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A Life before...

Cherik AU
von

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Ablenkung

Vertrauen? - Erik Magnus Lehnsherr
 

Ich duldete keine weiteren Verheimlichungen, das war ihm nun bewusst geworden. Denn so wie ich es erwartete, begann er dann doch mir seine Geschichte zu erzählen. Dabei zündete ich meine Zigarette an und zog genüsslich daran. Mein Blick weiter fest auf ihn gerichtet. Darauf bedacht jede Geste, jede Regung auf seinem so blassen Gesicht und jedes Gefühl in seinen Augen aufzusaugen und daraus schlau zu werden. Ich hatte schon erwartet, dass er einen langen Leidensweg gegangen war und doch war ich erstaunt über diese Brutalität und Kälte mit der er jeden Tag konfrontiert wurde. Jedes Jahr durchstehen musste.

Alleine.

Mein Kiefer spannte sich mit jeder seiner traurigen Silben immer mehr an. Es brach mir das Herz. Und doch steigerte meine Bewunderung für ihn. Dass ein Mann so vieles durchstehen konnte ohne daran zu zerbrechen, immer noch wusste grade aus zu sehen und sich irgendwie durchs Leben schlagen konnte. Das Herz am rechten Fleck und übervoll von Optimismus.

Ohne ihn auch nur ein einziges Mal aus den Augen zu lassen leerte ich meinen Tee nun und ließ meine Zigarette immer weiter verglühen, ohne auch nur oft an ihr gezogen zu haben.

Als er dann langsam zu Ende kam, legte ich meine Stirn in Falten. Ich hörte was er sagte und doch konnte ich es mir kaum vorstellen. Konnte mir nicht vorstellen, dass jemand wie er zu solch einer Tat in der Lage war. Und wenn doch….dann kümmerte es mich nicht. Hennrics war ein Schwein und hatte es verdient. Jetzt erst recht noch mehr, als vorhin schon. Nachdem was ich über ihn nun aus dem Munde dieses Mannes vernommen hatte. Als mich seine eisblauen Augen trafen, blickte ich zurück. Verzog keine Miene.

Auch wenn ich ihn nun aus meinem Haus hätte schicken sollen…..schicken müssen…… konnte ich es nicht. Mein Herz ließ es nicht zu. Zu viele Gemeinsamkeiten hatte ich erkannt, zu viel Mitleid verspürt, zu viel Trauer und Einsamkeit in seinen Blicken erkannt.

Ich war zu weich. Viel zu weich. Und er schien mir dies gleich noch sehr viel bewusster zu machen als ich es eh schon vor Augen gehabt hatte. Ich hatte das große Bedürfnis ihn in die Arme zu nehmen und zu flüstern, dass alles gut werden würde und er bei mir sicher sei. Schon heute Morgen als ich ihn im Stall gefunden hatte, kam er mir verloren vor. Hatte die Nähe meines Pferdes gesucht, weil er keine andere fand. Auch wenn er dies abstreiten würde, so wusste ich, dass es tief in ihm doch so verwurzelt gewesen war. Unbewusst hatte er Nähe gesucht.

Es war nicht einfach, das musste ich zugeben. Bei diesem Mann war äußerste Vorsicht geboten. Und doch hatte ich Vertrauen aufgebaut, grade weil er so menschlich war. Grade weil er aus ärmlichen Verhältnissen kam und meine Hilfe benötigte. Niemals hätte ich ihn im Regen liegen lassen. Auch wenn ich auf meine Angestellten öfters den Eindruck machte, dass ich niemanden mehr bei mir aufnehmen würde, so konnte ich jemanden der aufrichtig Hilfe erbat, diese einfach nicht verwehren. Ich würde jedem Zuflucht bieten, der sie benötigte. Ich würde jedem Vertrauen schenken, der sich als würdig erwies. Jedem ein Freund sein, der sich auch für mich aufopfern würde. Daher blickte ich ihn erneut lange an, als er mich danach fragte bleiben zu dürfen. Ein langer Seufzer erfüllte den Raum, der außer dem Knistern des Holzes, in völlige Stille getaucht war.

„Ich wäre ein Unhold und nicht besser als Hennrics wenn ich sie nun von meinem Anwesen jagen würde, Mister Xavier.“, sagte ich aufrichtig. Ich wollte ehrlich zu ihm sein, denn er hatte schon einiges mehr von meinen Seiten zu Gesicht bekommen, welche anderen Dienstboten noch gänzlich verborgen geblieben waren.

Dann lauschte ich auch seinen weiteren Worten, die für mich doch beinahe wie eine Drohung klangen. Daher erhob ich meine Augenbrauen. Blieb still und legte mir meine nächsten Wort zurecht. Dabei strich ich mir nachdenklich über mein markantes Kinn.

„Natürlich bin ich mir der Gefahr bewusst, doch vertraue ich ihn gar genug um zu wissen, dass wenn sie es gewollt hätten mir schon längst ihren Will aufgezwungen hätten. Daher sehe ich dies lediglich als einen Mangel an Kontrolle an. Doch das kann man trainieren und schulen. Wie ich ihnen auch das Reiten und Lesen beibringen werde.“

Ja, ich hatte mir das zur Aufgabe gemacht. Innerlich hatte ich mir das als Ziel gesetzt, denn es konnte ja nicht sein, dass ein solcher Mann, ob nun ärmlich oder nicht, diese so wichtige Kriterien nicht erfüllte. Ich hatte bislang jedem hier lesen und schreiben beigebracht, der es lernen wollte. Mittlerweile unterrichtete öfters Miss Fairfax, doch bei ihm würde ich wohl selbst Hand anlegen. Ich würde aus ihm einen noch ansehnlicheren Mann machen. Ihn mit auf Gesellschaftstreffen nehmen und allen beweisen, dass es durchaus angenehm war sich mit jemanden aus dem Bedienstetenkreis abzugeben. Sicher es war riskant und würde das letzte Bisschen meines Rufes zerstören. Doch kümmerte mich das herzlich wenig. Denn ich sah darin auch eine Chance. Den Menschen etwas mitzugeben und auch solchen Leuten die es nicht vermochten, eine Zukunft zu bieten. Und die Leute dazu anzustreben selbst dieser wohltätigen Gabe Teil zu haben. Sie dazu animieren auch diesen Leuten eine Chance zu geben. Auch wenn ich beinahe Hass für die wohle Gesellschaft hegte, wollte ich eine Veränderung erzielen. Denn waren nicht auch ärmliche Männer und Frauen Menschen?

