Mädchenherz♥ von Jitsch (Ein unfreiwilliger Geschlechterwechsel für Jûdai und seine Folgen) ================================================================================ Kapitel 5: Mädchen wissen, was sie wollen ----------------------------------------- Ich hatte bis dahin gedacht, dass meine Verwandlung und Johans Verhalten die einzigen seltsamen Vorgänge an der Duel Academia wären, aber auch damit hatte ich mich ganz extrem geirrt. Mir waren ganz einfach in den vergangenen Tagen sämtliche Hinweise auf die vonstattengehenden Vorgänge nicht aufgefallen.   Und so war, als ich endlich bemerkte, was los war, keine Zeit mehr, sich großartig Gedanken zu machen.   Kapitel 5. Mädchen wissen, was sie wollen   Als ich die Augen öffnete, war ich im ersten Moment einfach nur verwirrt. Ich wusste nicht, wo ich war und wie ich da hingekommen war. Das letzte, an das ich mich erinnern konnte war, wie Fubuki seinem Panther Warrior mithilfe der Zauberkarte Weisung des Schicksals ermöglicht hatte, mich direkt anzugreifen und damit meine letzten Lebenspunkte ausgelöscht hatte. Und wo war ich? Ein Blick um mich herum verwirrte mich eher: Rechts von mir lag Fubuki, links ein Ra Yellow Schüler den ich nicht kannte, beide auf Futons und mit Decken über dem Körper. Und neben ihnen, genauso wie vor mir lagen weitere Schüler. Keiner von ihnen bewegte sich. Schliefen sie etwa? Dann ging mir auf, dass wir in der großen Duellhalle im Hauptgebäude waren. Aber was machten wir hier? Und was war mit all den Schülern geschehen? Als ich mich genauer umsetzte, entdeckte ich auch Johan, der neben Manjôme neben mir lag. Bei Johan schaute unter der Decke das Ende der Schleife hervor, die er schon am Vorabend getragen hatte. Ein bisschen weiter weg entdeckte ich auch Shô. Neben ihm hockte Tyranno Kenzan und musterte ihn besorgt. Im Gegensatz zu all den anderen war er offenbar wach. Ich wollte winken, aber mein Arm fühlte sich extrem so schwer an, dass ich die Hand nur wenige Zentimeter über den Boden bekam und sie dann erschöpft zurückfallen ließ. Da musste ich mich ja wundern, wie ich es überhaupt geschafft hatte, mich aufrecht hinzusetzen. Da das nicht funktionierte, rief ich einfach nur: „Hey, Kenzan!“ Meine Stimme war auch weniger laut, als ich beabsichtigt hatte.   Der Angesprochene sah mich und sprang sofort auf. „Frau Ayukawa! Es ist jemand wach geworden!“, rief er und eilte zwischen den am Boden liegenden Duellanten zu mir. Vom anderen Ende der Halle kamen nun auch drei weitere Personen angelaufen. Vorneweg die Schulärztin, Frau Ayukawa, dicht gefolgt von Asuka und Jim, der zur Abwechslung kein Krokodil auf den Rücken geschnallt hatte. „Jûjika-san! Ein Glück“, rief Asuka. Frau Ayukawa hockte sich neben mich, sobald sie mich erreicht hatte und wickelte mir eine Binde um den Arm. „Mach bitte kurz eine Faust“, forderte sie mich auf, während sie sie enger schnallte. Das bekam ich gerade noch hin. „Wie fühlst du dich?“, fragte sie besorgt. „Ziemlich erschöpft“, stellte ich fest. Sie nickte ernst. „Es wundert mich ehrlich gesagt, dass du schon wieder auf den Beinen bist… dein Blutdruck ist auch ganz schön niedrig“, stellte sie fest und machte die Armbinde wieder ab. „Hier“, meinte sie dann und steckte mir etwas in den Mund. Es war süß. Traubenzucker? „Wasch scholl daschallesch hier?