Bloodcage - Teil 1 - Blutmond von DemonhounD (Vampir-Roman) ================================================================================ Kapitel 4: Blutmond (Siren) Vampire sollten sich ihresgleichen zum Gefährten suchen ----------------------------------------------------------------------------------- Vampire sollten sich ihresgleichen zum Gefährten suchen. Das war es, was ich lange Zeit geglaubt habe. Dann habe ich meine Herrin verraten. Ich habe sie getötet. Schließlich wurde ich verbannt. Ich bin gebrandmarkt zum Verfluchten unter all den Verfluchten meiner Rasse, weil ich es gewagt habe meine Herrscherin zu hintergehen und weil mir ein Krieg aufgebürdet worden ist, der im Wahn der damaligen Zeit zu vielen meiner Rasse das Leben gekostet hat. Es war ein Wahnsinn, den ich zu jener Zeit nicht verstehen konnte, weil ich zu sehr Sklave war, um ihn zu hinterfragen. Es war ein Krieg, in dem ich nur deswegen kein Held wurde, da ich nach Ausgang der letzten Schlacht nicht auf der Seite der Gewinner stand. Wer würde einem Ausgestoßenen Unterschlupf gewähren? Wer meiner Rasse würde mich nicht bekämpfen, sobald er von dieser Vergangenheit erfuhr? Sogar diese Stadt hatte ich mir gewaltsam nehmen müssen, indem ich den herrschaftlichen Vampir samt seiner recht kleinen, menschlichen Familie umgebracht habe. Es ist beinahe lachhaft, dass ich mit dem tödlichen Streich der festen Überzeugung war, mir selbst könne so etwas Unehrenhaftes, wie die Liebe zu einem Sterblichen niemals passieren. Das Schicksal ist schon immer von ironischer Hinterlist geprägt gewesen, denn als ich Askian fand, wollte ich plötzlich nicht mehr, als ihm noch etwas länger bei etwas so Banalem, wie seinem Leben zuzusehen. Er war einer jener Menschen, die wenn sie leiden, zu besonderer Schönheit heranreifen. Die Einsamkeit, die meine gewohnte und geliebte Gefährtin war, hielt ich nur noch wenige Tage aus. Ich hätte ihn einfach sterben lassen sollen. Ich versuchte es. Ich folgte ihm in der Hoffnung, dass ich irgendeine Möglichkeit fände, ihn zu zerfleischen, ohne mich selbst dabei zu verletzen. Ich folgte ihm, wie der gezähmte Tiger seinem Herren folgt: Ohne Mitleid, ohne Sympathie. Lediglich mit purer Leidenschaft, die sowohl Liebe, als auch brennender Hass ist. Natürlich war er schon näher am Tod, als am Leben, als ich ihn fand und nur weil sein Tod mich selbst zerstört hätte, habe ich ihm das Leben mit der Magie gerettet, die sich in meinem Blut verbirgt. Es war wie ein Band des Sterbens, das ihn und mich für den Bruchteil einer Sekunde verbunden hat – keine vollständige Verwandlung in ein Wesen, wie mich, sondern lediglich eine Übertragung meiner besten Fähigkeiten: Regeneration und zeitweilige Unsterblichkeit. Der Gedanke meinen Fluch an ihn weiterzugeben kam mir nicht. Ich wollte sein Leben bewahren, nicht sein Ableben erwirken. Ich fragte mich, ob er unsere Verbindung in der Schattenwelt, die ihn hielt, wahrnehmen konnte und welche Teile meiner Vergangenheit ihm in seinen delirischen Träumen offenbart wurden. Ich wollte mir einbilden, dass er in diesem Moment vollkommen mir gehörte. In Wirklichkeit war es vermutlich genau anders herum. Ich hungerte nach ihm! – Ich hatte schon tagelang nichts getrunken. Als ich meinen Diener, Priest , aus dem Anwesen holte und ihn anwies, Askian in unser gemeinsames Heim zu bringen, stellte er keine Fragen. Der Blick in seinem einen unversehrten Auge allerdings stellte mir die Frage wieso. Ich sagte nichts, war doch die Antwort für ihn auch ohne Worte so offensichtlich, wie es die Frage gewesen war. Askian schlief mehrere Tage einen unruhigen Schlaf. Die Seuche