieder nicht gönnen, also hat er ein wenig Frost herübergeschickt, der meine Blumen, und zwar genau nur diese Blumen da, kaputt gemacht hat.“ Sie ballte die Fäuste und schmollte. „Nichts gönnt mir dieser schreckliche Spielverderber. Und dann … nun ja, ich bin halt zu ihm um ihn zur Rede zu stellen. Aber er hat mich nur ausgelacht und gemeint, er hätte nichts damit zu tun. Vielleicht wären meine Sonnenblumen ja von irgendwas befallen gewesen, das sie zerstört hat. Dabei hab ich ihm an der Nasenspitze angesehen, dass er da seine Finger mit im Spiel hatte.“ Sie gestikulierte wild herum. „Und dann kam eines zum anderen, wir haben angefangen uns zu streiten, wie sonst auch immer, und irgendwie sind wir dann bei dieser Apfelbaumplantage gelandet … Und da ist dann alles aus dem Ruder gelaufen.“ Plötzlich sprang sie auf um zu ihrer Kommode zu laufen und kehrte mit einem sehr offiziell aussehenden Brief zurück. „Und heute Morgen ist mir dann der Brief hier ins Haus geflattert. Vom Disziplinarausschuss für Wetterangelegenheiten. Wann haben die den eigentlich das letzte Mal einberufen?“ Betretenes Schweigen füllte den Raum, keiner von ihnen konnte sich daran erinnern, dass es in ihrer Amtszeit oder der ihrer Eltern je vorgekommen war. „Wie dem auch sei“, setzte Sarad an. „Deshalb sind wir ja hier. Ihr solltet euch zusammen eine Strategie-“ Vesna unterbrach ihn. „Ihr? Du meinst also Yule und ich?“, sie schnaubte, „Als ob er sich mit mir an einen Tisch setzen würde. Ihr wärt doch sicher mit ihm hier aufgetaucht …“ Sie verstummte. „Er ist hier, oder? Sagt mir bitte nicht, dass er irgendwo mit Sicherheitsabstand sitzt und darauf wartet, dass ihr ihm sagt, dass er kommen kann.“ Das Schulterzucken von Marisol war für sie Antwort genug. Sie stöhnte entnervt auf. „Jetzt komme ich mir wirklich vor wie im Kindergarten. Holt ihn schon rein, je schneller wir es hinter uns bringen desto besser.“ Sarad entschuldigte sich, um Yule einzusammeln, und ließ die beiden Schwestern allein. Mehrfach sah es so aus, als wollte Vesna dazu ansetzen etwas zu sagen, sie schien jedoch jedes Mal der Mut zu verlassen. Das Geräusch der sich schließenden Eingangstür sorgte dafür, dass ihre Körperhaltung angespannter wurde. „Ich hoffe doch, dass nach deinem Besuch hier noch alles an seinem rechten Platz steht“, begrüßte sie ihren Bruder. Dieser sah sie ungerührt an. „Was für ein gelungener Auftakt für dieses Gespräch, wirklich.“ Er wandte sich an Sarad, der inzwischen wieder Platz genommen hatte. „Das versteht ihr also unter freundlich gesinnt?“ „Darum geht es hier gar nicht, also lass es ruhen“, übernahm Marisol das Kommando. „Wir sind hier, damit wir diese sehr unangenehme Sache schnellstmöglich regeln können. Yule, setz dich, Vesna, könntest du bitte noch ein Teegedeck holen?“ Nachdem auch diese Vorbereitungen getroffen waren, breitete sich Stille im Raum aus. Yule hielt es irgendwann nicht mehr aus und fragte: „Ja, und was machen wir jetzt?“ „Wir überlegen uns, wie ihr den Verlust einer Apfelplantage wieder gutmachen könnt“, antwortete Sarad ganz sachlich. „Oh, gut“, gab Yule zurück, sein Tonfall sarkastisch. „Und ich hatte schon gedacht, wir sollen jetzt ganz Streitschlichtermäßig hier unseren jeweiligen Standpunkt aufzeigen und uns am Ende heulend in die Arme fallen und verzeihen.“ Dass er während seiner doch relativ kurzen Wartezeit schon eine sehr unterhaltsame Art der Wiedergabe entwickelt hatte, verschwieg er. Seine Geschwister würden es ihm jahrelang vorhalten. „Hätte ich ein solches Gespräch gewollt, hätte ich mir eine neutrale Person gesucht“, meinte Marisol in diesem Moment. „Nein, obwohl es wirklich nett wäre, wenn ihr euch vertragen könntet, da hege ich schon lange keine großen Hoffnungen mehr. Aber ich hoffe doch, ihr seid in der Lage euch zumindest so zusammenzureißen, dass ihr an diesem Problem zusammenarbeiten könnt.