“, nuschelte ich, an der Süßigkeit lutschend. „Das fragen wir uns auch“, sagte Asuka. „Alle Schüler hier in der Halle sind gestern direkt nach ihren Duellen auf Amons Party zusammengebrochen. Bei allen ist der Zustand ähnlich wie vorgestern bei Kenzan-kun und Jim-san.“ Ich schluckte den Rest Traubenzucker runter: „Wieso, was war denn mit euch?“, fragte ich Kenzan. „Hat dir das keiner erzählt?“, fragte Kenzan. Ich schüttelte den Kopf. „We haben uns duelliert, weil ich Electromagnetic Waves bemerkt habe, die Karen crazy werden ließen. Deshalb hat sie dich vorgestern attacked“, erklärte Jim. Seine Art, ständig englische Wörter einzustreuen war irgendwie verwirrend, so dass ich nur die Hälfte verstand, aber ich nickte trotzdem nachdenklich. „Also ham wir uns sauriermäßig im Wald duelliert. Und als das Duell zu Ende war, sind wir beide umgekippt“, fügte Kenzan hinzu. „Und das war der Proof, dass es kein Zufall ist, dass immer wieder Students Erschöpfungserscheinungen hatten“, nickte Jim. „Geht das irgendwie verständlicher?“, fragte ich nun doch. Asuka seufzte. „Die Schüler verlieren Energie, wenn sie sich duellieren. Das heißt, jemand klaut ihnen die Energie. Und wir sind uns ziemlich sicher, dass dieser Jemand Professor Cobra ist“, erklärte sie. Das  machte mehr Sinn. „Aber wie klaut man Energie?“, fragte ich. „Weißt du was?“, sagte Asuka und stand auf, „Am besten besprechen wir das beim Frühstück. Du hast bestimmt Hunger.“ Da hatte sie allerdings Recht.   Kurze Zeit später saßen Asuka, Jim, Kenzan und ich um einen Tisch in der Cafeteria. Vor mir lag eine ganze Platte voller Hamburger, bei der ich mich nach und nach bediente. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so einen mordsmäßigen Hunger gehabt zu haben. „Das liegt daran, dass dir Energie fehlt. Die lässt sich am besten durch Kalorienzufuhr wieder aufbauen“, erklärte Asuka. Ich erwähnte nicht, dass ich keine Ahnung hatte was „Kalorien“ waren und aß weiter.   Währenddessen erklärte mir Asuka, hin und wieder unterstützt von den beiden anderen, was sie herausgefunden hatten. Augenscheinlich waren es die Dis-Belts von Professor Cobra, die zum Energieentzug führten, und zwar immer nur nach der Beendigung eines Duells. Ob man verloren oder gewonnen hatte spielte dabei scheinbar keine Rolle. Aber verschiedene Leute waren hinterher verschieden erschöpft: Jim und Kenzan, erzählten mir die beiden, waren nach ihrem Duell ohnmächtig geworden, aber schon wenige Stunden später wieder ansprechbar gewesen. Die meisten Schüler, die es bei der Party erwischt hatte, waren jetzt, knappe zehn Stunden nach den Duellen, immer noch nicht wieder zu sich gekommen. Amon Garam dagegen, der sich am Vorabend außerhalb der Party mit Shô duelliert hatte, hatte sich nach dem Duell sogar noch aus eigener Kraft in sein Zimmer schleppen können, Shô dagegen war wie die anderen Schüler noch lange nicht ansprechbar. „Wir vermuten, dass es damit zu tun hat, wie fit jemand ist“, erklärte Kenzan. Wenn ich mir seine Muskeln so anschaute wunderte es mich nicht, dass er schnell wieder aufgewacht war. „Bei dir hätte ich allerdings nicht damit gerechnet, dass du so bald wieder aufwachst. Die Mädchen, die in den letzten Tagen im Krankenzimmer gelandet sind, haben alle länger gebraucht als ihre männlichen Duellgegner, um wieder fit zu sein. Woher nimmst du die ganze Energie?