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Das Monster

BB vs. Jeff the Killer
von

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Ein Bekannter

Da eine Suche nach Beyond Birthday nicht den geringsten Erfolg zeigte, versuchte man es nun über Fahndung. Der Verdacht, dass er die drei Familien ermordet hatte, hatte sich immerhin durch die Zeugenaussage von Mrs. Dickens erhärtet und das war schon Grund genug, ihn als Tatverdächtigen zu verhören. Außerdem hatte er bereits zuvor drei Morde begangen und er wäre auch verurteilt worden, wenn die Juristen nicht geschlampt hätten. Müde rieb sich Naomi die Augen und begann, in der Datenbank nachzusehen. Vielleicht hatten sie etwas übersehen. Möglicherweise gab es ja jemanden, der bekannt für dermaßen blutige Morde war. Sie schränkte die Suche ein und der Computer spuckte ein paar Namen aus. Unter anderem eine gewisse Angeline Heaven, die neun Morde begangen hatte, aber freigelassen wurde, weil die Beweislage zu dünn war. Dann der Serienmörder Yugure Heian alias „Doktor Tod“, der seine Opfer auf brutale Art und Weise tötete und ihre Organe stahl, um sie zu essen. Doch der saß zurzeit in einer Irrenanstalt und befand sich auch noch dort. Dann gab es William Chevalier den Kindermörder, allerdings passte er rein gar nicht dazu, weil er ein Ästhet war. Interessanter war aber der Name Rumiko Karasuma. Sie wurde verdächtigt, der Henker von Boston zu sein. Dieser schlitzte seine Opfer bei lebendigem Leib auf, bevor er sie enthauptete und ihre Köpfe mitnahm. Allerdings würde das wieder nicht passen, weil der Henker aus Prinzip nur Kinderschänder und Kindermörder jagte. Warum sollte er es jetzt plötzlich auf Familien abgesehen haben? Vielleicht war ihr Mörder ja noch nicht in der Datenbank eingetragen und das würde bedeuten, dass er noch nicht vorbestraft war. Diese Möglichkeit war die Wahrscheinlichste von allen. „Ach so ein verdammter Mist“, murmelte Naomi und kratzte sich am Kopf. „Wir suchen echt die Nadel im Heuhaufen.“ Da die Suche in der Datenbank erfolglos blieb, versuchte sie nun Zeitungsberichte zu finden, in der von einem Psychopathen die Rede war, der dafür bekannt war, seinen Opfern Fleisch aus dem Körper zu beißen und ihnen mit den Fingernägeln tiefe Verletzungen zufügte.

Doch außer dem Kannibalen von Louisiana und „Doktor Tod“ gab es keinen und der Kannibale aß auch Teile seiner Opfer, aber er spuckte sie nicht wieder aus. Und Doktor Tod schied ja aus, weil der noch hinter Gittern saß. Grinface ging es nicht darum, seine Opfer zu essen, sondern um blinde Zerstörungswut. Er wollte sie nicht nur mit dem Messer bearbeiten, sondern auch mit seinem eigenen Körper. Der Kerl musste wirklich gestört sein. Aber dann fand sie einen kurzen Artikel. Er war nicht von der Los Angeles Post, sondern von einem unbedeutenden kleinen Lokalblättchen irgendeiner kleinen Stadt. „Familie nachts ermordet. Vom Täter fehlt noch jede Spur.“ Leider gab es keine konkreteren Hinweise und als Naomi per Telefon herausfinden wollte, was damals passiert war, da wurde sie einfach abgewimmelt. Man könne sich nicht an damals erinnern, es wäre zu lange her und wenn es kein großer Artikel war, dann war es auch nicht so wichtig. „Ich bitte Sie, hier geht es immerhin um Familienmord. Wenn so etwas nicht wichtig ist, was verstehen Sie dann darunter?“ Es wurde einfach aufgelegt. Naomi hatte das Gefühl, dass in dieser Stadt irgendetwas faul war. Niemand würde so etwas einfach verschweigen und die Sache als Kleinigkeit abstempeln. Sie gab den Namen der Stadt in den Computer ein und bekam ein paar interessante Informationen. Das kleine Städtchen, das in seiner Architektur dem deutschen Stil nachempfunden wurde, bestand aus einem ca. 29km² großen Wald, einem See und besaß sonst nur einen Bahnhof, ein paar unbedeutende Läden sowie einer Schule. In dieser Stadt gab es in den letzten Jahrzehnten eine Serie von Vermisstenfällen. Hauptsächlich von Kindern, die nie gefunden wurden und die Stadt war zudem bekannt dafür, dass sie eine Reihe von Serienmördern hervorgebracht hatte. Darunter auch Rumiko Karasuma, Beyond Birthday, Molly Stone und Sam Leens. Sie alle waren bekannt für ihre Grausamkeit, ihre kaltblütige und abweisende Art anderen Menschen gegenüber. Einer war gefährlicher als der andere.

