Russisch Roulette von Hime-chan (Eine fatale Wette) ================================================================================ Kapitel 4: Auch eisiger Schnee fällt leise ------------------------------------------ Auf den ersten Blick hatte sich nichts verändert. Doch er wäre nicht er selbst, wenn ihm diese Feinheiten nicht aufgefallen wären. Niou war noch nervöser und unberechenbarer als sonst. Und was selbst ihn verunsicherte war Sanadas abweisende Haltung. Er hatte sich ohne Erklärung vom Training entschuldigt und hatte ihm auf seine besorgte Mail ebenfalls keine Antwort gegeben. Yukimura war bewusst, dass Sanada jede Art von Technik suspekt war, dennoch hatte er zumindest jeden Abend ein kurzes Gute Nacht erhalten. Das war für Genichirous Verhältnisse ausgesprochen liebevoll und Yukimura wusste diese Geste zu schätzen. Er fühlte sich nicht wohl, wenn sie ausblieb. Auch auf dem Schulweg war Sanada noch stiller als üblich gewesen. Erst hatte Yukimura es als schlichte Müdigkeit abgetan, aber inzwischen machte er sich Sorgen. „Genichirou, stimmt etwas nicht?“, fragte er leise und blickte zu ihm auf. Der Blick seines Vize-Captains folgte den Regulars, die ihre Runden absolvierten. Zumindest der Grossteil von Ihnen. Renji pflegte wie üblich etwas lasch zu joggen. Yukimura war sich sicher, dass dieses Tempo auch seinen Berechnungen nach nicht das ideale Training war, doch er hatte es aufgegeben, mit ihrem Datenmeister zu diskutieren. „Alles bestens“, antwortete Sanada und schnaubte. Yukimura blinzelte irritiert. Diese Ausdrucksweise passte nicht zu ihm und er glaubte einen Hauch Sarkasmus in seiner Aussage wahrnehmen zu können. Doch Sanada liess ihm keine Zeit, ihn darauf anzusprechen. „Wie fühlst du dich?“ Seiichi wusste, was Sanada damit meinte und seufzte. Seine Sorge in Ehren, doch es war mittlerweile etwas lästig geworden. „Es geht mir gut, Genichirou“, versicherte er nachdrücklich. Im Hospital hatte er die Fürsorge seines Teams genossen. Aber Sanada behandelte ihn auch jetzt noch wie ein rohes Ei, und das war er nicht. Er konnte spielen, laufen, wenn es sein musste stand auch Bungee-Jumping nichts im Weg. Nach dem Match gegen Echizen Ryoma hatte ihm seine Mutter eine Woche Hausarrest aufgebrummt, da er körperlich und mental erschöpft gewesen war. Er hatte zu verbissen gekämpft und schliesslich verloren. Die Niederlage nagte auch heute noch an ihm und er konnte es kaum erwarten, diesem Kind wieder gegenüber zu stehen. Und zu gewinnen. „Das tut es nicht. Und Yanagi sollte das auch wissen“, entgegnete Sanada scharf und stur wie immer. „Renji überwacht meinen Trainingsplan besser als ich. Es ist mir nicht zu viel! Du brauchst nicht mehr auf mich aufzupassen. Ich bin gesund“, beteuerte Yukimura erneut. Sie hatten sich deswegen noch nie so direkt gestritten, doch im Moment war Yukimura danach, seinen Freund aus der Reserve zu locken. Yukimura hatte genug Rückgrat, um dem wütenden Funkeln in Sanadas Augen Stand zu halten und weder zusammen zu zucken noch zurückzuweichen. Er musste vor seinem Vize nicht klein bei geben. „Gut, dann werde ich mich nicht mehr darum kümmern“, erwiderte Sanada. Diese Antwort stellte ihn genauso lange zufrieden bis Sanada die schwarze Kappe nahm und achtlos zu Boden fallen liess. Einen Moment blickten sie beide auf die schwarze Kappe die schon so lange zu Sanada gehörte, dass sich Yukimura keinen Reim darauf machen konnte, was diese Geste zu bedeuten hatte. „Ich gehe heute früher“, teilte ihm Sanada betont