Sieg und Niederlage von Schangia (Aomine/Kagami) ================================================================================ Kapitel 1: Battle... start! --------------------------- Eigentlich hatte Tatsuya nur die Kultur seines Landes wieder für sich entdecken wollen, nachdem er so lange in den USA gewesen war. Taiga war so nett gewesen, ihm eine kleine Führung durch seine neue alte Heimat anzubieten, und er hatte dankend angenommen. Vorher wollte sein Freund zwar noch mindestens ein Dutzend Burger essen, aber gut, so war Taiga nun mal. Und da sie ohnehin von Tetsuya begleitet wurden, konnte er sich zumindest mit jemandem unterhalten. So sah Tatsuya sich schon entspannt in einem Fast Food Restaurant sitzen, ihm gegenüber Taiga, der genüsslich seine Burger aß, links von ihm Tetsuya, und mittendrin er; satt, sauber, sicher, eben rundum zufrieden. Der Abend hätte so angenehm verlaufen können, wenn nicht... »Oi, Tetsu, was machst du denn hier? Und wieso hast du einen Spieler von Yōsen dabei?« Tatsuya kannte den hochgewachsenen jungen Mann mit der dunklen Haut nicht, doch als Taiga neben ihm mit mühsam unterdrückter Wut den Namen ›Aomine‹ knurrte, fiel ihm ein, dass Atsushi bereits einige Male von Teikōs ehemaligem Ass erzählt hatte. Nachdenklich runzelte er die Stirn. Aomine machte zwar einen relativ netten Eindruck – trotz der ungenierten Arroganz, die er ausstrahlte –, aber ihm missfiel, wie Taiga auf ihn reagierte. Für gewöhnlich hatte Taiga immer einen Grund, andere Menschen dermaßen angeekelt anzustarren, und bisher hatte Tatsuya sich immer auf seine Menschenkenntnis verlassen können. Deswegen zögerte er, als Aomine ihm lächelnd die Hand entgegenstreckte, nahm sie aber schließlich dennoch und erwiderte die Begrüßung. Taiga schien das allerdings gar nicht zu gefallen. »Stop that«, meinte er harsch, ohne Aomine aus den Augen zu lassen. Leise lachend schüttelte Tatsuya den Kopf, sah Tōōs Ass entschuldigend an. »Tut mir leid, normalerweise weiß Taiga sich zu benehmen.« »Wie kannst du mir nur so in den Rücken fallen, Tatsuya?!« Taiga schien die Welt nicht mehr zu verstehen, doch der Angesprochene zuckte darauf nur mit den Schultern. War schließlich nicht seine Angelegenheit, mit wem Taiga verfeindet war oder wem er ewige Rache geschworen hatte. Außerdem wirkte Aomine wirklich sympathisch. »Huh, Tetsu, hast du was gehört? Klang für mich wie ein maunzendes Kätzchen.« Da ging sie hin, die Sympathie. Obwohl er zugeben musste, dass er es sehr amüsant fand zu sehen, wie leicht es Aomine offensichtlich fiel, Taiga zu provozieren. Nicht, dass sein Freund je über einen ausgeglichenen Charakter verfügt hätte. »Ich stehe direkt vor dir, Schwachkopf.« Allmählich konnte und wollte Kagami nicht mehr über Aomines zugegeben respektloses Verhalten hinwegsehen. Diesen schien das allerdings nicht zu stören. Gespielt überrascht blickte er sein Gegenüber an. »Oh, du bist ja auch da.« Kagamis Augenbraue begann unkontrolliert zu zucken. »Wieso ignorierst du mich?« Ein arrogantes Grinsen. »Wieso? Weil ich besser bin als du!« Dieser Satz hatte unweigerlich dazu geführt, dass Taiga und Aomine ein Burger-Wettessen veranstalteten. Wie genau es dazu gekommen war, wusste Tatsuya nicht mehr. Plötzlich hatten sie alle an einem Tisch gesessen, er zwischen Taiga und Tetsuya, ihnen gegenüber Aomine, und auf dem Tisch eine absurd große Anzahl an Burgern. Auch wenn er und Tetsuya zu Schiedsrichtern abkommandiert worden waren, hatte er den Überblick verloren, nachdem beide ihren zehnten Burger hinunter geschlungen hatten. Tetsuya, der still seinen Milchshake trank, schien das Match mit noch weniger Interesse zu verfolgen als er selbst. »17 zu 16; du liegst hinten, Kagami-kun.« Wenigstens achtete er auf den Spielstand. Wie er dabei jedoch seinen Shake herunter bekam, war Tatsuya schleierhaft. Ihm wurde allein vom Zusehen schlecht. Fassungslos (und auf gewisse Art und Weise fasziniert) stützte er den Kopf auf seine Hand, nuschelte: »Du warst mal so niedlich...« Darauf stutze Taiga, warf ihm einen fragenden Blick zu. Beim Sprechen gelang es ihm kaum, das halbwegs zerkaute Fleisch im Mund zu halten, sodass die Hälfte auf dem ohnehin dreckigen Tisch landete. »Wer war niedlich?« Seine Gesichtszüge mussten ihm komplett entglitten sein, als Tatsuya seinen Freund entgeistert ansah, denn Aomine bekam einen dermaßen heftigen Lachanfall, dass er sich verschluckte und sein lautes, gehässiges Lachen beinahe nahtlos in noch lauteres Husten überging. Hätten sie nicht sowieso schon alle weiteren Gäste vertrieben, hätten die letzten wohl spätestens jetzt das Weite gesucht. »Kagami-kun gewinnt durch Aufgabe«, meldete Tetsuya neben ihm, womit Aomine jedoch gar nicht einverstanden schien. Allerdings konnte er nicht protestieren (Tatsuya war froh, dass der Arme bisher nicht erstickt war; wieso half ihm eigentlich keiner?), und so sprang Taiga auf und zeigte triumphierend mit dem Finger auf den immer noch hustenden Aomine, nachdem er noch einen letzten Bissen von dem Burger in seiner anderen Hand genommen hatte. »Ha, ich hab gewonnen!