Dear Captain von TrafalgarKidd ================================================================================ Kapitel 1: -----------     Dear Captain.   Mit fast tränenden Augen blickte die junge Navigatorin auf das ganze Gold, das sich vor ihr und der Crew erstreckte. Aber es war nicht das Gold, das sie etwa glücklich machte. Es war ganz und gar nichts, das sie glücklich machte. Nein. Es stimmte sie traurig. Sie hatten das One Piece gefunden. Sie hatten es gefunden. Auch wenn es schwer und der Weg bis dahin ein harter war. Es hatte sich ausgezahlt. Sie waren jetzt angekommen. Angekommen am Ende ihrer Reise – oder zumindest sollte es ihr Ende sein. Aber das wusste keiner. Und keiner würde es erfahren – bis es zu spät war. Aber es war ihre Entscheidung und sie war glücklich mit ihr. Sie war glücklich, die beschützen zu dürfen, die ihr ein Leben in Freiheit ermöglicht hatten. Den Mann zu beschützen, der ihr das Teuerste auf der Welt war. Sie war glücklich. Und in dem Moment, als sie ihren Lohn zu sehen bekamen, war sie auch glücklich. Tief in ihrem Herzen. Aber vor allem war sie traurig. Mit tiefster Trauer erfüllt. Denn nicht nur würde ihr Licht erlöschen, sondern ihre Lichter mit ihr, denn sie würden trauern. Lange trauern. Aber das war der Preis. Der Preis, um Piratenkönig zu sein. Um glücklich zu werden. Um leben zu können. Denn es gab immer einen teuren Preis. Und meist forderte dieser Preis ein Opfer. Ein Leben.   Langsam, ganz langsam wich die Orangehaarige zurück, bis sie an die Wand der Höhle stieß. Die Wand, die ihr Todesurteil unterschrieb. Einen Moment stockte sie. Ließ die Stimmung auf sich einwirken. Es war immer noch teilweise eine gewisse Spannung zu fühlen, aber die Crew entspannte sich mehr und mehr. Genoss das Gold, allein das Gefühl, das Wissen, es endlich geschafft zu haben, war einfach überwältigend. Ruffy schwimmte im Gold, sprang herum, schrie und lachte, umarmte Lysop und Chopper und tauchte mit ihnen wieder in den Bergen unter. Robin lief an der Wand entlang. Schriftzeichen, die nur sie entziffern konnte. Eine lang verlorene, ausgerottete Vergangenheit. Vermutlich war alles auf dieser Wand niedergeschrieben – das Rioporneglyph. Sie sah fasziniert aus. Glücklich. Und fasziniert. Überwältigt sogar. Vermutlich standen dort Dinge, die sie wirklich wissen wollte. Vielleicht war irgendetwas wahr geworden. Und vielleicht erfuhr sie in diesem Moment wirklich die Wahrheit. Auf jeden Fall hatte sie ihren Traum erfüllt. Zorro stand an der Wand, eine viel zu erste Miene zierte sein hartes Gesicht. Wieso war er so ernst? Er war ebenfalls der Stärkste jetzt. Er hatte ebenfalls alles erreicht. Er war der beste Schwertkämpfer, den es gab. Weit und breit. Mihawk war besiegt. Es war nicht einfach gewesen. Ein hartes, aber faires Duell. Und Zorro ging als Sieger aus dem Kampf. Wieso konnte er sich dann nicht entspannen? Instinkt. Ja, Instinkte hielten ihn zurück, sein rationales Denken riet ihm, abzuwarten. Es war zu leicht gewesen. Es waren zu wenige Fallen aufgestellt. Es ging alles viel zu einfach. Leicht lächelnd betrachtete Nami den starken Schwertkämpfer. Wenn du nur wüsstest, wieso es alles so glimpflich ablief, Zorro … Aber vielleicht spürte Zorro mehr. Vielleicht wusste er mehr, als er zugab. Nein. Er konnte nichts wissen. Keiner wusste es. Keiner.   