“, fragte Asuka. Ich zuckte ratlos mit den Achseln und wickelte einen weiteren Burger aus der Verpackung. „Was hast du yesterday gemacht?“, hakte Jim nach. „Den Vormittag hab ich nur im Bett gelegen“, sagte ich zwischen zwei Bissen, „und dann war ich auf der Party… das Buffet war lecker.“ „Verstehe. Du hast viel geschlafen und beim Buffet vor dem Duell viel gegessen, deshalb waren deine Energiereserven voll und du bist jetzt schon fast wieder fit“, nickte Asuka. Ich zuckte mit den Achseln. Mir war eigentlich egal, warum es mir besser ging als den anderen. „Wachen denn die anderen auch bald wieder auf?“, fragte ich. „Das wissen wir nicht“, murmelte Kenzan. „Kommt ganz drauf an“, sagte auch Asuka. Ich seufzte.   „Sag mal, Jûjika-senpai. Kannst du nicht irgendwie Kontakt zu Aniki aufnehmen? Also zu Jûdai?“, fragte Kenzan nun. Ich hielt mitten in der Kaubewegung inne und schluckte den Rest runter, den ich noch im Mund hatte. „Wieso?“ Er lehnte sich in der Sitzbank zurück und starrte an die Decke.  „Dein Bruder ist’nsaurierstarker Typ. Der wüsste bestimmt, was jetzt zu tun ist!“, sagte Kenzan. Asuka nickte. „Ich würde mich auch sicherer fühlen, wenn er hier wäre. Auch, wenn er ein Chaot ist… Irgendwie läuft immer alles gut, wenn er dabei ist.“ Ich musste schlucken. Das mochte ja sein, aber … im Moment lief bei mir gar nichts gut. „Also, I don’t understand wieso ihr so abhängig von Jûdai-boy seid“, mischte sich Jim ein. „I think wir sollten selbst etwas unternehmen. Die Disclosure Duels müssen aufhören!“ Asuka seufzte. „Dann sag mir, was wir tun sollen. Professor Cobra ist unauffindbar und Herr Samejima hat gestern Nachmittag die Schule verlassen, weil er jemanden treffen musste. Es ist niemand da, der die Disclosure Duels offiziell beenden kann.“ „Noch dazu kriegen wir diese Armbänder nicht ab“, sagte Kenzan und ruckelte an dem Dis-Belt an seinem Handgelenk.   Ich stand auf und knüllte das Papier des letzten Hamburgers zusammen. „Ich kümmere mich darum“, sagte ich. Alle drei sahen mich erstaunt an. „Und what willst du machen?“, fragte Jim. Ich sah kurz in die Runde, dann nickte ich entschlossen. „Ich hole Jûdai wieder“, sagte ich. Bevor einer der drei etwas sagen konnte, zog ich mir die unsäglichen Stöckelschuhe aus, raffte mein Kleid hoch und eilte los. „Viel Glück!“, rief mir Kenzan hinterher.   Jûdai wiederzuholen sah für mich so aus, dass ich mir mein Deck wiederholte. Dann musste ich mir nur noch etwas anziehen, in dem man sich besser bewegen konnte und dann würde mir bestimmt irgendwas einfallen, was wir unternehmen konnten.   Herr Chronos und Herr Napoléon standen im Schulleiterbüro, als ich es betrat. „Können Sie nicht anklopfen, Signora!?“, beschwerte sich der blonde Lehrer sofort. „Sorry. Ich brauche mein Deck“, erwiderte ich und ging zielstrebig zum Schreibtisch von Herrn Samejima. Ich wusste noch, in welche Schublade er mein Deck vor einer Woche gesteckt hatte, nachdem er es mir abgenommen hatte. Die Schublade hatte ein Schloss, aber Herr Samejima hatte sie damals nicht abgeschlossen, nachdem er mein Deck hineingelegt hatte und tatsächlich ließ sie sich auch heute direkt aufziehen. „W- was machen Sie denn da?“, rief Herr Napoléon. „Sie können doch nischt einfach an Monsieur Samejimas Unterlagen gehen!“ Das kümmerte mich wenig, aber es gab ein anderes Problem: „Es ist weg!“ „Was ist weg?