Bestie von Karen_Kasumi ================================================================================ Prolog: -------- Der Geruch von Blut und Schlimmerem erfüllte seine Nase, Schreie und metallisches Klirren seine Ohren. Ein weiterer Streich von einer fallenden Axt, dem er ausweichen musste…ein weiterer Schwertstoß, den er parierte, ein weiterer Gegner, der nichts wollte als seinen Tod. Wieder und wieder und wieder. In der Schlacht lebte er nur von Sekunde zu Sekunde, jede neue ein Geschenk und gleichzeitig eine Herausforderung, auch die nächste noch zu erleben. Jeder Grund, jeder Vorsatz, warum er diesen Kampf kämpfen musste hinweg gefegt von einem stetigen Strom des Tötens und getötet Werdens, der reine, pure Wille zu überleben. Da, eine winzige Atempause…er schlug einem weiteren Amanto die Waffe aus der Hand und streckte ihn mit einem Stich in die Brust nieder. Für den Augenblick war es ruhig geworden wo er stand, doch um ihn herum tobte noch immer der Sturm. „Takasugi!“ Er drehte sich um und sah zu Gintoki hinüber, der ihn gerufen hatte, seine weiße Kleidung und Haare blutbefleckt. Nicht alles davon war fremdes Blut. „Oi, sieht so aus, als stünden wir dieses Mal nicht all zu schlecht da…“ Takasugi nickte und deutete mit einer weiteren Kopfbewegung auf die Front, die sich momentan recht von ihnen erstreckte, weg von dem Gebäude hinter ihnen, welches den Samurai als letztes als Hauptlager gedient hatte. Dieses Mal schienen sie es tatsächlich zu schaffen – obwohl sie nur wenige waren, hielten ihre Linien dem Angriff der Biester noch stand, drängten sie an einigen Stellen sogar zurück. Er versuchte, in diesem Moment nicht daran zu denken, wie viele Mitglieder seiner Kiheitai wohl dieses Mal ihr Leben lassen würden. Er durfte nicht daran denken. „Wenn wir hier noch weiter so rumstehen, dann brechen sie vielleicht doch noch ein“, meinte er und deutete zu ihren kämpfenden Kameraden. „Lass uns…“ Ohne Vorwarnung wurden seine Worte unterbrochen. Ein unsäglich lauter Knall schwappte über sie und alle anderen hinweg, nur wenige Sekunden später gefolgt von einer Druckwelle, die zwar nicht ganz so stark war, sie trotzdem jedoch beinahe von den Füßen riss. Und das Schlimmste war: der Ursprung lag hinter ihnen. Das Hauptlager. Flammen schlugen aus dem Dach und fraßen sich mit erschreckender Leichtigkeit durch das viel zu trockene Holz. Innerhalb von wenigen Minuten würde das gesamte Gebäude in Flammen stehen. „Verdammt! Ein Ablenkungsmanöver…“  Er wurde von Gintoki unterbrochen, der mit vor Schreck geweiteten Augen flüsterte. „Sie sind noch da drin…Takasugi, all die Verletzten sind noch drinnen! Zura, Yasuo…“ Sie hatten keine Zeit mehr gehabt zu fliehen als die Neuigkeit von dem erneuten Angriff der Amanto eintraf und deswegen die Verwundeten zusammen gepfercht in einem Raum zurück lassen müssen in der Hoffnung, den Kampf zu gewinnen oder ihnen zumindest Gelegenheit zur Flucht zu geben. Beide drehten sich beinahe im selben Moment um und eilten los – auf den brennenden Dächern und in den Höfen des verlassenen Herrschaftshauses wurde schon gekämpft. Nun dachte keiner mehr an Sieg; allen ging es nur noch um das bloße Überleben und selbst diejenigen griffen zur Waffe, die eigentlich kaum die Kraft hatten, eine zu heben. Takasugi erspähte Katsura, der, seine wieder aufgebrochene Schulterwunde haltend, gerade versuchte, ein paar wildschweinköpfige Amanto in Schach zu halten, während hinter ihm zwei Kameraden einen dritten stützten, der  beinahe zu schwach schien um sich überhaupt noch bewegen zu können. Mit einem gewaltigen Hieb machte Katsura zwei der Angreifer nieder, konnte aber nicht verhindern, dass einer der anderen an ihm vorbei kam. Die drei Flüchtenden waren tot, noch bevor er ihnen eine Warnung rufen konnte. Keine Zeit nachzudenken, zu trauern – Takasugi kämpfte sich zu seinem Freund und verschaffte ihnen so für ein paar Sekunden Luft. „Wer ist noch im Haus?“ brüllte er Katsura an. Dieser schüttelte nur benommen den Kopf, den Blick immer noch geschockt auf das Chaos um sie herum gerichtet. „Ich weiß es nicht…Yasuo, Kenta…sie waren alle noch oben, als die Explosion passierte, ich habe sie nicht gesehen…“ Takasugi fluchte. Er konnte weder Gintoki noch die anderen sehen, doch sein Vertrauen in die Fähigkeiten von Katsura, zumindest sein eigenes Überleben zu sichern, war zumindest für den Moment noch stark genug. Mit einem Schrei auf den Lippen stürzte er los, nahm den nächsten Eingang. Innen erwartete ihn ein Inferno – Flammen und Hitze waren überall, machten jeden einzelnen Atemzug zur Qual. Dennoch lief er weiter, sprintete die nächste Treppe hinauf in dem verzweifelten Bemühen, vielleicht wenigstens noch ein weiteres Leben retten zu können. Hinauf, vorbei an lodernden Flammen und durch den beißenden Rauch, der durch den engen Gang quoll und ihn husten ließ. Das furchtbare Geräusch, mit dem Stahl durch Fleisch schnitt und auf Knochen traf, zeigte ihm, dass er zu spät gekommen war. Eine große, breite Gestalt trat aus einem Durchgang, den Körper in einen schwarzen Umhang gehüllt und den Großteil des Gesichtes von einem riesigen, breitkrempigen Hut verdeckt. Grüne Haut…und weiße Haare. Takasugi stockte für eine winzige Sekunde. Verdrängte und doch immer präsente Erinnerungen blitzen auf… “Nein, lasst sie in Frieden! Nein!“ das Feuer, das Blut, alles zu rotem Farbenrausch verschmolzen…die riesige Gestalt…halb verdeckt, grüne Haut und weiße Haare…und der abgeschlagene Kopf, dessen Blick aus toten Augen ihn für immer verfolgen würde. Er erkannte ihn. Mit einem Wutschrei, der alles andere in ihm auszulöschen schien, stürzte er auf den riesenhaften Amanto zu, in seinen Gedanken für nichts mehr Platz außer Rache. Doch er hatte die Stärke seines Gegners und seine eigene Schwäche aufgrund des voraus gehenden Kampfes weit unterschätzt. Sein Hieb wurde mit einer Leichtigkeit und Kraft pariert die ihn beinahe in die Knie gehen ließ. Ein weiterer Schlag des Amanto mir seinem riesigem Schwert beförderte ihn durch die dünne Holzwand auf das dahinter liegende Dach. Plötzlicher Schmerz schoss durch seinen Körper und seine Sicht wurde für einen Moment lang trübe – mehr brauchte sein Gegner nicht. Mit einem einzigen Satz war er bei ihm, sein Schwert direkt auf sein Herz zielend. Im aller letzten Moment besaß Takasugi noch den Verstand, sich außer