Keep my Secret von -melinda- (... and love me) ================================================================================ Kapitel 1: Der Neue ------------------- Es war ein warmer, sonniger Tag und es herrschte reges Treiben, auf dem Campus vom Musashi Internat. Die lange Einfahrt und der große Parkplatz, waren voller Limousinen, oder anderer schicker Wagen. Überall sah man, wie sich die Eltern von ihren Kindern verabschiedeten und lauter Bedienstete, bepackt mit Koffern, die durch die Mengen spurteten, als würde es um ihr Leben gehen. Zwischen all dieser Makellosigkeit, fiel einem sofort der leicht verbeulte, dunkelgrüne Renault Espace auf, neben dem ein junges Mädchen mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder stand, welcher mit offenem Mund, das Schulgebäude beäugte. "Kagome, das ist unglaublich. Dieses riesige Gebäude, es sieht aus wie ein Schloss!", sagte der kleine Souta aufgeregt. Kagome lächelte ihn an. "Ich habe euch doch die Broschüre gezeigt. Ihr wusstet was uns hier erwartet." "Ja schon, aber persönlich vor Ort ist es doch viel beeindruckender", kam es vom hinteren Teil des Wagens, wo Kagomes Vater ihren großen Koffer entlud und diesen schließlich vor seiner Tochter abstellte. "Ich bin noch immer nicht davon überzeugt, dass du hierher gehörst. Sieh dir die Leute an: Alle wirken so hochnäsig und elitär und-" Er schaute seine Tochter bedrückt an. "Und wir können dir schließlich nicht das Gleiche bieten, wie die Eltern der anderen Schüler." Kagome entwich ein leichtes Seufzen. Sie hatten das doch schon mehrmals besprochen! "Papa, diese Schule nimmt nur einen Stipendiaten pro Jahr an. Das ist eine riesige Chance für mich. Soll ich dir noch einmal all die erfolgreichen und berühmten Leute nennen, die hier unterrichtet wurden?" Etwas betrübt zwang sich ihr Vater zu einem kargen Lächeln. "Nein, nicht doch. Wir verstehen ja, dass du diese Gelegenheit wahrnehmen willst. Es ist nur so schwer, mein kleines Mädchen gehen zu lassen." "Aber wir sind unglaublich stolz auf dich und hoffen, dass du hier schöne Erfahrungen sammeln kannst", ergänzte ihre Mutter, während sie Kagome in den Arm nahm. "Danke Mama, danke Papa, ich hab euch sehr lieb!" Ihr Vater räusperte sich kurz, wohl um seine Tränen, die sich langsam in seinen Augen gesammelt hatten, zu überspielen. "Also gut, bringen wir dich zur Anmeldung und-" Weiter kam er nicht, da Kagome ihn sofort unterbrach: "Ist schon gut Papa, ich kann das allein. Ich bin doch kein Kind mehr!" Zweifelnd sah Kagomes Vater sie an, nickte daraufhin aber nur und die kleine Familie schloss sich noch einmal in die Arme. Als das Auto ihrer Eltern schließlich vom Platz fuhr, winkte Kagome ihnen noch lächelnd hinterher, bis sie den Wagen nicht mehr sehen konnte. Dann atmete sie einmal tief ein und aus, drehte sich um und sah sich das Schulgebäude noch einmal ganz genau an, bevor sie mit ihrem Gepäck, auf den Haupteingang zusteuerte. Während sie über den Campus ging, kam sie aus dem Staunen nicht raus. Es sah alles so... so perfekt aus! Sorgfältig gepflegte Blumenbeete und gestutzte Büsche umrahmten die Einfahrt und den Parkplatz. Vor dem Hauptgebäude lag eine schöne Grünfläche, in der Mitte ein kunstvoller Springbrunnen. Die große Eingangstür war aus massivem dunkelbraunen Holz, die Mauern edel verziert. Die Eingangshalle war erfüllt mit Stimmen und Gelächter. In der Mitte der Halle stand ein langer Tresen, über dem ein Schild mit der Aufschrift Anmeldung hing. Aber statt dorthin zu gehen, schlich Kagome sich nervös umschauend, in die Mädchentoilette um die Ecke. Ungefähr fünf Minuten später, öffnete sich die Toilettentür wieder und heraus kam ein schmächtiger Junge, in lockeren Jeans und blauem Hemd, was keiner zu bemerken schien. Seine Kleidung zurechtzupfend und umherschauend ging er auf die Anmeldung zu. "Guten Tag, mein Name ist Higurashi Kaoru", sagte die verkleidete Kagome mit gekünstelt dunkler Stimme. "Higurashi? Ah ja, der Stipendiat. Einen Moment...", murmelte die blonde Frau und blätterte ihre Unterlagen durch. Misstrauisch blickte sie auf und schaute den Neuling über ihre Brillengläser hinweg an. "Kaoru?", fragte sie zögernd. "Hier steht, es handelt sich um eine junge Frau namens Higurashi Kagome." "Ja, ich weiß", antwortete Kagome heiser und räusperte sich verlegen. "Da muss jemand einen Fehler gemacht haben. Auf meiner letzten Bestätigung, dass ich das Stipendium annehme, hatte ich bereits darauf hingewiesen." Die Empfangsdame blätterte erneut in der Akte. "Richtig, hier ist das Dokument. Aber ich muss Ihren Personalausweis überprüfen, um das zu bestätigen", sagte sie und schaute Kagome erwartungsvoll an. Diese versuchte angestrengt ihre Nervosität zu unterdrücken, während sie ihre Brieftasche aus dem Rucksack zog und ihren gefälschten Ausweis überreichte. Hoffentlich hatte ihr Freund Miroku gute Arbeit geleistet. Der Ausweis wurde kurz begutachtet und dann dessen Daten in die Higurashi-Akte übernommen. "Sehr schön", sagte die Frau zufrieden und gab ihr den Ausweis zurück. "Wir entschuldigen uns für das kleine Missverständnis und wünschen Ihnen eine erfolgreiche Zeit auf Musashi. Hier ist Ihr Schülerausweis und der Zimmerschlüssel. Bitte beschriften Sie Ihren Koffer, dieser wird dann sogleich auf Ihr Zimmer gebracht." Kagome erhielt ein paar weiße Klebestreifen und einen Stift, womit sie ihr Gepäck kennzeichnete. "Warten Sie bitte dort drüben, bei den anderen Neuzugängen. Die Einführung findet in Kürze statt." Kagome nickte erleichtert, ließ ihren Koffer dort stehen und ging zur angewiesenen Gruppe, hielt sich aber am Rand des Geschehens. Im Geiste hielt sie eine Dankesrede an Miroku. Das Schlimmste hatte sie überstanden. Während einige Minuten vergingen, leerte sich die riesige Halle allmählich, bis nur noch ein paar vereinzelte Schüler und die Neuzugänge dort waren. Schließlich kam eine elegant gekleidete Dame auf die Gruppe zu und stellte sich als eine der Lehrkräfte vor, welche die Schüler auf dem Campus herumführen und dabei einige Regeln und Abläufe erklären würde. Zuerst wurden die Klassenräume und Freizeitspezifische Orte vorgeführt, während die Lehrerin etwas zum schulischen Ablauf und einige Fakten zur Geschichte des Internats erläuterte. "Das Musashi- Internat nimmt Mädchen und Jungen zwischen zwölf und zwanzig Jahren aus aller Welt auf. Die Schuluniformpflicht wurde 1992 aufgehoben, da man zu dem Entschluss kam, sie verletze das Selbstbestimmungsrecht. Die Philosophie unseres Instituts unterstützt die freie Entfaltung und individuelle Persönlichkeitsentwicklung auch und vor allem im Bezug auf die Erscheinung der Schüler." Als die Gruppe durch den Hinterausgang des Hauptgebäudes auf den Zentralhof trat, dessen Wege alle Gebäude des Campus miteinander verband, blieb Kagome kurz die Luft weg. Vor ihren Augen lag wohl der schönste Fleck Erde, den sie jemals gesehen hatte. Große grüne Wiesen auf denen ein Weg aus Millionen von weißen Kieselsteinen ruhte, große Bäume die viel Schatten spendeten, wunderschöne Blumenbeete- ja Blumen überall und jede Menge Springbrunnen. Sie konnte die Grenzen des Grundstücks nicht ausmachen, so weitläufig war der Garten, sowie die Sport- und Reitplätze weiter hinten. Sie wurden zum nächstgelegenen Gebäude geführt, wo sie sich die Cafeteria und die Bibliothek ansahen. "Ein anspruchsvoller Lehrplan und ein umfangreiches außerschulisches Angebot im sportlichen, künstlerischen und kommunikativen Bereich, zeichnet das Internat aus", führte die Lehrerin ihren Monolog fort. "Die Klassenstärke von maximal 15 Schülern ermöglicht den Lehrkräften auf jede einzelne Person einzugehen. Kreative Fähigkeiten sollen gefördert, Wissen erweitert und die Jugendlichen für die Universität sensibilisiert werden." Die Führung endete bei den Wohnheimen. "Eure Unterkünfte beinhalten ein Apartment mit je einem Wohnbereich, einem Badezimmer und zwei Doppelzimmern. Die Schlafzimmer haben alle einen PC und sind mit Wireless-Lan ausgestattet. Dadurch kann euch, E-Mail- und Internetzugang auch auf den Zimmern angeboten werden, vorrangig zu Recherche- und Lernzwecken versteht sich." Sie machte eine demonstrative Pause. "Alle Wochenenden stehen zur eigenen Freizeitgestaltung zur Verfügung. Es gilt dennoch strikte Bettruhe ab 23 Uhr und ab diesem Zeitpunkt sind keine Besuche mehr gestattet. Sollte die vorgeschriebene räumliche Geschlechtertrennung nachweislich missachtet werden, drohen Ihnen schwerwiegende Konsequenzen!" Die strenge Frau hob vielsagend eine Augenbraue und musterte vor allem die älteren Neuzugänge. Kagome schluckte eingeschüchtert. Den Schülern wurde letztendlich ein zufriedener Aufenthalt und ein angenehmer Zimmerbezug gewünscht, bevor die Lehrerin mit einem hektischen Blick auf ihre Armbanduhr schnellen Schrittes zurück zum Hauptgebäude stolzierte. Die Gruppe zerstreute sich, Mädchen und Jungen trennten sich und machten sich auf den Weg, ihre Zimmer zu beziehen. Kagome schaute dem hübschen Mädchen-Wohnheim sehnsüchtig nach, bevor sie sich auf die Suche nach ihrem Apartment im gegenüberliegenden Gebäude machte. Als sie die richtige Tür auf der zweiten Etage endlich gefunden hatte, war sie sehr erleichtert. Alles was sie jetzt noch wollte, war ein schönes heißes Bad, sich auf den ersten Schultag morgen vorbereiten und dann ab ins Bett. Sie öffnete die Tür, ging hinein und was sie sah, war eine erneute Überraschung. Das Apartment war nicht nur viel größer als sie erwartet hatte, sondern zudem auch noch alles andere als bescheiden eingerichtet. Bei der Führung wurde zwar gesagt, dass die Zimmer jedes Jahr von den selben Schülern bewohnt werden und so eine individuelle Gestaltung möglich sei, aber die Einrichtung hatte viel mehr Stil, als sie erwartet hätte. Sie schloss die Eingangstür hinter sich, zog ihre Schuhe aus und stieg die einzelne Stufe hinauf, die den Eingangsbereich vom Wohnbereich optisch trennte. Ihr Koffer stand wie versprochen vor ihr. Sie stand in einem großen offenen Raum in dem zwei frei stehende braune Ledersofas dazu einluden, es sich bequem zu machen. Ein Abstraktes ruhiges Bild hing an der Wand, auf der gegenüberliegenden Seite hing ein moderner Fernseher und sogar eine große Zimmerpflanze stand hier. Bei näherem Hinsehen, entpuppte sie sich aber als Kunstpflanze. Ein schmales, hohes Bücherregal ließ eine Nische entstehen, in der sich ein Mini-Kühlschrank versteckte. Alles war in Natur- und Erdfarben gehalten und strahlte eine gemütliche Lässigkeit aus. Links um die Ecke war ein kurzer Flur zu sehen, der zu zwei weiteren Zimmern führte. Sie vermutete hinter einer der beiden Türen das Badezimmer. Rechts von ihr war noch eine letzte Tür. Sie zuckte erschrocken zusammen, als sie endlich bemerkte wie sie belustigt von der Seite beobachtet wurde. "Gefällt's dir hier?", fragte der stumme Beobachter schließlich. Kagome sah in ein freundlich lächelndes Gesicht eines großgewachsenen, rothaarigen Jungen mit schmalen, blauen Augen. "Du musst der Stipendiat sein. Freut mich, ich heiße Ray Carson und bin einer deiner Mitbewohner", begrüßte er den zierlichen neuen Schüler mit einem lockeren Handschlag. Kagome hörte einen amerikanischen Dialekt heraus. "Ich heiße Higurashi Kaoru, freut mich dich kennenzulernen. Carson... doch nicht etwa wie Carson's, das überteuerte Snob-Restaurant, auf das die schicken Leute so abfahren?" scherzte Kagome. "Doch, genau das", erwiderte Ray ruhig. Der Fettnapf blieb ihr im Halse stecken. Ein lautes Rumpeln und Knallen, aus dem Zimmer hinter Ray, unterbrach das peinliche Schweigen. Verwundert linste Kagome an seiner Schulter vorbei und sah wie ein kleines Mädchen aus dem Zimmer stürmte, hastig die Tür wieder hinter sich schloss und eine winzige Digitalkamera an sich drückte. "Was machst du denn hier, Ronnie?", fragte Ray das rothaarige Mädchen überrascht. Sie sah zu ihm auf und grinste frech. "Ich besuche meinen Lieblingsbruder", antwortete sie und umarmte Ray's Arm. Die Tür ging erneut auf und ein aufgeregter blonder Junge kam zum Vorschein, der sein Shirt hektisch zurechtzupfte. "Das kleine Biest hat sich die ganze Zeit unter meinem Bett versteckt", rief er empört und zeigte auf das Mädchen. "Ich habe mich eben umgezogen und deine Schwester knipst Fotos." "Du solltest dich geschmeichelt fühlen", erwiderte Ronnie unschuldig. "Für solche Fotos von dir, sind nicht wenige aus meinem Jahrgang bereit, gutes Geld zu zahlen. Ich beteilige dich natürlich an den Einnahmen." "Ach, wirklich?", fragte der blonde Junge. Ein verschmitztes Lächeln huschte kurz über sein Gesicht und er hob selbstzufrieden die Augenbrauen, bevor er sich Kagome zuwandte. "Hi, du musst dieser Stipendiat sein. Ito Yori, was geht?" Sich am Hinterkopf reibend, ging Yori auf Kaoru zu und streckte ihm seine Faust entgegen. Dies passierte aber so plötzlich, dass Kagome erschrak und ihr ein kleiner Schrei entwich. Verwirrt wich Yori wieder etwas zurück. "Oh, richtig, Faustschlag", fing sich Kagome aber schnell wieder und drückte ihre Faust auf seine. "Okay", grinste Yori sie an. "Du gehörst zur Sorte: Weich-Ei. Ist notiert." Kagome seufzte innerlich. Sie war keine fünf Minuten hier und schon hatte man ihr einen Stempel aufgedrückt. Ray unterdrückte ein Lachen und sah seine kleine Schwester dann ernst an. "Ronnie, du kannst nicht einfach hier aufkreuzen und heimlich Fotos von meinen Mitbewohnern schießen. Geh jetzt in dein eigenes Apartment zurück. Wir alle brauchen etwas Zeit um in Ruhe anzukommen." "Schon klar", erwiderte Ronnie und verzog das Gesicht. "In eurer coolen Männer-WG ist kein Platz für mich." "So habe ich das nicht gemeint, und das weißt du auch", widersprach Ray. Die Kleine streckte ihm schmollend die Zunge heraus. "Ihr habt es wirklich schön hier", sagte Kagome, nachdem Ronnie das Apartment verlassen hatte. "Ja, du hast echt Glück im schönsten Apartment der Schule gelandet zu sein", prahlte Yori. Meine Mutter ist Innenarchitektin und hat hier alles eingerichtet. Verrücke nur keine Möbel, das stört sonst das Chi oder das Yang oder so." "Geht klar", nickte sie lächelnd. "Weißt du, wo Inuyasha bleibt?", fragte Ray schließlich. "Er wollte schon längst hier sein." "Seid ihr denn nicht zusammen angekommen?" Er schüttelte den Kopf und Yori zuckte mit den Schultern. "Wahrscheinlich ist er gerade damit beschäftigt, an irgendjemandem seine schlechte Laune auszulassen. Und solange nicht ich dieser Jemand bin, ist es mir egal." Yori ließ sich vor Kaoru auf die Couch fallen. "Oh, er wird gar nicht begeistert von dir sein, Weich-Ei." Kagome wollte gerade fragen was er damit meinte, da hörte man von draußen ein lautes Poltern. "Das wird er wohl sein", sagte Ray und Yori nickte wissend. Kurz darauf knallte die Wohnungstür auf und ein ziemlich wütend dreinblickender Typ stand im Türrahmen. Er pustete sich ein paar seiner schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht und ließ seinen großen Koffer mit Schwung zu Boden fallen. Laut schnaubend stemmte er seine Hände in die Hüften, hob den Kopf und schaute in die Runde. Kagome spürte wie ihre Wangen leicht erröteten, als ihre Blicke sich trafen. "Du bist ziemlich spät", sagte Ray und warf einen flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr. "Mein Flug wurde um zwei Stunden verschoben", antwortete Inuyasha mürrisch. "Warum?", fragte Yori. "Das weiß ich nicht. Da war die ganze Zeit über so eine alles übertönende Stimme, die sich pausenlos über die Unzuverlässigkeit der Fluggesellschaften beschwert hat, weswegen ich die Ansagen aus dem Lautsprecher nicht verstanden habe. Ich weiß also nicht, welches Problem der Pilot mit seinem Flugzeug hatte, dass er es für nötig hielt mich für weitere zwei Stunden dort festzuhalten!" Inuyasha hatte sich in Rage geredet, stoppte aber schnell wieder und schien sich selbst in Gedanken zurechtzuweisen. "Aber jetzt ist es vorbei und in den nächsten Monaten liegt wieder ein großer weiter Ozean zwischen meiner Familie und mir." Inuyasha atmete kurz durch und sein Blick fiel auf Kaoru. "Wer bist du?", fragte er genervt. "Higurashi Kaoru, der Stipendiat", antwortete Kagome verlegen. "Wie schön für dich", erwiderte er mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. "Und was willst du hier?" Ray legte ihm behutsam eine Hand auf die Schulter, als müsste er einem Kind eine schlechte Nachricht überbringen. "Kaoru ist unser neuer Mitbewohner und dein jetziger Zimmergenosse." Inuyashas Gesichtsausdruck glich einen Moment lang einer steinernen Maske. "Was?", presste er schließlich hervor. "So ein Dreck!" Er stampfte mit dem Fuß auf. "Die ganze Zeit hatte ich meine Ruhe und jetzt muss ich plötzlich mein Zimmer teilen?" Ray erklärte: "Dieses Jahr wurden alle freien Plätze belegt und es ist nun mal kein anderes Zimmer mehr frei." "So was nennt man Full House!", warf Yori ein und grinste Inuyasha schadenfroh an, wofür er nur einen vernichtenden Blick von diesem erhielt. "Auf gutes Zusammenwohnen!", versuchte Kagome auf ihren Mitbewohner zuzugehen und streckte offen die Hand aus. Inuyasha nahm diese aber nicht an, kniff stattdessen die Augen zusammen und schaute sie böse an. "Geh mir bloß nicht auf die Nerven!", zischte er so scharf, dass es ihr eiskalt den Rücken runter lief. Daraufhin nahm Inuyasha seinen Koffer und verschwand im linken Zimmer, auf der gegenüberliegenden Seite von dem, aus dem Ronnie und Yori vorhin herausgestürmt waren. "Na, das fängt ja super an", murmelte Kagome vor sich hin. "Nimm es dir nicht zu Herzen! Am ersten Tag nach den Ferien ist der immer so gereizt", sagte Yori völlig unbeeindruckt. Ray lächelte Kaoru wieder freundlich an. "Inuyasha ist kein schlechter Mensch, man muss ihn nur erst einmal besser kennenlernen." Kagome lächelte zurück und nickte. Es war schon spät am Abend, als Kagome aus der Badewanne stieg und sich mit einem Samtweichen Handtuch abtrocknete. Sie hatte sich auf den ersten Blick in das Badezimmer verliebt. Es war in zwei seperate Raumhälften geteilt, getrennt durch eine Glastür. Verschiedenste Holzelemente auf hellen Fliesen, sorgten für eine warme und entspannende Atmosphäre. Die barrierefreie und komplett offene Regendusche war einfach himmlisch. Die Badewanne direkt daneben, war so groß und tief, dass Kagome komplett darin versinken konnte. An so ein Leben könnte sie sich gewöhnen! Sie föhnte ihre langen schwarzen Haare und stülpte sich wieder ihre Perücke über, mit der sie jetzt wohl auch nachts schlafen musste. Ihre Bandagen wickelte sie sich wieder fest um die Brust, schlüpfte in einen viel zu großen Pyjama, damit man ihre weiblichen Rundungen nicht sehen konnte und ging hinüber in ihr Zimmer. Es war ein schöner, lang geschnittener Raum mit zwei riesigen Betten. In dem Bett, das näher am Fenster stand, konnte sie Inuyasha liegen sehen, in ihre Richtung gedreht mit geschlossenen Augen. Er schien fest zu schlafen. Leise fing sie an, ihre Koffer auszupacken. Die Kleidung für ihr männliches Alter Ego, welche sie sich vor der Abfahrt von Miroku geliehen hatte, räumte sie in den leeren Kleiderschrank. Ihre eigenen Klamotten ließ sie im Koffer und verstaute diesen unter ihrem Bett. Dann legte auch sie sich in das unbeschreiblich bequeme Bett, kroch unter die warme Decke und wollte gerade die kleine Lampe auf dem gemeinsamen Nachttisch zwischen den Betten ausschalten, als dabei ihr Blick auf Inuyasha haften blieb. Er atmete ganz ruhig in einem gleichmäßigem Rhytmus und sah nun sehr friedlich- aber auch irgendwie traurig aus, fand Kagome. Sie musste gähnen und schaltete das Licht schließlich aus. Einige Minuten später war sie schon eingeschlafen. Kapitel 2: Nichts Besonderes ---------------------------- Jeder im Klassenraum ist still und konzentriert. Der Lehrer schreibt vorne was an die Tafel. Kagome sitzt zitternd an ihrem Platz, schaut sich unaufhörlich um und auf ihrer Stirn haben sich leichte Schweißperlen abgesetzt. Sie versucht mitzuschreiben, doch jedes Mal wenn sie den Bleistift ansetzt bricht die Miene ab. Plötzlich ertönt ein lautes Klingeln. Die Stunde ist vorbei, die Schüler packen ihre Sachen ein und machen sich auf den Weg nach draußen. Als sich Kagome gerade vom Stuhl erhebt, wird sie angerempelt und landet auf dem Boden. Die Schüler und auch der Lehrer versammeln sich um sie herum und starren sie an. Ein Mädchen ohne Gesicht nähert sich ihr und reißt ihr die Perücke vom Kopf. Entsetzen und Gelächter machen die Runde und Kagome ist fassungslos. Was passiert hier? Sie wurde enttarnt, sie ist aufgeflogen! Sie will aufstehen und wegrennen, aber ihre Beine sind schwer wie Blei, sie kann sich nicht bewegen. Plötzlich ist es wieder ganz ruhig und der Kreis um sie öffnet sich langsam. Kagome blickt in Inuyashas Gesicht der ausdruckslos auf sie herunter schaut. Ihre Mitschüler und der Raum lösen sich nach und nach auf und die beiden sind allein, in einem weißen Nichts. "Kagome, wach auf", sagt er und wirkt dabei zunächst genauso überrascht wie sie. Er verzieht verärgert sein Gesicht und wiederholt lauter und bestimmter: "Wach auf!" Blinzelnd öffnete Kagome die Augen, und sah in das genervte Gesicht von Inuyasha. Erschrocken setzte Kagome sich auf und schaute sich orientierungslos um. Als sie dann nach einigen Sekunden realisierte, dass das alles nur ein Traum gewesen war, seufzte sie erleichtert auf. Inuyasha hingegen, war gerade dabei sich hektisch ein Hemd überzuziehen und seinen Rucksack zu packen. "Verdammt Kaoru, beeil dich, wir haben verschlafen!" Kagome sah zum Nachttisch, auf die Uhr vom Wecker. Der Unterricht hatte vor einer halben Stunde begonnen. "Oh Nein! Warum haben uns die anderen beiden denn nicht geweckt?" "Ray und Yori haben Frühsport vor dem Unterricht, die sind schon längst weg." Kagome stürmte aus dem Bett, riss den Kleiderschrank auf, suchte schnell ein paar Klamotten zusammen und rannte hinaus ins Bad. Inuyasha hatte inzwischen alles eingepackt, zog sich den Rucksack über eine Schulter, nahm die Tasche von Kaoru in die Hand und eilte ebenfalls aus dem Zimmer. Gerade als er gegen die Badezimmertür hämmern wollte, öffnete sich diese. Ein umgezogener Kaoru griff nach seiner Tasche und die beiden rannten hinüber zum Schulgebäude. Völlig außer Atem standen sie nun vor ihrem Lehrer und baten um Verzeihung. Da es der erste Schultag war, zeigte dieser noch Erbarmen und wies die beiden an sich zu setzen. Der einzige freie Platz für Kagome war ausgerechnet der, rechts von Inuyasha in der zweiten Reihe. Ray der links von ihm saß, warf Inuyasha einen fragenden Blick zu, aber er schüttelte nur den Kopf. Yori saß hinter Inuyasha in der letzten Reihe und hatte seinen Kopf auf die Tischplatte gelegt. Er schien zu schlafen. Stumm setzten die beiden sich hin, holten Stift und Papier aus ihren Taschen und fingen an, das was bereits an der Tafel stand, abzuschreiben. Während der Lehrer vorne irgendeine Matheformel erklärte, nahm Kagome sich die Zeit den Klassenraum etwas näher zu betrachten. Es war ein relativ kleiner und schlichter Raum mit vielen Fenstern. Die Klasse bestand aus dreizehn Schülern, sie selbst inbegriffen, zählte Kagome. Sie wusste noch nicht ob sie sich freuen sollte, dass ihre Mitbewohner in dieselbe Klasse gingen wie sie. Sonst gab es noch sechs Mädchen und drei weitere Jungs. Jeder hatte einen Einzeltisch, aber ihre Klassenkameraden saßen recht nah beieinander und es schien als würden alle gut miteinander auskommen. Sie bemerkte wie ein Mädchen mit langen rotblonden Haaren, welches direkt vor Inuyasha in der ersten Reihe saß, sich schnell zu ihm herumdrehte und ein zusammengefaltetes Stück Papier auf seinen Tisch legte. Sie zwinkerte ihn an und wandte sich wieder nach vorne, bevor der Lehrer auch nur die Chance hatte, etwas zu bemerken. Inuyasha schaute kurz auf das kleine Stück Papier, schenkte diesem aber sonst keine Beachtung. Nach kurzem Überlegen riss Kagome ein leeres Blatt Papier aus ihrem Block, schrieb etwas darauf und legte es ungefaltet auf den Rand seines Tisches, was kein Kunststück war, weil dieser nur eine Armlänge entfernt stand. Inuyasha sah verwundert auf die kleine Kritzelei, seufzte kurz, nahm den Zettel und schrieb ebenfalls etwas darauf, bevor er ihn zurück auf Kagomes Tisch legte. K: Blöd, dass wir direkt am ersten Tag verschlafen haben. War das meine Schuld? I: Du hast den Wecker nicht gestellt. Sie schrieb ihre Antwort und legte den Zettel wieder auf seinen Tisch, dieser kam kurz darauf wieder zurück. K: Ich wusste nicht, dass ich den Wecker stellen sollte. Es tut mir leid. I: Schon okay. Ich war gestern todmüde und habe auch nicht daran gedacht. Kagome war sich nicht sicher, wie sie darauf reagieren sollte. Von dem fiesen Rüpel war scheinbar nichts mehr übrig. Aber während sie ihn die ganze Zeit über beobachtete, würdigte Inuyasha sie keines Blickes und starrte nur geradewegs auf die Tafel. Nach kurzem Zögern schob sie den Zettel erneut zu ihm rüber. K: Wir hatten keinen besonders guten Start. Aber ich hoffe, dass wir trotzdem gute Freunde werden! Nun drehte Inuyasha sich doch in Kagomes Richtung, sah sie ernst an und reichte ihr den Zettel. I: Ich suche mir meine Freunde selbst aus. Es sind ganz besondere Menschen. Und du bist nichts Besonderes. Autsch, das hatte gesessen. Sie war völlig perplex und starrte auf diese verletzenden Worte. Die Schulglocke ertönte. Inuyasha griff nach seinem Rucksack, machte sich auf den Weg zum nächsten Klassenraum und ließ Kagome ohne ein weiteres Wort zurück. Später als sie die Cafeteria betrat, war Kagome noch immer