“, fragte Herr Chronos streng. Ich sah die beiden Lehrer an. „Mein Deck! Herr Samejima hat es in diese Schublade hier gelegt, das weiß ich genau! Aber jetzt liegen da nur noch irgendwelche Mappen drin!“ Chronos runzelte die Stirn. „Signora, Sie müssten mir erst einmal erklären, warum Signor Samejima überhaupt ihr Deck haben soll. Das hier ist doch keine Aufbewahrungsstelle für die Decks von Schülern!“ Ich seufzte. „U- Un moment!“, mischte sich Napoléon ein und stieß mich zur Seite, um die Schublade näher zu betrachten. „Das ist doch die Schüblade, die Monsieur Samejima immer abschließt, wenn er die Schüle verlässt! Wieso ist sie offen?“ „Tja, keine Ahnung. Aber sie war offen“, gab ich zurück. Napoléon kniff die Augen zusammen. „Es sieht so aus, als ’ätte jemand sisch an diese Schloss zu schaffen gemacht.“ „Mamma Mia!“, stieß Chronos aus. „Dann hat jemand mein Deck geklaut!“, rief ich und sprang auf. „Ich bitte Sie. Warum sollte sich jemand für das Deck einer Osiris Red Schülerin interessieren, die neu an der Schule ist und überhaupt noch keine großen Leistungen vorweisen kann?“, winkte Herr Chronos ab. „Mein richtiges Deck!“, rief ich genervt. „Meine E-HERO-Karten! Mein Partner Hane-Kuriboh! Meine NeoSpacians!“ Ich drängelte mich an Napoléon vorbei zur Tür. „Ich muss sie finden!“, verkündete ich und rannte los. „S- Signor Jûdai!?“, rief mir Herr Chronos noch ungläubig hinterher, aber ich reagierte nicht darauf. Ich musste mein Deck finden!   Als ich die Treppe wieder herunter kam, warteten Asuka, Jim und Kenzan dort mit besorgten Mienen auf mich. Jim trug jetzt wieder sein Krokodil auf dem Rücken. „Ist irgendwas passiert?“, fragte ich ein wenig außer Atem, als ich den Fuß der Treppe erreichte. Mir taten auch meine Füße weh, denn barfuß kam ich zwar schneller voran, aber es war auch unangenehmer, gerade auf kaltem Boden. Asuka reichte mir wortlos meine Duel Disk. An dieser klebte ein Zettel, auf dem in etwas ungelenken Schriftzeichen stand: „Ich habe Johan Andersen. Komm zum Baum an der Klippe bei der Osiris Red Unterkunft.“ Eine Unterschrift gab es nicht. Erschrocken sah ich die drei anderen an. „Während wir essen waren, hat sich O’Brien, der Austauschschüler von der West-School, in die Haupthalle geschlichen und ihn mitgenommen. Frau Ayukawa konnte ihn nicht aufhalten“, sagte Asuka. Ich schluckte, dann schaute ich noch einmal auf den Zettel und nickte entschlossen. Was auch immer dieser O’Brien von mir wollte, ich konnte nicht zulassen, dass er Johan irgendwas antat. Als ich mich an Kenzan vorbei drängeln wollte, packte er mich an der Schulter. „Warte, wir kommen mit!“, verkündete er. Ich musste unwillkürlich lächeln. „Danke, Leute.“   Da ich barfuß nicht so schnell vorwärts kam, nahm Kenzan mich schließlich Huckepack und wir eilten zu dem Ort, der auf dem Zettel gestanden hatte. Unweit der Osiris Red Unterkunft, ein paar Schritte in den Wald hinein, gab es einen Baum, der seine Wurzeln genau auf der Klippe geschlagen hatte und nahezu senkrecht über das Wasser hinausragte. Dort konnte man nett sitzen, die Beine baumeln lassen und nach unten schauen, wie das Meer gegen die Klippen rauschte. Auch mit Johan hatte ich das ein paar Mal getan. Der Platz war auch deshalb ideal, weil direkt an der Klippe der Wald etwas zurückgezogen war und man auf dem Rasen zwischen Klippe und Bäumen genug Platz hatte, sich zu duellieren. Austin O’Brien, den ich bisher eigentlich nur gesehen hatte, als