Dear Captain. Ruffy, ich muss dir etwas erzählen. Etwas erzählen, das ich dir schon längst hätte sagen müssen, zu feige aber war, es auszusprechen. Denn … es zieht Konsequenzen mit sich, auf die ich nicht bereit war, die du aber als Piratenkönig tragen müssen wirst. Denn – sie gehören auch dir.   Sanji stand am Rand der Höhle und starrte wie gelähmt auf etwas hinab. Lächelnd wurde mir klar, was es war. –Der All Blue. Oh ja, von oben konnte man sehr gut hinunter sehen. Sehen, wie die vier Strömungen aneinandertrafen und wie sich vier feine Linien im Wasser durchzogen. Und er war sicher, dort würde er alle Meerestiere finden, die er jemals sehen wollte. Oder schmecken. Oder kochen. Auf seinem Gesicht war Zufriedenheit zu sehen. Glück. Frieden. Er hatte es erreicht. Er hatte sein Ziel erreicht. Endlich. Lächelnd glitt ihr Blick weiter zu Brook. Er spielte eine fröhliche Melodie auf seiner Violine und betrachtete die drei Chaosköpfe im vielen Gold. Vielleicht überlegte er, auch mit hineinzuspringen und mit ihnen im Glanz zu schwimmen. Oh, vielleicht tat er das, Nami konnte es an seinem Ausdruck aber nicht ablesen – denn, huh? Er hat ja keinen. Scherz. Haha. Nami musste schmunzeln bei diesem Gedanken. Franky stand an der Wand und beobachtete die Crew. Wie Nami. Er stand ein wenig abseits und lächelte glücklich vor sich hin. Es sah aber auch nachdenklich aus. So, als würde er sich fragen, wie es jetzt weiter gehen sollte. Was jetzt sein würde. Ob es denn weiter gehen würde, denn an sich hatten sie noch nicht alles gesehen. An sich mussten sie noch die halbe Welt besegeln. An sich war ihre Reise noch lange nicht zu ende. Aber war sie es wirklich? Würde sie weiter gehen? Jetzt, wo Ruffy Piratenkönig war? Jetzt, wo er Verpflichtungen hatte? Würde es alles noch immer gehen? Würde es funktionieren? Nami schien es, als würde Franky wirklich darüber nachdenken. Darüber, ob sein Traum ebenfalls in Erfüllung gehen würde. Denn er wollte ein Schiff bauen, das die Welt heil umsegeln kann. Das nicht zerbarst bei der kleinsten Katastrophe. Das war doch nicht gut. Das war nicht sein Traum. Aber sie wusste es besser. Es tut mir leid, Franky. Lysop war glücklich. Ja. Er war es wirklich. Er war ein sehr mutiger Mann geworden. Kämpfer. Er hatte zwar ab und zu immer noch seine Insel-Krankheiten, aber insgesamt war er sehr viel männlicher geworden und Nami war sich sicher, dass er seinen Traum erreicht hatte. Schon vor einer Weile. Und Chopper, ihr kleiner Chopper, nun, Chopper war noch immer Chopper. Der kleine Choppi. Nur tausend Mal gefährlicher. Und viel schlauer. Es gab kaum eine Krankheit mehr, die er nicht heilen konnte. Auch für ihn würde es sich anbieten weiter zu segeln. Ja, auch für ihn. Für das kleine, süße Plüschtier … Und Nami? Langsam ließ sie ihre Hand an der Wand entlang gleiten; etwas suchend. Ich habe meinen größten Traum erreicht. Ich habe meinen König zum One Piece gebracht. Und ihre Karte? Nun, die war unwichtig. Noch nicht fertig. Und noch die halbe Welt wartete, aber Nami wusste, dass das unmöglich war. Und sie nahm dieses Wissen gelassen auf. Es war in Ordnung. Sie bereute ihre Entscheidung nicht. Niemals. Denn es ging nicht nur um ihn. Nein. Es ging um sie alle. Und wenn sie das jet- Etwas bewegte sich unter ihrer Hand und Nami senkte ihren Kopf. Leicht lächelnd drückte sie den Stein in die Wand hinein. Es war soweit.   