Das Monster von Sky- (BB vs. Jeff the Killer) ================================================================================ Kapitel 4: Rückkehr ------------------- Es war jetzt der vierte Mord und das innerhalb von zwei Tagen. Und auch hier war wie in den letzten Morden ein einziges Blutbad, bei dem sich selbst bei hartgesottenen Polizisten der Magen umdrehte. Dieses Mal hatte der Mörder nicht nur die Köpfe abgetrennt, sondern den Körper regelrecht auseinandergepflückt und im ganzen Haus versteckt. Den Torso der 11-jährigen Sarah Winters fand man im Backofen, der immer noch lief und einen beißenden Gestank nach verbranntem Fleisch verbreitete. Man war also gezwungen, erst einmal das Fenster zu öffnen, um überhaupt noch atmen zu können. Ihr Kopf baumelte vom Kronleuchter, wo sie mit den Haaren dort oben festgebunden war. Die Beine waren an den abgetrennten Enden zusammengebunden worden und die Arme fand man im Müll. Ihrer Mutter Corinne erging es auch nicht besser. Man hatte ihr den Kopf um 180° verdreht und dabei war der Täter mit solch brachialer Gewalt vorgegangen, dass ein Teil der Wirbelsäule aus ihrem Rücken herausragte. Die Augen hatte man entfernt und man fand sie im Kühlschrank zwischen den Lebensmitteln, ebenso wie ihre herausgetrennte Gebärmutter. Die Finger hatte der Mörder abgetrennt und ihr in den Mund gestopft, Die Beine wiesen mehrere Frakturen auf. Hier hatte Grinface mit einem harten und stumpfen Gegenstand so kräftig zugeschlagen, dass jeder einzelne Knochen zertrümmert war. Dies geschah wahrscheinlich noch, während das Opfer gelebt hatte. Die Arme, die er abgetrennt hatte, fanden sich in der Waschmaschine, die mit dem Schleudergang längst fertig war. Ihrem Mann Thomas hatte man die Augen zerdrückt, die Zunge herausgerissen und die Gliedmaßen völlig zerbissen und zerkratzt. Außerdem hatte man seine Genitalien abgeschnitten und ihm in den Mund gestopft. Zudem war er vom Unterleib bis zum Brustkorb aufgeschlitzt und sämtliche Organe hatte man auf verschiedene Art und Weise zur Schau gestellt. Sei es in Frischhaltebehälter im Kühlschrank, in Kochtöpfen auf dem Herd oder in der Badewanne. Und anstatt, dass auf dem zerschlagenen Badezimmerspiegel die Nachricht „Go to Sleep“ stand, hatte der Mörder dieses Mal „You Lied Mommy“ geschrieben. „Großer Gott“, murmelte Naomi, als sie das alles sah. „Das wird ja immer schlimmer….“ Ihr war es nach einer ordentlichen Mütze voll Schlaf besser gegangen, aber jetzt stieg wieder die Übelkeit in ihr hoch. Zum Glück hatte sie kaum etwas gegessen, sonst hätte sie sich noch übergeben müssen. Ein paar von der Spurensicherung bekreuzigten sich sogar und murmelten „Herr, stehe uns bei…“, bevor sie an die Arbeit gingen. Der Leichengeruch, vermischt mit dem des verbrannten Torso im Backofen war atemberaubend und Naomi wankte ein wenig. Ihr Kopf fühlte sich ziemlich benebelt an und ihr fiel es schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Im Schlepptau hatte sie dieses Mal nicht Kazan, sondern Beyond Birthday. Ihr eigentlicher Partner hatte sich krank gemeldet und lag mit Grippe zuhause. Ob sie auch etwas ausbrütete?? „Mein lieber Scholli, also der hat sich ja mal ausgetobt“, sagte Beyond Birthday vollkommen ungerührt von dem entsetzlichen Anblick, als wäre er in einer Kunstausstellung. „Kein Stil hat dieser Kerl. Einfach nur blinde Zerstörungswut.“ „Reden Sie gefälligst nicht so pietätlos!“ „Was denn? Serienmörder sind wie Künstler, die den menschlichen Körper als Material benutzen und die Polizei ist nichts Weiteres als eine Ansammlung von Kritikern, die diese Werke bewundern. Aber was hier geschehen ist, das ist nichts Weiteres als Blasphemie an der Kunst.