Weitere Nachforschungen ergaben, dass es zwar Familienmorde gab, die immer nachts durchgeführt wurden, allerdings hatte man die Opfer nicht dermaßen zugerichtet. Von Biss- und Kratzspuren war auch nicht die Rede. Offenbar wurde er immer mutiger und fühlte sich immer sicherer. Oder wollte er die Polizei herausfordern? Auch die Frage, warum er der Mutter der ermordeten Familie ein Stück Fleisch aus dem Arm gebissen hatte, beschäftigte sie. War es etwas, das ihn sexuell erregte? So etwas gab es, auch wenn Naomi es noch selbst nicht erlebt hatte. Wenn es wirklich so wäre, dann war es nicht auszuschließen, dass Grinface traumatische Kindheitserlebnisse und vielleicht sogar einen Ödipuskomplex hatte. Aber das waren nur Theorien, sie brauchten mehr Beweise.

Naomi gönnte sich schließlich eine Pause. Sie hatte Hunger, auch wenn ihr noch ein wenig übel war. Allerdings kam sie gar nicht erst dazu, sich etwas zu Essen zu holen, denn kaum hatte sie das Büro verlassen, da hörte sie laute Schreie der Empörung und wie jemand nach einer Erklärung verlangte. Die Stimme klang irgendwie vertraut. Naomi eilte dem Geräusch hinterher und sah, wie ein junger Mann in Handschellen zu den Verhörräumen gebracht wurde. Es war Beyond Birthday.

„Wir haben ihn nicht weit vom Tatort entfernt festgenommen. Offenbar hat er die Polizisten und die Spurensicherung beobachtet.“

„Ich habe überhaupt nichts Falsches getan. Das ist eine Unverschämtheit! Ich werde….“ Beyond verstummte, als seine rot glühenden Augen in die von Special Agent Naomi Misora blickten. Er setzte ein etwas merkwürdig aussehendes Lächeln auf und hob die Augenbrauen. „Welch unerwartete Freude, Sie wiederzusehen, Frau Misora. Sie arbeiten doch sicher am Grinface Fall, nicht wahr?“

„Ja, das tue ich. Wissen Sie etwas darüber?“

„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich habe aber keine Lust, mich mit diesen impertinenten und unkompetenten Beamten herumschlagen. Wenn Sie etwas wissen wollen, dann sorgen Sie erst mal dafür, dass das hier geklärt wird. Ich bin jedenfalls der Falsche.“
 

Doch bevor Naomi sich Beyond Birthday widmete, ging sie erst einmal in die Mittagspause, denn inzwischen war ihr Hungergefühl unerträglich geworden und ihr Magen begann sich zu verkrampfen. Beim Chinesen holte sie sich Ente mit Bratnudeln, dazu eine Cola und stärkte sich erst einmal. Kazan, auch in der Zentrale „Ironfist“ Kazan genannt, führte das Verhör durch und wie Naomi ihn kannte, würde er Beyond erbarmungslos in die Mangel nehmen. Auch wenn Kazan die meiste Zeit über ein nachdenklicher, verständnisvoller und ruhiger Mensch war, so zeigte er in der Zentrale ein anderes Gesicht. Den New Agents gegenüber war er äußerst streng, bei Verhören brachte er selbst die stillsten Vögel zum Singen und wiederum Opfer pflegte er mit Sanftmut und Mitgefühl zu behandeln. Aber so wie Naomi auch Beyond kannte (natürlich wiederum auch nicht zu lange), so wusste sie, dass er alles andere als einfach einzuschüchtern war. Nein, er besaß eine unglaubliche mentale Stärke und einen ganz schönen Dickkopf. Aus dem würde Kazan nicht so schnell etwas herausbekommen, so viel stand fest.

