Kiiryolsah von Ayame-chan ================================================================================ Kapitel 11: unerwartete Verbündete ---------------------------------- 11. unerwartete Verbündete Tjorben hob eine Hand und gab seinen Leuten damit das Zeichen zum Anhalten. Unweit von ihnen war ein bläulichweißes Schimmern zu sehen, halb verdeckt von einem der Bäume. Noch wusste der Nord es nicht einzuordnen, doch hatte er auch nicht großartig Lust herauszufinden, was dahinter steckte. Das Lager der Sturmmäntel konnte nicht mehr allzu weit entfernt sein, so kurz vorm Ziel wollte er sich in keinen Kampf oder in eine Falle locken lassen. /Besser wir umgehen es, was auch immer dahinter steckt./, dachte er und machte sich daran einen Bogen um das Leuchten zu schlagen. Tjorben erinnerte sich, wie ihm seine Mutter als Kind Geschichten über die Irrlichter erzählt hatte. Für eine dieser schelmischen Kugeln war das Leuchten zu groß, doch zu einer ihrer Mütter würde es passen. Unweigerlich schluckte der Nord. Er war zwar kein Feigling, doch hatte genügend Geschichten über diese geisterhaften Wesen gehört, um sich nicht mit ihnen anlegen zu wollen. Dank ihrer weichen Ledersohlen waren die Bogenschützen eigentlich vollkommen lautlos, doch trotz allem schienen sie von der Lichtquelle bemerkt worden zu sein. Das Schimmern bewegte sich, trat aus dem Sichtschutz des Baumstammes und sah direkt in die Richtung der Truppe. Es war keine Irrlichtmutter, sondern ein Geist, was Tjorben nicht gerade dazu veranlasste sich zu beruhigen. Er hörte das leichte Schaben, als einige der Bosmer Pfeile aus ihren Köchern zogen und locker auf die Sehnen legten um auf einen Angriff vorbereitet zu sein. Der Geist schien sich zunächst nicht zu rühren, dann aber wandte er seinen Kopf leicht nach hinten und rief etwas, was Tjorben nicht verstand. Kurz darauf tauchten zwei weitere Gestalten auf. Eine Dunmer in unheimlich schwarzer Rüstung sowie ein Sturmmantel. Die Augen des Sturmmantels lagen zunächst verwundert auf Tjorben, als sie dann jedoch die Bosmerschützen entdeckten, griff der Krieger kampfbereit nach seiner Axt. „Woh, langsam.“, rief der Braunhaarige zu den dreien hinüber, „wir sind keine Feinde.“ Auffordernd sah er die Waldelfen an, damit sie ihre Bögen wegsteckten, dann wandte er sich wieder seinem Gegenüber zu. „Mein Name ist Tjorben Kreuzwind. Ich und die Bosmer hier sind gekommen, um uns Ulfric Sturmmantel anzuschließen und die Thalmor zu vernichten.“ „Woher sollen wir wissen, dass du die Wahrheit sprichst?“, verlangte Hlfogar zu wissen, der keine Anstalten machte seine Waffe wieder zu senken, auch wenn die Fremden die ihren scheinbar weggepackt hatten. Ein Nord der sich ihnen anschließen wollte war eine Sache. Aber dass er Waldelfen, die eigentlichen Verbündeten des Aldmeribundes, mit sich brachte eine ganz andere. Wieso sollten sie die Seiten wechseln wollen? „Nennt Ulfric Sturmmantel meinen Namen, er wird euch bestätigen können, dass von mir keine Gefahr ausgeht.“, erwiderte Tjorben ruhig. „Sagt ihm, dass die Tempel nicht länger brennen werden.“ Hlofgar war von diesen Worten nicht wirklich überzeugt. Er hatte nie von jemanden namens Kreuzwind gehört. Es ließ auf eine Seefahrerfamilie schließen, was jedoch noch weniger Sinn ergab. Kurz huschten die blauen Augen zum Drachenblut herüber, als Hlofgar mit dem Gedanken spielte Kiiyolsah nach ihrer Meinung zu fragen. Er hielt nach wie vor nicht viel von ihr, auch wenn sich seine Ansicht durch den Kampf und ihr gemeinsames Gespräch langsam zu wandeln begann. „Was haltet ihr davon?