“ Manchmal konnte Beyond ein richtiger Mistkerl sein, da war sich Naomi sicher und am liebsten hätte sie ihm für diesen Kommentar eine reingehauen. Sie sahen sich zusammen um, jedoch konnte man fast nirgendwo hingehen, ohne in eine Blutpfütze zu treten. Selten hatte die Spurensicherung so viel Arbeit wie hier. Beyond begutachtete die Fenster, um nach Einbruchspuren zu suchen, fand allerdings nichts. „Wenigstens ist er, was den Einbruch betrifft, nicht ganz so stümperhaft. Anscheinend hat er sein Können weitestgehend perfektioniert. Allerdings frage ich mich, warum er in einem so kurzen Zeitraum mordet. Normalerweise lässt er sich doch eine Woche lang Zeit.“ „Vielleicht hatte er keine Lust mehr zu warten und wollte sich noch mal austoben.“ „Nein, ich glaube, es steckt noch etwas anderes dahinter. Er wird nicht aus irgendeiner Laune heraus so früh noch mal zuschlagen, sonst wären auch seine anderen Morde nicht in einem dermaßen regelmäßigen Abstand. Vielleicht hat er etwas vor, das ihn eine längere Zeit daran hindern könnte zu morden.“ „Und was genau schwebt Ihnen da so vor?“ „Na denken Sie doch nach Frau Misora. Wenn jemand, der normalerweise nicht nachdenkt, während er mordet, plötzlich dermaßen schnell noch ein weiteres zeitaufwendiges Massaker dazwischenschiebt, dann heißt es, dass er in der nächsten Zeit deutlich eingeschränkt ist. Das könnte eine körperliche Einschränkung sein.“ „Sie meinen, er ist krank oder schwer verletzt?“ „Letzteres ist am wahrscheinlichsten. Allerdings hätte er dann kaum dieses Blutbad anrichten können. Vielleicht lässt er sich ja unters Messer legen und ist dann verhindert.“ „Dann müssen wir Kontakt zu den Krankenhäusern in der Umgebung aufnehmen.“ Während sich Naomi darum kümmerte, begutachtete Beyond den Spiegel. Warum hatte Grinface seine Nachricht geändert und „You Lied Mommy“ geschrieben? Wenn es wirklich Jeff war, war etwas in seiner Vergangenheit passiert, was ihn wütend auf seine Eltern gemacht hat? War etwas nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus passiert, was ihn dermaßen durchdrehen ließ, dass er seine eigene Familie massakrierte? Eine Lüge…. War er vielleicht wütend geworden, weil er sich selbst dermaßen hässlich vorkam und seiner Mutter nicht glauben konnte, dass sie ihn trotz dieser Entstellung liebte? Vielleicht hatten ihm diese schweren Verletzungen endgültig den Verstand geraubt und der Zorn auf seine Familie hatte sich auch auf andere übertragen. „Jeff, du verdammter Idiot.“ Beyond war weder traurig noch wütend, er war auch nicht enttäuscht. Nein, er verspürte lediglich ein gewisses Bedauern, denn er hatte gehofft, dass wenigstens einer seiner Bekannten, die noch am Leben waren, nicht geisteskrank geworden waren. Vielleicht war das ja auch seine Schuld. Wenn er selber diese Punks getötet hätte, dann hätte es vielleicht anders laufen können. Aber… er war noch nie in der Lage gewesen, anderen Menschen zu helfen. Weder jener Person, die ihm von der Tyrannei seiner Eltern erlöste und dafür selbst durch die Hölle ging, weder seinem verstorbenem Freund aus dem Waisenhaus, noch irgendeinen anderen Menschen. Alles was er konnte war, anderen Menschen ihr restliches Leben zu nehmen. Warum hatte er diese Gabe, diese Shinigami-Augen überhaupt? Diese Frage hatte er sich mehr als oft genug gestellt. Er kniete sich hin und durchsuchte nun den Mülleimer. Dort fand er nicht viel, aber dafür ganze vier Fläschchen mit Augentropfen. Ganz schön viel für eine einfache Familie, eigentlich zu viel, wenn er so darüber nachdachte. Könnte ja sein, dass eines davon dem Täter gehörte. Wenn er Glück hatte, fanden sich vielleicht Fingerabdrücke des Täters, wenn es wirklich von ihm stammte. Gut, dass er im Vorfeld an die Handschuhe gedacht hatte. Er ließ die Fläschchen ins Beweistütchen verschwinden und suchte weiter. Doch sonst war da nichts Interessantes im Müll und so begann er, das Schränkchen zu durchsuchen. Da drin befanden sich Antidepressiva, Verhütungspillen, Hautcreme und Anti-Aging Mittelchen. Dann noch eine Salbe gegen Gelenkschmerzen, Betaisodona, Ibuprofentabletten gegen Kopfschmerzen, ein Parfum von Thierry Mulder und Make-up. Aber von Augentropfen war nichts zu sehen und wenn alle leer waren, dann holte man sich doch normalerweise Nachschub. „Frau Misora!