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A Life before...

Cherik AU
von

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Das Kreuz das jeder trägt

Ansteckendes Lächeln - Charles Francis Xavier
 

Ein Abendessen, sicher. Ein kurzes Schauspielern, in Ordnung. Aber eine ganze Gesellschaft?

Das würde ich niemals schaffen. Außerdem müsste ich mir tausende von Beleidigungen anhören, was mich eigentlich nicht aufregte, doch meinen Stolz, der immer wieder gebrochen wurde, hatte ich dann doch noch. Wollte er mich vorführen? Mir so einen Gefallen tun?

Immer wieder war mein Blick zwischen Miss Fairfax und Herr Lehnsherr hin und hergehuscht. Er hatte komplett seinen Verstand verloren... so dachte ich zumindest. Das konnte nicht wirklich sein ernst sein.

Ja vielleicht konnte ich mich unter den Wölfen bewegen, doch irgendwann würde der Wolf zubeißen, wenn er in die Enge getrieben wurde. Ich konnte nicht sagen wie lange ich diesen Umstand aushalten würde.

Ich sah in mein Weinglas und ließ das Getränkt im Glas in meiner Hand kreisen. Als er Raven erwähnt hatte schaute ich ihn nur kurz an. Sie war nett und liebevoll gewesen, doch mir eigentlich völlig egal. Sie hatte nicht einmal meine Anerkennung verdient. Sie hatte sich gegen ihre Tante nicht aufgelehnt... Ich hatte sie so eingeschätzt, doch zu groß war das Ansehen das man bewahren musste. Erst recht für solch eine junge Lady, die in ihrem alter unbedingt heiraten sollte. Dieser zwang war grauenhaft... Gegenüber Frauen nicht gerecht. Wie ich mitbekommen habe, war es Mädchen egal ob sie diesen Mann liebten, wenn er Geld hatte war er in ihren Betten immer willkommen. Ich verabscheute es....

Ich hoffte Lady Raven würde nicht an solch einen Mann geraten. Sie war eine intelligente Frau. Sie sollte lernen stolz voran zu gehen, nicht ihren Blick abzuwenden. So wie ich es die Jahre getan hatte. Ich scheute oft und doch war ich so wie ich bin. Hatte einige meiner alten Arbeitskollegen beschützt, sie durch den Winter gebracht... lerne nur zu geben... nichts zu bekommen. Und jetzt saß hier ein Mann der mir alles geben konnte. Ich war zögerlich... Hatte gar Angst vor dieser Herausforderung, dieser Entscheidung...

Ich konnte meinen neuen Herren so weit einschätzen, das er ein nein kaum duldete. Er wusste was ich machen konnte, er wusste, was ich mit ihm machen konnte und doch verlangte er solche Dinge von mir. Aufgaben die kaum für einen Mann wie mich zu bewältigen waren. Wollte er mir das Glück was er mir versprach, aufzwingen? Seufzend rutschte ich ein wenig enger an den Tisch. Ich brauchte nicht versuchen zu diskutieren. Er hatte seine Wahl getroffen und diese beinhaltete, dass ich mit ihm in die Stadt musste. Er hatte keine Bedenken wegen seines Ansehens. Kein Bedenken, dass seine Ehre den Bach runter ging.

Es war komisch, auch wenn ich ihn gerade mal ein paar Tage kannte, wollte ich sein Bestes. Wollte dass es ihm gut ging. Wollte dass er sich wohl fühlte. Wollte sein verspieltes Lächeln sehen...

Wieder einmal mit meinen eigenen Gedankengängen überfordert schaute ich wieder in mein Glas. Was war nur nicht richtig mit mir... ?

In seinen Augen hatte ich keine Zweifel gesehen, ich sah Stolz, aber auch ein gewisses Maß an Torheit. Er war fest entschlossen, die Sache durch zuziehen. Für seine Handlungen gerade zu stehen. Er setzte sich für etwas ein, was er vielleicht nie gewinnen konnte. Ihn zum Gespött der Gesellschaft machte. Nach seinen Worten zu urteilen, war er mit Leib und Seele dabei, was mich beeindruckte. Er verdiente Anerkennung und keine Abweisung .