Sie ging zum Verhörzimmer und beobachtete zusammen mit Sadie die Befragung. Doch so sehr Kazan auch versuchte, den Verdächtigen klein bei zu kriegen, er schwieg sich aus und grinste auch noch amüsiert. Kazan kochte inzwischen vor Wut und er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Nun tun Sie nicht so überlegen. Wir haben Zeugenaussagen, die belegen, dass Sie die getötete Familie tagelang beobachtet haben.“

„Das will ich ja auch nicht bestreiten.“

„Und warum haben Sie das getan?“

„Nun, ich hatte gehofft, den Mörder persönlich zu treffen.“

„Dann wissen Sie, wer es ist?“

„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Ich werde nur Frau Misora meine Informationen weitergeben, sonst niemandem.“ Als diese das hörte, war sie erstaunt und wusste nicht, was das sollte. Auch Sadie hob die Augenbrauen und sah sie an. „Wissen Sie etwas, das ich noch nicht weiß?“

„Ehrlich gesagt, wüsste ich das selbst gerne.“

„Na vielleicht hat er ja ein Auge auf Sie geworfen, Starling.“

„Entschuldigen Sie, aber das hier ist kein Schweigen der Lämmer….“

„In gewisser Weise schon. Wir sind auf seine Informationen angewiesen und offenbar sind Sie die Einzige, mit der er sprechen will. Also, wir werden erst einmal überprüfen, ob er wirklich etwas mit den Morden zu tun hat und in der Zwischenzeit werden Sie sich ins Verhörzimmer begeben und ihn ausfragen, wenn Kazan mit ihm fertig ist. Ich werde mir in der Zwischenzeit noch eine Tasse Kaffee machen und dann der Gerichtsmedizin einen Besuch abstatten.“

Die Befragung dauerte noch gut eine halbe Stunde, ohne dass Kazan irgendetwas in Erfahrung bringen konnte. Also räumte er das Feld und überließ Naomi die Arbeit. Diese hatte ein Glas Marmelade organisiert, um die Stimmung ein wenig zu lockern. Als sie das Zimmer betrat, fand sie Beyond Birthday in gewohnter Sitzposition vor und er wirkte ein wenig missmutig. Aber als er Naomi und insbesondere das Marmeladenglas sah, hellte sich seine Stimmung ein wenig auf. „Sie haben ihn echt an den Rand der Verzweiflung gebracht“, scherzte Naomi und setzte sich ihm gegenüber. „Hätte nicht gedacht, Sie persönlich noch mal zu sehen.“

„Ach, die Welt ist eben klein.“ Dankend nahm er das Marmeladenglas an und begann zu essen. „Also Frau Misora, Sie arbeiten mit Sicherheit am Grinface Fall und wollen nun ein auf Schweigen der Lämmer machen.“ Warum kamen Sadie und er bloß auf diese Nummer? Naomi wusste nicht ob sie das positiv oder negativ auffassen sollte und versuchte, diesen Kommentar zu ignorieren. „Nun, Sie waren immerhin Tage vor dem Mord vor Ort und haben auf den Mörder gewartet. Da stellt sich die Frage, ob Sie selbst Grinface sind, oder den Mörder bereits durchschaut und ihn lediglich verpasst haben.“

„Und was glauben Sie?“

„Ich bezweifle, dass Sie hinter Grinface stecken.“

„Und warum glauben Sie das?“

„Wir haben am Tatort ein Haar gefunden. Außerdem hat der Mörder bloß seine Spuren verwischt, während Sie wirklich alles reinigen, sogar die Glühbirnen in den Fassungen. Außerdem ist Grinface kein sehr geschickter Einbrecher und legt auch nicht viel Wert darauf. Ihn interessieren nur die Morde, Sie hingegen sind schon fast ein Perfektionist.“

„Nicht schlecht, Sie beweisen immer wieder ein helles Köpfchen, Frau Misora.“ Seltsamerweise störte es Naomi überhaupt nicht, wie Beyond seine Marmelade aß. Sie hatte sich ja an seine Marotten gewöhnt und deswegen war es ihr auch egal, als er sich die Finger genüsslich ableckte. „Aber wenn Sie nicht der Mörder sind, warum haben waren Sie am Tatort?“

„Nun, ich wollte Informationen sammeln.“

„Wissen Sie, wer der Mörder ist?“

„Ich habe nur einen Verdacht und um diesen zu bestätigen, muss ich Beweise sammeln. Allerdings hat er mich wohl durchschaut und genau dann zugeschlagen, als ich nicht da war. Ein wirklich cleverer Mistkerl.“

