Namenlos von Valenfield ================================================================================ Kapitel 2: Angespannt --------------------- Heyho :) Dumm wie ich bin, hatte ich vergessen, das Kapitel hier hochzuladen, aber hier ist es nun. Das Kapitel ist Teil eins von zweien, da ich die Stelle als passend für einen Schnitt empfand (wieso, sollte man am Anfang des nächsten Kapitels merken). Ich schwafel zu viel, deswegen geht's jetzt auch los. -------------------------- Nervosität war eigentlich ein Zustand, den Vanitas nicht kannte, jedenfalls nicht wissentlich. Nicht einmal Prüfungen oder Bewerbungsgespräche jeglicher Art hatten ihn je aus der Ruhe bringen können. Sowieso konnte er nicht genau sagen, ob dieses Gefühl, was er da gerade verspürte, tatsächlich Nervosität war. Er wusste einfach nicht ganz, was auf ihn zukommen würde. Dass er mit einem Jungen zusammenarbeiten müssen würde, der erst seit kurzer Zeit hier war, hatte man ihm bereits mitgeteilt, aber jetzt, da der Moment immer näher rückte, wurde ihm die Tragweite dessen erst so ganz bewusst. Auf seine Hände blickend versuchte er, gedanklich zusammenzufassen. Sein Ziel würde es sein, diesen Jungen hier so gesund wie möglich rauszubringen. Was, wenn er das talentiert vermasseln, gar alles schlimmer machen würde? Normalerweise war er kein pessimistischer Mensch, eher realistisch, aber nach den Horrorgeschichten, die ihm einer seiner ganz lustigen Kollegen heute früh erzählt hatte, war ihm irgendwie ganz anders geworden. Die Akte auf dem Tisch kannte er jetzt quasi auswendig, auch wenn sie ohnehin nicht gerade viel preis gab. Aber das würde jetzt wohl an ihm liegen – er durfte nicht darüber nachdenken. Ruhig bleiben, tief durchatmen. Äußerlich war er natürlich die Ruhe selbst. Nicht das kleinste Zittern seiner Hände, seine Haltung vollkommen normal, lediglich ein wenig nach vorne gelehnt und auf den Unterarmen abgestützt. Aber so war er eben. Er konnte es nicht leiden, wenn ihm jemand Unsicherheit ansah, da er mit so etwas selten zu kämpfen hatte und dementsprechend auch nicht damit konfrontiert werden wollte. Umso froher war er über seine herausragende Selbstkontrolle. Sich vor Fremden die Blöße zu geben kam nicht in Frage, im Normalfalle wollte er das ja nicht einmal vor engsten Bekannten. In Gedanken versunken überhörte er schon beinahe das recht zaghafte Klopfen an der Tür, was aber auch egal gewesen wäre, da die Person auch ohne hereingebeten worden zu sein eintrat. Vanitas beschloss, erst einmal zu schweigen, und beobachtete stattdessen interessiert, wie der blonde Junge zielstrebig auf den Tisch zukam und neben dem Stuhl stehenblieb. Sein Gesichtsausdruck spielte eine Mischung aus Angst und Desinteresse aus, irgendwie wirkte er auch ein wenig verloren. „Du-“ – „Ich weiß, dass der Stuhl zum sitzen da ist.“ Verblüffend. In diesem Jungen schien Temperament zu stecken, obwohl er äußerlich so zerbrechlich wirkte. Was nichts daran änderte, dass Vanitas es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man es sich herausnahm, ihn zu unterbrechen. Doch er würde schweigen. Er musste ruhig bleiben und das würde er auch. Stumm wartete er, bis der Junge sich gesetzt hatte, ließ ihn aber nicht aus den Augen. „Gibt es etwas Interessantes zum Bestarren?“ – „Vielleicht.“ Hm. Damit schien er nicht gerechnet zu haben, denn urplötzlich lief er ein wenig rot an und rutschte in seinem Sitz hin und her. „Gut, Ventus. Das war dein Name, richtig?