« Es war reines Glück, dass keiner von ihnen von den umher fliegenden Fleischbröckchen getroffen wurde. Tatsuya wusste nicht recht, ob er angesichts dieses Szenarios weinen oder lachen sollte (oder dem mittlerweile leicht blau angelaufenen Aomine helfen sollte), aber er empfand Tetsuyas aufmunterndes Schulterklopfen in diesem Moment als große Stütze. Generell war er froh, dass Tetsuya dabei war und er die zwei permanent konkurrierenden Power Forwards nicht allein ertragen musste. Der Kleine war ruhig, reserviert, aber dafür sehr freundlich und schien von dem ganzen Chaos um ihn herum vollkommen unbeeindruckt. Dann wiederum war es wahrscheinlich, dass er das gewohnt war. Dass Tetsuya allerdings auch derjenige sein würde, der sein Unglück verlängerte, hätte er niemals für möglich gehalten... Aomine atmete wieder weitestgehend normal, und auch Taiga hatte sich dazu überreden lassen, sein Gesicht mit ein paar Servietten zu säubern (das jedoch nur, weil es ihm peinlich gewesen war, dass Tatsuya das anfangs für ihn übernahm). Sie wollten sich gerade auf den Heimweg machen, als Tetsuya beiläufig sagte: »Ein Sieg durch Aufgabe ist übrigens nichts wert, Kagami-kun.« Ob er das getan hatte, weil Taiga erneut einen Siegestanz aufführen wollte, um Aomine zu demütigen (Taiga war ein grauenhafter Tänzer, aber das nur am Rande), oder ob er aus bloßer Langeweile gehandelt hatte, wusste Tatsuya nicht genau. Was auch immer der Grund gewesen was, er warf Tetsuya einen Blick zu, der selbst Atsushi zum Weinen gebracht hätte. Der Kleine blieb unbeeindruckt, nickte lediglich zustimmend, als Aomine laut verkündete: »Genau! Auf zu Runde 2!« Runde 2 sollte – so hatte Aomine trotz Protesten seitens Taiga entschieden – in einer Karaokebar stattfinden. Nicht, dass Tatsuya an diesem Abend nicht ohnehin vorgehabt hatte, eine Karaokebar zu besuchen. Er war nur nicht davon ausgegangen, dass die wenigen Stunden, die er mit seinem ehemaligen Bruder verbringen konnte, zu einer Aneinanderreihung sinnloser Wettstreite ausarten würde. Während Taiga und Aomine sich auf ihrem Weg also gegenseitig mit den schönsten Beleidigungen bedachten, seufzte Tatsuya schwer, versucht aber dennoch, optimistisch zu bleiben. »So schlimm kann es ja nicht werden«, murmelte er immer wieder und hoffte inständig, dass er sich nicht irrte. Tetsuya, der seit einiger Zeit stumm neben ihm lief, sah ihn aus großen Augen fast schon mitleidig an. »Man merkt, dass du Kagami-kun lange nicht gesehen hast, Himuro-kun.« Das munterte ihn nicht im Geringsten auf. Er ging aber auch nicht davon aus, dass das Tetsuyas Ziel gewesen war. Eine passende Karaokebar war schnell gefunden, ebenso wie ein Tisch nahe einer der Bühnen. Aomine fackelte auch gar nicht lange, sondern sprang sofort auf die kleine Bühne und riss ein Mikrophon an sich. Scheinbar war ihm nichts peinlich, denn er wirbelte herum und grinste seine drei Begleiter breit an, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder Kagami widmete. »Zeit für ein Duell!« Tatsuya fühlte sich durch diesen Satz auf ganz unangenehme Weise an ein japanisches Kartenspiel erinnert, dass die jüngeren Kinder häufig in Amerika gespielt hatten. Zu seiner Überraschung blieb Taiga weitestgehend ruhig und sah seinen Herausforderer herablassend an. »Mach doch, was du willst. Ich passe.« Gerne hätte Tatsuya ihn für so viel Reife gelobt, doch bevor er etwas sagen konnte, lachte Aomine schallend. »Was, bist du etwa zu feige, gegen mich anzutreten? Oder weißt du, dass du ohnehin verlierst und willst dir die Schande ersparen?« So viel zum Thema Ruhe. Neben ihm knirschte Taiga mit den Zähnen und vergrub seine Finger tief in den weichen Armlehnen der Couch, auf der sie Platz genommen hatten, um seine Wut im Zaum zu halten. Aomine hatte jedoch gerade erst angefangen. »Tch. Sieg durch Aufgabe, oder etwa nicht?« Der war nur leider nichts wert, wie Tetsuya sie früher am Abend aufgeklärt hatte. Daran schien auch Aomine sich zu erinnern, denn er winkte ab und widmete sich seinem ehemaligen Teamkollegen. »Los Tetsu, wenn Bakagami sich nicht traut, singst du mit mir«, rief er begeistert, doch Tetsuya reagierte so, wie jeder geistig gesunde Mensch es getan hätte. »Nein danke.