hatte seinen Körper geschwächt. Mir war es ziemlich Recht, dass er nicht wach genug war um Fragen zu stellen, da ich selbst Zeit brauchte, um mir über viele Themen im Klaren zu sein. Ich war auf einem der unzähligen Balkone des Anwesens, meinem Heim, als mich Priest fand. Er war eine Errungenschaft, auf die ich nicht sonderlich stolz war. Ich umgebe mich gewöhnlich mit schönen Dingen und Kreaturen. Hässlichkeit, Vergänglichkeit und Alter sind Dinge, die ich nicht ertragen kann. Doch trotz seines grobschlächtigen Äußeren und der breiten Narbe, die seine rechte Gesichtshälfte entstellte, hatte er unter meinen Dienern einen besonderen Rang. Er und ich waren schon seit sehr langer Zeit auf eine Art und Weise verbunden, die mich meines unverhohlenen Ekels ihm gegenüber zum Trotz in eine Abhängigkeit versetzte, die mich beinahe noch mehr störte, als sein Äußeres. Er selbst hatte dieses besondere Gespür jeden meiner Schritte zu kennen bevor ich es tat. Er kannte meine Gefühle bevor ich sie kannte. Er wusste, da bin ich mir sicher, sehr wohl was in mir vorging. Deswegen schlich er sich neuerdings oft wie zufällig in meine Nähe und er wusste wohl auch, dass ich ihn dabei bemerkt hatte. Ich gab vor die nächtliche Stadt unter meinem Balkon zu betrachten, die sich vor einem dunkelblauen Himmel abhob wie glitzernde Wellen in einem teerschwarzen Meer. Es waren kaum Lichter zu erkennen. Lediglich ein hell erleuchteter Festsaal in der Nähe der Stadtmitte fesselte meine Aufmerksamkeit, während ich eine Rose in meinen fahrigen Händen zerfetzte ohne mir dessen eigentlich bewusst zu sein. „Ihr seht müde aus, mein Herr“, brach Priest das Schweigen ohne sich mit sinnlosen Einleitungen aufzuhalten. Auch dies war eine Besonderheit, denn unter all meinen Dienern verzieh ich nur ihm diese direkte, unhöfliche Art als Teil seiner generellen Mängel. „Priest…“, flüsterte ich grüßend den Namen, den er von meinem Meister vor Jahrhunderten erhalten hatte und hielt mein Gesicht beinahe witternd in die kalte Nachtluft. Ich habe nie gefragt, wieso und wann der Mann diesen Titel erhalten hatte. Für mich sah er mit seinem breiten Kreuz und dem kahlgeschorenen Kopf viel eher aus wie ein passabler Bauer. Auch seine Hände waren groß und rau wie die eines arbeitenden Mannes, weniger wie die eines Geistlichen. Auf der anderen Seite nahm er sich seit jeher meiner Sünden an, - wenn auch auf sehr direkte Art, indem er sich um die leblosen Körper kümmerte, die ich zurück ließ. Er machte meine Taten vergessen. Das war meine Beichte an ihn und seine Art von Absolution. Gott weiß allein, was er noch mit den Leichen tat. Er überragte mich um gut zwei Kopflängen. Doch nicht nur dies, sondern auch seine gesamte Ausstrahlung verriet mir, dass er mich jeder Zeit unterwerfen könnte, wenn er es wollte. Er war das personifizierte Ebenbild des Pöbels, der seinen König nur so lange dulden würde wie es seinen Nutzen aus seiner Führung zog. Ich kann nicht genau sagen, welcher Vorteil es genau war, den der Priester aus unserer Gemeinschaft erhielt. Vielleicht war er genau so einsam wie ich. Es mag auch sein, dass das Dienen ihm mit den unzähligen Jahren zur Gewohnheit geworden ist. Da mir das Gespür für ihn fehlt, weiß wohl nur er selbst, was in seinem Inneren vorging. Er war meinem Blick in die Ferne aus tiefschwarzen Augen gefolgt, wobei das eine tatsächlich aus glattem Obsidian bestand, denn die Furche, die sich durch die gesamte Gesichtshälfte zog, hatte nicht nur einen Teil des linken Mundwinkels, sondern auch ein Auge gespalten und vollständig zerstört. Eine Laune hatte ihn wohl dazu bewogen den entstandenen Riss mit einem dünnen, reflektierenden Splitter zu füllen. Es reizte mich meine Hand aus zu strecken und die entstellende Narbe zu berühren. „Mein Fürst?