kühl mit und vermied es, ihm ins Gesicht zu sehen. Er schulterte die Tasche und wandte sich zum Gehen. „Ich habe die Übungen im Kendo vernachlässigt“, erklärte er sich auf Yukimuras Schweigen hin und drehte sich auch nicht noch einmal um sich zu vergewissern das sein Captain mit dem verfrühten Ende seines Trainings einverstanden war. Yukimura starrte ihm nach, schüttelte sich dann als würde er eine Eisschicht abschütteln müssen, die ihn gelähmt hatte. Er verstand nicht, was alles zu bedeuten hatte und hob um etwas zu tun Sanadas schwarze Mütze auf. Etwas deprimiert drückte er sie kurz an seine Brust, ehe er erschrocken zusammen zuckte. Eine fremde Hand - Yanagis hätte er sofort erkannt - hatte sich auf seine Schulter gelegt. Seine Finger waren lang und seine Berührung stets sehr leicht. Diese hier aber sprühte eine Unsicherheit aus, die ihn die Hand unwirsch weg fegen liess. Niou hob entschuldigend beide Hände und grinste verunglückt. „Ich will mich ja nicht einmischen…aber ich weiss was los ist“, begann er, so umständlich wie man ihn eben kannte. Von allen Mitgliedern des Tennisklubs hatte Yukimura diesen weisshaarigen Unruhestifter am wenigsten unter Kontrolle. In diesem Fall war das aber kein Versäumnis, sondern eine Notwendigkeit. „So, weisst du das…?“, seufzte Yukimura angeschlagen. Er wollte nicht ausgerechnet von Niou hören, was Sanadas Beweggründe waren sich so unnatürlich zu verhalten und das Training zu versäumen. Er sollte ihn besser kennen als Niou, besser als sonst irgendwer. „Er hat es rausgefunden…das mit dir und Yanagi meine ich.“ Es war Niou sichtlich unwohl ihn damit zu konfrontieren, das sah Seiichi ihm deutlich an. Er blickte irgendwo nach oben, verlagerte unruhig das Gewicht und nestelte an etwas, das in seiner Hosentasche steckte, herum. Man musste sich bei diesem Menschen mit Details behelfen. Doch im Moment interessierte ihn das nicht. Vor Entsetzen stockte ihm der Atem und er spürte deutlich, dass er erbleichte. Aufgeregt und um irgendwo nach Halt zu suchen, griff er diesmal nach Nious Schulter. „Woher weisst du davon?“, fragte er atemlos und so leise wie er gerade konnte. „Naja…ich war beim Rektor. Du weisst schon, weil ich letzten Monat Maruis Spind rosa angemalt habe. Und mein kleiner Bruder verpetzt mich daheim, wenn ich nicht hin gehe, weil diese bösartige Sekretärin ihn mit Bonbons geködert hat…das ist wirklich Bruderverrat!“, plapperte Niou schnell, verstummte aber als er Yukimuras eisigen Blick sah. Er hatte keine Zeit für diese Ausschweifungen. „J-jedenfalls kam ich am Klassenzimmer vorbei…und hab euch da gesehen. Und naja…gestern hat es wohl Sanada auch mitbekommen“, murmelte Niou schliesslich. Unwillig schüttelte Seiichi den Kopf. Das war der Grund? Dafür war Sanadas Reaktion erstaunlich ruhig und besonnen gewesen. Sehr besonnen sogar. Hatte Genichirou gerade auf seine eigene dezente Weise mit ihm Schluss gemacht? Der Gedanke liess ihm Tränen in die Augen schiessen. Sanada musste ihn für einen schrecklichen Menschen halten. Und welche Auswirkungen das auf seine Freundschaft mit Renji hatte, wollte er sich lieber gar nicht erst ausmalen. Er musste dringend mit ihm reden, doch erst einmal musste er sich beruhigen. „Deine Übungen sind noch nicht beendet Niou. Geh zurück zu den anderen. Wir dürfen uns keine Schwäche erlauben“, wies er den Weisshaarigen an, jedoch fehlte ihm der Elan die nötige Schärfe in die Stimme zu legen. Niou nickte lediglich artig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)