Ich jedoch war immer noch unsicher. Es erstaunte mich ebenfalls, dass ich selbst entscheiden durfte, ob ich mit wollte. Ich hätte gedacht, er würde ein nein nicht akzeptieren und doch fragte er mich. Ich spürte beider Blicke auf mir. Miss Fairfax würde es nicht gut heißen, aber mein Herr würde wollen dass ich mit komme. Ich seufzte.

"Es ist ihre Entscheidung, doch brauchen sie jemanden, der dort ihre Angelegenheiten erledigt...", sagte ich ehrlich. Jeder der Herren, hatte meist einen seiner Diener mit auf seinen Reisen, der für sie einige Sachen erledigten. Hier würde es nicht anders sein, doch ich war immer noch etwas unsicher, was den Ball betraf.

Ich hatte nie eine gute Erziehung genossen, konnte nur gut das nachmachen wie sich die anderen verhielten. Ich schaute kurz zu Miss Fairfax und dann zu Mister Lehnsherr, denn schließlich hatte ich meine Zustimmung gegeben, was mich selbst ein wenig verwunderte. Bei Hennrics hätte ich mich komplett gewehrt, wäre wahrscheinlich weg gelaufen. Aber Herr Lehnsherr war anders. Verhielt sich anders. Inständig hoffte ich nur, dass ich niemanden meiner alten Sippschaft dort antreffen würde, denn dann wurde das ganze sehr unschön.

„Äh….Charles…“, begann Erik vorsichtig und legte sein Kinn in seine Hand.

„Ich möchte sie als meinen Gast mitnehmen, nicht als meinen Fußabtreter.“, stellte er dann auch gleich klar. Gedanklich hatte ich es mir eigentlich so hingelegt, dass ich mit mir im Reinen war, was bedeutete... Ich kam als Dienstbote mit und nicht als einen Gast. Als er sagte, dass ich es falsch verstanden hatte und er es richtig stellte, seufzte ich leicht.

„Na schön. Sehen sie es an wie sie möchten, aber sie haben mir nun zugesagt, also werden sie mich auch begleiten.“, meinte er lächelnd und haute kurz auf den Tisch.

„Kommen wir also zu ihrer kleinen Problematik.“, fuhr er weiter fort, während er sich ein Stück Fleisch in den Mund schob.

„Sie sagten sie können nicht tanzen?“

Es war also beschlossene Sache. Ich würde mit nach London fahren. Wie es dort wohl war? Ich war noch nie wo anders gewesen, als auf dem Hof von Hennrics. Jetzt war ich bei Herrn Lehnsherr; es war so vollkommen anders. Wie würde also London auf mich wirken? Diese vielen Menschen... diese vielen Gedanken die ich lesen würde...

Geschockt hielt ich inne, als ich gerade mein Glas erheben wollte. Ich beherrschte meine Gabe noch nicht. Sowie jetzt machte sie sich nicht bemerkbar, als wenn ich ein ganz normaler Mensch war, aber was würde passieren, wenn sie sich mitten auf einer belebten Straße selbstständig machte? So viele Eindrücke, Gedanken und Gefühle die auf mich ein stürzen würden. Könnte ich diese überhaupt bewältigen...? Ihnen aus dem Weg gehen?

Angst überkam mich, hörte im ersten Moment meinen Herren gar nicht zu, sondern starrte weiter in mein Glas, welches ich immer noch in den Händen hielt. Ich wusste wenn ich diese Gabe nicht in den Griff bekommen würde, würde ich eingehen. Die Gefühle der anderen wollte ich nicht wissen. Wollte ihre Gedanken nicht lesen, nur wenn ich es wollte, nicht wann meine Gabe es wollte. Ich blinzelte kurz und schaute dann verwirrt auf...

"Was?", fragte ich ungeschickt und biss mir dann auf die Lippe.

"Entschuldigen Sie Sir... Was hatten sie mich gerade gefragt?", wiederholte ich meine Frage wieder höflicher und schaute ihn an. Setzte mein Glas an und trank dann einen Schluck. Vielleicht sollte ich mich dort betrinken, dann war es mir egal was ich in den Köpfen der anderen anstellte.