“ Sarad nickte zustimmend und fügte hinzu: „Also mich würde ja erst einmal interessieren, wie ihr es geschafft habt, solche Zerstörung anzurichten. Ich meine-“, er brach ab und schüttelte den Kopf. Plötzlich sahen Marisol und er sich mit zwei bedröppelt dreinblickenden Wettermachern konfrontiert. „Ähm, ja, also“, begann Yule wurde dann aber von Vesna unterbrochen. „Wir haben da ein wenig auf unsere … Wettermachereigenschaften zurückgegriffen. Und Windböen und Frostwellen sind glaube ich nicht so der beste Umgang für Apfelbäume.“ Marisol war versucht, sich mit der Hand vor die Stirn zu schlagen. Mit dem Beruf des Wettermachers gingen gewisse Fähigkeiten einher, die man bei Antritt des Amtes erlernte. Dazu gehörte eine gewisse Kontrolle über bestimmte Wetterphänomene. Eigentlich wurden diese Fähigkeiten nur in äußersten Notfällen eingesetzt – beispielsweise als ihre Wärmemaschine kaputt gewesen war, da hatte sie ja nicht die Temperaturen ins Unermessliche fallen lassen können. „Das kommt auf die Liste der Dinge, die ihr vorschlagen werdet“, sagte sie bestimmt. „Ihr werdet davon absehen, bei euren Konfrontationen auf diese Kräfte zurückzugreifen.“ Sie hoffte wirklich, dass der Disziplinarausschuss es gutheißen würde, wenn die beiden Vorschläge brachten, wie sie einer solchen Situation das nächste Mal entgehen konnten. Doch das war nicht das Hauptproblem, viel wichtiger war eine Strategie, um mit der jetzigen Situation umzugehen. Nachdem sie noch ein wenig mehr geschwiegen hatten, war es schließlich Yule, der den ersten Vorschlag unterbreitete. „Wir könnten übrigens Entschädigungszahlungen leisten – Geld ist immer gut“, meinte er leichthin. Marisol nickte anerkennend. Das konnte tatsächlich schon einmal ein Ausgangspunkt sein. Gut, dass sie alle Vier dank ihres Amtes aber auch dank der Hinterlassenschaften ihrer Eltern in der Lage waren, solche Versprechen auch in die Tat umzusetzen. Sie fachsimpelten noch ein wenig weiter, kamen zwischendurch auch noch zur Vermeidung solcher Vorkommnisse zurück, aber am Ende hatten sie eine ganze Seite an Vorschlägen, welche die beiden bei ihrer Anhörung anbringen konnten. Unter anderem hatten es Versprechungen von apfelfreundlichem Wetter – ein Kompromiss, der natürlich dann auch von Marisol mit unterstützt werden musste, immerhin war ihre Schicht mit von diesem Plan betroffen -, ein Hilfsangebot für den Fall, dass es an helfenden Händen knapp wurde und persönliche Wetterwünsche für bestimmte Tage im nächsten Jahr auf die Liste geschafft. Sarad und Marisol verabschiedeten sich mit dem Versprechen – oder, wie Yule es bezeichnete, mit der Drohung – am Anhörungstag anwesend zu sein. Ihr jüngerer Bruder war, sobald Marisol ihm das Okay gegeben hatte, mit einem „Macht’s gut, danke für den Kaffee“ aus Vesnas Haus verschwunden. Die Zwillinge hingegen machten sich gemeinsam auf den Rückweg. „Ich hoffe wirklich, dass das gut geht“, seufzte Marisol als sie sich verabschiedeten. Sarad lächelte. „Einfach immer positiv denken, Schwesterherz.“ „Ja“, dachte sie bei sich, als sie an diesem Abend ins Bett fiel, „das werde ich wohl versuchen müssen.“ Der Tag der Schlüsselübergabe war sonnig und versprach auch so zu bleiben. Marisol zupfte noch einmal an den Bändchen herum, die ihre meeresblaue Zeremonienrobe festschnürten. Sie liebte das Gefühl des weichen, bequemen Stoffes auf ihrer Haut, obwohl sie nur zwei Mal im Jahr in den Genuss kam, dieses Kleidungsstück zu tragen. Sie betrachtete sich im Spiegel. Die alte Robe ihrer Mutter war schon immer ein wenig zu lang für sie gewesen, sodass sie einen Teil des Stoffs wie eine Schleppe hinter sich herzog. Dank der Tatsache, dass man sie schnüren konnte, saß sie allerdings trotzdem gut. Ihr Blick fiel auf den kleinen, silbernen Schlüssel in ihrer Hand. Früher war er tatsächlich wichtig gewesen, hatte er damals doch die Maschinen der Wettermacher erst in Gang gesetzt. Doch mit der Entwicklung der Technik war er überflüssig geworden, sodass seine Übergabe inzwischen nur noch einen symbolischen Charakter hatte. Ihre Finger schlossen sich um den kleinen Gegenstand. Heute würde also ihr Urlaub beginnen. Es war ein schöner Gedanke, ein wenig Ruhe und Entspannung konnte sie nun gut gebrauchen. Sie drückte die Schultern durch und drehte sich zu ihrer Haustür. „Dann wollen wir mal“, sagte sie leise zu sich. Es war ein