“ rief er und verließ das Badezimmer. „Ich hätte da vielleicht etwas Interessantes.“ Mit einem beinahe triumphierenden Ausdruck im Gesicht hielt er ihr den Beutel mit den Augentropfenfläschchen hin. „Vielleicht ist ja heute unser Glückstag und wir finden ein paar Fingerabdrücke des Täters.“ Augentropfen?“ fragte Naomi ungläubig. „Also langsam werden Sie mir immer seltsamer mit Ihren Ideen.“ „Ich habe nirgendwo im Badezimmer Augentropfen gefunden und wenn Grinface so viel davon braucht, könnte es bedeuten, dass er ein Augenleiden hat und es vielleicht behandeln lassen muss. Jedenfalls ist es unwahrscheinlich, dass sie den Opfern gehören.“ „Dann haben wir es also mit einem blutrünstigen Psychopathen mit Krallen, scharfen Zähnen und einer eventuellen Bindehautentzündung zu tun. Wenn er wirklich diese ganzen Augentropfen verbraucht hat, muss er ein wirklich starkes Augenleiden haben.“ „Und das würde erklären, warum er seinen nächsten Mord vorverlegt hat.“ Nun ging Beyond in die Küche um sich die Sauerei dort näher anzusehen. Den Torso der kleinen Sarah hatte man aus dem Backofen herausgeholt. Er war schwarz verbrannt und stank fürchterlich. „Also das ist wirklich krank, selbst für meine Verhältnisse…“, murmelte Beyond und hielt sich ein Taschentuch vor dem Mund, denn der Geruch von verbranntem Fleisch brannte in Augen und Nase und er begann zu husten. Obwohl man das Fenster bereits geöffnet hatte, war die Luft hier drin kaum zu ertragen und überall hing noch der Qualm. Naomi hatte den Kühlschrank unter die Lupe genommen und unter anderem auch die herausgeschnittenen Augen gefunden, die man statt der Oliven zusammen mit Käsewürfel aufgespießt hatte und die sie anzuglotzen schienen. Sie musste einen Brechreiz unterdrücken und wandte den Blick ab. „Warum macht er so etwas? Will er uns irgendetwas beweisen oder demonstrieren?“ „Ja und nein. In seinen ersten drei Morden war es ihm vollkommen egal, was die Polizei über ihn dachte oder ob sie nach ihn suchte. Er hatte nur Augen für sein Werk gehabt. Aber jetzt hat er sich auffällig viel Mühe gegeben, seinen vierten so bizarr und bestialisch wie möglich aussehen zu lassen, was natürlich die Frage aufwirft, ob er uns etwas damit zeigen will. Allerdings würde das doch keinen Sinn machen, da er doch die ersten drei Morde nach demselben Prinzip durchgeführt hat. Eine Möglichkeit lautet: er will uns so lange wie möglich mit diesem Saustall beschäftigen, damit nicht auffällt, dass er danach verhindert sein könnte. Die zweite Theorie ist, dass er sich vor seiner Auszeit noch mal richtig austoben wollte und das trifft eher zu. Sonst hätte er es anders gemacht. Er hätte genauso gut eine an das FBI gerichtete Botschaft hinterlassen können, aber das hat er nicht getan. Und dann hätte er die anderen Morde genauso durchgeführt.“ Das machte schon Sinn. Aber es stellte sich die Frage, was genau Grinface passieren würde und ob das nicht vielleicht ein Trick war. „Und wenn er uns genau das glauben lassen will und nun untergetaucht ist?“ „Ich habe doch vorhin gesagt, dass er sich keinen Deut für die Polizei oder das FBI interessiert. Er interessiert sich nur für sich selbst und das gibt uns die Chance, eine Spur zu ihn zu finden. Wir müssen einfach noch mal alles durchsuchen.