Reichweite des Hiebes ducken zu wollen, doch Langsamkeit hatte von seinem Körper Besitz ergriffen. Das Schwert vor ihm zuckte, ein heller Streif gegen die roten Flammen im Hintergrund – und dann schrie seine linke Gesichtshälfte auf, schwarze Pein ergoss sich in seinen Körper und drohte seinen Schädel zu sprengen. Er stolperte ein paar Schritte zurück, die Hand auf das linke Auge geschlagen, doch da war nur Blut, nichts als Blut. Schwer atmend bemühte er sich, das Gleichgewicht zu behalten, seine andere Hand umkrampfte das Schwert. Er versuchte, etwas zu sehen, mit seinem rechten Auge etwas zu erkennen, doch das einzige, was er zustande brachte, waren sinnlos gestammelte Worte. „Du…ich, ich erinnere mich an dich! Damals…du warst derjenige, der…aus jener Zeit…“ Vergebens. Es war vergebens…das war also das Ende. Der Amanto vor ihm stürzte sich nur auf ihn, ein wahnsinniges Grinsen auf den Lippen. Doch im letzten Moment, bevor dieser gewaltige Schlag ihn niederstrecken konnte, tauchte mit einem Mal ein Schatten vor ihm auf, den Hieb parierend. Grau, nein, weiß… „Gintoki!“ Auch er hatte also den Amanto erkannt. Der weißhaarige Dämon vor ihm setzte ein Schlag nach dem anderen und brüllte:“ Dieser Bastard! Er gehört mir! Ich werde derjenige sein, der ihn...“ Aus irgendeinem Grund gab ihm dieser Anblick Kraft und noch einmal ließ er zu, dass Wut durch seinen Körper flutete und alle seine Muskeln und Sehnen in Aufregung versetzte. „Zieh‘ dich verdammt noch mal zurück, Gintoki, er gehört mir!“ – „Halt’s Maul!“ Sie beide gingen nun mit vereinten Kräften auf ihren Gegner los, wurden zurück geschlagen und griffen jedes Mal wieder erneut an. Es war wie ein Rausch, eine dunkle Flut, die ihn mit sich riss und ihm irgendwie die Kraft gab, seine Klinge wieder und wieder zu heben. Nachher konnten weder Gintoki noch er sich daran erinnern, wer es nun gewesen war, der ihren Gegner endgültig zu Fall gebracht hatte. Doch irgendwann lag er da, regungslos vor ihnen. „Shinsuke?“ Gintokis Worte schienen den Vorhang zu lüften, der scheinbar die ganze Zeit über ihm gehangen hatte. Er wollte etwas sagen, irgendetwas tun, doch mit einem Mal schienen ihn alle Kräfte verlassen zu haben. Mit voller Wucht brach der Schmerz wieder über ihn herein. Ein leichtes Stöhnen, ein Stolpern, doch bevor er zu Boden fiel, hatte ein Arm ihn aufgefangen, etwas, das er kaum noch bemerkte. Wie durch einen Schleier schienen Worte an sein Ohr zu dringen…“Katsura und die anderen sind in Sicherheit…“ Auf die Erleichterung folgte umso heftigere Qual. Alle Farben vor seinen Augen wurden Rot. Und nach dem Rot kam Schwarz und danach nichts mehr. Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Schmerz wogte durch seinen Körper.  Für lange Zeit glitt er dahin in einem Reich aus Zwielicht, fortwährend hin- und hergestoßen zwischen dem gähnenden Abgrund, der ihn mehr als einmal zu verschlingen drohte und den Stimmen um ihn herum, die ihn wieder ans Licht zu rufen versuchten. Er wusste nicht mehr, wer sie waren, doch irgendetwas an ihnen war wichtig. Er klammerte sich an sie, auch wenn die Bedeutung ihrer Worte ihn nicht immer erreichte.   „Das sieht nicht gut aus…“ „Sein Auge?“ „Keine Chance. Um weiteren Schaden zu vermeiden, werden wir es wohl entfernen müssen.“ „Verdammt. Wird er…?“ „… Ich weiß es nicht. Er war schon immer ein Kämpfer, doch dieses Mal könnte es selbst für ihn knapp werden…“ Seine Ohren nahmen die Worte nur auf, sein Körper wusste instinktiv um ihre Bedeutung und krampfte sich zusammen. Doch sein Verstand begriff sie noch nicht. „Zura, nimm du seine Hände…“ „Nicht Zura, sondern Katsura!“ „…ja. Sakamoto, du seinen Kopf. Er darf sich nicht bewegen können, sonst verletze ich ihn womöglich noch mehr…“ Feste Hände ergriffen ihn. Nass von Schweiß, zitternd. Plötzlich bereitete sich Angst in ihm aus. Er wollte fort, nur noch fort. Doch die Hände hielten ihn fest, ließen keine Bewegung zu. Der Schmerz traf ihn wie ein Pfeil und löschte alles andere Gefühl aus. Da war nichts mehr außer Qual und ein entferntes Schreien, von dem er nicht einmal realisierte, dass es sein eigenes war. Dann versank alles erneut in Dunkelheit.   Dieses Mal glitt er noch ein wenig tiefer hinab, zu einem Ort, an den ihm niemand würde folgen können: dem Reich seiner eigenen Erinnerung, aufgewühlt durch die Begegnung zuvor. Ein Gesicht, das ein Teil von ihm vergessen wollte wegen des brennenden Gefühl des Verlustes, das es mit sich brachte – während die andere Hälfte daran festhielt, erinnerte es doch auch an gute Zeiten. Nein, er wollte jetzt keinen Tod sehen, nicht noch einmal diesen Moment erleben…daher früher zurück, noch früher.   „Gintoki? Gintoki!“ Inzwischen hatten sich wieder einmal alle Augen auf den weißhaarigen Jungen gerichtet, der in einer Ecke saß und mit offenem Mund, das Schwert im Arm, leicht zu schnarchen angefangen hatte. Katsura schaute erst Gintoki an, dann Takasugi, der neben ihm saß. „Wie kann er es nur wagen! Das ist respektlos gegenüber Shoyou-sensei! Und er schläft jedes Mal!“ Takasugi schnaubte. „Sensei hätte so einen Nichtsnutz doch bestimmt schon längt rausgeworfen, wenn er nicht so gut im Schwertkampf wä-“ Ein heftiger Schlag auf den Kopf unterbrach ihn. „Shinsuke!“ Die sonst so sanfte Stimme von Shoyou wurde fast schon schneidend. „Was denkst du dir dabei? Du solltest aufhören so zu reden. Jeder hier hat eigene Talente, die ihn besonders machen. Jemanden nur wegen seiner Fähigkeiten zu verurteilen ist nicht nur unfair, sondern lässt dich auch als Samurai komplett unwürdig erscheinen! Hast du mich verstanden?“ Grummelnd und mit Tränen der Wut in den Augen nickte Takasugi. Zura wollte ihm gerade etwas zuflüstern, da ertönte Shoyous Stimme erneut. „Das gilt auch für alle anderen Anwesenden hier in diesem Raum!“ Er ließ seinen Blick über die beschämten Gesichter vor sich streifen, bis er schließlich an dem inzwischen von all dem Lärm aufgewachten Gintoki hängen blieb. „Und, Gintoki…ich wäre dir dankbar, wenn du aufstehen und wiederholen könntest, worüber wir soeben gesprochen haben.“ Den Rest der Stunde wagte es keiner mehr, etwas zu sagen.   