„Und wen verdächtigen Sie?“

„Einen alten Freund von mir. Er ist nicht wirklich ein Freund, aber wir haben in unserer Kindheit einige Zeit miteinander verbracht.“

„Wann war das?“

„Vor zwölf Jahren.“

„Sie verdächtigen also eine Person, die Sie vor zwölf Jahren gekannt haben? Sieht Ihnen gar nicht ähnlich.“

„Das weiß ich selbst. Es ist so etwas wie ein Gefühl. Eine Art sechster Sinn, nennen Sie es ruhig, wie Sie wollen.“ So kam Naomi sicher nicht weiter. Wenn sie das ihrer Vorgesetzten so erzählte, würde die sie durch den Wolf drehen und sie vielleicht sogar suspendieren und herumschimpfen. Beyond Birthday hatte Recht, er brauchte dringend Beweise. „Haben Sie Indizien?“

„Nicht direkt. Aber es ist damals etwas passiert, was mich dazu veranlasst hat, ihn in den Kreis der Verdächtigen aufzunehmen.“ „Und was ist damals passiert?“

„Die Stadt, in der wir aufgewachsen sind, ist schlecht. Sie ist von Grund auf schlecht. Ungerechtigkeit wird totgeschwiegen, die Leute sehen einfach weg und es gibt dort Dinge, die nicht mit bloßem Menschenverstand zu erklären sind. Mein alter Freund ist nicht in dieser Stadt geboren worden, sondern dorthin gezogen, zusammen mit seiner Familie. Ich habe ihn als einen völlig normalen Jungen in meinem Alter kennen gelernt. Er hatte auch einen jüngeren Bruder. In unserer Nachbarschaft gab es ein paar ältere Punks, die Probleme gemacht haben und sie hatten es besonders auf die beiden abgesehen. Es kam sogar zu Schlägereien und manchmal waren auch Waffen im Spiel. Bei einer Auseinandersetzung wurden die Punks niedergestochen und man beschuldigte den jüngeren Bruder und er kam ins Jugendgefängnis. Ein Jahr später gab es dann ein Unglück: Die Punks gingen mit Pistolen und Messern auf meinen alten Bekannten los und haben ihn mit einer Wodkaflache geschlagen. Dann haben sie ihn angezündet und er kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Und kaum war er entlassen worden, hatte jemand seine Familie nachts umgebracht. Der jüngere Bruder, den man freigelassen hatte, da man seine Unschuld im Nachhinein bewiesen hatte, wurde auch getötet. Allerdings fehlte vom älteren jede Spur.“

„Sie glauben, er hat seine eigene Familie umgebracht?“

„Zumindest wurden alle Familien nachts getötet und das auf grausame Art und Weise. Das Problem allerdings ist, dass ich nicht weiß, wie er jetzt aussehen könnte. Immerhin hat er am ganzen Körper gebrannt, besonders sein Gesicht. Es kann sein, dass er vollkommen entstellt ist oder aber, er wurde einer Operation unterzogen.“

„Und wie wollen Sie ihn dann wieder erkennen, wenn Sie nicht wissen, wie er aussieht?“

„Ich habe da so meine Mittel.“

„Und wie heißt Ihr Freund oder Bekannter?“

„Jeffrey Blalock. Sie dürfen ihn aber nicht mit Jeffrey Dahmer, dem verurteilten Straftäter, verwechseln. Das sind zwei verschiedene Personen.“ Naomi nickte, obwohl sie noch ernsthafte Zweifel hatte, ob an Beyonds Theorie etwas dran war. Er sah die Zweifel in ihren Augen und unterbrach kurz das Marmeladenessen. „Ich weiß, dass meine Theorie mehr als dünn ist. Die Chancen stehen gerade mal bei 4,99%, aber ich gehe jeder Möglichkeit nach.“

„Aber was ich nicht verstehe ist, warum Sie sich die Arbeit wegen eines Bekannten machen, den sie vor zwölf Jahren gekannt und dann wieder aus den Augen verloren haben.“ „Ich will Gewissheit haben und außerdem würden Sie doch auch an einem Mordfall interessiert sein, in welchem eventuell ein Bekannter verwickelt sein könnte.“ Dem konnte sie nicht widersprechen. „Also gut, was genau haben Sie bis jetzt über den Mörder herausgefunden?“