ganzes Stück Weg bis zu den Wasserfällen, die der Stadt ihren Namen gegeben hatten. Dort, auf der kleinen Insel, die den großen Strom in zwei sich die Felsen herunterstürzende Arme teilte, war ihr Ziel. Der Weg ließ ihr Zeit, sich die Geschehnisse der letzten Woche noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Ihre Stadtführung war wirklich nicht darüber begeistert gewesen, dass sie potentiellen Kunden würden absagen müssen, schienen aber schon milder gestimmt gewesen zu sein, als Vesna und Yule nicht nur gemeinsam, sondern auch noch mit einem Wiedergutmachungskonzept bei ihrer Anhörung aufgetaucht waren. Sie würden nicht nur gewisse Kompensationszahlungen leisten und bei weiteren Konfrontationen auf den Gebrauch ihrer Wettermachereigenschaften verzichten, sondern auch dabei helfen die von ihnen zerstörte Apfelplantage wieder neu aufzubauen. Natürlich hatten die beiden, direkt nachdem sie das Justizgebäude verlassen hatten, angefangen, sich wieder gegenseitig mit bissigen Kommentaren zu bedenken. Marisol hoffte jedoch, dass sie aus dieser für sie doch noch glimpflich ausgegangenen Situation lernen würden. Geschwister sollten sich nicht streiten, wie Vesna und Yule es taten. Aber sie rechnete nicht mit einer Änderung. Dafür waren beide zu stolz, den ersten Schritt zu tun. Die Steinbrücke, die von ihrem Ausgangspunkt zur Insel führte, tauchte in ihrem Sichtfeld auf. So wie sie ihren Bruder kannte, wartete er schon auf sie. Und tatsächlich, als sie den Übergang erreichte und der Blick auf ihren Treffpunkt ungehindert war, konnte sie ihn sehen. Das Herbstrot seiner weit fallenden Robe schien in jedem Jahr mehr zu leuchten, sie nahm sich vor zu fragen, wie genau er das anstellte. Ihre Schritte wurden langsamer, als sie sich ihm immer weiter näherte, das Tosen der Wassermassen erinnerte sie daran, dass es nun langsam auf das Ende zuging. Zumindest für dieses Jahr. Dann standen sie sich gegenüber, schwiegen sich an. Sie hielt den silbernen Schlüssel in den Fingern und wollte ihn doch gar nicht so recht abgeben. Ihr Schichtende erfüllte sie immer mit ein wenig Wehmut. Behutsam nahm er ihr den silbernen Schlüssel aus der Hand. „Danke“, sagte er, sie erwiderte beinahe automatisch: „Immer wieder gern.“ Sarad lächelte sie an. „Gönn dir eine Pause, du hast sie dir verdient.“ Marisol nickte. Ja, genau das hatte sie vor. Sich eine Pause gönnen. Abseits von ihren streitenden Geschwistern, immerhin begannen jetzt die einzigen vier Wochen des Jahres, in denen sie die Amberwel Falls verlassen konnte, ohne vorher eine extra Genehmigung einholen zu müssen, denn die Vorbereitungen für ihre nächste Schicht mussten frühzeitig in Angriff genommen werden. Neue Wetterpläne mussten erstellt, abgesegnet oder überarbeitet werden. Es war jedes Jahr ein erneuter Akt der Kreativität, schließlich wollte sie nicht immer dasselbe Programm bieten. Das Leben in ihrer Position war nicht einfach, aber das hatten sie von Anfang an gewusst. Für Sarad begann nun die arbeitsreiche Zeit des Jahres. Sie würde mit seiner Rückkehr von dieser kleinen Insel beginnen, immerhin hatte es Tradition, dass der Schlüsselempfänger von den Stadtbewohnern zu seinem Domizil begleitet wurde. Sie würde einen ruhigen Heimweg haben, sich ihre gepackten Koffer schnappen und dann ein wenig herumreisen. Marisol lächelte ihren Bruder an. „Dann mache ich mich jetzt aus dem Staub.“ Er nickte. Als sie sich schon halb umgedreht hatte, hielt er sie an ihrem Ärmel fest. „Aber zu meinem Geburtstag bist du wieder da, oder?“, fragte er. „Ich bestehe auf einen Kuchen von dir.“ Sie konnte ein Glucksen nicht unterdrücken. „Was denkst du denn?“, stellte sie ihm eine Gegenfrage. „Natürlich sehen wir uns dann.“ Dann machte sie sich endgültig auf den Weg. Als sie kurze Zeit später die Stadttore passierte, fielen die ersten Blätter von den Bäumen. Es war kein Laubregen so wie letztes Jahr, aber diese einzelnen Boten waren auch so schon ein deutliches Zeichen. Der Sommer war zu Ende, und mit Sarads Rückkehr zu seiner Arbeitsstätte würde der Herbst beginnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)