“, fragte er die Dunmer schließlich leise, ehe er es sich noch mal anders überlegen konnte. Verwundert wandte Kiiyolsah das Gesicht in seine Richtung. Nach ihrer Meinung gefragt zu werden, war etwas womit sie rein gar nicht gerechnet hätte. Einen Moment lang musterte sie den Nord irritiert, ehe sie zu einer Antwort ansetzte. „Es wäre ihnen ein leichtes uns zu überwältigen, wenn sie wollten.“, sagte sie schließlich leise, damit die Fremden nichts von ihrer Unterhaltung mitbekamen. „Vielleicht wurden sie geschickt, um sich ins Lager zu schleichen und so viele von uns wie möglich zu töten. Aber der Nord irritiert mich.“ Hlofgar nickte, als Zeichen, dass er ihre Meinung teilte. „Es steht Ulfric zu zu entscheiden.“, beschloss er schließlich und wandte sich wieder Tjorben zu. „Folgt mir und ich bringe euch zu Ulfric Sturmmantel,“ sagte er laut. „Bildet eine enge Truppe, sollte einer von euch ausscheren oder sich anderweitig ungewöhnlich verhalten, werdet ihr keine Gnade erfahren.“ Hlofgars Stimme senkte sich, als er sich wieder Kiiryolsah zuwandte. „Bildet das Ende der Gruppe. Sobald einer einen falschen Schritt wagt, friert sie ein.“ „Ihr klingt, als würdet ihr mir neuerdings vertrauen.“, sagte die Elfe, deren ansonsten in der Nähe anderer allgegenwärtige Anspannung Stück für Stück von ihr abfiel. „Sagen wir so, ihr hättet niemals derartig unter den Thalmor gewütet, wenn ihr nicht auf unserer Seite gestanden hättet.“ Er grinste und entlockte der Dunmer damit ein weiteres kurzes Lächeln. „Und noch etwas: das Lächeln steht euch. Ihr solltet es öfters zeigen.“ Vollkommen perplex stand Kiiyolsah an Ort und Stelle und starrte Hlofgar hinterher. Erst als Lucien sie anstieß, setzte sich die Schwarzhaarige in Bewegung um die Nachhut der Gruppe zu bilden. Das Verhalten des Nords verwirrte sie zusehends. Dass er seine Vorbehalte ihr gegenüber ablegte, konnte sie ja noch nachvollziehen, aber wieso er ihr plötzlich Komplimente machte verstand sie einfach nicht. Unweigerlich wanderten Kiiyolsahs Gedanken zu Sorex zurück. Auch er hatte ihr anfangs Komplimente gemacht, ehe er sein wahres Gesicht zeigte. Was wenn Hlofgar ein ähnliches Spiel mit ihr trieb? Sollte sie die beiden überhaupt in einen Topf stecken? „Was ist?“ Wieder war es Lucien, der die Elfe aus ihren Gedanken holte. Langsam schüttelte Kiiyolsah den Kopf, um den Attentäter zu beruhigen. „Ich war nur in Gedanken.“, erwiderte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit dann auf die Waldelfen, die vor ihr liefen. Doch gänzlich konnte sich das Drachenblut auch diesmal nicht auf seine Aufgabe konzentrieren. Allerdings war es diesmal nicht Hlofgar, der sie ablenkte, sondern Lucien. Eigentlich hatte sie ihn als recht schweigsame Person kennengelernt, wenn er nicht gerade etwas zur Bruderschaft beizusteuern hatte. Neuerdings jedoch erkundigte er sich immer häufiger nach dem Befinden seiner Zuhörerin. Es war der Dunmer nie wirklich bewusst aufgefallen, nun aber fragte sie sich, seit wann es so war. War es seit sie in Dämmerstern lebten? Nein, auch vorher schon hatte Lucien versucht auf sie einzuwirken. Es musste während der Zeit passiert sein, als sie mit Sorex zusammengelebt hatte. Kiiryolsah brannte es auf der Zunge den Untoten danach zu fragen, doch dafür war im Moment nicht der richtige Zeitpunkt. Im Lager der Sturmmäntel war es inzwischen ruhiger geworden. Bis auf die Wachen für die Nacht und die Heiler waren alle in die Betten geschickt worden, um für die morgige Schlacht wieder fit zu sein. So erhielt der Zug mit den Waldelfen deutlich weniger Aufmerksamkeit, dennoch waren die Mienen der Kämpfer angespannt, als sie Verbündete ihrer Feinde durch ihr Lager marschieren sahen. Gerade dass die Bosmer nicht gefesselt waren schien ihnen nicht ganz geheuer zu sein. „Ulfric Sturmmantel ist in seinem Zelt?