Drei Tage. Drei Tage waren sie nun schon auf dieser Insel und seit zwei Tagen wussten sie von dieser Höhle. Vor zwei Tagen war Ruffy Piratenkönig geworden und Nami hatte die schwerste Entscheidung ihres Lebens gefällt. An diesem Tag waren sie wiedergekommen. Robin wollte noch einmal lesen. Sie wollte ganz sicher gehen. Deswegen las sie. Immer noch. Wieder. Ruffy freute sich über das Gold und schwamm mit Lysop und Chopper darin rum. Immer noch. Wieder. Zorro war noch genauso misstrauisch und bewachte den Raum. Immer noch. Wieder. Sanji war noch immer so fasziniert vom All Blue, dass er den Blick nicht abwenden konnte. Keine Frau der Welt war jemals so schön gewesen wie dieses Gefühl, das ihn schon seit zwei Tagen beschlichen hatte. Immer noch. Wieder. Franky und Brook freuten sich und zweifelten. Immer noch. Wieder. Und Nami … Nami musste jetzt handeln. Musste jetzt das tun, wozu sie zwei Tage zuvor nicht in der Lage gewesen war. Denn zwei Tage zuvor war ihr Herz so voller Schmerz erfüllt gewesen, dass sie zu gar nichts in der Lage gewesen war. „Nami. All das Gold. Siehst du es? Jetzt kann ich all meine Schulden bei dir begleichen. Shishishi“, hatte er gesagt. Und sie wollte weinen. Denn … sie wollte es nicht tun. Aber heute – heute war sie bereit. Denn es ging nicht um ihn. Nicht um sie. Nicht um die Crew. -          Es ging um alle. Tief durchatmend, schaute Nami zu Zorro, der schon in Alarmbereitschaft stand. Nun, vielleicht wusste er doch etwas. Ihr Lächeln war voller Trauer und Glück. Beides gleichzeitig. Und in dem Moment war sich Zorro ganz sicher. Aber es war zu spät. Auch Ruffy drehte sich um. Seine Augen undefinierbar. Dunkel und undurchdringlich. Seine Miene … ernst? Ein Stein löste sich aus der Decke und fiel auf den Boden. „Raus hier, Leute. Nehmt das Gold, nehmt die Schrift … und geht. Es stürzt alles gleich ein.“ Es waren Namis Worte, die sie alle erstarren ließen. Alle. Und alle drehten sich um zu ihr und sahen sie so groß an. So, als würden sie nicht verstehen. Oder als wüssten sie bescheid. Als wüssten sie, was passierte. Oder als ahnten sie etwas. Etwas Böses. Schlechtes.   Geliebter Kapitän. Wir haben ein Geheimnis. Es ist nur deins und meins. Und bald wird es auch die Crew erfahren. Denn ich muss es dir sagen. Und du wirst ihre Hilfe brauchen. Denn du wirst als Piratenkönig nicht unendlich Zeit haben. Du wirst deinen Pflichten nachgehen. Aber nicht nur, was Politik angeht. Du wirst stark sein müssen. Noch stärker, als du schon bist. Denn du bist immer noch sehr verletzlich – und wirst es noch mehr werden. Wenn du das hier liest, möchte ich, dass du sofort dahinsegelst. Irgendwie. Irgendwie wirst du es schaffen, mein Kapitän. Denn du bist stark. Und wirst noch stärker. Du bist der König aller Piraten. Du hast es geschafft. Du allein.   „Käpt’n, wir müssen raus hier“, schrie Robin besorgt, als sie Ruffy am Arm zog und nach draußen laufen wollte. Dahin, wo die Anderen schon lange verschwunden waren. In Sicherheit. Aber Ruffy stand erstarrt da. Seine Augen verdeckt durch seinen Strohhut, aber den Körper zu Nami gewandt, welche immer noch an der Wand gelehnt war und auf das Unausweichliche wartete. Robin sah ihn verzweifelt an. Er konnte nicht hier bleiben. Dann huschte ihr Blick über Nami und sie ließ von Ruffy ab. Rannte ebenfall raus.   