"Gestatten sie, dass ich meine Zweifel gegen sie hege, Sir... Wie können sie einem Mann vertrauen, den sie erst vor einigen Tagen kennengelernt haben?", sagte er ernst und stellte seine Tasse beiseite um aufzustehen.

"Bitte bedenken sie, dass ich ein einfacher Mann bin... Ich sollte mich jetzt um meine Arbeit kümmern... die anderen brauchen mich.", sprach er weiter. Ich konnte ihn zu gut verstehen. Und doch wunderte ich mich darüber, dass er noch immer mein Vertrauen in sich anzweifelte. Sicher, es waren erst einige Tage vergangen und doch hatte ich bei ihm das Gefühl, dass ich mich ihm anvertrauen konnte. Und hatte er nicht auch ein Recht darauf, sich wohl zu fühlen? Aber ich ließ ihn diese Zweifel hegen. Jemand der solche Erfahrungen gemacht hatte, musste gar solche Zweifel empfinden. Aus Selbstschutz.

Ich schmunzelte über seine Worte. Sie steckten voller Stolz und Kraft. Ich bewunderte ihn. Auch wenn er solch vieles Leid erfahren hatte, hatte er sich steht’s durchgekämpft. Blieb sich selbst treu. Es beeindruckte mich dass er den Mut fand sich gegen ein solches verlockendes Angebot zu sträuben. Dies nicht einfach so unüberlegt anzunehmen. Selbst wenn es von einem solch mächtigen Mann wie mir ausgesprochen wurde. Ich verschränkte meine Finger in einander und nickte.

„Wie sollte ich nicht? Wo sich dieser doch als sehr vertrauenswürdig erweist.“

Sicher, sollte ich mich täuschen, wäre ich der größte Narr den es gab. Naiv und Leichtgläubig. Doch mein Gefühl sagte mir in dem Moment als ich ihn draußen im Regen erblickt hatte, dass es richtig wäre ihn hier aufzunehmen und ihm zu vertrauen. Und mein Gefühl hatte mich bisher noch nie im Stich gelassen.

„Sicher. Tun sie was ihnen beliebt.“ Mit den Worten entließ ich ihn schließlich und goss mir noch eine Tasse Tee ein. Auch wenn ich mich liebend gern noch länger mit ihm unterhalten hätte, hatte auch ich noch Pflichten, denen ich nachgehen musste. Zumal mich bald was anderes erwarten würde. Doch das hatte noch Zeit. Meine Geschäfte hier waren noch nicht abgeschlossen. Ich musste bald weitermachen, wenn ich das erreichen wollte, was mir vorschwebte. Ich hatte wie alle erwartet hatten das Geschäft meines Vaters weitergeführt. Er war ein wirklich brillanter Händler und schaffte überall auf der Welt Handelsruten. Ich war damit groß geworden und hatte auch da ein Ziel, dass ich unbedingt erreichen wollte. Nachdenklich blickte ich ins Feuer und trank meinen Tee. Bevor ich mich wieder in den Papierkrieg stürzen musste, der noch auf meinem Schreibtisch lag und darauf wartete endlich beseitigt zu werden.
 

~
 

Ablenkung - Charles Francis Xavier
 

Erstaunt von den Worten des Mannes, hatte ich ihn wohl im ersten Moment einfach nur angestarrt und war aus dem Raum getreten, als er mir frei gab. Ich wusste auch nicht was ich darauf nun antworten sollte. Schließlich hatte er mir angeboten, das Lesen zu erlernen und dahingehend noch das Schreiben.

Ich hatte viel erlebt in meinem Leben, doch so etwas ist mir noch nicht ein einziges Mal untergekommen. Kaum auszumalen, wenn die andere Gesellschaft davon erfuhr was er hier machte. Er brachte seinem Personal Dinge bei wovon einige andere Menschen nur träumen. Ich freute mich schier darüber, so konnte ich all die Bücher lesen, die mir nicht vergönnt gewesen war, die Geschichten zu kennen. Hennrics hatte mit Freunden öfters über Bücher gesprochen, so erfuhr ich einige Titel, aber auch den Inhalt des Buches. Der Mann war nicht dumm gewesen, nur grausam. In der Gesellschaft hatte er trotzdem ein sehr gutes Ansehen. Ich hoffte dieses würde sich jetzt ändern... was ich kaum glaubte... Ich fragte mich wie er diesen Angriff erklären konnte...

Auch bot er mir an meine Fähigkeiten weiter auszubauen, seine beherrschte er anscheinend ganz gut. Oder irrte ich mich da?

Er konnte alles verändern, alles verbiegen was sich nur im entferntesten mit Stahl befasste. Diese Fähigkeit erstaunte mich. Was mich weiterhin verwunderte war, dass er mir sein Vertrauen schenkte, obwohl wir uns nur einige Tage kannten. Vertraute er mir nur, weil ich genauso war wie er?

Ich hatte seinen Seufzer gehört. Es hatte ihn gelangweilt meine Zweifel zu hören und doch wusste ich nicht was ich von dem ganzen halten sollte.

Meinte er es ernst? Meinte er es nicht ernst?

So wie er mich ansah, meinte er es ernst, doch zu welchen Zweck wollte er mir helfen? Was bezweckte er mit seiner ganzen Güter...? Wollte er der Gesellschaft zeigen, das auch Mittelständige ein Recht auf hohes Ansehen hatten? Oder wollte er mich abermals vorführen... ?

Ich wusste es einfach nicht... Er verwirrte mich... Im ersten Moment konnte er kalt und abweisend sein und dann wieder komplett anders herum.

Ich wollte unbedingt lesen lernen, doch ich war keine Marionette, die man sich einfach nahm, wenn man mal jemanden brauchte um zu reden. Ich hatte auch meinen Stolz. In Gedanken schrie eine Stimme, dass ich doch ruhig sein sollte. Doch ich tat es nicht. Genauso wenig tat ich es bei Hennrics, darauf folgten Schläge... Was würde jetzt kommen?

Fest hatte ich ihn angeschaut. Wollte ihm zeigen, dass ich keine Angst hatte. Innerlich schrie meine Stimme weiter. Sie sagte ich solle sein Angebot annehmen, doch ich kannte es nicht jemandem zu vertrauen. War dieses Wort doch so wichtig für mich. Man schmiss es nicht umher... Man wählte es mit Bedacht. Genauso wie die Worte der Liebe. Auch diese warf man nicht einfach um sich...

