Days and nights in the jungle von Yami-Bastat (One Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Der Tempel des Friedens ---------------------------------- Der Tempel des Friedens Baghira, ein Junge von vier Jahren, stand hinter seinem Vater, die kleinen Hände in den Saum von dessen Mantel gekrallt. Sein Vater sah mit einem sanften Lächeln zu ihm und legte eine Hand auf das ebenfalls schwarze Haar. »Hast du Angst, Baghira?« Sein Sohn antwortete nicht, sondern zog an seinem Mantel. »Lass und wieder gehen, Papa. Ich will nach Hause.« »Das wirst du noch. Aber nicht heute oder in nächster Zeit«, der Mann seufzte, löste die Kinderhände aus dem Stoff und ging vor dem Jungen in die Knie. »Wir haben doch darüber geredet. Du bist alt genug. Ich war im selben Alter, als ich in den Tempel kam. Du möchtest doch alles tun, um unserem Volk zu dienen, nicht wahr?« Baghira nickte augenblicklich, sein Blick blieb aber nach wie vor auf die teils kaputten Fließen unter ihren Füßen gerichtet. »Aber hier ist alles so fremd, alt und kaputt.« »Mein kleiner Baghira … dein Leben hat erst begonnen. Du wirst noch vieles sehen und treffen, dass dir fremd ist. Du bist als Neugeborenes in diese Welt gekommen, völlig fremd und hast alles spielend und voller Vertrauen gelernt. Und Alter kann auch etwas Gutes sein. Im Alter liegen Erfahrung, Weißheit und Stärke.« »Aber es ist hier so kaputt«, jammerte der Junge erneut und sah seinen Vater flehend an. »Kaputt ja. Aber das ist nur das Äußere. Was habe ich dir dazu gesagt?« Baghira seufzte. »Das Äußere kann trügen. Es kommt auf das Innere an.« Sein Vater lächelte stolz und nahm seine Hand. »Komm. Schau es dir an. Es wird dir gefallen.« Der Junge nickte. Er wusste, er hatte keine Wahl. Das hatten ihm seine Eltern erklärt. Das tat er zum Wohle des Reiches. Das war seine Pflicht als Prinz. Zusammen gingen sie weiter zum Tempeleingang. Das Tempelgelände – oder eher die Überreste davon – lagen tief im Dschungel auf einer Anhöhe, die man mit Hilfe von einer langen Treppe besteigen konnte. Weiter unten befand sich ein kleines Dorf, dass dem einzigen Bewohner des Tempels für dessen Segen ab und an Nahrung und Kleidung brachte. Baghira war an diesem Ort um von diesem Priester, der wie sie dem Glauben nach der Essenz alles Lebens angehörte, mit anderen Kindern erzogen zu werden. Ihre Ausbildung würde jenen Glauben, Diplomatie, Kriegsführung, Kampfkunst, Sprachen, Mathematik, Philosophie und andere Dinge, die er nur aus den Gesprächen mit seinem Vater kannte. Das Eingangstor des Tempels, sowie die Mauern wirkten noch recht stabil, aber der Dschungel hatte bereits wieder das Gestein mit Ranken und anderen Pflanzen erobert. Dennoch sah Baghira deutlich die Symbole in dem Stein und die Überreste von Tierstatuen, die rechts und links aufgestellt worden waren. Aber im Gegensatz zu der Mauer waren sie frei von Blattwerk, auch wenn sie schon etwas mitgenommen vom Dschungelwetter wirkten. Es waren die Statuen der Herrschertiere. Die größte Statue bildete rechts den Anfang. Es war ein Elefant, der im Gegensatz zu seinen echten Artgenossen, mickrig wirkte. Ihm Gegenüber stand ein Affe, der sich mit den Vorderbeinen auf den Boden aufstützte und zu grinsen schien. Neben diesen stand ein breit gebauter Bär. Ein völliger Gegensatz zu der zusammen gerollten Schlange vor diesem. Sie gingen zwischen den Abbilder der Herrscherhäuser hindurch und bei dem Anblick der letzten beiden, machte sein Herz einen Sprung. Links stand majestätisch ein Tiger, den Blick auf eine kaum kleinere Raubkatze gerichtet. Der Stein dieser war dunkler als die der anderen, beinahe schwarz und das erfüllte ihn mit Stolz. Sie waren etwas Besonderes. Sie waren die seltenen schwarzen Panther. Doch der Stolz verschwand plötzlich und wurde von einer eisigen Unruhe ergriffen. Eine hohe, schmale