Du bist Piratenkönig. Du hast gewonnen. –Und verloren. Es tut mir leid. Nein, eigentlich nicht. Ich bereue diese Entscheidung nicht. Es geht auch nicht nur um dich, Ruffy. Es geht nicht um mich. Schon gar nicht um mich. Es geht um diese beiden Menschen, die ich umgebracht hätte, wenn ich das hier nicht getan hätte. Und es wäre nicht nur bei den beiden Menschen geblieben, Ruffy. Weißt du, wieso Roger krank wurde? Ich weiß es. Und ich möchte dich vor diesem Schicksal bewahren, denn von deiner Gesundheit hängen sehr viele Leben ab. Meins nicht mehr. Nicht mehr. Einst war es anders gewesen. Jetzt haben sich die Dinge geändert. Gedreht. Es ist alles anders. Besser.   „Wieso?“ Es war nur diese eine Frage. Und Nami wusste, dass er wusste. Dass er wusste, was jetzt folgen würde. Und er war nicht einverstanden damit. Nami sah ihn an. Ehrlich. „Weil ich dich liebe.“ Das war wahr. Aber nur die halbe Wahrheit. Es war nicht nur aus Liebe zu ihm gewesen. Nein. Als er den Blick endlich hob und seine Augen die ihren trafen, erfasste sie sein Schmerz mit so einer Stärke, dass sie gestolpert hätte, hätte sie nicht an der Wand gelehnt. Es zerriss ihr das Herz. Es tat es wirklich. Denn sie wollte es nicht. Sie wusste, dass sie ihm sein Herz rausreißen würde. Sie wusste es. Aber sie hatte nie gedacht, dass es sie so treffen würde. Ein paar Schritte taumelte sie nach vorne, bis er ihr entgegenkam und sie in seine Arme nahm. Sie an sich drückte. „Es ist mein Schicksal, Nami. Wenn ich Piratenkönig bin, muss ich mit den Konsequenzen selber umgehen. Und nicht du.“ Seine Worte waren leise aber vorwurfsvoll. „Ich weiß, mein Käpt’n“, hauchte sie und drückte sich fest an ihn. „Ich weiß.“ „Wieso dann?“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Luftstoß. Nami verstand es trotzdem. Aber das … hätte ihn jetzt noch mehr bestürzt. Sie konnte es ihm nicht sagen. Nein. Und sie schämte sich für ihre Feigheit. Aber es war zu spät. Sowieso zu spät. Für immer zu spät. Mit einem leichten Lächeln sah sie hoch zu ihm und drückte sein Kinn ebenfalls hoch, sodass er sie ansehen musste. „Versprich mir eines.“ Seine Augen glitzerten mit unverschütteten Tränen. „Pass gut auf sie auf.“ Es ging nicht in seinen Kopf. Er konnte es nicht verarbeiten. Wollte auch nicht. Denn es ergab keinen Sinn. Also vergaß er die Worte wieder. Zu groß war der Schmerz. Zu groß, um nachzudenken. Viel zu groß. Übermannend. Nami sah ihn, den Schmerz, und küsste den Schwarzhaarigen auf die Lippen. Ein letztes Mal.   Ich habe schon immer gewollt, einmal diejenige zu sein, die alle rettet. Und es ist ein gutes Gefühl. Wirklich. Aber anders als bei euch hat meine Rettung fatale Folgen. Aber ich bin mir sicher, dass ihr das schaffen werdet. Du wirst dich neu verlieben. Irgendwann, Ruffy. Und wenn nicht, dann wirst du trotzdem nicht allein sein. Dein Leben lang. Denn du wirst dein Leben lang deiner Pflicht nachgehen müssen. Aber vielleicht stirbst du auch früh. Vielleicht bekommt dich die Marine, vielleicht bezwingt dich ein Anwärter auf den Piratentitel. Vielleicht. Ich kann nicht in die Zukunft sehen – leider. Es hätte uns vielleicht vieles erspart. Aber so ist es auch in Ordnung. So ist es auch gut. So ergibt alles auch einen Sinn. So ist alles an seinem Platz. So kann sich die Welt weiter drehen. Und weiter gehen. Und alles wird wieder normal sein. Irgendwann. Irgendwann, denn es gibt die Zeit und mit der Zeit … ich höre ja schon auf. Aber lass dich nicht blenden, Ruffy. Lass dich nicht blenden vom Schmerz, lass dich nicht überrumpeln, Geliebter. Denn es gibt Menschen, die brauchen dich. Mehr als irgendjemanden anders. Nur dich.   