Invasion von Negi01 (Teil 1 : Die Reise) ================================================================================ Kapitel 5: Junko ---------------- Kapitel 5: Junko Sie hatten Tokio bereits seit zwei Stunden hinter sich gelassen. Glücklicherweise hatte Kazuma zwischen den Trümmern einen alten Motorroller gefunden, der noch funktionierte. Es war zwar ein alter Benzinroller, aber der Tank war gut gefüllt und mit etwas Glück würde er sie bis an die Westküste Japans bringen. Ihr erstes Ziel war ein Fischerdorf, wo sie hoffentlich ein Boot finden würden, mit dem sie nach China übersetzen könnten. Von dort aus war ihre erste Station Patna. Eine Stadt im Inneren von China, wo sie den ersten Kandidaten ihrer Liste finden sollten. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg und der Roller fuhr kaum schnell als 50 km/h. Serena saß hinter Kazuma und klammerte sich ganz fest an ihn, weil die Straße auch ziemlich holprig war. „Warum mache ich das hier überhaupt?“ Diese Frage hatte sich Kazuma seit ihrer Abreise gestellt. Und die leichten Schmerzen, die er noch in der Brustgegend trotz dem Druckverband, spürte, ließen ihn an diesem Gedanken festhalten. Seit 5 Jahren hatte er einzig und allein daran gedacht, wie er die Saroks besiegen könnte. Wie er alleine einem ganzen Heer entgegentrat und jeden einzelnen mit seinen Schwertern tötete. Doch jetzt, nach seinem Kampf mit Ghatzi, bei dem Hideyuki vermutlich sein Leben ließ, war er unsicher geworden. Wenn es wirklich noch mehr Saroks gab, die um so vieles besser waren, als dieser, dann hätte er nicht einmal annähernd eine Chance gehabt. Selbst seinen Meister konnte er nie besiegen. Serena spürte, das mit Kazuma irgendetwas nicht stimmte. „Hältst du mal an?“, fragte sie. „Was? Jetzt?“, fragte Kazuma zurück. Doch er konnte seiner Schwester ohnehin keinen Wunsch abschlagen, also blieb er stehen. „Musst du schon wieder?“ Kazuma schien ein wenig gelangweilt zu sein, als Serena abstieg. „Nein. Ich will, das du mir erzählst, was dich bedrückt. Und sag jetzt nicht, das es nichts ist, denn das glaube ich dir nicht!“ Serenas Stimme klang sehr nachdrücklich. Kazuma seufzte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sollte er Serena von seinen Zweifeln erzählen? Von seiner Angst, dem nächsten Sarok gegenüber zu treten? Das er Zweifel an ihrer Mission hatte, wusste sie ja, aber das... Vielleicht machte sie sich dann nur noch mehr Sorgen. Plötzlich hörte er ein seltsames Geräusch. Ein leises Zischen wie von einem Dampfkessel. Serena stand immer noch da und wartete auf eine Erklärung. Da entdeckte Kazuma hinter ihr am Himmel ein Objekt. Er schluckte und sah die Straße runter. Ein kleines Dorf lag in etwa einem halben Kilometer Entfernung. „Steig wieder auf. Wir reden nachher!“, sagte er und warf den Motor wieder an. „Nein. Du willst doch nur ablenken!“ Serenas Stimme war wütend geworden. „Steig auf!“, schrie Kazuma und warf sie auf den Roller. Dann fuhr er los. „Was soll denn das?“, fragte Serena. „Saroks. Die sollten uns besser nicht entdecken!“ Das Objekt am Himmel kam immer näher. Es war ein kleines Späherraumschiff, das wohl die Gegend absuchte. „Warum hast du das nicht gleich gesagt?“, fragte Serena. Das Schiff sandte eine Art Strahl auf den Boden. Vermutlich suchten sie so nach Leben oder so etwas. Immerhin gab es so etwas wie eine Ausgangssperre, die es den Menschen untersagte, ihre Städte oder Dörfer zu verlassen. Würden sie hier entdeckt werden, wäre es aus. Deswegen gab Kazuma Vollgas. Die Tachonadel überschlug sich fast. Doch schließlich erreichte er mit dem Roller das Dorf und bog blitzschnell in einen Unterstand neben einem Haus ein. Das Schiff flog über sie drüber, ohne sie wahr zu nehmen. Kazuma verschnaufte erstmal und Serena sprang ab. „Jetzt bin ich ganz schmutzig geworden.“ Serena versuchte, den Staub von der Kleidung zu wischen, doch es ging nicht. „Bist du zufrieden?