„Wie Sie schon sagten: Einbruch zählt nicht zu seinen Stärken. Auch seine Spuren verwischt er nicht sehr professionell und es scheint, als würde er gar nicht darüber nachdenken. Er hat auch kein Interesse an irgendwelche Psychospielchen mit der Polizei, ihn interessiert nur Mord. Auch scheint er das Tageslicht zu meiden. Könnte ein Indiz dafür sein, dass es Jeff sein könnte, weil er sein Aussehen verstecken will. Wer möchte sich denn schon gerne in der Öffentlichkeit zeigen, wenn er wie Freddy Krueger aussieht?“

„Und warum hat er die Wangen seiner Opfer aufgeschlitzt?“ Da hatte Beyond noch keine Antwort darauf. Er vermutete, dass Jeff seine Gefühle dadurch kompensieren wollte, dass er auch andere entstellte, um sich vielleicht besser zu fühlen. „Aber er hat seine Opfer auch zerkratzt und ihnen sogar Fleisch aus dem Körper herausgebissen und wieder ausgespuckt.“

„Na wenigstens hat er es nicht heruntergeschluckt.“ Der Kerl hatte echt Nerven. So etwas half ihr doch wirklich nicht weiter. „Rohes Fleisch ist doch sowieso widerlich.“

„Menschenfleisch essen ist widerlich!“

„Das kommt ganz auf die Zubereitung an.“ Naomi sah ihn schon beinahe fassungslos an, doch Beyond schien das nicht wirklich zu verstehen. „Hey, das war ein Witz.“

„Sie sind ein echt mieser Komiker…. Aber zurück zum Mordfall. Was wissen Sie noch?“

„Es ist hundertprozentig ein Mann. Er ist nicht älter als 30 Jahre, nicht mehr ganz richtig im Oberstübchen und er hat ein gestörtes Bild, was Familien betrifft. Das erinnert mich an ein anderen Bekannten…. Der hat nämlich auch Familien getötet. Er hat die Eltern gefesselt, ihnen die Augen verbunden und direkt vor ihren Augen sozusagen die Kinder gefoltert und wenn er genug hatte, dann hat er den Eltern vor die Wahl gestellt: Entweder sie bringen ihren Partner um, oder lassen das Kind sterben. Das hat er gemacht, weil er vollkommen unfähig war, menschliche Gefühle zu empfinden und er dafür sein Umfeld umso genauer beobachtet hat. Er hat seine Opfer also erst mal psychisch gefoltert und sie dann gegenseitig töten lassen. Die restlichen Überlebenden hat er entweder laufen gelassen oder sie umgebracht. Nur weil er wissen wollte, was Liebe, Leiden, Schmerz, Trauer und Angst sind.“

„Das ist krank…“

„Ja. Und ehrlich gesagt schaudert es mich jedes Mal, wenn ich ihn sehe und bekomme eine Gänsehaut. Aber hier liegt nichts dergleichen vor. Unser Mörder hat es allein auf Blut und Gemetzel abgesehen. Warum sonst würde er seine Opfer nachts im Schlafe angreifen? Weil er keine Lust hat, dass sie schreien oder sich wehren. Er will seine Opfer also gar nicht quälen. Das schließt schon mal aus, dass es ihn um Macht über andere geht. Es ist also kein 08/15 Mörder.“ Tatsächlich wurden zum größten Teil Morde aus Rache oder aus einem Hunger nach Macht ausgeführt. Missbrauchsopfer zum Beispiel wurden später selbst zu Pädophilen und Kinderschändern, weil sie ihre Traumata bewältigen wollten, indem sie andere leiden ließen. Viele Morde wurden auch zur Machtdemonstration durchgeführt, wenn sich die Mörder von Anfang an überlegen fühlen und dann forderten sie oft die Polizei heraus. Einen geringeren Teil bildeten Mörder, denen es weder um Geld, noch um Überlegenheit oder Traumaverarbeitung oder Rache ging. Und diese waren größtenteils Soziopathen und Geisteskranke.