Vorsichtig schloss ich die Tür und lehnte mich nochmals gegen diese. Ich wusste nicht was ich von diesem Mann halten sollte. Ich habe einige Teile seiner Geschichte gesehen. Auch diese zeigten nicht nur Wohlstand und Liebe, wie man es sonst von Edelmänner gewohnt war. Er hatte gelitten als seine Eltern von ihm gegangen waren und doch hatte er gelernt zu vertrauen. Hatte sein Personal als eine Familie gesehen, nie als Untertanen. Es musste ihm viel Mut und Überwindung gekostet haben, so viel zu riskieren nur für diese Gesten der Gutmütigkeit.

Seufzend stieß ich mich von der Tür ab und lief nach unten, wieder in Richtung Hof. Meine Aufgaben erwarteten mich.

Draußen wurde es ein wenig wärmer und erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch gar nichts gegessen hatte. Mein Magen meldete sich leise und ich musste leise lachen. Was man nicht alles vergaß, wenn sich der eigene Körper nicht bemerkbar machte. Grinsend joggte ich die Treppen des Nebeneingangs der Küche hoch, schnappte mir einige trockene Brotstücke und verschwand wieder nach draußen. Ich hatte keine Lust mich zu den anderen zu setzten. Wollte ich mich doch ablenken, wollte nicht mehr an gestern oder den heutigen Morgen denken. Zu vieles verstand ich nicht. So vieles war mir noch so unbekannt. Die anderen wollten bestimmt wissen, was passiert war, doch ich wollte es nicht nochmal durchgehen. Ich wollte es einfach nicht...

Eine der Scheiben von dem Brot, stopfte ich mir in den Mund und ließ sie noch ein Stück heraus hängen, währenddessen ich mir die Schubkarre schnappte und zu einen der Beete lief. Diese mussten Winterfest gemacht, die Erde noch einmal locker gemacht werden und einige Pflanzen wurden in den Keller gebracht, dass sie über den Winter hier draußen nicht erfroren.

Eines was ich an meinem Verhalten nicht ganz einordnen konnte war, dass ich mich selbst dabei erwischte, wie ich zu dem Fenster von Mister Lehnsherr schaute. Dieser Mann ließ mich nicht einmal bei meiner Arbeit in Ruhe!

Frustriert grub ich die Pflanzen aus und legte sie in die Karre. Über mich selbst grinsend machte ich weiter, bis ich die Karre zum nächsten Beet schob. Ich hatte nur eine Spitzhacke, die mir half die Erde herum zu drehen, doch das reichte mir. Bei Hennrics musste ich das alles mit den Händen machen. Hier hatte ich wenigstens Werkzeug zur Verfügung. Kurz ließ ich mich mit meinem Po auf meine Füße gleiten und schaute nach oben. Mir war warm und doch brachte die Luft kleine Wölkchen vor meinem Mund zustande. Ich zuckte kurz mit meinen Schulter und zog schließlich mein Hemd aus, wo ich nur noch ein Unterhemd drunter trug und arbeitete weiter. Solange ich mich in Bewegung behielt, sollte ich auch nicht krank werden. Doch das Hemd hatte schon leicht geklebt und das war mir unangenehm. So wollte ich nicht arbeiten, so hatte ich nie gearbeitet.

Mit geschickten Händen hatte ich auch dieses Beet erledigt und schlenderte, mit meinem Hemd über meiner Schulter zu der Laube die geschnitten werden musste. Sie sah wirklich schlimm aus und man merkte, dass sie schon lange keine Pflege mehr genossen hatte. Sein alter Kollege hatte wahrscheinlich einfach nicht mehr die Kraft dazu, so etwas zu erledigen, daher fand ich es nur gut, diese Arbeiten zu machen. Sie lenkte mich ab.

Desweiteren begegnete ich kaum jemanden. Es stimmte mich glücklich, denn niemand fragte etwas, niemand musste ich in die Gedanken schauen. Es war ruhig und diese Ruhe liebte ich. Ich zog vorsichtig meinen Kopf ein, als ich die Laube betrat und summte leise vor mich her. In der Mitte der Laube drehte ich mich kurz um die eigene Achse und verdrehte grinsend die Augen. Wie ich es mir gedacht hatte, hier hatte schon lange niemand mehr etwas gemacht, wobei es eine schöne Art des Rückzugs war. Eine Bank zierte den Bogen, doch sonst befand sich hier nichts weiter.

Weiter summend begann ich die Laube wieder auf Fordermann zu bringen. Die toten Äste schmiss ich erst einmal auf einen Haufen, sodass ich sie später weg bringen konnte. Die lebenden, bog ich so, dass sie wieder ihre Form annahmen oder kürzte sie. Es war eine anstrengende Arbeit und bald begann ich auch schwerer zu atmen und doch machte sie mich glücklich. Ich hatte keinen Druck, dass ich das heute schaffen musste...

Wieder glitten meine Gedanken zu meinen neuen Herren... Langsam ärgerte es mich auch, denn es gab wichtigere Dinge... aber einige Fragen waren offen geblieben, meldete sich meine innere Stimme wieder. Ich wusste das sie Recht hatte...

Ich war mir so unsicher ... Ich hatte mich nicht getraut zu fragen, wie er zu seinen Fähigkeiten gekommen war, denn das hatte ich nicht in seinen Gedanken gelesen. Leicht wütend stellte ich meine Leiter, die ich mir noch schnell geholt hatte an die Laube und krabbelte wieder hinauf. Allgemein was seine Fähigkeiten angingen wusste ich kaum etwas... nur das es Metall war, was er bewegen und formen konnte, wenn ich ehrlich war kannte noch nicht einmal ich alle Fassetten meiner Fertigkeiten... Ich seufzte auf und schnitt weiter die Laube... Musste mich ablenken... Bis heute Abend zumindest, dann würde ich schlafen gehen und morgen gleich wieder weiter arbeiten...
 

~
 

Arbeit - Erik Magnus Lehnsherr
 

Ich blieb noch eine Weile im Foyer sitzen, bis ich meinen Tee getrunken hatte, der mir im Übrigen den Hunger genommen hatte. Es kam öfters vor, dass ich nicht zum Frühstück erschien oder das Abendessen ausfallen ließ. Sehr zu Miss Fairfax Missbilligung. Doch was sollte sie schon machen?