“, fragte sie verärgert. Doch Kazuma hörte gar nicht zu. Er sah sich um. Sie waren in einem ziemlich kleinen Dorf. Es hatte etwa 50 Häuser, die allerdings teilweise niedergebrannt waren. Einige sahen so aus, als wären sie schon seit Jahren nicht mehr bewohnt. Zerbrochene Fensterscheiben, teilweise abgedeckte Dächer wie von einem Sturm. „Muss wohl eine dieser Geisterstädte sein.“, stellte er fest. „Wunderbar. Vielleicht finden wir hier irgendwo eine Dusche oder ein Bad. Und etwas zum anziehen.“, sagte Serena. Kazuma seufzte. „Hast du keine anderen Sorgen?“, fragte er. Serena sah ihn beleidigt an. Er schüttelte den Kopf und sah sich kurz um. „Das Haus da sieht noch ziemlich gut erhalten aus. Vielleicht finden wir da etwas.“, erwähnte er und zeigte auf ein zweistöckiges Haus mit großzügigem Garten. Serena war einverstanden damit und sie traten auf das Haus zu. Tatsächlich war das Haus noch sehr gut in Schuss. Nicht wie die anderen, wo schon die Fassade abbröckelte. Hier war sogar der Garten noch tiptop in Schuss. Fast so, als würde sich noch jemand darum kümmern. Doch Kazuma hatte schon mal von solchen Geisterstädten gehört. Die Saroks hatten alle Menschen aus ihnen vertrieben und sie in die Städte gebracht, um sie besser überwachen zu können. Demzufolge sollte hier niemand mehr sein. Doch als Kazuma die Blumenbeete sah, wurde er skeptisch. Serena beachtete das gar nicht. Sie dachte nur an eine Dusche. An fließend warmes Wasser, mit dem sie sich wieder sauber machen konnte. Die Tür war nicht abgeschlossen, also ging sie rein. Prompt stand sie in einer großzügigen Eingangshalle mit Türen rechts und links und einer Wendeltreppe, die nach oben in den 1. Stock führte. Kazuma folgte ihr rein. Seine Skepsis wurde noch größer, als er die Halle sah. Zugegeben, ein wenig Staub war auf dem Tisch neben der Haustür, aber es sah keinesfalls so aus, als ob hier seit Jahren niemand war. „Sei vorsichtig!“, ermahnte er seine Schwester, die aber schon in einem der Zimmer verschwunden war und fieberhaft nach dem Bad suchte. Kazuma seufzte und ging durch die linke Tür. Jetzt stand er in einem riesigen Wohnzimmer. In dessen Mitte stand eine ziemlich teuer aussehende Couch vor einem Großbildfernseher. An der Abschlusswand war ein Bücherregal, das fast bis unter die Decke ging. Auch hier gab es nur eine leichte Andeutung von Staub. Langsam ging er auf eine weitere Tür am Ende des Wohnzimmers zu. Zahlreiche Gedanken gingen ihm durch den Kopf. War das eine Falle der Saroks gewesen? Ganz sicher nicht. Nicht so weit draußen in einem Nest, das von jeder Menschenseele verlassen war. Aber wenn es keine Saroks waren, wohnte dann hier noch jemand? Er sollte die Antwort bekommen, als er durch den nächsten Türeingang in die Küche spähte. Die Klinge eines ziemlich großen Küchenmessers schoss auf ihn zu und er machte einen beherzten Sprung zurück. Doch eine Gestalt sprang auf ihn und riss ihn zu Boden. Dann spürte er nur noch, wie ihm jemand die Klinge an den Hals drückte. Kazuma keuchte und sah auf. Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Es war ein Mädchen. Sie war älter als Serena, doch hatte ihr Gesicht noch recht junge Züge. Sie hatte langes, schwarzes Haar, das vorne als Pony ihre Stirn bedeckte und hinten als Pferdeschwanz herunterhing. Ihre blauen Augen starrten Kazuma voller Zorn an. Doch er konnte auch etwas Angst in ihren Augen sehen. Eigentlich ungewöhnlich bei jemandem, der gerade einem Menschen eine 20 cm lange Klinge an den Hals hielt. „Wer bist du?“, fragte das Mädchen wütend und verlieh mit ein wenig mehr Kraft in die Klinge ihrer Frage Nachdruck. „Hast du das Bad gefunden?“, fragte Serena, die wohl noch nicht fündig geworden war und gerade das Wohnzimmer betrat. Als sie die beiden sah, erschrak sie. Das Mädchen sah sie ebenso wütend an wie Kazuma. Der nutzte diese Gelegenheit, ergriff die Hand die das Messer hielt, und warf das Mädchen zur Seite. Dann schmiss er sich auf sie drauf und hielt ihre Hände fest. Sie versuchte, sich zu befreien, doch Kazumas Griff war zu fest. „Wer ist denn das?