« Wie von Tatsuya nicht anders erwartet, musste Taiga mal wieder ein Beispiel dafür geben, wie man auf eine solche Provokation nach Möglichkeit nicht reagieren sollte, sofern man den Abend ohne unnötige Blamage verbringen wollte. »Shut your face, Ahomine«, knurrte er und sprang tatsächlich zu Aomine auf die Bühne, griff nach einem Mikrophon und sah zu allem bereit aus. Tatsuya war Kummer gewohnt, immerhin kannte er Taiga schon sehr lange. Wettessen waren für ihn kein Problem, und mit einem Basketballspiel zwischen den beiden hätte er auch leben können. Als die beiden Power Forwards aber anfingen, miteinander – oder eher gegeneinander – zu singen, war die Schmerzgrenze für ihn klar überschritten. Fluchtartig stand er auf, sah sich nach den Toiletten um und entschuldigte sich bei Tetsuya, der ihm mit einem verständnisvollen Nicken signalisierte, dass er durchaus nachvollziehen konnte, warum Tatsuya so weit wie möglich von diesem Trauerspiel weg wollte. Sein Weg führte ihn an einer anderen Bühne vorbei, und was er sah, verschlug ihm fast den Atem. Natürlich hatte Atsushi ihm mal ein Foto von seinem alten Team gezeigt; Tatsuya erkannte Mitglieder der Kiseki no Sedai also, wenn sie vor ihm standen. Dass er neben Aomine an diesem Abend noch zwei weitere sehen würde, kam dennoch überraschend. Er erkannte den Blonden und den Grünhaarigen als Kise und Midorima, doch die beiden anderen hatte er noch nie gesehen. Einer der zwei Unbekannten stand auf der Bühne und schien mächtig Spaß am Mikrophon zu haben. »Shin-chan, lass uns ein Duett singen!«, rief er vergnügt, und keinen Augenblick später stimmte Kise mit ein und drehte sich zu dem Schwarzhaarigen neben sich. »Senpai, das ist die Idee!« Der Angesprochene verdrehte genervt die Augen und wich dem Blick des anderen aus. Dabei erblickte er Tatsuya, der das ungewöhnliche Schauspiel wie gebannt verfolgte. Vollkommen sicher war er sich nicht, aber er meinte, der Schwarzhaarige habe stumm die Worte ›Lauf weg‹ geformt, als er ihn ansah, als würde er sich am liebsten mit einem der Kabel erdrosseln. Irgendwo beruhigte es ihn, dass dieser Abend nicht nur für ihn schrecklich zu sein schien. Vielleicht hatte der Wettstreit der beiden schon ein Ende genommen. Vielleicht würden sie alle gemütlich zusammensitzen können, wenn er gleich wiederkam. Und vielleicht war er mit der Zeit zu einem Idealisten verkommen, aber diese Gedanken waren das Einzige, das ihn dazu brachte, überhaupt zu seinem Freund und den zwei anderen zurückzukehren. Sehr zu seinem Leidwesen standen Taiga und Aomine immer noch auf der Bühne. Mittlerweile waren sie sogar schon dazu übergegangen, sich gegenseitig mit den Mikrophonen, die sie wie Schlagstöcke hielten, zu bedrohen, und- ...war das ein Glas, das da neben Taiga am Boden lag? Und dabei sangen sie auch noch. Tatsuya hätte seinen Kopf am liebsten gegen die nächstbeste Wand geschlagen. Zwar hatte keiner der beiden eine schlechte Stimme, und sowohl Taiga als auch Aomine hätten bestimmt angenehm geklungen, wenn sie nicht dazu übergegangen wären, sich in der Kategorie ›lautester und längster Schrei‹ zu messen. Als er wieder seinen Platz neben Tetsuya einnahm, warf dieser ihm einen kurzen Blick zu. »Eben kam ein Angestellter und meinte, er würde uns der Bar verweisen, wenn die beiden nicht aufhören«, erzählte er in einer Tonlage, in der man sonst übers Wetter sprach. Fassungslos sah Tatsuya zwischen ihm und den beiden Power Forwards auf der Bühne hin und her. »Und was hast du bisher getan, um die beiden zu stoppen?« »Nichts. Es ist witzig, den beiden zuzusehen.« Seufzend schloss Tatsuya kurz die Augen. »Das allerdings...« Wobei die Trauer und Scham die Schadenfreude bei ihm doch klar überwogen. In seiner Verzweiflung fasste er einen Entschluss, obwohl er wusste, dass sein Vorhaben aussichtslos war. »Okay, ich schnappe mir Taiga, du übernimmst Aomine«, schlug er vor, wollte aus Tetsuyas Zustimmung neuen Mut schöpfen, doch wie schon so oft an diesem Tag wurde er von diesem enttäuscht. »Nicht nötig.« Skeptisch hob er eine Augenbraue. »Warum nicht?« Wortlos zeigte Tetsuya auf die Bühne, und sowie er dem ausgestreckten Arm mit seinem Blick folgte, verschlug es Tatsuya völlig die Sprache. »Die Security nimmt uns die Arbeit ab.« Zwei bullige Männer in schwarzer Kleidung – er fragte sich, warum eine kleine japanische Karaokebar sich die Mühe machte, so große Ausländer zu beschäftigen – zogen Taiga und Aomine von der Bühne und versuchten anfangs noch sehr freundlich, die beiden aus dem Gebäude zu befördern. Beschämt wandte er den Blick ab, murmelte: »In Amerika war alles besser...« Gut, das war gelogen. Aber in Amerika wäre Taiga nie auf die Idee zu kommen, fast eine Schlägerei mit einem Sicherheitsbeamten anzufangen, weil dieser ihn und seinen Rivalen von einer Bühne gezogen und so vor noch mehr Peinlichkeit bewahrt hatte. Draußen ging der Streit weiter, natürlich. Weder er noch Tetsuya hatten etwas anderes erwartet. Nachdem die beiden sich vielmals beim Besitzer der Bar entschuldigt und für ihre Getränke gezahlt hatten, folgten sie dem Lärm nach draußen. Unwillkürlich fragte Tatsuya sich, ob der Kleine das täglich mit Taiga erlebte, oder ob sein ehemaliger Bruder sich im Griff hatte, sofern Aomine nicht anwesend war. Selbiger zeigte derweil anklagend auf Kagami, machte seinem Unmut mit ausladenden Gesten Luft. »Es ist deine Schuld, dass man uns rausgeworfen hat.« Empört lachte Kagami auf. »Meine Schuld? Wer hat denn angefangen, mit seinem Getränk um sich zu werfen?