Das Monster von Sky- (BB vs. Jeff the Killer) ================================================================================ Kapitel 6: Gefährlich --------------------- Rumiko blieb knapp drei Meter von der Hütte entfernt stehen und weigerte sich, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Dies war auch die Grenze für alles andere, was lebte. Denn im Umkreis von drei Metern wuchs nichts mehr. Kein Gras, nicht einmal Unkraut. Der Boden war trocken und unfruchtbar. Nun waren auch Jeff und Liu stehen geblieben und sahen auf die Hütte. Es war, als würde ein Windzug aus den Fugen der vernagelten Fenster herausströmen, der den Klageschrei seiner Todesopfer mit sich trug und sich mit dem Gestank von Blut und Tod vermischte. Jeder vernünftige Mensch hätte spätestens jetzt kehrt gemacht und nicht mehr daran gedacht, die Hütte zu betreten. Beyond erinnerte sich nur zu gut an dieses verfluchte Gebäude. Wie ein unsichtbarer schwarzer Nebel umhüllten Tod und Verderben diesen Ort und jeder in der Stadt würde lieber Selbstmord begehen, als einen einzigen Fuß dort hineinzusetzen. Liu wandte sich an Jeff und in seinen Augen war auch Angst zu sehen. „Jeff, lass es doch lieber. Das hier ist mir nicht geheuer.“ Auch Jeff begann allmählich zu zweifeln, ob das wirklich eine gute Idee war. Aber wie stünde er denn da, wenn er jetzt kneifen würde? Ganz klar: Wie ein großmäuliger Feigling. Und überhaupt, es war nur eine Hütte. Was sollte denn da schon passieren? Das hier war doch nicht „Zimmer 1408“. „Irgendwie ein bisschen enttäuschend. Ich hab sie mir ein bisschen gruseliger vorgestellt.“ Jeffs Worte klangen nicht sehr überzeugend. Er kam in diesem Moment ja sogar etwas armselig rüber und Beyond schüttelte den Kopf. Warum ließ der Kerl es nicht einfach? Niemand würde es ihm übel nehmen, im Gegenteil. Er und Rumiko wären sogar froh, wenn er es sein ließe. Denn wenn da drin sich fünf Teenager gegenseitig die Kehlen aufgeschlitzt haben, weil sie dem Wahnsinn verfallen waren, dann konnte es für Jeff auch nichts Gutes bedeuten. Die Tür der Hütte öffnete sich auf einmal und als da jemand herauskam, begann Liu zu schreien, denn er glaubte für eine Sekunde, einen Geist zu sehen. Ein Junge mit weißblondem Haar, staubgrauen Augen und einem nichtssagenden Gesichtsausdruck kam heraus und starrte sie ausdruckslos an. Es war Sam Leens im Kindesalter. Schon damals wirkte er wie ein wandelndes Geheimnis, das wohl wirklich kein Mensch zu ergründen vermochte. Als Kind hatte er kaum ein Wort gesprochen, war immer alleine und manchmal fragte Beyond sich, ob er eigentlich ein Zuhause hatte. Dass er keine Eltern mehr hatte, das stand für ihn schon längst fest. „Sam, was hast du da drin gemacht?“ rief Rumiko zu ihm rüber. Sam sah sie alle prüfend an, aber er antwortete nicht. Stattdessen ging er einfach und schenkte ihnen keine Beachtung. Doch Beyond konnte sehen, dass er nicht weit von ihnen entfernt stehen blieb und offenbar darauf wartete, dass einer von ihnen die Hütte betrat. Liu wandte sich an Beyond und fragte ihn, wer der Kerl eigentlich sei. „Der Junge heißt Sam Leens. Eigentlich ist es nicht sein richtiger Name, keiner kennt seinen richtigen Namen und Sam Leens ist ein Anagramm für „Nameless“. Er ist ein komischer Typ, der so gut wie nie spricht und lieber für sich alleine lebt. Geht Sam besser aus dem Weg, er ist unheimlich.“ „Irgendwie ist doch alles bei euch in der Stadt unheimlich.“ „Sei still Jeff und lass uns wieder gehen.“ Doch Jeff wollte sich selbst und auch den anderen beweisen, dass das alles nur Schwachsinn war, ging zwei Schritte vor und drehte sich zu den anderen um. „Ich wette mit euch um zehn Dollar, dass ich länger als zehn Minuten da drin aushalte.