die Austauschschüler uns vorgestellt wurden, war ein muskulöser Mann mit dunkler Haut, der vollkommen in Schwarz gekleidet war. Er stand wenige Schritte von dem Baum entfernt. Nachdem mich Kenzan im Gras abgesetzt hatte, entdeckte ich auch Johan. In den Baumstamm war ein Keil gerammt, an dem ein Seil hing. Und das andere Ende dieses Seils war mehrmals um den Oberkörper von Johan gewickelt, der damit mitten in der Luft, dutzende Meter über dem Meeresspiegel, hing. Augenscheinlich war er noch immer bewusstlos, denn sein Kopf lag auf seiner Brust und auch sonst sah er ziemlich schlaff aus. „Was hast du mit Johan angestellt?“, rief ich. O’Brien kam seelenruhig auf mich zu und holte etwas aus der Brusttasche seiner Weste. Instinktiv zuckte ich zurück, doch dann hörte ich eine vertraute Stimme. „Kuri~!“ Verblüfft sah ich auf und entdeckte den Duellgeist Hane-Kuriboh, der freudig auf mich zu schwebte. Was O’Brien in der Hand hatte, war ein Deck, und er hielt es mir entgegen. „Ich will, dass du dich mit mir duellierst. Mit diesem Deck“, sagte er. Zögernd griff ich nach den Karten und fächerte sie auf. Tatsächlich, das war mein Deck! Mein Duellmonster schmiegte sich an mich und rief aufgeregt „Kuri-Kuriri!“. Es war irgendwie beruhigend, ihn wieder bei mir zu haben. „Du hast das Deck aus Herrn Samejimas Büro geklaut?“, fragte ich O’Brien.   Der Entführer machte wieder ein paar Schritte zurück und löste ein gelb lackiertes Gerät von seinem Gürtel, das aussah wie eine Pistole. Als er es an seinen linken Arm schnallte und sich ein Teil davon umklappte, erkannte ich, dass es eine Duel Disk war. „Ich habe niemandem etwas geklaut. Dieses Deck habe ich durch einen Tauschhandel bekommen“, erklärte er lediglich. Ich starrte auf meine Karten, dann wieder zu O’Brien, der ein kleines, graues Gerät gezückt hatte. Es sah aus wie eine Art Fernbedienung. „Wirst du dich duellieren? Du solltest es tun, denn sonst…“ Er drückte einen Knopf auf dem Gerät und ein Sirren erklang aus Johans Richtung. Erst jetzt erkannte ich, dass es nicht einfach nur ein Keil war, an dem er hing. Das Seil war um eine dünne Stelle des runden Stabes gebunden, der rechts und links davon erheblich breiter war. Auf der Seite, die in die Luft ragte, wies dieser Teil außerdem, soweit ich das erkennen konnte, Sägezähne auf, die in Richtung Seil zeigten. Und dieser drehte sich mit irrwitziger Geschwindigkeit, wobei er sich scheinbar, wenn auch ganz langsam, in Richtung Seil bewegte. Über kurz oder lang würden also die Sägezähne das Seil berühren. „Dein Freund hängt an einem Stahlseil. Wie du vielleicht weißt, ist Stahl sehr robust, aber nicht unzerstörbar. Über kurz oder lang wird es also reißen – und Johan Andersen stürzt ins Meer“, erklärte O’Brien. „Oh my God!“, stieß Jim aus. Ich ballte die Fäuste. „Wieso tust du so etwas!?“, rief ich. O’Brien steckte sich die Fernbedienung an den Gürtel. „Ich möchte, dass du dich mit dem Deck, das ich dir gerade gegeben habe, mit mir duellierst. Das sagte ich doch bereits.“ „Tu das nicht, Jûjika-Senpai!“, rief Kenzan aufgeregt. „Der gehört zu Cobra! Wenn du dich jetzt duellierst, klauen sie dir all deine Energie!“ „Aber… Johan…“, gab ich zu bedenken. „Sehr richtig. Wenn dir irgendwas an deinem Freund liegt, solltest du dich duellieren“, erklärte O’Brien. „Are you crazy?!