Ruffy saß in seiner Kajüte, den Kopf dem kleinen Fenster zugewandt. Aber er betrachtete nicht die schöne Mondnacht. Nein. Sein Blick war leer. Ausdruckslos. Er saß da, auf seinem Stuhl, und starrte in die Leere. Leere ergiff seinen ganzen Körper. Ergriff und umfing ihn. Umgab ihn. Sie war überall. Um ihn herum. Und in ihm. Überall. Und er würde sich nicht wieder aufrappeln. Nie mehr. Da war er sich sicher. Ja. Niemals mehr.   Denn du hast zwei kleine Kinder, Ruffy. Einen Jungen und ein Mädchen. Zwei kleine Babys. Vielleicht kannst du dich nicht mehr erinnern, aber in der Nacht, als wir Arlongs Vernichtung gefeiert hatten, warst du zu mir gekommen. In dieser Nacht wollte ich dir danken. Aber nicht durch meinen Körper. Nein. Es wäre billig gewesen. Aber durch meine Liebe. Ich wollte dich lieben und dir meine Dankbarkeit irgendwie zeigen. Zum Ausdruck bringen. Denn ich stehe bis heute tief in deiner Schuld. Und dann, als wir zwei Jahre lang getrennt waren, habe ich sie bekommen. Ich bin in der Nacht in Kokos von dir schwanger geworden. Und das sind die Konsequenzen. Wieso ich es dir nicht erzählt habe? Es ist schwer, das zu beantworten, denn ich habe keine Antwort. Ich denke, ich war zu feige. Zu feige, mich dir zu stellen und es dir zu gestehen. Vielleicht aber wollte ich auch nur unsere Kinder schützen, solange wir noch gesuchte Piraten waren. Auf See und immer noch auf dem Weg unsere Träume zu erfüllen. Ja, ich wollte es dir sagen. Wenn du Piratenkönig wurdest, da wollte ich es dir sagen. Ich wollte dir sagen, wir sehr ich dich liebe und ich wollte mit dir zusammen leben. Ich wusste damals aber nicht, welche Entscheidung mich hier erwartete. Trotzdem bereue ich nichts.   Etwas fiel aus seiner Hemdtasche, als sich der Schwarzhaarige ins Bett legte. Von tiefer Trauer geschüttelt, war es ihm egal. Alles war ihm egal. Es war doch eh zu spät. Alles war zu spät.   Wieso habe ich mich für meinen Tod entschieden? Das ist wiederum ganz leicht zu beantworten, Ruffy. Ich wollte unsere Kinder schützen. Ich musste. Das One Piece bedeutet in erster Linie: Opfer. Opfern und Opfergabe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich auch etwas Wertloseres hätte opfern können. Etwas Wertloseres als mein Leben. Und ich hätte gerne etwas anderes geopfert, denn ich wollte unsere Kinder mit dir aufwachsen sehen. Ich wollte sie erziehen. Sie auf ihren Weg lenken. Ihnen zusehen. Ihnen helfen. Ich wollte eine Mutter für sie sein. Aber ich kann mit dieser Entscheidung leben – oder sterben, denn ich rette ihre Leben. Und deins. Wenn du an meiner Stelle hättest mit den Ältesten gesprochen – und eigentlich hättest du müssen, denn du bist Piratenkönig und es ist die Pflicht eines jeden Königs, sich ihrer Fragen zu unterziehen – aber aus einem unerklärlichen Grund hatten sie mich ausgewählt. Und mich gefragt, was ich opfern würde, um dich zum Piratenkönig zu machen. Ich hatte nicht nachgedacht. Ich hatte gesagt: mein Leben. Aber es stimmte trotzdem. Ich wäre für dich gestorben – ja, ich bin für dich gestorben. Für dich und unsere Kinder.   