niedergeschlagen. Sie fühlte sich extrem vor den Kopf gestoßen. Auch das großartige Mittagsbuffet konnte ihre Laune nicht bessern. Aber da sie das Frühstück verpasst hatte, war sie umso hungriger. Mit ihrem vollen Tablett in den Händen, blickte sie sich um. Die Cafeteria war ein riesiger, hell beleuchteter Saal, voll mit großen runden Tischen, wo jeweils sieben oder acht Menschen Platz hatten. Aber fast alle Plätze waren schon besetzt. An Tischen wo noch vereinzelt was frei war, saßen bereits Schüler, die sie nicht kannte und sie war sich nicht sicher ob sie sich einfach irgendwo dazusetzen sollte. Schließlich schien sie schon von Anfang an keinen guten Eindruck zu hinterlassen. Etwas weiter hinten sah sie ihre Mitbewohner zusammen an einem Tisch sitzen und sie hätte sich sofort zu ihnen gesellt, wenn sie sich wegen Inuyasha nun nicht so furchtbar unsicher fühlen würde. Sie hasste dieses Gefühl von Abweisung und wusste nicht damit umzugehen. In ihrem bisherigen Leben hatte sie sich stets sofort eingliedern können. Sie war immer beliebt gewesen und hatte viele Freunde. Sie sei nichts Besonderes, meinte er. Was fiel diesem Inuyasha überhaupt ein, ihr grundlos Gemeinheiten an den Kopf zu werfen! Ray hatte Kaoru bemerkt und lächelte ihn offenherzig an. Er hob die Hand und winkte ihn zu sich. Erleichtert und etwas nervös ging Kagome langsam auf seinen Tisch zu. Inuyasha, der das mitbekommen hatte, schlug leicht mit der Rückseite seiner Hand gegen Ray's Schulter und warf ihm einen verständnislosen Blick zu. "Was denn?" "Musst du wieder den Netten spielen?", zischte Inuyasha so leise, dass die anderen am Tisch ihn nicht hörten. "Musst du wieder den Kotzbrocken spielen?", konterte Ray belustigt. "Es ist sein erster Tag! Das ist schon hart genug, auch ohne, dass du ihm das Leben schwer machst." "Ich mag ihn nicht", grummelte Inuyasha und verschränkte die Arme. "Irgendetwas ist falsch an dem!" "Du hast keine fünf Sätze mit ihm gesprochen." Ray hob fordernd eine Augenbraue. "Wir werden jetzt mit ihm wohnen und das lässt sich nicht ändern. Kannst du wenigstens versuchen, mit ihm auszukommen?" Kagome hatte die Gruppe erreicht und Inuyasha wandte sich ab. Sie warf ihm einen besorgten Blick zu, aber Ray zog den Stuhl links neben sich zurück und bot ihr an sich zu setzen. Sie war ihm unfassbar dankbar für diese Geste, setzte sich und begann zu essen. Neben ihren Mitbewohnern Ray, Inuyasha und Yori saß auch ein Mädchen mit kurzen braunen Haaren am Tisch. Kagome erkannte sie aus dem Unterricht. Sie wurde von den Lehrern Samantha genannt. Mit ihrer sportlichen und lässigen Kleidung wirkte sie weniger damenhaft, als die meisten anderen Mädchen an dieser Schule. Sie hatte eine fuchsartige Art an sich, die Kagome das Gefühl gab, sich vor ihr in Acht nehmen zu müssen. Während Kagome beim Essen ihren Blick immer wieder durch den Saal schweifen ließ, fiel ihr auf, dass man Inuyasha regelmäßig flüchtige Blicke zuwarf und einige tuschelten. War er hier sowas wie eine große Nummer? Sie musterte ihn unmerklich. Zweifellos war er attraktiv. Er kleidete sich nicht besonders auffällig, seine Frisur war einfach und praktisch. Er war gewiss kein Trendsetter, wirkte aber ziemlich cool. An den Gesprächen am Tisch beteiligte er sich kaum bis gar nicht. Hier ein Nicken, da ein zustimmendes Grummeln. Und doch hatte Kagome den Eindruck, als wäre Inuyasha das Zentrum der Gruppe. Der Kleber, der alles zusammenhält. Sie konzentrierte ihre Beobachtungen auf sein Gesicht. Er hatte außergewöhnlich ausdrucksstarke Augen und eine ungreifbare Anziehungskraft an sich, die sie sich nicht erklären konnte. Alle am Tisch zuckten leicht zusammen und wirkten sehr überrascht, als sich wie aus dem Nichts zwei Arme von hinten um Inuyashas Hals schlangen. Es war das rotblonde Mädchen, welches Kagome am Morgen schon bemerkt hatte. "Inuyasha", zwitscherte sie fröhlich und drückte ihre Wange gegen seine, was ihm sichtlich unangenehm war. "Was soll das denn, Mafuyu?" Er legte seine Hände auf ihre und löste den Griff, während er murmelte: "Du erwürgst mich." Mafuyu lächelte ihn amüsiert an und zog einen leeren Stuhl vom Nachbartisch heran, schob sich zwischen Inuyasha und Samantha. Diese verdrehte die Augen und rückte etwas beiseite. Mafuyu schlug vornehm ein Bein über das andere und richtete dabei unauffällig ihren Rock. Ein unfassbar hübsches Mädchen, dachte Kagome staunend. Ihr langes Haar war am Hinterkopf zu einem halben Zopf geflochten. Die vorderen Haarsträhnen umrahmten ihr schönes, puppenhaftes Gesicht. Sie war zierlich, ohne zerbrechlich zu wirken und schien eine Frohnatur zu sein. Zumindest hörte sie gar nicht mehr auf zu grinsen. "Und, was hältst du von meinem Vorschlag?" "Ehrlich gesagt, gar nichts", antwortete Inuyasha. Ihr Lächeln wich einem traurigem Schmollmund und er schaute hinunter auf seinen Teller, als könnte er ihrem Blick nicht standhalten. "Wenn dir der Film nicht gefällt, können wir auch etwas anderes ansehen." "Der Film ist okay", seufzte er. "Aber ich werde nicht mit dir ins Kino gehen, Mafuyu." "Da Inuyasha zu nett ist, es dir direkt zu sagen und du es nicht anders verstehst, übernehme ich das", mischte Samantha sich plötzlich ein und räusperte sich theatralisch. Kagome hatte sich fast verschluckt. Zu nett? "Er wird dich niemals lieben. Also lass das mit dem verknallt sein. Das nervt!" Inuyasha runzelte die Stirn, sagte aber nichts dazu. "Oh, liebliche wunderschöne Mafuyu", trällerte Yori in einem Sing-Sang-Ton und beugte sich über den Tisch herüber, warf ihr einen koketten Blick zu. "Inuyasha ist ja nicht deine einzige Begleitmöglichkeit. Ich setze mich gerne mit dir in ein dunkles Kino." Ihre Gesichtszüge formten sich zu einer entsetzten Miene, nur für eine Sekunde lang, dann lächelte sie wieder. "Danke, aber nein danke." Yori lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten und verschränkte die Arme vor sich. Er zog eine beleidigte Schnute, während Samanthas Lippen sich kräuselten, so als ob sie versuchte, sich ein Lachen zu verkneifen. "Vielleicht hat Ray Lust dich zu begleiten", meinte Inuyasha plötzlich und Ray zuckte leicht zusammen, warf ihm einen Blick zu den Kagome nicht deuten konnte. "Ich-" "Schon gut", seufzte Mafuyu. "Jetzt habe ich keine Lust mehr, den Film zu sehen." Sie legte ihr Kinn auf Inuyashas Schulter ab und linste auf die übrigen Pommes Frites auf seinem Tablett. Er folgte ihrem Blick, griff nach einem der frittierten Stäbchen und schob sie ihr in den Mund. Zufrieden kauend, lächelte sie wieder. Am Nachmittag standen Freizeitaktivitäten auf dem Plan. Kagome hatte sich für das Bogenschießen eingetragen, weil sie dem Club auf ihrer vorherigen Schule beigetreten war. Doch bereits nach ihrer ersten Stunde, wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie sich auch hier anstrengen musste um mithalten zu können. Ihre Clubmitglieder waren auf einem ganz anderen Level, fokussierter und disziplinierter als sie selbst. Die Lehrmeisterin war zwar freundlich, aber sehr streng. Sie durfte keinen einzigen Pfeil abschießen, sondern musste zunächst an ihrer Körperhaltung arbeiten. Während des Mittagessens hatte sie am Rande mitbekommen, dass Yori leidenschaftlicher Fußballer war und jeden Tag morgens und nachmittags trainierte. Genauso wie Ray der Leistungsschwimmer war. Sam war beim Lacrosse Mannschaftskapitänin und Mafuyu war beim Reitsport, vor allem beim Voltigieren auf ihrer weißen Stute namens Freya. Womit Inuyasha sich nach dem Unterricht beschäftigte, konnte sie nicht heraushören, was ihr aber im Grunde eh egal war. Zumindest wollte sie sich das einreden. Erneut versuchte Kagome ihn aus ihren Gedanken zu vertreiben, während sie ihre Sachen zusammen packte und sich auf den Weg in die Bibliothek begab, Hausaufgaben machen. Als Kagome an einem der Tische nahe am Eingang saß und gerade dabei war einige Mathebücher und Formelsammlungen durchzublättern, betrat Inuyasha die Bibliothek. Sie schaute hoch und ihre Blicke trafen sich. Inuyasha wandte sich schnell ab und lief die Stufen hinauf in die obere Abteilung. Ihre Unsicherheit mutierte langsam aber sicher in eine Art Wut. Dieses ignorante Verhalten war doch wohl wirklich lächerlich! Sie teilten sich ein Zimmer, da konnte man doch wenigstens versuchen miteinander auszukommen. Sie klappte eines der dicken Bücher zu, als sich zwei tuschelnde Mädchen einen Tisch weiter setzten. Sie flüsterten zwar, aber Kagome konnte jedes Wort hören. Sie lästerten über belanglose Dinge, wie Lehrer oder die letzte peinliche Aktion eines Mitschülers. Es interessierte Kagome nicht sonderlich, was die beiden zu bequatschen hatten, aber als Inuyashas Name fiel, wurde sie dann doch hellhörig. "Hast du schon gehört? Die arme Hana. Vor allen anderen abgeblitzt." "Ja... Sie wollte ihm nur ein Geschenk überreichen und er hat sie einfach stehen gelassen, das war so gemein." "Seit dem Unfall hat er sich auf keine mehr eingelassen, oder etwa doch?" "Nein, er ist bestimmt noch Single. Vielleicht ist er einfach noch immer nicht ganz darüber hinweg." Mit diesen Worten packten die beiden ihre Sachen wieder zusammen und verschwanden. Es ging sie zwar nichts an, aber Kagome machte sich wirklich Gedanken über das eben Gehörte. Was für ein Unfall? Über was war er noch nicht hinweg? Sie verstand es nicht. Sie verstand aber auch nicht warum sie das so sehr interessierte. Was ging sie das Privatleben eines vollkommen fremden Menschen an? Sie grübelte noch als sie sich im Badezimmer die Zähne putzte und sogar noch als sie sich hinlegte, natürlich nachdem sie den Wecker gestellt hatte. Inuyasha war noch nicht da. Sie lag lange grübelnd im Bett, starrte durch die Dunkelheit an die Decke. Ihre Gedanken gingen kreuz und quer und ihr Gehirn wollte einfach keine Ruhe geben. Irgendwann hörte sie wie die Klinke der Zimmertür heruntergedrückt wurde und jemand hineinschlich. Kagome schloss schnell die Augen und tat so, als würde sie schlafen. Sie hörte das leichte Rascheln der Kleidung, als er sich auszog und die Sachen auf den Boden fallen ließ. Kagomes Herz klopfte wild gegen ihren Brustkorb und sie merkte wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Sie war froh darüber, dass Inuyasha das Licht nicht eingeschaltet hatte, sonst hätte er ihr knallrotes Gesicht gesehen. Sie kniff ihre Augen fest zusammen und versuchte sich zusammenzureißen. Dann endlich hörte sie, wie er seine Decke zurückzog und sich ins Bett legte. Vorsichtig öffnete Kagome wieder ihre Augen und sie konnte trotz der Dunkelheit seine Silhouette erkennen. Nachdem sich ihr Herz beruhigt hatte, fielen ihr vor lauter Müdigkeit die Augen wieder zu und sie dämmerte schließlich in einen tiefen Schlaf. Kapitel 3: Unter Ehrenmännern ----------------------------- Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Wie geht es euch? Hey Sango! Entschuldige, dass ich mich erst jetzt bei dir melde, aber vorher hatte ich nicht die Möglichkeit dazu. Jetzt bin ich hier allein, da mein Zimmergenosse Inuyasha mit meinen anderen Mitbewohnern, Ray und Yori, unten im Aufenthaltsraum Billard spielt. Nun, wo soll ich anfangen? Die Schule ist der Wahnsinn! Alles ist so luxuriös und groß. Der Unterricht ist wirklich interessant gestaltet, aber um einiges anspruchsvoller, als ich es gewohnt bin. Und was es hier alles für Möglichkeiten in der Freizeit gibt, wirst du mir kaum glauben. Ich würde mich hier richtig wohlfühlen, wenn ich dich nicht so sehr vermissen und die anderen Schüler mich nicht für einen Freak halten würden. liebe Grüße, Kagome Nachdem Kagome die E-Mail verschickt hatte, lehnte sie sich im Stuhl zurück und streckte ihre Arme nach oben. Mit geschlossenen Augen, genoss sie einen Moment die Stille, während sie auf eine Antwort von ihrer besten Freundin Sango wartete. Sango, Eri, Ayumi und Yuka fehlten Kagome sehr und sie hatte nur schweren Herzens Abschied von ihnen genommen. Während Kagome mit ihren Gedanken in der Vergangenheit schwelgte, erklang ein leiser Ton. Das Zeichen dafür, dass eine neue E-Mail eingegangen war. Absender: Sango-chan Empfänger: Higurashi_Kagome Betreff: Eigentlich gut, nur die Schule hat wieder angefangen :( Hi Kagome! Ich freue mich, dass du endlich was von dir hören lässt. Du bist schließlich schon seit einer Woche weg. Wir alle hier vermissen dich furchtbar, doch es freut mich, dass dir das Internat gefällt. Und mach dir keine Sorgen, ich bin mir sicher du wirst keine Probleme haben auch auf dieser Schule lauter Bestnoten einzusacken. Wie fühlt man sich, so allein unter Männern? Sind die Kerle in Ordnung und sehen sie gut aus? Und warum hält dich jeder für einen Freak? :O Gruß Sango Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Nicht zum Jungen geboren Weil ich einen ganz furchtbaren Jungen abgebe, deshalb. Allein unter Männern... Du kennst doch die Geschichte von dem Forscher, der sich als Affe verkleidet und getarnt unter den Tieren lebt. So in etwa, kannst du es dir vorstellen. Die Kerle sind ganz okay, nur halt... Kerle. Yori ist ein ziemlicher Frauenheld. So ähnlich wie Miroku früher, aber erfolgreicher. Er ist ziemlich beliebt hier und eigentlich immer gut drauf. Er gibt mir ständig komische Spitznamen und ist sehr selbstbezogen. Aber ich mag ihn. Ray ist sehr nett. Ich glaube nicht, weil er mich mag, sondern weil er einfach zu jedem nett ist. Er spricht mit mir aber auch nur über das Nötigste. Und Inuyasha... Sagen wir, er ist nicht unbedingt ein offenherziger Mensch. Sagen wir, er ist ein Vollidiot. liebe Grüße, Kagome Absender: Sango-chan Empfänger: Higurashi_Kagome Betreff: Fünf Punkte Abzug für unbeantwortete Frage! Sehen sie gut aus? Gruß Sango Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Lass das! Ja, verdammt! Gute Nacht, Kagome Sie öffnet überrascht die Augen, als jemand ihre Handgelenke packt und die Arme nach oben ins Kissen drückt. Mit einer Hand hält er sie fest, mit der anderen streicht er eine lange Haarsträhne zur Seite, die ihren Hals verdeckt. Diese Geste ließ sie erschauern, doch sie versucht sich auf sein Gesicht in der Dunkelheit zu fokussieren. "Inuyasha?", flüstert sie unsicher. Er beugt sich zu ihr hinunter und sie starrt verwundert in seine Augen. "Pscht", haucht er zärtlich auf ihre Lippen und schiebt sich weiter an ihr herunter. Er ist es. Sie versucht nicht sich zu wehren. Es scheint, als wäre jede Handlung ohnehin außerhalb ihrer Kontrolle. Er drückt einen kaum spürbaren Kuss auf ihr Schlüsselbein und mit seiner Zungenspitze legt er eine Spur über ihren Hals bis zum Kinn hinauf. Sie atmet schwer und ihr Körper beginnt unter ihm zu beben. Er bäumt sich über ihr auf und sitzt zwischen ihren Oberschenkeln. Sein Griff noch fest um ihre Handgelenke gelegt, zieht er sie zu sich hoch. Seine Lippen wandern herunter zu ihrer Brust, während seine Fingerspitzen über ihren Rücken streicheln. Kagome spürt wie ihre Kräfte zu ihr zurückkehren und sie in der Lage dazu ist, eine aktivere Rolle einzunehmen. Ihre Hände greifen seine Schultern und drücken ihn nach hinten. Sie sitzt auf ihm und krallt ihre Finger in sein Shirt, schaut auf ihn herunter, neugierig darauf mehr von ihm zu sehen. Er beginnt mit seinen Fingern ihre Beine entlang zu gleiten und sie an ihren nackten Oberschenkeln nach oben wandern zu lassen. Einer seiner Daumen verschwand unter dem Stoff ihres Slips. "Willst du das nicht ausziehen?", fragt er sie mit leiser, heiserer Stimme. Sie errötet und schiebt sein Shirt ein Stück hoch. Er packt sie fest an den Hüften und bewegt langsam sein Becken, während sie zaghaft auf ihm hin- und herrutscht. Die Stoffe an ihrer Haut reiben aneinander und werden immer heißer, als er abrupt die Bewegung einstellt. Sie runzelt die Stirn und hält den Atem an, während er regungslos daliegt. Dann greift er nach dem Kissen neben ihr und wirft es ihr auf die Nase. "Hey! Wach auf, du kommst sonst zu spät!", rief er ihr zu. Sie schob sich das Kissen aus dem Gesicht und ärgerte sich ein bisschen darüber so unsanft geweckt worden zu sein. Inuyasha musterte sie interessiert und fragte: "Was hast du denn eben geträumt?" Kagome zuckte peinlich berührt zusammen und wurde rot. Sie richtete sich auf und erwiderte voller Schrecken seinen Blick. "Gar nichts!", sagte sie schnell und fuhr sich nervös mit den Händen durch ihre zerzauste Perrücke. "Ich träume gar nicht!" Er hob eine Augenbraue. "Huh", murmelte er dann nur und ging mit seiner Tasche über der Schulter aus dem Zimmer. Kagome stieß die Luft in einem langen Atemzug aus und legte ihre Hände um ihr warmes Gesicht. Sie war noch immer leicht zittrig. Was zur Hölle war das? Sie hatte noch nie zuvor solche Träume gehabt und so lebhaft noch dazu! Sie konnte Inuyasha noch nicht einmal ausstehen! Wütend auf sich selbst und auf die Fantasien die Ihr Unterbewusstsein ihr vorgespielt hatte, stand sie auf und suchte ihre Klamotten zusammen. Um Punkt 14:30 Uhr waren alle Schüler auf den Sportplätzen versammelt. Freitags nach dem regulären Unterricht war Pflichtsport für alle Schüler angesagt. Der gemeinsame Sport läutete schließlich das Ende der Schulwoche ein. Kagome war nicht begeistert davon. Nach der letzten Unterrichtsstunde hatte sie zwar genug Zeit, um sich im Apartment umzuziehen, was ihr die Problematik eines Umkleideraumes ersparte. Und man würde sie nicht als unsportlich bezeichnen, aber drei Runden in der glühenden Sommerhitze um den riesigen Platz zu laufen, war ihr dann doch etwas zu viel. Endlich hatte sie die letzte Runde geschafft und blieb keuchend und mit Seitenstechen, neben ihren Mitbewohnern stehen, die schon seit einigen Minuten auf einer Bank der Tribüne saßen. Inuyasha hatte Kagome in der letzten Runde mit Leichtigkeit überholt und tupfte sich nun mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn. Yori und Ray sahen belustigt auf Kaoru und Samantha, welche auch so ihre kleinen Probleme mit dem Luft holen hatte. "Was ist los ihr beiden? Ihr seht etwas erschöpft aus", grinste Yori schadenfroh. Für ihn als Fußballer, war Laufen die leichteste Übung. Ray hielt beiden jeweils eine Wasserflasche hin. "Und du siehst dämlich aus", zischte Sam. Sie sah Yori an, als würde sie ihn verfluchen wollen, nahm die Wasserflasche entgegen und begann den Verschluss zu öffnen. "Komm schon, Sami. Wir alle wissen, wie heiß du mich findest", sagte er und legte den Arm um ihre Schultern. Sie trank einen großen Schluck Wasser und schleuderte die restliche Flüssigkeit in Yoris Gesicht. "Wir wollen doch nicht, dass du in Flammen aufgehst", sagte sie und beobachtete zufrieden, wie Yori mit zusammengekniffenen Augen nach seinem Handtuch griff. Ray und Inuyasha mussten unweigerlich lachen und auch Kagome konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, während Sam den letzten Schluck nahm und die leere Plastikflasche gegen Yoris Stirn warf. Kagome setzte sich mit etwas Abstand neben Inuyasha auf die Bank und wischte sich mit ihrem Handtuch den Schweiß von der Stirn und vom Nacken. "Willst du das nicht ausziehen?", fragte Inuyasha plötzlich. "Was?", erwiderte Kagome eine Oktave höher als gewöhnlich und vereinzelte Bilder ihres Traumes erschienen vor ihrem geistigen Auge. "Dein Pullover", sagte er, "Wenn ich das nur sehe, bekomme ich einen Hitzekollaps." Kagome musste zugeben, dass der weite Pullover, den sie zum verbergen ihrer Rundungen trug, bei dieser Hitze wirklich absolut unvorteilhaft war, aber ihn auszuziehen war leider keine Option. "Danke, es geht schon. Mir ist gar nicht so warm." "Wie du meinst", antwortete Inuyasha und warf sein Tuch locker über die Schulter. Kagome versuchte die Bewegung nachzuahmen, schließlich musste sie lernen, sich wie ein Junge zu verhalten und zu bewegen. Beim dritten Versuch, hatte sie das Gefühl es gut getroffen zu haben. Dann bemerkte sie den misstrauischen Blick von Inuyasha, der sie beobachtet hatte. Verlegen schaute sie weg. Am späten Nachmittag ging Kagome in die Bibliothek. Sie brauchte einige Bücher für einen Aufsatz, den sie in den nächsten Wochen schreiben sollte. Außerdem suchte sie in der Online-Datenbank nach Büchern über Traumdeutung. Da die Bibliothek Freitags früher als an anderen Tagen geschlossen wurde, nahm sie einen Stapel Bücher übers Wochenende mit. Sie schleppte die schweren Wälzer über den Zentralhof und die Stufen des Wohnheims hinauf und kam mit müden Armen bei ihrem Apartment an. Mühselig drückte sie die Türklinke herunter und stieß beinahe mit einem fremden Mädchen zusammen, welches gerade die Wohnung verlassen wollte. "Oh- äh, hallo", bekam Kagome bloß heraus. Das Mädchen war ein Kopf größer als sie, hatte wasserstoffblonde lange Haare und mit ihrer Figur hätte sie problemlos anfangen können zu modeln. Kagome war von ihrer Schönheit etwas eingeschüchtert. "Darf ich mal", erwiderte sie gleichgültig und schob sich an ihr vorbei durch die Tür hinaus. Mit großer Mühe konnte Kagome ihren Bücherstapel gerade noch festhalten und drückte mit ihrem linken Fuß die Tür zu. "Hey, Fruchtzwerg!", grüßte Yori ihn extrem gut gelaunt und schlüpfte aus seinem Zimmer. Er knöpfte sich gerade sein Hemd zu. Kagome musste sich einmal um die eigene Achse drehen um ihn sehen zu können. "Hast du sie noch gesehen? Hammer, oder? Ich musste sie Monate lang bearbeiten, aber es hat sich total gelohnt", prahlte er grinsend und fügte im Flüsterton hinzu: "Abschlussklasse." Er trat auf sie zu und nahm ihr den halben Stapel ab. Kagome blinzelte ihn verdutzt an und fühlte sich etwas unbehaglich, während ihr bewusst wurde, was Yori und das Mädchen vorhin getrieben hatten. "Äh, ja, sie war hübsch und bestimmt auch sehr nett." Sie schluckte und fragte zögerlich: "Aber ist das hier nicht verboten?" Yori zog die Augenbrauen kurz zusammen, als wäre das die letzte Frage mit der er gerechnet hatte. "Ja. Und was jetzt?", fragte er schulterzuckend. "Willst du mich verpetzen?" "Nein?", antwortete Kagome vorsichtig und er grinste wieder. Er tätschelte ihr kurz mit einer Hand den Kopf. "Braver Junge! Keiner hier hält sich an diese blöden Regeln. Wir sind mitten in der Pubertät, was sollen sie denn machen? Die Sexpolizei rufen und uns rauswerfen? Die haben viel zu viel Schiss Spendengelder zu verlieren." Den halben Bücherstapel ließ er wieder in ihre Arme fallen und ging auf das Badezimmer zu. "Wenn du mal 'nen Mädchen mitbringst, halt ich auch dicht." Er drehte sich noch einmal zu ihr um, blinzelte ihr mit einem Auge zu und schnalzte dabei mit der Zunge. "So unter Ehrenmännern!" Kapitel 4: Voll Erwischt! ------------------------- "Die Kunst des Bogenschießens ist es, die Früchte zu ernten, die aus dem Können des Bogenschießens und aus seinem Geist erwachsen. Wer mit dem Bogen richtig übt, wird auch im Geiste Fortschritte machen. Über das Einüben der Kunst des Bogenschießens wird es erst möglich, auf den Weg des Bogens zu kommen. (Zitat Prof.Genshiro Inagaki aus "Yumi no Kokoro") Prägt euch diese Worte gut ein und nehmt sie euch zu Herzen. Der Unterricht ist für heute beendet." Die Schüler verbeugten sich vor ihrer Kyudo- Lehrmeisterin und packten ihre Sachen zusammen. Heute war es Kagome gelungen, fünfmal hintereinander ins Schwarze zu treffen. Ihre persönliche Bestleistung und sie war zufrieden mit sich. Als sie den Platz verließ, traf sie auf Samantha, die gerade vom Lacrosse-Training kam. "Hey, Kaoru", grüßte sie. "Ich habe deinen letzten Schuss gesehen. Du bist ziemlich gut, hast du das schon mal gemacht?" "Auf meiner alten Schule gab es einen kleinen Club, aber das ist hiermit nicht zu vergleichen", erwiderte Kagome lächelnd. Heute hatte ihre zweite Woche am Musashi-Internat begonnen und sie glaubte das Schlimmste hinter sich zu haben. Die anderen Schüler hatten sich an sie gewöhnt und starrten sie nur noch halb so oft an. "Die Ausstattung an dieser Schule gehört zu den Besten die man bieten kann. Musashi bekommt jährlich haufenweise Spendengelder", erklärte Sam. "Bist du auch auf dem Weg zur Bibliothek?" Kagome nickte. Als die beiden die Bibliothek betraten, stellten sie sofort fest, dass etwas nicht stimmte. Die meisten Schüler waren auf der oberen Ebene versammelt und man hörte ziemlichen Lärm von dort. "Was ist denn da los?", fragte Sam. Sie liefen eilig die Treppe zur oberen Etage hoch, und bahnten sich einen Weg durch die Menge. Zwischen den Bücherregalen sah man, wie sich zwei Jungs heftig stritten und sich gegenseitig an die Gurgel springen wollten, doch Ray der zwischen ihnen stand, verhinderte dies immer wieder und versuchte die Randalierenden ruhig zu stellen. Inuyasha war nicht weit entfernt, bereit einzugreifen falls er Hilfe brauchen sollte. Direkt hinter ihm standen Yori und Mafuyu. "Was ist los?", fragte Kaoru, als sie Inuyasha erreicht hatten. "Die beiden hatten-", Er überlegte kurz, als ein fieses Schimpfwort fiel, "-eine kleine Meinungsverschiedenheit." "Die beiden sind wohl beste Freunde, aber der Eine hat die Freundin des Anderen geküsst", erklärte Mafuyu die Situation. "Die Freundin des Einen hat das herausgefunden und eben öffentlich mit ihm Schluss gemacht. So hat der Andere es erfahren und wie der reagiert, sieht man ja." "Wenn Männer sich so streiten, geht es doch immer um ne Frau, ganz ehrlich", spottete Yori und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Einer der Streithähne riss sich los und bekam den anderen am Kragen zu packen. Wütend brüllte er ihn an und schubste ihn fest nach hinten, wo er gegen Samantha stieß. "Hey!", rief sie und nahm den armen Jungen gekonnt in den Schwitzkasten. "Pass auf, wo du hinfällst." "Es tut mir leid!", jammerte der Junge und rang nach Luft. "Das will ich auch hoffen!" Kaoru beugte sich zu Inuyasha. "Sie ist nicht wie andere Mädchen." "Nein", erwiderte er. Dank Sam's fraglicher Unterstützung hatte Ray es schnell geschafft die beiden voneinander zu trennen und einigermaßen zu beruhigen. Die Spannung im Raum ließ nach und die Menschentraube löste sich allmählich auf. "Die beiden haben ja mächtig Unordnung angerichtet", bemerkte Mafuyu und deutete auf all die Bücher die auf dem Boden verstreut lagen. "Hm, ja das ist blöd", murmelte Inuyasha und wollte eigentlich gehen, als Mafuyu ihn am Ärmel packte. "Los, schaffen wir Ordnung." "Manno, warum kann das denn nicht jemand Anderes machen?" Sie zog ihn mit sich und widerwillig folgte er ihrer Anweisung einen der Gänge aufzuräumen. Mafuyu ging in die Reihe nebenan und machte sich daran, die Bücher aufzuheben. Ray wollte die Rivalen hinaus begleiten, doch einer der beiden hatte wohl doch noch nicht genug und stieß den anderen kräftig gegen das schwere Regal, das daraufhin anfing zu kippen. Erschrocken fiel Kagomes Blick auf Inuyasha, welcher auf der anderen Seite dieses Regals stand und nicht mitbekam, dass es drohte auf ihn zu fallen. Es ging alles so furchtbar schnell, keiner bekam genau mit was da eigentlich passierte. Man hörte nur noch ein ohrenbetäubendes Krachen und das Schreien und Raunen der entsetzten Schüler, die allesamt mit kreidebleichen Gesichtern auf das umgestoßene Regal schauten. Dann war es auf einmal totenstill, keiner rührte sich oder wagte es auch nur zu atmen. "Hilft mir mal einer, verdammte Scheiße?!" Am anderen Ende des Regals hockte Inuyasha neben dem am Boden liegenden Kaoru und versuchte hektisch dieses Ungetüm von Regal hochzuheben. Kagome hatte es geschafft, Inuyasha rechtzeitig zur Seite zu stoßen, war aber nicht schnell genug gewesen, um ihre Beine noch wegzuziehen, wovon eines nun unter dem wuchtigen Bücherregal fest steckte. Samantha und Yori reagierten am schnellsten und liefen auf die andere Seite, um ihm zu helfen. "Verdammt!", fluchte Ray und sofort rannten er und mehrere andere Schüler zum Unfallort und gemeinsam schafften sie es das Regal soweit anzuheben, dass Inuyasha und Mafuyu in der Lage waren, Kaoru wegzuziehen und sein verletztes Bein hervorzuholen. "Was ist denn hier passiert!?", fragte eine aufgebrachte Lehrerin, die den Krach von weitem gehört hatte. "Kaoru braucht sofort einen Arzt!", rief Ray. "Oje­mi­ne!" Die ältere Frau wirkte überfordert mit der Situation, hastete aber schnell wieder die Treppen hinunter um Hilfe zu holen. Kagome fiel es schwer etwas von dem ganzen Trubel um sie herum mitzubekommen. Die pochenden Schmerzen beanspruchten ihre gesamte Aufmerksamkeit. Sie zog scharf die Luft durch die Zähne, als jemand ihr verletztes Bein anhob. Yori hatte einen kleinen Turm aus Büchern gebaut und ihr Bein provisorisch hochgelegt. Kraftlos lag sie rücklings auf dem Boden. Seit sie rausgezogen wurde, spürte sie wie jemand sie die ganze Zeit an den Schultern hielt. Sie immer wieder drückte und ganz leicht streichelte. Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren und öffnete kurz die Augen, um auszumachen wer da bei ihr saß und traf auf Inuyashas besorgten Blick. "Aus dem Weg, geht bitte alle zur Seite!" rief jemand und sie hörte etwas Metallenes klappern. Die beruhigende Wärme von Inuyashas Händen entfernte sich und sie verzog schmerzvoll das Gesicht, als sie gepackt und auf eine Trage gehoben wurde. Irgendwann während der Behandlung musste sie eingeschlafen sein. Oder wurde sie betäubt? Sie wusste es nicht mehr. Das erste was Kagome sah, als sie ihre Augen öffnete, waren weiße Vorhänge, weiße Decken und Inuyasha, welcher neben ihrem Krankenbett auf einem Stuhl saß. Er blätterte gerade desinteressiert in einer Zeitschrift, als er ihren Blick bemerkte und sie schnell weglegte. "Hey, wie fühlst du dich?", fragte er leise. "Ich weiß nicht- Ich denke gut?" Sie zuckte erschrocken zusammen und tastete auf ihrem Kopf herum. Die Perücke war an Ort und Stelle. Ihre Kleidung trug sie auch noch, aber jemand hatte ihr Hosenbein bis zum Knie aufgeschnitten. Kagome setzte sich auf, dabei bemerkte sie einen stechenden Schmerz in ihrem rechten Bein. "Autsch." Inuyasha stand auf, um sie vorsichtig wieder in die Kissen zu drücken. "Nicht so voreilig! Die Ärztin sagt zwar es ist nichts gebrochen, aber dein Bein ist voller Blutergüsse und stark angeschwollen. Du solltest dich die nächsten Tage nicht so viel bewegen." "Sonst müssen wir dein Bein amputieren." Der Vorhang um das Krankenbett wurde beiseitegeschoben und die freundliche Schulärztin kam zum Vorschein. Kagome starrte sie entsetzt an, bevor diese Entwarnung gab. "Keine Sorge, nur ein Scherz. Wir haben dir einen Kompressionsverband angelegt, der hilft gegen die Schwellung der Quetschwunde. Deine Verletzung weist eine starke Schädigung des Gewebes auf, die allerdings nicht in oberflächlichen Wunden oder Knochenbrüchen besteht. Das ist schon einmal eine sehr gute Nachricht." Sie lächelte aufmunternd und blätterte zwischen den Seiten auf ihrem Klemmbrett. "Du musst dein Bein schonen und hochlagern. Du bekommst eine Salbe und Tabletten gegen die Schmerzen, in drei Tagen sehen wir dann weiter. Es hat dich ganz schön erwischt, aber es hätte auch schlimmer kommen können, da hast du noch einmal Glück gehabt. Wenn du dich an strenge Bettruhe hältst, wird die Schwellung in ein paar Tagen zurückgehen und du darfst wieder laufen. Es wird dir gleich jemand auf dein Zimmer helfen." Sie bedankte sich, die Ärztin schenkte ihr noch ein Lächeln und wandte sich dann einem anderen Patienten zu. Kagome seufzte erleichtert, froh darüber ihr Bein behalten zu dürfen. Doch dann bemerkte sie, dass Inuyasha sie mit einer Mischung aus Sorge, Vorwurf und Schuldgefühl ansah. "Mach dir keinen Kopf, es geht mir gut." "Gut?", fragte er skeptisch. "Wenn es einem Gut geht, liegt man nicht im Krankenzimmer." "Ich meinte auch den Umständen entsprechend", sagte Kagome. "Danke", flüsterte er mürrisch. "Hm? Was?" Kagome fühlte sich noch etwas benommen. Inuyasha hatte sich wieder gesetzt. "Danke, dass du mir das Leben gerettet hast." Verlegen winkte sie ab. "Ach, ist das nicht etwas übertrieben?" "Wohl kaum. Dieses riesige Ding hätte mich unter sich begraben." "Schon gut." Sie lächelte ihn beruhigend an. "Es freut mich, dass dir nichts passiert ist." Es herrschte kurze Zeit Schweigen. Man hörte nur wie die Ärztin dem Patienten im Bett nebenan, davon zu überzeugen versuchte, dass seine Magenschmerzen nicht von einer Blinddarmentzündung stammten. "Am ersten Schultag, hattest du mir doch diesen Zettel zugeschoben", fing Inuyasha an. "Ja." "Damals habe ich dir gesagt, du wärst nichts Besonderes." "Ja..." Das war nicht unbedingt ein Moment, an den sie sich gerne erinnerte. "Das war ein Irrtum. Jeder andere hat nur geglotzt, als das Regal umfiel. Alle außer dir, ich schätze das macht dich irgendwie zu etwas Besonderem." "Also, können wir doch Freunde werden", ergänzte Kagome fröhlich. "Langsam!", stoppte Inuyasha den aufkeimenden Hoffnungsfunken gleich wieder. "Ich werde damit aufhören, dich zu ignorieren und böse anzuschauen. Vielleicht rede ich gelegentlich mit dir und dann sehen wir weiter." "Wie gnädig", hauchte Kagome fast lautlos. "Wie war das?" "Ach, nichts!" Kaorus Heldentat hatte sich schon innerhalb weniger Stunden, in der gesamten Schule verbreitet und auch in der Schülerzeitung wurde von diesem Ereignis berichtet. Doch an den darauffolgenden Tagen, war der Held dazu verdammt in seinem Bett liegen zu bleiben. Nur mithilfe von Krücken, konnte Kagome aufstehen und schaffte es so zum Badezimmer zu hüpfen. Essen wurde ihr ans Bett gebracht und die Ärztin kam mindestens zweimal am Tag vorbei um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Ray, Yori, Inuyasha und Sam setzten sich zu ihr, sobald der Unterricht und die Kurse vorbei waren, gingen mit ihr den Stoff des Tages noch einmal durch oder unterhielten sie einfach nur. Selbst Mafuyu kam einmal vorbei und brachte ihm einen Strauß Blumen mit. Am vierten Tag, einem Freitag, wurde sie endlich erlöst. Vorsichtig wickelte die Ärztin den Verband ab und legte das Bein frei. Es war übersät mit grünen und blauen Blutergüssen und tat noch immer ziemlich weh. Aber die Schwellung war nahezu komplett abgeklungen. "Na, das schaut doch ganz gut aus! Versuch bitte aufzustehen und einige Schritte zu laufen." Kagome tat wie ihr befohlen und das auch ohne große Probleme. Anfangs noch etwas wackelig auf den Beinen, konnte sie schon nach einigen Malen auf- und ablaufen fast humpelfrei gehen. "Sehr gut! Bitte trage weiterhin die Salbe auf, aber sonst kannst du deinem gewohnten Tagesablauf nachgehen. Versuche das Bein so gut wie möglich zu schonen und den Sport solltest du diesen und nächste Woche noch ausfallen lassen, ich sage den Lehrern Bescheid." "Vielen Dank." Nachdem die Ärztin verschwunden war, atmete Kagome erleichtert tief ein und aus. Ihr Blick fiel auf die Uhr auf dem Nachttisch, alle Schüler waren im Moment beim Sportunterricht. Also konnte Kagome sich ohne große Bedenken etwas frisch machen. Sie zog ihre Perücke vom Kopf und begann damit, sich ihren Schlafanzug auszuziehen. Gerade als sie die Bandagen um ihre Brust gelöst und sich das Oberteil über den Kopf gezogen hatte, öffnete sich die Zimmertür. "Hey Kaoru! Ich habe meine Sportschuhe ver-" Erschrocken fuhr Kagome herum und sah wie Inuyasha im Türrahmen stand, mit der Türklinke noch in der Hand und in der Bewegung eingefroren. Eine peinliche Stille breitete sich aus. Sie stand seitlich zur Tür, die lange schwarze Mähne wild über ihren Schultern verteilt und das Schlafanzugoberteil vor ihren nackten Oberkörper gedrückt. Erschrocken und Stumm sahen sich beide unentwegt in die Augen, keiner von beiden wusste was er sagen sollte. Mit einem ausdruckslosen, aber blassen Gesicht schloss Inuyasha die Tür langsam wieder, sodass Kagome erneut alleine im Raum stand. Noch einige Sekunden vergingen bis Kagome endlich realisierte, was da eben passiert war. Er hatte sie gesehen. Inuyasha hatte sie erwischt. Kapitel 5: Wahre mein Geheimnis ------------------------------- Seit einer geschlagenen Stunde, lief Kagome im Zimmer auf und ab. Dumm, so dumm! Warum hatte sie denn die Zimmertür nicht abgeschlossen? Oder sich, wie sonst auch, ins Badezimmer zurückgezogen. Sie machte sich schwere Vorwürfe für ihre Nachlässigkeit und versuchte verzweifelt eine Lösung für Etwas zu finden, für das es einfach keine Lösung gab. Gedanken, dass ihre Eltern davon erfahren würden, wie enttäuscht sie von ihr wären, ihr ein Schulverweis- oder Schlimmeres- drohte, bereiteten ihr panische Angst. Dann blieb sie abrupt stehen und ihr kam der Gedanke, dass Inuyasha vielleicht noch gar nichts verraten hatte. Sonst wäre doch in der Zwischenzeit bestimmt etwas passiert. Womöglich hatte sie noch die Chance mit ihm zu reden und ihm die Sache zu erklären. Nachdenklich starrte sie auf die Uhr vom Wecker, der auf dem Nachttisch stand. In wenigen Minuten würde es Mittagessen geben. Sie musste es versuchen! Schnell warf sie sich ihre Perücke wieder über den Kopf, zog sich Jeans und Hemd über und verließ eilig das Apartment, auf dem Weg zur Cafeteria. Nervös stand sie in der großen Halle, wo sich die meisten Schüler schon an der Mahlzeit erfreuten. Etwas weiter hinten am üblichen Tisch, gemeinsam mit Ray und Samantha, saß er... Inuyasha! Kagome schluckte. Sie hatte das Gefühl, ihr würde ein dicker Kloß im Hals stecken. Zaghaft und langsam näherte sie sich ihren Mitschülern. Schließlich hatte sie den Tisch erreicht und die anderen bemerkten sie. Sie hatten über irgendetwas gelacht, verstummten aber bei ihrem Anblick und sahen sie eindringlich an. Bis auf Inuyasha, der lieber wahllos in seinem Essen herumstocherte. "Lügner!", sagte Sam. Kagomes und Inuyashas Blicke trafen sich bei dieser Bemerkung. Sie wissen es! Er hat es ihnen erzählt, schoss es ihr durch den Kopf. Sie war kurz davor sich einfach umzudrehen und wegzulaufen, als Sam weitersprach: "Sagtest du nicht, dass du noch das gesamte Wochenende im Bett verbringen müsstest?" "Was?" In Kagomes Ohren pulsierte das Blut und ihr war ganz warm geworden. Ray musterte sie besorgt. "Was ist los, Kaoru? Du siehst so blass aus." "Ich... äh..." "Jetzt setz dich erstmal hin!" Sam zog den Stuhl neben sich hervor und deutete ihr, dass sie sich neben ihr niederlassen sollte. Kagome ließ sich auf den Stuhl fallen. "Du kannst ja wieder ganz normal laufen. Schön, dass dein Bein so schnell geheilt ist." Ray war wie immer freundlich und höflich. "Du hast wohl ziemliches Glück gehabt." Kagome nickte ihm schwach zu und blickte wieder zu Inuyasha, der sie weiterhin unentwegt ansah. Sie konnte sein ausdrucksloses Gesicht nicht deuten. Wie es schien, hatte er doch keinem was verraten. Jedenfalls noch nicht. Doch was hatte er nun vor? Würde er sie erpressen? Sie sah sich schon Selbst in Gedanken, die schwersten und entwürdigsten Arbeiten verrichten- bis Yori sie dabei unterbrach, indem er ihr freundschaftlich auf die Schultern klopfte und sich daraufhin neben sie setzte. "Sieh an! Der Held hat sich erholt und ist zurück, bereit neue Schlachten zu schlagen!" "Kaoru, tu mir bitte den Gefallen und überlass Yori seinem Schicksal, wenn es so weit sein sollte. Ihn würde keiner vermissen", bemerkte Sam. "Natürlich würde man mich vermissen! Ha! Und du sicher am meisten!" Verärgert stand Sam auf, legte ihre Faust auf Yoris Stirn und drückte ihn stark nach hinten, sodass er auf seinem Stuhl rücklings umfiel, was ein lautes Scheppern verursachte und die Aufmerksamkeit vieler Schüler auf sich zog. Als Yori sich wieder aufgerafft hatte, entfachte eine lautstarke Diskussion zwischen ihm und Sam. Nach einigen Minuten hatte Ray es geschafft, den Streit zu schlichten und die beiden wieder an den Tisch zu setzen. Yori setzte sich nun aber auf die gegenüberliegende Seite von Sam und Kaoru, neben Inuyasha und grummelte wütend vor sich hin. Kurz darauf warf Inuyasha sein Besteck ohne Vorwarnung auf den Teller und stand auf. Die anderen sahen ihm überrascht nach, als er wortlos verschwand. Ray beugte sich zu Kagome rüber: "Hey, Kaoru. Weißt du, was mit ihm los ist?" "Äh, nein. Keine Ahnung." Kagome ließ sich viel Zeit mit dem Essen. Zum einen weil ihr der Appetit deutlich vergangen war und zum anderen, weil sie ein erneutes Aufeinandertreffen mit Inuyasha so weit hinauszögern wollte, wie möglich. Wenn er sie nicht verraten würde, was hatte er dann vor? Er wird vermutlich zuerst einmal eine Erklärung fordern, dachte Kagome. Und wenn sie ihm die gesamte Wahrheit erzählt hatte und seine Neugier befriedigt war, würde er sich in aller Ruhe überlegen, wie er dieses Wissen zu seinem Vorteil nutzen könnte, während sie zu seinen Füßen um Gnade bettelte. Das würde zu Inuyasha passen! Als sie später ihr Zimmer betrat, hatte sie bereits sämtliche grauenvolle Szenarien im Kopf durchgespielt, und ihr war vor Nervosität übel. Sie schloss die Tür hinter sich und blickte auf. Inuyasha saß seelenruhig auf seinem Bett und schaute aus dem Fenster. Auf ihrem Bett allerdings herrschte das reinste Chaos. Er hatte ihre Sachen durchwühlt! Kleider, Röcke, Schuhe, Unterwäsche und ihr richtiger Ausweis. Das alles lag auf ihrer Seite des Zimmers quer verteilt. Kagome warf ihm einen finsteren Blick zu, zog ihre Perrücke vom Kopf, da sie ihren Zweck ohnehin nicht mehr erfüllte und begann damit, alles wieder in ihrem Koffer zu verstauen. Inuyasha beobachtete sie dabei aus den Augenwinkeln und sagte kein Wort, was Kagome nur noch nervöser machte. Sie schob den vollen Koffer wieder unter ihr Bett und fand endlich den Mut, direkten Augenkontakt aufzunehmen. "Ich nehme an, du erwartest eine Erklärung", begann sie. "Ich höre." Inuyasha verschränkte die Arme und starrte sie erwartungsvoll an. Kagome überlegte, wie sie anfangen sollte, wie sie ihm verständlich machen konnte, warum sie das unbedingt tun musste und wie sie möglichst viele Mitleidspunkte sammeln könnte. "Ich höre immer noch zu." Kagome sah auf und schaute in das neugierig, fragende Gesicht von Inuyasha. Sie atmete einmal tief durch, setzte sich auf ihr Bett und begann damit, ihm alles zu erklären. Dass sie in Wirklichkeit Kagome hieß. Dass es eine Ewigkeit gedauert hatte, bis ihre Eltern mit dem Schulwechsel einverstanden waren. Wie sie erfahren musste, dass ihre Entscheidung zu spät kam und alle freien Plätze für Mädchen belegt waren. Sich in ihrer Verzweiflung als Junge ausgab. Sie erzählte ihm, wie sie es bisher geschafft hatte unentdeckt zu bleiben und Inuyasha hörte ihr stillschweigend zu, sagte kein Wort, bis sie mit ihrer Geschichte fertig war. Angespannt wartete sie auf seine Reaktion. "Wow", brachte er schließlich hervor, "das ist echt-" "Energisch? Zielstrebend?", beschönte Kagome ihr Handeln. "Absolut bescheuert!", beendete er seinen Satz. "Ich meine, wie hast du dir das gedacht? Du setzt eine Perrücke auf, sprichst ein wenig tiefer und schaffst es drei Jahre lang, dich als Junge durchzuschmuggeln?" "Naja- Ja", erwiderte Kagome eingeschüchtert. Wenn man es so sagte, klang das wirklich ein bisschen unüberlegt. "Du hast einen gefälschten Ausweis. Einen falschen Namen. Du gibst dich als jemand aus, der nicht existiert. Das ist Betrug und du steckst in ernsten Schwierigkeiten wenn das rauskommt. Und so nebenbei, du gibst nicht gerade den besten Jungen ab wenn ich das sagen darf." Sie verzog unglücklich das Gesicht, während Inuyasha sich mit beiden Händen durch die Haare fuhr. Beide Hände, soll heißen, doppelt verzweifelt. "Warum hast du nicht einfach bis nächstes Jahr gewartet?", seufzte er. "Du wärst ganz oben auf der Warteliste gelandet und hättest garantiert einen Platz bekommen." "Mein Stipendium wäre nächstes Jahr nicht mehr gültig gewesen", antwortete Kagome bekümmert. "Und meine Familie könnte das Schulgeld nicht aufbringen. Es war eine einmalige Chance, die ich nie wieder bekommen hätte. Ich musste sie einfach ergreifen!" "Ich verstehe", erwiderte Inuyasha und überlegte einen Moment lang. "Was denkst du soll ich jetzt tun, nun da ich dein Geheimnis kenne?" "Ich hoffe dass du mich nicht verrätst. Ich- Ich würde auch alles dafür tun!" Sie kniff ihre Augen fest zusammen und lehnte sich leicht nach vorne, eine Art Verbeugung im Sitzen. Inuyasha verstand zuerst nicht, was sie damit meinte. Dann machte es bei ihm Klick. "Alles, ja? Für wen hältst du mich! Glaubst du ich nutze diese Situation aus, um dich zu erpressen?" "Etwa nicht?" Erstaunt öffnete Kagome ihre Augen und verfiel wieder in eine aufrechte Position. Unentschlossen sah er sie an. "Nun, ich kann verstehen, warum du das tust und du hast immerhin etwas Gut bei mir", Er machte eine kurze Pause, "also werde ich es für mich behalten." Kagome musste sich stark zusammenreißen um keine Freudensprünge zu machen, und lächelte Inuyasha hoffnungsvoll an. "Wirklich?" Zögernd erwiderte er das Lächeln. "Wirklich." "Danke! Vielen Dank! Mir fällt ein Stein vom Herzen! Danke!" "Hör auf dich zu bedanken, sonst überlege ich es mir anders." "Entschuldige, ich höre auf. Danke! Jetzt höre ich auf." Erleichtert atmete sie auf. "Es hat kaum zwei Wochen gedauert, bis ich dich entdeckt habe", murmelte Inuyasha. "Aber wir teilen uns ein Zimmer, es war nur eine Frage der Zeit, bis ich dahinterkommen würde. Man hat dir deine Verkleidung abgekauft, aber du solltest dich möglichst unauffällig verhalten, wenn du draußen unterwegs bist. Schwierig wird es bei Ray und Yori. Sie sind unsere Mitbewohner, du musst ständig aufpassen und darfst dir keine weiteren Fehler erlauben." Während Inuyasha seine Überlegungen fortsetzte, verlor Kagome sich in ihren Gedanken und sie musste plötzlich an ihren seltsamen Traum denken. Ihr Blick fiel auf seine Lippen und sie überkam eine leichte Gänsehaut. Inuyasha schien wirklich kein schlechter Kerl zu sein. Er hatte die Tatsache, dass er sein Zimmer mit einem Mädchen teilte, recht gelassen aufgenommen und wollte ihr nun sogar helfen. "Und du wirst es wirklich für dich behalten?", fragte Kagome, obwohl sie die Antwort schon kannte. "Du wirst es auch den anderen nicht erzählen?" Inuyasha hob seinen Blick und runzelte die Stirn. "Wenn es jemand anderes erfährt, dann aufgrund deiner Nachlässigkeit. Ich an deiner Stelle hätte die Zimmertür ja abgeschlossen." "Ja, ich weiß! Ich werde in Zukunft besser aufpassen." Kapitel 6: Hüllen fallen lassen ------------------------------- "Und du willst wirklich, dass ich das tue?", fragte Kagome zweifelnd. "Normalerweise mache ich das nicht." "Deshalb üben wir das. Mach es, wie ich es dir gezeigt habe", erwiderte Inuyasha beruhigend. Kagome holte tief Luft um zu beginnen, machte dann aber doch wieder einen Rückzieher. "Ich kann das nicht", sagte sie verlegen und wurde ganz rot. "Komm schon", sagte er. "Tu es einfach." "Aber-" "Tu es." All ihren Mut zusammennehmend, atmete sie ein, sammelte den Speichel in ihrem Mund und spuckte ihn mit zusammengekniffenen Augen aus. "Ja!", sagte Inuyasha lachend und klopfte bedächtig auf Kagomes Schulter, die möglichst unauffällig ihren Mund abwischte. "Das ist bestimmt ein halber Meter. Nicht schlecht für das erste Mal." Sie standen in einer abgelegenen Ecke auf dem Zentralhof und sie konnte sehen, wie immer mehr Schüler aus den Wohnheimen strömten und sich auf den Weg ins Schulgebäude machten. Angewidert schaute Kagome auf ihren Spuckfleck auf dem Fußboden. "Und du glaubst ernsthaft, dass mich das jungenhafter wirken lässt?" "Wenn du es so machst nicht, nein", antwortete Inuyasha und belächelte Kagomes Schamgefühl. "Bis eben, habe ich vorher nie gesehen, wie du auf den Boden spuckst", sagte Kagome und runzelte die Stirn. "Normalerweise mache ich das ja auch nicht." "Und warum musste ich-?" "Na, hör mal", sagte Inuyasha. "Ich will schließlich auch meinen Spaß haben." "Du hast Spaß daran, mich zu erniedrigen?", fragte Kagome entsetzt. Bevor sie eine Antwort aus ihm hervorlocken konnte, ertönte die Schulglocke. Inuyasha und Kagome schnappten sich ihre Rucksäcke und liefen eilig ins Gebäude um den Unterrichtsbeginn nicht zu verpassen. Es waren bereits drei Wochen vergangen, seit Inuyasha ihr kleines Geheimnis entdeckt und sich zur Mithilfe bereiterklärt hatte. Anfangs war sie noch etwas besorgt gewesen, ob er seine Meinung nicht doch ändern würde, oder vielleicht nur mit ihr spielte. Aber er stellte sich als sehr verlässlich heraus und Kagome war schließlich mehr als nur erleichtert, ihren Zimmergenossen als Komplizen gewonnen zu haben. Dem ständigen Druck, sich die ganze Zeit über verstellen zu müssen, konnte sie in ihrem Zimmer entfliehen. Bei Inuyasha konnte sie die Perücke abnehmen und ganz normal sprechen, wenn auch leise, damit Yori und Ray sie nicht hörten. Außerdem gab Inuyasha ihr immer wieder ein paar Tipps, bezüglich ihres Verhaltens, ihrer Haltung oder ihrer Stimme, um einen authentischen Jungen abgeben zu können. Die letzte Stunde war fast vorbei, als der alte Geschichtslehrer anfing, die Testblätter von letzter Woche auszuteilen. Kagome hatte nie Probleme mit dem Lernen gehabt und dementsprechend immer gute Noten. Zumindest auf ihrer alten Schule. Die Note ausreichend, die ihren Test zierte, war wie eine Enthauptung für ihren Stolz. "Gute Ansätze, Kaoru", sagte der Lehrer aufmunternd. "Es ist ganz normal, dass neue Schüler einige Zeit brauchen, um sich anzupassen. Inuyasha, sehr gut." Der Mann ging in die nächste Reihe und Kagome sah Inuyasha seine Arbeit abheften. "Ich erwarte die Projektabgabe nächste Woche. Möglich in Einzel- oder Partnerarbeit. Die Stunde ist beendet, ich wünsche euch noch einen schönen Nachmittag." Die Schüler fingen an, gemächlich ihre Sachen zusammenzupacken und Yori, der hinter Inuyasha saß, tippte ihm auf die Schulter. "Hey, Inuyasha-" "Nein", sagte er, noch bevor Yori seinen Satz beenden konnte. Er runzelte die Stirn. "Du weißt doch gar nicht, was ich sagen wollte." "Du möchtest mit mir zusammen an dem Projekt arbeiten?", riet Inuyasha. "Ja!" "Nein", wiederholte er. "Wieso nicht? Letztes Mal lief es doch gut." "Das letzte Mal, blieb die gesamte Arbeit an mir hängen", warf er Yori vor. Dieser überlegte kurz und nickte. "Ja, das meine ich doch." Als Inuyasha seinen Rucksack über die Schulter warf, traf er absichtlich Yoris Schulter, was deutlich machte, was er von seiner Definition der Zusammenarbeit hielt. "Okay, schon klar", sagte Yori und rieb sich die schmerzende Stelle. "Ich werde mich dieses Mal, richtig reinhängen." "Wirklich?" "Wirklich!", bestätigte er. "Nein", antwortete Inuyasha dennoch. "Oh, komm schon! Was sonst spricht denn dagegen?" "Kaoru, arbeiten wir zusammen an dem Projekt?", fragte Inuyasha und schaute sie erwartungsvoll an. "Ja, klar!", antwortete Kagome begeistert und sah ihre Chance die schlechte Note, mit seiner Hilfe, wieder auszugleichen. Yori schaute fassungslos drein. "Ich habe schon einen Partner", sagte Inuyasha selbstgerecht und zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Ray-", begann Yori stattdessen, doch dieser war schon halb zur Tür raus und rief: "Vergiss es!" Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Niedergeschlagen Guten Abend, Sango Ich habe heute mein erstes Ausreichend bekommen... in Geschichte. Die Umstellung fällt mir doch schwerer, als erwartet. Inuyasha sagt, dass meine Antworten in dem Test zu knapp seien und dass ich darauf achten muss, meine Sätze auszuschmücken. Wie geht es Miroku und wie läuft es mit eurer Wohnungssuche? liebe Grüße, Kagome Nachdem sie die E-Mail abgeschickt hatte, wollte Kagome damit anfangen im Internet über die Sengoku-Zeit zu recherchieren. Das Projekt-Thema, für das sie und Inuyasha sich entschieden hatten. Aber der dumpfe Schrei, der hinter der geschlossenen Tür erklang, weckte ihr Interesse. Sie stand auf, zupfte ihre Perücke zurecht und betrat den Wohnbereich. Inuyasha, Yori, Sam und Mafuyu saßen auf der Couch und sahen Ray dabei zu, wie er seiner kleinen Schwester Ronnie ein Kissen aufs Gesicht drückte, während sie sich die Seele aus dem Hals schrie. "Was ist denn hier los?", fragte Kagome und beobachtete Ronnie besorgt, deren Schrei immer leiser wurde. "Bekommt sie Luft?" "Das ist so ein Geschwisterding", erwiderte Inuyasha und machte keine Anstalten sich einzumischen. Als der Schrei ganz erloschen war, nahm Ray vorsichtig das Kissen von ihrem Gesicht. Ronnie war blau angelaufen, atmete aber tief ein und aus. "Das ist so unfair!", jammerte sie heiser. "Es tut mir leid, Ronnie", sagte Mafuyu. "Aber mein Onkel hat deutlich gesagt, dass ich nur Gleichaltrige mitnehmen darf. Du bist einfach noch zu klein." "Es ist eine winzig kleine Insel!", schrie Ronnie. "Was soll mir da schon passieren?" "Du könntest dich verlaufen, ertrinken, von der Klippe stürzen...", zählte Ray auf. "Oder von wilden Tieren gefressen werden", ergänzte Inuyasha grinsend. Kagome hatte sich mittlerweile auf die Armlehne neben Inuyasha gesetzt und blickte fragend in die Runde. "Jedes Jahr im Spätsommer fahren wir übers Wochenende zur Insel von Mafuyus Onkel, während er nach Europa verreist", erklärte Sam. Mafuyu fuhr fort: "Wir gehen schwimmen, grillen und mein Onkel organisiert immer eine Schnitzeljagd für uns." "Sind wir dafür nicht mittlerweile, ein bisschen zu alt?", fragte Yori. "Wir machen das seit vier Jahren", antwortete Mafuyu. "Für Traditionen ist man nie zu alt." "Klingt ja toll", sagte Kagome. "Ja, super toll! Aber ich darf nicht mit. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr ihr mich ankotzt!" Wütend stürmte Ronnie aus dem Apartment. "Vermutlich wird es auch zur Tradition, Ronnie eine Absage zu erteilen", sagte Ray und warf Yori das Kissen zu, welches dieser hinter sich legte. "Möchtest du mitfahren, Kaoru?", fragte Sam und stopfte sich einen Cracker in den Mund. "Klar, sehr gerne!", antwortete Kagome lächelnd. Endlich fand sie Anschluss. Während sie noch eine Weile zusammensaßen und rumalberten, vergaß Kagome die Zeit und erst eine Stunde später fiel ihr wieder ein, dass sie lernen wollte und eine Antwort von Sango erwartete. Inuyasha begleitete sie in ihr Zimmer und schloss hinter sich ab, damit Kagome die Perücke abnehmen konnte, ohne Angst zu haben, dass jemand reinplatzen könnte. Sango hatte tatsächlich vor einer ganzen Weile geantwortet und Kagome beeilte sich, die Nachricht zu lesen und ihr zu antworten. Inuyasha warf sich auf sein Bett, das direkt hinter dem Schreibtisch stand und schaltete den Fernseher ein. Die restlichen Cracker hatte er mitgenommen. "Schreibst du wieder deiner Freundin?", fragte er neugierig und linste über ihre Schulter. "Ja. Sango und ihr Freund Miroku wollen bald zusammenziehen." Inuyasha runzelte die Stirn. "Sind sie nicht noch etwas zu jung dafür?" "Wieso?", fragte Kagome und drehte sich um. "Sango ist gerade volljährig geworden und Miroku ist schon einundzwanzig Jahre alt." Er zuckte mit den Schultern, wandte sich dem Fernseher zu und zappte durch die Kanäle. Also drehte Kagome sich wieder zum Computer und las weiter. Absender: Sango-chan Empfänger: Higurashi_Kagome Betreff: Kopf hoch! Hallo Kagome! Das mit der schlechten Note, tut mir leid. Aber wie du schon sagtest: Es ist eine schwere Umstellung und du richtest dich schon darauf ein. Wenn eure Lehrer Romane wollen, dann gibst du ihnen Romane, du bist doch flexibel. Miroku geht es gut und er grüßt dich herzlich (er sitzt neben mir). Wir haben schon ein paar kleine Wohnungen besichtigt, aber etwas Passendes haben wir noch nicht gefunden. Außerdem sträubt sich mein Vater immer noch dagegen, aber er gewöhnt sich schon daran. Es scheint mir, als würden du und Inuyasha euch gut verstehen, nachdem er herausgefunden hat, dass du ein Mädchen bist. Ich würde ihn ja wahnsinnig gerne mal kennenlernen. Überreiche ihm liebe Grüße von deiner besten Freundin. Gruß, Sango Kagome drehte sich erneut auf dem Drehstuhl zu Inuyasha. "Liebe Grüße von Sango." "Warum?", fragte Inuyasha desinteressiert. "Weil Sango weiß, dass du so nett bist und mir mit der Kaoru-Sache hilfst und sie im Gegensatz zu dir höflich ist. Soll ich sie zurückgrüßen?" "Wenn du den Schein wahren willst, dass ich höflich und nett sei, von mir aus", nuschelte er mit vollem Mund. Einige Krümel der trockenen Kekse hatten sich auf seinem Shirt verteilt. Kagome verzog das Gesicht und drehte sich um. Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Halbherziger Gruß zurück Er ist ein Idiot. liebe Grüße, Kagome Absender: Sango-chan Empfänger: Higurashi_Kagome Betreff: Aber du sagst, er sieht gut aus! Fall über ihn her! Küsschen, Miroku Kagome wurde rot und blickte verärgert auf die Nachricht. Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Halt dich da raus, Miroku! Er mag ja gut aussehen und mir helfen, aber er ist dennoch ein egoistischer, ungehobelter, arroganter Vollidiot! Ein Vollidiot, der dabei ist sich auszuziehen! Gute Nacht, ihr beiden. "Was bitte, tust du da?", fragte Kagome und schlug in Gedanken ihren Kopf gegen die Wand. Sie konnte erahnen, was Miroku und Sango sich bei ihrem letzten Satz ausmalen würden. "Ich ziehe mich um, was denkst du denn?", sagte Inuyasha und zog sich sein Shirt über den Kopf. Das Blut schoss ihr in den Kopf, als Kagome auf seinen nackten Oberkörper und die Bauchmuskeln starrte, die sich ganz leicht unter der gespannten Haut abzeichneten. Es war das erste Mal, dass sie ihn so sah. Für gewöhnlich zog er sich um, wenn sie im Badezimmer war oder wenn sie schlief. Er zerknüllte das Shirt und warf es in einen Korb der in der Ecke stand. "D-Das kannst du doch auch im Badezimmer machen. Oder bist du so hohl, dass du bereits vergessen hast, dass ich ein Mädchen bin?" "Weil mein Mitbewohner eine kleine Betrügerin ist, muss ich mich einschränken lassen?", fragte Inuyasha und überlegte einen Moment lang, bevor er den Kopf schüttelte. "Vergiss es! Wenn es dich stört kannst du ja rausgehen. Ich bewohne dieses Zimmer fünf Jahre länger als du und besitze ältere Rechte." Er wollte sein Revier markieren? Schön, sie würde das Spiel mitspielen. Kagome stand vom Drehstuhl auf, um ihm auf Augenhöhe zu begegnen und verschränkte die Arme. "Wenn es dich nicht stört, dass ich dich nackt sehe, soll es mir gleich sein", behauptete sie mutig. Inuyasha nahm die Herausforderung an. "Mich stört es nicht. Und wenn es dich nicht stört, gibt es ja kein Problem." "Ich habe schon nackte Männer gesehen, nur damit du es weißt", erwiderte Kagome schnippisch. Eigentlich hatte sie bisher nur ihren Bruder nackt gesehen, als er noch kleiner war, aber das zählt, redete sie sich ein. "Und ich habe schon nackte Frauen gesehen. Was bist du, zwölf?", fragte Inuyasha provokant. Beleidigt zog Kagome auch ihr Shirt aus, warf es auf ihr Bett und stemmte die Hände in die Hüften. Sie bereute es beinahe zeitgleich, aber sie war so berauscht von dem Adrenalin das ihr durch die Adern schoss, dass sie kaum klar denken konnte. Inuyasha neigte den Kopf zur Seite und blickte ganz offen und leicht überrascht auf ihren blauen Spitzen-BH. "Du bist eindeutig nicht zwölf", murmelte er. "Danke", sagte Kagome und verzog ihre Lippen kurz zu einem kaum sichtbaren Lächeln, bevor sie ihn nervös beobachtete, wie er zwei Schritte auf sie zu ging und nun vor ihr stand. "Ist das untere Teil passend dazu?", fragte er grinsend und sie schluckte. Sie konnte seinem Blick nicht standhalten und schaute hinunter auf seine Hände. "Lass die Hüllen fallen und du findest es heraus", forderte sie ihn leise auf. Um Gottes Willen, was tat sie da? Sie flirtete. Das war doch flirten, nicht wahr? Sie konnte sich nicht erklären, warum sie sich darauf eingelassen hatte, aber für sie stand fest, dass es kein Zurück gab! Inuyasha würde sehen, dass sie sich nicht unterbuttern ließ und sich zweimal überlegen, ob er sich wirklich mit ihr anlegen wollte. Das einzige Problem war, dass es ihm regelrecht Spaß zu machen schien. "Na, da bin ich gespannt", sagte er und fing an seinen Gürtel zu öffnen. Kagome hielt den Atem an und verfolgte die Bewegungen seiner Finger. Als die Türklinke plötzlich heruntergedrückt wurde, entwich ihr ein kurzer quietschender Schrei und Inuyasha zuckte erschrocken zusammen. Die beiden wechselten einen erleichterten Blick, als ihnen einfiel, dass die Tür verschlossen war. Daraufhin klopfte es. Inuyasha warf ihr einen vielsagenden Blick zu, woraufhin Kagome panisch in ihr Bett sprang und die Bettdecke über sich zog. Er öffnete die Tür. "Hey, kann ich deine Bio-Notizen haben?", fragte Ray und spähte nicht ganz unauffällig ins Zimmer, während Inuyasha seine Unterlagen durchsuchte. "Hier sind sie", sagte er und drückte seinem Freund den Ordner in die Hände. "Ist alles in Ordnung bei euch?" "Ja, wir sind müde. Gute Nacht", antwortete Inuyasha nur, drückte die Tür wieder zu und lehnte sich dagegen. "Machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben?", fragte er und blickte auf den kleinen Hügel, der ganz eindeutig bei seinen Worten erstarrte. Kagome hielt sich weiterhin unter ihrer Decke versteckt und dachte gar nicht daran, mit dieser lächerlichen Aktion weiterzumachen. "Das habe ich mir gedacht", fuhr Inuyasha seufzend fort. Ist wohl auch besser so, mahnte er sich in Gedanken und beschloss es nicht wieder so weit kommen zu lassen. Kapitel 7: Sommer, Sonne, Blut ------------------------------ "Mafuyu, das ist ja traumhaft", seufzte Kagome und versuchte sich den Anblick einzuprägen. "Ich verstehe deine euphorische Begeisterung nicht", erwiderte sie. "Das ist nur eine normale kleine Strandvilla." Kagome sah sie entsetzt an. In normalen Verhältnissen, konnte man dieses Anwesen nun wirklich nicht klein nennen. Von einem edel verarbeiteten Eisenzaun umgeben und einem verspielten Brunnen im Vorgarten, erschien alles in voller Pracht. Durch einige Bäume hindurch konnte man das glitzernde Meer erkennen welches sich, natürlich mit Privatstrand, direkt hinter dem Haus befand. "Kaoru, komm her und hol deine Sachen!" rief Inuyasha und hielt ihr ihre Tasche entgegen, als sie schnell zurück zum Wagen lief. Die Kato-Insel, wie Mafuyus Onkel sie getauft hatte, war nicht weit vom japanischen Festland entfernt und sie hatten gerade einmal drei Stunden benötigt um von der Schule aus dorthin zu kommen. Die Insel hatte eine rundliche Form und war abwechselnd von weißen Sandstränden und hohen Klippen umrandet. Mittig erstreckte sich ein dichter Wald, durch den nur eine Straße führte. An der Fährstelle wurden sie von einem idyllischen Dorf begrüßt und in einer schicken Limousine zur anderen Seite der Insel kutschiert. "Und dein Onkel lässt uns, einfach so, das Wochenende hier verbringen?", fragte Kagome und lief mit den anderen zum Eingang der Villa, wo bereits ein Mann auf sie zu warten schien. "Wenn er in Italien ist, stört es ihn doch nicht", sagte Mafuyu nur und hob grüßend die Hand, als sie die genervt dreinschauende Person entdeckt hatte. "Hallo, James!" Wie sich herausstellte, war James der hauseigene Butler und für die Versorgung und Sicherheit der Gruppe verantwortlich, worüber er aber offensichtlich nicht glücklich war. Allein in der Zeit, in der James ihre Taschen hinauf trug und sie auf die verfügbaren Räume verteilte, zählte Kagome vierzehn Augenumdrehungen und neun gequälte Seufzer. Die Paare waren schnell festgelegt. Samantha schlief wie jedes Jahr bei Mafuyu in ihrem Zimmer. Ray und Yori, sowie Inuyasha und Kagome teilten sich eines der beiden Gästezimmer. Sie schluckte nervös, als sie realisierte, dass in dem Zimmer nur ein Bett stand. Es war zwar ein sehr breites Bett, in dem sie beide vermutlich dreimal Platz hätten, aber mulmig war ihr bei dem Gedanken trotzdem. Inuyasha hatte ihren besorgten Blick bemerkt und verzog beleidigt das Gesicht, als er seinen Rucksack auf eine Betthälfte warf. "Keine Panik, ich werde schon nicht über dich herfallen", murmelte er und verließ das Zimmer sofort wieder. Sie schaute ihm erstaunt hinterher. Nachdem alle angekommen waren, trafen sie sich zum frühstücken unten in der geräumigen Küche. Auch wenn James die Begeisterung fehlte, einen guten Job machte er allemal. Frisch aufgebrühter grüner und schwarzer Tee, klassicher Reis, gebratenes Gemüse und gegrillter Fisch wurden serviert, wie auch verschiedenste kleine Sandwiches und gerolltes süßes Omelett. "Was hast du denn jetzt vor?", fragte Samantha, als Yori in Sportkleidung die Treppe hinunterflitzte. "Ich habe bald ein wichtiges Spiel, also gehe ich jetzt ein bisschen joggen", antwortete er und begann sich zu dehnen. "Im Ernst?", fragte Kaoru und schaute ihm nach während er sich den Toast aus Rays Hand schnappte den er gerade mit Marmelade bestrichen hatte, durch die Terrassentür verschwand und noch rief: "Nicht lange, nur einmal den Berg runter und wieder rauf." "Er sieht ganz normal aus und dann tut er so was", sagte Inuyasha stirnrunzelnd. Später saß Kagome, in einem weiten T-Shirt und lockeren Shorts, auf einer großen Stranddecke unter einem Sonnenschirm und sah hinaus aufs Meer. Die anderen waren schon längst im Wasser. Sie biss genervt die Zähne zusammen, als Mafuyu sich schon wieder an Inuyashas Arm klammerte. Den ganzen Tag schon, schwirrte sie um ihn herum und nutzte jede Gelegenheit um Körperkontakt herzustellen. Inuyasha ging zwar immer wieder etwas auf Abstand, aber es schien ihm nicht wirklich was auszumachen. Sie glaubte zu bemerken, wie Ray sich immer wieder wie zufällig zwischen die beiden schob. Vielleicht wollte er Inuyasha unauffällig helfen. Vielleicht bildete sie es sich auch bloß ein. Lachend hielt sich Mafuyu an Inuyashas Schultern fest und sprang auf seinen Rücken. Er hielt sie gerade noch an den Oberschenkeln fest, bevor sie wieder abrutschte. Sie schmiegte sich glücklich an ihn, während er sie durch das Wasser trug. Kagome seufzte laut und dachte an den Zwischenfall vor wenigen Tagen. Wie sie sich beide voreinander ausgezogen hatten und sie war sich nicht sicher wie weit das gegangen wäre, wenn Ray sie nicht unterbrochen hätte. Sie hatte es vermieden die Sache anzusprechen und auch Inuyasha hatte kein Wort darüber verloren. Am nächsten Tag war es so, als wäre es nie passiert. Inuyasha hatte sich seitdem allerdings nicht mehr vor ihr entkleidet. War das ein Sieg? Schließlich war es ja das gewesen, was sie erreichen wollte. Ihr eigenes Verhalten hatte sie sehr überrascht und ihre Gefühle konnte sie auch nicht richtig einordnen. Er hatte doch mit ihr geflirtet und sie ganz klar angestachelt. Hatte es irgendetwas zu bedeuten oder hatte er sich bloß einen Spaß mit ihr erlaubt? Kagome schreckte aus ihren Gedanken, als sie lautes Kreischen und Lachen hörte. Ray und Yori stürzten sich auf Samantha, hoben sie hoch, nur um sie dann wieder ins Wasser zu werfen. Es sah lustig aus. Leicht deprimiert, dass sie nicht ins Wasser konnte, weil das ihre Tarnung auffliegen lassen könnte, legte sie sich hin, streckte sich, schloss dabei die Augen und genoss die warmen Sonnenstrahlen. Nach wenigen Minuten legte sich ein Schatten über sie. Überrascht öffnete sie ihre Augen und blickte in Inuyashas Gesicht, der sich daraufhin neben sie setzte. "Alles okay?" "Klar, warum?", erwiderte Kagome gespielt gut gelaunt und setzte sich wieder auf. Ihre Wangen erröteten leicht, als sie sah wie die Wassertropfen an seinem muskulösen Rücken herunterliefen und schaute schnell weg. "Weil du- ach, schon gut", brach Inuyasha ab und schüttelte leicht den Kopf. "Hey, ihr Langweiler! Kommt schon her!", brüllte Yori ihnen ausgelassen zu und schaufelte das Wasser in ihre Richtung. Sam nutzte seine Unachtsamkeit und warf sich gegen ihn, sodass beide seitwärts ins Nasse fielen. Er und Kagome mussten lachen. "Willst du wirklich nicht mit rein? Du könntest die Sachen ja anlassen", sagte Inuyasha. "Nein, viel zu riskant. Geh schon, mir geht es gut." Er zögerte kurz, stand dann aber doch wieder auf und lief zurück ins Meer. Kagome nahm sich eine Dose Cola aus der Kühltasche und öffnete den Verschluss, woraufhin ein leises Zischen erklang. Sie verbrachten fast den gesamten Tag am Strand. Die Sonne sank immer weiter dem Horizont entgegen und der Himmel verfärbte sich von Himmelblau zu einem rötlichen Orange, als James schließlich das Abendessen verkündete. Er hatte auf der Terrasse ein Barbecue vorbereitet. Nun saßen sie alle beisammen, unterhielten sich, lachten und ließen es sich schmecken. Seit sie im Musashi-Internat angekommen war, hatte Kagome das erste Mal das Gefühl, als würde sie wirklich dazugehören und sie genoss es. Die Terrassentür öffnete sich und James trat mit gequältem Blick hinaus. "Für Sie", sagte er und hielt Inuyasha ein schnurloses Telefon entgegen. "Sie sagt sie sei Ihre Mutter. Ich verstehe nur nicht, warum sie das freiwillig zugibt." Inuyasha schaute ihn verwundert an. "Meine Mutter?" "Ja." "Sind Sie sich sicher?", hakte er nach. "Bitte, nun nehmen Sie schon", drängte James, drückte ihm das Telefon in die Hand und verschwand eilig zurück ins Haus. "Mum?", sprach Inuyasha vorsichtig in den Hörer. Dann verdrehte er die Augen. "Ja, hier ist Inuyasha, wer nennt dich sonst noch Mum?" Kagome und die anderen blieben ganz still, während Inuyasha immer wieder desinteressiert nickte, während seine Mutter ihm offensichtlich etwas erzählte. "Ja, meiner Freundin geht es sehr gut", sagte er plötzlich und gab ein Handzeichen, bevor er aufstand und ins Haus ging. Scheinbar wurde es ein etwas längeres Gespräch. Freundin? Welche Freundin, überlegte Kagome. "Er zieht diese Masche immer noch durch?", fragte Mafuyu. "Wie viele erfundene Freundinnen hatte er schon?" "Keine Ahnung, vier?", sagte Ray und blickte Sam fragend an. "Oder fünf?", erwiderte sie und zuckte die Schultern. "Wie bitte?", fragte Kagome verwirrt. "Inuyasha erzählt seiner Mutter, er habe eine Freundin, damit sie ihn nicht ständig versucht zu verkuppeln", antwortete Ray. "Und kurz bevor er nach Hause fährt, kommt es überraschenderweise zu einer Trennung und es tut ihm wahnsinnig leid, dass seine Eltern sie nicht kennenlernen konnten", fügte er noch mit einem sarkastischen Unterton hinzu. "Verstehe", sagte Kagome zögernd. "Okay", sagte Mafuyu und klatschte in die Hände. "Sollen wir dann mit der Schnitzeljagd beginnen?" Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern griff direkt nach einem Briefumschlag, der auf einer kleinen Schachtel lag, die auf dem Tisch stand. Sie öffnete den Umschlag, entfaltete das Stück Papier und begann vorzulesen: "Hallo Kinder, während ich versuche den schiefen Turm von Pisa geradezurücken hoffe ich, dass ihr ein entspanntes Wochenende in meinem bescheidenen Heim haben werdet." Die Terrassentür öffnete sich wieder und Inuyasha setzte sich zurück an seinen Platz, als Mafuyu fortfuhr: "Wie jedes Jahr, habe ich ein kleines Abenteuer für euch vorbereitet. Ihr bildet drei Gruppen, die mithilfe der Kärtchen (siehe Schachtel) ausgelost werden. Jede Gruppe bekommt zu Anfang ein Rätsel zu lösen, welches euch an einen Ort bringt, wo ihr eine Aufgabe erfüllen müsst um das nächste Rätsel zu erhalten. Insgesamt gibt es fünf Aufgaben. Die Gruppe, die als erstes alle Aufgaben schafft und hierher zurückgekehrt ist, hat gewonnen. Mafuyu öffnete die Schachtel und holte sechs Kärtchen heraus. Sie mischte sie kurz, fächerte sie und hielt sie den anderen hin, damit jeder eine ziehen konnte. "Blau", sagte Kagome und schaute auf den kleinen blauen Punkt auf ihrer Karte. Yori drehte seine Karte herum und man konnte den zweiten blauen Punkt sehen. "Rot", sagte Inuyasha und zuckte leicht zusammen, als Mafuyu einen quietschenden Freudenschrei ausstieß. Ray und Sam zeigten sich gegenseitig ihre grünen Punkte und Ray drückte sie freundschaftlich an sich. "Hoffentlich begegnen wir nicht dem Geist", sagte Samantha, während Mafuyu die Karten einsammelte und wieder zurücklegte. Bei dem Wort Geist riss Kagome die Augen auf. "Geist?" Sam grinste düster. "Ja, die Insel ist auch für ihre Geister berühmt. Du hast doch die Klippen am Strand gesehen, nicht wahr? Die Geschichte besagt, dass ein junges Paar beschloss, sich aus Liebe in den Tod zu stürzen, weil ihre Familien die Beziehung nicht gutheißten. Als sie also springen wollten, überfiel den Mann plötzlich die Furcht und das Mädchen stürzte allein in den Ozean. Ihr Körper wurde nie gefunden und der Mann heiratete schließlich eine andere Frau. Er hatte sie schon völlig vergessen, aber eines Nachts als er mit seiner Frau dorthin kam, sahen sie es." "Sahen was?", fragte Ray amüsiert. Sam nahm sich Zeit mit der Antwort, blickte vorher jeden Einzelnen in der Runde eindringlich an, um die Spannung aufzubauen. "Eine Blutüberströmte Frau ist mit einem unglaublichen Tempo die Klippe hochgeklettert und hat ihren Geliebten mit sich in die Tiefen gezogen!" "Ah!", rief Kagome erschrocken und legte schnell die Hand über ihren Mund. "Ja und seitdem wird immer wieder mal was über einen Poltergeist in den Büschen berichtet", ergänzte sie beiläufig. "Aber das sind doch nur übertriebene Gerüchte", erwiderte Kagome. "Oder?" "Ja, aber warum sind sie wohl so berühmt?" Sam beugte sich zu Kaoru und sah ihm ernst in die Augen. "Weil sie wahr sind!" Kagome verfiel in einen Schockzustand und es herrschte absolute Stille. "Also gut, wollen wir dann los?", fragte Inuyasha schließlich. Eine Stunde später stand Kagome, gemeinsam mit Yori mitten im dunklen Wald. Sie hatten das erste Rätsel gelöst, die Antwort war Glocke, aber sie konnten keinen Ort finden der damit zu tun haben könnte. Nachdenklich schaute Kagome auf die Karte, während Yori gelangweilt das Licht seiner Taschenlampe an- und ausschaltete. "Vielleicht die Kirche unten im Dorf? Sag mal, weißt du wo wir gerade sind?" "Nö." "Was? Haben wir uns etwa verlaufen?" "Möglicherweise", antwortete Yori ganz gelassen und blendete sie mit der Taschenlampe. "Wie kannst du dann so ruhig bleiben? Hey, warte, wo willst du hin?" "Ich hab keine Lust mehr. Wir haben sowieso keine Chance zu gewinnen. Inuyasha ist mit der Streberin Mafuyu in einem Team und Ray und Sam wissen sowieso immer alles besser, vermutlich sind die anderen schon längst fertig." "Ja aber- Eh? Hast du das auch gehört?" Erschrocken drehte Kagome sich um und leuchtete mit ihrer Taschenlampe in die Büsche. Sie verharrte, konnte aber nichts mehr hören. "W-Wahrscheinlich nur ein Tier. Ein Eichhörnchen oder so. Ja, ein süßes Eichhörnchen! Nicht wahr, Yori?" Sie drehte sich wieder um, in die Richtung in die Yori vorhin gegangen war, aber von ihm war keine Spur mehr zu sehen. Er war weg und Kagome stand nun ganz allein im Wald. "Yori?" Währenddessen waren Inuyasha und Mafuyu tatsächlich bereits in der Villa angekommen und warteten auf der Terrasse auf die anderen. Nur eine halbe Stunde später kamen Sam und Ray zurück. Und nach einer weiteren Stunde endlich auch Yori, der ziemlich gehetzt aussah. "Ist Kaoru schon da?", fragte er besorgt. "Nein", antwortete Inuyasha gedehnt und stand auf, als würde er die schlechte Nachricht schon erwarten. "Scheiße", fluchte Yori und griff sich verzweifelt durch die Haare. "Ich habe Kaoru verloren." "Was?", fragte Ray. "Wie konnte denn das passieren?" "Ich weiß nicht", sagte er nervös umherlaufend. "Ich war auf dem Weg hierher und dachte er wäre hinter mir. Als ich merkte, dass das nicht der Fall ist, bin ich sofort zurückgegangen. Aber da war er schon weg." "Du bist so ein Vollidiot!", zischte Inuyasha und zog sich seine Schuhe an. "Kaoru kennt sich hier nicht aus und weiß nicht auf was er achten muss, um die Straße zu finden." "Das ist mir klar", verteidigte sich Yori. "Ich habe die letzte Stunde versucht ihn zu finden." "Hört schon auf", unterbrach Sam die beiden und warf allen ihre Jacken zu. "Wir müssen Kaoru einfach schnell finden." Kagome irrte im Wald umher. Immer wieder bildete sie sich ein, etwas zu hören und ihr Körper zitterte vor Kälte. Zudem plagten sie seltsame Magenkrämpfe, welche sie sich nicht erklären konnte. Hatte sie das Essen nicht vertragen? Plötzlich konnte sie das Rauschen des Meeres hören und rannte in die Richtung, aus der sie es vermutete. Kurz darauf fand sie sich am Waldrand wieder und stand, um Atem ringend, an einer Klippe und blickte aufs düstere Meer. Sie sah sich genauer um, konnte jedoch keinen Anhaltspunkt finden, der ihr den Weg weisen würde. Auf der einen Seite, war da das reißende Meer und auf der Anderen, der gruselige Wald, in den sie auf keinen Fall zurück wollte. Ihre Ratlosigkeit wurde augenblicklich von Furcht überdeckt, als sie merkte dass sie auf dieser Klippe stand. Das war die Klippe von der Samantha erzählt hatte. Sie schluckte schwer und der Angstschweiß brach aus. Sie fürchtete sich zwar, aber ihre Neugierde war stärker, also bewegte sie sich vorsichtig auf den Rand der Klippe zu. Von dort aus schaute sie hinunter. Das Mondlicht schien ungehalten und das Meer brach sich gegen die steile Felswand. Aber kein Geist kletterte hinauf. "Ach, das ist ja doch nur eine dumme Geistergeschichte, die sich irgendjemand ausgedacht