„Habe ich sie überfordert?“, fragte er mich schon fast amüsiert und entblößte seine Zähne, als er lächelte.

Miss Fairfax war seit der Diskussion still geworden und schien auch recht müde zu sein. Aber immerhin hielt sie sich noch wacker auf dem Stuhl.

„Meine Frage lautete, ob sie nicht tanzen können. Das hatten sie doch erwähnt, ist es nicht so?“, stellte er nochmal seine Frage und schob dann seinen leeren Teller weg, eh er dann nach seinem Weinglas griff.

„Nun da auf solchen Veranstaltungen getanzt wird, werden sie wohl nicht türmen können.“

Man merkte ihm an das ihm dieses Gespräch sehr zusagte, daher schwieg ich und schaute ihn weiter an. Ich merkte das dort noch mehr kam.

„Aber machen sie sich keine Sorgen, wir haben noch zwei Tage. In zwei Tagen kann man erstaunliche Dinge lernen. Da sich das Nötigste aufs Tanzen und Umgangsformen beschränken, werden sie sich in den zwei Tagen außerordentlich gut schlagen.“, davon schien er überzeugt. Ich senkte wieder meinen Blick.

Wie wollte er mir in zwei Tagen so viel beibringen? Man musste so viel beachten, was die Sitten und Gebräuche der edlen Herren betraf. Wie man sich bewegen musste, wann es angebracht war eine Gewisse Geste zu vollbringen. Mein Kopf schwirrte jetzt schon und doch war ich bereit für diese Aufgabe. Nur mit dem Tanzen hatte ich meine Zweifel. Tanzen lag mir nicht besonders, zumindest bin ich bis jetzt noch nicht wirklich damit konfrontiert worden.

„Reiten und Klavierspielen, ist noch nicht von Belang. Daher widmen wir uns lieber den beiden wichtigeren Fähigkeiten.“, sprach er, schaute mich dann aber durch dringlich an, was mich erst stutzen ließ.

Ja wie ich erwähnte hatte ich keinen Schimmer vom Tanzen. Zumindest nicht vom Standardtanz, der schwieriger war, als alle anderen Bewegungen. Als er mich jedoch belustigt anschaute, musste ich automatisch mit lächeln. Er hatte ein äußerst ansteckendes Lachen. Es war sympathisch aber auch sehr ehrlich, auch wenn er sich gerade vielleicht über mich amüsierte. Er hatte zum ersten Mal so gelacht und es gefiel mir, wenn ich ehrlich zu mir selbst war. Dieser Mann verwirrte einen nur noch mehr und ich musste aufpassen, dass ich ihm nicht zu schnell vertraute. Denn ich wusste wie schnell man in eine Ecke geworfen wurde, wie Müll...

„Unser kleines Geheimnis werden wir auch noch in den Griff bekommen.“

Ich zuckte kurz zusammen, als ich die Gedanken von Erik auffing und wunderte mich, wie das jetzt wieder geschehen konnte, denn von Miss Fairfax ging nichts aus, aber seine Stimme halte in meinem Kopf wieder. Ich schaute ihn abermals an und lächelte schräg.

Nun brachten die Dienstboten bereits das Dessert und Kaffee. Miss Fairfax entschuldigte sich allerdings schon vorher, da sie sich heute zu viel verausgabt hatte und gedenke früher schlafen zu gehen. Miss Fairfax erhob sich schließlich und ich tat es ihr sofort nach.

„Gute Nacht, Miss Fairfax.“, sagte Mister Lehnsherr, stand auf um die ältere Dame vom Tisch zu lassen.

"Ich wünsche ihnen eine angenehme Nacht.", sagte ich ebenfalls höflich und senkte meinen Kopf leicht.

"Bitte richten sie dem Koch aus, das das essen abermals sehr gut geschmeckt hat.", sprach ich dann schnell weiter. Ich wusste ja nicht, wie lange sich Mister Lehnsherr noch mit mir unterhalten wollte. Die ältere Dame lächelte sanft und verschwand schließlich. Langsam ließ ich mich wieder auf meinen Platz sinken und schaute zu meinen Herren herüber.