“ Gesagt getan und sie nahmen wirklich alles in der Wohnung auseinander. Schließlich ging Beyond in den Garten und sah sich dort um. Offenbar war Grinface ganz einfach über den Zaun gestiegen und dann durchs Beet gelaufen. Die Rosen waren zertrampelt und am Zaun hing ein kleiner Stofffetzen. Den sammelte er auch ein und begann nun im Beet zu suchen. Die Fußspuren, die er entdeckt hatte, fotografierte er selbstverständlich und dann wollte er wieder reingehen, da glaubte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrzunehmen. Und es stand tatsächlich jemand auf der anderen Seite des Zauns. Ein junger Mann, vielleicht in seinem Alter mit weißblondem Haar, das perfekt frisiert war und zwei grauen Augen. Er trug einen Anzug und sah sehr vornehm aus. Diese starren Augen… dieses ausdruckslose Gesicht…. Beyond kannte es von damals. Und es überkam ihm jedes Mal eine Gänsehaut, wenn er sie sah. Alle Gesichtsfarbe wich aus seinem Gesicht und er wich zurück. Zum ersten Mal seit Jahren überkam ihm Angst. Es war nicht die Angst vor dieser Person selbst, sondern die Angst vor dem, was er nicht sehen konnte. Denn dieser junge Mann war der Erste in seinem Leben, von dem er zwar die Lebenszeit, aber nicht den Namen erkennen konnte. „Was… was machst du hier?“ Keine Antwort. Der junge Mann starrte ihn einfach an und gab keine Gefühlsregung von sich. Kein Verziehen der Miene, kein Glanz in den Augen, kein angedeutetes Lächeln, geschweige denn überhaupt, dass er ein Wort sprach. Beyond wusste genau, wer dieser junge Mann war und was er eigentlich verkörperte. Und er hatte Angst, dass genau dieses Wissen ihm zum Verhängnis werden konnte. „Bist du hier wegen Jeff?“ Eine leichte Kopfbewegung, die wohl ein Nicken andeuten sollte. „Und… und… weißt du wo er ist?“ Keine Reaktion. Das Einzige, was dieser Mensch von sich gab (Wenn es sich in Beyonds Augen überhaupt jemals um einen Menschen gehalten hatte) war seine unendliche Kälte, die ihn wie eine unheimliche Aura umgab. Sam Leens, so nannte ihn jeder, der genug von ihm wusste um zu wissen, dass jedes weitere Wissen für ihn den Tod bedeutete. Sam Leens, der gefühlslose Killer, der Familien entführte und sie so lange psychisch als auch körperlich folterte bis er seine Studien über menschliche Emotionen beendet hatte. Der namenlose Alptraum von Amerika. „Bist du hier um mich zu töten?“ Ein leichtes Kopfschütteln. „Und weswegen bist du dann hier?“ Wieder keine Antwort. Aber dann zeigte er auf die Gartenlaube, was Beyond wohl als Hinweis verstand. Seltsam. Warum machte Sam das überhaupt und warum war er hier? Wenn Beyond ehrlich war, so hatte er sich gewünscht gehabt, dieses Monster nie wieder in seinem Leben zu sehen. Allein die Erinnerung an damals, was Sam den Kindern in seiner Klasse angetan hatte, ließ ihn erschaudern. Er ging in die Gartenlaube und fand dort eine Knochensäge, die blutverschmiert war. Seltsam, warum hatte er sein Werkzeug nicht mitgenommen, so wie er es immer tat? Selbst wenn er nicht mehr richtig im Oberstübchen war, dann müsste er doch wenigstens die Tatwaffe mitnehmen. Handschuhe konnte er ja nicht getragen haben, so lang wie seine Fingernägel waren. Er hätte sie an den Fingerspitzen abschneiden müssen. Oder hatte diese Fahrlässigkeit einen bestimmten Grund? Warum war es ihm egal geworden, ob man an seine Fingerabdrücke kam? Hatte er etwa vor…. Schnell verließ Beyond die Laube und sah zu Sam, der wie ein Mahnmal des Unheils an der Straße stand. „Er will sich seine Fingerabdrücke entfernen lassen, indem er seine eigenen Hände verstümmelt, nicht wahr? Das ist es, was du mir sagen wolltest, oder?“ Sam sagte nichts, er sagte nie etwas, wenn er es nicht für absolut nötig halten würde. Nur ein leichtes Nicken kam als Antwort. „Warum zeigst du mir das?“ Sam schwieg und wandte sich zum Gehen um. Beyond machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Seine Angst war dafür zu groß. Aber dann fragte er ein letztes Mal. „Ist es wegen ihr?