“, fragte Serena verwirrt. „Vermutlich lebt sie hier noch. Vielleicht sind noch mehr im Haus.“, sagte Kazuma. Das Mädchen wehrte sich immer noch mit Händen und Füßen. Er musste sie unbedingt beruhigen, bevor sie sich weh tat. „Jetzt hör mir mal zu! Wir haben nicht vor, dir etwas zu tun, klar? Wir haben nur einen Ort gesucht, wo wir uns eine Weile verstecken können.“, erklärte er. Das Mädchen beruhigte sich etwas. „Ihr seid nicht in seinem Auftrag hier, um mich zu töten?“ Ihre Stimme war ruhiger geworden. Kazuma wusste nicht, wie er diesen Satz deuten sollte. „Nein.“, sagte er schließlich und stand auf. Er streckte seine Hand aus und wollte ihr ebenfalls helfen, doch sie lehnte ab und stand selbst auf. Kazuma keuchte. „Kein schlechter Angriff. Ich hatte nicht einmal Zeit, mich zu verteidigen.“, sagte er beeindruckt. „Ja. Deine Verteidigung war aber auch nicht ohne!“ Das Mädchen hob ihr Messer wieder auf und ging damit in die Küche. Kazuma sah Serena fragend an. Die sah in die Küche rein. „Tut mir leid, das wir einfach so reingeplatzt sind, aber wir dachten, das dieses Haus leer steht.“, erklärte sie. Das Mädchen seufzte. „Man sieht doch, das dieses Haus gepflegt ist.“ Kazuma sah nach draußen. Das Schiff flog immer noch in der Nähe rum. „Dürfen wir eine Weile hier bleiben? Zumindestens, bis die Saroks weg sind.“, fragte er. „Von mir aus. Hauptsache, ihr stört nicht großartig.“, sagte das Mädchen, ging durch das Wohnzimmer und anschließend die Treppe nach oben. „Hast du hier noch ein funktionierendes Bad?", fragte Serena. „Klar. Ist im Keller. Verbrauch aber nicht zuviel. Im Regenwassersilo ist nicht mehr sehr viel drin.“, sagte das Mädchen, bevor man eine Tür zuschlagen hörte. Etwas an ihrer Stimme machte Kazuma zu schaffen. Sie war nur etwas jünger als er und trotzdem klang sie schon so erwachsen. Doch in ihrer Stimme klang auch so etwas wie Bitterkeit. Eine tiefe Bitterkeit. Er erinnerte sich an damals, kurz nachdem seine Mutter von ihnen gegangen war. Für eine Weile ging es ihm wohl auch so. Doch der Gedanke, das er irgendwann ihren Tod rächen würde, hat ihm über diese Bitterkeit hinweg geholfen. Was war diesem Mädchen zugestoßen? Warum lebte sie offensichtlich alleine in so einem großen Haus? Noch dazu in einer Stadt, in der niemand mehr war. Auf dem Kamin standen ein paar Bilder. Sie zeigten ein kleines Mädchen mit ihren Eltern. Sie schienen sehr glücklich gewesen zu sein. Natürlich war klar, das sie das kleine Mädchen gewesen sein musste. Doch auf jedem der Bilder lächelte sie. Wie ein kleines Mädchen das eben tun sollte. Doch nichts wies auf das Mädchen hin, das er gerade kennengelernt hatte. Sie war wild und kämpferisch. Die Invasion hatte wohl sehr viele Menschen verändert. Nach einer Stunde kam Serena aus dem Keller wieder hoch. Sie hatte ausgiebig gebadet und sich aus ihrem Rucksack frische Sachen angezogen. „War das herrlich? So was schönes habe ich schon ewig nicht mehr gemacht!“, sagte sie und sah Kazuma an, der auf dem Sofa lag und wohl angestrengt nachdachte. „Was ist denn mit dir?“, fragte sie und beugte sich über ihn. Kazuma dachte immer noch über das Mädchen nach. Hatte auch sie ihre Eltern bei der Invasion verloren? War sie seit 5 Jahren allein? Bei ihnen war das ja genauso und doch anders. Er hatte immer Serena gehabt. Damit hatte er eine Aufgabe. Seine Schwester zu beschützen. Doch die Fotos auf dem Kamin zeigten, das dieses Mädchen keine Geschwister besaß. Sie musste also seit Jahren ganz alleine leben. Ein Wunder, das sie das überlebt hat. Serena sah Kazuma beleidigt an. „Gut. Wenn du es mir nicht erzählen willst, werde ich dich eben zwingen!“, schrie sie und sprang auf Kazuma drauf. Der sprang auf und rang nach Luft. „Bist du verrückt?