Er hörte das Hundegebell schon von weitem. Ein wildes Gebell, das in den Ohren schmerzte. Nein, dies waren nicht die gezähmten Haustiere, die sich die reichen Menschen hielten. Dies waren halbe Wölfe, ein verwildertes Pack, dass sich um einen Bissen Nahrung selbst zerfleischen würde. Shoyou-sensei hatte sie mehrmals vor dem Rudel gewarnt. Sie würden nicht einmal zögern, über einen der Jungen herzufallen, sofern er alleine war… Und nun war Gintoki mitten unter sie geraten. Takasugi rannte los. Mit einem Mal hörte er die Worte seines Lehrers wieder, erinnerte sich daran, wie er ihnen etwas darüber erzählen wollte, dass man sein Schwert einsetzen müsse, um andere zu schützen. Schon als er um die Hausecke bog konnte er sehen, dass Gintoki lange nicht so schutzlos war, wie er gedacht hatte. Der weißhaarige Knirps setzte sich jedoch nach Kräften gegen die Bestien im Blutrausch zur Wehr. Das lange Schwert ihres Lehrers, welches selbst Takasugi zu schwer gewesen wäre, schwang er mit einem Mal mit einer Behändigkeit, als wäre es aus Papier. Mit erschreckender Genauigkeit schnitt die Klinge durch die Körper der Tiere, tauchte den Jungen und seine Umgebung in blutiges Rot. Doch die Zahl der wilden Hunde schien kein Ende zu nehmen. Es waren viele, zu viele und sie umgaben ihn von allen Seiten. Trotz allem war Gintoki noch ein Kind und seine Kräfte schwanden unaufhaltsam. Einen Moment lang war Takasugi wie betäubt, starrte ungläubig auf den kleinen Jungen, der sich durch seine Umgebung metzelte. Dann jedoch erkannte er die Gefahr, in der Gintoki schwebte, und mit einem Schrei stürzte er sich auf die wilde Meute, wie von Sinnen den dicken Ast schwingend, den er noch auf dem Weg aufgehoben hatte. Obwohl es viele Bestien waren, hatte der Kampf doch irgendwann ein Ende. Zu zweit schafften sie es schließlich, alle von ihnen niederzumachen. Erschöpft und schwer atmend blickte Takasugi auf. Er sah zu dem Jungen mit dem weißen Haarschopf herüber. Denjenigen, den er bis heute nur mit Geringschätzung betrachtet hatte, ein Nichtsnutz, der ihrem Lehrer das Schwert abgenommen hatte und seit dem immer mit sich herum trug. Doch was er heute gesehen hatte, dieser Ausdruck in seinen Augen… Nein, das war nicht nur Gintoki. Es war ein Dämon. Ein wahrhaftiger weißer Dämon. Shiroyasha.   Katsura war es gewesen, der sie später gefunden hatte. Zerschlagen, zerkratzt und zerbissen, aber ansonsten unversehrt. Und auf eine verquere Art und Weise irgendwie noch nicht wirklich zu Freunden geworden, aber doch einander akzeptierend. Der Tod hatte sie das erste Mal zusammen getrieben. Und eigentlich war es auch das, was sie später zusammen schweißte: der Tod in allen Formen, von Freunden und Feinden. Als Kinder spielten sie gemeinsam, trainierten und schlugen sich. Doch viel zu schnell wurde aus Spaß Ernst und der Krieg erreichte auch sie. Aus Jungen wurden Kämpfer. Sie hatten einander unzählige Male das Leben gerettet und den Tod von Menschen betrauert, die ihnen wichtig gewesen waren. Und obwohl es Leid war, das sie zusammen hielt, war dennoch ein besonderes Band zwischen Gintoki, Katsura und ihm entstanden – und Sakamoto, der von Anfang an mit ihnen kämpfte. Fast unbemerkt waren aus ihnen Kumpane, ja sogar etwas wie Freunde geworden. Nichts festigte Bande zwischen Menschen besser als vergossenes Blut, das eigene oder das anderer. Und diese ganz eigene Nähe, die dadurch zwischen ihnen entstand, war im Laufe des Krieges beinahe einer fast seltsam anmutenden Selbstverständlichkeit gewichen.   Er schwamm wieder näher an die Oberfläche dieses Sees aus seinen eigenen Gedanken und der Bewegungslosigkeit, dorthin, wo die Stimmen waren, deren Ton ihm so vertraut geworden war. „-üssen uns zurück ziehen. Es bringt nichts, die Linie ist verloren! Und viele unserer Männer wurden bei dem Angriff auf das Schloss schwer verwundet. Lass uns abwarten, bis wir zumindest wieder alle kämpfen können…“ „Sie werden sich nicht damit zufrieden geben… in vielen brennt der Gedanke an Rache.“ „Sie sind nicht die einzigen. Aber es bringt nichts, unser Leben nutzlos wegzuwerfen, das weißt du!“ Der Streit schien sich fortzusetzen, allerdings flossen die einzelnen Worte ineinander, schienen einfach keinen Sinn mehr ergeben zu wollen. Er wusste, dass es wichtig war, und doch konnte sein Verstand nicht festhalten, was gesagt wurde… Ein leises Geräusch neben ihm, eine kühle Hand auf seiner Stirn, die die Hitze zu mindern versuchte, die durch seinen Körper wogte. Eine Stimme, getränkt mit ehrlicher Besorgnis. „Halte durch, Shinsuke. Wag es ja nicht zu sterben.“ Er wusste nicht einmal wer es war. Gintoki? Zura? Sakamoto? Dennoch wollte er irgendetwas tun, ihnen zeigen, dass er sie hörte, dass er gegen die Schwärze und Hitze in sich ankämpfte. Er versuchte, seine Augen zu öffnen, doch irgendetwas hinderte ihn und beinahe unmittelbar darauf schoss der Schmerz erneut durch seine Gedanken, so dass er aufschreien wollte. Seine Hände krampften sich zusammen, doch das einzige, was er heraus brachte, schien ein unterdrücktes Stöhnen zu sein. Die Hand auf seiner Stirn verstärkte ihren Druck. „Shhhhhhhh. Du hörst mich? Ich hoffe es…du hast hohes Fieber und wir haben Probleme, die Blutung an deinem Auge zu stoppen. Aber du schaffst es…wir wissen, dass du es schaffen wirst. Wer sonst soll uns schließlich nachts durch sein klägliches Geklimper wachhalten?“ „Gintoki!“ eine andere Stimme tauchte neben ihm auf und eine weitere, kühle Hand legte sich auf die seine. „Hör auf, so was zu sagen. Ist er wach?“ „Ach Quatsch, Zura, der hat ein dickes Fell, der verträgt das schon. Ich glaube, er hört uns, aber…“ „Nicht Zura, sondern Katsura. Ich hole ein bisschen Wasser…“ „AHAHAHAHA, da war ich wohl schneller!“ Eine dritte Stimme. Dieses Lachen konnte nur einer Person gehören… Er fühlte, wie jemand behutsam die Hand unter seinen Kopf schob und ihn anhob. Eine ganze Kaskade an Pein ergoss sich durch seinen Schädel, doch die Hand ließ nicht los, hielt ihn vorsichtig, aber fest. Irgendetwas kaltes berührte seine Lippen und beinahe automatisch öffnete er seinen Mund und schluckte das Wasser, das ihm angeboten wurde. Die Bewegung, mit der sein Kopf wieder auf das Kissen zurücksank, war sanft und doch durchstach die Qual sein Denken wieder und wieder, wie eine glühende Nadel. Er hörte kaum noch, was sie sagten, dann fiel die Schwärze erneut über ihn her. Und mit ihr kamen die Schmerzen, stärker und stärker…   Er versuchte, sich festzuhalten an den früheren Erinnerungen, solchen, welche die schönen, die schon beinahe unschuldigen Tage wiedergaben, doch wie ein dunkler Schatten legten sich andere darüber... Situationen, die er vergessen wollte, die nichts als Verzweiflung bereit hielten. Der Anblick des Krieges, Blut und Angst vermischt in einem Sturm der Gewalt.  