“ – „Verdammt gut kombiniert“, dabei starrte der Blonde urplötzlich ebenso zielstrebig wie Vanitas selbst in die Augen seines Gegenübers, als hätte er Angst, etwas Schlimmes würde passieren, gäbe er nach. Beide schwiegen für einen Moment, Vanitas dachte nach, wie er mit diesem Jungen umgehen sollte. „Können Sie nicht ein paar spannende Fragen raushauen und mich dann in Ruhe lassen?“, bat der Jüngere dann überspitzt höflich und provokant. Das würde eine verdammt stressige Zeit werden, das stand schon mal fest. „Höchstwahrscheinlich nicht, nein. Oh, und ich würde viel davon halten, wenn du mich nicht siezt.“ Ob das den Jüngeren kümmerte, war in dem Moment egal, es sollte nur klargestellt sein. Erneut herrschte Stille für eine gefühlte Ewigkeit, und Vanitas wurde klar, dass er so schon gar nicht anfangen konnte. Am liebsten hätte er gerade heraus gefragt, was jemanden dazu bewegen würde, zu versuchen, seine eigene Familie in einem brennenden Haus sterben zu lassen. Doch er war gezwungen, seine Faszination darüber zu unterdrücken und so sachlich und erfolgsorientiert wie möglich zu bleiben. Leider würde er den Jüngeren dabei wohl etwas ruhiger angehen müssen, um irgendwelche Antworten zu bekommen. „Was tu ich überhaupt hier?“ – „Das weißt du nicht?“, gedanklich ging der Schwarzhaarige die Akte durch. Eigentlich müsste Ventus wissen, wieso er hier war. Spielte er dumm, erinnerte er sich wirklich nicht oder empfand er seine eigene Tat einfach nicht als schlimm? Letzteres wäre ziemlich interessant, aber auch ein wenig beunruhigend und ein weiterer nachvollziehbarer Grund, ihn hierzubehalten. „Sie hätten es verdient gehabt“, murmelte der Junge dann und blickte mit undeutbarem Blick zu Boden. „Deine Familie?“ – „Ja, genau. Meine Familie. Wie auch immer die…“, er verstummte urplötzlich und sprang beinahe hastig auf, was Vanitas dann doch ein wenig aus der Bahn brachte. „Ventus?“ – „Was soll das alles? Ich bin nicht krank, was tu ich hier überhaupt?!“ – „Du hast…“ – „Ich weiß, ich bin doch nicht blöd im Kopf! Ich…“; er verstummte und ließ sich wieder in den Sitz fallen, der Blick ausdruckslos und kalt. Als könne er wirklich nicht nachvollziehen, was ihn hierhergebracht hatte. Vielleicht konnte er es nicht? Er schien nicht gerade reumütig für seine Tat, eher, als hätte er sie als etwas Gutes befunden. „Ich…will hier wieder raus“ – „Wohin?“, die Frage war gezielt eindeutig. Zurück zu seiner Familie, die er beinahe selbst auf dem Gewissen gehabt hätte? Das wäre mehr als nur makaber, aber zugegeben hätte er wohl auch keine große Wahl. „Egal. Irgendwohin, wo die Leute nicht so viele Fragen stellen. ‚Wir wollen dir nur helfen’, ja sicher. Ich brauche keine Hilfe.“ Durchaus faszinierend. Auf den ersten Blick hätte Vanitas den Jungen eher zurückhaltender eingeschätzt, aber wie es schien, hatte er sich da doch geirrt. Es konnte eine Trotz-Phase sein, in der er sich ein wenig aufspielte, alles tat, um vielleicht doch hier rauszukommen, aber sicher war es nicht. „Und da bist du dir sicher?“ – Schweigen. Mit Widerworten schien der Junge irgendwie überfordert. Vanitas sah davon ab, sich dadurch jetzt schon direkt einen Grund zusammenzureimen, auch wenn es nahezu eindeutig schien. „Wie lange werden die mich hier festhalten?“, lenkte der Blonde dann ein wenig kleinlauter als zuvor vom Thema ab und auch seine Mimik veränderte sich ein wenig. Hinter der forschen Mauer schien also doch eine gewisse Angst zu stecken. „Das hängt in gewissen Maßen von dir selbst ab. Solange niemand nachvollziehen kann, was dich zu deinem Handeln geführt hat, wird dieser Tag jedoch in weiter Ferne liegen.