hat." Sie hörte ein Rascheln im Gebüsch, fuhr erschrocken herum und ging einen Schritt zurück. Dabei rutschte sie aus, verlor den Halt und stürzte hinab in die Tiefe. "Haben Sie einen schmächtigen, dunkelhaarigen Jungen gesehen?" fragte Ray ein Pärchen auf der Straße. Yori ergänzte: "Er wirkt ziemlich unbeholfen, hat einen dümmlichen Blick und zittert vermutlich vor Angst." Die beiden Fremden schüttelten den Kopf und gingen weiter. Ray seufzte besorgt. "Hoffentlich haben die anderen mehr Glück." "Au, mein Schädel." Kagome griff sich an den Hinterkopf. Sie war von der Klippe gerutscht. Glücklicherweise aber war sie, nur ein paar Meter tief, auf einen kleinen Felsvorsprung gefallen und hat sich dabei den Kopf gestoßen. Erschrocken blickte sie nach oben. Es war zu hoch, als dass sie allein hochklettern könnte und weit und breit war keine Menschenseele. "Was mache ich denn jetzt?" Sie setzte sich auf, darauf bedacht möglichst die Felswand im Rücken zu haben. Sie hatte nicht viel Platz auf dem Vorsprung. Ihre Hände berührten den Boden und wurden dabei von etwas Flüssigem benetzt. "Eh? Was ist denn das?" Sie schaute auf ihre Hände und versuchte es zu erkennen. Es war Blut. "Kaoru!" Kagome horchte auf. Rief da jemand nach ihr, oder bildete sie sich das ein? "Kaoru!" "Inuyasha? Inuyasha! Hier bin ich!" Nun sah sie auch den Schein einer Taschenlampe. "Ich bin hier unten!" Hoffnungsvoll sah sie nach oben, bis ein heller Lichtstrahl auf sie traf und sie die Augen zukniff. "Kaoru", sagte Inuyasha erleichtert. "Sam, ich hab ihn gefunden!" Kurzerhand kletterte Inuyasha vorsichtig zu ihr hinunter und landete neben Kagome auf dem Vorsprung. "Wir haben uns Sorgen gemacht. Ist alles-" Er brach ab, als er die blutigen Flecken bemerkte und rief: "Sam, ruf sofort den Notarzt!" "Nein!", zischte Kagome und griff in Inuyashas Ärmel. "Aber-" "Ich bin nicht verletzt!", beharrte sie. Inuyasha runzelte die Stirn und versuchte den Sinn in ihren Worten zu finden. "Aber das ist Blut!" "Das ist bloß-" Kagome wurde ganz rot im Gesicht und langsam begann er zu verstehen. "Oh", flüsterte er. "Dann hast du-?" "Ja." "Was ist los? Warum braucht er einen Notarzt?" Schließlich stand auch Sam an der Klippe und leuchtete auf die beiden runter, kramte mit der anderen Hand nervös nach ihrem Handy. Kagome wurde klar, dass sie keine Wahl hatte. Sie musste es Sam sagen. Wie könnte man als Junge jemandem erklären, dass das Blut von einer Menstruation stammt? Inuyasha zog seine leichte Jacke aus und wickelte sie notdürftig um Kagomes Oberschenkel. "Was machst du denn da?", fragte sie überrascht. "Ich lasse es so aussehen, als hättest du dich am Bein verletzt", murmelte er. "Schon gut, Sam. Es ist nichts Ernstes, das kriegen wir auch so hin." Er richtete noch Kagomes Perücke zurecht, half ihr hoch und machte eine Räuberleiter. Sam zog sie hinauf und half danach auch Inuyasha. Beide nahmen jeweils einen Arm von Kagome über die Schulter, die nun so tun musste als hätte sie sich am Bein verletzt, und humpelten zurück zur Villa, wo Mafuyu schon auf sie wartete und Yori und Ray anrief um ihnen zu sagen, dass Kaoru in Sicherheit war. Zum Glück war noch einmal alles gut gegangen. Das dachte sich auch Kagome, als sie sich später nachdenklich im leicht beschlagenen Badezimmerspiegel betrachtete. Sie wusste nicht, was sie ohne Inuyashas Hilfe hätte tun sollen und war ihm sehr dankbar für alles. Als sie durch die Zimmertür huschte, war er gerade dabei, aus Kissen und einer Tagesdecke eine Trennwand in der Mitte des Bettes zu bauen. Er breitete die Arme aus und deutete stolz auf sein Kunstwerk. "Tada!" "Das wäre doch nicht nötig gewesen." "Oh, das ist nicht für dich, sondern für mich", meinte er neckisch und hüpfte von der Bettkante. "Ich habe die gierigen Blicke bemerkt, die du mir ständig zuwirfst!" Kagome schmunzelte und wuschelte sich ein paar Mal mit der Hand durchs nasse Haar und setzte sich dann auf den Boden vors Bett. "Hier", sagte er, griff in seine Hosentasche und warf ihr eine kleine Schachtel zu. Sie riss erstaunt die Augen auf. "Wo hast du denn jetzt die Tampons her?" "Ich habe Mafuyu weisgemacht, dass ich regelmäßiges Nasenbluten habe und mir diese Dinger dann- du weißt schon. Nimm einfach und sorg das nächste Mal dafür, dass du sie selber dabei hast. Noch einmal mache ich das nicht." Kagome musste bei dieser Vorstellung lachen und drückte krampfhaft die Hände vor den Mund um die Lautstärke zu dämmen. "Ja, jetzt lachst du noch", sagte Inuyasha und setzte sich neben sie. "Du hast doch das Telefonat mit meiner Mutter mitbekommen, nicht wahr?" "Ja", erwiderte sie. "Ray hat mir von deiner Masche erzählt." "Sehr schön, dann weißt du schon Bescheid. Die Sache ist die: Meine Mutter hat mich sozusagen in die Falle laufen lassen und sich erst nach meiner Freundin erkundigt, bevor sie mir von der kleinen spontanen Feier erzählt hat, die sie am nächsten Wochenende ausrichtet. Die Beziehung nun so kurzfristig zu beenden wäre etwas auffällig und sie rechnet schon damit." "Klingt nach einem Problem." Kagome musste immer noch kichern. "Nicht unbedingt, denn ich habe die perfekte Vorzeigefreundin", sagte Inuyasha und schaute sie eindringlich an. "Ach, und wen-?", begann Kagome, doch dann erstarb das Grinsen auf ihrem Gesicht, als ihr bewusst wurde, wen er meinte. "Nein!" "Doch", grinste Inuyasha nun. "Aber- Was ist mit Mafuyu?", fragte sie empört. "Sie würde sicher liebend gerne deine Freundin spielen!" Inuyasha runzelte die Stirn, verwundert über ihren scharfen Unterton in der Stimme. "Meine Mutter kennt Mafuyu. Außerdem ist sie für mich sowas wie eine kleine Schwester- das wäre total schräg. Nein, du machst das." Kagome spitzte verlegen die Lippen. Wie eine kleine Schwester, also? Schlagartig besserte sich ihre Laune etwas. "Wieso sollte ich das tun?" "Weil ich dein kleines, schmutziges Geheimnis für mich behalte und dir immer wieder aus der Patsche helfe." Er griff nach den Tampons und wedelte mit der Packung vor ihrer Nase herum, bis sie es ihm wieder abnahm. "Also?" Kagome seufzte. "Ich habe wohl keine andere Wahl." "Du bist realistisch. Sehr gut." Kapitel 8: Schlechter Verlierer ------------------------------- "L." "Nein." "K." "Nein." "I?" "Nein, und gleich hängst du", sagte Kagome und malte bereits den zweiten Fuß auf das Papier. "Das gibt es doch nicht!", murrte Inuyasha verärgert. "Dieses Wort existiert nicht." "Doch es existiert", widersprach Kagome und tippte mit dem Stift auf den Schreibblock. "Sicher?", hakte er nach. "Ziemlich sicher." "Nicht sicher genug, gib mir einen Tipp." "Das wäre geschummelt", tadelte sie. "Aber wenn ich es nicht gleich errate, werde ich gehängt! Willst du mich wirklich sterben lassen?", fragte er und versuchte einen schockierten Gesichtsausdruck aufzusetzen. "Das Spiel heißt Hangman, darin liegt der Sinn." "Nein, der Sinn liegt darin sich nicht hängen zu lassen, zu überleben, und das mit allen erdenklichen Mitteln." Kagome musste schmunzeln und gab schließlich nach. "Also schön: Es ist klein." "Dann kann ich Wolkenkratzer ja ausschließen", erwiderte er mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. "Ist das alles, Kagome? Es ist klein? Klein, in welchem Verhältnis? Klein wie eine Katze, ein Stift oder Mikroben? Das hilft mir nicht sonderlich weiter." "Was erwartest du? Da kann ich dir die Lösung ja direkt verraten." "Hervorragende Idee. Das ist nämlich ein blödes Spiel", sagte er, lehnte sich zurück und verschränkte missgelaunt die Arme. "Du bist ein schlechter Verlierer", seufzte Kagome und begann die fehlenden Buchstaben einzutragen. "Ich habe nie etwas anderes behauptet", rechtfertigte er sich und schaute neugierig auf das Wort. "Die Antwort wäre Chry­s­an­the­me gewesen", sagte sie und unterstrich das Wort zweimal. "Ist das nicht eine Pflanze?", fragte Inuyasha mit gerunzelter Stirn. Kagome verbesserte ihn: "Eine Zierpflanze." "Okay, ich nehme alles zurück. Das Problem ist nicht das Spiel, sondern deine bescheuerte Wortwahl. Das ist eine verdammte Pflanze!" "Ich bin immerhin einfallsreicher als du! Baum, Affe, Klapperschlange. Wie bist du auf diese Wörter gekommen?" "Ich musste an die Regenwälder denken, die abgeholzt werden. Das ist eine schlimme Sache, das beschäftigt mich." "Aber Klapperschlangen meiden feuchte Gebiete, man findet sie eher in der Wüste und in Steppengebieten." Inuyasha blickte sie einen Moment lang entgeistert an, bevor er nach den Kopfhörern griff und knurrte: "Zehn Stunden Flugzeit und ich sitze neben einer verdammten Besserwisserin." Das Flugzeug setzte sich wieder in Bewegung, nachdem es einen einstündigen Zwischenstopp in Tokyo eingelegt hatte. Als Nächstes ging es ohne Umwege über den Pazifischen Ozean nach San Francisco. Inuyasha hatte sich für einen Film entschieden, der daraufhin auf dem kleinen Bildschirm im Rücken des Vordersitzes anlief und sie hoben ab. Kagome hätte ihre Kopfhörer ebenfalls aufsetzen und den Film mit Inuyasha gemeinsam schauen können, aber sie entschied sich dagegen, weil sie sich vermutlich sowieso nicht darauf hätte konzentrieren können. Sie war zu sehr von dem Treiben in der Business Class abgelenkt. Sie beobachtete die eifrigen Geschäftsleute mit ihren Laptops und die schlanken Flugbegleiter und -begleiterinnen, die sich alle zehn Minuten nach dem Wohlbefinden ihrer gut zahlenden Gäste erkundigten. Es war beinahe lachhaft. Eigentlich gab es keinen sonderlich großen Unterschied zur Economy Class, von dem Preisunterschied mal abgesehen. Bis auf die bequemeren und freiräumigeren Sitze. Und die luxuriöse Elektronik oder das gute Essen, serviert auf Porzellantellern. Es sind eben die kleinen Dinge, die den Luxus ausmachen. Nach dem herzhaften Mittagessen, war Kagome eingeschlafen. Als Inuyasha sie vorsichtig schüttelte, um sie zu wecken, kam es ihr vor, als war sie nur kurz eingenickt. Ihr erster Blick ging durch das schmale Fenster und der Anblick vom Festland ließ sie erraten, dass es mehrere Stunden gewesen sein mussten. "Willkommen im sonnigen Kalifornien", murmelte Inuyasha milde begeistert, fast zeitgleich mit der fröhlichen Flugbegleiterin, die die bevorstehende Landung verkündete. Kagome stellte ihren Sitz wieder in die Senkrechte und legte den Anschnallgurt an. "Du wirkst nicht besonders glücklich", meinte Kagome, nachdem die Sicherheitsanweisung vorüber war. "Freust du dich nicht auf Zuhause?" Statt zu antworten, blickte Inuyasha starr geradeaus und grummelte leise. Scheinbar hatte sie einen wunden Punkt getroffen und bohrte nicht weiter nach. "Inuyasha! Inuyasha, warte!", rief Kagome, während sie hinter ihm her stolperte und dabei mit ihrem verdrehten Rucksack kämpfte. "Wo gehen wir überhaupt hin?" Inuyasha hatte sie in ein Parkhaus direkt unter dem Flughafen geführt. "Zu meinem Wagen." "Du hast ein Auto? Was frage ich überhaupt, natürlich hast du ein Auto." Inuyasha blickte grinsend über die Schulter, machte aber keine Anstalten sein Tempo zu verlangsamen. "Einer der wenigen Vorteile hier: Autofahren ab sechszehn!" Er lotste sie in den hinteren Teil des Parkhauses, wo sich einige verschlossene Garagen befanden, hinter deren Türen die Autos auf die Rückkehr ihrer verreisten Besitzer warteten. Inuyasha öffnete das dritte Tor von links und fuhr den schwarzen Audi A5 Cabrio aus der Garage. "Schick", brachte Kagome hervor, warf ihren Rucksack auf den Rücksitz und setzte sich dann neben Inuyasha. "Verdeck offen oder geschlossen?", fragte er und Kagome musste nicht lange überlegen. Mit offenem Verdeck brausten sie die Ausfahrt hinauf und fanden sich kurz darauf, auf den steilen Straßen von San Francisco wieder. "Ist das-?" "Die Golden Gate Bridge", erwiderte Inuyasha, als Kagome ihren Satz abbrach. "Und ich habe natürlich keine Kamera dabei", murmelte sie fluchend. "Wo geht es denn jetzt eigentlich hin?" Auf der Brücke zeigte er auf ein scheinbar weit entferntes Gebirge, das durch die Nebelschwaden kaum zu sehen war. Kagome saß ganz entspannt auf dem Beifahrersitz und genoss die laue Spätsommerbrise und die vielen fremden Eindrücke. Sie war sich nicht sicher, ob ihre Sorglosigkeit der Erschöpfung vom langen Flug zu verdanken war, oder weil sie Inuyasha mittlerweile einfach blind vertraute. Es dauerte keine halbe Stunde, bis sie einmal komplett um die Richardson Bay gefahren waren und eine ruhigere Ortschaft erreichten, fernab vom Großstadttrubel. "Belvedere, Tiburon", las Kagome auf einem Schild und überlegte kurz. "Ist das Italienisch?" Inuyasha nickte. "Es heißt, so viel wie: Schöne Aussicht" "Das kannst du laut sagen." Belvedere, war ein kleines Zipfelchen Stück Land, ganz in der Nähe von Angel Island. Der Ort war nicht nur von außen herum vom Wasser umgeben, auch mittendrin tummelte sich die sogenannte Belvedere Lagune. Über dessen Oberfläche ragten vier Straßen hinein. Inuyasha bog in die kleinste von ihnen, die mit Abstand auch die prächtigste war und wurde automatisch sehr viel langsamer. Edgewater Road, las Kagome auf dem Straßenschild. "In der Zwei, an der rechten Ecke, wohnt Ray und da hinten auf der linken Seite, die Neun, das ist Sam's Haus", sagte Inuyasha beiläufig. "Hübsch", gab Kagome zu und riss dann die Augen auf. "Moment! Ihr drei wohnt in der selben Straße?" "Ja", antwortete er gedehnt und runzelte die Stirn. "Wusstest du das noch nicht?" Kagome schüttelte den Kopf. "Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen, das habe ich dir nicht erzählt?", fragte er noch einmal. Kagome wiederholte demonstrativ das Kopfschütteln, woraufhin Inuyasha nur mit den Schultern zuckte. Sechs wunderschöne Villen auf jeder Seite zählte sie, bis die Straße auch schon endete und nach rechts und links abzweigte. Inuyasha bog nach links ab und hielt vor einem großen Eisentor. Edgewater Road 13. Es öffnete sich automatisch und Kagome überlegte wie das funktionierte. "Das Tor hat einen integrierten Sensor, der das Autokennzeichen scannt. Ist es gespeichert, öffnet es sich. Wenn es unbekannt ist, muss man aussteigen und klingeln", erklärte Inuyasha, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Die geräumige Auffahrt war kreisförmig angelegt und wand sich um einen beleuchteten, grauen Brunnen dessen Wasser fröhlich plätscherte. Rundherum standen schicke Nobelwagen und für sein Auto schien kein Platz mehr zu sein. Aber das störte Inuyasha überhaupt nicht. Ohne sich vorher genau umzusehen, stellte er seinen Wagen neben Eines ab, das nahe am Eingang stand und parkte es somit zu. Kagome löste ihren Gurt und schaute Inuyasha abwartend an. Seine Hände klammerten sich so fest um das Lenkrad, das die Fingerknöchel weiß hervortraten und einen Augenblick lang dachte sie, er würde den Wagen wieder anlassen, umdrehen und verschwinden. Stattdessen ließ er das Lenkrad seufzend los, zog den Schlüssel ab und stieg aus. Kagome folgte Inuyasha zur Eingangstür. "Vielleicht ist das ein geeigneter Moment, um dich zu warnen", meinte er. "Wovor?" "Vor dem was in diesem Haus lauert." Ein lautes Klingeln ertönte und Inuyasha blickte gekränkt auf Kagomes Finger. "Was auch immer hinter dieser Tür ist, ich bin mir sicher es ist nicht so schlimm wie du es darstellen willst." "Du hast ja keine Ahnung", grummelte er. "Das stimmt. Ich weiß nicht warum es dir so schwer fällt dieses Haus zu betreten, aber früher oder später müssen wir-" Weiter kam sie nicht, da die Haustür einen kleinen Spalt breit geöffnet wurde und eine zierliche blonde Frau mit Sommersprossen schüchtern hinauslinste. "Ja?", flüsterte sie beinahe lautlos. "Sie sind neu", stellte Inuyasha sofort fest. "Äh- ich habe gestern angefangen." "Wie heißen Sie?" "Liesel", hauchte das Dienstmädchen. "Okay, Liesel. Wir sind Hänsel und Gretel und unsere Brotkrumen führen direkt ins Haus." "Oh, V-Verzeihung. Bitte kommen Sie rein", stotterte sie und schloss die Tür, nachdem die beiden eingetreten waren. "Ähm- kann ich Ihnen etwas zu Trinken holen?", fragte Liesel, während sie ihnen die Taschen abnahm und an die Garderobe hängte. Sie zuckte schrecklich zusammen, als eine laute Frauenstimme ertönte und nach ihr rief. "Nein, das machen wir selbst. Verstecken Sie sich in der Küche", flüsterte Inuyasha, als näherkommende Schritte zu hören waren. "Ehrlich?", fragte Liesel mit erleichterten großen Augen. "Danke." Und schon war sie um die Ecke gehuscht. "Liesel, wer ist an der Tür?", fragte die Frauenstimme erneut und kam aus einem anderen Raum in den Eingangsflur geeilt. "Deine größte Enttäuschung", antwortete Inuyasha und winkte ihr gespielt fröhlich zu. "Hallo, Mutter." Die schöne, elegant gekleidete Frau beachtete ihren Sohn nicht weiter, sondern wandte sich augenblicklich seiner Begleitung zu. Kagome schluckte nervös. Sie konnte sich vorstellen, was diese Frau vor sich sah. Ein durchschnittliches Mädchen in verwaschenen Jeans, weißem T-Shirt und einer provisorisch zusammengebundenen Sturmfrisur, von der Autofahrt. Inuyashas Mutter musterte sie von Kopf bis Fuß und warf ihrem Sohn einen skeptischen Blick zu. "Zeig ihr, wo sie sich umziehen und herrichten kann. Und Inuyasha - ich erwarte Anstandskleidung", sagte sie, bevor sie sich abwandte und zur Geräuschkulisse im hinteren Teil des Hauses zurückkehrte, wo offensichtlich die Party stattfand. "Ich erwarte Anstandskleidung", äffte Inuyasha sie nach. Kagome starrte ihn ungläubig an. Dieser nickte nur und sagte spöttisch: "Willkommen in meiner ganz persönlichen Hölle." --------------------------------------------------------------------------------- An dieser Stelle gebe ich mal ein kurzes Statement ab. Ich habe viel Zeit investiert für die Recherchen und die Ortssuche. Belvedere und die Edgewater Road, sowie alles andere was ich beschrieben habe, gibt es natürlich wirklich. Ich persönlich war aber leider noch nie dort und musste mich mit den Eindrücken von Google Maps begnügen. Ich kann jedem, den es interessiert, nur empfehlen sich Belvedere mal mit Google Street anzusehen, um sich das besser vorstellen zu können. Das Haus der Taishous, habe ich selbst so "erfunden". Es ist also nicht das Originalhaus in dieser Straße. Warum ich mir ausgerechnet diesen Ort ausgesucht habe? Weiß ich auch nicht. Ich habe stundenlang gegooglet was das Zeug hält, um eine Stadt und eine Straße zu finden die umgebungsmäßig irgendwie meinen Kriterien entsprach, also: in Amerika, vorzugsweise in Kalifornien, nahe am Meer gelegen und Ortsnamen, die mich persönlich ansprechen. Letztendlich hatte ich die Wahl zwischen Ventura und Mill Valley, wo ich mich gegen Ventura entschied, weil ich Hollywood nicht zu nahe treten wollte. Also, Mill Valley und während ich mich da mit Google Street umgesehen habe, bin ich schließlich in Belvedere gelandet und fand es da sehr schön. Als ich die Edgewater Road gefunden hatte, stand mein Entschluss fest. Aus den eigentlich 15 Stunden Flugzeit, habe ich bewusst 10 gemacht, weil das gefühlt sonst einfach zu lange gedauert hätte. Ich habe bestmöglich recherchiert, aber da ich nicht weiß, wie das in Wirklichkeit so ist, entschuldige ich mich für mögliche Abweichungen, aber es ist ja nur eine Fanfiction und nur halb so wild, nicht wahr? ;) Kapitel 9: Kleine Lügen, kleine Küsse ------------------------------------- "Schneller, Kagome! Unser Zeitfenster ist begrenzt", hetzte Inuyasha und scheuchte sie eilig die Straße entlang. "Ich kann nicht glauben, dass du ernsthaft kein Kleid eingepackt hast!" "Aber ich habe doch ein schickes Kleid dabei!", protestierte sie beleidigt. "Ich hatte dir eine Liste mit akzeptablen Modemarken auf dein Bett gelegt", erwiderte er. "Ich dachte, das war ein Scherz!" "Wenn dich die Frauen darin sehen, zerreißen sie dich in Fetzen. Darüber mache ich keine Scherze." "Das ist doch lächerlich", schnaubte Kagome. "Natürlich ist es das. Aber in dieser Welt musst du lernen dich anzupassen, um zu überleben." Es wurde bereits dunkel, die Sonne war mittlerweile untergegangen und die Straßenlaternen flackerten auf. Inuyasha bog in eine der Auffahrten, stieg eilig die Stufen der Veranda hoch und schob die Blätter einer Topfpflanze beiseite. Hausnummer Neun. Das war Sam's Haus, erinnerte sich Kagome. Überrascht blickte sie auf den Schlüssel, den Inuyasha aus der Erde gegraben hatte und damit die Haustür öffnete. "Wenn ich Komplizin bei einem Einbruch wäre, würdest du mir das doch sagen, oder?", fragte sie verunsichert. "Das ist kein Problem", versicherte Inuyasha ihr und legte den Schlüssel zurück in den Topf. "Sam hätte nichts dagegen und ihr Vater ist nicht da. Wir stören niemanden, also komm schon." Als Kagome die Haustür leise hinter sich schloss, fühlte sie sich wie eine Kriminelle, aber sie folgte Inuyasha widerstandslos die Treppe hinauf. Er führte sie in einen Raum, der scheinbar Sam's Zimmer war und öffnete die Tür zum Kleiderschrank. Allerdings war der wohl eher ein Kleiderraum. "Such dir eins aus", sagte Inuyasha und blickte auf die Wanduhr. "Und beeile dich." Hastig ging Kagome die Kleiderreihen durch und ihr fielen Namen wie Givenchy, Burberry, Gucci, Prada und Armani entgegen. Es fiel ihr schwer, sich die rebellische Sam auch nur in einem dieser eleganten Kleider vorzustellen. Sie entschied sich für ein knielanges, Mitternachtsblaues Spitzenkleid mit halblangen Ärmeln, welches nicht allzu unbezahlbar wirkte und dazu nicht ganz so hohe, schwarze Peeptoes. Glücklicherweise hatten sie und Sam fast die selben Größen. Umgezogen und mit gekämmten, offenen Haaren fühlte sie sich wie ein kleiner Star auf dem roten Teppich. Sie trat aus dem begehbaren Kleiderschrank und präsentierte sich lächelnd, um die eigene Achse drehend vor Inuyasha. Doch statt eines Kompliments, erhielt sie nur einen drängenden Blick und sie folgte ihm eilig wieder hinaus. Sich aus dem Haus zu schleichen war sehr viel einfacher gewesen, als sich unentdeckt wieder hinein zu schmuggeln. Statt erneut an der Haustür zu klingeln, was zweifellos unliebsame Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte, schob Inuyasha sie durch ein dichtes Gebüsch, das sich zwischen der rechten Hauswand und der Grundstücksmauer, von der Auffahrt bis zum Garten entlangzog. "Hör zu, Kagome. Es gibt fünf Fluchtwege aus dem Haus. Der Erste, ist im Keller. Dort ist es etwas staubig doch dafür narrensicher-" "Inuyasha..." Kagome wollte ihn unterbrechen, wurde dann aber von einem gespalteten Zweig abgelenkt, in dem sich ihr Fuß verhakte. Mühsam versuchte sie ihn abzuschütteln, während die Blätter sie an der Nase kitzelten. "Und wenn die Bäume nicht beschnitten sind", fuhr Inuyasha fort, "vor dem Fenster des Badezimmers, steht eine ziemlich große Eiche, da kannst du problemlos runterklettern." "Das werde ich nicht tun!", zischte sie und kickte das Geäst gegen die Steinmauer. Inuyasha hatte ihren bissigen Ton bemerkt, blieb stehen und drehte sich stirnrunzelnd zu ihr um. "Warum bist du so gereizt?", fragte er. Sie seufzte. Vermutlich weil sie den ganzen Tag damit verbracht hatte über den Ozean zu fliegen, in ein Haus einzubrechen, ein Kleid zu stehlen und sich nun durch ein finsteres Gebüsch zu zwängen, damit seine scheinbar wahnsinnige Mutter nicht mitbekam, dass sie kurz weg waren. "Ich bin nur etwas müde von der Reise, schätze ich", sagte Kagome nur. "Schon gut, wir bleiben nicht sehr lange", erwiderte Inuyasha besänftigt und lief weiter. "Nur solange, dass es für ein paar vernichtende Blicke von meinem Vater reicht und für zwei oder drei Vorwürfe von meiner Mutter und wir gehen." Endlich hatten sie die andere Seite des Hauses erreicht und Kagome atmete erleichtert auf. Versteckt im Halbdunkel zupften sie sich schnell gegenseitig die kleinen Blätter von der Kleidung und aus den Haaren und Inuyasha führte sie schließlich um die Ecke. Die hintere Hauswand war hell erleuchtet. Haufenweise Lichterketten hingen an den Tür- und Fensterrahmen und rote Kerzen zierten die weißen Stehtische, die auf dem Rasen und auf der Terrasse standen. Am Rand der weiten Gartenfläche befand sich ein langer Holzsteg der ein Stück auf den See hinausführte. Ein kleines Ruderboot war an dem Mast festgebunden und schaukelte auf den weichen Wellen auf und ab. Die Party war schon in vollem Gang, klassische Musik ertönte aus dem Haus und man sah ungefähr fünfzig Leute trinken, lachen und sich unterhalten. Der Garten war schon ziemlich groß, aber bei so vielen extrem elegant gekleideten Menschen auf einem Haufen, wirkte es doch recht einschüchternd auf Kagome. "Oh Mann, hier ist es fast schlimmer als bei einem großen Schlussverkauf", rutschte es ihr heraus. Inuyasha lachte kurz auf. "Tu mir einen Gefallen und wiederhole diese Worte, wenn meine Mutter gleich auftaucht. Für ihre Verhältnisse ist das eine kleine Feier." Kagome bewegte sich nicht vom Fleck, als Inuyasha weitergehen wollte. Er legte seine Hand auf ihren Rücken und drückte sie vorwärts, bis Kagome schließlich ein Bein vor das andere stellte und sich zu den Getränken führen ließ. "Willst du etwas trinken? Ich glaube die sind uns schon drei Martinis voraus", sagte er und nahm bereits zwei glänzende Gläser in die Hand. "Ich nehme nur ein Wasser." "Kommt sofort." Er legte noch zwei kleine Eiswürfel in beide Wassergläser und reichte eins Kagome. Sie trank eilig das halbe Glas aus und atmete tief durch. Sie strich ein paar Mal über ihr Kleid und vergewisserte sich, dass es richtig lag. Inuyasha hatte es da leichter. Er hatte sich nur schnell ein schwarzes Jacket über sein Shirt gezogen und es noch in die Hose gesteckt. Selbst seine schwarzen Sneaker hatte er anbehalten. Kurz beneidete sie