“ „Jeff, lass es lieber“. Doch egal wie sehr Liu auch versuchte, seinen Bruder umzustimmen, Jeff war ein unglaublicher Sturkopf. Mit Widerwillen willigten Beyond, Rumiko und Liu in die Wette ein und beobachteten, wie Jeffrey Blalock auf die Hütte zuging. Doch dann lief Rumiko auf ihn zu und versuchte, ihn am Arm festzuhalten. „Bitte überleg es dir noch mal. Keiner von uns wird schlecht von dir denken, wenn du es nicht machst. Wir verstehen das schon.“ „Ach was, ihr seid doch alle nur Angsthasen!“ Damit stieß er die kleine Halbjapanerin von sich und legte seine Hand um den Türgriff. Er hörte, wie der Wind durch die Ritzen pfiff und dabei schaurige Klagelaute zu hören waren. Schon jetzt überkam ihm eine Gänsehaut und er zögerte noch. Aber dann riss er sich zusammen und rief zu den anderen „Die Zeit wird erst gezählt, wenn die Tür geschlossen ist.“ Er nahm einen tiefen Atemzug, bereite sich innerlich auf das vor, was ihn da drin erwarten könnte, dann öffnete er die Tür und verschwand im Inneren der Hütte. Beyond begann den Timer seiner Armbanduhr zu drücken und die Zeit wurde gezählt. Liu, er und Rumiko warteten gespannt und wagten es nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Die Sekunden vergingen quälend langsam und die erste Minute schien eine Ewigkeit zu dauern. Als die zweite Minute und dann die dritte Minute verstrichen, schien sich Lius Anspannung zu legen. Es ist alles in Ordnung, dachte er sich. Es ist nur ein Aberglaube und Jeff geht es gut. Immerhin kam der andere Junge ja auch ganz normal wieder raus. Doch kaum hatte die fünfte Minute begonnen, da begann Rumiko nervös zu werden. Länger als fünf Minuten hatte keiner ausgehalten ohne in Panik zu geraten. Und tatsächlich dauerte es lange, da hörten sie laute Schreie aus der Hütte kommen. Es war Jeff. Er schrie um Hilfe, er schrie sich beinahe die Seele aus dem Leib, als ginge es ums nackte Überleben. Liu wurde leichenblass und taumelte zurück. „Was… was geht da vor? Was passiert da mit meinem Bruder?“ Rumiko war die Erste, die sofort reagierte und zur Hütte rannte, auch wenn sie selbst Angst hatte. Wette hin oder her, sie mussten Jeff da sofort rausholen. Sie begann an der Tür zu zerren, doch sie hatte sich anscheinend verklemmt. „Beyond! Liu! Ich krieg die Tür nicht auf, helft mir!“ Die beiden eilten sofort herbei und versuchten mit vereinter Kraft die Türe aufzukriegen, während Jeff da drin wie ein Wahnsinniger schrie. Die Tür klemmte total fest und erst nachdem sie alle zusammen auf Kommando zogen, da sprang sie auf und die drei fielen nach hinten und ihnen folgte Jeff. Er zitterte am ganzen Körper, schaffte es nicht einmal aufzustehen und er weinte sogar. „Jeff, Jeff was ist passiert? Was war da drin los?“ Doch Jeff war nicht in der Lage zu antworten. Er war vollkommen verstört und in dem Zustand hätte er nicht mal seinen Namen sagen können. Und nicht weit entfernt von ihnen stand Sam, der völlig ungerührt von dieser Entwicklung war und weder Erstaunen noch Entsetzen zeigte. Kühl holte er ein Notizbuch heraus, schrieb sich etwas auf und ging dann einfach. Nachdem Jeff sich einigermaßen beruhigt hatte, brachten sie ihn nach Hause. Er sprach auf dem ganzen Weg nicht ein Wort, reagierte auf keine Frage und als seine Eltern in der Tür standen und wissen wollten, was passiert war, brach Jeff in Tränen aus und sank zusammen wie ein Häufchen Elend. Seine Mutter war vollkommen durcheinander und fragte Liu aus, der aber konnte selbst nicht erklären, was genau passiert war. „Irgendetwas war da in der Hütte und Jeff hat wie wild geschrieen. Wir haben versucht, ihn da rauszuholen aber die Tür hat geklemmt.“ „Meint ihr die Hütte am See?“ „Ja.“ Da das Ehepaar Blalock mit dem Schlimmsten rechnen musste, fuhren sie Jeff ins Krankenhaus. Beyond und Rumiko kamen mit. Wie sich herausstellte, wies Jeff keine körperlichen Verletzungen auf. Nicht einmal ein Kratzer und als man selbst in der Hütte nachsah, fand man dort nichts außer ein paar alten Möbeln und Geräten. Als es schließlich Abend wurde, mussten Beyond und Rumiko nach Hause. „Wir hätten Jeff wirklich davon abhalten müssen, in die Hütte zu gehen.