Dieses hässliche Gebräu, welches mir Charles gemacht hatte, wirkte tatsächlich. Ich hatte keine Schmerzen mehr, auch wenn mein Fuß noch immer angeschwollen war, so verspürte ich zumindest kein unangenehmes Gefühl mehr. Denn ich stand langsam auf. Wolle ich den Tag doch nicht im Sessel verbringen und mich lieber um den Papierkram kümmern, der auf meinem Schreibtisch auf mich wartete. Nur noch leicht humpelnd wechselte ich schließlich das Zimmer. Mein Arbeitszimmer war sehr groß und hell. Der Raum war einer derer hier im Haus, der die größten Fenster aufwies. Und mir so, viel Licht für meine Arbeit spendete.

Ich durchquerte den Raum und ließ mich dann hinter meinem Schreibtisch in den Ledersessel gleiten. Wie vermutet hatten sich die Papiere sogar in meiner Abwesenheit vermehrt, denn die Post von heute war fein säuberlich auf der einen Seite meines Schreibtisches aufgestapelt. Ich musste mich leider durch sehr viele Briefe und Formulare arbeiten. Das war der Fluch eines Handelsunternehmers. Ich hatte grade die ersten Briefe geöffnet, als Miss Fairfax an die Tür klopfte. Ich antwortete etwas genervt. Die ältere Dame trat dann langsam ein.

„Mister Lehnsherr? Wünschen sie nicht zu frühstücken?“, fragte sie mich, wie ich schon erwartet hatte.

„Nein. Heute nicht.“, gab ich nachdenklich von mir, während ich den Brief in meinen Händen las.

„Aber sie können das Teeset aus dem Foyer wegräumen und mich für die nächsten Stunden nicht stören.“, bat ich, eh ich dann zu meiner Feder griff.

„Sehr wohl, Sir.“ Ich konnte ihren besorgten Blick auf mir ruhen spüren, ohne dass ich auch nur einmal aufsehen musste. Doch es gab keinen Grund zur Sorge. Sorge war etwas, womit ich nicht umgehen konnte. Ich hatte niemanden um mich gehabt als ich zur Schule ging, der sich hätte um mich sorgen können. Ich war auf mich alleine gestellt gewesen, da hatte es niemanden interessiert ob ich mir wehgetan hatte oder ich krank im Bett gelegen habe.

Miss Fairfax verließ mich schließlich wieder. So konnte ich mich nun ins Papierchaos stürzen.
 

Die Stunden vergingen und noch immer erfüllte das kratzen meiner Feder auf Papier den Raum. Ich hatte mich größten Teils durch Genehmigungen gearbeitet oder Lohnabrechnungen gemacht. Sowohl für die Leute die für mich arbeiteten, als auch privat für meine Dienstboten, deren Lohn auch bald anstand. Ich legte die Feder weg, als ich das Papier fertig beschriftet hatte und streckte mich. Es war ermüdend und schlauchte, doch es war Arbeit die nun mal gemacht werden musste.

Vorsichtig erhob ich mich und beschloss mir eine kleine Pause zu gönnen. Humpelnd näherte ich mich der großen Fenster direkt hinter meinem Schreibtisch, lehnte mich an den Rand und betrachtete die Aussicht. Ich musste gestehen, mein Anwesen war wirklich wunderschön. Doch es bedarf an Pflege. Es machte jedoch keinen Sinn sich jetzt darum zu kümmern, da es bald Winter wurde und alles dann sowie so, wie tot erschien. Allerdings fiel mir Charles auf, der sich um die ganzen Sträucher und Beete kümmerte, die so vernachlässigt wurden. Schließlich mussten diese winterfest gemacht werden.

Er schien etwas von seinem Handwerk zu verstehen, denn jeder seiner Bewegungen und Handgriffe saßen. Als hätte er niemals etwas anderes gemacht. Nun war ich schon stolz ihn eingestellt zu haben. Sein Vorgänger war ja nicht schlecht und kümmerte sich ebenfalls gut um meinen Besitz, doch er war schon in die Jahre gekommen. Er war nicht mehr so gelenkig und agil wie Charles es war. Er hatte Schwierigkeiten an hohe Stellen zu gelangen, klagte über Rückenschmerzen, wenn er Beete aushob. Alles was das Alter ebenso für Probleme machte. Daher war ich froh über die Hilfe die ihm da Charles bot.

Ich erwischte mich dabei, wie ich mir besonders viel Zeit nahm um ihn zu betrachten. Die starken Arme, die doch so zierlich wirkten, aber durchaus im Stande waren schwere Dinge zu heben. Der trainierte Rücken, der sich bei jeder seiner Bewegungen anspannte oder löste. Die flinken Beine, die es ihm ermöglichten über Stock und Stein zu wandern, auf Vorsprünge zu klettern oder geschickt Leitern zu erklimmen. Ohne es zu wollen entwich mir ein Seufzen. Das Interesse für diesen Mann stieg mit jeder weiteren Minute an, in der ich ihn betrachtete. Ich war neugierig. Brannte darauf ihn besser kennenzulernen und mit ihm noch einige Unterredungen zu führen, von denen ich bisher nur träumen konnte.

Meine Dienstboten waren wundervolle Leute und doch waren sie eben Personal. Ich hatte niemanden bisher um mich gehabt, dem ich mich hätte anvertrauen können und der die nötige Schlagfertigkeit besessen hätte um sich mit mir in einem Wortduell zu messen. Als sein Blick sich hob, drehte ich mich ertappt weg. Ermahnte mich dann selbst wieder an die Arbeit zu gehen, die noch längst nicht beendet war.

Und wieder erfüllte nach kurzer Zeit das Geräusch von einer kratzenden Federspitze auf Papier, den Raum.
 

Am Nachmittag kam Miss Fairfax mit einer weiteren Tasse Tee zu mir, doch ich lehnte ab.

„Behalten sie ihn.“, meinte ich barsch ohne von meinem Papier aufzusehen. Ich vernahm nur ein Seufzen von der älteren Dame, eh sie wieder Kehrt machte. Es schien sie nicht zu überraschen, denn ich trank öfters den Tee nicht am Nachmittag. Ich war einfach zu beschäftigt. Mit einem Ohr lauschend, was draußen vor sich ging, bekritzelte ich weiter die Papiere vor mir. Und nach und nach lichtete sich das Chaos auf meinem Schreibtisch. Dafür stieg der Berg an Briefen, die ich zur Post bringen sollte weiter an.