ihn. "Inuyasha, da bist du ja", sagte eine bekannte Stimme hinter ihrem Rücken. "Zu spät!" Inuyasha verzog leicht das Gesicht, Kagome drehte sich um und stellte sich dicht an seine Seite. "Ist das Feuerwerk schon vorbei?", fragte Inuyasha und setzte einen überraschten und zugleich enttäuschten Blick auf. Seine Mutter stutzte und schüttelte verwirrt den Kopf. "Hier gibt es heute kein Feuerwerk." "Na, dann bin ich auch nicht zu spät", erwiderte Inuyasha, trank hastig einen Schluck Wasser und schaute scheinbar interessiert durch die Gegend. Er verstand es offensichtlich hervorragend sich herauszureden. "Willst du mir deine Begleiterin nicht vorstellen?", fragte sie schließlich und Kagome zuckte unweigerlich zusammen. "Also, wenn du schon so fragst, eigentlich nicht-", begann Inuyasha, kassierte dafür aber einen scharfen Blick. "Mum, Kagome Higurashi. Kagome, Izayoi Taishou." "Freut mich sehr", sagte Kagome und reichte ihr mit einem krampfhaften Lächeln die Hand. Izayoi schüttelte sie kurz und zog sich schnell wieder zurück. "Ja, gleichfalls. Ein sehr hübsches Kleid, das steht dir gut." "Danke, ich-" "Wie viel bezahlt mein Sohn dir, damit du dich für seine Freundin ausgibst?" "Äh-" "Gar nichts!", unterbrach Inuyasha und wirkte ehrlich entrüstet. "Sie ist eine Mitschülerin und keine Hure!" "Als wäre das so abwegig", protestierte seine Mutter. "Ich erinnere mich noch zu gut, an die kleine Obdachlose, die du angeschleppt hast." "Für das Entertainment. Sie war eine sehr gute Gitarristin." "Und ihr Köter hat überall seine Flöhe verteilt." "Wir sind wirklich ein Paar", sagte Kagome schnell um die hitzige Diskussion zu beenden und nahm Inuyashas warme Hand, was ihre Worte noch einmal bekräftigte. Er warf einen schnellen überraschten Blick auf den unerwarteten Körperkontakt. "Ich bin dieses Jahr auf Musashi gewechselt. Wir gehen in die selbe Klasse und bei einem gemeinsamen Chemieprojekt haben wortwörtlich die Funken gesprüht." Izayoi blickte misstrauisch von einem zum anderen. Inuyasha hob Kagomes Hand und drückte einen flüchtigen Kuss auf ihren Handrücken. Sie spürte, dass sie rot anlief und ihre Ohren ganz heiß wurden. Das schien seine Mutter mehr oder weniger zu überzeugen. "Nun, dann freue ich mich wirklich dich kennenzulernen, Kagome", sagte sie, rang sich sogar ein Lächeln ab und schüttelte ihre freie Hand - dieses Mal deutlich kräftiger und langsamer. "Wie findet ihr die Feier? Ist das nicht wundervoll? Alle amüsieren sich", wechselte Izayoi das Thema und blickte zufrieden auf ihre Gäste. "Ja Mum, aber findest du nicht eine Nummer kleiner würde es auch tun?" "Ich habe schon viel weggelassen", beharrte sie. "Zwei Sorten Canapes weniger und auch kein Champagnerbrunnen und das Personal ist reduziert auf sechs Kellner, den Oberkellner nicht mitgezählt." "Denn ohne Oberkellner, wäre es hier Oberblöd", erwiderte Inuyasha und warf Kagome einen vielsagenden Blick zu. Sie traute sich nicht zu lächeln. Seine Mutter schaute ihn beleidigt an. "Wenn es zu billig aussieht, denken die Leute man hätte keinen Erfolg." "Nimm ihnen den Sauerstoff weg, dann hören sie auf zu denken." "Ich überhöre diese Bemerkung und mache mich auf die Suche nach deinem Vater." "Er ist der Typ im Anzug", rief Inuyasha ihr nach, aber glücklicherweise war sie schon zu weit weg und die Musik zu laut. Er drückte noch einmal Kagomes Hand und ließ sie dann los. "Danke, Kagome. Gut reagiert." "Kein Problem", murmelte sie und spürte das nachdrückliche Prickeln auf ihrer Haut. "Also, ich habe schon fünf Leute ausgemacht die ich hasse. Zehn, die ich schon einmal gesehen habe und deren Namen ich nicht mehr weiß und dreißig die ich überhaupt nicht kenne, die aber trotzdem von mir erwarten dass ich sie begrüße", sagte Inuyasha und verzog gequält das Gesicht. "Klingt ja furchtbar", erwiderte Kagome aufrichtig. "Ja. Du musst ein Ablenkungsmanöver starten, wenn uns irgendjemand begrüßen will." "Was?" "Du bist eindeutig im Vorteil, hier kennt dich keiner. Du kannst niemanden kränken, weil du seinen Namen nicht weißt." Kagome wollte etwas sagen, aber Inuyasha überging ihren Protestversuch einfach. "Wenn also jemand zu uns kommt, trinke ich einen Schluck Wasser, weil ich mit vollem Mund nicht reden kann. Dann kommst du, gibst ihnen die Hand und sagst: Guten Tag, Kagome Higurashi und Sie sind? Ich bin Mr. Miregal. Mittlerweile habe ich runtergeschluckt: Oh, hi Mr. Miregal, ich bin Inuyasha, wissen Sie nicht mehr? Der seine Eltern in den Wahnsinn treibt? Genau der! Schön Sie zu sehen. Ebenfalls. Es freut mich sehr, einen schönen Abend Bla Bla und Schnitt! Alles klar, soweit?" "Nein, kann ich das Drehbuch noch einmal sehen, bitte?", fragte Kagome und verschränkte die Arme. "Überlass den Sarkasmus lieber mir, Schatz", antwortete Inuyasha und füllte sein Wasser nach, um für die bevorstehenden Gespräche gewappnet zu sein. Kapitel 10: Große Pläne ----------------------- "Guten Abend, mein Name ist Kagome Higurashi", sagte sie lächelnd und reichte dem älteren Paar die Hand. "Ich bin Warren Fielding", erwiderte der nette Mann mit der Halbglatze. "Das ist meine Frau, Joy." "Freut mich sehr, Warren und Joy." Kagome betonte die Namen sehr deutlich. "Hi, Warren", sagte Inuyasha, nachdem er das Wasser hinuntergeschluckt hatte und reichte den beiden ebenfalls grüßend die Hand. Dieser scheinheilige Heuchler. "Erkennen Sie mich noch? Inuyasha." "Ja, nett Sie mal wiederzusehen." "Wir wollten uns gerade auf den Heimweg machen, es ist schon sehr spät", sagte Joy und wandte sich zum gehen. "Vielleicht unterhalten wir uns ein anderes Mal etwas ausführlicher?" "Ja, das machen wir", erwiderte Kagome. "Bis dann, Joy", rief Inuyasha ihnen nach und grinste triumphierend. "Genau so habe ich mir das vorgestellt und allmählich müssten wir sie auch alle durch haben." Kagome atmete erleichtert auf. Zwei Stunden unzähliges Händeschütteln und permanentes Lächeln war anstrengender als es sich anhörte. Lauter Namen und höfliche Floskeln purzelten in ihrem Kopf herum und sie sehnte sich nach einem weichen Kissen. "Das Schlimmste haben wir hinter uns", sagte Inuyasha und klopfte auf ihre Schulter. "Und lange dauert es auch nicht mehr. Schau mal, einige gehen schon." Er deutete auf ein paar Leute, die sich auf der Terrasse voneinander verabschiedeten. Plötzlich griff er nach ihrer rechten Hand und sie spürte erneut dieses verwirrende Prickeln und die Hitze seiner Haut. Wie konnte die Hand eines Menschen so warm sein? Er drückte ihre Finger leicht und sie blickte auf. Seine Mutter stand vor ihnen. "Amüsierst du dich, Kagome?" Diese Frage klang wie ein Test und war ganz bewusst an sie gerichtet. Inuyashas Meinung wollte sie wohl nicht hören. "Ja, es ist sehr schön hier", antwortete Kagome. "Ich habe heute viele interessante Menschen kennengelernt." "Es ist gut, Kontakte zu erfolgreichen Menschen zu knüpfen. Du weißt nie, wann das mal hilfreich sein kann", lächelte Izayoi zufrieden. "Ich habe leider eine schlechte Nachricht. Einer meiner Gäste ist allein und ohne Fahrer hergekommen und hat in den letzten Stunden zu viel getrunken. Er kann unmöglich heute noch mit dem Auto fahren. Deshalb habe ich ihm das Zimmer zum übernachten angeboten, das eigentlich für dich gedacht war. Ich habe ein Gästebett in Inuyashas Zimmer aufstellen lassen, ich hoffe das ist kein Problem für euch." "Nein, Mum, das ist kein Problem." "Absolut nicht", ergänzte Kagome. Schließlich teilten sie sich jede Nacht ein Zimmer. "Da bin ich aber erleichtert! Ich hatte befürchtet, es könnte vielleicht unangenehm sein, aber ihr scheint euch ja recht nahe zu stehen-" "Wo ist Dad?", unterbrach Inuyasha sie. Er hatte die misstrauischen Blicke, die sie Kagome wieder zuwarf auch bemerkt. Sie schien noch immer zu glauben, dass an ihrer Beziehung etwas nicht stimmte. Izayoi zeigte auf eine relativ abgelegene Ecke nahe am See. Zwei Männer, beide in dunklen Anzügen gekleidet, flüsterten verschwörerisch miteinander. Da einer der Männer fast platinblondes Haar hatte, vermutete Kagome, dass der Andere Inuyashas Vater war. Sie konnte ihn nicht richtig sehen, weil er ihr mit dem Rücken zugewandt stand. "Er spricht mit Mr. Birch über Geschäftliches", sagte Izayoi. "Ah, der Vater der irren Sarah", nickte Inuyasha wissend und verzog das Gesicht. "Sei nicht gemein, ihr habt früher miteinander gespielt", tadelte sie. "Sie hat ihren Puppen die Köpfe abgerissen und sie dann auf einen anderen Körper gesetzt", erwiderte er spöttisch, "und sie hat auch mit ihnen gesprochen." "Können wir das Thema wechseln?", warf Kagome schnell ein, als sich Izayois Blick verfinsterte. "Du bist unmöglich!" "Wir sollen das Thema wechseln." "Alles für dich ist ein Witz. Kannst du denn nie ernst bleiben?", warf sie ihm vor. In diesem Moment trat Inuyashas Vater neben sie und legte seine Hand um ihre Schulter. Er war groß und stattlich, neben ihm wirkte Izayoi sehr zerbrechlich. Vereinzelte graue Strähnen zierten sein schwarzes Haar und er hatte sehr markante Gesichtszüge. Inuyasha sah seinem Vater nicht unähnlich, aber bei genauerem Betrachten hatte er äußerlich doch mehr von seiner Mutter. "Entschuldige", sagte er und drückte Izayoi einen vertrauten Kuss auf die Wange. "Die Arbeit hat mich wieder mitgerissen. Habe ich etwas verpasst?" "Ich habe mich unmöglich benommen und jetzt bin ich für sie ein Komiker", antwortete Inuyasha, ließ Kagomes Hand los und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine typische Abwehrhaltung, bemerkte Kagome. "Ah, das ist ja nichts Neues. Bitte, nur weiter", sagte Mr. Taishou. "Dein Sohn, hat sich über die Tochter deines Kollegen lustig gemacht. Er-" "Jemand hat mein Auto zugeparkt!", unterbrach sie eine ärgerliche Männerstimme. Alle Blicke wanderten sofort in Richtung Hauseingang, nur Inuyasha schaute in die entgegengesetzte Richtung, auf den schwarzen See hinaus, wo in der Ferne kleine Lichter schimmerten. "Inuyasha, fahr deinen Wagen weg", sagte Izayoi sofort. "Warum beschuldigst du immer direkt mich?", fragte er verärgert. "Weil du es immer bist." "Keine Streitereien, bitte", sagte Mr. Taishou. "Inuyasha, lass den Mann nach Hause fahren." "Na, schön", meinte er und übergab Kagome sein Wasserglas, bevor er zum Haus ging und die Vorwürfe des Mannes einfach abwinkte. Kagome fühlte sich furchtbar ausgeliefert, mit seinem fast leeren Glas in der rechten, ihr noch volles Glas in der linken Hand. Vor ihr standen die Eltern ihres vermeintlichen Freundes. "Nun, erzähl mal, Kagome", sagte sein Vater und Kagome schluckte. Das Kreuzverhör begann. "Ja, doch. Hör endlich auf, den Brüskierten zu spielen", murmelte Inuyasha genervt vor sich hin, während er seinen Audi ein Stück nach vorne fuhr, damit der noch immer schimpfende Gast hinausfahren konnte. "Ich wohne hier, eigentlich solltest du dich bei mir dafür entschuldigen, dass du auf meinem Parkplatz stehst." Der Mann warf ihm noch einen wütenden Blick zu, als er an ihm vorbei und schließlich durch das Tor fuhr. Inuyasha stellte augendrehend den Rückwärtsgang ein und besetzte gekonnt die nun freie Parklücke. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, als er zurückkam. Vielleicht betretenes Schweigen, gemischt mit ein paar prüfenden Blicken. Oder, dass seine Eltern Kagome mit ihren Ansprüchen völlig auseinandernahmen. Etwas in der Art, aber ganz bestimmt nicht, dass die drei eine angeregte Unterhaltung führten und dabei sogar entspannt lachten. "Da bin ich wieder", sagte er zögerlich. "Hier", entgegnete Kagome nur, drückte ihm sein Wasserglas in die Hand und wandte sich wieder seinen Eltern zu. "Inuyasha, deine Freundin ist wirklich entzückend!", lächelte Izayoi. "Wie bitte?", fragte er und richtete seinen verwirrten Blick abwechselnd auf seine Eltern und Kagome, als würde er einem Tennismatch zusehen, während sie fortfuhren. "Musashi verleiht nur ein Stipendium pro Jahr und das ist heiß begehrt", sagte sein Vater und nickte bewundernd. "Du musst sehr stolz auf dich sein, dass du es erhalten hast." "Ich musste mein gesamtes Leben umkrempeln, aber es hat sich wirklich gelohnt. Diese Schule ist großartig!" Wieder lachten die drei. Verwirrt runzelte Inuyasha die Stirn und rief plötzlich: "Okay, Halt, Stopp mal kurz, Auszeit!" Sie hörten auf zu lachen und sahen ihn abwartend an, während er versuchte die passenden Worte zu finden. "Ich verstehe das nicht ganz. Eben als ich gegangen bin, hast du Kagome noch abgrundtief gehasst, Mum. Und nun findest du sie plötzlich entzückend?" "Worauf willst du hinaus?", fragte sie. "Ich war nur fünf Minuten weg. Was ist passiert zwischen Hass... und dem hier?" "Ich verstehe nicht, was du meinst. Kagome hat ein bisschen was von sich erzählt und wir mögen sie. Sie ist erstaunlich." "Okay, also die erstaunliche Kagome ist jetzt müde", sagte er schlecht gelaunt, noch immer mit gerunzelter Stirn. "Wir sollten nach oben gehen und schlafen. Wir müssen morgen sehr früh im Flieger sitzen." "Kannst du neuerdings Gedanken lesen?", fragte Izayoi. "Bist du müde?" "Ja, schon", antwortete Kagome ihm und es war die absolute Wahrheit. "Tada", murmelte Inuyasha. "Also schön, es ist wirklich recht spät geworden. Lass uns die übrigen Gäste verabschieden", sagte sein Vater und schob Izayoi zur Terrasse. "Was hast du bloß getan?", fragte Inuyasha zerknirscht, sobald sie außer Hörweite waren. "Was meinst du?" "Du hast sie dazu gebracht, dich zu mögen! Wieso tust du so etwas? Und vor allem, wie hast du das getan?" "Ich habe ihnen bloß von meiner Familie erzählt, wo ich aufgewachsen bin und wie ich auf Musashi angenommen wurde. Ich war ehrlich und freundlich, woher sollte ich denn wissen, dass du damit ein Problem hast? Das nächste Mal, spucke ich ihnen einfach ins Gesicht." "Wenn meine Eltern dich mögen, werden sie erwarten, dass ich dich zu späteren Feiern ebenfalls mitbringe. Aber wenn ich mit dir Schluss mache, werden sie mich mit lauter Vorwürfen plagen." "Dann mach nicht mit mir Schluss." Die Worte hatten ihren Mund schneller verlassen, als sie denken konnte. "Was?", fragte Inuyasha verständlicherweise überrascht. "Ich meine, dass ich nichts dagegen habe zukünftig deine Freundin zu spielen." "Du hast nach diesem Abend noch nicht genug?" Er starrte sie ungläubig an. Izayoi rief sie ins Haus, bevor sie ihm antworten konnte. Sein Vater schüttelte Mr. Birch die Hand und schloss hinter ihm die Haustür, als Inuyasha und Kagome den Eingangsflur betraten. Neben ihnen stand ein Mann mittleren Alters mit geschlossenen Augen und wippte langsam vor und zurück. Das war offensichtlich der betrunkene Gast, der das Gästezimmer belegte. "Es war eine tolle Party, Mum. Wir gehen dann jetzt nach oben." "Es sei denn Kagome möchte noch eine Führung durch das Haus." "Oh, okay. Flur, Treppe, oben", sagte Inuyasha und begann in verschiedene Richtungen zu zeigen. "Äh, Esszimmer, Küche, Klavierbereich für den es keine richtige Bezeichnung gibt und da hinten ist das Wohnzimmer mit dem gigantischen Fernseher. Das ist kein Witz, der ist größer als ich. Das reicht, oder?" "Ja, ich glaube eine Führung ist nicht mehr nötig", stimmte Kagome zu. "Na, schön", seufzte Izayoi und führte ihren Gast vorsichtig die breite Treppe hinauf. "Ich glaube, eure Taschen liegen noch im Gästezimmer." "Ich hole sie", sagte Inuyasha. "Geh du schon mal vor, Kagome. Ganz oben, um die Ecke, die letzte Tür." Kagome lief die Treppen hinauf, bis zur obersten Etage. Die Stufen endeten und sie ging um die linke Ecke. Sie sah drei Türen, zwei rechts und eine links. Die beiden hinteren Türen lagen parallel zueinander. Die letzte Tür? Einen Moment lang überlegte sie, einfach an Ort und Stelle zu warten, öffnete dann aber die linke Tür. Das Zimmer war groß und in verschiedenen Blautönen gehalten. Von fast schwarzem Dunkelblau bis zu einem eisigen Hellblau, das fast in Weiß überging. Schwere Vorhänge verdeckten die Sicht nach draußen. Die Wände waren nackt und ein gewaltiges Himmelbett beherrschte den Raum, der steril wirkte und kalt und irgendwie leblos. Die Luft war so stickig, als wäre seit Jahren das Fenster nicht geöffnet worden. "Nicht dieses Zimmer!", rief Inuyasha hinter ihr und zog die Tür so schnell zu, dass es laut knallte. Kagome zuckte erschrocken zusammen und schaute Inuyasha verunsichert an. Zähneknirschend deutete er auf die gegenüberliegende Tür. "Das ist mein Zimmer", murmelte er. "Tut mir leid, du sagtest die letzte Tür, ich wusste nicht-" "Ja, ich meinte die letzte Tür, weil auf der Seite zwei Türen sind-" "Klar, verständlich, die letzte Tür weil da zwei Türen sind. Ich hätte selbst darauf kommen sollen", sagte sie schnell. Sie hatte das unangenehme Gefühl etwas Verbotenes getan zu haben. "Mein Rucksack, Dankeschön." Sie nahm ihm eilig ihre Tasche ab und folgte ihm in das gegenüberliegende Zimmer. Es lag in Richtung Garten und schien das komplette Gegenteil zu sein. Das breite Panoramafenster bot einen zauberhaften Blick auf den See und die funkelnden Lichter der Stadt. Die Möbel waren in leichten Braun- und Grüntönen gehalten mit weißen und roten Einsprengseln. An der linken Wand standen einige Regale und ein Schreibtisch. Über dem Tisch hing eine riesige Weltkarte, umrahmt von vielen kleinen Bildern und Postkarten, die verschiedene Sehenswürdigkeiten zeigten. Auf der rechten Seite des Zimmers führten ein paar Stufen auf die Halb-Etage, auf der ein großes Doppelbett und auch ihr Gästebett stand. Darunter befand sich eine gemütliche Sitzecke, bestehend aus einem kleinen Sofa, zwei Sesseln und ein Haufen Kissen die wahllos in der Ecke herumlagen. Kagome fühlte sich auf der Stelle wohl. "Hier ist das Badezimmer", sagte Inuyasha, öffnete die Tür neben der Zimmertür und tastete nach dem Lichtschalter. Das Licht war greller als im Schlafzimmer und wurde durch die Spiegelungen auf den weißen Kacheln noch verstärkt. Auf der gegenüberliegenden Wand, befand sich eine weitere Tür, die sehr wahrscheinlich in das kalte Zimmer führte. Aber ein rustikaler kleiner Schrank stand direkt davor und versperrte den Weg. "Sieh dir das an, zwei Waschbecken", sagte sie. "Das ist so nobel. Ich könnte mir hier die Zähne putzen, und darein ausspucken." "Wenn es dich glücklich macht." Inuyasha schloss die Tür und Kagome kramte in ihrer Tasche nach dem Schlafanzug und ihrer Zahnbürste. Dann legte sie ihre Kleidung ab und sprang unter die Dusche. Sie hieß die warmen Wasserstrahlen willkommen und stellte die Temperatur in kleinen Abständen immer heißer ein, bis sie das Gefühl hatte, dass sich alle Verspannungen in ihrem Körper gelöst hatten und ihre Haut von der Hitze ganz rötlich wurde. Nachdem sie sich abgetrocknet und die Zähne geputzt hatte, schlüpfte sie in den süßen gelben Pyjama. Während Kagome sich mit ihrer Bürste durch die nassen Haare fuhr, schaute sie sich die Postkarten über dem Schreibtisch noch einmal genauer an. Es waren Bilder von Florenz, Prag, Berlin, Dubai und vielen anderen berühmten Städten, die Kagome aber nicht sofort einordnen konnte. Auf der Weltkarte steckten haufenweise rote Stecknadeln und einige vereinzelte blaue Nadeln. Auf dem Tisch standen ein kleiner Stapel Notizbücher, drei verschiedene Spiegelreflexkameras und eine kleine silberne Digitalkamera, die sich neben ihren großen Kollegen vermutlich ziemlich unzulänglich fühlte. "Was hat es mit den Stecknadeln auf sich?", fragte Kagome und Inuyasha stellte sich neben sie. "Die blauen Nadeln kennzeichnen die Orte an denen ich schon war und-" "Und die Roten, wo du noch hin willst?", ergänzte Kagome und er nickte. "Da hast du dir aber ganz schön was vorgenommen." Es waren wirklich sehr viele rote Nadeln. "Bei so vielen Zielen kannst du ja gleich eine ganze Weltreise machen." "Genau das habe ich vor", erwiderte Inuyasha und griff nach dem obersten Notizbuch auf dem Stapel. "Sobald ich den Abschluss gemacht habe, geht es los." Kagome blickte auf die beschriebenen Seiten, eine Mischung aus Tabellen, Notizen und kleinen Berechnungen. "Du hast wirklich eine Weltreise geplant?" "Bis ins kleinste Detail. Ich habe schon die genaue Route festgelegt, diese an die idealen Wetterbedingungen der Länder angepasst, bestimmt wie lange ich wo bleibe und welche Hotels ich buche." "Und deine Eltern bezahlen das alles?" "Pfft, nein. Sie sind gegen diese Reise und mein Vater glaubt auch nicht, dass ich das wirklich durchziehe." "Wer übernimmt dann die Kosten?", fragte Kagome und blätterte in einem anderen Notizbuch. "Na, ich selbst, wer sonst? Ich spare für diese Reise schon seit ich neun Jahre alt bin und da ist bereits einiges zusammengekommen." "Und das reicht für all die Dinge die du dir vorgenommen hast?" "Noch nicht, aber bis zum Abschluss in drei Jahren werde ich schon das nötige Budget gespart haben." "Du bist ja zuversichtlich", erwiderte Kagome und lächelte leicht. "Notfalls kannst du ja auch ein paar Dinge auf deiner Liste streichen." "Bevor das passiert, versuche ich lieber eine Bank auszurauben." "Ich vermute, die hier begleiten dich auf deiner Weltreise", sagte sie und hob eine der Spiegelreflexkameras vorsichtig hoch. Es war eine analoge Kamera, bei der man noch den Film entwickeln lassen musste. "Meine Lieblingskamera. Sie ist sehr alt und gilt eigentlich als defekt, weil sie einen starken Lichteinfall hat, aber genau das macht die Fotos immer so interessant." Kagome blickte ihn fragend an. "Warte, ich zeige es dir." Er zog aus einem Regal zwei Foto-Ordner heraus und legte sie geöffnet nebeneinander auf den Schreibtisch. Durch den Lichteinfall waren auf den Bildern bunte Streifen und lange Sonnenstrahlen zu sehen, wo hingegen die Fotos in dem anderen Ordner langweilig perfekt aussahen, aber immer noch wunderschön. Man konnte den Unterschied deutlich erkennen. "Diese Bilder sind alle von dir? Bist du Fotograf?", fragte Kagome und blätterte weiter. Inuyasha nickte wieder und beobachtete Kagomes faszinierten Gesichtsausdruck. Die Motive waren sehr unterschiedlich. Ob nun Landschaften, Tiere oder Portraits. Es war fast alles vertreten. "Die sind Fantastisch. Darf ich noch mehr sehen?" Er zuckte nur mit den Schultern und Kagome zog einen dritten Ordner aus dem Regal. Dieser war voller Hochzeitsfotos von verschiedenen Paaren und ihren Gästen. "Kleine Nebenverdienste für die Verwirklichung der Reise", erklärte Inuyasha. "Ein Hochzeitsfotograf verdient ziemlich gut." "Aber am liebsten machst du das nicht", stellte sie fest. "Wenn man sie mit deinen anderen Bildern vergleicht kann man das irgendwie sehen - Wer ist das?" "Wer?" Kagome tippte auf eines der Fotos. "Dieses Mädchen. Sie ist auf sehr vielen Bildern zu sehen." "Das ist niemand", sagte Inuyasha grob, nahm ihr die Ordner weg und stellte sie zurück ins Regal. "Es ist spät, wir sollten jetzt wirklich schlafen gehen." Er drehte sich um, stieg die Treppen zur Halbetage hinauf und warf sich auf sein Bett. "Okay", flüsterte Kagome verwirrt und schaltete das Licht aus. --------------------------------------------------------------------------------- Joy Fielding ist eine kanadische Schriftstellerin und Schauspielerin. Sie lebt mit ihrem Mann Warren in Toronto und Palm Beach und hat zwei Töchter, Shannon und Annie. Wikipedia Joy Fielding ist eine meiner Lieblingsautoren, was mich dazu veranlasste dem älteren Paar vom Anfang des Kapitels, ihren und den Namen ihres Mannes zu verleihen. Kapitel 11: Ihr Geständnis -------------------------- In Inuyashas Zimmer zu schlafen, erwies sich für Kagome schwieriger als erwartet. Es war absolut nicht vergleichbar mit dem Internat. Dort war es ihr Zimmer. Sein Zimmer. Das Zimmer von ihnen beiden. Aber das hier war ganz und gar Inuyashas Reich. Auch wenn es eigentlich die gleiche Situation war: Er ein Bett, sie ein Bett, nebeneinander aufgestellt, war das Gefühl dabei doch ganz anders. Sie übernachtete zum ersten Mal bei einem Jungen und das machte sie irgendwie nervös. Mal davon abgesehen, dass sie noch immer aufgedreht von den Ereignissen des Tages war. Sie versuchte sich ein Bild von Inuyashas Familie zu machen. Sie wirkten nicht besonders harmonisch zusammen und es war offensichtlich, dass Inuyasha sich in der Gegenwart seiner Eltern nicht wohlfühlte. Aber obwohl er hauptsächlich mit seiner Mutter gestritten hatte, glaubte Kagome, dass die Beziehung zu seinem Vater noch viel schlechter war. Er schien ein sehr freundlicher Mann zu sein, aber wie Inuyasha diese abweisende Haltung eingenommen hatte, nachdem sein Vater zu ihnen gestoßen war- Das Rascheln seiner Bettwäsche riss sie aus ihren Gedanken. Es war kurz ganz still. Dann raschelte es erneut und noch einmal. Inuyasha wälzte sich ein paar Mal im Bett hin und her. Schließlich setzte er sich auf und Kagome konnte seine Silhouette deutlich erkennen. Sie kniff die Augen zusammen, als er an ihr vorbeischlich und leise die wenigen Stufen der Halbetage hinunterging. Erst als sie ganz sicher war, dass er weit genug weg stand und sie nicht sehen konnte, traute sie sich die Augen wieder zu öffnen. Verstohlen blinzelte sie in der Dunkelheit und versuchte seine Gestalt durch das hölzerne Geländer auszumachen. Er trat an das große Panoramafenster und blickte hinaus. Einen Moment lang verharrte er, als würde er einen bestimmten Punkt in der Ferne fixieren. Kurz darauf legte er seine Stirn auf das kühle Glas und seufzte. Um Inuyasha besser beobachten zu können, hatte sie ihren Kopf ein wenig vom Kissen gehoben und verfiel eilig in die vorherige Position, als er sich abrupt vom Fenster wegdrehte. Sie lauschte seinen dumpfen Schritten, die man wegen des Teppichbodens kaum wahrnehmen