« Tatsuya dankte sämtlichen ihm bekannten Göttern, dass er diesen Moment nicht hatte miterleben müssen. Aomine zuckte ungerührt mit den Schultern. »Du bist halt frech geworden.« »Das gibt dir nicht das Recht-«, wollte Kagami ansetzen, doch der andere unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung. »Auf zu Runde 3!« Sein Nasenflügel begann zu zucken, aber er gab sich alle Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Nichts da! Ich gehe!« Erneut war Tatsuya überrascht von der Reife, die sein Freund an den Tag legen konnte, wenn er wollte. Wobei es sich hierbei wohl eher um eine simple Trotzreaktion handelte. »Auf den ganzen Kinderkram hab ich keinen Bock mehr.« Damit wandte er sich zum Gehen, doch Aomines arrogantes Lachen ließ ihn innehalten. »Was für ein erbärmlicher Feigling du bist.« »...was hast du gesagt?« Ein gefährlicher Unterton lag in Taigas Stimme. Zuerst wollte Tatsuya einschreiten, dann besann er sich eines Besseren. Wenn Aomine meinte, ihn provozieren zu müssen, sollte er auch mit den Konsequenzen leben. Mit diesen Konsequenzen konnte er jedoch besser umgehen, als erwartet. »Na, wie sieht's aus? Jetzt ist es schon zu dunkel, aber wie wäre es, wenn wir uns morgen zu einem kleinen Match treffen.« Ein arrogantes Grinsen nahm seine Züge ein, so als wäre er sich absolut sicher, dass Kagami anbeißen würde. »Nur du und ich, damit wir entscheiden, wer von uns der Sieger ist.« Damit hatte er ihn am Haken. Schnaubend sah er zur Seite, schämte sich ein wenig, dass er so leicht nachgab. »Wenn es unbedingt sein muss.« Beinahe hätte man meinen können, Aomine lachte nicht aus Gehässigkeit, sondern aus Freude. »Klasse, dann sieht man sich morgen, Bakagami. Bis dann, Tetsu.« Dann lief er los, winkte noch einmal zum Abschied und verschwand in die Nacht. Zwischen den drei Übriggebliebenen breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus, das Taiga nach einigen Momenten, in denen sie Aomine nur stumm nachgeblickt hatten, mit einem schweren Seufzer durchbrach. »Was für eine Nervensäge. Nicht wahr, Tatsuya?« Stille antwortete ihm, also rief er den Namen des anderen erneut. Als sein Freund noch immer nicht mit ihm sprach, drehte er sich zu ihm, zuckte jedoch umgehend zusammen, als er Tatsuyas wütendem Blick begegnete. »Dumbass«, knurrte dieser, bevor er sich umdrehte und von dannen stapfte. Für heute hatte er definitiv genug erlebt. Auch Taigas verzweifeltes Rufen brachte ihn nicht dazu, stehen zu bleiben. »A-aber Tatsuya!« »Ich finde allein zurück, danke.« Hätte ihn die ganze Situation nicht so unsagbar wütend gemacht, wäre er wahrscheinlich nicht gegangen, doch nach allem, was an diesem Abend geschehen war, wollte er nur noch weg. Verständnislos schaute Kagami seinem Freund nach. »Was hat er denn?«, fragte er mehr sich selbst als Kuroko, doch der Kleine antwortete ihm trotzdem und klang dabei furchtbar anklagend und belehrend. »Manchmal kannst du unglaublich ahnungslos sein, Kagami-kun.« Auch er machte sich auf den Heimweg und ließ einen fassungslosen Kagami zurück, der die Welt nicht mehr verstand. Neben dem Unverständnis rumorte allerdings noch ein weiteres Gefühl in seiner Magengegend. Es war Aufregung, Erwartung. So ungern er es auch zugab, konnte er ein erneutes Kräftemessen mit Aomine kaum erwarten. Was sie heute getan hatten, war – wie er bereits erwähnt hatte – bloßer Kinderkram gewesen. Ein Spaß, den sie sich erlaubt hatten, weil kein Basketball in der Nähe gewesen war. Jetzt wo er wusste, dass ihn am nächsten Tag ein Trainingsspiel gegen Aomine erwartete, konnte er nicht mehr still halten. Am liebsten hätte er den anderen noch an diesem Abend richtig herausgefordert, doch das musste bis morgen warten. Leise lachend richtete Kagami seinen Blick gen Himmel. »I'm getting excited...« Kapitel 2: First move --------------------- Kagami atmete die kühle Abendluft in tiefen Zügen ein. Ihr Training hatte länger gedauert als erwartet, und zum ersten Mal seit er wieder in Japan war, störte es ihn, dass sie überzogen hatten. Den ganzen Tag über hatte er sich kaum konzentrieren können, so aufgeregt war er. Während des Trainings hätte er zweimal beinahe Kuroko über den Haufen gerannt, weil er ihn nicht bemerkt hatte; etwas, das ihm seit Monaten nicht passiert war. Die Standpauke, die er sich von ihrem Coach hatte anhören müssen, war ins eine Ohr reingegangen und ungehört aus dem anderen hinaus getanzt. Selbst wenn er gewollt hätte, war seine Konzentration an einem Tiefpunkt angereicht, den er niemals hatte erreichen wollen. Doch ganz gleich, was er versuchte, Aomine spukte in seinem Kopf herum und nahm seine Gedanken vollständig ein, ebenso wie der gestrige Abend. Und das, obwohl er ihren Wettstreit am Vorabend rückblickend ziemlich lächerlich fand. Nicht nur, weil er Ärger mit Tatsuya bekommen hatte, sondern auch, weil es absolut unnötig gewesen war. Der Abend hätte so