Die Höhle stürzte ein, begrub eine weitere Person, nahm eine neue Seele mit sich. Der letzte Piratenkönig hatte keine Person hier sterben lassen. Nein. Der letzte Piratenkönig war egoistisch. Und vielleicht auch nicht. Wusste Nami das? Nein. Aber sie dachte es. Lächelnd schloss sie ihre Augen und setzte sich hin. Sie erwartete ihren Tod. Ihren Tod, der sie alle retten würde. Oh ja. Wo würde der neue Piratenkönig seinen Sitz einrichten? Wo würde er all das Gold hinbringen? Wo die Nachricht? Denn dieser Ort würde untergehen. Und er müsste einen neuen finden. Denn es würden nach ihm weitere folgen. Diese Welt würde noch viele Piratenkönige sehen. Aber nicht mehr Nami. Für sie war der Weg zu ende gegangen. Sie war am Ende angekommen. Und lächelnd streckte sie die Arme aus und wartete.   One Piece bedeutet Tod. Du wärst krank geworden. Egal, wie du dich entschieden hättest, Ruffy. Du wärst krank geworden. So wie Roger. Deswegen ist er gestorben. Weil das One Piece ihn töten wollte. Ein Piratenkönig durfte nicht zu lange regieren. Er könnte böse werden. Er könnte Böses über die Welt bringen. Aber die Balance musste erhalten bleiben. Und letztendlich wundert es mich. Es wundert mich wirklich. Ich habe dich also von diesem Schicksal verschont. Durch meinen Tod hat das One Piece sein Opfer bekommen. Ein Menschenleben, das mit dem Piratenkönig eng verbunden war. Ich bin mir sogar fast sicher, dass ich Königin geworden wäre … Du darfst jetzt so lange regieren, bis etwas passiert. Es ist ungewöhnlich. Aber es rettet unsere Kinder. Dein Blut ist besonders. Und meins ist anders. Und beide zusammen ergeben eine sehr gefährliche Mischung. Und irgendwie war es leider möglich, dass sie sich angesteckt hätten. Sie wären auch krank geworden, unsere Kinder. Und wären gestorben. Mit dir. Chopper hätte es nicht heilen können, denn … es ist keine Krankheit an sich. Es ist … ein Fluch? Nein. Aber nicht heilbar. Ich bin aber sehr glücklich, Ruffy. Sehr glücklich für einen Menschen wie dich gestorben zu sein. Bitte. Hole unsere Kinder. Und kümmere dich gut um sie. Ich bitte dich darum. Ich habe sie auf der Wetterinsel gelassen. Die Karte liegt auf deinem Tisch, schau nur gut hin. Und ein Mini-Eternal Port ist auch angeheftet. Sieh nur genau hin. Und hol sie ab. Und trainiere sie. Zieh sie auf. Pass auf sie auf. Habe Spaß mit ihnen. Und ich werde immer von oben auf euch herunterschauen, ich werde auf euch von oben aufpassen und vielleicht, vielleicht werden wir uns wieder sehen. Eines Tages. Irgendwann in der Zukunft. Vielleicht. Ich liebe dich, mein König.   In ewiger Liebe, Nami.   Es war schwer für ihn, den Brief zu lesen. Sehr schwer. Aber die Leere verschwand etwas. Denn er hatte einen Menschen verloren. Den wichtigsten in seinem Leben – aber dafür zwei wichtige gewonnen. Er hatte Kinder. Zwei kleine, süße Kinder. Von denen er nie etwas gewusst hatte, ja noch nicht einmal geahnt hatte. Und er hatte sie. Auf einmal. Auf einmal hatte er eine kleine Familie. Verwunderung traf auf seine Züge. Schock und Verwunderung. Und dann Glück. Freude. Und der Schmerz rückte ein wenig, ein ganz klein wenig, in den Hintergrund. Er wurde unwichtig. Nur noch die Erkenntnis zählte. Er war Vater. Ruffy war Vater. Piratenkönig und Vater.    „Käpt’n.“ Es war Zorros Kopf, der durch seine Tür gesteckt wurde. „Können wir reden?“ Ruffy legte den Brief auf den Tisch und deutete Zorro hereinzukommen. Der Grünhaarige ging hinein, schloss die Tür hinter sich, blieb aber an der Wand stehen. Er wartete, bis der Schwarzhaarige anfangen würde zu reden. So vergingen Minuten. Bis es Zorro zu blöd wurde. „Nun spuck‘s aus. Wo ist sie?“ Ruffy hob seinen Blick und sah Zorro fest in die Augen. „Tot.“ Der Schwertkämpfer schien die Bedeutung des Wortes nicht ganz zu verstehen. „Wann kommt sie?