Das Phantom der Hochschule von Redfire (Das Erbe des Phantoms der Oper) ================================================================================ Kapitel 1: Musik im Herzen -------------------------- Kapitel 01: Musik im Herzen „Sie blieb standhaft und bestand auf eine Chance.“ Es war ein sonniger Morgen im Januar. Der Winter war mal wieder knackig kalt und hielt sich auch mit den Schneemassen nicht zurück. In der Hansestadt Rostock, die die einzige Großstadt in dem Bundesland Mecklenburg‑Vorpommern war, lebte eine junge Frau, die vor etwa zwei Jahren die Musik für sich entdeckt hatte. Besonders die japanische Rockszene hatte sie lieb gewonnen. Doch die Passion war in der letzten Zeit so unermesslich geworden, dass sie selbst ein Instrument spielen wollte. Also besorgte sie sich kurzerhand eine Konzertgitarre und fing an zu spielen. Es gab allerdings mehrere Hindernisse, die sie zu überwinden hatte. Da sie so spät die Leidenschaft für die Musik entdeckt hatte, konnte sie keine Noten lesen, weil sie im Musikunterricht an der Schule nie aufgepasst hatte. Dies bereute sie nun sehr. Doch ihr Wille war stark und so übte sie den ganzen Morgen in ihrem Zimmer einen Song ihrer Lieblingsband Luna Sea. Dann öffnete sich die Zimmertür. „Sarah. Du solltest mal langsam eine Pause einlegen. Tun dir nicht die Finger weh?“ fragte ihr Vater sie. „Nein, passt schon. Aber irgendwie habe ich in letzter Zeit das Gefühl, keine Fortschritte mehr zu machen. Das macht mich wahnsinnig.“ Sagte sie und sah ihren Vater traurig an. „Wie wäre es mit Gitarrenunterricht?“ „Hm, ja daran habe ich auch schon gedacht, aber das ist ja nicht das einzige, was ich lernen will. Ich muss Notenlesen lernen und würde auch gerne andere Instrumente lernen.“ antwortete Sarah und packte ihre Gitarre bei Seite. „… Zum Glück wohnen wir in Rostock.“ Sagte ihr Vater lächelnd. Seine Tochter sah ihn nur fragend an. „Was meinst du?“ „Die Hochschule für Musik und Theater? Schon mal daran gedacht? Du könntest dich zum Abendstudium anmelden.“ Sarah hielt inne und ließ sich das durch den Kopf gehen. Sie machte derzeit eine Ausbildung zur Bürokauffrau, was ein Tagesstudium unmöglich machte. „Na gut. Zu verlieren habe ich nichts. Ich spreche mal mit meinem Chef, wegen den Arbeitszeiten und geh Montag nach der Arbeit zur Hochschule.“ „Genau.“ Ermutigte ihr Vater sie. „Dann erkundigst du dich, wie es mit der Anmeldung aussieht. Ich glaube, du könntest Glück haben. Du könntest dich für ein Kurzstudium anmelden, dass glaube ich im Februar beginnt.“ Sarah sprang auf. „Das geht?! Oh ja! Das mach ich!“ Sie war sehr glücklich und fest entschlossen. Ihre Augen strahlten vor Freude und plötzlich war es ganz ruhig. Sie und ihr Vater sahen sich stumm an. „… Zeit für eine Pause. Mir tun die Finger weh. Ich mach mir einen Capuccino.“ Dann begaben sich die beiden in die Küche, wo sie sich noch ein wenig unterhielten. Den Rest des Wochenendes hatte Sarah nur Musik im Kopf – wie die anderen Wochenenden zuvor auch. Sonntagabend lag Sarah im Bett. Die vielen Gedanken in ihrem Kopf, ließen sie nicht einschlafen und tanzten herum, wie Balletttänzer. [Ich will Wissen, wie ich meine Gefühle mit Musik ausdrücken kann. Ich schreibe Geschichten und Lyrics, zeichne gerne und viel. Aber das allein genügt nicht mehr, um meine Gefühle auszudrücken. … Ich hoffe ich kann an die Hochschule gehen. Das wünsche ich mir so sehr.] Nach einer kurzen Nacht und einem langen Arbeitstag, machte sich Sarah auf den Weg zum Stadthafen, wo die Hochschule für Musik und Theater ansässig war. Sie war schon einmal in dem Gebäude gewesen, allerdings um einen Job als Kurier zu erledigen, den sie zeitweise immer noch ausführt. Ja – sie war eine vielbeschäftigte Person, die offenbar immer unter Strom steht. Doch tatsächlich mochte sie es sehr, auch mal ruhige Stunden zu verbringen – insbesondere mit ihrem Freund Hiroki, der jedoch in Hamburg lebte. Sarah stand an den Eingangsstufen des Gebäudes und atmete noch einmal tief durch. Als sie die erste Stufe betrat, klingelte auf einmal ihr Handy und sie schrak auf. „AAAH!