"Sind sie sich sicher, dass wir das alles in zwei Tagen hinbekommen können Sir?", fragte ich ihn offen. Ich konnte schließlich nicht alles erledigen. Ich musste an meine Arbeiten denken, die ich hier zu machen hatte. Sollte ich sie vernachlässigen? Oder sollte ich nach diesen, immer zu ihm zum Unterricht kommen? So viele Fragen waren offen….
 

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Abgemacht - Erik Magnus Lehnsherr
 

Wenigstens lächelte er mich an. Das war doch schon mal was. Ich war mir sicher, dass er sich hervorragend schlagen würde. Kaum hatte uns dann Miss Fairfax verlassen, fragte er auch schon nach ob das in zwei Tagen zu schaffen wäre. Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und strich mir über das stoppelige, aber gepflegte Kinn.

„Gewiss doch. Wenn wir die beiden Tage auch intensiv nutzen.“, meinte ich und sah ihn an. Konnte schon in seinen Augen erkennen dass es ihm nicht Recht war, wenn er seine Arbeiten vernachlässigen musste.

„Ich gebe ihnen hiermit meine Erlaubnis sich ausschließlich die nächsten beiden Tage mit diesen Dingen zu beschäftigen und ihre eigentliche Arbeit erst wieder nach dem Ereignis aufzunehmen.“, sprach ich also aus, damit er sich diesbezüglich keine Gedanken mehr machen brauchte.

„Ich habe den größten Teil meiner Arbeit auch erledigt und somit Zeit mich um sie zu kümmern. Da ich ihnen ja eigentlich so wie so Unterricht bieten wollte, sei es nun fürs Reiten oder fürs Tanzen, beanspruchen sie die Zeit sowie so dafür.“, schmunzelte ich und griff nach meinem Glas. Nachdem ich mir einen Schluck genehmigt hatte, sah ich ihn ernst an.

„Hören sie Charles…..ich weiß dass ihnen das hier alles sehr suspekt vorkommen mag, doch meine wahre Absicht liegt darin, ihnen ein komfortables Leben zu ermöglichen. Ihnen Fertigkeiten beizubringen und sie unter die richtigen Leute zu bringen, damit sie, wenn sie den Wunsch verspüren mich zu verlassen, nie mehr ein Leben in Armut oder im Diensten eines Unholds stehen müssen.“, gab ich ihm nun die Antwort auf die er schon heute Nachmittag gewartet hatte, bevor wir zu Tisch gekommen waren.

„Das habe ich mit all meinen Angestellten so geregelt und werde auch bei ihnen keine Ausnahme machen. Wie sie sehen, haben jedoch nicht alle das Bedürfnis verspürt zu gehen.“ Ich wollte so viele dieser Menschen von den schändlichen Straßen dieser Stadt holen und ihnen das Leben bieten was sie verdient hatten.

„Falls sie sich jedoch gänzlich unwohl in meiner Gegenwart fühlen oder nicht den Wunsch verspüren mich auf diesen Anlass zu begleiten, steht es ihnen natürlich frei sich zu äußern. Und danach zu verlangen, was sie zu erstreben versuchen.“

"Ich habe ihnen mein Wort gegeben, also werde ich es auch halten, doch hätte ich eine Bitte. Ich möchte das Lesen lernen..." Sein Blick war weiterhin ernst auf mich gerichtet.

Zufrieden, dass auch er sich nun einsichtlich zeigte und sich darauf einließ, sah ich ihn an, als er sein Wort an mich richtete. Ich schmunzelte etwas über seine Einfachheit, doch nicht aus Hohn. Eher aus Gefallen. Ich konnte viel mehr mit Leuten etwas anfangen, die sich bescheiden gaben und nicht mit Selbstdarstellung und Stolz um sich warfen.

„Ist das ihr einziger Wunsch?“, fragte ich nach, strich mir dabei immer wieder über mein Kinn. Eine Geste die ich leider nicht ablegen konnte. Das tat ich immer wenn ich jemanden studierte, den ich interessant fand.