Als ich schließlich nach einiger Zeit Hufe auf dem gepflasterten Boden, des Hofes vernahm, horchte ich auf. Doch wollte ich mich nicht weiter ablenken lassen und endlich alles fertig bekommen. Ich vernahm dann kurze Zeit später Stimmen und tat es eben als normaler Arbeitsvorgang ab. Ich konnte ja nicht ahnen, dass jemand mein Pferd grade sauber machte. Eine Aufgabe die sonst immer ich verrichten musste, da der sture Hengst niemand anderen an sich heranlassen wollte. Leider benötigte dies doch einige Zeit, die ich nun mal nicht jeden Tag hatte. Daher wurde auch er, wie so vieles auf meinem Anwesen schändlich vernachlässigt.

Als ich schließlich das letzte Wort geschrieben hatte, pfefferte ich genervt meine Feder in den Halter zurück. Müde streifte ich mir durch mein Haar und erhob mich endlich aus dem Sessel, der mir bereits Rückenschmerzen verursachte. Ordentlich stellte ich ihn an den Schreibtisch heran, nahm mir die Briefe die ich heute geschrieben hatte und verließ mein Arbeitsraum.

„Miss Fairfax….“, rief ich nach der älteren Dame.

„Miss Fairfax!“ Eigentlich hätte ich ja auch nach Charles verlangen können, doch ich nahm an, dass er noch draußen war, da würde mein Gebrüll im Haus nicht viel nützen. Die grauhaarige Frau kam grade die Treppe nach oben gehechelt und sah mich an. Ich reichte ihr die Briefe.

„Bringen sie die morgen früh zur Post.“

„Sehr wohl Sir.“, kam es pflichtbewusst wie immer von ihr.

„Wann kann ich das Dinner servieren?“, wollte sie dann noch wissen. Natürlich wollte sie das wissen, denn sie war immer besorgt, wenn ich nichts zu mir nahm. Für mich war essen nicht so wichtig und gern ließ ich einige Mahlzeiten ausfallen. Sehr zu Miss Fairfaxs Missgunsten. Daher tat ich ihr mal den Gefallen und antwortete ihr anständig, nicht dass die etwas ältere Frau noch einen Herzinfarkt erlitt, weil sie sich so sehr wegen meinen Essgewohnheiten aufregen musste.

„Gegen acht Uhr.“ Dann verließ ich sie auch wieder. Ich wollte mich nun nach der nervigen Arbeit und dem Drang mir den neusten Angestellten zu betrachten etwas entspannen und suchte daher den Salon auf. Ich hatte schon lange nichts mehr auf dem Klavier gespielt. Meistens pflegte ich dies bei Veranstaltungen zu tun, doch da ich schon lange keine mehr gegeben hatte, wurde auch dieses schöne Stück wie vieles anderes hier, vernachlässigt. Zärtlich strich ich über den Deckel der die Tasten schützte, als ich den Raum betreten hatte, eh ich mich dann auf den Hocker setzte. Wieder einmal fiel mir auf, wie lupenrein alles doch war, obwohl kaum jemand auf dem guten Stück gespielt hatte. Meine Bediensteten pflegten dieses alte Haus wirklich vortrefflich. Nicht ein Staubkorn lag auf dem schönen Instrument.

Schließlich klappte ich die Schutzklappe nach oben und drückte eine Taste. Schmerzlich verzog ich den Mund zu einer Grimasse. Das war der Nachteil wenn man lange nicht spielte. Sie verstimmten. Aber jetzt hatte ich Zeit mich diesem Instrument zu widmen. Ich brauchte so wie so Ablenkung. Mich juckte es in den Fingern mich in der Musik zu verlieren, doch ich konnte nicht spielen, wenn sich mein treuer Freund so anhörte, als wäre er unsagbar unglücklich.

Darauf gefasst einige Minuten daran herum zuschrauben, legte ich meine Jacke ab, legte sie fein säuberlich über einen Stuhl, nahm den Stimmhammer und begann mit meiner Arbeit. Ich hätte dies auch jemand anderem auftragen können, doch wie auch bei meinem Pferd ließ ich niemanden die Arbeit verrichten, die ich grade so gut selbst machen konnte. Schließlich gehörte es mir.

Ich lief schlendernd um das Instrument herum, klappte den Deckel auf und begann, die Tasten anzuschlagen und gleichzeitig zu stimmen. Sicher zu zweit würde diese Arbeit schneller von statten gehen, aber die hatte ich bisher auch immer alleine verrichtet. Meine Dienstboten hatten so wie so nun alle Hände voll damit zu tun das Abendessen vorzubereiten, auch wenn es heute nur für mich sein sollte. Da fiel mir ein, dass ich ganz alleine bei Tisch sitzen würde. Ich war aber nicht wirklich angetan davon. Daher beschloss ich sowohl Miss Fairfax als auch Charles an meine Tafel zu bitten, sobald ich mein Instrument fertig gestimmt hatte.
 

~
 

Mit Ach und Krach - Charles Francis Xavier
 

Als ich gerade dabei war, die erste Karre weg zu bringen, schaute ich abermals zum Fenster hinauf, hatte jedoch nicht damit gerechnet Mister Lehnsherr dort stehen zu sehen, wie er auf mich herab blickte. Sofort lief ich schnell weiter. Wollte ich doch nicht, das er denkt ich würde die ganze Zeit zu ihm schauen.

Ich war so ein Idiot, fluchte ich innerlich und schob die Karre über den Hof neben der Scheune, wo ich auch gestern den Mist abgeladen hatte. Mit schnellen Schritten war ich auch schon wieder bei der Laube und beendete meine Arbeit. Sie sah wieder wundervoll aus, dachte ich mir zufrieden und betrachtete sie noch eine Weile. Hennrics hatte so etwas nicht besessen. Ein Garten war für ihn ein Garten, dort musste nichts Schönes stehen, Hauptsache es war Rasen da. Heimlich hatten wir Blumen gepflanzt und solange wie er das nicht bemerkt hatte, wurden sie auch nicht heraus gerissen. Diese Laube würde ich im Frühjahr genauso bepflanzen. Man sollte sich dort wohl fühlen, darunter Speisen und Spiele spielen, dachte ich mir wehmütig und lief zurück zum Hof.

Es dauerte eine Weile, denn hier und dort sammelte ich noch Unkraut ein, das ich noch in den Beeten entdeckte. Es war eine harte Arbeit und wie ich bemerkte, begannen auch meine Stellen zu schmerzen die immer noch geschunden waren. Wie ich es hasste...

Ich stellte die Karre wieder weg und begab mich in den Stall um Tornado zu besuchen, der unruhig in der Box herumtänzelte. Anscheinend brauchte er dringend mehr Auslauf. Das heute Morgen war für ihn auch kein Auslauf gewesen, sondern ein bisschen Getanze... mehr nicht...