“, erkundigte Hlofgar sich bei der Wache, die vor dem Eingang postiert war. „Ja, Hlofgar Blutfang.“, erwiderte der Mann geflissentlich. „Ein Mann namens Tjorben Kreuzwind wünscht ihn zu sprechen.“ Mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen richtete der Soldat seinen Blick auf den braunhaarigen Nord mit seiner für Valenwald üblichen Rüstung. Kurz öffnete er den Mund, um etwas dagegen einzuwenden, schloss ihn dann aber wieder. Schließlich stand vor ihm der Mann, der General Tullius getötet hatte und er selbst war nur ein geringer Soldat, der es nicht wagen würde, dessen Absichten in Frage zu stellen. Also nickte er und verschwand im Zelt, um die Besucher anzukündigen. Nur weniger später kam er wieder hervor, um ihnen den gewünschten Eintritt zu gewähren. „Kreuzwind, ihr kommt mit mir, die anderen bleiben hier.“, sagte Hlfogar an die Gruppe gewandt. „Ihr werdet sie bewachen, Drachenblut…ihr könnt sie mit euren Fähigkeiten in Schach halten, eine einzelne Wache kann das nicht.“ Kiiryolsahs alles andere als begeisterte Miene darüber außen vor gelassen zu werden, hatte ihn den letzten Teil des Satzes noch nachträglich hinzufügen lassen. Und tatsächlich schien sich die Elfe damit zufrieden zu geben. Zumindest nickte sie zustimmend und ihr Gesicht nahm wieder einen neutralen Ausdruck an. „Sie sind schon ziemlich lange dort drin.“, murmelte Kiiryolsah, als ihr das Warten zu lange wurde. Die zu bewachenden Waldelfen standen regungslos an Ort und Stelle. Keine Worte hatten sie miteinander gewechselt, noch Blicke ausgetauscht. Und die Dunmer wusste nicht, ob sie dieser Umstand beruhigen oder wachsam machen sollte. „Ich könnte mich zum Zelt schleichen und sie belauschen.“, bot Lucien an, der bis eben ebenfalls stumm und regungslos verharrt hatte. Doch dies war wohl mehr dem Umstand zu verdanken, dass er tot war. Ablehnend schüttelte die Schwarzhaarige den Kopf. „Lass nur, ich vertraue Hlofgar.“ Mit hochgezogener Augenbraue wandte ihr der Attentäter sein Gesicht zu. „Du vertraust ihm?“, wiederholte er die Worte ungläubig. „Zumindest will ich das versuchen.“ „Habt ihr auf der Lichtung irgendwas besprochen, was ich wissen sollte?“ „Nein. Unser Gespräch ging nur ihn und mich etwas an.“ „Seit wann hast du Geheimnisse vor mir?“ „Die hatte ich schon immer, so wie du sicherlich welche vor mir hast.“, erinnerte Kiiryolsah ihn, löste die roten Augen von den Bosmern und richtete sie stattdessen auf Lucien. „Wieso kümmert dich das überhaupt? Hast du Angst ich könnte die Bru- unseren Vater verraten?“ Fast hätte die Elfe sich versprochen und vor aller Ohren offenbart, wem sie diente. Lucien schüttelte den Kopf. „So dumm bist du nicht.“, widersprach er und wandte sich wieder den Bosmern zu. „Ich mache mir nur Sorgen, du könntest deiner Aufgabe nicht mehr gerecht werden.“ „Aber für dumm genug nicht zu erkennen, dass das nur eine billige Ausrede war hältst du mich schon?“, zischte Kiiryolsah, doch erhielt keine Antwort. Widerwillig ließ sie es darauf beruhen. Dies war nicht der richtige Ort, um über Luciens seltsames Verhalten zu reden. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, wurde der Zelteingang beiseite geschoben und Hlofar und Tjorben traten hinaus. „Es ist in Ordnung, die Bosmer stehen scheinbar wirklich auf unserer Seite.“, sagte der Blonde und endlich geriet etwas Bewegung in die Gruppe der Bogenschützen. So ruhig, wie sie auf Kiiryolsah gewirkt hatten, waren sie wohl doch nicht gewesen. „Tjorben, wenn ihr und eure Truppe mir folgt, zeige ich euch eure Unterkunft. Ich erkläre euch die Sache im Anschluss, Drachenblut.