Gestalt, gehüllt in dunklen Tüchern kam ihnen mit schnellen Schritten entgegen. Baghira blieb erschrocken über das plötzliche Auftauchen des Fremden stehen. Er sah eine Hand, weiß und schmal wie Knochen und einen dünnen, freien Spalt von Tüchern im oberen Gesichtsbereich. Kalte, umbarmherzige Augen von einem hellen Grün richteten sich erst auf den Jungen und wanderten dann zu seinem Vater. Dieser war stehen geblieben und neigte grüßend den Kopf. Auch die Gestalt grüßte, aber bei ihr wirkte es auf den Jungen wie nachgeahmt- ungelenk und steif. Und dann eilte der Fremde auch bereits weiter an ihnen vorbei. »Wer war das?«, fragte Baghira leise, um sicher zu gehen, dass die gruselige Gestalt sie nicht hörte. »Das war die Herrin der Schamanen. Sie ist das Oberhaupt, der Häuptling der Schlangen. Eine gefährliche und schreckliche Frau. Ihr Sohn ist ebenfalls hier. Sie wird ihn gerade gebracht haben.« »Aber sie ist ohne Schutz unterwegs. Und unsere Soldaten warten unten.« »Ich sagte doch, Baghira, sie ist gefährlich. Du kennst doch die Geschichten über ihr Volk. Es wird nicht alles wahr sein, aber bei dieser Frau könnte man es glauben. Also sei auch bei ihrem Nachwuchs vorsichtig. Die Schlangen sind klug und hinterlistig. Waffen, die oft stärker sind als die Zauberkräfte, die man ihnen nach sagt.« Baghira nickte und versuchte daran zu denken, an alles zu denken, wenn er den anderen Herrscherkindern begegnen würde. Sie durchschritten das Portal und gelangten in einen weitläufigen Hof. Um sie herum gab es nur Mauern und den Gebäudekomplex. Auch der Rest des Tempels wirkte teils zerfallen, teils gerade noch bewohnbar. »Hey, du da! Bist du der Panther?«, ein großer Junge lief ihm entgegen. Er hatte dunkle von der Sonne gebräunte Haut, schwarze kurze strubbelige Haare und ein unglaubliches breites Grinsen. Ihm folgte ein Mann, so groß und muskulös, dass Baghiras Vater mindestens zwei Mal in ihn gepasst hatte. Er trug einen goldenen Turban, einen Umhang mit einer Spange in Form eines Bären und des Weiteren nur eine Hose. Die Brust war frei und lediglich eine riesige Narbe schmückte seine Brust. Ein Säbel hing an seinem Gürtel. Und Baghira musste nicht lange darüber nachdenken, wen er da vor sich hatte. Den General und somit Anführer der Bären, sowie wohl seinen Sohn. Der Mächtigste der Bären grüßte sie und zog dann Baghiras Vater in eine herzliche Umarmung, bevor sie einander den Unterarm des anderen als Kriegergruß reichten. »Es ist schon eine Weile her, mein Freund«, die Stimme des Generals war tief und kräftig wie Donner. »Allerdings. Stets ein großes Vergnügen«, erwiderte Baghiras Vater mit einem fröhlichen Lächeln. Seit sie aufgebrochen waren, hatte dieser den König der schwarzen Panther nicht mehr so erleichtert und erfreut gesehen. Er wusste zwar, dass sie in besonders guter Beziehung zu dem kriegerischen Volk des Bärenclans standen, aber er hatte bis dahin nicht begriffen, wie nahe sich die beiden Herrscher stehen mussten. Und als der Sohn des Generals ihn dann einfach – als wäre es das selbstverständlichste der Welt- am Arm packte und mit sich zog, bestärkte das nur seine Vermutung der tiefen Freundschaft ihrer Väter, denn sein sonst so übervorsichtiger wie fürsorglicher Vater zuckte nicht einmal. »Ich bin Balu«, plapperte der Junge, während er Baghira hinter sich herzog, »Ich zeig dir alles und die anderen Kinder der Herrscher. Wir werden sicher gute Freunde. Ich mag Honig am Liebsten. Und du?