“ Er war sichtlich verwirrt. Ruffy schüttelte den Kopf. „Sie ist tot, Zorro. Sie kommt nicht mehr wieder.“ Erst dann schien es bei ihm klick zu machen. Erst dann fing Zorro an, es langsam zu verstehen. Die Bedeutung, die Schwere dieses Wortes zu verstehen. Und er blieb regungslos an der Wand stehen. Minutenlang. „Wieso?“ Er klang heiser. Und mehr als dieses Wort brachte er nicht heraus. Ruffy stand auf und lief langsam auf ihn zu. „Um uns zu beschützen.“ Damit ging er vorbei am Grünhaarigen und raus aus dem Raum. An Deck erwartete ihn seine gesamte Crew, der er mit gehobenem Haupt entgegen trat. „Wir setzen einen neuen Kurs.“ Er betrachtete entschlossen seine Freunde. „Es geht zur Wetterinsel.“ „Aber wie sollen wir ohne Nami … wo ist sie …?“, fragte Lysop vorsichtig. Ruffy atmete tief durch und sah Lysop ernst an. „Nami kommt nicht mehr. Sie hat sich für uns geopfert. Deswegen werden wir auch ohne sie dort ankommen.“ „Wird es unser letztes Ziel sein?“, fragte Robin. Ruffy dachte kurz darüber nach. Dann wand er sich ihr zu und schüttelte den Kopf. „Nein.“ Es war alles. Mehr konnte er seiner Crew nicht geben. Mehr konnte er nicht tun. Noch nicht. Noch saß der Schock, der Schmerz, die Pein zu tief, noch waren die Gefühle viel zu stark. Noch war alles viel zu frisch. Und noch war alles viel zu hoffnungslos. Und auch mit diesem Hoffnungsschimmer am Horizont war alles genauso schlimm wie zuvor. Denn Nami war tot. Tot – sie würde nie mehr wieder kommen. Wehmütig glitt sein Blick über die eingestürzten Brocken. Da unten lag sie irgendwo. Vielleicht – wenn sie sie jetzt suchen gingen … vielleicht würden sie sie finden. Und retten. Und … dann hätte sie sich doch geopfert, wurde aber gerettet. Das müsste doch gehen. Nicht? Ruffys Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Nein. Es wäre kein Opfer mehr. Außerdem … außerdem war sie bestimmt schon tot. Er würde sie sonst spüren. Diesen steten Herzschlag, den er immer wieder in sich fühlen konnte. Er war weg. Alles, was Nami betraf, war weg. Ausgelöscht. Tot.   Als sie drei Tage später auf der Insel angekommen waren, und es war gewiss keine leichte Aufgabe, nicht nur, weil Nami nicht da war, sondern weil die Wetterinsel im Himmel war. Zum Glück wurden sie auf einer anderen Insel abgeholt. Und dann auf die Insel gebracht. Anscheinend hatte Nami alles vorbereitet. Aber wann? Wann nur? Ruffy wurde als einziger ins Dorfinnere geleitet. Alle Blicke lagen auf ihm. Dem neuen Piratenkönig. Aber auch auf dem Helden, der er war. Der, von dem Nami immer so geschwärmt hatte. Der, dessen Kinder sie bekommen hatte. Der, zu dem sie wieder kehren wollte. Der, den sie beschützen wollte. Und es getan hatte. Mit Verwunderung, Trauer, aber auch Stolz und Glück wurde er empfangen und betrachtet. Und als Ruffy die zwei kleinen Geschöpfe in dem viel zu großen Bett erblickte, starb er. Und erwachte von neuem. Er hatte noch nie etwas Schöneres gesehen. Er hatte sich nie zuvor so leicht gefühlt. So ungläubig, aber so leicht. So … glücklich? So zu Tränen gerührt? Sie waren seine. Seine Kinder. Sie lagen vor ihm. In diesem Bett. Und sie … sie …  es war einfach nur unbeschreiblich. Unbeschreiblich und unbeschreiblich schön. Er stand da. Erstarrt und gerührt. Er atmete nicht, er nahm nur ihre Laute wahr. Ihren leisen Atem. Und dann, dann langsam erwachte er aus seiner Trance. Er atmete auch. Wieder. Sein Herz pochte in seiner Brust. Aber neben seinem Herzschlag spürte