In einem Vortrag an der Polizeischule hatte Sadie James einmal gesagt, dass Soziopathen die wohl gefährlichsten Menschen wären. „Sie sind außer Stande, Gefühle zu empfinden oder sich in irgendeiner Art und Weise in andere hineinzuversetzen. Sie benutzen und betrügen ihre Mitmenschen, tarnen sich perfekt und sind hochintelligent. Um ihr Ziel zu erreichen, tun sie alles und sind perfekte Lügen- und Geschichtenerzähler. Da sie sehr wortgewandt sind, können sie andere leicht um den Finger wickeln. Soziopathen haben kein Gewissen, sie haben keine Ideal- und Moralvorstellungen und sie kennen keinerlei Gnade mit ihren Opfern.“ Naomi hatte dieser Vortrag zum Nachdenken gebracht und sie fragte sich auch, ob Beyond Birthday nicht vielleicht einer war. Nein, eher nicht. Er schien mehr ein Psychopath zu sein, ein geisteskranker Mensch und nicht jemand mit einem derartig gestörten Sozialverhalten. Dann würde er sich besser anpassen.

Naomi war dermaßen in Gedanken versunken, dass sie gar nicht registrierte, dass Beyond ihr eine Frage stellte und so wiederholte er sie noch mal. „Könnte ich Sie für die Idee einer Zusammenarbeit gewinnen? Ich denke, Sie und ich könnten diesen Fall schneller aufklären, wenn wir zusammenarbeiten würden.“ „Das muss ich erst mit meiner Vorgesetzten besprechen.“

Nach der Befragung wurde Beyond Birthday vorerst festgehalten. Dann aber stellte sich heraus, dass seine DNA mit der des Haares, das am Tatort gefunden wurde, gar nicht übereinstimmte. Und nachdem Sadie die Aufnahmen der Befragung gehört hatte, musste sie ihn wohl oder übel laufen lassen. „Aber eines sag ich Ihnen Misora: Wenn die Presse davon erfahren sollte, dass Sie mit diesem Kriminellen zusammenarbeiten, dann werde ich Sie wie der Henker von Boston einen Kopf kürzer machen!“

„Ich habe verstanden.“

„Sie sind sich also sicher, dass Sie mit diesem Individuum gemeinsam an diesem Fall arbeiten wollen?“

„Absolut. Ich glaube, er kann uns mehr helfen als jeder andere.“

„Dann tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber denken Sie an meine Warnung! Sie wissen, ich mache nie Witze.“ Irgendwie fühlte sich Naomi nicht gerade erleichtert. Im Gegenteil. Sie fühlte sich seltsam krank und erschöpft. Ihr Kopf kam ihr bleischwer vor und ihre Augen brannten. Außerdem fiel es ihr schwer, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Wurde sie etwa wirklich krank oder war es dieser Mord, der ihr so schwer im Magen lag? Sie wusste es nicht. Auch hatte sie einen widerlich metallenen Geschmack im Mund, der sie an Blut erinnerte. Sie sah auf die Uhr und stellte fest, dass sie jetzt 26 Stunden durchgearbeitet hatte. Dann waren diese Krankheitsgefühle also bloß ein Zeichen für Erschöpfung. „Ich sollte besser nach Hause gehen und mich hinlegen.“

Sie holte noch schnell ihre Jacke und ihre Handtasche und ging zu ihrem Auto. Das Motorrad hatte sie zuhause gelassen und insgeheim war sie froh drum. Sie fühlte sich sogar viel zu erschöpft dazu, auch noch Motorrad zu fahren. Ihre Augen begannen immer schlimmer zu brennen und sie kniff sie zusammen. Und als sie sie wieder öffnete, sah sie einiges unscharf und manche Sachen flimmerten sogar. Ihr wurde nun richtig schlecht und sie zitterte, obwohl sie gerade eben ihre Jacke angezogen hatte.

Sie fuhr nach Hause, schloss die Tür auf und begab sich ins Schlafzimmer. Und kurze Zeit später fiel sie in einen tiefen Schlaf.
 