“, erklang die wölfische Stimme meines Dieners in der Dunkelheit. Offenbar erwartete er noch immer eine Reaktion von mir nachdem ich ihn viel zu lange angestarrt hatte. Allein der Blick, den ich ihm zuwarf, versetzte ihn in Erregung. Das zumindest konnte ich auch ohne ein besonderes Gespür deutlich erkennen. Ich spielte mit dem Gedanken zu ihm zu gehen. Ihm ein wenig meiner Aufmerksamkeit zu schenken, ihn zu berühren und aus reinem Sadismus heraus fallen zu lassen. Ich ließ es bleiben. „Es geht mir gut“, sagte ich und das war gelogen. Natürlich war ich unruhig und spürte jenen unstillbaren Durst, der mir nun mit aller Nachdrücklichkeit bewusst machte, dass ich mit jeder Stunde, die ich mich den Gefühlen in mir nicht beugen würde, eine Grenze überschreiten könnte, die mich meine Selbstbeherrschung kosten würde. Ich musste gehen bevor ich zu fahrig würde um meine Beute mit Bedacht zu wählen. Nur schuldiges Blut soll mich nähren. Dies habe ich vor langer Zeit geschworen. Es zog mich zu dem einen Lichtkegel inmitten der Stadt. Das Anwesen in der Ferne wirkte groß und prunkvoll mit seiner weißen Fassade, den hohen Säulen und dem beinahe griechisch anmutenden Baustil. Ich war bereits einige Male da gewesen und es war, als ergebe sich an diesem Ort meine Beute mit dem Takt der Musik und dem berauschenden Wein freiwillig in meine zärtlich mordenden Arme. Betrunkene Adlige waren schon immer die lohnendsten und unvorsichtigsten Opfer. Frauen noch mehr als Männer. Gewiss achtete ich immer darauf, dass nicht bei jeder Festlichkeit, die ich besuchte jemand zu Schaden kam. Priest kümmerte sich um die kaum erkalteten Toten und wenn er es nicht tat, fingierte ich Unfälle oder Überfälle. Darin wurde ich mit der Zeit recht geschickt. Warum sollte auch jemand den blutjungen Fürsten Shairin, dessen Name sich unter Kunstliebhabern und Kulturellen außerordentlicher Beliebtheit erfreute, für all die Toten verantwortlich machen? Es gibt nur einen einzigen Vorteil darin, wenn man jung zum Vampir wird und dieser liegt darin, dass man in jeder Hinsicht unterschätzt wird. Das machte es für mich so spielend einfach in einer Welt, dessen Regeln ich verstand, auch mit geringer Körperkraft Nahrung zu finden. Auf eine gewisse Art sind die Menschen der damaligen Zeit Sammler wertvoller und schöner Objekte gewesen. Es war mir ein Leichtes selbst zu einer Art Kunstobjekt zu werden, so wie zahlreiche andere Männer auch. Meine Haut war marmorbleich, meine Züge abgemagert und hungrig, ewig erfüllt von brennender Gier, die die Instinkte der Menschen wach ruft. Man erwartete nicht, dass ich arbeitete. Als angeblicher Erbe einer reichen Familie hatte ich nichts weiter zu tun als höflich mit der Damenwelt zu kokettieren. Was für ein praktisches Prinzip! Ich warf einen letzten Blick auf den Lichtkreis der Festlichkeit, als eine Kutsche vorfuhr und zwei junge Frauen in bunten Kleidern frei gab, die von einem äußerst beleibten Herren sanft Richtung Hauseingang geschoben wurden. Ihr Anblick war selbst von meiner erhöhten Warte aus Sünde und Laster. Mein Blick bohrte sich in den fast gänzlich freien Rücken einer in grün gekleideten Dame mit einem Stoffsonnenschirm. Sie war es. Sie musste es sein. „Priest, leg mir ein paar Kleider raus!“, wies ich meinen Diener beinahe in Gedanken an. „Ich werde heute noch jagen gehen.“ Ihm genügte ein Blick über meine Schulter, um zu erraten, wohin mich mein Weg führen würde. 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