er noch zwei weitere. Wie mit Nami. Er spürte ihre Herzen. Er spürte sie schlagen. In sich. Auf tapsigen Füßen stolperte er zum Bettrand und setzte sich vorsichtig hin. Sie waren wunderschön. Seine zwei kleinen Engel. Der Junge sah so aus wie er in jungen Jahren. Schwarze Haare, rundes Gesicht, soweit er das beurteilen konnte, und sein Mädchen? Es verschlag ihm die Sprache. Sie war noch hübscher als Nami. Und das war schon kaum möglich, aber sie … Das kleine Mädchen hatte hellbraunes Haar und einen so friedlichen Ausdruck, er war sich nicht sicher, dass er jemals jemanden so friedlich erlebt hatte. Es war … so atemberaubend. So unglaublich. Und diese Schönheit hatte Nami ihm vorenthalten? Aber dann wiederum hatte sie Recht. Ihnen hätte viel passieren können. Sie hätten sterben können. Hier waren sie sicher. Denn nur wenige wussten über ihre Identität bescheid. Und jetzt … und jetzt würde er sich um sie kümmern, er würde sie lieben und immer für sie da sein und e- „Wer bist du?“ Das kleine Mädchen war aufgewacht und sah den Fremden mit großen braunen Augen an und Ruffy war wie paralysiert. Dieses Braun, dieses Strahlen. Es war ganz Nami. Sie war vollkommen Nami. Nur einen Tick dunkler. Ruffy kamen die Tränen. Dieses kleine Ding war seine Tochter. Dieses wunderschöne Geschöpf war wirklich seine Tochter. Der Junge wachte ebenfalls auf. In Sekunden hatte er die Situation erfasst und sich schützend vor das Mädchen geworfen. „Was willst du?“ Instinkt. Alles Instinkt. Ein Junge in dem Alter … Ruffy konnte es nicht fassen. In dem Alter schon … wie alt waren sie? Zwei Jahre? Drei Jahre? Mehr konnte es auf keinen Fall sein. Und dann schon … Er war wie hypnotisiert. Und das sollten seine Kinder sein? Sie waren so wunderbar und er … Langsam dämmerte etwas in dem Jungen. Seine Augen fixierten seinen Gegenüber. Betrachteten ihn. Und analysierten ihn. Und langsam fing er an zu begreifen. Die Puzzleteile zusammenfassen. „Du bist der Piratenkönig. Du bist Ruffy.“ Jetzt sah das Mädchen über die Schulter des Jungen auf. „Daddy?“ Und in dem Moment brach alles in Ruffy. Er hatte die Beiden so schnell umarmt, dass ihnen beiden schwindlig war. Aber genauso schnell fassten sich die Kleinen und drückten sich an diese starke, warme Brust, die ihnen so viel Sicherheit und Liebe geben würde … Ruffys Tränen fielen wie ein Wasserfall, aber es war ihm egal. Es war ihm egal. Er würde weiter leben können. Er hatte wieder eine Aufgabe. Und selbst wenn Nami tot war, sie war immer noch in diesen beiden Geschöpfen drin. Und jetzt verstand er auch, wieso Nami sich geopfert hatte. Er hätte sich für diese beiden sofort geopfert. Er wäre noch so viel weiter gegangen. Er hätte alles für sie getan. Alles. Immer. Was auch kam. Alles. Dieses ist gewiss ein One Shot auch mit der richtigen Länge :D Ich habe schon im Hinterkopf, wie es weiter gehen kann, denn ich mag es nicht, wenn Charaktere sterben. Ich weiß allerdings noch nicht, ob ich das hier dann in eine FF umwandle, oder ob ich nur einen Sequel oder einen anderen OS darauf aufbauend schreibe. Mal sehen. Auf jeden Fall hoffe ich, dass es euch gefallen hat, auch wenn es sehr traurig ist und ich sowas eigentlich auch nicht mag. Aber mir war damals einfach danach. Und ich mag den OS auch total. Das ist mal was ganz anderes von mir :D Freue mich über Kritik und Meinungen. Euch noch einen schönen Tag! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)