All seine toten Kameraden, die fragten, warum er sie nicht hatte retten können…verzerrte Fratzen, die versuchten, ihn zu sich zu ziehen. Er wollte ihnen zurufen, dass sie nicht umsonst gestorben waren, dass sie ihr Ziel erreichen würden…doch mit einem Mal fehlte ihm jede Kraft und die Worte starben, noch bevor sie die Luft erreichten. Und darüber, mit alles zerschmetternder Macht diese Momente, die sein Leben so grundlegend geändert hatten…   Fast schien es, als hätte Shoyou schon geahnt, dass es früher oder später passieren würde. An jenem Abend im Frühjahr herrschte eine seltsame Stimmung unter dem Lehrer und seinen Schülern, die, keine Jungen mehr aber auch noch nicht ganz zu Männern geworden, seinen Ausführungen folgten. Die Sonne war gerade untergegangen und der Himmel noch in feuriges Rot gekleidet als sie kamen. Amanto, eine ganze Truppe von ihnen und fast zur Unkenntlichkeit verkleidete menschliche Krieger die fast ein wenig an Mönche erinnerten. Obwohl sie weder ihre Stimmen hoben noch ihre Hände an den Griffen ihrer Waffen hatten, ging von ihnen eine schon fast bedrohliche Aura aus, die jeden Anwesenden beinahe instinktiv erschauern ließ. Sogar Shoyou, der sonst immer so ruhig und beherrscht wurde, schien in diesem Moment angespannt. Er legte eine Hand auf Gintokis Schulter, der sich den Eindringlingen schon wütend entgegen werfen wollte. „Dies hier ist eine einfache Schule. Mit welchem Recht dringt ihr hier ein und wagt es, die Stunde zu unterbrechen?“ „Mit welchem Recht?!“  Einer der Amanto, eine große Erscheinung mit grüner Haut, weißen Haaren und einem durch einen gewaltigen Hut halbverdeckten Gesicht, trat vor. „Und warum sollte dieses Recht für einen Erdenwurm wie dich gelten – und noch dazu einen, der im Geheimen die Ermordung einer der Offiziere der eigenen Regierung plante?!“ Yoshida Shoyou zögerte nicht eine Sekunde, doch der Druck seiner Hand auf Gintokis Schulter verstärkte sich leicht. „Und woher…nehmt ihr diese haltlosen Anschuldigungen?“ Doch der Amanto antwortete nur mit einer Gegenfrage. „Ist es nicht wahr, dass hier das Zentrum einer Rebellion ist? Einer ganzen Gruppe von Abtrünnigen? Und Manabe wolltet ihr aus dem Weg schaffen, weil er mit uns arbeitete und plante, diese Rebellen ein für alle mal auszurotten…“ Takasugi sah auf den Rücken seines Lehrers, der immer so gewirkt hatte, als könnte er das Leben all seiner Schüler zusammen schultern. Er wollte und konnte nicht glauben, was er hörte. Niemand von ihnen konnte es. Und dennoch schien der Außerirdische von seinen Worten überzeugt zu sein… „Uns wurde der Befehl gegeben, sie auf der Stelle zu verhaften und abzuführen!“ Ein wütender Schrei stieg in diesem Moment aus dutzenden Kehlen auf. „Und bei Widerstand sind alle Anwesenden sofort zu exekutieren…“ Das Lächeln das Amanto war bedrohlicher als es jedes Ziehen einer Waffe gewesen wäre.  „Nein, lasst sie in Frieden! NEIN!“ Schützend stellte Shoyou sich vor die Kinder. Noch immer ohne Waffe. Mit ruhiger Stimme befahl er ihnen, nach Hause zu gehen. Dieses Mal war es Zura, der aufschrie. „Aber Sensei!“ „Ich habe gesagt, IHR SOLLT GEHEN! SOFORT!“ Es war das alle erste Mal, dass ihr Lehrer sie jemals so harsch behandelt hatte. Die Jungen spürten, dass sie dieser Situation nicht gewachsen waren. Und dennoch weigerte sich etwas in ihnen, ihren Lehrer nun alleine zu lassen, die Person, die ihnen allen wichtiger war als ihr eigenes Leben. Also wollte er seine harten Worte von eben noch etwas abschwächen, lächelte Shoyou. „Nun geht schon – es wird alles gut gehen. Vertraut mir.“ Noch heute verfluchte sich Takasugi dafür, dass sie dem Bitten ihres Lehrers so einfach nachgegeben hatten. Doch sie hatten ihm vertraut, hatten damals wirklich alle geglaubt, es so sehr glauben wollen, dass sich noch alles zum Guten wenden würden. Alleine Gintoki schien geahnt zu haben, was geschehen werden würde – nach kurzer Zeit riss er sich von ihnen los und rannte zurück zu dem Mann, den er so sehr verehrte, der ihm ein Zuhause gegeben hatte und ein Leben, das nicht nur aus Töten bestand. Sie warteten lange, zu lange, bis sie ihm folgten. Als sie endlich zu der Schule zurückkehrten fanden sie ein Bild vor, welches sie bis dahin noch nie gesehen hatten – tote Amanto und menschliche Kämpfer gleichermaßen, die am Boden lagen und Gintoki, verwundet und die Hände auf dem Rücken gefesselt, der schreiend zwischen den Leichen auf dem Boden kniete. Sie hatten nie erfahren, was Shoyou damals zu ihm gesagt hatte, bevor er abgeführt worden war, aber an jenem Tag war ein Feuer in Gintokis, nein, Shiroyashas Augen entzündet worden. Ein Feuer, das fast alleine dazu fähig schien, sie durch den Krieg und die Tage zu tragen, die nun folgten.   Irgendwann, nach dem mehr als ein Jahr vergangen war, verstanden sie, dass Shoyou nicht einfach wieder zu ihnen zurück kommen würde. Dies war der Moment, in dem sie beschlossen, ihn notfalls mit Gewalt zurück zu holen, koste es was es wolle. Endlose Wochen, Monate voller Kämpfe und Gewalt in dem verzweifelten Wunsch, Shoyou wieder bei ihnen zu haben. Und doch…es war alles umsonst gewesen. Takasugi erinnerte sich noch als wäre es erst gestern gewesen. Der Geruch, der in der Luft war: Tod, Verwesung und der leichte Duft von herbstlichen Kamelienblüten. Der namenlose Amanto, der ihnen den Kopf brachte, eingewickelt in ein altes Tuch voller dunkler Flecken und dafür mit dem Leben bezahlte. Das helle Haar, die hellen Augen, die für immer ins Leere blickten, der Mund, der leicht offen stand als könne ihr Lehrer noch immer nicht begreifen, was geschehen war. Keiner von ihnen konnte es. Und so sehr ihm auch jedes Detail der Szene im Gedächtnis stand – die harte Erde unter seinem rechten Knie, der verzweifelte Ausdruck in Katsuras Augen und Gintoki, der sich nach einem kurzen Blick auf den Kopf umdrehte, die Hand so fest um den Griff seines Schwertes gekrampft als wolle er es zerdrücken – er wusste nicht mehr, was er selbst in jenem Moment dachte. Eine tiefe Leere in ihm schien alles verschlungen zu haben und er schien sich in freiem Fall zu befinden ohne je den Boden zu erreichen.  Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Noch in derselben Nacht begruben sie ihn mit ihren bloßen Händen. Keiner von ihnen sprach ein Wort, keiner von ihnen fragte nach der Zukunft, so sehr waren sie in der Gegenwart verhaftet. Jeder von ihnen dachte eigene Gedanken in den Momenten, in denen sie die bloße Erde mit blutigen Fingerspitzen beiseite scharrten, Gedanken, die sie nie mit jemandem teilten. Takasugi schwor, eines Tages mit eigenen Händen Rache zu nehmen an den Amanto für das, was sie Shoyou und ihnen angetan hatten. Er wünschte sich, stark genug zu werden, um diese Monster wieder aus ihrem Land zu vertreiben. In dieser Nacht starb ein Teil seiner Seele, ohne, dass er sich dessen bewusst gewesen wäre.   Er erinnerte sich kaum an die Tage nachdem sie sein Auge entfernt hatten. Fieberverhüllte Stunden, in denen Vergangenheit mit Gegenwart verschmolz. Manchmal glaubte er, wieder auf dem Schlachtfeld zu sein, er hörte die Schreie, er sah sie alle sterben, wieder und wieder und wieder. Manchmal war Shoyou unter ihnen, manchmal rammte er sein Schwert in einen Amanto nur um festzustellen, dass es die toten Augen von Zura, Gintoki oder Sakamoto waren, die leer zu ihm hinauf starrten. Dann schrie er so laut, dass seine Stimme brach und kämpfte gegen die Hände an, die ihn am Boden hielten, während er versuchte, sich die Bandagen um seinen Kopf herunter zu reißen, um den Schmerz zu stoppen, der wie wahnsinnig durch seinen Schädel tobte.   Er wusste nicht, welche Tageszeit es war, als er das erste Mal wirklich aufwachte, schweißbedeckt, aber bei vollem Bewusstsein. Das Fieber musste zurück gegangen sein, er hatte nicht mehr das Gefühl, von innen zu verbrennen und konnte zum ersten Mal die Kühle des nassen Tuches auf seiner Stirn spüren. Für eine geraume Weile starrte er an die Decke des winzigen Raumes, in dem er lag. Kurz fragte er sich, in welchem Haus sie sich befanden, doch schon bald kam er zu dem Schluss, dass es einfach wieder irgendeines der zahlreichen Landhäuser sein musste, die während des Krieges meist so fluchtartig von ihren Bewohnern verlassen worden waren. Er versuchte, wieder einzuschlafen, doch es wollte ihm nicht recht gelingen. Manche der Wunden an seinem Körper begannen wieder zu schmerzen, doch am schlimmsten war sein linkes Auge, welches so sehr pochte, dass er meinte, jemand triebe Schlag für Schlag einen Meißel tief in seinen Schädel. Vorsichtig schlug er die Decke zurück und versuchte, sich aufzurichten. Er brauchte lange dazu, länger als sonst. Zusätzlich zu den Schmerzen, die den Raum vor seinen Augen verschwimmen ließen, fühlte er sich schwach wie ein neugeborenes Küken. Er schaffte es nicht, aufzustehen, aber wenigstens konnte er den Kasten mit seiner Pfeife, den jemand neben ihn gestellt hatte, auch so erreichen. Auch um das Kraut in seiner Kiseru zum Glühen zu bringen, brauchte sehr viel länger als sonst – der Verlust seines linken Sichtfeldes ließ alles flach und falsch erscheinen und seine Finger zitterten. Er saß halb aufrecht, sein gesundes Auge geschlossen und den Kopf gegen die Wand gelehnt und genoss den Geschmack des Tabaks, der half, die Schmerzen in seinem Körper zu überdecken, wenn schon nicht sie zu vertreiben. Die Nacht war mondhell und das silberne Licht, das durch das Fenster herein fiel, löste gleichzeitig einen seltsamen Frieden wie auch eine vage Trauer in ihm aus. Er hatte beinahe das Gefühl, die Stimmen der Toten hören zu können, Worte wispernd, die er nicht verstehen konnte und wollte. Sein Kopf und seine Gedanken schwammen und mit einem Mal war er froh über das feste Holz in seinem Rücken, der ihm half, das Gleichgewicht zu halten.  „-en.“ Er hatte nicht einmal bemerkt, dass Gintoki den Raum betreten hatte, eine Schüssel in den Händen. „Was?“ Er versuchte, seine Stirn mit der eigenen Hand zu kühlen, doch sie war wieder heiß und fiebrig geworden. „Ich sagte, du solltest dir mal überlegen, eventuell mit dem Rauchen aufzuhören. Ich glaube nicht, dass das Zeug in deinem momentanen Zustand unbedingt förderlich ist. Außerdem ersticke ich nicht gerne, wenn ich anderer Leute Räume betrete. “ „Idiot, hör auf dich dauernd zu beklagen als wärst du eine alte Frau. Du klingst schon fast wie Zura.“ Trotzdem schüttelte er die Reste des glühenden Tabaks in den Aschebehälter neben sich. „Nein, der hätte dir jetzt schon wieder einen ganzen Vortrag über die Nachteile des Rauchens gehalten. Sag mal, hat dein Verstand vielleicht auch unter der Verletzung gelitten oder wie kommst du eigentlich sonst auf den Gedanken, dass du schon aufstehen kannst?“ Doch anstatt ihn wieder gewaltsam auf den Futon zurück zu befördern, ließ sich Gintoki nur auf dem Boden nieder und stellte die Schale neben sich. Er beobachtete ihn eine Weile, ohne auch nur ein Wort zu sagen, als wartete er darauf, dass er das Gespräch beginnen würde. Takasugi jedoch sah nur weiter auf die bleichen Streifen, die das Mondlicht auf den Fußboden malte, in eigene Gedanken versunken, während er erfolglos versuchte, das Brennen in seinem Kopf abzustellen.  Es dauerte lange, bis Gintoki endlich wieder anhob zu reden. „Na los, frag endlich.“ Überrascht drehte er sich um. „Was?“ „Als ob du das nicht selber wüsstest, Idiot. Und nein, ich werde dir nichts vorenthalten und dich auch nicht schonen.“ Takasugi lächelte leise. Er wusste nicht, seit wann Gintoki ihn so gut kannte, doch anscheinend konnte er zumindest in diesem Augenblick in ihm lesen wie in einem offenen Buch. Den Blick auf die Pfeife in seinen Händen gerichtet, stellte er endlich die Frage, die ihn schon die ganze Zeit, seit er wieder aufgewacht war, gequält hatte. „Wie viele?“ „Insgesamt…wir haben siebzig Mann verloren, einen Teil in der Schlacht, aber auch viele von denen, die krank und verwundet waren und deswegen dem Überfall nicht rechtzeitig entkommen konnten.“ Für einen kurzen Moment flackerte ein Bild in seiner Erinnerung auf: Katsura, wie er verzweifelt versuchte, ihre Kameraden zu verteidigen, nur um sie dann wenige Sekunden später sterben zu sehen. Er schluckte und atmete tief ein. Dann drehte er sich zu Gintoki um, versuchte, ihm in die Augen zu sehen. „Und die…meine Kiheitai?“ Gintoki wandte seinen Blick ab. „Über ein Drittel der insgesamt Getöteten…etwas mehr als 30 Mann.