“ „Das haben wir doch versucht, aber er wollte nicht hören.“ „Was, wenn es bleibende Schäden bei ihm hinterlässt?“ „Tja, das werden wir wohl noch früh genug herausfinden.“ Am nächsten Tag gingen Beyond und Rumiko Jeff besuchen. Zu ihrem Erstaunen war er vollkommen normal und wie es schien, erinnerte er sich nicht einmal daran, was passiert war. Er riss ein paar derbe Witze, machte sich wie immer einen Spaß daraus, seinen Bruder zu ärgern und schlug vor, dass sie am See Schwimmen gingen. Es war ja ein schönes Wetter und es herrschten noch sommerliche Temperaturen. Die Idee fand bei allen Begeisterung und Rumiko schlug vor, auch den Nachbarsjungen Jamie Miller einzuladen. Dieser war ein Jahr jünger als sie alle und lernbehindert. Er litt unter Legasthenie und stolperte ständig über seine eigenen Füße, oder fiel die Treppen hinunter. Außerdem neigte er zum Stottern. „Diese lahme Flasche willst du wirklich mitnehmen?“ „Jamie ist keine lahme Flasche und wenn du das noch mal sagst, hau ich dir eine rein!“ Ja, Rumiko scheute sich nicht davor, jedem die Fresse zu polieren, der es wagte, Jamie auch nur ein Haar zu krümmen. Obwohl sie beide noch Kinder waren, hatte es trotzdem zwischen ihnen gefunkt. Natürlich war diese Liebe nicht mit der von Erwachsenen zu vergleichen. So etwas verstanden sie noch nicht. Jamie lebte bei seinem allein erziehenden Vater, nachdem seine Diabeteskranke Mutter im Krankenhaus verstorben war. Wie sich Jahre später herausstellte, hatte Jamies Vater sie getötet, weil sie sich von ihrem Mann trennen und das alleinige Sorgerecht für ihren Sohn haben wollte. Dem Jungen selbst ging es nicht gut. Ständig wurde er von seinem Vater ausgeschimpft und gedemütigt, weil er langsamer war als andere Kinder war und motorische Schwierigkeiten hatte. Für ihn war Jamie ein Schwachkopf, ein stotternder Nichtsnutz, der wirklich gar nichts konnte. Beyond hatte Mitleid mit Jamie. Er selbst wurde oft von seinem eigenen Vater geschlagen, aber dass man Fehler vorgeworfen bekam, für die man nichts konnte, das war wirklich schlimm. Jamie gab sich ja alle Mühe, mit den anderen mitzuhalten und er bemühte sich auch, Lesen und Schreiben zu lernen. Manchmal ging Rumiko zu ihm rüber und las mit ihm zusammen die Geschichten von Don Camillo und Peppone. Sehr witzige und einfach erklärte Geschichten, die Jamie besonders liebte. Mit all ihrer Kraft wollte sie dem Jungen dabei helfen, eines Tages auf eine normale Schule zu kommen und irgendwann mal vielleicht sogar eine Art Forrest Gump Geschichte zu erleben. Dieser war ja auch etwas langsamer gewesen und hatte es mit seiner kindlich naiven Art trotzdem zum reichen Mann gebracht, der auf seinem Weg vielen Menschen sehr geholfen hat, ohne sich darüber im Klaren zu sein. Nur leider wollte es das Schicksal ganz anders. Rumiko würde später beobachten, wie Mr. Miller mit einer Sporttasche zum See kam und diese kurz alleine ließ. Sie würde in die Tasche hineinsehen und den abgetrennten Kopf ihres besten Freundes finden. Danach würde sie flüchten und sich in der verfluchten Hütte in einer Kiste verstecken. Ein Regal würde drauf fallen und ihre rechtzeitige Flucht verhindern. Zwei Tage würde sie festsitzen, bis sie sich dann endlich befreien konnte. Dann würde sie Jamies Vater nachts mit der Axt erschlagen und später auch ihre Adoptiveltern umbringen. Vollkommen verwirrt würde sie sich einreden, dass Jamie noch am Leben sei und danach jahrelang nach ihm suchen. Von Einsamkeit zerfressen und von damals traumatisiert würde sie damit beginnen, all jene zu jagen und zu töten, die es wagten, ein Kind anzufassen oder es zu töten. In all diesen Kinderaugen würde sie ihre Jugendliebe Jamie sehen, dessen Tod sie niemals verkraften würde. Wie die Schauspielerin in „Millennium Actress“ würde sie niemals aufhören, Jamie