„Glauben sie mir, Charles – in einem Jahr, werden sie alles perfekt beherrschen. Lesen, Schreiben, Tanzen, Reiten und etliche Wortgewandten. Naja…vielleicht auch etwas mehr…je nachdem wie geschickt sie sich anstellen. Aber da ich nicht der Meinung bin, dass sie Schwierigkeiten haben werden, schaffen sie es sicher in einem Jahr. Falls sie vor haben so lange bei mir zu verweilen.“ Nun senkte ich meine Hand und stand auf. Ich war die Gespräche mit ihm noch lange nicht müde, nur fand ich könnten wir uns in weit aus bequemerem Umfeld wohler fühlen.

„Begleiten sie mich doch in den Salon und trinken noch eine Tasse Tee mit mir. Ich habe mich für ihre Hilfe, bezüglich meines ungeschickten Falls vom Pferd, noch gar nicht erkenntlich zeigen können.“, erinnerte ich ihn daran. Aber sicher würde er gleich mit weiteren Protesten kommen, so bescheiden wie dieser Mann war. Das war beinahe unglaublich. Doch in Anbetracht seiner Geschichte, war das nicht weiter verwunderlich. Hennrics war einer der bösartigsten Menschen die ich kannte. Da blieben nicht viele Momente, die einem mit Stolz erfüllen konnten, wenn man seine Sache gut gemacht hatte.

„Sagen sie mir werter Freund, welche Tätigkeiten sie bei Hennrics abgesehen von der Totschufterei im Garten und Hof, ausführen mussten?“, fragte ich nun etwas zurückhaltender mit meiner Wortwahl. Ich ging noch nicht ganz genau darauf ein, doch interessierte mich eine Frage doch. Da ich so einiges über diesen Unhold gehört hatte. Bisher erwiesen sich die Gerüche, laut den Erzählungen Charles‘ als wahr.
 

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Das Kreuz das jeder trägt - Charles Francis Xavier
 

Ich hatte ihm gezeigt das ich entschlossen war und keinen Rückzieher machen würde. Er hatte mich mit Absicht von meiner Arbeit frei gestellt und doch wusste ich das ich gegenüber den Anderen ein schlechtes Gewissen bekommen würde. Wenn ich Zeit finden würde, würde ich den Anderen helfen und versuchen sie in ihrer Arbeit zu unterstützen. Ich wusste, dass sie auch ohne mich klar kommen würden, denn das taten sie ja vorher auch, aber ich hatte meine Arbeiten zugeteilt bekommen. Sie verließen sich auf mich. Später sollte ich nochmals mit Miss Fairfax sprechen und sie fragen was sie von dem Ganzen hielt. Nach ihren Äußerungen zu urteilen, war sie strikt dagegen, dass ich mitgehen solle und doch hatte sie sich nicht weiter aufgelehnt. Ganz gewiss würde ich sie morgen darauf ansprechen. Innerlich grinste ich wieder, denn irgendwie konnte ich mir die alte Dame mit Sorge im Gesicht schon vorstellen.

Interessiert schaute ich ihn an. Ein Jahr? Ich würde alles in einem Jahr lernen können. Im Moment konnte ich es mir nicht vorstellen, denn es gab so viele Schriften, so viel Buchstaben - wusste ich noch nicht, das es gar nicht so viele waren - und Schritte, die ich noch nicht alle beherrschte. Ich kannte mich nicht in der Gesellschaft aus, wusste nicht welche Gepflogenheiten es gaben. Welche Gesetzte ich befolgen musste, um in der Gesellschaft aufrecht zu stehen. Jeden seiner Arbeitnehmer, wie er es wahrscheinlich ausdrücken würde, konnten freiwillig gehen, doch niemand tat es. Niemand ging in die Stadt um sein Glück zu probieren. Lag es daran das mein Herr so gütig war?

Als Herr Lehnsherr, vorschlug noch in den Salon zu gehen, stand ich auf und nickte schließlich. Es war meine Strafe heute. Hatte er doch gesagt, das ich erst gehen durfte, wenn er es mir sagte. Ich sah es eher nicht als Strafe an, denn ich mochte seine Unterredung mit mir. Auch wenn ich es wahrscheinliche nie offen zugeben würde.