“ Das war mehr als ein Viertel der gesamten Einheit oder besser gesagt: was von ihr noch übrig gewesen war nach den hohen Verlusten der ersten Kämpfe. Mit einem Mal wurde Takasugi kalt. Gesichter schossen durch seinen Kopf, Namen. Wer von ihnen hatte überlebt? „Warum?“ Noch immer schaute Gintoki nicht zu ihm. „Gintoki, sieh mich an, verdammt! Warum? Warum gerade meine Einheit?!“  Warum all die Männer, deren Ausbildung er stellenweise persönlich überwacht hatte? Er schrie beinahe. Und dabei war ihm selbst die Antwort schon klar… „Takasugi…“ „Sag es mir. Du hast versprochen, mich nicht zu schonen. Du bist es mir schuldig! Sag es mir!“ Endlich blickte der Mann, den sie den Weißen Dämon nannten, auf und ihre Augen trafen sich. „Ohne ihren Anführer und dessen Vize…Kusaka ist kurz nach der Explosion schon gefallen und obwohl die Kapitäne versuchten, ihre einzelnen Untereinheiten beisammen zu halten, gab es an einigen Stellen doch Chaos. Sie wussten nicht mehr, wem sie folgen sollten…Zura war verwundet, ich gerade damit beschäftigt, dich in Sicherheit zu bringen und du warst bewusstlos. Ohne Sakamoto wäre es vielleicht noch schlimmer gekommen…“ Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt. Wie hatte er nur so töricht handeln und einfach loslaufen können, ohne zumindest ein paar Befehle zu geben? Und Gensui, sein Vizekommandant, der von Anfang an mit ihm in diesem Krieg gekämpft hatte…er war einer der wenigen Schüler Shoyous gewesen, die bis jetzt überlebt hatten. Seine Hand krampfte sich zusammen, so dass sich Fingernägel in sein Fleisch bohrten. Selbst seine Gedanken schienen mit einem Mal kalt zu werden. „Ich muss zu ihnen.“ Vorsichtig versuchte er, sich aufzurichten, ohne vor Schmerzen den Verstand zu verlieren. „Mach keine Witze!“ Mit einem Mal war Gintoki neben ihm. „Idiot, als ob du in dem Zustand noch irgendwo hin gehen könntest. Sieh dich doch an! Du solltest nicht mal sitzen oder stehen!“ Takasugi versuchte den Arm, den Gintoki ihm unter die Schulter geschoben hatte, wieder abzuschütteln. Doch seine Kraft reichte nicht; mit einem Mal wäre er beinahe zusammen gebrochen ohne die Unterstützung. Die Welt um ihn herum hatte mit einem Mal angefangen sich zu drehen. Trotzdem argumentierte er sinnlos weiter. „Ich muss mit ihnen reden…muss ihnen klar machen, warum…muss ihnen sagen, dass es nicht umsonst war…“ „Gar nichts musst du. Niemandem ist geholfen wenn du jetzt vor aller Augen zusammen klappst. Weder den Lebenden, noch den Toten. Verdammt, du hast wenigstens überlebt, zeig ein wenig Dankbarkeit.“ Dankbarkeit? Wofür? Dass er wieder mehr Familien vergebens auf die Rückkehr ihrer Ehemänner, Väter und Söhne warten würden? Dass einige von ihnen nur wegen seiner Dummheit ihr Leben lassen mussten? Seine Gedanken drehten sich im Kreis und er merkte selbst, dass er selbstständig wahrscheinlich nicht einmal mehr einen Schritt tun konnte. Sein Atem ging schwer und die Schmerzen in seiner linken Gesichtshälfte ließen ihn beinahe wieder aufschreien. Behutsam ließ Gintoki ihn auf seinem Futon nieder, um dann zu der Schale zu greifen, die noch immer auf dem Boden stand. „Hier, das wollte ich dir vorhin eigentlich bringen. Zura meinte, ich solle nachsehen, ob du vielleicht wach bist. Es ist inzwischen wahrscheinlich schon kalt, aber besser als nichts…und du musst etwas in deinen Magen bringen, sonst verlierst du den Kampf vielleicht doch noch.“ Takasugi wehrte sich nicht einmal, auch wenn die kalte Brühe wie erwartet widerlich schmeckte. „Uwah, hat die vielleicht Sakamoto gemacht? Wenn ihr nicht aufpasst, vergiftet er uns noch alle…“ Gintoki war immerhin freundlich genug, den müden Scherz mit einem kleinen Lächeln zu quittieren. Sein Blick strich über sein Gesicht, um dann kurz besorgt aufzuflackern. Takasugi hatte sich gerade wieder hingelegt als sich die Schiebetür erneut öffnete und Katsura ins Zimmer trat – sichtlich blass und mitgenommen, aber nichtsdestotrotz im Großen und Ganzen in Ordnung scheinend. „Gintoki, was-„ „Die Wunde ist aufgebrochen und sein Fieber ist vermutlich auch wieder gestiegen. Am besten fragst du diesen Idioten selbst, warum er nicht auch nur ein paar Tage ohne seine geliebte Pfeife auskommen kann…“ Selbst Takasugi konnte das Flackern echter Sorge in Gintokis Blick sehen, als dieser missbilligend auf ihn herab schaute. „Du hast gut reden.“ Zura ließ sich ebenfalls neben ihm nieder. Sein missbilligender Blick galt offensichtlich ihnen beiden. „Solltest du nicht auch besser im Bett bleiben? Die Wunden, die du beim letzten Mal davon getragen hast, waren keine Kleinigkeiten…und du bist erst heute Morgen wieder aufgewacht, nachdem du die letzten Tage entweder bewusstlos warst oder geschlafen hast.“ Takasugi blinzelte - was wiederum einen erneuten Schauer aus Pein in seinen Kopf schickte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Gintoki nicht seine üblichen Sachen trug und er, zusätzlich zu einer ungesund bleichen Gesichtsfarbe, einen Verband am rechten Arm und noch mindestens einen weiteren um die Brust hatte. „Tut mir Leid Zura, ich wollte nur sicher sein, dass unser Bakasugi hier keine Dummheiten begeht. Aber anscheinend war ich wohl schon zu spät…“ Hätten Blicke töten können, dann wären mindestens zwei Personen in diesem Raum nicht mehr unter den Lebenden. „Nicht Zura, sondern Katsura! Offensichtlich seid ihr beide einer dümmer als der andere. Gintoki, du legst dich sofort wieder hin und ich werde mich um Shinsuke kümmern. Ich wollte sowieso den Verband wechseln…“ „Ja, Mama.“ Ohne einen weiteren Kommentar verließ Gintoki den Raum. „Nicht Mama, son-, ach verdammt, als ob dieser weißhaarige Idiot jemals damit aufhören würde. Und du bist auch nicht viel besser, Shinsuke. Was zum Teufel ist in dich gefahren? Am Fenster sitzen und rauchen? Hast du sie noch alle? Du…“ Fast hätte Takasugi wieder gelächelt. Katsuras ewige Litanei war tatsächlich beruhigender als alles andere und lenkte ihn wenigstens ein wenig von den Schmerzen ab, die sich trotz der sanften Bewegungen, mit denen Zura den blutigen Verband um seinen Kopf abwickelte, zu vervielfachen schienen. „Zura…“ „Was?“ trotz des leicht harschen Tonfalls waren seine Hände ruhig und vorsichtig. „Es war notwendig, nicht wahr? Sie sind nicht umsonst gestorben, oder? Wir werden unser Ziel doch noch erreichen…“ „Was redest du da, Shinsuke?“ Doch sein Bewusstsein war schon wieder entglitten.   