"Ruhig mein Junge...", flüsterte ich leise und öffnete seine Box um ihm über den Rücken zu streicheln. Draußen war meine Arbeit soweit erst einmal erledigt. Daher hatte ich mir überlegt Tornado zu säubern, es waren noch einige Stunden bis Sonnenuntergang.

Geschickt führte ich den Hengst nach draußen in den Hof, wo ich ihn mit einem Seil an einem Ring befestigte, der sich in der Mauer befand. Der Stalljunge hatte mich erst verwirrt gemustert, als ich ohne weiteres das Pferd des Herren nach draußen führte. Es war anscheinend nicht üblich, dass sich das Tier soweit anfassen ließ. Es war bei mir auch kein Wunder, denn ich hatte meine Fähigkeit... doch auch davor konnte ich gut mit Tieren umgehen.

Ich zuckte nur grinsend mit meinen Schultern und begann den Hengst zu säubern. Leise begann ich zu Summen und strich dem Tier immer wieder beruhigend über die Seite. Die Hufe wieder frei zu machen, erwies sich auch nicht als schwer, denn ich schickte ihm ein Bild was ich vor hatte und schon hob er eines seiner Beine. Grinsend stütze ich es ihm und machte auch diese fertig. Der Blick des Stalljungen interessierte mich nicht. Ich brauchte mich auch im Moment nicht mit ihm zu unterhalten, denn ich wusste soweit alles, doch seufzte ich innerlich und drehte mich kurz zu ihm um.

"Wer hatte ihn sonst immer gesäubert?", fragte ich ihn offen und strich Tornado über den Hals. Ich begann dann doch ein Gespräch, da ich nicht stumm neben ihm stehen wollte.

"Unser Herr selbst... dieses Pferd hatte niemanden an sich heran gelassen...", sprach er leicht erstaunt.

"Oh...", sagte ich nur und schaute ihn verwirrt an. Hatte er auch diese Aufgabe selbst verrichtet? Erik Lehnsherr war definitiv kein normaler Herr. Verwundert drehte ich mich wieder um und begann zu summen.

"Vielleicht hat er heute einen guten Tag...", sagte ich schnell und säuberte ihn weiter.

"Oh nein... der Junge hat nie einen guten Tag.", lachte der Stalljunge.

"Ich bin übrigens Jonas...du musst Charles sein.", sagte er grinsend. Ich nickte nur lächelnd zurück.

"Du meinst er ist so wie sein Herr?", fragte ich ihn und musste leicht lachen. Jonas schien ein sehr offener Mensch zu sein. Er zeigte mir gegenüber keinerlei Scheu oder Schüchternheit. Nein er hatte schon solch eine Ausstrahlung, die mir sagte, dass er zu allem immer freundlich war.

"Ja so in etwa!", antwortete er ebenfalls lachend. Auch wenn ich mich gesträubt hatte, mit jemanden zu reden, war es doch irgendwie ganz befreiend. Man konnte sich unterhalten und Witze machen. Bei Hennrics hatte ich niemanden mit dem ich mich so einfach unterhalte konnte und ich sah in Jonas, dass er ein aufrichtiger junger Mann war. Daher störte es mich auch nicht mit ihm weiter herum zu albern, auch nach meiner anfänglichen Skepsis.

"Mhm... Er sollte diese Eigenschaften nicht auf seine Tiere übertragen...", meinte ich nachdenklich und lächelte dann wieder.

"Stimmt... aber wenn er es nicht machen würde, hätten wir noch weniger Arbeit.", lachte er und striegelte gerade eine der weißen Stuten. Sie schien trächtig zu sein. Ein wundervolles Tier.

Im nächsten Moment begann mein Magen laut zu knurren. Ich verstand ihn, ich hatte gerade mal zwei Stück Brot gegessen. Ich sollte nachdem ich mit Tornado fertig war in die Küche gehen und etwas essen, wurde auch langsam Zeit, denn die Sonne verschwand bald.

Ich wusste nicht wie lange ich schon so ausgelassen herum gealbert hatte, denn es gefiel mir mit Jonas über Albernheiten zu reden. Über nichts Ernstes.

Er erzählte mir wie sie Mister Lehnsherr schon oft den letzten Nerv geraubt hatten. So erging es seiner Tante ebenfalls. Die Jüngsten hier, vernahm ich hielten die Älteren ganz schön auf trapp. Lachend strich ich Tornado über den Hals und führte ihn schließlich wieder in seine Box, als er fertig war. Jonas tat das gleich mit der Stute. Die anderen Pferde hatte er schon gemacht meinte er, wobei wir uns auf einen der Heuballen schwangen und er mir eine seiner anderen Brotscheiben abgab. Ich bedankte mich höflich. Wie mir schien war er noch nicht besonders alt, vielleicht an die 20, vielleicht sogar noch jünger. Er erzählte mir, dass er vor 5 Jahren mit seiner Mutter hier her fand. Ein anderer Mann aus der Stadt hatte ihnen diesen Hof als Arbeitsstelle empfohlen und seitdem war er hier. Seine Mutter arbeitete meist im Haushalt, doch Jonas liebte Tiere daher hatte er sich bereit erklärt im Stall auszuhelfen.

Auf meine Frage hin, ob Mister Lehnsherr auch damals schon so verbissen war, nickte er nur.

"Ja... er hatte sich bis jetzt noch nie gegenüber jemanden so verhalten wie gegenüber dir. Es ist erstaunlich und doch erfrischend. Wir können davon doch nur alle profitieren. Er war nie ein strenger Herr gewesen, dafür hatten wir schon zu viel Mist als Kinder gebaut.", lachte er und rutschte vom Ballen hinunter.

"Ah so ist das also...", grinste ich frech und Jonas nickte nur vielsagend. Dann zuckte er mit den Schultern. Er war wirklich ein angenehmer junge Mann und ich wusste jetzt schon, dass ich mich bestens mit ihm verstehen würde. Seine Gedanken waren so klar und nicht verstellt. Ich musste mich zusammen reißen um diese nicht zu sehen, denn immer wieder begann ich zu kichern. Sie hatten tatsächlich ein totes Eichhörnchen in die Gemächer des Herren gelegt... Interessant...

Es würde mich wirklich interessieren, wie lange man braucht um ihn wirklich zu reizen. Das sollte ich mir aber bis jetzt erst einmal noch verkneifen. Dafür war ich hier noch zu neu.

Mit vollem Mund rutschte ich ebenfalls vom Ballen und wir beide gingen Richtung Eingang.