“, mischte sich Jim an meinen Gegner gewandt ein. „Das ist dangerous – auch für dich! Ihr verliert beide eure Energie!“ O’Brien verschränkte die Arme. „Ich bin nur ein Soldat und führe aus, was mir aufgetragen wird. Also, duelliere dich mit mir!“ Ich schluckte und warf einen erneuten Blick zu Johan. Auf einmal erschienen seine Edelstein-Bestien als Duellgeister um ihn herum.   „Lass es sein, Kleiner“, sagte Topaz Tiger. „Johan würde nicht wollen, dass du dich für ihn in Gefahr begibst.“ Ich starrte ihn ungläubig an. „Wollt ihr etwa, dass er stirbt!?“, rief ich. „Wollen wir nicht, aber wenn du dich duellierst, stirbst du vielleicht“, entgegnete Kenzan, der wohl glaubte, ich hätte mit ihm geredet. Ich drehte mich zu den drei anderen um. „Das stimmt“, sagte Asuka ernst. „Auch wenn du gerade wieder fit bist, du hast erst gestern Abend viel Energie verloren. Außerdem glauben wir, dass Cobra kontrollieren kann, ob die abgezweigte Energiemenge groß oder klein ist. Wenn er es will, kann er dir so viel Energie stehlen, dass du einfach tot umfällst.“ Ich schluckte, aber dann zog ich trotzig das Schmetterlingsdeck aus der Halterung der Duel Disk und hielt es Asuka hin. Sie nahm es irritiert entgegen. Ich drehte mich wieder zu O’Brien um und machte mein Heldendeck einsatzbereit. „Ich werde nicht zulassen, dass Johan irgendwas passiert, weil Cobra meine Energie haben will“, verkündete ich und aktivierte meine Duel Disk. „Sehr vernünftig“, sagte O’Brien. Wir beide zogen unsere ersten fünf Karten und starrten uns kampflustig an. „DUELL!!“   „Und jetzt lass Johan frei“, rief ich, während ich meine erste Karte zog. O’Briens Gesicht zeigte keine Gefühlsregung, als er antwortete: „Du musst mich missverstanden haben. Ich sagte nicht, dass er in Sicherheit ist, sobald du einem Duell mit mir zustimmst. Im Gegenteil – du sollst dich unter dem Druck duellieren, dass dein Freund ins Meer stürzt, wenn du dich zu sehr zurückhältst und das Duell in die Länge ziehst.“ „D- das ist sauriermäßig hinterhältig!“, protestierte Kenzan. „Ihr könnt sagen, was ihr wollt. Ich werde meinen Befehlen folgen. Und übrigens – denkt gar nicht daran, Andersen helfen zu wollen. Ich muss nur auf den richtigen Knopf drücken und er stürzt sofort!“ Jim, Asuka und Kenzan machten jeder einen Schritt rückwärts. „Wenn du glaubst, dass du mich so entmutigst, hast du dich aber geirrt!“, rief ich erbost. Aber O’Brien hatte recht – ich durfte keine Zeit verlieren. Also musste ich all meine Aufmerksamkeit auf das Duell richten. Ein Blick auf die ersten sechs Karten, die ich gezogen hatte, sagte mir, dass meine Pechsträhne beim Duellieren vorbei war. So ein gutes Blatt hatte ich aus Johans geliehenem Papillon-Deck nie gezogen. „Ich beschwöre E-HERO NecroDarkman!“, verkündete ich und schickte den roten Skelettkrieger aufs Feld. „Elemental Heroes?“, rief Kenzan verblüfft. Ich ließ mich davon nicht aus der Ruhe bringen. „Als nächstes aktiviere ich die Zauberkarte Tag Request! Sie erlaubt mir, ein Monster von mir auszuwählen und ein zweites zu spezialbeschwören, das dieselbe Anzahl an Angriffspunkten hat. Und ich wähle E-HERO Sparkman!“ In Blitze gehüllt erschien der zweite Held auf meiner Feldseite. „Tatsächlich, das sieht aus wie Jûdai-kuns Deck“, sagte Asuka. „Jetzt aktiviere ich Fusion und verschmelze meine beiden Monster zu E-HERO Dark Brightman!