schön werden können – gut, in gewisser Weise war er schön gewesen, denn Kagami hatte lange nicht mehr so mit jemandem konkurrieren können. Da war ihm die Disziplin, in der sie sich maßen, ganz egal. Er liebte die Herausforderung, und so ungern er es in diesem Fall auch zugab, so sehr schätzte er Aomine, weil sie in diesem Punkt übereinstimmten. Eigentlich – und es ärgerte ihn, dass er so fühlte – freute er sich unheimlich auf das vor ihm liegenden Training. Ein Spiel gegen Aomine bedeutete immer, dass er sich verbesserte, egal auf welchem Gebiet. Das einzig Nervenaufreibende, und somit auch der Grund für das ungute Gefühl in seinem Magen, das sich seit dem letzten Abend eingestellt hatte, waren Aomines andauernde Provokationen. Allein sein überhebliches Grinsen brachte Kagamis Blut zum Überschäumen, und wenn ihm nicht klar wäre, welche Konsequenzen es mit sich bringen würde, hätte er dem anderen schon längst einen kräftigen Schlag ins Gesicht verpasst. Da Aomine sich das aber ganz gewiss nicht gefallen lassen und definitiv zurückschlagen würde, wären sie am Ende in eine filmreife Prügelei verwickelt. Und das wollte er sich ersparen. Seufzend fuhr er sich durch die Haare. Er dachte wieder zu viel nach. Noch ein Grund, warum er gegen ein Aufeinandertreffen mit Aomine prinzipiell nichts hatte: Kagami konnte abschalten, musste nicht mehr über das ›Was wäre, wenn...‹ nachdenken und konnte seinen Instinkten die Kontrolle über seinen Körper überlassen. Für ihn gab es nichts Befreienderes, als einfach zu handeln. Dummerweise war Aomine der Einzige, bei dem er das konnte. Umso heftiger war das Zwiegespräch, das er mit sich führte, wann immer er den anderen sah. Auf der einen Seite war da die unbändige Freude auf das Spiel, das immer wieder aufs Neue zwischen ihnen entbrannte und aus dem er unbedingt eines Tages als Gewinner hervorgehen wollte. Die Anspannung, die sich durch seinen Körper zog, ebenso wie ein Adrenalinschub, der mit so rasanter Geschwindigkeit durch seinen Körper raste, dass ihn anfangs stets ein leichter Schwindel überkam. Auf der anderen Seite jedoch war Aomine der Inbegriff dessen, was ihn zur Weißglut brachte. Nie hatte er den anderen ohne ein überhebliches Grinsen auf den Lippen gesehen. Er hielt sich für eine Art Gott, zumindest schien es Kagami so; als wäre er unantastbar und so viel besser als alle anderen. Wenn sie aufeinander trafen, wog er diese beiden Extrema gegeneinander ab, ließ den Zufall entscheiden, welche Seite für den Moment stärker war. Als er am vereinbarten Basketballplatz ankam und Aomine lässig am hohen Zaun lehnen sah, entschied er sich innerhalb weniger Augenblicke dafür, dass seine Wut die Freude überwog. Irgendwas an der Ausstrahlung von Tōōs Ass machte ihn aggressiv. Vielleicht beruhte das sogar auf Gegenseitigkeit, denn unmittelbar, nachdem Kagami genervt zur Seite gesehen hatte und sich fragte, warum er sich eigentlich darauf eingelassen hatte, schaute Aomine in seine Richtung. »Hey.« Ruhig nickte er ihm zu, stieß sich dabei von der Wand ab und kam ihm einige Schritte entgegen. »Du bist spät dran.« Es waren kleine Dinge wie dieser Satz, die ihn aufregten. Der Vorwurf in Aomines Stimme, so als wäre es einzig und allein Kagamis Schuld, dass er ein wenig später erschienen war. Schon fiel seine Laune. »Im Gegensatz zu dir habe ich mein Training auch nicht geschwänzt«, gab er angesäuert zurück, schritt entschieden an dem anderen vorbei und betrat den Platz. Nachdem er den Basketball aus seiner Tasche geholt hatte, warf er diese in eine Ecke und ließ den Ball einige Male auf dem Boden aufprallen, um sich wenigstens ansatzweise zu beruhigen. Aomine war ihm gefolgt und warf seine Tasche ebenfalls an die Seite, sah ihn immer noch mit einer Mischung aus Ruhe und Gleichgültigkeit an. Selbst dieser Gesichtsausdruck brachte Kagami dazu, mit den Zähnen zu knirschen. »Was auch immer. Fangen wir jetzt an oder nicht?« Das ließ Kagami sich nicht zweimal sagen. Endlich hatte auch er an diesem Abend Grund zu grinsen. »Du kannst es kaum erwarten, dass ich dir den Arsch aufreiße, was?« Mit mehr Wucht als nötig passte er Aomine den Ball und hoffte, er könnte ihn nicht rechtzeitig fangen, obwohl er wusste, dass dies nicht der Fall war. »Ganz schön große Klappe.« Aomine ließ den Ball dreimal auf dem Boden aufkommen, ehe er sich in Bewegung setzte. »Aber die werde ich dir mit Vergnügen stopfen.