zu suchen bis sie dann eines Tages der Weg zurück nach Hause führen würde. Dann würde sie in die Hütte gehen und unter den Bodendielen die Tasche mit der Leiche von Jamie finden. Ja, so weit war sie in der wirklichen Welt angekommen und wie es ihr ging, das wusste Beyond nicht. Was er lediglich wusste war, dass Rumiko sich zurzeit mit dem spurlosen Verschwinden mehrerer Kinder beschäftigte und dieser Trantüte von FBI Agent Raye Penber auf die Sprünge half. Das hatte Ray-Ray auch wirklich bitter nötig, der Torfkopf würde noch nicht einmal eine Spur finden, wenn man sie ihm direkt vor die Nase hielt. Vielleicht war es ja auch Sams Verdienst, dass sie sich mit diesem Fall ablenkte. Als sie an der Tür der Millers klingelten und nach einer Weile Jamie öffnete, da kamen all diese Erinnerungen wieder hoch und es schnürte Beyond die Brust zu. Wenn das hier kein Traum wäre, dann würde er so vieles ändern. Er würde verhindern, dass Jeff die Hütte betreten und später durchdrehte und seine Familie abschlachtete. Er würde Jamies Tod verhindern und so vieles anders machen. „Jamie, hast du Lust mit uns zum See zu gehen? Wir wollen dort ein bisschen Schwimmen.“ „Au ja! G-g-gerne, i-i-ich sag nur Daddy Bescheid.“ Schnell eilte Jamie wieder rein und es kam, wie es kommen musste: Er stolperte und fiel der Länge nach hin. Wenig später kam er allerdings mit einer Tasche wieder zurück. Beyond erstarrte als er sah, dass es genau die Tasche war, in der seine Leiche später liegen würde. Doch er sagte nichts und gemeinsam gingen sie zum See. Dort schwammen sie um die Wette, testeten, wer unter Wasser am längsten die Luft anhalten konnte und spielten dann Wasserball. Sie alle hatten so viel Spaß wie noch nie und als Rumiko müde wurde und sich an den Steg setzte, um mit Jamie ein wenig zu lesen, ging es für die anderen erst richtig los. Ja, dachte Beyond, während er einen Wettkampf nach dem anderen mit Liu und Jeff bestritt. Das war wirklich einer der schönsten Augenblicke meiner Jugend. Aber wann war das alles so außer Kontrolle geraten? Wann genau hatte das alles eine derart dramatische Wendung genommen, dass er, Jeff und Rumiko zu Serienmördern mit angeknackster Psyche wurden und Liu und Jamie einen grausamen Tod sterben mussten? Vielleicht würde er es ja bald herausfinden. Sie verbrachten die ganze Zeit bis zum Abend zusammen und Jeff wirkte vollkommen normal. Er verhielt sich wie sonst auch. Als es langsam dunkel wurde, gingen sie wie immer durchs Maisfeld. „Sagt mal“, rief Liu zu Beyond und Rumiko, die ganz vorne liefen. „Warum latschen wir ständig durchs Feld? Wird der Besitzer nicht stinkwütend?“ „Nein, der sagt nichts. Außerdem ist es extrem gefährlich, sich bei Anbruch der Dunkelheit in der Nähe des Waldes aufzuhalten. Dort sind in der letzten Zeit immer wieder Kinder verschwunden. Auch tagsüber. Deswegen sagt der Besitzer auch nichts, solange wir nicht so viel kaputt machen.“ „Anscheinend gibt es hier wohl viele gefährliche Orte.“ „Nun ja, diese Stadt hat viel erlebt. Auf dem Gray Hill steht ein altes verlassenes Internat. Dort wurden angeblich vor fünfzig Jahren über 100 Schüler und 30 Lehrer in einer einzigen Nacht umgebracht.“ „Da muss man ja Angst haben, dass das eigene Zuhause ein alter Tatort ist“, kommentierte Jeff im sarkastischen Ton und schüttelte den Kopf. Rumiko, Liu und Beyond sagten nichts über den gestrigen Tag. Es war besser, wenn Jeff sich nicht erinnerte. „Das ist nicht witzig“, sagte Jamie plötzlich, der sich sonst immer zurückhielt und der aufgrund seiner unbeholfenen Gangart der Letzte in der Gruppe war. „Erst vor sechs Monaten ist Lucy Abbott aus der Parallelklasse im Wald verschwunden. Ihr hat die untere Körperhälfte gefehlt.“ „Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Es stand in der Zeitung“, murmelte Rumiko mit einem ernsten Nicken und nahm Jamies Hand, um ihm zu helfen, durch das unebene Feld zu laufen. „Wenn die Sonne untergeht, haben wir alle sowieso Ausgangssperre. Also lasst uns beeilen, bevor es noch Ärger gibt.