konnte. Dann hörte sie eine Tür, wie sie geöffnet und wieder geschlossen wurde. Als die Zeit, Minute um Minute verging und Kagome nicht das kleinste Geräusch hörte, wurde sie ungeduldig. Sie wartete noch ein wenig, dann stieg sie langsam aus ihrem Bett. Dabei erstarrte sie immer wieder und horchte, bereit sich jederzeit wieder zurückfallen zu lassen. Aber es war vollkommen still. Sie huschte die Stufen hinunter und schaute zur Badezimmertür. Durch den Türspalt unten schien kein Licht, also war Inuyasha wohl durch die andere Tür nach unten gegangen. Neugierig ging sie zum Fenster. Abermals war sie von der Aussicht beeindruckt. Weit hinten am Horizont konnte man ein Stück vom funkelnden San Francisco sehen, das aussah als stünde es auf einer glänzenden schwarzen Fläche. Sie blickte, wie Inuyasha zuvor, nach links und sah die nächstgelegene Straße, die ebenfalls auf den See führte und ein gutes Stück länger war. Einige der Häuser waren so nahe, dass man sie trotz der Dunkelheit ziemlich gut sehen konnte. Aber Kagome konnte nichts erkennen, dass irgendwie besonders hervorstach. Sie überlegte, ob sie nicht einfach wieder unter die Bettdecke schlüpfen und endlich versuchen sollte zu schlafen. Sie entschied sich dagegen, ihre Neugier war zu stark. Langsam und behutsam drückte sie die Klinke der Zimmertür runter und schlüpfte hinaus. Im Flur war es etwas dunkler, weil hier keine Lichter durch ein Fenster schimmerten, aber Kagomes Augen waren schon so sehr an die Schwärze gewöhnt, dass sie schnell die Umrisse der Wände und Treppenstufen ausmachen konnte. Erst als sie das Erdgeschoss erreicht hatte, konnte sie ein leises Klappern hören. Sie folgte dem Geräusch durch den Eingangsflur, an der Haustür vorbei und erreichte das Esszimmer, das von einem langen, breiten Tisch beherrscht wurde, welcher mitten im Raum stand. Die Tür am anderen Ende des Zimmers, und des Tisches, war angelehnt und schummriges Licht fiel durch den Spalt. Kagome schob sie auf und sah Inuyasha, der in der Küche stand und einen der oberen Schränke öffnete. "Inuyasha", flüsterte sie. Er zuckte leicht zusammen und wirkte mehr als überrascht sie zu sehen. "Was machst du?" "Tee." "Was?" "Ich mache Tee. Habe ich dich geweckt?" "Nein, ich war schon wach", antwortete sie kopfschüttelnd und ging auf ihn zu. Er streckte sich um das oberste Fach im Schrank zu erreichen. Dabei schob sich sein Shirt etwas nach oben. Sie schaute schnell weg. "Das hätte mich auch gewundert", sagte Inuyasha, holte zwei Tassen hervor und stellte sie auf die Arbeitsplatte. "Was meinst du damit?" "Du bist noch nie aufgewacht, wenn ich Nachts aufgestanden bin." Er hob eine stark dampfende Kanne an und schüttete das köstliche Gebräu in die beiden Tassen. "Heißt das, du stehst öfters mitten in der Nacht auf und kochst Tee?", fragte Kagome verblüfft. "Ich koche nicht jedes Mal Tee",schmunzelte er. "Aber ja, so ist es. Und du schläfst wie ein Stein." "Vielleicht bist du einfach nur immer sehr leise", rechtfertigte sie sich. "Vor ungefähr zwei Wochen, bin ich beim Aufstehen über das Kabel der Lampe gestolpert und habe sie dabei vom Nachttisch gerissen. Es war ein sehr lautes Scheppern direkt vor deiner Nase, aber du hast einfach weiter geschnarcht", erklärte er. "Ich schnarche nicht!" Sie verzog ärgerlich das Gesicht. "Das ist die Information, die dich am meisten beschäftigt?", lachte er. "Wenn es anfangen würde zu brennen, würdest du vermutlich selbst das verschlafen. Das ist besorgniserregend." "Na, dann ist es ja gut, dass ich dich habe. Du würdest mich vor den Flammen retten", lächelte Kagome verschmitzt. Inuyasha hob die Augenbrauen und lehnte sich mit einer Hand gegen die Arbeitsplatte. "Ach, würde ich das, ja?" "Ja, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber die Sache ist - ich habe schon oft bei Freundinnen übernachtet. Und keine von ihnen hat je behauptet, dass ich schnarchen würde. Also kann das nicht stimmen." "Oh, doch. Du schnarchst. Manchmal sogar ziemlich laut", beharrte er, reichte ihr eine der heißen Tassen und deutete auf die Küchentheke, an der einige Barhocker standen. Sie setzten sich und Kagome legte ihre Hände um das Gefäß. Herrlich warm und der Dampf duftete nach Kamille. "Zucker?", fragte Inuyasha und zog einen Zuckerstreuer zu sich heran. Sie schüttelte den Kopf und zählte. Zwei, drei, vier Teelöffel Zucker! Inuyasha mochte es also gerne sehr süß. "Wieso schläfst du Nachts nicht durch?", fragte Kagome und nippte vorsichtig am heißen Tee. "Ich weiß nicht", antwortete er und rührte mit dem kleinen Löffel in seiner Tasse. Es dauerte ein wenig, bis der Zucker sich komplett aufgelöst hatte. "Ich wache mitten in der Nacht auf, bin hellwach und kann eine Weile nicht mehr einschlafen." "Wenn das regelmäßig passiert, hast du vielleicht ein ernsthaftes Schlafproblem. Warst du deswegen mal bei einem Arzt?" "Nein und das habe ich auch nicht vor. Es ist ja nicht so, dass ich tagsüber vor Müdigkeit beinahe umkippe. Es geht mir gut und ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Vermutlich braucht mein Körper einfach nicht so viel Schlaf, kann doch sein." "Hm", murmelte Kagome und trank noch einen Schluck. Sie spürte die Wärme ihren Körper hinunter gleiten. "Wieso warst du eigentlich noch wach?" "Mir ging einiges im Kopf rum." "Zum Beispiel?", fragte er neugierig. Kagome runzelte nachdenklich die Stirn. Ich habe über dich, deine Familie und dein Leben nachgedacht. "Nun, es war ein sehr ereignisreicher Tag für mich", wich sie der eigentlichen Frage aus. "Ich habe einiges Revue passieren lassen." Daraufhin wurde es still. Minutenlang erklang bloß ein vereinzeltes Klirren des Löffels, der gegen den Rand der Tasse prallte und abwechselndes Schlürfen. Es war schön. Es gab keinen Druck, ein Gespräch führen zu müssen. Sie konnten einfach zusammen sitzen und gemeinsam schweigen, ohne dass es komisch wurde. Sowas kannte Kagome noch gar nicht. Doch sie war hin und hergerissen. Sollte sie ihn noch einmal fragen? Vermutlich würde er ähnlich reagieren wie zuvor. Sie wollte diesen friedlichen Moment mit ihm nicht ruinieren. Aber sie wollte es wirklich wissen. "Ich finde deine Fotos wirklich sehr schön", begann sie. Sofort warf Inuyasha ihr einen misstrauischen Blick zu. "Zumindest die, die ich gesehen habe. Ich würde mir auch gerne die anderen anschauen, wenn ich darf." "Wenn du etwas wissen willst, lässt du nicht locker, was?" Natürlich wusste er, worauf sie hinaus wollte. Beschämt schaute sie in ihre Tasse. "Sie ist eine alte Freundin", beantwortete er ihre unausgesprochene Frage. "Nur eine alte Freundin, und jetzt ist sie weg." "Weg?", hakte Kagome nach. "Habt ihr euch aus den Augen verloren? Ist sie weggezogen?" Inuyashas Gesicht verfinsterte sich. "Sie ist weg", wiederholte er. "Es spielt keine Rolle mehr." Kagome biss sich auf die Unterlippe. Das ging sie nichts an und das wusste sie auch. Er wollte nicht darüber reden, das sollte sie respektieren. "Ich habe verstanden", sagte sie schließlich leise. "Ich frage nicht weiter." Im Morgengrauen wachte sie durch ein lautes, dumpfes Geräusch an ihrem Ohr auf. Inuyasha hatte sein Kissen ziemlich unsanft auf ihren Kopf geworfen. "Aufstehen. Anziehen. Weg hier", hörte sie ihn sagen. Missgelaunt schob sie das Kissen von ihrem Gesicht und schlug blinzelnd die Augen auf. Es war viel zu hell und viel zu früh. Gerade einmal halb sieben Uhr morgens, was bedeutete, dass sie kaum vier Stunden geschlafen hatte. Und das an einem Sonntag! "Los, jetzt!", rief Inuyasha, nahm sein Kissen und schlug es noch einmal auf ihr Gesicht. "Ah!", kreischte sie verärgert, krallte ihre Finger in dieses verfluchte Kissen und warf es wahllos in eine Ecke. Knurrend zog sie sich die Bettdecke über den Kopf. "Du kannst deinen versäumten Schlaf im Flieger nachholen", meinte er versöhnlich und zog kurz darauf ihre Decke weg. "Du verdammter Mistkerl!", schrie sie und kauerte sich zusammen. Inuyasha lachte amüsiert auf. "Wow, du wirst gemein, wenn du übermüdet bist." Er kniete sich neben ihr Bett und fing an, einzelne Haarsträhnen aus ihrem Gesicht zu schieben. Er war bereits fertig angezogen und roch angenehm nach Duschgel. "Kagome", trällerte er in einem Singsang-Ton. "Zwing mich nicht den Wassereimer zu holen." Erschrocken hob sie den Kopf und blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. "Das wagst du nicht!", zischte sie. "Du solltest es besser wissen", flüsterte er drohend. Von einer Sekunde zur anderen, war Kagome hellwach und sprang eilig aus dem Bett. "Du bist ein richtiger Sklaventreiber!" "Es ist eine Gabe", grinste Inuyasha und verbeugte sich frech. Durch eifriges Hetzen war es ihm gelungen, Kagome nach nur acht Minuten die Treppe hinunter scheuchen zu können. "Okay, hast du auch alles eingepackt? Nichts vergessen?", fragte er nach und sie schüttelte gestresst den Kopf. "Liesel? Liesel!", rief Izayoi durch das Haus und lief gerade um die Ecke, als Inuyasha und Kagome unten ankamen. "Probleme mit deinen Angestellten?", fragte er seine Mutter. "Sie ist ein furchtbar schreckhaftes Mädchen. Ständig versteckt sie sich. Ich werde sie entlassen müssen." "Das überrascht mich jetzt aber", murmelte Inuyasha sarkastisch und erntete einen strafenden Blick. "Ich werde sie später weiter suchen, um sie zu feuern. Lasst uns zunächst Frühstücken", sagte Izayoi und führte die beiden ins Esszimmer. Der große Tisch war reich gedeckt worden. Eine Auswahl an unterschiedlichen Brötchen, Weiß- und Vollkornbrot, frische Aufschnitte und Marmeladen. Dazu eine Käseplatte und verschiedene Obstsäfte. Kagome lief das Wasser im Mund zusammen. Sie setzte sich gegenüber von Inuyasha, seine Eltern saßen jeweils an einem Tischende. Sein Vater blätterte seelenruhig in der Sonntagszeitung und blickte nicht einmal auf, als sie sich zu ihm gesellten. "Findest du es nicht auch langsam seltsam, dass deine Hausangestellten es nie länger als ein paar Wochen mit dir aushalten?", fragte Inuyasha und griff nach einem kleinen Muffin. "Ich stelle das Personal ein damit es bestimmte Aufgaben erledigt. Passiert das nicht zu meiner Zufriedenheit, werden sie entlassen. Es ist schwer zuverlässige Angestellte zu finden, was daran ist seltsam?", erwiderte Izayoi und reichte Kagome den Korb mit den noch warmen Brötchen. "Nina Sharp", sagte Inuyasha nur und seine Mutter seufzte genervt auf. "Fängst du schon wieder damit an?" "Diese erfahrene Frau war so ausgeglichen, dass man dachte sie würde einfach alles aushalten. Sie hatte zwei Kriege überlebt. Aber eine Stunde mit Izayoi Taishou und sie ergreift die Flucht." "Die alte Frau war eben nicht belastbar." "Sie hat der Presse erzählt, du wärst von einem Dämon besessen", erinnerte er sie. "Wird das etwa auch so eine Geschichte, die du immer wieder zum Besten gibst, so wie die Sache mit dem Kaninchen?" "Das Tier hieß Pepples, Mum!", sagte Inuyasha vorwurfsvoll und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Vater blickte zum ersten Mal von seiner Zeitung auf, warf Izayoi einen verständnislosen Blick zu und fragte: "Liebes, wieso hast du damit angefangen?" "Dachtest du echt ich würde nicht mitkriegen, dass du mein Kaninchen weggibst?" "Du warst erst fünf, und hattest Angst vor diesem Vieh", verteidigte sie sich. "Ich hatte keine Angst! Ich wollte ihm nur seinen Freiraum lassen, okay?" "Du hast eine Woche im Gästezimmer geschlafen, nachdem es einmal auf deinen Schoß gesprungen war." "Ja, weil er mich gekratzt hat?" "Auf jeden Fall ist das Thema Geschichte und jetzt iss", zischte Izayoi und zeigte demonstrativ auf seinen Teller. "Wo Pepples jetzt wohl ist?", murmelte Inuyasha und schien sich wieder zu beruhigen. "Er sieht sich die Möhren von unten an", antwortete sein Vater knapp und wandte sich wieder der Zeitung zu. "Wirklich nett, Dad." "Ach, da fällt mir ein", sagte Izayoi und legte das Brotmesser hin. "Ich muss dir etwas Schlimmes erzählen, Inuyasha. Maeda ist gestorben." Er schaute sie fragend an. "Wer?" "Maeda, deine Cousine." Inuyasha überlegte kurz, aber ihm fiel nichts dazu ein. "Maeda!", wiederholte Izayoi etwas lauter. Inuyasha verdrehte die Augen. "Ich bin nicht taub, ich weiß nur nicht wer das ist." "Maeda ist deine Cousine, im weitesten Sinne." "Ah, jetzt bin schlauer", sagte er mit begleitendem Sarkasmus und blickte Kagome genervt an, die ganz still dem familiären Tischgespräch lauschte und dabei ein knuspriges Brötchen verputzte. "Sie war die Tochter, der Schwester, des Großvaters deines Vaters", zählte Izayoi langsam auf. "Dann ist sie demnach für dich-" "Gar nichts", schlussfolgerte Inuyasha. "Die Beerdigung ist am Donnerstag. Ich dachte wir drei gehen zusammen dort hin." "Klingt nach einem lustigen Familienausflug. Da gibt es nur leider zwei Probleme", erklärte er. "Erstens, Donnerstag habe ich Schule und Zweitens, bin ich der Frau nie begegnet." "Dann kommst du nicht mit?" "Nicht dieses Mal." "Sie wird für eine weitere Gelegenheit, wohl kaum ein zweites Mal sterben", erwiderte Izayoi säuerlich. In der nächsten halben Stunde verlief die Konversation ähnlich. Kagome gab während des gesamten Frühstücks keinen Mucks von sich. Auch wenn sie es versucht hätte, wäre sie vermutlich nicht zu Wort gekommen. Mutter und Sohn waren offensichtlich erleichtert, als sie endlich draußen in der Auffahrt standen und es Zeit für den Abschied war. Inuyashas Vater hatte sich bereits zurückgezogen. "Und ich soll dich ganz sicher nicht zum Flughafen fahren?", fragte Izayoi bereits zum dritten Mal. "Nein. Ich bin mit meinem Wagen hier. Es ist doch schwachsinnig ihn später wieder von einem deiner Fahrer zurückbringen zu lassen." "Aber ich mag den Gedanken nicht, dass du alleine dort herum sitzt." "Ich bin nicht allein, Kagome ist doch da und leistet mir Gesellschaft", erwiderte Inuyasha und warf ihre Taschen auf den Rücksitz seines Wagens. "Richtig", seufzte Izayoi und lächelte dann Kagome an. "Ich habe mich sehr gefreut dich kennenzulernen und ich lade dich herzlich zu unserem Weihnachtsfest ein." "Weihnachtsfest?", fragte Kagome. "Das dauert doch noch ein Weilchen." "Ja, natürlich. Aber ich muss wissen ob du erscheinst, damit ich auch alles planen kann. Es sei denn, du bist verhindert oder du und Inuyasha solltet euch überraschenderweise trennen, dann verstehe ich das selbstverständlich." Sie glaubte noch immer nicht, dass sie ein echtes Paar waren! Wie stur. "Nein, ich glaube es wird kein Problem geben", antwortete Kagome fest. Inuyasha warf ihr einen verwunderten Blick zu. "Ich nehme Ihre Einladung gerne an, vielen Dank." Izayoi spitzte prüfend die Lippen. "Sehr schön. Dann plane ich dich mit ein. Ich freue mich schon, dich wiederzusehen." "Ich mich ebenfalls." "Und ich erst", warf Inuyasha mit dem gewohnten Sarkasmus in der Stimme ein. "Bis dann, Mum." Er drehte sich auf dem Absatz um und stieg in seinen Audi. Ohne ein weiteres Wort ging Izayoi zurück ins Haus und schloss die Haustür hinter sich. Was für ein frostiger Abschied. Kagome setzte sich auf den Beifahrersitz und fragte: "Hast du Samanthas Kleid schon zurückgebracht? Ich konnte es nirgendwo finden." Inuyasha nickte und presste die Lippen zusammen, während er den Autoschlüssel ins Zündschloss steckte. "Dir ist doch klar, was du dir da eingebrockt hast?" "Was denn?" "Wenn du meiner Mutter zusagst, dann musst du das auch einhalten, sonst macht sie mir die Hölle heiß. Du musst zu Weihnachten also wieder meine Freundin spielen", erklärte Inuyasha seufzend und fuhr um den Brunnen herum, auf das Tor zu, welches sich wieder automatisch öffnete. "Nun, ich muss deine Freundin doch nicht nur spielen", rutschte es Kagome heraus und ihr Herz fing an wie wild gegen den Brustkorb zu hämmern. "Was meinst du?" Er hatte es noch nicht kapiert. Sie hätte noch einen Rückzieher machen und ihm irgendeinen Blödsinn auftischen können, was vermutlich eine bessere Entscheidung gewesen wäre. Aber sie wagte den Schritt. "Ich kann mir gut vorstellen, wirklich deine feste Freundin zu sein", murmelte sie mit zitternder Stimme. "Ich mag dich." Inuyasha, der gerade durch das offene Tor fahren wollte, würgte den Motor ab und der Wagen ruckelte einmal vor und zurück. Er starrte einen Moment lang erschrocken auf das Lenkrad. Sie hielt den Atem an und wartete gespannt auf seine Antwort. Er fasste sich schnell wieder, ließ den Motor wieder an und fuhr los, bog rechts ab und fuhr die Straße entlang und sagte kein Wort. Kein einziges Wort! Kapitel 12: Schadensbegrenzung ------------------------------ Als sich die Zimmertür öffnete und Inuyasha hinein kam, saß Kagome augenblicklich kerzengerade auf ihrem Bett. "Hey", begrüßte sie ihn, mit hörbarer Nervosität in der Stimme. "Hi", erwiderte er knapp, öffnete eine Schublade in seinem Schrank und wühlte darin herum. Sie schluckte, ihr Mund fühlte sich ganz trocken an. "Und? Wie geht es dir so, Inuyasha?" "Gut." "Gibt es Neuigkeiten? Hast du irgendetwas zu sagen?", fragte sie beinahe flehend. "Eigentlich nicht", antwortete er und zog zwei Bücher aus der Schublade, die er sofort in seinen Rucksack steckte. Kurz blickte er zu Kagome, die ihn erwartungsvoll ansah, dann wandte er sich wieder von ihr ab. "Ich hole mir etwas zu trinken, soll ich dir was mitbringen?" "Nein, ich brauche nichts." Inuyasha verließ das Zimmer. "Ich bin wunschlos glücklich", seufzte sie in die Stille und zog die Knie heran. Seit Kagomes verrücktem Geständnis vor vier Tagen, herrschte peinliches Schweigen zwischen ihr und Inuyasha. Der Rückflug war der reinste Horror gewesen, vor allem da es eine Verspätung von fast zwei Stunden gab und sie die Wartezeit stumm nebeneinander auf einer Bank gesessen und nichts getan hatten. Im Flieger gab Inuyasha vor zu schlafen und überließ Kagome ihrer Verwirrung und Ahnungslosigkeit. Sie hatte mehrmals versucht ihn auf die verzwickte Lage anzusprechen, aber er hatte immer etwas zu tun, oder vergessen etwas zu holen und musste dringend jemanden suchen. Er fand jedes Mal eine Ausrede, wenn sie ihn denn mal erwischte. Nach dem Unterricht verschwand er sofort in die Bibliothek oder in den Aufenthaltsraum, flüchtete sich in die Sicherheit der Öffentlichkeit, wo sie sich unmöglich aussprechen konnten. Ins Zimmer kam er erst sehr spät zurück und tat so, als würde er etwas suchen, mitnehmen und später wieder zurücklegen und dann das Gleiche noch einmal. Er blieb nur, wenn Kagome ruhig im Bett lag und das Licht ausgeschaltet war. Wenn er also dachte, dass sie schlafen würde. Nach dem erneuten Fehlschlag, beschloss Kagome noch einmal ihre Freundin Sango anzurufen. Sie setzte sich ihre Perücke auf und schlich durch die Flure des Wohnheims. Es war schon recht spät und die meisten Jungs waren bereits auf ihren Zimmern. Nur zu dieser späten Stunde war es Kagome möglich, das öffentliche Telefon unten im Eingangsbereich zu nutzen, um ihre Familie und ihre Freunde anzurufen, ohne dass es jemand mitbekam. "Hallo?", erklang Sangos fröhliche Stimme nach dem Rufton. "Ich mag dich, ich will mehr als nur eine Freundin für dich sein", sagte Kagome. Es war kurz still am anderen Ende der Leitung. "Was?" "Siehst du? Du hast reagiert!", bestätigte Kagome und legte den Hörer auf ihr anderes Ohr. "Das macht man nämlich, wenn einem Jemand sagt, dass man ihn mag." "Ah, wir reden also von Inuyasha", stellte Sango fest. "Dem unergründlichen Inuyasha. Er macht mich noch wahnsinnig! Ich habe ihm reichlich Gelegenheit dazu gegeben auf das Thema zu kommen, aber er tut es einfach nicht. Der Typ geht mir echt auf die Nerven!" Kagome machte ihrem Ärger Luft. Doch statt bekräftigende Worte, hörte sie ein leises Kichern. "Bist du bei Miroku?" "Ja", antwortete Sango entschuldigend. "Schönen Gruß." "Gruß von Kagome", hörte sie ihr entferntes Murmeln. "Hi, Kagome!" ertönte Mirokus lachende Stimme im Hintergrund. Kagome verdrehte schmunzelnd die Augen. Selbst nach zwei Jahren Beziehung, waren die beiden noch so verliebt wie am ersten Tag. "Schreib mir eine Mail, wenn du dich wieder konzentrieren kannst", sagte Kagome nachsichtig und ließ dem Traumpaar ihre Zweisamkeit. "Klar, halt mich auf dem Laufenden." "Falls da je irgendetwas läuft." Sie verabschiedeten sich und Kagome legte den Hörer auf. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als sich ins Bett zu legen und abzuwarten, was der nächste Tag bringen würde. "Gehen wir noch einmal die Faktorisierung eines Polynoms durch. Das ist was ganz tolles Leute", beharrte der Mathelehrer und versuchte seine Schüler zu motivieren. Einstimmiges Murren war die Antwort. "Gut, wir haben da also eine Gleichung, bei der Konstanten und Variablen kombiniert sind. Wir errechnen nur mittels Addition, Subtraktion und Multiplikation." Kagome tat sich schwer mit der Konzentration. Während des Unterrichts, saß Inuyasha direkt neben ihr und hatte nicht die Möglichkeit sich davonzustehlen, allerdings konnte sie ihn auch nicht zur Rede stellen. Das machte sie ganz verrückt! Kagome riss ein kleines Stück Papier von ihrem Block, faltete es zusammen und legte es auf den Rand seines Tisches. Sie machte sich nicht einmal mehr die Mühe etwas darauf zu schreiben. Wie erwartet streckte Inuyasha scheinbar unauffällig seinen Arm aus und schob das Papierstück hinunter auf den Boden. Frustriert stützte sie ihren Kopf auf die rechte geballte Faust und betrachtete ihn mehrere Minuten lang verärgert. Er ließ sich nicht einmal dazu herab sie anzusehen. So konnte es doch nicht weitergehen! Sie mussten reden. Jetzt. Sofort. Kagome war verzweifelt und sah nur einen Ausweg. Sie lachte laut auf. Ihre Mitschüler zuckten allesamt zusammen, auch Inuyasha, der sie nun verblüfft ansah. "Inuyasha, du bist so witzig!", sagte Kagome und prustete erneut los. Der Mathelehrer schaute ganz verdattert. "Entschuldigung, aber das war jetzt gerade echt witzig." "Gibt es ein Problem, Higurashi?" "Nein", antwortete Kagome und rang nach Luft. "Es sei denn Sie sind beleidigt, weil Inuyasha Sie hinter Ihrem Rücken nachgemacht hat." Inuyasha riss fassungslos die Augen auf und der Mathelehrer wandte sich mit empörter Miene an ihn. "Sie machen mich nach, Taishou?" "Nein!", leugnete er. "Ich mache niemanden nach. Ich mag sowas nicht. Ich kann Witze allgemein nicht leiden." Der Lehrer glaubte ihm kein Wort. "Arbeiten Sie doch im Büro des Direktors an ein paar Witzen und Sie, Higurashi, leisten ihm Gesellschaft wenn Sie schon so begeistert von ihm sind. Wird bestimmt ein witziges Wochenende beim Nachsitzen." Während der Lehrer einen Eintrag ins Klassenbuch schrieb, packten Inuyasha und Kagome ihre Sachen zusammen. Ray, Mafuyu und Sam schauten den beiden fragend nach. Yoris Kopf lag auf der Tischplatte. Vermutlich hatte er gar nichts mitbekommen. Als Kagome die Klassentür hinter sich schloss, drehte Inuyasha sich wütend zu ihr um. "Bist du irre? Ich bin in meinem Leben noch nie aus dem Unterricht geflogen!" "Es tut mir leid, aber wie soll ich denn sonst an dich ran kommen?" "Wovon redest du?" "Ich rede davon, dass du mir schon die ganze Woche aus dem Weg gehst!", erwiderte Kagome gereizt. "Wir müssen reden." "Ich gehe dir nicht aus dem Weg", stritt er beharrlich ab. "Ich habe momentan nur viel zu tun." "Oh, hör auf damit! Du gehst mir aus dem Weg weil ich dir gesagt habe, dass ich irgendwie auf dich stehe. Hast du gedacht du könntest die Angelegenheit totschweigen, bis ich dich nicht mehr darauf anspreche?" "Ehrlich gesagt, ja", antwortete Inuyasha unbeirrt. "Das ist ja nicht zu fassen." Kagome verschränkte die Arme vor der Brust. "Ist dir klar, wie rücksichtslos dein Verhalten ist?" "Ist dir klar, dass wir uns keine drei Monate kennen?", kam die Gegenfrage. "Was willst du damit sagen?" "Du kennst mich nicht! Du weißt nichts über mich. Mit welcher Begründung kannst du sagen, dass du mit mir zusammen sein willst?" Kagome senkte schweigend den Kopf. Inuyasha nickte selbstgefällig und ging ein paar Schritte den Flur entlang. "Ja, das dachte ich mir." "Du verabscheust Zucchini", sagte sie plötzlich. Er drehte sich wieder zu ihr um, runzelte die Stirn und blickte sie fragend an. "Was?" "Du hasst Zucchini. Du pickst erst jedes kleine Stück vom Teller bevor du anfängst zu essen. Deine Lieblingsfarbe ist Rot. Du glaubst an Geister, aber magst keine Horrorfilme. Tee trinkst du nur mit viel Zucker. Dein stärkstes Unterrichtsfach ist Geschichte. Von Chemie verstehst du gar nichts. Du bist zwar sportlich, aber faul. Du schaffst es dich einen ganzen Tag lang nur von Kartoffelchips zu ernähren. Deine geheime Leidenschaft ist die Fotografie und nach dem Schulabschluss machst du eine Weltreise, die du schon seit acht Jahren planst, wofür ich dich übrigens sehr bewundere." Kagome holte tief Luft bevor sie hinzufügte: "Und du bist eine Niete bei Hangman." Inuyasha starrte sie entgeistert an. "Hör zu, ich kann verstehen, dass das ein bisschen seltsam wirkt-" "Nicht nur ein bisschen", unterbrach er sie. "-und klar, das sind bloß Kleinigkeiten die ich von dir weiß. Doch es gibt keinen anderen Menschen, bei dem mich diese belanglosen Dinge so sehr interessieren, wie bei dir. Außerdem hast du mir schon so oft aus der Patsche geholfen. Du unterstützt mich und bist immer für mich da, wenn ich dich brauche. All das bringt mich dazu, dich irgendwie gern zu haben. Aber-" Inuyasha öffnete den Mund um etwas zu sagen. "Aber", wiederholte sie etwas lauter und fuhr fort, "ich hatte in den letzten Tagen sehr viel Zeit um richtig darüber nachzudenken und möchte dir nun sagen, dass ich es mir anders überlegt habe. Du kannst dich also wieder beruhigen und dich normal