Woanders in Los Angeles betrachtete sich Jeff Blalock in einem zerbrochenen Spiegel und kicherte ununterbrochen. „Bin ich nicht schön, Mommy? Habe ich nicht ein wunderschönes Gesicht? Es passt perfekt… es passt perfekt zu mir! Und jetzt werden auch die anderen für immer schön lächeln, genauso wie ich. Und sie werden es jetzt für immer sehen können. Hahahahaha.“ Aus seiner Hosentasche holte er die Augentropfen, die er immer wieder aufs Neue brauchte, um seine Augen vor dem Austrocknen zu bewahren. Da er seine Lider vor Jahren zerstört hatte, konnte er nicht mehr blinzeln. Und seine aufgeschlitzten Wangen wurden mit schwarzen hässlichen Nähten zusammengehalten, die ihn noch abstoßender und monströser erscheinen ließen, als er es ohnehin schon war. Und nun waren auch seine Zähne wunderschön, die er spitz gefeilt hatte, um auch wirklich perfekt auszusehen. Insgesamt sah er mehr wie ein Monster aus einem Horrorfilm aus, als ein Mensch. Seine Haut war durch die Bleiche schneeweiß und hatte eine Struktur wie Leder, seine stechenden Augen waren schwarz umrandet, das Weiß der Augen an den äußeren Seiten rötlich. Lippen hatte er kaum noch. Sie waren wie kleine schmale Schlitze und er konnte sie kaum noch schließen. Da seine Wangen nur noch durch Nähte zusammengehalten wurden und ein zu weites Öffnen des Mundes nur blutige Wunden rissen, presste er meist die Lippen so fest wie möglich zusammen und atmete zischend durch seine scharf gefeilten Zähne. Diese waren oft blutverschmiert, da er durch das Feilen das Zahnfleisch verletzt hatte und die Verletzungen immer wieder aufrissen. Sein Haar, das früher einmal brünett gewesen war, war damals schwarz verbrannt worden und als es nachwuchs, behielt es diese Farbe. Und seine Hände, die damals ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden waren, sie besaßen lange knochige Finger mit langen spitzen Fingernägeln, die wie Vogelkrallen aussahen.

Mit schlurfenden Schritten verließ er das Badezimmer, holte sein Messer hervor und öffnete die Tür gleich nebenan. Es war stockduster, die Uhr zeigte halb eins. Alles war herrlich ruhig. Genauso, wie er es wollte.

Er brauchte kein Licht zu machen, das Mondlicht spendete genug Licht. Vorsichtig trat er näher ans Bett und hörte das langsame rhythmische Atmen. Behutsam schlich er näher und hob sein Messer. Dann beugte er sich über das Bett und starrte das kleine Mädchen an, das nicht älter als 11 Jahre alt sein konnte. Dieses bemerkte unterbewusst, dass da jemand im Zimmer war und öffnete die Augen. Und als sie Jeff und sein entstelltes hässliches Gesicht sah, war sie zu erschrocken, um schreien zu können. Und dann packte Jeff sie am Hals und drückte mit aller Kraft zu. Erst jetzt begann das Mädchen, heftig zu strampeln und an seiner Hand zu zerren. Sie versuchte nun zu schreien, doch ihr ging langsam die Luft aus und sie brachte nur ein ersticktes Quieken hervor. Jeff hingegen war die Ruhe selbst und starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Dann aber spannte sich jeder Muskel in seinem Körper an, er hob das Messer noch weiter hoch und dann verzerrte sich sein Gesicht zu einem monströsen Grinsen. „Geh schlafen!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2013-09-04T11:19:13+00:00 04.09.2013 13:19
Hey!
Dank google hab ich die FF gefunden *gg*
Ich finde deinen Schreibstil wirklich großartig, als ob ich einen echten Horrorroman lesen würde^^
Allerdings muss ich dich zu Jeffs Namen korrigieren...
Sein Nachname ist nicht Dunham sondern Blalock.
Ich hab im ersten Moment schon etwas dumm geschaut aber schließlich ist es ja deine Geschichte und ich wollte dich nur einmal darauf aufmerksam machen.
Dann knöpfe ich mir mal das nächste Kapitel vor.
Grüße Moonlight_Shadow
Antwort von:  Sky-
04.09.2013 21:13
Dankeschön für den Kommi. Das mit dem Nachnamen hab ich auch erst später gemerkt. Ich habe einige Pastas gelesen, nur leider ist da nie sein Nachname gefallen. Aber gut, dass du mich daran erinnerst. Ich werde das mal schnell ändern
Von:  RK9OO
2012-09-14T18:20:22+00:00 14.09.2012 20:20
Haha, ich finde deinen B genial
Dass er seine Informationen nur an Misora weitergeben will, kommt ja fast schon wie ein kleiner Flirt rüber, hihi <3 Und die kleine Andeutung zu "Das Schweigen der Lämmer" ist auch super geschrieben
Bin ja mal gespannt, wann Jeffy es auf B abgesehen haben wird


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