"Wenn du möchtest zeige ich dir alles. Das geht schneller, als wenn es die Fairfax machen würde.", kicherte er und lief auch schon los, ich hinter her. Lachend zeigte er mir jedes Zimmer und ich nahm alles auf.

Die Gästezimmer die gerade von einige Mädchen wieder Zurecht gemacht wurden. Die Sonne bestrahlte jedes von ihnen in einen hellen rot, es sah unglaublich aus und mit einem Mal sah ich dieses Haus nicht mehr so düster, sondern belebt. In jedes Zimmer was wir betraten, lachten uns die Personen entgegen, machten kurze Späße mit uns oder ermahnten uns, das wir doch leiser sein sollten, wegen dem Herren. Wir lachten leise und liefen schnell weiter.

"Unser Herr wird wahrscheinlich noch im Arbeitszimmer sein, daher kann ich dir den Salon zeigen.", sagte er in den Ton unseres Herren imitierend. Albernd und mit Ach und Krach betraten wir den Salon und blieben leicht geschockt stehen.

"Sagtest du nicht er arbeitet?", fragte ich gepresst und leise.

"Hab ich gedacht!", sagte er und schaute dann ernst zu unseren Herren.

"Entschuldigen sie die Störung ich wollte ihm nur das Haus zeigen... ", sagte er entschuldigend. Ich nickte ebenfalls. Jonas machte sich viel über ihn lustig und spielte ihm Streiche, doch er respektierte ihn als seinen Herren. Sah ihn als ein Familienmitglied...
 

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Diskussionen - Erik Magnus Lehnsherr
 

Ich war zu sehr in meiner Arbeit vertieft, als dass ich mitbekam, wie die beiden jungen Männer draußen begannen sich über mich lustig zu machen. Zumal ich immer wieder Tasten anschlug und so das Gespräch auch gar nicht mitbekommen konnte. Als ich dann einer der letzten Tasten anschlug ging irgendwas kaputt. Fluchend schmiss ich den Stimmhammer bei Seite und suchte nach den anderen Werkzeugen. Das hatte mir nun grade meine Laune sichtlich verschlimmert.

Humpelnd ging ich zu der Werkzeugtasche, die ich in einer der kleinen Schränke verstaut hatte und begann dann mit der Reparatur. Das würde nun doch etwas länger dauern als ich vermutet hatte. Doch irgendwann musste das ja geschehen. Das Klavier war noch von meinem Vater, also schon etwas älter. Aber gerade weil es älter war mochte ich es. Seine Initialen waren auf der Seite eingeschnitzt und stilvoll verziert worden. Es war eines meiner wertvollsten Gegenstände, weshalb ich es wohl auch deshalb mit großer Sorgfalt behandelte und niemand darauf spielen ließ. Geschweige denn es zu stimmen. Fast schon liebevoll bearbeitete ich die kaputte Stelle. Mein Kopf steckte zur Hälfte tief in dem ausgehöhlten Inneren des Klaviers, so dass man nur noch einige Haarwellen von meinem Kopf herausragen sah.

Ich war zu vertieft in meinem Tun um mitzubekommen was die beiden jüngeren Dienstboten so trieben. Erst als plötzlich die Tür aufgerissen wurde, erschrak ich so heftig, dass ich gegen den aufgeklappten Deckel des Klaviers stieß und mir den Kopf anhaute. Da es heftig knallte vernahm ich auch nicht wie sie sich noch unterhielten, bevor sich der Junge Jonas zu entschuldigen begann. Ich verstand seine Entschuldigung allerdings kaum, da ich laut zu fluchen begonnen hatte und nun mehr als mieser Laune war. Als ich mich schließlich aufrichtete, hatte ich auch ein ganz schönes Durcheinander auf dem Kopf und mein Gesicht war von der Haltung, wie auch vor Zorn etwas gerötet.

„Himmel, Arsch und Zwirn, was in Gottes Namen haben sie sich dabei gedacht!“, brüllte ich nun, während ich mir den Kopf rieb. Das gab eine ganz schöne Beule. Der Tag war schon ziemlich schmerzhaft, musste ich gestehen. Erst der Steigbügel der meinen Fuß anschwellen ließ, dann die Ohrfeige und jetzt auch noch eine Beule am Kopf. Brach ich mir als nächstes den Arm?

Jonas entschuldigte sich in allen möglichen Formen, doch das stimmte mich nicht in der Minderheit gelassener.

„Haben sie ihre Manieren vergessen?“, kam es wieder von mir. Dabei richtete ich meine Worte nur an den Stallburschen, nicht aber an Charles, der zwar mit von der Partie war, aber nicht wirklich Schuld daran hatte, denn es war Jonas gewesen der die Tür ohne anzuklopfen geöffnet hatte.

„Was streifen sie auch so laut durchs Haus? Haben sie vergessen dass ich es nicht dulde wenn ihr wie eine Horde Büffel durch die Gänge rennt?“ Ich kam mir grade vor wie mein Vater, der uns damals auch zusammengestaucht hatte, weil wir uns einfach wie kleine Kinder benommen hatten. Nur dass wir damals anderen Mist angestellt hatten. Raven und Ich. Vater war zwar streng mit uns gewesen, doch meistens am Abend entschuldigte er sich bei uns, indem er uns eine süße Kleinigkeit am Tisch zuschob. Seufzend strich ich mir durchs Haar und setzte mich auf den Klavierhocker.

„Hat ihnen Miss Fairfax das Haus noch nicht gezeigt?“, wand ich mich nun wieder etwas ruhiger an Charles. Verwundert legte ich die Stirn in Falten.

"Sir ich bin genauso an diesen Zwischenfall Schuld, seien sie nicht zu hart zu ihm...", sagte dieser jedoch ruhig und musterte mich eindringlich. Jonas hingegen hatte die ganze Zeit seinen Blick gesenkt. Er nicht.

"Nein hat sie nicht. Wir waren davon ausgegangen, dass sie sich noch in ihrem Arbeitszimmer befinden. Es soll nicht noch einmal vorkommen.", sprach er dann auch weiter und neigte leicht seinen Kopf. Ich setzte mich hin, rieb noch immer meinen Kopf, doch Charles Worte ließen mich in meinem Tun Inne halten. Eine meiner Augenbrauen schnellte nach oben und mein Blick wurde härter. Bisher hatte sich noch nie jemand getraut mir zu widersprechen. Nicht einmal Jonas, der schon eine lose Zunge hatte, was zweifellos seinem Alter zuzuschreiben war. Aber Charles war älter als der Stallbursche und schien anscheinend doch genau so aufmüpfig wie ein Junge von 20 Jahren.