« »Sahne«, erwiderte er automatisch, immer noch recht überrumpelt von dem Geschehen. Aber das schien dem Jungen Balu nicht aufzufallen. Er zog den Prinzen durch den Tempel bis hin zu einem überdachten Vorsprung. Darunter befanden sich zwei Jungen. Der eine, ein Junge mit orangenem Haar turnte und hüpfte auf einigen Ruinenblöcken herum und grinste sie dabei so dümmlich und breit an, dass Baghira unbewusst aufseufzte. Der andere, mindestens genauso groß wie Balu, aber etwas speckiger im Gesicht und im Bauchbereich, was auch sein Hemd und das Gürteltuch nicht verbergen konnte, hatte blonde Haare, die im Schatten fast genauso grau wirkten, wie seine Haut. Er druckste unsicher beim Anblick der ankommenden Jungen und zog schüchtern an seiner Gürteltuch. Der andere Junge winkte ihnen stattdessen gut gelaunt und rief Balu beim Namen, bevor er von einem Felsblock sprang. »Bringst du uns da denn Panther?« Balu blieb mit Baghira stehen und deutete auf den Prinzen an seiner Seite. »Ganz genau, dass ist…« Er stockte und sah Baghira fragend an. »Ups. Ganz vergessen. Wie heißt du noch mal?« Ein erneutes Seufzen erklang seitens des Prinzen. »Ihr habt mir keine Zeit gelassen, ihn zu nennen«, er verbeugte sich grüßend vor den beiden anderen Herrschersöhnen. »Ich bin Baghira, Kronprinz des mittleren Reiches. Sehr erfreut und auf eine gute Gemeinschaft zwischen uns.« »Auf Freundschaft!«, ergänze Balu überschwänglich und legte Baghira einen Arm um die schmächtigen Schultern, »Und da kannst du diese Höfflichkeiten gleich sein lassen. Wir sind hier unter Gleichgestellten.« Der Bär deutete auf den orangehaarigen Jungen. »Das ist Louie, der zukünftige König aller Affen.« Louie verbeugte sich übertrieben. »Ich bin immer für ein bisschen Spaß zu haben.« Auch der schüchterne Junge, verbeugte sich, aber steifer und nicht so tief. »Ich bin Hati. Sohn des großen Elefanten.« Baghira nickte ihm noch einmal zu, unsicher, was er neben den Höfflichkeitsfloskeln von sich geben sollte und konnte. Abgesehen von einigen Dienstjungen und Kindern der Angestellten, hatte er keinen großen Kontakt zu anderen Kindern gehabt. Und abgesehen von einigen Befehlen war ihm der Umgang mit ihnen verwehrt und untersagt gewesen. Selbst das Ankleiden hatten seine Eltern oder er selbst übernommen. Es galt unter den Dienern des Palastes als unausgesprochenes Verbot den Prinzen zu berühren und die ungewohnte Nähe wie Berührung Balus beunruhigte ihn deswegen. Aber bevor er weiter darüber nachdenken konnte, sah er hinter einer der Säulen eine Bewegung. Eine kleine Gestalt, zierlicher als selbst Baghira und knochig, als hätte sie seit langer Zeit nichts mehr gegessen, lugte mit nervösen Blick hervor. »Oh, wen haben wir denn da?«, fragte Balu ernsthaft erstaunt, »Du warst aber vorhin noch nicht da.« Das Kind hatte wie Baghira lange Haare, die bis weit hinab zu seinen Schultern reichten. Doch seines war nicht von einem seidigen Schimmer. Es war von einem dreckigen Grün, dass Baghira an einer sterbenden Pflanze erinnerte und hing genauso leblos hinab. Das Gesicht war sehr schmal für einen Jungen von so niedrigem Alter und wirkte neben der Leichenblässe viel zu knochig. Das einzige Lebendige waren die Augen. Sie waren von einem leuchtenden und dunklen Grün, als würde man den tiefen Dschungel erblicken. Baghira, der ein feines Gespür besaß, erkannte die Angst und Unsicherheit des Knaben, aber auch die heimtückische Intelligenz und die berechnende Art, wie dieser sie musterte. Für ihn bestand kein Zweifel, dass der Junge der Sohn der Schlangenkönigin war. »Bin Kaa«, nuschelte die Schlange und lächelte schüchtern. Baghira schluckte unsicher. Sein Vater hatte ihn zwar gewarnt, aber der dürre Junge, sah nach keiner Gefahr aus. Aber vielleicht wusste er seine wahre Natur auch zu gut zu verstecken. Baghira würde abwarten und solange sich nett und höfflich verhalten, wie es im diplomatischen Sinn seines Volkes war. »Sind wir nun alle?«, fragte Hati und blickte hin und her. Baghira brauchte nicht lange, um nach zu rechnen. Einer fehlte. Würde der Letzte nicht kommen? Nein, das konnte nicht sein. Schließlich sollten die Erben der Herrscher im Sinne des Friedens zusammen erzogen werden. Der Panther blickte sich um. »Er issst da«, bemerkte Kaa mit niedriger Stimme, »Ich habe ihn vorhin gesssehen. Kam ganz alleine die Treppe hoch. Sssein Vater war nicht dabei. Nur ein paar Sssoldaten.