“ Sollte er höflicher sein? Seriöser, unpersönlicher? Wahrscheinlich schon, aber noch schien seine Art nicht zu schaden. Er schien den Jungen zwar ein wenig zu verunsichern, aber gerade das war auch irgendwo sein Ziel. Nicht, dass es eine Triez-Aktion werden sollte, aber Vanitas wollte wissen, wie weit sich Ventus wehren würde und ab welchem Punkt unter welchen Umständen er nachgab. „Ich hab nicht darum gebeten, hergebracht zu werden“ – „Deine Familie hat auch sicher nicht darum gebeten-“ – „Aber verdient haben sie’s nicht besser!“ Schon wieder. Diese Launenhaftigkeit hatte beileibe nichts Gutes zu bedeuten und obwohl von vornherein klar gewesen war, dass mit dieser Familie so Einiges nicht stimmen konnte, war es doch beunruhigend, mit welch Überzeugung der Junge das Leben seiner eigenen Familie beendet hätte – und es wohl auch nicht bereuen würde. „Und das kannst du genau warum so einfach sagen?“ – „Weil es so ist!“ – „Selbstjustiz ist also die Lösung?“ – „Besser als gar keine!“ Sicherlich ein interessanter Gedankengang. Besser als keine? Vielleicht gar nicht so falsch. „Warum hast du das gemacht?“ – „Warum nicht?“ – „Du kannst nicht einfach so mit dem Leben von Menschen spielen wie mit Schachfiguren“ – „Stimmt, das würde die Schachfiguren beleidigen.“ Vanitas ließ es sich nicht anmerken, aber diese Worte machten ihn irgendwie sprachlos. Er wünschte, dieser Junge hätte sich einen anderen Weg ausgesucht, das Leben seiner Familie zu zerstören. Denn jetzt gerade interessierte ihn ziemlich, wie die häuslichen Zustände wohl ausgesehen hatten, aber das würde sich jetzt eben nicht mehr prüfen lassen. Nichtsdestotrotz fragte sich Vanitas, ob mit diesem Jungen wirklich massiv viel nicht stimmte oder ob bisher tatsächlich niemand die möglicherweise katastrophalen Zustände im Haushalt bemerkt hatte. Beide Varianten hatten ihren bitteren Nachgeschmack, weswegen er sich nicht festlegte, welche ihm unlieber war. „Ich will diese ganzen Fragen nicht. Ich will hier wieder raus!“ – „Heim? Ach nein, das geht ja nicht“; beinahe empört blickte Ventus auf, schockiert über diese doch eher direkten Worte. „Du bist irgendwie anders als die anderen hier“ – „Insofern, dass?“ – „Die stellen ihre Fragen immer so unterschwellig, als wäre ich psychisch labil und würde sie alle der Reihe nach erwürgen, wenn sie ein falsches Wort sagen“ – „Und du denkst, du bist nicht labil?“ – „Genau das!“ Beinahe enthusiastisch sprang der Junge auf und musterte Vanitas eingehend. Der ließ sich äußerlich nicht beeindrucken, war innerlich aber doch gespannt. „Keiner von denen würde es wagen, das zu fragen. Ich könnte aggressiv oder depressiv werden. Mich oder jemand anders umbringen. Aber dich interessiert das gar nicht, oder? Liegt dir nichts an deinem Leben?“ – „Ich sehe von dir keine große Gefahr ausgehen“ – „Was? Dir ist bewusst, dass ich versucht habe, meine Familie umzubringen? Bist du ein Freak?“ – „Nicht, dass ich wüsste. Und ja, das ist mir bewusst, aber ich befürchte, selbst wenn du wolltest, hättest du gerade nicht die Möglichkeit, mich anzugreifen.“ Fassungslos ließ der Jüngere sich erneut zurück auf den Sitz fallen, die kurzzeitig fast leeren Augen nun gefüllt mit Euphorie, als gäbe es nichts Spannenderes als diese Unterhaltung. „Wenn hier alle so drauf wären wie du, wüsste man bald nicht mehr, wer die Patienten sind und wer die behandelnden Ärzte“ – „Du hältst mich also für einen Psychopathen?“ – „Mindestens! Niemand würde so was einfach so sagen! Du bist doch lebensmüde!“ – „Interessante Ansichtsweise, aber falls es dir nicht aufgefallen ist, habe ich dich damit munter zum reden gebracht.