« Ihr Match war bei Weitem ausgeglichener als ihr erstes Aufeinandertreffen, ähnelte damit mehr dem zweiten Spiel von Seirin gegen Tōō. Kagami hatte nach ihrem Sieg hart trainiert, um bei ihrem nächsten Treffen nicht den Kürzeren zu ziehen. Oft war er abends länger geblieben oder hatte an ihrem freien Tag bis in die Nacht geübt, doch trotz seiner Bemühungen war Aomine stärker. Wenn er dem anderen zusah, wirkte Basketball nicht wie eine Sportart, die von Schnelligkeit und Körperkontakt lebte, sondern wie ein Spiel, fast schon ein Tanz. Aomines Bewegungen waren fließend und präzise, folgten keinen festgelegten Formen. Sein Körper reagierte auf jeden Spielzug des Gegners ganz instinktiv mit der richtigen Entscheidung, so als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes getan, als Basketball zu spielen. Beinahe so, als wäre er für Basketball geboren worden. Dennoch würde er niemals sagen, dass es Aomine war, den er bewunderte (allein bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um). Es war lediglich sein Stil, da war Kagami sich sicher. Es war schwer für ihn, den Blick abzuwenden, wenn Aomine auf dem Platz war. Seine Flexibilität und Agilität hatte er sich nicht vollkommen antrainiert; er besaß sie von Geburt an. Viel schien er auch vom Streetball übernommen zu haben, ähnlich wie Kagami, obwohl er selbst eher innerhalb der vorgegebenen Formen des offiziellen Basketballs spielte. Unwirsch schüttelte Kagami den Kopf, versuchte, sich auf den Gegner vor sich zu konzentrieren. Er durfte jetzt nicht vergessen, worum es eigentlich ging. Vor ihm ging Aomine noch ein wenig mehr in die Hocke, schaute für den Bruchteil einer Sekunde nach rechts. Es war eine Finte, das wusste Kagami, und so bewegte er sich zeitgleich mit Aomine, blockte ihn gerade noch rechtzeitig mit dem Arm ab. Das war nichts, was den anderen aufhalten könnte. Aomine drehte sich einmal um die eigene Achse, machte es Kagami schwer, dem Ball mit den Augen zu folgen. Dann zog er nach einem unerwarteten Tempowechsel an ihm vorbei, dribbelte auf den Korb zu und baute seinen Vorsprung mithilfe eines Korblegers aus. Stumm grinsend passte er Kagami den Ball und brachte sich wieder vor ihm in Position. Sie brauchten keine Worte, um den anderen zu verstehen. Alles, was von Bedeutung war, konnten sie an der Gestik und Mimik ihres Gegenübers ablesen. Für Kagami war es das irritierte Zusammenkneifen der schmalen Augenbrauen, wenn es ihm gelungen war, Aomine zu blocken. Oder das süffisante Schmunzeln, wenn er auf eine Finte hereingefallen war. Das kleine, zufriedene Grinsen, wann immer Kagami auf seine Provokation ansprang. Für Aomine waren es leise Grunzer der Frustration und das Anspannen der Muskeln, wenn er ihn aus Versehen streifte. Der fokussierte Blick in den roten Raubtieraugen, wenn der andere seine Bewegungsabläufe für einen kurzen Moment durchschaut hatte. Beide mussten sich eingestehen, dass sie unglaublich viel Spaß hatten, wenn sie mit dem jeweils anderen konkurrieren und sich in den unterschiedlichsten Disziplinen messen konnten. Trotz der Freude, die Kagami sich mittlerweile eingestanden hatte (Wie konnte er sich nur freuen, wenn er Aomines Gesicht ertragen musste?), spürte er die Müdigkeit an seinen Gliedern zerren. Das Training zuvor hatte an seinen Kräften gezehrt, und ohne Zone war es schwer, gegen Aomine zu bestehen. Immer häufiger passierten ihm Flüchtigkeitsfehler; seine Augenlider fühlten sich schwer an, und seine Bewegungen wurden träger. Das sah Aomine nicht gern. Frustriert schnaubte er, lehnte sich ein wenig nach vorne. »Was ist, Bakagami? Wo ist dein Kampfgeist geblieben?« Es erstaunte Kagami, dass es dem anderen stets gelang, einen wunden Punkt bei ihm zu treffen. Er hasste diesen dummen Spitznamen, wollte gerade von seinem Gegner nicht so genannt werden. Trotzdem stutzte er. Wenn er die Beleidigung ignorierte, blieb nur noch eine Art Motivation übrig. Wollte Aomine ihn tatsächlich aufheitern, oder ging es ihm lediglich darum, dass er keinen Spaß am Spiel hatte, wenn Kagami sich keine Mühe gab? Sein Gegenüber musste ihm seine Unsicherheit ansehen, denn er zwinkerte ihm auf eine Weise zu, die man als aufmunternd hätte beschreiben können, wenn sein Grinsen nicht gewesen wäre. »Brüll für mich, Tiger!« Sowie Aomine den unbeabsichtigten Wortwitz bemerkte, weiteten sich seine Augen und er brach in schallendes Gelächter aus. Kagamis Schultern sackten etwas zusammen, als er den anderen wütend anfunkelte. »Oi, so witzig war das jetzt auch nicht«, brummte er, als Aomine sich auch nach einer Minute noch nicht beruhigt hatte. Schließlich beschloss Kagami, dass er nicht mehr auf den anderen warten wollte. Wieso sollte er Aomines Unachtsamkeit nicht ausnutzen? Er hätte es bei ihm schon längst getan. Entschlossen machte Kagami einen Schritt nach vorne, wollte den Basketball mit seiner linken aus Aomines rechter Hand schlagen. Doch der andere war aufmerksamer, als er wirkte. Blitzschnell verlagerte er sein Gewicht, wich Kagami spielend leicht aus und wollte rechts an ihm vorbeiziehen. »Netter Versuch«, raunte es dicht an Kagamis Ohr. Instinktiv drehte er sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Dann verlor er das Gleichgewicht und damit den Boden unter den Füßen. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er Aomine Absicht unterstellt. Wie der andere es geschafft hatte, war ihm nicht ganz klar, doch auf einmal lagen sie beide am Boden. Er mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen unter Aomine, der seinen Fall gerade noch mit den Händen hatte abfangen können, die nun dicht neben Kagamis Kopf ruhten. Sein Herz pumpte sein Blut mit kräftigen Schlägen durch seinen Körper, durch das Training noch mehr, doch als sich ihre Blicke trafen, hätte er schwören können, dass das Organ noch einen Gang hoch schaltete. Bei jedem tiefen Atemzug stieß seine Brust gegen Aomines, und es hätte nicht viel gefehlt, damit ihre Lippen sich berührten. Mit einem mal wurde Kagami ganz warm, aber er schob es auf das anstrengende Match, das er hinter sich hatte, wollte gar keine andere Möglichkeit zulassen. Um nicht noch weiter in Bedrängnis zu geraten, zwang er sich dazu, flacher zu atmen, auch wenn ihn das viel Mühe kostete. Wie lange sie in dieser Position verharrten, wusste er nicht. Sein Zeitgefühl war zwar von jeher nicht das beste, doch die ungewohnte, plötzliche Nähe sorgte dafür, dass er alles wie in Zeitlupe wahrnahm. Wie den Schweißtropfen, der Aomines Schläfe hinab rann, oder wie sich dessen Lippen im gleichen Rhythmus öffneten und schlossen, in dem er bei Weitem ruhiger atmete als Kagami. »Weißt du...«, murmelte Aomine nach einer kleinen Ewigkeit leise. Erst registrierte Kagami die Worte nicht, war er doch zu beschäftigt damit daran zu denken, dass sich ihre Lippen tatsächlich berühren könnten, wenn der andere ihm noch näher kam. »Normalerweise hast du die Augen eines Raubtieres. Aber jetzt ist davon gar nichts mehr zu sehen.« Da war es wieder, sein arrogantes Grinsen, als Aomine den Kopf zur Seite neigte und Kagami heiße Luft ins Ohr hauchte. »Hast du so viel Angst vor mir?« Für diese Provokation war er fast schon dankbar, denn sie lenkte ihn ab von seinem stärker gewordenen Herzschlag, der ihm allmählich in den Ohren dröhnte. Kagami brauchte länger als sonst, um zu reagieren. Mit einem tiefen Knurren schob er den immer noch grinsenden Aomine von sich. »Als ob ich Angst vor jemandem wie dir hätte!« Während er langsam aufstand, fügte er etwas leiser hinzu: »Ich war nur überrascht, das ist alles.« Auch Aomine war aufgestanden, ging zu ihren Taschen und schnappte sich eine Wasserflasche. Das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. »Dann lassen wir es für heute gut sein«, schlug er vor, ehe er in tiefen Schlucken trank. Flüche murmelnd kam Kagami näher, wollte ebenfalls etwas trinken. Doch seine Flasche befand sich schon in Aomines Händen. Dieses Mal unterstellte er ihm Absicht. »Hey, das ist mein Wasser!«, maulte er, obwohl er sich dabei ziemlich dumm und kleinlich vorkam. Aber es ging ums Prinzip, fand er. Aomine hielt das Ganze anfangs für einen Scherz. Als er jedoch Kagamis ernsten Gesichtsausdruck sah, rollte er mit den Augen und warf ihm seufzend die Flasche zu, die er nur mit Mühe fangen konnte, ohne das restliche Wasser zu verschütten. »Schon gut, Prinzesschen. Hör auf zu heulen.« Zuerst wollte er etwas darauf erwidern, doch die Beleidigung blieb ihm im Hals stecken, als er auf die Flasche in seiner Hand sah. Tatsuya hatte ihm vor einigen Jahren mal erklärt, dass einige verliebte Mädchen es wohl als indirekten Kuss bezeichneten, wenn man aus der gleichen Flasche trank wie der Angebetete. Tatsächlich hatte er für einen Augenblick den wahnwitzigen Gedanken, dass es ein indirekter Kuss mit Aomine sei, wenn er jetzt aus dieser Falsche trank. Vehement schüttelte er den Kopf, um diesen unnötigen, geradezu verstörenden Gedanken loszuwerden. Hastig kippte er den kläglich Rest an Wasser, den Aomine ihm gelassen hatte, seine Kehle herunter und hoffte, dass er einfach nur übermüdet war. Keiner der beiden hatte jetzt noch Lust auf ein Spiel. Von dem Aufprall auf den harten Boden schmerzte Kagamis Rücken, hinter seine Schläfen pochte es stetig und sein Herz raste immer noch. Dagegen schien Aomine die Ruhe selbst zu sein. Mit gezielten Bewegungen packte er erst seine eigene Sporttasche, bevor er seufzend auch Kagamis Sachen zusammen räumte, weil dieser ihm zu sehr in Gedanken versunken war und deswegen zu lange brauchte. Er nahm die Tasche an, ohne ihm zu danken und gemeinsam verließen sie den Platz, schlenderten ein wenig die nachtverlassene Straße entlang, bis sie schließlich an einer Kreuzung stehen blieben. Kagami räusperte sich. »Bis irgendwann mal.« Damit wandte er sich zum Gehen, wurde jedoch von Aomines Schnauben zurückgehalten. »Du bist ein grauenhafter Gastgeber. Willst du mich nicht zum Bahnhof begleiten?« Er hatte sich wohl verhört. Als er sich mit skeptisch hochgezogener Augenbraue zu dem anderen umdrehte, wunderte Kagami sich, wie Aomine steif und fest behaupten konnte, dass er den Weg zum Bahnhof nicht wusste, obwohl er sich schon zig mal in ihrem Bezirk aufgehalten hatte. Misstrauisch schwang er seine Tasche über die Schulter. »Da findest du doch alleine hin. Schließlich warst du oft genug hier.