“ Reflexartig hielt sie sich den Mund selbst zu. [Ich hoffe das hat keiner Gehört? … Wer ruft mich da an?] „Hallo?“ „Sarah? Ich bins, Tina. Ich wollte dir nur viel Glück wünschen. Du schaffst das!“ „Vielen Dank. Aber deswegen brauchst du mich doch nicht anzurufen.“ „Doch, wie du siehst muss ich das. Also… Gib alles!“ Sie beendeten das Telefongespräch, Sarah steckte das Handy wieder weg und betrat das Gebäude. Sie trat in den Vorraum ein und wandte sich nach Links, wo eine Frau saß, die der jungen Frau jedoch vorerst keine Aufmerksamkeit schenkte. „Hallo? Entschuldigen Sie bitte.“ Begann Sarah höflich und die Frau an der Rezeption hob den Kopf. „Ja? Was kann ich für Sie tun?“ fragte sie dann etwas gelangweilt. Es war offensichtlich, dass Sarah sie gestört hatte. Die Dame war sehr in die Zeitschrift Für Sie vertieft und ihr kam es wohl gerade sehr ungelegen, dass sie kurz vor Feierabend noch arbeiten musste. „Nun, ich bin hier, weil ich mich für ein Kurzstudium anmelden will, dass im Februar beginnen soll.“ Erklärte Sarah und warf ihre blonden Haare nach hinten. „Hm, mal sehen. Das könnte knapp werden. Aber mal sehen. Über welche Qualifikationen verfügen Sie?“ fragte die Frau dann. „Also.“ Fing Sarah stotternd an. „Ich habe die Schule abgeschlossen und befinde mich derzeit in einer Berufsausbildung, weshalb ich diesen Abendkurs besuchen muss.“ Die Rezeptionsdame schien sich herzlich wenig für ihre Geschichte zu interessieren. „Welchen Schulabschluss haben Sie?“ „Ähm, qualifizierter Realschulabschluss.“ „Na dann können Sie es vergessen.“ Sarah erschrak innerlich. Doch ans aufgeben dachte sie noch lange nicht. „Wieso, wenn ich fragen darf?“ fragte sie etwas zögernd. „Wir haben viele Bewerber auf diesen Kurs und viele davon haben Abitur. Diese Kurse sind sehr teuer und natürlich möchte die Hochschule eine hohe Erfolgsrate. Sagen wir so, Sie sind nicht qualifiziert genug.“ In dem Moment konnte sich Sarah einfach nicht beherrschen, schlug mit der Hand auf den Tisch und wurde etwas lauter. „Bestimmt etwa ein Blatt Papier auf dem Zeugnis drauf steht, was und wie viel mir die Musik bedeutet? Musik entsteht und trägt man im Herzen und nicht im Kopf!“ Die Frau musste schlucken und machte große Augen. Auf einmal sah sie gar nicht mehr so gelangweilt aus, ja sie war richtig überrascht von Sarahs Reaktion, die sie eigentlich als eine ruhige Person eingeschätzt hatte. Das war in der Regel auch richtig, doch die zierliche Sarah wusste genau was sie wollte und aufgeben kam für sie nicht in Frage. Doch nicht nur die Rezeptionsdame hatte diese kurze Ansprache von Sarah mitbekommen… „Also… Einen Augenblick bitte. Ich werde kurz mit dem Direktor sprechen. Es dauert nicht lange. Warten Sie bitte hier.“ Sagte die Rezeptionsdame, erhob sich von ihrem Platz und lief den Gang hinunter. Sarah war etwas verdutzt und sah ihr kurz nach. Dann kratzte sie sich verlegen am Hinterkopf. [Hm… Hat das so viel Eindruck gemacht? Hätte nicht gedacht, dass das funktioniert.] Dann ging sie im Vorraum nervös auf und ab, nicht wissend, dass sie beobachtet wurde. Auf der rechten Seite des Raumes, hingen Vorhänge in den Ecken. Scheinbar dienten sie der Dekoration. Tatsächlich war dahinter auch nichts weiter als Gestein. Jedoch ließ sich die Wand an einer geheimen Stelle wie eine Tür öffnen. Doch natürlich wusste davon niemand. Die jungen Menschen, die tagtäglich ein und ausgingen, hatten andere Sachen im Kopf, als sich die Wände anzugucken. Nach einigen Minuten kam die Frau wieder an ihren Platz, kramte kurz in einer Schublade herum und holte ein Formular heraus und legte es Sarah vor. „Füllen Sie das Bewerbungsformular aus. Ob sie angenommen werden weiß ich jedoch nicht.“ Sagte sie dann mit kalter, desinteressierter Stimme. Das kümmerte Sarah herzlich wenig und lächelnd füllte sie die Blätter aus. Die Sonne war bereits unter gegangen und Sarah sah auf, nachdem sie ihre Unterschrift auf das letzte Blatt gesetzt hatte. Dann schob sie das Formular der Rezeptionsdame entgegen. „Bitteschön.