“ Wieder schien der Jüngere etwas baff. Er war es wohl nicht gewohnt, mit Leuten auf dieser Ebene zu sprechen, quasi auf der selben Länge. Es schien ihm neu und vielleicht brachte ihn gerade das dazu, mehr zu sprechen, als ihm wahrscheinlich lieb war. „So wie du drauf bist…sollten die eher dich als mich hier festhalten“ – „Danke für die Blumen, Ventus. Erstaunlich, dass du so schnell deine Schlüsse aus meinem Verhalten ziehen kannst“ – „Da gibt es keine Schlüsse zu ziehen! Du bist einfach krank und viel zu optimistisch!“ Der Blonde verstummte, als Vanitas zu lachen begann. „Amüsant, dass du gerade das erwähnst. Gerade eben noch stellte sich mir die Frage, ob ich momentan nicht in Wahrheit sogar ein zu pessimistischer Mensch bin. Aber danke für die Erleuchtung“ – „Mach dich nicht über mich lustig!“ – „Tue ich das?“ – „Schon wieder!“ – „Du regst dich ziemlich schnell auf, das ist ungesund“ – „Ich schlag dich gleich ungesund.“ Vanitas schwieg, grinste aber. Dieser Junge war zu viel des Guten. Vollkommen ängstlich, dass man ihn irgendwie angreifen würde, jederzeit bereit, seine aggressive Mauer vor sich aufzubauen und sich mit großen Worten zu verteidigen. Es war nur zu hoffen, dass er nicht versuchte, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Man würde es zwar vielleicht nicht gleich vermuten, aber der Schwarzhaarige konnte sich höchstwahrscheinlich besser verteidigen als so ein kleiner Junge. Und er hatte keine Lust, seinen Patienten zu verletzen. Überhaupt nicht. „Grins doch nicht so blöd! Du willst mich einfach ärgern, oder?! Und dann behaupten sie alle, sie wollen einem helfen, von wegen! Du willst mich doch provozieren!“ – „Ich sage kein Wort, und doch wirfst du mir solch arge Dinge vor, ein wenig unfair, meinst du nicht?“ – „Du schwafelst mir zu viel, ich hab keine Lust mehr“ und damit verließ der mehr als nur aufgebrachte Junge seinen Platz, um den Raum zu verlassen. Vanitas konnte einfach nicht anders, er musste darüber lachen. Zwar hatte er keine Lust auf Probleme, aber es ging einfach nicht anders, dieser Junge machte ihn jetzt schon fertig. Und gerade weil den dieses Lachen so zu stören schien, wandte er sich noch einmal um. „Hör auf damit! Warum tust du das?! Was hab ich dir getan?“ – „Davon abgesehen, dass du mich unnötig anschreist?“ – „Argh! Du hast es doch nicht anders verdient!“ – „So wie deine Familie?“ – „Tu nicht so, als hättest du davon eine Ahnung!“ – „Du kannst mich ja erleuchten“ – „Und du kannst schön weiter träumen!“ Damit verließ der Blonde den Raum, natürlich nicht ohne die Tür mit so viel Wucht wie möglich hinter sich zuzuziehen. Vielleicht würde es doch ganz spaßig werden, wenn auch stressig, aber vielleicht würde da ein frischer, starker Kaffee fürs Erste helfen. Wäre es wohl besser, dem Jungen nachzugehen? Vanitas hatte nicht wirklich Lust dazu, hatte stattdessen einen Kugelschreiber gezückt und sich ein paar Stichworte auf ein Blatt Papier gekritzelt, was Ventus anging. Obwohl er das beruflich tat, wurde er das Gefühl nicht los, dass es ihm auch persönlich eine Menge Spaß machen würde. Ein wenig makaber kam er sich bei dem Gedanken aber doch vor… Und da Ventus wohl nicht mehr zurückkehren konnte, nahm er sich einfach die Zeit, seine Notizen doch ein wenig zu verfeinern und erste, kleine Schlüsse zu ziehen. Hatte er eben wirklich noch den zarten Hauch von Nervosität gegenüber dem empfunden, was jetzt wohl passieren würde? Welch Ironie! --------------------------- Nächstes mal schaff ich's dann hoffentlich wieder, rechtzeitig auch hier hochzuladen. >_< Liebe Grüße, Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)