« Balu ließ von Baghira ab und machte einige Schritte auf die Schlange zu. »Ach, und wo ist der Kerl nun? Hält er es nicht für Nötig sich mit uns anderen zu treffen?« Zu Baghiras Verwunderung lag so etwas wie Feindschaft in der Stimme des Bären. Und als er sich warnend zu dem Panther umwandte, wurde sie deutlicher. »Pass ja auf. Er ist vielleicht eine Raubkatze wie du, aber bei Weitem nicht so edel! Mein Herr Vater General sagt, die sind eingebildete Kriegstreiber. Nur dem heiligen Friedensvertrag ist es zu verdanken, dass sie ruhig in ihren Palästen bleiben und sich da das Fell kraulen lassen.« Baghira hob eine Augenbraue. Im Krieg galten die Gewaltliebenden Bären und ihr Volk als besonders blutrünstig und gnadenlos. Sein Vater hatte ihm erzählt, dass die, die sich im Volk des Ostreichs, die sich in Bären verwandeln konnten noch immer das Gesetz der Stärke befolgten. So wurde nach dem Tod eines Herrschers nicht automatisch sein Sohn der nächste Anführer. Der oberste Titel des Generals stand nur dem zu, der nach zahllosen Duellen als der Sieger hervor ging. Tode waren dabei völlig normal und der Wettkampf um den Thron nicht nut bei den Soldaten, sondern auch bei dem Volk sehr beliebt. »Danke für die Warnung. Verzeiht, ich muss meinen Vater verabschieden.« Er verneigte sich und eilte dann zum Eingang des Tempels zurück. Er sah seinen Vater dort auf ihn warten, während der breite Rücken des Bärengenerals die Treppen hinab verschwand. »Vater!« »Na, mein kleiner Baghira, wie sind deine Mitschüler?« »Nett, denke ich«, er hatte ein kleines Lächeln im Gesicht, aber die Sorge und der Schmerz über die Trennung war dennoch deutlich zu lesen. Sein Vater legte ihm eine Hand auf den Kopf. Sie fühlte sich ungewohnt schwer an. »Das schaffst du schon. Du wirst groß und stark werden. Du wirst uns besuchen kommen können und der Meister ist ein guter Lehrer.« Er ging vor seinem Sohn in die Knie und küsste Baghira auf die Stirn. »Ich habe dich lieb.« »Ich dich doch auch, Papa. Ganz doll. Und Mama auch.« »Das weiß sie«, erwiderte der König sanft und küsste seinen Sohn noch einmal schützend. Er musste gehen. Und jeder weitere Moment des Aufschubs würde es nur noch schwerer machen. Baghira wusste alles, was er brauchte, um hier zu Recht zu kommen und würde den Rest noch lernen. Der König erhob sich wieder und bemühte sich den zuversichtlichen Blick und sein warmes Lächeln bei zu behalten, auch wenn in ihm selbst die Tränen hochstiegen. Baghira dagegen konnte und wollte sie nicht zurück halten. Sie flossen wie der Wasserfall, an dem sie auf ihren Hinweg vorbeigekommen waren. Sein Vater seufzte und strich sie fort, aber sofort kullerten die nächsten Tränen über seine Finger. »Du bist bald ein großer, mächtiger Krieger. Denk stets daran, dass wir dich lieben, an dich denken und auf dich bauen. Also lass deine Tränen versiegen und sei stark. Für unsere Familie, für unser Volk und…« »…für unser Reich«, beendete Baghira und holte tief Luft. Tatsächlich konnte er sich sammeln und beruhigen. Er schaffte sogar ein kleines Lächeln. Sein Vater nickte und Stolz spiegelte sich in seinen Augen, bevor er sich erhob und dann das Tempelgelände verließ. Baghira blieb an Ort und Stelle stehen. Er starrte weiter an die Stelle, wo sein Vater hinab gestiegen war und wollte sich gar nicht mehr lösen. Das erste Mal seit seiner Geburt war er von beiden Elternteilen für lange Zeit getrennt. Am Liebsten wäre der Junge nach gerannt, aber die Lehre, die man ihn seit seiner Geburt eingeschärft hatte, ließ ihn verharren. Diese Ausbildung war seine Pflicht. Seine Eltern sollten stolz auf ihn sein. Irgendwann musste