“ Lucy Abbott. Ihr Anblick war wirklich grauenerregend gewesen. Irgendetwas hatte sie in der Luft in Stücke gerissen und ihr dabei einen Arm und das Genick gebrochen. Von ihrer unteren Hälfte fehlte bis heute jede Spur und nicht nur ihr war es so ergangen. Wenn man überhaupt Kinderleichen fand, so fehlten ihnen manchmal ein Arm oder ein Bein. Man ging davon aus, dass ein wildes Tier in dem Wald sein Unwesen trieb und obwohl man bereits Jäger dorthin geschickt hatte, blieb die Suche erfolglos. Aber selbst wenn es ein Wolf oder ein Bär gewesen wäre, dann hätte man doch Spuren gefunden und es wären auch Biss- und Krallenspuren dort zu sehen gewesen sein. Dem war aber nicht so. Als sich die beiden Brüder von Rumiko, Beyond und Jamie verabschiedet hatten, blieben die drei eine Weile nachdenklich stehen. Zumindest Rumiko und Beyond dachten nach, Jamie hatte nicht die geringste Ahnung, was ihnen durch den Kopf ging. „Ich habe irgendwie eine ganz miese Vorahnung, Beyond. Als wenn etwas Schreckliches passieren wird.“ „Das Gefühl habe ich auch. Aber ich weiß einfach nicht, was es ist.“ „Hoffentlich bleiben sie wenigstens vom Wald fern. Das mit der Hütte war schon schlimm genug und wir konnten von Glück reden, dass wir keinen Ärger gekriegt haben.“ „Vielleicht wäre es besser, wenn die Erwachsenen die blöde Hütte einfach abreißen“, schlug Jamie vor, der sich auch am Gespräch der beiden beteiligen wollte, um zu zeigen, dass auch er gute Ideen hatte. Und eigentlich hatte er ja auch Recht. Eigentlich! „Das Problem ist, dass die Erwachsenen Angst haben, dass das, was in der Hütte ist, auf die ganze Stadt übergeht. Zumindest sollte man sie verschließen und auch die Tür zunageln. Sobald ich 16 bin, hau ich von hier ab und wenn ich auf der Straße leben muss. Überall ist es besser als hier. Manchmal komme ich mir wie in Stephen Kings „Es“ vor.“ „Was ist das?“ fragte Jamie neugierig. „Das ist ein Buch für Erwachsene. Es geht um eine Gruppe alter Freunde, die nach Jahren in ihre Heimatstadt zurückkehren, um ein böses Monster zu töten, das in der Kanalisation haust.“ „W-was ist das für ein Monster?“ „Es frisst am liebsten Kinder und kann jede Gestalt annehmen. Meistens zeigt es sich als Clown oder als Riesenspinne.“ „Igitt, ich ha-ha-hasse Spinnen. U-und vor Clowns habe ich Angst!“ Die Straßenlaternen gingen an und dann hatten sie auch schon ihr Haus erreicht. Rumiko ging noch eine Nummer weiter um sich von Jamie zu verabschieden. Vom Hauseingang aus beobachtete Beyond, wie Jamie errötete und anfing, etwas leise vor sich hinzustottern. Und dann stellte er Rumiko eine Frage, die er nicht ganz verstand und als er sie endlich ganz ausgesprochen hatte, da nahm Rumiko ihn in den Arm und rief laut „Ja, versprochen!“ Als sie sich von ihm verabschiedete und zu Beyond ging, hatte sie Tränen der Freude in den Augen und sie trug im Haar an der linken Seite nun ein rotes Seidenband. Jamie selbst trug ein gleiches um sein linkes Handgelenk. Beyond runzelte die Stirn. „Was war das denn?“ „Jamie hat… ähm…“ Sie wurde ganz verlegen und dabei betastete sie mit einem alles sagenden Lächeln die Schleife. „Wir haben uns gegenseitig versprochen, dass wir heiraten, wenn wir 18 Jahre alt sind. Und da er keine Verlobungsringe kaufen konnte, besonders weil er diese verlieren würde, hat er stattdessen rote Seidenbänder geholt.“ Das war es also, dachte Beyond und spürte wieder diesen unsagbaren Schmerz in der Brust. Der Grund, warum sie all die Jahre diese kindische Schleife getragen hatte war, dass sie ihr Versprechen Jamie gegenüber einhalten und mit ihm eine Familie gründen wollte. Das Schicksal konnte so unsagbar grausam sein, dass es mit uns nicht besser bestimmt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)