“ Als der Name der Heldengestalt fiel, richteten sich Tjorbens Augen auf die Dunkelelfe. Zu ihrer Überraschung war dieser nicht abfällig, sondern lediglich neugierig. Vermutlich war er bereits darüber aufgeklärt worden, welchem Volk ihr Drachentöter angehörte. „Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen, Drachenblut.“, sagte der Braunhaarige und deutete sogar eine Verbeugung an, ehe er seinen Leuten bedeutete ihm und Hlofgar zu folgen. Überrascht sah die Schwarzhaarige Tjorben einen Moment lang noch nach, dann wandte sie sich ab, um in ihr Zelt zu gehen. Die Nacht hatte längst ihr dunkles Tuch über das Land gebreitet und die Frage danach, was es mit diesem Kreuzwind auf sich hatte, war das Einzige, was Kiiryolsah noch auf den Beinen hielt. Die Schlacht hatte stark an den Kräften der Elfe gezerrt und das Gewicht der Rüstung schien sich in den letzten Stunden vervielfacht zu haben. Somit gehörte es zu ihren ersten Taten, das schwarze Metall abzulegen, nachdem die Elfe hinter der Zeltplane verschwunden war. Kiiryolsah konnte ein wohliges Seufzen nicht unterdrücken, als endlich das Gewicht von ihren Schultern verschwand und ließ vorsichtig die Muskeln kreisen. Schmerzlich wurde sie wieder daran erinnert, dass sie noch immer keinen Heiler wegen ihrer Hand aufgesucht hatte. Das Gelenk pochte inzwischen schmerzhaft und war angeschwollen. Zögerlich warf die Dunmer einen Blick zum Zelteingang, ehe sie den Gedanken wieder verwarf. Nach wie vor hatten die Heiler sicherlich wichtigeres zu tun, außerdem wollte sie Hlofgars Rückkehr abwarten. Die Schwarzhaarige griff nach einem Verband aus ihrem eigenen Vorrat und wickelte ihn straff um die Hand, um sie zu fixieren. Zur Not konnte sich noch immer auf etwas heilende Magie zurückgreifen, auch wenn sie das vermeiden wollte. Zum einem verstand sie nicht viel von diesem Gebiet, zum anderen war ihr der Gedanke suspekt, mit Magie ihren Körper zu beeinflussen. Vielleicht, weil sie als Kampfmagiern nur zu genau wusste, welche Schäden die Magie anrichten konnte. „Ihr seid verletzt?“ Erschrocken zuckte Kiiryolsah zusammen, als sie Hlofgars Stimme vernahm, welcher ohne Ankündigung in ihr Zelt getreten war. „Eine leichte Blessur, nichts was sich ein Heiler ansehen müsste.“, winkte die Elfe ab und verband ihre Hand zu Ende. „Seid ihr Nord eigentlich ohne Manieren auf die Welt gekommen?“, verlangte Lucien zu wissen, die Stimme bebend vor Wut. „Seit wann platzt man einfach so in das Zelt einer Frau rein?“ Sowohl Kiiryolsah als auch Hlofgar sahen den Geist verblüfft an. Letzterer konnte schließlich nicht verhindern, dass er unter den stechenden untoten Augen leicht zusammensank. Allerdings war es die Dunmer, welche auf die Frage antwortete. „Lucien, beruhig dich. Ich laufe doch nicht nackt herum, wenn ich auf Besuch warte,“ versuchte sie ihn zu beruhigen. „Es hätte aber sein können.“, blieb Lucien stur. „Klingt nach jemanden, der sich damit auskennt, nackte Frauen zu bespannen.“, mischte sich Hlofgar in die Diskussion ein. Ein leichtes Wabern umspielte die sonst feste Gestalt des Attentäters. Die Hand fuhr an die Taille um den Dolch zu ziehen, doch die Stimme seiner Herrin hinderte ihn daran sich auf den Nord zu stürzen. „Lucien!“, herrschte Kiiryolsah ihn an. „Es reicht, wir haben Wichtigeres zu tun.“ Der Untote drehte den Dolch in seiner Hand, ehe er ihn zurück in den Gürtel steckte. Die Augen waren weiterhin mit Mordlust auf Hlofgar gerichtet. „Lucien, ich sagte, dass es reicht.