“, fragte er keuchend. „Erzähl mir, was du denkst!“, schrie Serena. „Vergiss es.“, sagte Kazuma und Serena ging erneut auf ihn los. Erst nach einer Minute bemerkten sie das Mädchen, das sie vom Flur aus beobachtete. Kazuma sah sie als erstes. „Tut mir leid! Waren wir zu laut?“, fragte Serena. Dann sah sie die Tränen in ihren Augen. Im nächsten Moment kippte sie um. Erst nach ein paar Minuten und einem Eisbeutel schlug sie auf der Couch die Augen wieder auf. „Geht es dir gut?“, wollte Kazuma wissen, der ihr mit einem Fächer ein wenig Wind zuwehte. „Geht schon.“, sagte sie und richtete sich auf. „Tut mir leid. Aber als ich euch so glücklich sah, musste ich an meine Eltern denken.“, sagte sie bedrückt. Kazuma und Serena wussten nicht, was sie dazu erwidern sollten. Schließlich ergriff Kazuma wieder das Wort. „Wenn wir schon mal so zusammen sitzen, sollten wir uns auch vorstellen. Ich bin Kazuma Tanakawa und das da ist meine Schwester Serena.“ Das Mädchen war erstaunt. So erstaunt, das sie sogar ein wenig kichern musste. „Hab ich was komisches gesagt?“, fragte Kazuma. „Nein. Keine Sorge. Ich hab nur selbst nicht daran gedacht, mich vorzustellen.“, sagte das Mädchen und stand auf. „Ich bin Junko Kawamori. Freut mich, euch kennen zu lernen.“, sagte sie und setzte sich wieder. „Das klingt doch schon viel freundlicher!“, bemerkte Serena fröhlich. „Tut mir leid, das ich euch vorhin angegriffen habe. Aber ich dachte, ihr seid...!“, sagte sie doch mitten im Satz brach sie ab. Kazuma verschränkte die Arme. „Du dachtest, wir wären im Auftrag von jemandem hier, nicht wahr? Das hast du jedenfalls vorhin gesagt.“, erinnerte Kazuma sie. „Was soll das heißen? In wessen Auftrag?“, fragte Serena besorgt. „Nicht. Das geht euch nichts an. Ist allein meine Sache!“, sagte Junko und stand wieder auf. „Ich mache euch einen Tee!“, sagte sie und verschwand in der Küche. „Sie hat etwas, das sie uns nicht sagen will!“, sagte Serena. Kazuma nickte. „Natürlich. Wir sind ja auch immer noch Fremde für sie. Wenn sie uns nicht da mit hineinziehen will, kann ich das verstehen. Wir sollten jedenfalls schnellstens von hier verschwinden. Irgendwie bekomme ich ein ungutes Gefühl bei dieser Stadt.“, sagte Kazuma und sah nach draußen. „Jetzt hör aber mal. Jemand will dieses Mädchen möglicherweise umbringen und du willst ihr nicht mal helfen?“ Serenas Stimme klang sehr besorgt. „Ich rede mit ihr!“, fügte sie hinzu und ging ebenfalls in die Küche. Kazuma aber war überzeugt, das es sinnlos war. Obwohl diese Junko im ersten Moment sehr kämpferisch wirkte, so scheint sie doch sehr verschlossen und schüchtern zu sein. Doch irgendetwas ließ seine Gedanken nicht mehr los. Als er vorhin auf dem Boden lag und einen Augenblick lang in ihre Augen sah, hatte er ein seltsames Gefühl. Es waren nicht die zornigen Augen, die ihn fasziniert hatten. Es war mehr die Tiefe ihrer Augen. Einen Moment lang hatte er geglaubt, er würde in diesem endlosen Blau ertrinken. Bis Serena hereingekommen und Junko abgelenkt war. Doch das Gefühl, das er hatte. Was war das gewesen? Plötzlich klingelte es an der Tür und Kazuma hörte, wie etwas in der Küche zerbrach. Er stand auf und rannte hin. „Alles in Ordnung?“, fragte er. Junko zitterte. „Versteckt euch. Schnell.“, sagte sie und ihre Atmung wurde kurz und schnell. „Wieso? Wer ist das?“, fragte Kazuma. „Bleibt einfach hier. Ich bitte euch.“, sagte Junko und ging an Kazuma vorbei zur Haustür. „Meinst du, hier lebt noch jemand?“ Serenas Frage klang irgendwie überflüssig. Die Klingel hatte sich schließlich nicht von selbst betätigt. Kazuma spürte, das Junko große Angst hatte. Vermutlich hatte sie deshalb die Teetasse fallen gelassen. Das ungute Gefühl, das Kazuma hatte, wurde wieder stärker. Oder waren es nur die immer noch angeknacksten Rippen? Gleich würde er es erfahren, denn Junko betätigte die Klinke der Haustür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)