“ Sam drehte den Kopf und sah Beyond mit seinen farblosen glasigen Augen an. Er antwortete ihm mit einem Nicken, dann ging er und verschwand um eine Häuserecke und das so plötzlich, wie er gekommen war. Manchmal kam er Beyond wie ein Phantom oder wie ein Gespenst vor. Und wie heilfroh war er, dass dieser namenlose Mensch endlich weg war. Schnell eilte er wieder ins Haus und rief Naomi Misora, die gerade mit jemandem von der Spurensicherung redete. Er zeigte ihr den sichergestellten Stofffetzen und erzählte ihr von seinem Fund in der Gartenlaube. Über Sam verlor er kein Wort. Das war ihm zu gefährlich. „Sie glauben also, er will seine Handflächen verletzen um keine Fingerabdrücke mehr zu hinterlassen? Sind Sie sich da auch sicher?“ „Das würde sein fahrlässiges Verhalten erklären. Wie will die Polizei denn jemanden mit Fingerabdrücken überführen, wenn er keine mehr hat? Genau deswegen hat er die Knochensäge da gelassen und deswegen hat er auch die Augentropfen einfach so in den Müll geworfen.“ „So ein Mist. In dieser kurzen Zeit werden wir ihn sicher nicht finden. Wir wissen ja noch nicht einmal, wo wir mit der Suche anfangen sollen.“ Da hat sie nicht ganz Unrecht, dachte Beyond und kaute nachdenklich auf seiner Daumenkuppe. Auch wenn er vollkommen durchgeknallt war, würde Grinface nicht so blöd sein und sich hier in der Nähe aufhalten. Wenn es sich bei ihm wirklich um Jeff Blalock handelte, dann würde er sich einen Ort suchen, an dem er in Ruhe leben konnte und auch nicht auffiel. Verlassene Gegenden würde er sicher nicht aufsuchen, wenn er wirklich dermaßen viele Augentropfen verbrauchte und sich auch noch selbst die Finger kaputt machte, dann musste er in der Nähe von Apotheken leben. Aber wo genau könnte er denn hin, wo er sicher sein konnte, dass niemand ihn an die Polizei verraten würde? Könnte es vielleicht sein, dass er zurück nach Hause ging? Zurück an den Ort, wo er seine eigene Familie abgeschlachtet hatte? Der Gedanke an seine eigene Heimatstadt ließ Beyond unwohl werden. Dabei hatte er sich doch geschworen, nie wieder dorthin zurückzukehren. Damals war er davongelaufen, um so weit weg wie möglich von seinen eigenen Erinnerungen zu flüchten. Vor den Leuten, die von seinem Leid wussten, was ihm angetan worden war und trotzdem einfach geschwiegen hatten. Und vor dem Grauen, was da in diesem Städtchen lauerte, dem er nur knapp entronnen war. Jeff wusste davon nichts, er war ja erst später mit seiner Familie hingezogen und doch hatte es gerade mal ein Jahr gebraucht, um ihn zum psychischen Krüppel zu machen. Er selbst war mit acht Jahren soweit gewesen, dass er am liebsten seine eigenen Eltern umgebracht hatte, wenn nicht etwas dazwischengekommen wäre. „Ich glaube, ich weiß wo er hingegangen ist“ sagte er mit solchem Ernst, dass auch Naomi beunruhigt war und Schlimmes zu ahnen begann. „Und wo könnte er sein?“ „In meiner Heimatstadt.“ „Sind Sie sich da ganz sicher?“ „Glauben Sie mir Frau Misora, ich wäre unendlich dankbar wenn ich falsch läge und dem nicht so wäre. Aber das ist wahrscheinlich der einzige Ort, an dem er sich bedenkenlos blicken lassen kann, ohne dass die Polizei dort etwas unternimmt. Denn diese Stadt ist dafür bekannt, dass sie all ihre Verbrechen unter den Teppich kehrt und sich darüber totschweigt. Und ich spreche nicht nur von Handtaschendiebstahl oder Vandalismus. Nein, in dieser Stadt hat es alles gegeben. Entführungen, Missbrauch, Vergewaltigung, schwere Körperverletzung und auch Mord. Allerdings werden all diese Fälle vertuscht.“ „Warum denn?“ „Weil der Ort schlecht ist. Es ist ein verdammt mieser Ort und die Menschen haben Angst. Angst vor dem, was dort ist und was sie weder sehen noch greifen können. Deswegen schotten sie sich selbst ab und tun so als wäre nichts.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)