“ Meine Monster sprangen in die Luft, wo sie in einem leuchtenden Strudel verschwanden, dann landete kampfbereit mein neuer Held auf dem Boden. In einem schwarzen, hautengen Anzug, über dem eine ausladende goldene Rüstung prangte. Schwarze Blitze zuckten um ihn herum. „Schön, du gehst gleich aufs Ganze. Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet“, bemerkte O’Brien. „Jetzt spiele ich noch zwei Karten verdeckt und beende meinen Zug!“, rief ich und legte damit meine letzten beiden Handkarten in die Zauber- und Fallenkartenzone. Ich musste jederzeit bereit sein, sie einzusetzen. Nur so würde ich das Duell beenden und Johan retten können.   „Ich bin hier“, rief O’Brien, der bemerkt hatte, dass ich nicht ihn sondern Johan ansah. Der Blauhaarige war immer noch ohnmächtig.   Mein Gegner zog und musterte dann seine Handkarten. Sein Pokerface war perfekt, ich hatte nicht den blassesten Schimmer, ob er etwas Gutes gezogen hatte oder nicht. „Ich aktiviere die permanente Zauberkarte Blaze Cannon“, erklärte er schließlich. Neben ihm erschien eine Art Kanone, die auf drei dünnen Beinen stand. O’Brien erklärte auch sogleich, wie die Karte funktionierte: „Indem ich eine Monsterkarte vom Typ Pyro, die 500 Angriffspunkte oder weniger hat, opfere, kann ich eines deiner Monster zerstören. Allerdings kann ich danach nicht mehr angreifen.“ Er schob eine Karte in seinen Friedhof. „Ich opfere Volcanic Bullet, ein Monster mit 100 Angriffspunkten.“ Ein Monster, das aussah wie ein in Flammen stehender, gepanzerter Wurm, schoss aus dem Friedhof in die Kanone. Diese feuerte augenblicklich einen Feuerstrahl ab, der Dark Brightman direkt in die Brust traf. Mit einem Ächzen löste sich mein Monster auf. Hinter mir konnte ich Asuka erschrocken einatmen hören. Aber ich war vorbereitet: „Jetzt aktiviere ich meine Fallenkarte Elemental Mirage! Sie holt einen E-HERO von mir zurück, wenn er durch einen gegnerischen Effekt auf den Friedhof geschickt wurde!“ Mit einem selbstbewussten „Haa!“ erschien mein Held wieder auf der Bildfläche. So leicht wollte ich es O’Brien ja nun wirklich nicht machen. „Nicht schlecht, aber glaub nicht, dass du jetzt sicher bist“, meinte O’Brien nur und spielte eine Monsterkarte: „Ich beschwöre FireTrooper.“ Ein reptilienartiges Wesen mit einem langen, violetten Mantel erschien. Seine Hände und sein Kopf waren in lodernde Flammen gehüllt. Dieser O’Brien schien das Feuer ja wirklich zu lieben. Hoffentlich würde er sich daran noch die Finger verbrennen! Immerhin hatte sein Monster nur 1000 Angriffspunkte und damit deutlich weniger als Dark Brightman. Außerdem konnte er in diesem Zug ohnehin nicht mehr angreifen.   Natürlich machte O’Brien es dann doch nicht so einfach: „FireTrooper kann, nachdem er beschworen wurde, von mir geopfert werden, um meinem Gegner 1000 Lebenspunkte Schaden zuzufügen“, erklärte er und streckte die Hand aus. „Los, FireTrooper!“ Das Monster grinste. Die Flammen breiten sich aus und hüllten es im nächsten Moment komplett ein. In diesem Zustand sprang es über Dark Brightman hinweg und rammte mich, so dass ich aufschrie und mehrere Schritte nach hinten stolperte. Beinahe wäre ich dabei in dem langen Kleid gestolpert. Meine Lebenspunkte fielen auf 3000.    Sich in einem Kleid zu duellieren, ist übrigens ganz schön unpraktisch. Deshalb habe ich mir in diesem Duell auch geschworen, das nie wieder zu tun.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)