er alleine das Reich leiten. Er würde sich nicht ewig hinter seinem Vater verstecken können. »Prinz Baghira«, die fremde Stimme ließ ihn zusammen zucken. Er sah sich irritiert um und sah einen Jungen rechts von ihm auf ihn zukommen. Der Junge musste sich die ganze Zeit über im Schatten eines Vordaches gehandelt haben. Für einen Moment spürte er Verärgerung. Ohne auf sich aufmerksam zu machen, hatte der Junge den intimen und schmerzhaften Abschied von seinem Vater belauscht. Baghira musterte den Fremden, den er für das letzte Mitglied ihrer Runde hielt; den Kronprinzen des südlichen Reiches. Der Junge hatte rote Haare, etwas länger als Balu, doch dafür lagen sie ordentlich an seinem Kopf. Sein Gesicht zeigte nun schon eine gewisse Härte und Kanten, seine Augenbrauen waren markant und die Augen, die darunter lagen funkelten in einem starken Gelb, ganz ähnlich dem Goldton von Baghiras Augen. Als er näher kam, bemerkte Baghira das der andere Junge größer war und bereits breiter von der Statur her um die Schultern wurde. Er trug ein dunkelrotes Hemd mit goldenem Muster und eine schwarze Hose. Aber es war nicht nur seine Kleidung, die hohen Rang, Macht und Arroganz versprach. Seine Haltung war geschmeidig und sicher, aber seinen Kopf trug er mehr als hoch erhoben. Baghira, der noch immer von dem Abschied seines Vaters angegriffen war, schenkte dem Tiger einen verletzten wie zornigen Blick über dessen Frechheit. Aber das ließ den anderen Prinzen unberührt, zumindest konnte Baghira keine Regung in dessen Gesicht erkennen. »Man nennt mich Shir Khan«, der Tiger blieb nicht einmal einen Schritt vor ihm stehen. Baghira spürte, wie er zurück weichen wollte, aber das Gefühl der nassen Träne auf seinen Wangen und seine aufkommende Wut hielten ihn zurück. Er wollte sich keine weiteren Blößen vor dem Prinzen geben. Man hatte ihm erklärt, dass Schwäche zeigen, vor einem anderen Raubtier oder hohen Adligen, ein Weg ins Verderben bedeutete. »Seid mir gegrüßt, Shir Khan«, antwortete Baghira mit angestrengt ruhiger Stimme, » Ihr kennt meinen Namen?« Der Tiger nickte, sein Blick ruhte direkt auf Baghiras Gesicht. »Natürlich. Ich kenne alle Namen der anderen. Auch ihr Alter und vieles über ihre Reiche. Das gehört zu den Aufgaben eines zukünftigen Herrschers. Seine … Verbündete gut zu kennen.« Baghira runzelte die Stirn. Er wusste nicht, was er von ihm halten sollte. Aber bevor er weiter darüber nach denken konnte, hörte er Balu nach ihm rufen. Er schluckte und wollte an Shir Khan vorbei gehen, doch dieser hielt ihn mit einer Armbewegung ab. Irritiert blieb er stehen und er sah zu, wie Shir Khan ein Seidentuch hervor zog. »Bitte. Du willst doch nicht mit den Tränenspuren im Gesicht zu den anderen gehen.« Baghira sah verblüfft von dem Tuch zu dem Tiger. Dann nahm er mit einem leichten Erröten und einem leisen Dank es entgegen und reinigte sein Gesicht. Shir Khan wartete bis er fertig war, dann setzte er sich in Bewegung. »Behalte es.« Baghira wollte widersprechen, doch dann lächelte er und eilte dem Tiger nach. Zusammen kamen sie zu ihren Mitschülern, die Shir Khan zurück haltend grüßten. Baghira fand sich auch schnell von Balu und Louie umringt. Kaa, der Shir Khan scheinbar kannte, gesellte sich zu ihm und Hati nahm einen Platz zwischen ihnen ein. Ein Mann, gekleidet in ein Priesterewandt und einem Gesicht wie zerknittertes Papyrus, stand vor ihnen. Er ging gebeugt, war nur ein wenig größer als Balu und stützte sich auf einen Stock. Er stellte sich nur als ihr »Meister« vor und hatte eine weiche, angenehme Stimme. Seine Augen schien er dagegen kaum zu öffnen und Baghira fragte sich, wie dieser Mann sie im Kampf ausbilden sollte. Der Mann hob grüßend einen Arm. »Willkommen, meine Kinder. Willkommen im Tempel des Friedens.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)