"Bitte erlauben sie mir dann aber noch einen der Kräutertee's zu holen, den ich ihnen heute früh zubereitet habe. Sie müssten mittlerweile schon wieder Schmerzen haben, denn ihr Fuß wird einige Tage brauchen um vollständig zu genesen. Es war schließlich meine Schuld, dass sie vom Pferd gefallen sind."

Was ja auch stimmte, wenn ich ihm meine Fähigkeiten auf dem "Boden" gezeigt hätte, wäre er wahrscheinlich nicht einmal umgefallen. So war es leider nicht... Er stürzte stattdessen vom Pferd.

„Machen sie sich keine Mühe, heute seid ihr mein Gast, das kann doch auch Anna übernehmen.“, meinte er ruhig.

Fragend schaute ich ihn an, doch als er mich nach meinen Aufgaben bei Hennrics befragte, sah ich doch lieber wieder zu Boden. Wenn man es so nahm, war jeder das Mädchen für alles, doch bevorzugte mich Hennrics im Garten, wegen meiner frechen Zunge. So konnte ich ihm nicht über den Mund fahren und mich bekam keiner seiner Freunde zu Gesicht . Er holte mich nur herein, wenn sie Unterhaltung brauchten. Ich hatte mich dagegen gewehrt... natürlich wusste ich manchmal nicht was passiert war, denn Hennrics hatte oft sein Personal mit anderen Dingen gefügig gemacht. Mir passierte es zum Glück nicht oft, denn ich war draußen. Ich fragte mich immer noch warum ich nie früher geflohen war...

Aus Angst?

Ja... ich glaubte es war aus Angst.

Die Angst, dass ich den nächsten Wutanfall von ihm nicht überleben würde. Vor zwei Tagen wäre es vielleicht der Fall gewesen, wenn ich mich nicht gewehrt hätte. Völlig in Gedanken sah ich wieder einfach nur nach unten und bemerkte erst jetzt, dass Herr Lehnsherr eine Antwort erwartete.

Innerlich mit mir ringend schaute ich wieder auf, blickte fest in seinen Augen.

"Ich war viel draußen, konnte er doch mein loses Mundwerk nicht ertragen. Ich hatte mich um die Tiere gekümmert, die auf der Weide grasten. Die Beete... Sein Garten war ihm nicht wichtig, doch hielten wir auch diesen in Stand. Ich war zur Belustigung der jungen Herren da, wenn sie abends zu viel von dem süßen Wein getrunken hatten. An einiges kann ich mich nicht erinnern...", sprach ich nachdenklich.

"Ich wachte meistens irgendwo auf...", schulterzuckend stand ich auf und lief zu Herr Lehnsherr, um ihm meine Schulter zum Laufen anzubieten. Ich zeigte keinen Schmerz, ich wollte kein Mitgefühl, denn was passiert war, ist passiert... Es würde mich mein Leben lang prägen. Ich würde immer wieder zusammenzucken wen ich eine Peitsche hören würde, doch das konnte ich nicht ändern.

Zu gerne würde ich es...

Nur kurz die Zeit zurück drehen... aber wenn ich das machen würde, hätte ich dann den Mann der sich neben mir befand getroffen? Innerlich musste ich schmunzeln. Was hatte ich nur für Gedanken? Es waren Gedanken eines Träumers, eines Narren...

„Sie kommen mir ja schon beinahe vor wie Miss Fairfax. Aber danke.“, sagte er.

Er hatte meine Schulter angenommen und wir gingen beide in den Salon, wo er es sich gestern noch mit Lady Raven bequem gemacht hatte.

Ja, ich war heute Abend sein Gast und doch hatte ich immer das Bedürfnis etwas für ihn tun zu müssen, war ich es doch gar nicht gewohnt still in einem Sessel zu sitzen. Seufzend ließ ich mich in diesen fallen. Ich fühlte mich unbrauchbar und doch wurde ich gebraucht. Ich hatte das Gefühl das Mister Lehnsherr jemanden brauchte mit dem er sich unterhalten konnte. Waren die anderen nicht gut genug? Oder redeten sie einfach nicht mit ihm? Ich wusste darauf keine Antwort.