“, wiederholte die Zuhörerin ihre Worte eindringlich. Diesmal löste der Attentäter seine angriffslustige Haltung und wandte sich mit überraschter Miene der Dunmer zu. Mahnend schüttelte diese ihren Kopf und mit einem Schnauben wandte Lucien sich ab, zog sich in die Ecke des Zeltes zurück. Erleichtert stieß Kiiryolsah die Luft aus und schloss für einen Moment die Augen. /Muss ich mich jetzt auch noch mit einem eifersüchtigen Geist auseinander setzen?/, fragte sie sich stumm und wandte sich dann Hlofgar zu. „Setzt euch bitte.“, bot sie ihm an und wies auf einen Stuhl, während sie selbst auf der Bettkante platz nahm. Hlofgar kam der Bitte nach, warf dabei jedoch Lucien einen misstrauischen Blick zu. Dieser hatte sich scheinbar desinteressiert der Zeltwand zugewandt. „Vor wenigen Stunden sagte ich, dass ich euch vertrauen wollte.“, begann der Blonde und richtete seinen Augen dabei auf das Drachenblut. „Aber ihr stellt dieses Vertrauen auf eine harte Probe.“ „Lucien wollte mich nur beschützen.“, erwiderte die Dunmer beschwichtigend. „Aber er würde nie gegen meinen Willen handeln.“ „Geister können manchmal wankelmütig sein.“, wandte Hlofgar ein. „Seid ihr sicher, dass ihr die volle Kontrolle über ihn habt, wo ihr doch nicht mal die Kontrolle über euch selbst habt?“ Kiiryolsah wich den forschenden Augen aus. Im Grunde hatte sie noch nie die Kontrolle über etwas gehabt. Lucien aber konnte sich ihr nicht entziehen. Sie war die Zuhörerin, nur die Mutter der Nacht und der Schreckensvater standen über ihr. Ja, ihr Titel verlieh ihr die Macht über Lucien zu verfügen. Ihr Titel, nicht ihre Fähigkeiten. Da war er wieder, der Stachel der Zweifel, den Hlfogar vor wenigen Stunden erst noch zurückgedrängt doch nun wieder hervorgeholt hatte. Ob sich seine Worte auch auf ihr Amt als Zuhörerin übertragen ließen? Hatte sie tatsächlich die Fähigkeiten dafür, die dunkle Bruderschaft anzuführen? „Lassen wir das.“, wandte Kiiryolsah schließlich ein und versuchte damit die zweifelnden Gedanken zu verdrängen. „Ihr wolltet mir von Kreuzwind erzählen.“ Hlfogar hob zunächst nur eine Augenbraue, beließ es dann aber dabei. Keine Antwort, war schließlich auch eine Antwort. „Tjorben Kreuzwind wurde von seinem Vater tatsächlich als Spion bei den Thalmor eingeschleust. Um ihr Vertrauen zu gewinnen, verriet er den Thalmor mehrere Standorte unserer Talos-Tempel.“ Bei der Erinnerung daran kochte erneute Wut in Hlofgar hoch und er ballte die Hand zur Faust. Es verwunderte ihn nicht, dass Tjorbens Vater aus eigenem Ermessen gehandelt hatte und seinen Jarl erst später darüber informiert hatte. Kein ehrenhafter Nord hätte seinen Gott verraten, schon gar nicht für einen Schachzug, von dem man nicht mal wusste, ob er Erfolg hatte. Kiiryolsah sah den Zwiespalt in Hlofgars Augen. Sie kannte sein Volk inzwischen gut genug, um seine Gedanken erraten zu können. Zögerlich hob sie eine Hand, ließ sie kurz in der Luft verharren, ehe sie diese dann doch auf Hlofgars geballte Faust legte. Überrascht richteten sich die blauen Augen auf die Hand, ehe sie sich wieder auf ihren Gegenüber richteten, eine Erklärung erwartend. „Ich…“, begann Kiiryolsah zögerlich, unschlüssig, ob sie ihre Hand nicht besser wieder zurückziehen sollte. „…die von den Dunmern verehrten Daedra haben mir nie viel bedeutet und ich bin keine Nord. Darum kann ich nicht behauptet, euch verstehen zu können. Aber ich kenne dein Volk und da…“ die Schwarzhaarige brach ab und biss sich auf die Unterlippe. Wenn sie nicht aufpasste redete sie sich noch um Kopf und Kragen und konnte sich dann auf eine neuerliche Auseinandersetzung mit Hlofgar gefasst machen. „Ich kann mit Worten nicht sonderlich umgehen, geschweige denn mit Menschen.