« Darauf schüttelte Aomine nur den Kopf, vermittelte ihm damit das Gefühl, er wäre derjenige, der sich irrte. »Wo sind nur deine Manieren geblieben?« Sie diskutierten eine ganze Weile, und Kagami musste zugeben, dass einige Argumente des anderen so dämlich waren, dass er dafür eigentlich Anerkennung verdient hätte. Als Aomine ihm jedoch ernsthaft erzählen wollte, er könnte sich auf dem Rückweg in einer Hintergasse verlaufen, dort von malaysischen Ureinwohnern überfallen und für deren Opferrituale missbraucht werden, seufzte Kagami schwer. »Ist ja gut, ich komme mit«, kapitulierte er und setzte sich in Bewegung, ohne noch einen Blick auf Aomine zu werfen. Wahrscheinlich hätte er gemordet, wenn er jetzt das zufriedene Grinsen des anderen gesehen hätte. Ihr Weg zum Bahnhof verlief weitestgehend ruhig. Aomine hatte zwar nach kurzer Zeit zu ihm aufgeschlossen und lief nun neben ihm, doch auch er blieb still. Kagami dankte es ihm, war er derzeit schlichtweg nicht in der Lage dazu, einen klaren Gedanken zu fassen. Mittlerweile war er zu dem Schluss gekommen, dass das eben auf dem Platz nur ein dummer Unfall gewesen war, nichts weiter. Und Aomine wollte ihn wie üblich provozieren. Nichts Unübliches, nichts Besonderes. Also musste er sich auch keinerlei Gedanken mehr darüber machen. Angesichts der Tatsache, dass Aomine neben ihm damit begonnen hatte, eine unbestimmte Melodie zu pfeifen, hätte er das auch nicht mehr gekonnt. Nun konnte er ebenso gut ein Gespräch anfangen, zumal ihm seit gestern Abend einige Fragen im Kopf herumschwirrten. »Hast du eigentlich nichts Besseres zu tun, als dich mit mir zu treffen?« Aomine vergrub die Hände in den Taschen seiner Hose. »Zum Beispiel?« »Training.« Das war nur eine Möglichkeit, sich die Zeit zu vertreiben, aber Kagami schien sie am sinnvollsten. Doch sein Gegenüber war da anderer Meinung. »Du bist doch eh der Einzige, der es mit mir aufnehmen könnte. Wozu mit meinem Team trainieren?« Um sich über das Kompliment zu freuen oder sich gar dafür zu bedanken, machte Aomines Denkweise ihn zu wütend. »Damit ihr zusammen besser werden könnt«, erklärte er mit schmaler werdenden Augen. Für sein unverschämtes Lachen hätte Kagami dem anderen gerne ins Gesicht geschlagen, doch er hielt sich zurück und wollte Aomine wenigstens die Chance geben, sich zu verteidigen, auch wenn keiner seiner Gründe ihn überzeugen könnte. »Es geht für mich nicht mehr darum, besser zu werden oder nicht. Es geht darum, dass ich Spaß am Spiel habe.« Trotzdem verstand Kagami nicht, wo das Problem lag. »Hast du den nicht mit deinem Team?« Aomine schwieg, wich seinem Blick aus und knirschte schließlich mit den Zähnen, so als würden ihn seine nächsten Worte viel Überwindung kosten. »Den habe ich unglücklicherweise nur mit dir...«, meinte er leise, und Kagami konnte ihm ansehen, dass er sich für dieses Geständnis am liebsten selbst ohrfeigen wollte. Deshalb beließ er es für erste dabei. Nichtsdestotrotz schlich sich ein schwaches Lächeln auf seine Lippen, und als sie das richtige Bahngleis erreicht hatten, klopfte er Aomine sogar scherzhaft auf die Schulter. »Scheiße gelaufen, hmm?«, neckte er grinsend, erhielt jedoch nicht die Reaktion, auf die er gehofft hatte. Aomine lachte laut auf und ging langsam auf seinen Zug zu, der bereits am Gleis wartete. »Du sagst es. Ich werde mich wohl an deine Visage gewöhnen müssen.« »Eh?« Der Unterton in seiner Stimme gefiel Kagami ganz und gar nicht. Ebenso wenig wie Aomines überlegenes Grinsen, als dieser in den Zug stieg und sich für eine letzte Erklärung noch einmal zu ihm drehte. »Von nun an werden wir uns öfter zum Spielen treffen, Bakagami. Ob es dir passt oder nicht.« Gerne hätte er darauf noch etwas erwidert, hätte ihm noch eine Beleidigung an den Kopf geworfen und ihm versichert, dass sie sich gewiss nicht noch ein weiteres Mal treffen würden. Doch Aomine war eingestiegen, und der Zug fuhr wenige Augenblicke später los. Er stieß einen frustrierten Schrei aus, scherte sich nicht um die verwirrten Blicke der wenigen Passanten. Was bildete sich der Kerl ein? Ging er ernsthaft davon aus, dass er ihn demnächst mit offenen Armen empfangen und sich wieder mit ihm messen würde? Seine Wut verschwand allerdings schnell, machte Platz für tiefe Zufriedenheit. Eigentlich war Kagami mehr als einverstanden damit, öfters gegen Aomine anzutreten. Denn so ungern er es auch zugab, war der andere zwar auf der einen Seite die größte Nervensäge, die ihm je untergekommen war; auf der anderen Seite aber war er gleichzeitig der brillanteste Basketballspieler, dem er je hatte begegnen dürfen. Gegen Aomine zu spielen – selbst zu verlieren –, brachte ihn als Spieler weiter als sein reguläres Training. Bevor er jedoch zugegeben hätte, dass ihm etwas an dem anderen als Rivalen lag, hätte er sich eher die Zunge abgebissen und diese unangenehme Tatsache mit ins Grab genommen. So viel Stolz wollte Kagami sich wahren. 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