„Wie bitte?“, fragte ich daher, in der Hoffnung mich verhört zu haben. Ich wartete seine Antwort ab, die er nochmal wiederholte. Mein Blick war starr auf ihn gerichtet.

Ich sagte einige Sekunden nichts, eh ich dann meinen Blick nicht von ihm lösend, mit der Hand dem jungen Stallburschen zeigte er solle uns alleine lassen. Dieser sah nun etwas entschuldigend zu Charles, bevor er den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Erst als diese sicher verschlossen war, begann ich erneut mein Wort an ihn zu richten.

„Wie sehr ich auch ihr Einschreiten und ihr Sinn für Gerechtigkeit schätze, Charles, glaube ich nicht dass sie hier von Nöten ist.“, begann ich und stand wieder auf. Ich humpelte etwas näher an ihn heran, so dass ich auf ihn niederblicken konnte.

„Sicherlich haben sie sich auch etwas ausgiebiger ausgelassen, doch Jonas ist schon länger hier und sollte die Regeln kennen. Daher waren meine Worte an ihn gerichtet. Bei ihnen kann ich es noch auf ihre Neuanstellung abschieben, wenn sie so wollen.“, erklärte ich und begann mein Haar wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen.

„Oder legen sie es darauf an auch von mir einige härtere Worte zu hören?“

"Wenn sie diese Eigenschaft von mir schätzen, dann sollten sie es auch akzeptieren. Und nein, die harten Worte sind nicht nötig. Ich verstehe sie auch so, Sir.", sagte er und schaute zu mir herauf. Bei seiner Antwort musste ich doch etwas lachen. Es war ein schiefes eher amüsiertes Lachen, als ein fröhliches Kichern.

„Haben sie sich die Zunge des Stallburschen ausgeliehen?“, wollte ich wissen, als er mir doch etwas frech antwortete. Mein Blick war weiterhin fest auf ihn gerichtet. Sah in diese blauen Augen in denen ich behaupten konnte etwas aufblitzen gesehen zu haben.

"Oder haben sie….sich seiner Gedanken bemächtigt?“, setzte ich nun nach und hob meine Hand um seine Schläfe mit meinen Fingern anzutippen. Auch wenn er momentan ein unangebrachtes Verhalten an den Tag legte, sah ich dies als eine Herausforderung an. Schließlich hatte sich noch nie jemand gegen mich aufgelehnt, wozu es eigentlich auch keinen Grund gab, doch ich fand es erfrischend, dass doch jemand die Dreistigkeit hatte es dennoch zu versuchen. Und wer passte nicht besser in dieses Schema als Charles.

"Ich glaube ich habe genug Persönlichkeit, um mich selbst zu wehren... Da brauche ich nicht die Gedanken von Jonas!", brachte er heraus und schaute mich weiterhin mit seinen blauen Augen an. Erneut musste ich wegen seinen ziemlich überzeugten Worten lachen.

„Ich zweifle keineswegs daran, dass sie genug Persönlichkeit haben, Charles. Nichts läge mir ferner.“ Denn ich wusste genau wie stark sein Charakter war, auch wenn er so vieles durchgemacht hatte. Er war weitaus stärker als der meine.

Ich wusste mir nicht zu helfen, aber ich fand Gefallen daran. Es war eigenartig…..anziehend.

„Nun denn. Wenn sie so wie sie sagen ebenfalls daran schuld sind, dann werden sie als Strafe heute Abend mit mir speisen müssen.“, meinte ich.

Ich verteilte keine Strafen. Würde ich auch nie. Doch ihn zu fragen ob er heute mit mir essen würde, nur weil ich zu stolz war um zuzugeben wie einsam ich mich sonst fühlte, kam nicht in Frage. Daher kam mir diese Umschweife doch sehr gelegen.

„Und sie werden nicht eher gehen dürfen, bis ich es ihnen erlaube. Habe ich mich klar ausgedrückt, Charles?“, fragte ich nach. Noch immer meinen Blick nicht von ihm lösend.

Die blauen Augen hypnotisierten mich regelrecht. Ich konnte mich einfach nicht von ihnen losreißen.

"Ich soll mit ihnen Essen? Haben sie hier im Haus nicht bessere Gesellschaft als mich?", sagte Charles nun grinsend. Ich drehte mich wieder um und humpelte zum Klavier zurück, welches mir diese nicht grade wohltuende Beule beschert hatte. Es folgte erneut eine freche Antwort. Doch diesmal blieb ich eine Weile stumm, eh ich antwortete. Denn meine Worte mussten gut gewählt und überlegt ausgesprochen werden, um nicht den wahren Grund meiner Absicht preiszugeben.

„Darum geht es nicht. Ich würde meine Bediensteten jeder Gesellschaft vorziehen.“, sagte ich ganz ehrlich.

„Wieso sollte ich also auf das Vergnügen verzichten, wo ich doch niemanden mehr um mich habe, der mich mit den Themen des Hofes ermüdet.“ Ich stellte mich nun wieder hinter mein Klavier und hob das Werkzeug auf, das ich fallen gelassen hatte, als man mich so rüde unterbrochen hatte.

„Haben sie grade anderwertige Verpflichtungen?“, fragte ich ihn dann und blickte ihn wieder an. Er stand noch immer an Ort und Stelle.

Jetzt wo ich ihn da stehen sah und betrachtete, war ich doch ziemlich von meinem Plan überzeugt, den ich mir heute Morgen bei meiner Arbeit zurechtgelegt hatte. Sicher war Miss Fairfax mit den Briefen schon unterwegs zur Post, was ich nur mit einem zufriedenen Lächeln dachte. Ich war wirklich sehr gespannt. Es versprach in der Tat eine spannende und unterhaltsame Zeit zu werden. Seit Charles hier auf meinem Anwesen aufgetaucht war, schien alles wieder an Leben zu gewinnen. An Spannung. Nichts Tristes lag mehr in meinem Blick und ich war auch keineswegs mehr gelangweilt. Denn es versprach wirklich eine schöne Zeit zu werden. Und wir hatten jetzt erst Herbst. Gewöhnlich war der Winter die schlimmste, einsamste und dunkelste Jahreszeit. Doch dieses Jahr hatten wir etwas Neues, dass dieses Gefühl wohl gar nicht erst aufkommen ließ. Dieser Winter würde anders werden. Ganz anders.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lulu-chaan
2015-12-15T00:18:24+00:00 15.12.2015 01:18
wow echt schön *-*


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