In derselben Nacht kam das Fieber wieder in voller Stärke zurück, als hätte es nur auf die Nachricht vom Tod seiner Kameraden gewartet um erneut über ihn herzufallen. Erneut pendelte er hin und her zwischen Bewusstlosigkeit, Wachsein und Schlaf. Doch er kämpfte dagegen an, weigerte sich, ebenfalls zu sterben, weigerte sich, die Träume wiederkehren zu lassen. Er hatte keine Angst vor dem Tod; doch er wollte nicht so vieles in seinem Leben noch unerledigt lassen. Deswegen legte er all seine Kraft darin, zu überleben. Seine Männer und seine Freunde waren fast immer da: Sakamoto mit seinem so charakteristischen, idiotischen Gelächter; Zura, dessen sanfte Stimme ihm Mut zusprach und der die meiste Zeit über nach seinen Verletzungen sah; und Gintoki, dessen dumme Sprüche oft in großem Gegensatz zu der  Sorgfalt standen, mit der er sich um ihn kümmerte. Und all die anderen, die kamen und gingen, so dass er sich bald kaum mehr an die einzelnen Gesichter erinnern konnte. Letzten Endes war es eben so viel Glück wie sein Wille, der ihn überleben ließ. Das Schwert des Amanto hätte beinahe seinen Schädel gespalten, wäre er nicht im aller letzten Moment noch zurück gewichen. Der Schnitt in seinem Gesicht zog sich von der Stirn geradewegs durch sein Auge hinunter auf seine Wange und obwohl sie die Wunde einigermaßen ordentlich vernäht hatten würden die meisten Menschen von nun an bei seinem Anblick zurück zucken. Es dauerte eine Weile bis ihm klar wurde, dass er damit auch sein linkes Auge für immer verloren hatte. Und doch…ein geringer Preis, wenn er darüber nachdachte, wen er dafür hatte töten können. Mit einem Mal fühlte er sich leer, nun, nachdem er Teile des Ziels erreicht hatte, wofür er so lange gearbeitet hatte – den Tod von Shoyou zu rächen und einen seinen Mörder ebenfalls vom Antlitz des Universums zu tilgen. Was blieb nun noch? Er erinnerte sich wieder, erinnerte sich an jene Nacht, in der sie ihn begraben hatten und den Schwur, den er damals geleistet hatte…er würde nicht aufgeben ehe nicht auch der letzte dieser Verräter vom Antlitz dieser Erde getilgt war. Das schuldete er inzwischen nicht nur seinem toten Lehrmeister, sondern auch all den Kameraden, die in diesem Krieg schon ihr Leben hatten lassen müssen. Selbst jetzt starben noch manche an den Folgen ihrer Verletzungen oder bei kleineren Scharmützeln, die immer wieder in der Zwischenzeit stattfanden. Fast erschien es ihm, als würde für jeden Tag, den er wieder stärker wurde, ein anderes Leben erlöschen…   Am Ende waren es gerade noch knapp hundert Mann, die schließlich vor ihm saßen. Hundert Mann, alles, was von seiner Kiheitai noch übrig war… wie viel mehr waren sie doch zu Beginn gewesen. Mehrere hundert waren seinem Ruf gefolgt, hatten zu den Waffen gegriffen um die Amanto wieder aus ihrem Land zu vertreiben. Wie stolz er damals gewesen war, als sie alle vor ihm standen. Ob Samurai oder Schmied, Buchhalter oder Bauer, im Gegensatz zu vielen anderen hatte er keinen Unterschied zwischen den einzelnen Ständen gemacht, sondern lediglich nach Stärke gesucht. Er hatte sie über viele Monate hinweg in westlichen wie östlichen Waffen trainiert und nach und nach eine disziplinierte Truppe geschaffen, deren Name schließlich sogar ihren Gegner ein Begriff geworden war. Kiheitai. Doch nach einem Krieg, der sich nun schon mehrere Jahre hinzog, war selbst die Kiheitai zusammen geschrumpft. Selbst wenn es manchmal nur wenige waren, die gefallen waren, so hatte fast jede Schlacht, jedes kleine Scharmützel dennoch seinen Preis gefordert. Wenn auch nicht immer in Menschenleben, so doch in Schmerz, physischer wie psychischer Natur. Doch diese letzte Schlacht…dank immer neuer Verluste hatte er Einheiten umorganisieren müssen, was zu Lasten der Disziplin gegangen war. Und als dann sowohl er als auch sein Vize mit einem Mal ausgeschaltet  worden waren…die Verwirrung, so kurz sie auch gewesen war, hatte ihren Preis gefordert. Einen Preis, der viel zu hoch gewesen war. Takasugi schauderte, als er in die Gesichter vor sich blickte. In allen las er Hoffnungslosigkeit, Schmerz und Angst. Nur wenige waren noch von dem Eifer beseelt, der sie anfangs so fiebrig angetrieben hatte. Jetzt war es an ihm zu versuchen, ihnen zumindest einen Schatten dieses Feuers wiederzugeben. Und das, obwohl er selbst kaum fähig war, länger als eine Stunde herum zu laufen und seinen Pflichten nachzukommen. Doch er hatte sich dem so schnell wie möglich stellen wollen. Er konnte seine Männer nicht alleine lassen. Nicht jetzt. Was er brauchte, war ein neuer Vizekommandant, jemand, dem er vertrauen konnte und der auch gleichzeitig das Ansehen seiner Männer genoss. In den letzten Tagen hatte er einige Stunden damit verbracht, darüber nachzudenken, wen er berufen sollte. Es war keine leichte Wahl gewesen, doch er hoffte, dass sie trotzdem ihre Zustimmung bei seinen Leuten finden würde. Yasuo. Ein junger, gewöhnlich aussehender Mann, Sohn einer einfachen Bauernfamilie. Er war sanft und hatte schon früher bewiesen, dass er auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren konnte. Obwohl er manchmal etwas zu reserviert war und nur wenig über sich verriet, wusste Takasugi, dass seine Leute ihn respektierten und anerkennen würden. Und was noch wichtiger war: er selbst vertraute ihm. Genug, um sicher zu gehen, dass Yasuo, sollte er selbst einmal sterben, die Kiheitai weiter führen und nicht aufgeben würde. Seine Wahl wurde aufgenommen, wie er es erwartet hatte: kaum voller Freude, aber dennoch mit nur wenigen Stimmen, die sich offen gegen ihn aussprachen. Vielen der Männer schien es mittlerweile egal geworden zu sein, wem sie folgten – sie wollten nur noch, dass der Krieg ein Ende hatte und sie nach Hause zurück kehren konnten. Takasugi wusste, dass er den meisten von ihnen den Wunsch nicht würde erfüllen können. Es war grausam, seinen Blick über die Gesichter seiner Kameraden und Soldaten schweifen zu lassen und sich bewusst zu machen, dass nach der nächsten Schlacht wieder ein paar fehlen würden…und bei der darauf folgenden wieder welche, bis kaum noch welche von ihnen übrig bleiben würden. Sie mussten diesen verdammten Krieg gewinnen, und zwar bald.   