Ich hörte von Miss Fairfax, dass es im Winter sehr leise und ruhig in den Gemäuern war. Verständlich ... Der Winter machte jeden träge, doch ich kannte es nicht das es ruhig war.

Hennrics hatte im Winter die meisten Veranstaltungen gegeben. Fast jeden Abend waren Gäste geladen, die bewirtet werden mussten. Hier sah es ganz anders aus, so vermutete ich.

Er hatte Anna darum geben uns einen Tee zu machen. Mit schlechtem Gewissen schaute ich ihr nach, doch wenn ich etwas gesagt hätte, hätte mich mein Herr davon abgehalten es selbst zu tun. Er hielt mich allgemein anscheinend gerne von meiner Arbeit ab.

Innerlich grinste ich wieder. Ich sah ihn an und merkte wie es hinter seiner Stirn begann zu arbeiten. Ich hatte ihm gesagt was ich wusste und doch lag ihm immer noch etwas auf dem Herzen.

Anna trat schließlich wieder ein und brachte uns den Tee, ich bedankte mich freundlich und sah wieder zu Herrn Lehnsherr rüber. Er griff nach seiner Tasse und äußerte sich kurz:

„Sie können sich also teilweise an nichts erinnern….?“

„Nun….wie soll ich meine Frage nur korrekt formulieren?“

Verwundert schaute ich ihn an, doch als er seine nächsten Sätze mit Bedacht wählte, versteifte sich mein Körper.

„Ich möchte nicht zu forsch erscheinen, doch gestatten sie mir die Frage…..In ihrem wachen Zustand….hat er sie zu etwas gezwungen, das jeden Glauben an Anstand und Benehmen vergessen ließ? Hat er sie zu etwas gezwungen, um ihm fleischliche Freude zu bereiten?“, sprach er vorsichtig aus und ich wusste genau was er meinte und doch schrie alles in mir danach, ihm nichts zu sagen. Konnte ich es doch nicht in Worte fassen... Nachdem ich meine Fähigkeiten erlangt hatte, wusste ich später alles wieder. Ich wurde wach und alle Bilder sausten vor meinem inneren Auge vorbei. Ich wusste das ich geschrien hatte... sogar Tränen waren mir übers Gesicht gelaufen. Die Tat hatte ich nicht mitbekommen und doch traf mich danach die Erkenntnis viel schlimmer...

Ich sah auf, hatte seine Zurückhaltung in seiner Stimme gehört und das hatte mich veranlasst aufzustehen.

Ich konnte über die Sache nicht reden, das konnte niemand von uns. Denn jeder hatte sein eigenes Kreuz zu tragen.

Langsam trat ich einen Schritt auf ihn zu und legte ihm meine Finger an die Schläfe. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich. Wenn ich jemanden berührte, konnte ich bessere Verbindung zu ihm auf nehmen. Ich wusste ich konnte es auch ohne, doch das beherrschte ich noch nicht. Die Fähigkeit spielte mir dahingehend immer noch Streiche, doch durch die Berührung konnte ich sie einigermaßen lenken.

Das was er fragte, konnte ich nicht aussprechen, wollte ich auch nicht. Doch ich konnte ihm Bilder schicken. Es war leichter für mich... denn diese Bilder hatte ich immer und immer wieder gesehen....



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  sorakovar
2013-01-27T20:37:07+00:00 27.01.2013 21:37
Hey tolle ff ich hoffe du schreibst bald mal weiter o:
ich würde so gerne weiter lesen ♥
Von:  Nara-san
2012-11-20T17:03:13+00:00 20.11.2012 18:03
Wow! ^^ Die FF ist echt gut!
Am Anfang dachte ich, die Beiden in eine andere Zeit zu schicken wäre komisch, aber du hast das richtig gut hingekriegt und es gefällt mir wirklich.
Hoffe du schreibst bald weiter ^^


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