“ Sagte sie freundlich. „In Ordnung. Das war’s. Sie können gehen.“ Sagte sie wieder sehr gelangweilt. Sarah wunderte sich nicht mehr darüber und nahm das Verhalten dieser Frau einfach so hin. „Vielen Dank und einen schönen Abend noch.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Sarah nun und verließ das Gebäude. „Sie hören von uns…“ Sagte Rezeptionsdame noch im letzten Moment. Doch kaum schnappte die Tür hinter Sarah zu, ergänzte sie; „… oder auch nicht.“ Und zeriss das ausgefüllte Formular. Anschließend landete es im Mülleimer. Nichts ahnend ging Sarah noch ihre Freundin Tina besuchen, die nicht weit entfernt in einer Bar arbeitete. Sie wollte ihrer Freundin, die für sie fast wie eine Mutter war, erzählen, wie es gelaufen war und natürlich von der unfreundlichen Frau an der Rezeption. Doch daran zog sie sich nicht lange auf. Stattdessen malte sich Sarah aus, wie es sein wird, wenn sie jeden Tag Arbeiten und am Abend noch studieren ging. Das würde ziemlich anstrengend werden. Aber den Mutigen gehört die Welt, wie es so schön heißt. Wenige Minuten vor 20 Uhr erhob sich die Rezeptionsdame und verließ ihren Arbeitsplatz. Zeit für Feierabend. Doch natürlich durfte Ihre Zeitschuft Für Sie nicht fehlen. Kaum hatte sie diese in der Hand, war sie auch schon aus der Tür verschwunden. Wie ein Schatten, leise und unbemerkt trat er nun in Erscheinung. Der geheime Mithörer, der sich dem Schreibtisch der Frau näherte. Er musste nicht lange suchen und er fand das Bewerbungsformular von Sarah im Mülleimer. Kopfschüttelnd nahm er es an sich und verschwand damit wieder in den Schatten der Nacht. Die letzten, wenigen Schüler verließen schließlich die Hochschule für Musik und Theater und ließen den Hausmeister mit seinen Arbeiten und Sorgen allein. Auch die letzten Lehrer packten ihre Taschen und verabschiedeten sich in den wohl verdienten Feierabend. Nur der Direktor saß noch in seinem Büro und unterzeichnete widerwillig einige wichtige Unterlagen. Plötzlich öffnete sich hinter ihm eine Geheimtür in der Wand, aus dem ein Mann heraustrat. „Herr Direktor?“ Der Direktor hob eine Hand, „Einen Augenblick.“ Und unterzeichnete das letzte Blatt mit seinen Namen. Danach legte er den Kugelschreiber bei Seite und wandte sich seinem Gast zu, der ihm ein Formular unter die Nase hielt. Oder vielmehr zwei Formularfetzen. Der Direktor sah ihn missverständlich an. „Was ist das?“ „Das ist eine Bewerbung. Bitte sehen sie sich an.“ Der Direktor nahm die Blätter entgegen und hielt sie aneinander. Zeile für Zeile ging er durch und sah dann seinen Besucher erneut fragend an. „Und was soll das? Wieso ist diese Bewerbung in so einem Zustand?“ „Heute war eine junge Frau hier, um sich für das bald beginnende Abendstudium zu bewerben. Sehr unfreundlich wurde sie von Frau Werner empfangen, die sie abwies. Doch sie blieb standhaft und bestand auf eine Chance.“ „Hm. Sarah-Luna Schmidt. Musikunterricht Schulnote 3?“ Er legte seine Brille auf dem Schreibtisch ab, stand auf und ging um den Tisch herum, um sich ein wenig zu bewegen, nach der einschlafenden Arbeit. „Erik.“ Fing er stöhnend an. „Diese Plätze sind sehr begehrt und zu alle dem auch noch sehr teuer. Jeder nicht bestehende Student ist eine Belastung für die HMT. Diesem Problem kann man vorfassen, indem man…“ Er wurde von Erik unterbrochen. „Musik entsteht und trägt man im Herzen und nicht im Kopf.“ Der Direktor sah ihn fragend an und Erik verschränkte seine Arme. „Das waren ihre Worte und sie hatte so ein Selbstbewusstsein in der Stimme, als sie das sagte… oder sollte ich sagen, fast schrie? Jedenfalls könntest du ihr eine Chance geben. Lad sie wenigstens zu einem Gespräch ein.“ Der Direktor atmete einmal tief ein und sah ihn an. Einige Sekunden vergingen, bis er dann sagte: „Na gut. Weil du es bist. Aber glaube nicht, dass sie einen Freipass bekommt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)