In den nächsten Tagen verwandten sie viel Zeit darauf, neue Pläne zu schmieden, die sie eventuell ihrem Ziel ein Stückchen näher bringen würden. Doch sie waren sich uneins, welche Strategie sie dabei verwenden sollten: alles in einem einzigen, letzten Aufgebot riskieren oder weiter versuchen, den Feind in vielfache kleinere Kämpfe zu verwickeln und ihn dadurch zu zermürben? Der Angriff auf ihr Hauptquartier hatte sie nicht nur viele Leben gekostet, sondern auch viele ihrer Vorräte, der ohnehin schon knappen Medizin und Waffen. Inzwischen wohnten sie in kleinen Hütten, weit abgeschnitten von der Außenwelt, und der Winter kam. Gleichzeitig hielten Krankheit und Hunger mit ihm Einzug, vor allem jetzt, da die Unterstützung in der Bevölkerung immer geringer wurde und sie kaum weder neue Rekruten noch Materialien und Nahrungsmittel von ihnen bekamen. Nur die Kommandanten selbst und ihre engsten Berater und Stellvertreter waren zu diesem Treffen zugelassen. Katsura brachte eines ihrer größten Probleme schließlich in seiner direkten Art auf den Punkt: „Es gibt nur einen Grund, warum unsere Pläne bisher wieder und wieder zum Scheitern verurteilt zu sein schienen. Es scheint fast, als würde der Feind alle unsere Bewegungen im Voraus erahnen und uns seinerseits Fallen stellen. Dass er den geheimen Weg in das Haus hinein gefunden hat…das war kein Zufall. So ungern ich es auch sage, aber wir haben einen Verräter.“ Stille senkte sich langsam und drohend über das Zimmer nachdem er seine Worte beendet hatte. Keiner wagte es, den anderen in die Augen zu sehen. Takasugi ließ seinen Blick über die versammelten Männer schweifen. Er vertraute jedem einzelnen hier bis zu einem gewissen Grad, jedoch konnte er sich nicht vorstellen, dass auch nur einer von ihnen ein Verräter sein sollte. Und dennoch…die Ereignisse der Vergangenheit schienen kaum einen anderen Schluss zuzulassen. Die Amanto waren ihnen immer einen Schritt voraus gewesen. Und das Schlimmste war: oftmals hatten sie Dinge gewusst, die nur recht wenigen Eingeweihten bekannt gewesen sein konnten. Das Schweigen zog sich in die Länge, schien sich auf jeden einzelnen zu legen und sie alle langsam zu erdrücken. Schließlich ergriff Gintoki das Wort, kurz bevor die ersten den Raum verlassen hätten. „Es bringt jetzt nichts, darüber nachzudenken, wir kommen eh nicht weiter. Das bedeutet dann eben nur, dass wir jetzt eben ein bisschen vorsichtiger sein müssen, wenn wir Pläne machen…und noch weniger Männer darin einweihen sollten.“ Zögernd nickten alle Anwesenden. Keinem von ihnen war der Gedanke geheuer, dass sich der Verräter in eben jenem Raum unter ihnen befand, aber noch war das Vertrauen ineinander stärker als die Angst. Takasugi fragte sich insgeheim, wie lange dem noch so sein würde. Doch Gintoki hatte Recht, sie konnten im Moment kaum etwas dagegen ausrichten. Und so wandte sich das Gespräch schließlich wieder taktischen Fragen zu – der Ort, wo sie die Amanto als nächstes angreifen würden, ihre Gruppenstärke und andere Details. Damit lebte jedoch auch der alte Streit wieder auf: je länger der Krieg andauerte, desto mehr schienen sie sich uneins zu sein, wie sie ihn führen sollten. Letztendlich kreisten sie bei ihren Besprechungen immer wieder um die ewig gleichen Fragen: die volle Stärke ihrer kleinen Armee ausnutzen oder lieber in kleine Gruppen aufteilen? Ein großer Hauptangriff? Wenn ja, wo? Bald schon hatte Takasugi genug und seine Gedanken schweiften erneut ab. Schließlich würden sie wahrscheinlich auch in diesem Gespräch nicht zu einer Einigung kommen. Nach fast einer Stunde sinnlosen Herumredens hatten sie sich jedoch, aller Vorahnungen Takasugis zum Trotz, für so etwas wie eine Strategie entschieden, wenn man sie denn so nennen wollte. „Wir werden uns also den Winter über ruhig verhalten, versuchen, neue Kräfte und weitere Unterstützung bei den Bürgern zu sammeln.“ fasste Katsura das Ergebnis noch einmal zusammen. Takasugi spürte, wie sich seine Hand zur Faust ballte. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Mit einem dumpfen Laut krachte seine Faust gegen die Wand hinter ihm an die er sich gelehnt hatte. Alle Köpfe drehten sich mit einem Schlag zu ihm um und seine Stimme klang gepresst, als er hervor stieß:„Ihr wollt wirklich so lange warten? Mehrere Monate damit verbringen, nichts zu tun? Die Zeit rennt uns davon, während wir hier diskutieren sammeln sich immer mehr und mehr Amanto. Wenn wir erst nächsten Frühling wieder angreifen, werden sie uns überrennen! Wir haben nur dann eine Chance, wenn wir-“ Einer von Zuras Untergebenen, Yamoto, schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort hab. „Chance? Von welcher Chance redest du? Glaubst du etwa immer noch im Ernst, dass wir sie besiegen könnten? Verdammt, Takasugi, mach die Augen auf! Wir haben diesen Krieg schon verloren, es geht nur noch um die Frage, wie wir am besten davon kommen können!“ Für einen Moment wusste er nicht, was er sagen sollte. Takasugi spürte heiße, blinde Wut in sich aufsteigen und beinahe alles verschlingen. Wie im Rausch schritt er um den Tisch, ergriff Yamoto am Kragen und zog ihn nahe an sich heran. „Und was erzählst du deinen toten Kameraden, wenn du an ihren Gräbern stehst? Dass sie alle umsonst gestorben sind? Dass wir keine Chance mehr haben? Sag mir, was?!“ Die letzten Worte schrie er ihm förmlich ins Gesicht. „Shinsuke.“ Eine Hand legte sich auf seinen Arm. Erst jetzt bemerkte er, wie ihn alle erschrocken anstarrten. Doch das war es nicht, was sich tief in sein Herz zu bohren schien: es war Zura, in dessen Augen, vielleicht zum allerersten Mal Angst lag, als er ihn anblickte. Mehr als alles andere verletzte ihn diese Angst und mit einem verärgerten Schnauben ließ er den verwirrten Yamoto los. Ohne auch nur einem von ihnen in die Augen zu blicken ergriff er sein Schwert, das noch immer an der Wand lehnte ließ bei Verlassen des Zimmers die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zuspringen. Die Wut tobte immer noch in ihm, aber er wusste, dass er für heute verloren hatte. Dennoch konnte er kaum glauben, was er dort soeben gehört hatte. Er wusste selbst, dass es nicht zum Besten um sie stand, aber in seinem hatte er nie auch nur die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sie diesen Krieg aufgeben mussten. Gewinnen oder sterben, das war das einzige, woran er je gedacht hatte. Er konnte es nicht verstehen, warum irgendjemand von ihnen einfach würde aufgeben wollen, nach alle dem, das sie schon miteinander durchgemacht hatten. Er konnte und wollte es nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)