“, gestand Kiiryolsah schließlich, um irgendwie wieder aus der Situation kommen zu können. Hlofgars Blick blieb zunächst kritisch, dann aber entspannte er sich und löste die Faust seiner Hand. „Passt auf Drachenblut.“, sagte er und lachte leise, „sonst komme ich noch auf den Gedanken euch sympathisch zu finden.“ „Was schlimm wäre, wo ich doch ein Dunmerbastard bin, der eure kostbarste Heldenlegende beschmutzt.“, erwiderte die Elfe zynisch, die Hlofgars Worte falsch auffasste und zog die Hand wieder zurück. „Nun, ihr bemüht euch nicht gerade, irgendetwas dagegen zu tun, dass mich etwas anderes denken lässt.“, versuchte der Nord sie zu provozieren und tatsächlich blitzten die roten Augen kurz auf. „Vielleicht will ich das auch gar nicht.“, gab Kiiryolsah störrisch zurück und zuckte mit den Kopf nach hinten, als sich Hlofgar plötzlich zu ihr vorbeugte. „Wenn ihr das wirklich nicht wollen würdet, würdet ihr euch nicht ständig klein machen, wenn euch jemand niedermacht.“ Schlagartig war der Trotz verschwunden und aus dem Drachenblut wurde wieder die getretene Elfe. „Es gibt Dinge, für die ich büßen muss. Das man mich tritt, ist somit nur rechtens.“ Entnervt fuhr sich Hlofgar durch die Haare. „Was, bei Talos soll ich mit euch anstellen?“, verlangte er zu wissen und lehnte sich auf seinem Stuhl wieder zurück. „Ich wette, diese sogenannte Buße leistet ihr nicht erst seit ein paar Tagen ab. Ihr lebt in der Vergangenheit, anstatt nach vorne zu blicken. Denkt ihr, ich wäre der, der ich heute bin, wenn ich noch immer rumjammern würde, weil meine Frau und mein Sohn gestorben sind? Weil ich meinen Jungen nicht deutlich genug gemacht hatte, welche Folgen es haben kann, laut damit zu prahlen zu den Sturmmänteln zu gehen und die Spitzohren zu vertreiben? Nein, ich habe nicht vergessen, was geschehen ist. Sie haben einen Platz in meinem Herzen und werden dort immer sein.“ Er klopfte sich dabei auf die Brust. „Aber das Leben geht weiter. Es bringt nichts sich an seinen Fehlern festzubeißen und sich ewig an ihren aufzureiben. Entscheidend ist, dass man aus ihnen lernt, sie im Gedächtnis behält und das Beste daraus macht. Wie viele Chancen mögen wohl vergangen sein, weil ihr nicht loslassen könnt? Denkt gut darüber nach, wie viel Leid hättet ihr verhindern können, wenn ihr endlich mal aufgehört hättet euch selbst zu bemitleiden?!“ Hlofgars Worte trafen die Elfe stärker, als ein Faustschlag es gekonnt hätte. Waren wachrüttelnder, als seine freundlichen Worte noch vor wenigen Stunden auf der Lichtung. Nicht, dass auch ihnen nicht viel Wahres gelegen hatte. Sie waren mutschöpfend gewesen, doch seine jetzigen Worte trafen den Kern. Er hatte recht, sie hatte sich bemitleidet, sich auf ihrer Schuld ausgeruht, anstatt nach vorne zu gehen und etwas zu tun, was ihre Verfehlungen zwar nicht rückgängig machte, aber zeigte, dass sie daraus gelernt hatte. Gerade wollte Kiiryolsah den Mund öffnen, um etwas zu erwidern, doch Hlofgar ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. „Haltet jetzt bloß den Mund.“, warnte er die Dunmer und erhob sich. „Mit euch zu reden, ist verschwendete Zeit.“ „Ihr wolltet mir von Kreuzwind berichten.“, warf die Schwarzhaarige dennoch ein, als Hlofgar sich bereits abgewendet hatte. „Lasst es euch von jemand anderen aufklären.“, erwiderte der Blauäugige, ohne sich noch einmal umzudrehen und stapfte aus dem Zelt. Seine kurze Hoffnung, in dieser Elfe könnte doch etwas vom Drachenbluthelden stecken, hatte er soeben wieder revidiert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)