verhalten." "Hä?" "Ich habe es mir überlegt", sagte Kagome noch einmal, als Inuyasha sie unschlüssig anschaute. "Ich nehme alles wieder zurück." "Und was nimmst du zurück?" "Ich empfinde nichts für dich. Dass ich deine Eltern kennengelernt und so getan habe, als wäre ich deine Freundin, hatte mich ein bisschen verwirrt, aber das ist jetzt vorbei." Sie wirkte ganz entschlossen und fing an den leeren Flur entlangzulaufen. "Wir sind Mitbewohner und Freunde, das ist alles was zwischen uns läuft." Inuyasha folgte ihr und hielt sie an der Schulter fest, damit sie wieder stehen blieb. "Also... stehst du nicht auf mich?", fragte er argwöhnisch. "Richtig." Sie schob seine Hand von ihrer Schulter und machte sich weiter auf den Weg zum Büro des Direktors. Inuyasha lief neben ihr her und warf ihr zweifelnde Blicke zu. "Nicht mal ein kleines bisschen?" Kagome blieb stehen und sah ihn fassungslos an. "Dein Ego kennt scheinbar keine Grenzen", sagte sie. "Ich wollte es nur richtig klarstellen, damit dieses Thema nicht erneut zur Sprache kommt", verteidigte er sich. "Das wird es nicht. Es ist alles gesagt." "Gut." "Ja. Sehr gut, dass wir das besprochen haben, bevor ich mich noch ernsthaft in dich verliebt hätte." Mit ihrem folgendem Kichern zog sie diese Vorstellung ins Lächerliche und damit war die Sache abgehakt. Kagome hatte nur das Problem, dass es bereits zu spät war. Sie hatte sich schon ernsthaft in ihn verliebt. Und das wusste sie auch. Kapitel 13: Jahrestag --------------------- Als er versucht den Kopf zu bewegen regnet es kleine Glasscherben, die mit einem leisen Klirren aufprallen. Inuyasha hört es kaum, das hohe Pfeifen in seinen Ohren ist noch zu laut, obwohl es schon langsam nachlässt. Es fällt ihm schwer, sich daran zu erinnern was passiert ist. Schwerfällig öffnet er die Augen, aber er sieht nur eine verschwommene Dunkelheit. Frustriert blinzelt er mehrmals, bis das Bild endlich schärfer wird. Er sieht die zerbrochene Frontscheibe und das verbeulte Lenkrad vor ihm. Im linken Augenwinkel bemerkt er Scheinwerferlicht. Richtig, er sitzt in ihrem Wagen. Er hatte sie nach Hause fahren wollen, aber dann- Ein scharfer, unerträglicher Schmerz schießt durch seinen Körper. Jetzt erinnert er sich wieder. Schmerzerfüllt zieht er die Luft durch die Zähne und bewegt den Kopf soweit nach links, bis er erkennen kann was es ist. Die stark nach innen verbogene Fahrertür ist gesplittert und ein spitzes, blutiges Stück Eisen steckt tief in seiner Seite. Inuyasha stöhnt gequält auf, versucht den Schmerz zu unterdrücken und seine panische Atmung zu regulieren. "Inuyasha", flüstert jemand von der Rückbank. "Bist du schwer verletzt?" "Ich weiß nicht", antwortet er. Seine Stimme klingt heiser. Er vermeidet es, sich zu drehen und den Zustand seines Mitfahrers zu überprüfen, weil jede Bewegung sich anfühlt, als würde ein Haufen Rasierklingen durch sein Inneres schneiden. In einer Scherbe des Rückspiegels kann er seine Augen sehen. "Was ist mit dir?", fragt er ihn. "Alles bestens", haucht er spottend und wirft Inuyasha einen selbstgefälligen Blick im Rückspiegel zu. "Mach dir lieber Sorgen um die Kleine neben dir." Mit schmerzverzerrtem Gesicht dreht Inuyasha den Kopf nach Rechts und blickt auf die zierliche Gestalt, die regungslos neben ihm sitzt. Ihre Tür ist ebenfalls nach innen verbogen. Der Wagen hat sich beim Aufprall offenbar um den Baum gewickelt. "Kikyo?", flüstert Inuyasha mit rauer Stimme und greift nach ihrer kalten Hand. Ihr Kopf hängt schlaff nach unten und wegen der langen Haare kann er ihr Gesicht nicht sehen. "Kikyo", sagt er noch einmal, dieses Mal deutlich lauter. Vorsichtig schiebt er seine Hand unter ihr Kinn, das sich bei all dem Blut ganz klebrig anfühlt und hebt den Kopf an. "Was?", keucht er entsetzt und verwirrt. Neben ihm sitzt nicht Kikyo. Sondern Kagome. In dem Moment wachte er auf und hob den Kopf von seinen Armen. Erschrocken blickte er nach rechts. Kagome saß neben ihm und schaute ihn besorgt an. Die beiden waren allein im Klassenzimmer. "Alles in Ordnung?" "Ja", antwortete er schnell und rieb sich die müden Augen. "Ich habe nur geträumt. Wann bin ich eingeschlafen?" "Vor zwei Stunden." Inuyasha sah auf die Uhr, die an der Wand über der Tür hing und stellte fest, dass Kagome recht hatte. "Verdammt!", fluchte er. "Warum hast du mich schlafen lassen?" Die Zeit war fast um und er hatte mit seiner Strafarbeit noch nicht einmal angefangen. Aufgeregt griff er nach einem Stift und seinem Arbeitsbogen und blätterte mit einer hastigen Bewegung die erste Seite auf. Dann hielt er abrupt inne. Er hatte nur seinen Namen und das Datum aufschreiben können, bevor die Müdigkeit ihn übermannt hatte, da war er sich ganz sicher. Aber die Matheaufgaben waren schon alle bearbeitet. Auf der nächsten Seite war es ebenso und auch auf der Letzten. Er warf Kagome einen fragenden Blick zu, die eilig ihren eigenen Bogen bearbeitete. "Wieso hast du meine Aufgaben erledigt?" "Du hast geschlafen", antwortete sie lächelnd. "Ich hafte allerdings nicht für mögliche Fehler." "Mich zu wecken, wäre der einfachere Weg gewesen." Sie legte ihren Stift weg und atmete durch. Sie war auch mit ihrer Arbeit noch rechtzeitig fertig geworden. "Ich habe bemerkt, dass du letzte Nacht nicht schlafen konntest und du hast schon vorhin beim Sport so müde ausgesehen", erklärte Kagome. "Ich wollte dich einfach nicht wecken und weil das Nachsitzen ohnehin meine Schuld ist, dachte ich, es wäre nur fair wenn ich deinen Teil auch mache. Damit sind wir doch quitt, oder?" "Ja, das sind wir", sagte Inuyasha erleichtert, hob seine Arme und streckte sich ausgiebig. "Und da du nur dein schlechtes Gewissen beruhigt hast, muss ich mich ja nicht bedanken." "Äh, ein kleines Dankeschön würde ich aber schon gut finden. Wir haben nicht die selben Aufgaben, deshalb konnte ich nicht einfach alles übertragen", erwiderte Kagome und verzog das Gesicht. "Was war letzte Nacht denn eigentlich los? Ich habe dein Herumwälzen und Umherlaufen, trotz meines starken Schlafs und meiner Schnarcherei mitbekommen." "Schnarcherei?", fragte Inuyasha verdutzt. "Als wir in deinem Haus nachts zusammen Tee getrunken haben, sagtest du ich würde schnarchen", klärte sie ihn auf. Inuyasha überlegte einen kurzen Moment lang. "Ja, richtig. Du schnarchst so laut wie eine Kreissäge!" Kagome schlug mit ihrem Federmäppchen nach ihm und er grinste. "Ich wusste, du ziehst mich nur auf! Ich schnarche also doch nicht." "Nein, tust du nicht", gab er zu. "Zum Glück." "Also?", fragte Kagome. "Also, was?" "Also, was war letzte Nacht mit dir los? Deine Ablenkungen funktionieren bei mir nicht!" "So ein Mist", sagte er mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme und schwieg wieder. "Inuyasha!", drängte sie weiter. Er seufzte. "Ich weiß es nicht, okay?" Das war die erste Lüge. "Ich war die ganze Nacht hellwach. Müde wurde ich erst heute Morgen." Zweite Lüge. "Es gibt keinen Grund das aufzubauschen. Das war ein Einzelfall, mir geht es gut." Dritte Lüge, Strikeout! Bevor Kagome noch etwas dazu sagen konnte, öffnete sich die Klassenzimmertür und ihr Mathelehrer kam herein. "Die Zeit ist um", sagte er und legte seine Tasche auf einem der leeren Tische ab. "Taishou, Higurashi, ich hoffe für euch, dass ihr die Zeit genutzt habt." Er stellte sich vor Inuyasha und blätterte seinen Bogen durch. Dann übergab Kagome ihm ihre Arbeit. "Gut, ihr beide seit entlassen", sagte der Mathelehrer mit einem zufriedenen Lächeln. "Versucht den Rest des Tages zu genießen." Eilig packten Inuyasha und Kagome ihre Sachen zusammen. Vom Tag war leider nicht mehr viel übrig. Nach dem Sport und dem Mittagessen, hatten sie direkt zum Nachsitzen gemusst und nun war es bereits früher Abend. Erschöpft schlurften sie durch die Gänge des Schulgebäudes. Ein leises Vibrieren ertönte. Inuyasha öffnete den Reißverschluss einer kleinen Nebentasche seines Rucksacks und zog sein Handy heraus. Er drückte kurz ein paar Tasten und steckte es wieder ein. "Die anderen sind draußen", sagte er. Im Zentralhof saßen die Schüler auf den großen, grünen Wiesen überall verteilt und genossen die letzten warmen Strahlen der Sonne. Inuyasha und Kagome hatten ihre Freunde schnell ausgemacht und liefen auf sie zu. Sie saßen auf zwei nebeneinander ausgebreiteten Decken direkt neben einem großen Springbrunnen. Ray lag auf einer der Decken, alle Viere von sich gestreckt und döste entspannt vor sich hin. Yori und Samantha, die scheinbar in eine hitzige Diskussion verwickelt waren, schien er gar nicht wahrzunehmen. Mafuyu saß auf dem breiten Brunnenrand. In ihrem weißen Sommerkleid und hochgebundenem Zopf sah sie einfach nur umwerfend aus und wieder wünschte Kagome sich, einfach ein Mädchen sein zu können. Mafuyu bemerkte die beiden zuerst und winkte ihnen fröhlich zu, bevor sie sich wieder ihrem Handy zuwandte. Offensichtlich hatte sie ihm die SMS geschickt. Inuyasha trat leicht gegen Ray's Bein, damit er Platz machte und setzte sich neben ihn. Kagome ließ sich gerade neben Sam nieder, als Yori plötzlich die Haare raufte. "Wissen Mädchen denn gar nichts?", fragte er beinahe verzweifelt. "Ich weiß, wie ich dich zum weinen bringe!" Sam ballte drohend ihre rechte Hand zur Faust. Yori ignorierte das und fragte sie provokativ: "Wie willst du das machen? Mich küssen?" "Träum weiter", schnaubte Sam. "Ja, das mache ich", erwiderte Yori und konnte sich das Lachen kaum verkneifen. "Hi, Leute", grüßte Ronnie, Ray's kleine Schwester, die gerade vorbeilief. Die anderen begrüßten sie zurück. "Inuyasha, spielst du mit mir Federball?" Sie deutete auf die zwei Federball-Schläger in ihrer Hand. Er runzelte die Stirn und man konnte ihm deutlich ansehen, dass ihm überhaupt nicht danach war. Trotzdem blickte Ronnie ihn weiter hoffnungsvoll an. "Wieso fragst du nicht deinen Bruder?", versuchte Inuyasha sich heraus zu reden. "Nein", sagte Ray sofort. "Deswegen", antwortete sie vorwurfsvoll. "Bitte, Inuyasha." "Ich bin wirklich, wirklich müde und damit doch gar kein Gegner für dich..." "Wenn du willst, spiele ich mit dir", warf Kagome ein. Ronnie musterte sie kurz prüfend. "Okay", sagte sie dann. Kagome lächelte, als Inuyasha ihr einen dankbaren Blick zuwarf und entfernte sich mit Ronnie ein paar Schritte. Inuyasha legte sich hin, schloss die müden Augen und verlor sich in seinen Gedanken. Gedanken voller Erinnerungen und Schuldgefühlen und Erkenntnisse des Verlusts. Nein, heute ging es ihm nicht gut. Ganz und gar nicht. Heute war es genau ein Jahr her. Kapitel 14: Verräter -------------------- "Los, spul schon vor", drängte Yori. "Das versuche ich ja gerade." Inuyasha drückte auf der Fernbedienung herum, aber es wollte nicht so recht funktionieren. Die beiden saßen im Wohnzimmer ihres Apartments und wollten den Abend mit einem Actionfilm ausklingen lassen, der von einem Mitschüler wärmstens empfohlen wurde. "Du springst im Menü rum, geh doch einfach auf Vorlauf." "Ich spring dir gleich ins Gesicht!", erwiderte Inuyasha gereizt und landete in der Szenenauswahl des DVD-Menüs. "Die Taste mit den zwei kleinen Pfeilen drauf, das ist doch nicht so schwer!", erklärte Yori. Inuyasha murrte etwas Unverständliches und hielt ihm die Fernbedienung vor die Nase, während er auf besagte Taste drückte. "Ich drücke, siehst du?", sagte er. "Aber es passiert nichts. Vermutlich ist sie kaputt." "Gib mal her." Yori griff nach der Fernbedienung, aber Inuyasha zog sie weg. "Nein, ich mache das." "Gib her", sagte Yori etwas lauter und verärgerter, beugte sich vor und versuchte ihm das Gerät zu entreißen. "Ich hatte sie zuerst!", beharrte Inuyasha. Yori hatte die Fernbedienung zu fassen gekriegt und zog an ihr, aber Inuyasha ließ nicht los. "Gib sie mir!", rief Yori. "Nein." "Lass los!" "Nein!" "Was ist denn hier los?", fragte Kagome und kam aus ihrem Zimmer gelaufen, ihre Perücke noch zurechtrückend. "Warum streitet ihr?" "Weil er ein Vollidiot ist!", knurrte Inuyasha und versuchte Yori wegzudrücken. Auch Ray kam aus seinem Zimmer, lief aber durch den Raum ohne auf die Diskussion einzugehen. Er hielt eine kleine leere Sprühflasche in der Hand, eine mit der man Zierpflanzen befeuchtete. Nickend ging er an Kagome vorbei ins Badezimmer. Kurz darauf hörte man den Wasserhahn. "Warum lässt du es mich nicht einfach ausprobieren?", fragte Yori und klang dabei wie ein quengelndes Kleinkind. "Du hast doch gesehen, dass es nicht funktioniert. Was lässt dich annehmen, bei dir wäre es anders?" "Vielleicht mag mich die Fernbedienung ja lieber als dich!" "Das ist lächerlich!", rief Inuyasha. "Leute...", seufzte Kagome. In dem Moment kam Ray wieder aus dem Bad. Er ging auf die Störenfriede zu und besprühte sie mit dem Wasser aus der Sprühflasche, die nun randvoll war. Beide erschraken und schrien auf. Sie ließen gleichzeitig die Fernbedienung los, die auf die Couch fiel und hielten sich refelexartig die Hände vors Gesicht. "Was soll das?" "Hör auf damit, Ray", schimpfte Inuyasha und schob die Hand mit der Sprühflasche zur Seite. Ray ließ seine Waffe sinken und deutete auf die Fernbedienung. "Versucht es mal mit neuen Batterien", sagte er und wandte sich wieder ab. "Nur so eine Idee." Er setzte sich und Kagome fing an zu lachen. "Ihr müsstet eure Blicke jetzt sehen", sagte sie und zog sich eine Jacke über. "Ich gehe noch kurz runter in die Stadt, soll ich euch etwas mitbringen?" Die Stadt war eine ruhige, nahegelegene Kleinstadt, in der sich die meisten Schüler des Internats in ihrer Freizeit aufhielten oder kleinere Besorgungen in den hiesigen Geschäften machten. Da die Umgebung von Musashi sehr ländlich gelegen war, war es der einzige zu Fuß erreichbare Ort in der Nähe. "Ich brauche nichts", erwiderte Yori und ließ sich auf die Couch fallen. Ray schüttelte den Kopf. "Ich schon", meinte Inuyasha, ging auf Kagome zu und nahm seine Jacke vom Haken. "Ich gehe direkt mit." "Du gehst lieber einkaufen, als den Film zu sehen?" Yori verzog verständnislos das Gesicht. "Alles ist besser, als mit dir im selben Raum zu sein." "Du kannst echt verdammt fies sein", sagte Yori und schüttelte die Batterien aus der Fernbedienung. Die Eingangstür des Apartments öffnete sich und stieß gegen Kagomes Rücken, die davor stand. Ronnie streckte ihren Kopf durch den Spalt und Kagome ging ein paar Schritte zurück, damit sie reinkommen konnte. "Ich habe das Buch, dass ich dir aus der Bibliothek mitbringen sollte, Ray", sagte sie und ging auf ihren großen Bruder zu. Er nahm das Buch, dass sie aus ihrer Tasche zog lächelnd entgegen. "Großartig, danke." "Okay, wir sind dann weg, bis nachher", verabschiedete sich Inuyasha und verließ mit Kagome das Zimmer. "Wo gehen sie denn jetzt noch hin?", fragte Ronnie und setzte sich neben Ray auf die Couch. Er blätterte durch die Seiten und antwortete: "Ein paar Sachen in der Stadt besorgen." "Hm", murmelte Ronnie, mit einem misstrauischen Unterton in der Stimme. "Was?" "Findest du nicht, dass sie ziemlich viel Zeit miteinander verbringen?" Ray runzelte die Stirn. "Die beiden teilen sich ein Zimmer. Das ist unvermeidlich." "Weißt du wo die Batterien sind?", fragte Yori und stand auf. "In unserem Zimmer, in der untersten Schublade vom Schreibtisch müssten welche sein." "Inuyasha hat gesagt er kann Kaoru nicht ausstehen." "Das war am Anfang des Schuljahres und er war nicht glücklich darüber sein Zimmer teilen zu müssen", erklärte Ray. "Sie sind Freunde geworden. Daran ist nichts ungewöhnlich, Ronnie." "Ja, aber", setzte sie neu an, "ist dir nicht aufgefallen, wie sie ständig zusammenhocken und miteinander reden- nein flüstern, als hätten sie etwas zu verbergen? Und sobald man sich ihnen nähert, brechen sie augenblicklich ihr Gespräch ab, das ist doch seltsam." Ray überlegte einen Moment lang. Ihm wurde klar, dass seine Schwester mit dem was sie sagte schon irgendwie richtig lag. Yori kam zurück ins Wohnzimmer und setzte sich. Er hatte die Batterien gefunden und legte sie in die Fernbedienung ein. "Du steigerst dich zu leicht in so etwas hinein. Du vermutest hinter jeder Kleinigkeit, gleich eine Verschwörung." "Du glaubst, dass ich recht habe, stimmt's?", grinste sie triumphierend. "Ich glaube, dass du einen Knall hast." "Du bist so durchschaubar, Ray." Yori seufzte genüsslich und legte sich entspannt zurück, als die Fernbedienung ohne Probleme auf Knopfdruck reagierte und er die Werbung vor dem Film endlich überspringen konnte. Ronnie sprang auf und lief zur Zimmertür von Inuyasha und Kagome. "Was hast du vor?", fragte Ray besorgt und folgte seiner Schwester. Entschlossen drückte Ronnie die Tür auf. "Die beiden haben ein Geheimnis und wir werden es lüften." "Was ist los?", fragte Yori und drückte auf Pause. Ronnie winkte ihn zu sich und auch er trat in Inuyashas und Kagomes Zimmer. "Ronnie, wir können doch nicht die Privatsphäre unserer Freunde verletzen", beharrte Ray und stand ganz steif da. Er fühlte sich nicht wohl bei der Sache, ganz und gar nicht. "Deine Moral in allen Ehren, Bruderherz. Ich respektiere deine Einstellung und nehme es dir nicht übel, wenn du damit nichts zu tun haben willst. Aber bevor du kneifst, stell dir bitte vor, wir finden heraus was sie verheimlichen und du nicht. Du wärst der Einzige der nicht eingeweiht wäre, völlig ahnungslos kannst du irgendwann nicht mehr mitreden, während wir uns die Mäuler darüber zerreißen. Du wirst mit der Zeit immer mehr aus der Gruppe gestoßen, bis sich deine Freunde komplett von dir abgewendet haben und du ganz alleine dastehst." "Ich übernehme den Schrank", sagte Ray ohne weitere Widerworte und öffnete beide Schranktüren. "Gute Entscheidung, Soldat. Hast du etwas unter Kaorus Bett gefunden, Sergeant Yori?" "Nur seinen Koffer", meinte Yori und wollte gerade wieder aufstehen, als Ronnie rief: "Mach ihn auf." "Warum?", fragte er. "Es ist bloß ein Koffer. Den verstauen wir alle unter unserem Bett." "Mach ihn auf!" Ronnie bestand darauf und beobachtete gespannt, wie Yori Kagomes Koffer unter dem Bett hervorzog und ihn öffnete. Er erstarrte und wurde von einer Sekunde zur anderen kreidebleich. "Oh. Mein. Gott." "Was ist drin?", fragten die Geschwister gleichzeitig. "Ugh, ist das kalt heute!", klagte Kagome als sie aus dem Schreibwarengeschäft trat und rieb sich die eisigen Hände. "Dieses Jahr fängt der Winter wohl früh an." Inuyasha zog den Reißverschluss seiner Jacke bis ganz nach oben. "Hast du alles was du brauchst?" "Ja. Was wolltest du denn besorgen?" "Ich muss nur kurz zur Bank." "Okay." Während sie die Promenade entlangliefen, fing es an zu nieseln und sanfter Regen benetzte den Boden. Beim Ausatmen konnte Kagome einen feinen Nebelhauch vor ihrem Gesicht erkennen, der sie schlottern ließ. Das war ein furchtbarer Oktoberabend! Die bunt gefärbten Laubblätter hingen trostlos von den Ästen der Bäume hinunter. Das Laub, das bereits gefallen war, lag entweder im Matsch oder war von schmutzigen Fußabdrücken plattgetreten worden. Selbst der sonst so heitere, klare Fluss der durch die Stadt verlief, wirkte an diesem Tag farblos und traurig. Im Bankgebäude war es sehr stickig. Die Heizungsluft stieg einem sofort in die Nase. Draußen hatte Kagome gefroren, in diesem Raum fing sie sofort an zu schwitzen. Männer in grauen Anzügen und Frauen in langweiligen schwarzen Kostümen gingen ihren letzten Arbeiten vor dem Feierabend nach. Sie hoffte es würde nicht zu lange dauern, es war spät geworden und draußen dämmerte es bereits. Inuyasha ging geradewegs auf einen Ein- und Auszahlautomaten zu, Kagome wartete einige Schritte hinter ihm. Er drückte ein paar Tasten und kurz darauf spuckte der Automat eine beachtliche Anzahl an Geldscheinen aus. Es überraschte Kagome eigentlich überhaupt nicht, dass Inuyasha zu den Schülern gehörte, die von ihren Eltern monatlich ein erschreckend hohes Taschengeld bekamen. Er zählte die Scheine ab und drückte wieder ein paar Knöpfe. Daraufhin zahlte er das gesamte Geld wieder ein. Er drehte sich zu ihr um und legte die Bankkarte in seine schwarze Brieftasche. Als er aufsah, bemerkte er ihren verwunderten Blick. "Was?", fragte Inuyasha. "Äh", Kagome schüttelte den Kopf und wandte sich zum gehen. "Nichts, schon gut." "Du willst wissen, warum ich es direkt wieder eingezahlt habe?", riet er. Sie nickte und folgte ihm nach draußen in die nasse Kälte. "Ich habe es auf mein Sparkonto gelegt." "Also, bekommst du Geld von deinen Eltern und du hebst es ab, um es dann deinen Ersparnissen für die Weltreise hinzuzufügen?" "Ja." Inuyasha war sich keiner Schuld bewusst. "Dann wissen sie nicht einmal, dass sie dir helfen eine Reise zu bezahlen, von der sie gar nicht wollen, dass du sie machst?" "Worauf willst du hinaus?" Seine Stimme klang leicht verärgert, als wüsste er bereits was sie sagen wollte. "Für mich klingt es so, als würdest du deine Eltern betrügen", murmelte sie. Inuyasha blieb stehen und blickte sie vorwurfsvoll an. "Du nimmst sie in Schutz?" "Ich nehme niemanden in Schutz. Ich bin überhaupt nicht in der Position um parteiisch zu sein." "Und trotzdem bist du es." "Das stimmt doch gar nicht!", verteidigte sie sich. "Ich habe ihnen erklärt, dass ich diese Geldmenge nicht brauche. Ich habe mit ihnen geredet, gedacht ich hätte mich klar ausgedrückt, aber alles was bei ihnen ankam war Bla bla bla. Meine Mutter besteht darauf und sagt, das Geld steht zu meiner freien Verfügung. Wenn ich es nicht jeden Monat abhebe, denkt sie sofort ich hätte ein Problem, also was sollte ich sonst tun, Kagome? Es vielleicht verbrennen?" "Was fragst du mich?", redete sie sich raus. Sie wollte jetzt nicht streiten. "Das geht mich doch überhaupt nichts an." "Da hast du verdammt recht." Inuyasha lief an ihr vorbei und Kagome folgte ihm bedrückt. Bei schnellem Fußmarsch dauerte der Weg zurück zum Internat kaum zehn Minuten. Und er hatte plötzlich einen sehr flotten Gang. Kagome musste sich wirklich anstrengen um Schritt halten zu können. Dabei wurde ihr so warm, dass die Kälte gar kein Thema mehr war. Währenddessen hatte sich der Nieselregen in richtigen Regen verwandelt und es dauerte nicht lange, bis ihre Perücke komplett durchgeweicht war. Ein unangenehmes Gefühl, fand Kagome. Als Inuyasha so schnell ging, dass sie joggen musste um nicht zurückzufallen, packte sie seinen Arm. "Inuyasha, warte", keuchte sie und zog an seiner Jacke, bis er widerwillig stehen blieb. "Was?" "Bist du wirklich so beleidigt, dass du wortwörtlich vor mir davonläufst?" "Es regnet", antwortete er knapp. "Ich bin nass und will schnell zurück." Mit anderen Worten: Ja, er wollte sie den restlichen Abend nicht mehr sehen. Kagome seufzte und ließ seinen Arm los. Er lief sofort weiter und drehte sich nicht um. Sie fragte sich, was er eigentlich von ihr erwartete. Sie konnte doch nicht blindlings seine Meinung vertreten, ohne auch nur die geringste Hintergrundinformation zu haben. Er machte aus seiner Vergangenheit und seiner schlechten Beziehung zu seinen Eltern ein Geheimnis, dass er so dringend bewahren wollte, wie Kagome ihre falsche Identität. Als sie auf dem Campus ankamen, war es bereits dunkel geworden. Die Wege auf dem Zentralhof wurden von kleinen Laternen beleuchtet, aber die Wiesen und das Schulgebäude waren vollkommen düster. Einzig aus den Fenstern der Wohnheime schien noch helles Licht und auch die letzten Schüler waren bereits auf dem Weg zu ihren Zimmern. "Inuyasha", rief eine bekannte Stimme vom Eingang des Mädchenwohnheims aus. Mafuyu fuchtelte mit beiden Armen durch die Luft, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Er warf Kagome einen kurzen, flüchtigen Blick zu und ging auf Mafuyu zu, die es scheinbar kaum abwarten konnte, ihm die neueste Neuigkeit aus ihrem Leben zu erzählen. Kagome ging schnurstracks weiter und betrat das Jungenwohnheim. Inuyasha würde sowieso keinen Wert darauf legen, wenn sie warten würde. Sie kramte den Zimmerschlüssel mit der einen Hand aus ihrer Hosentasche, während sie mit der anderen Hand durch ihre klatschnasse, falsche Haarpracht fuhr. Die Perücke war bisher noch nie so nass geworden und Kagome hoffte, dass sie nicht zu lange zum trocknen brauchen würde. Sie öffnete die Tür zu ihrem Apartment, die noch nicht von den Jungs verschlossen wurde und steckte den Schlüssel wieder ein. "Hey Leute", begrüßte sie ihre Freunde, die auf der Couch saßen und sie stumm beobachteten. Sie hängte die tropfende Jacke auf und bemerkte auf den zweiten Blick, wie ihre Freunde sie anschauten. Als hätte sie etwas verbrochen. Das machte sie augenblicklich nervös. "Warum schaut ihr denn so ernst?" "Oh, als ob du das nicht wüsstest", antwortete Ronnie vorwurfsvoll. "Wie bitte?", fragte Kagome verwirrt. "Sie spricht von deinem kleinen Geheimnis", erklärte Yori in einem ungewohnt gefühlskalten Ton. Bevor Kagome darüber nachdenken konnte was er meinte, zog er einen Slip hinter seinem Rücken hervor und sie erstarrte. Sie kannte diesen Slip. Das war ihr Slip. Ach, Scheiße! "I-Ich kann das erklären", stotterte sie, obwohl sie keine Ahnung hatte, was das erklären könnte. "Nicht nötig", ergriff Ronnie wieder das Wort. "Wir wissen bereits über alles bescheid und wir wissen auch, dass du und Inuyasha unter einer Decke stecken!" "Äh-" Wie sollte sie sich da jetzt noch rausreden? "Ihr sammelt die Unterwäsche von Mädchen!", platzte Yori heraus. Einige Sekunden war es vollkommen still und Kagome begriff, was die drei wirklich dachten. "Ja", bestätigte sie. "Wir sammeln Unterwäsche. Verdammt, ihr habt uns erwischt!" Ray, der noch überhaupt nichts zu diesem Thema gesagt hatte, schloss entsetzt die Augen und seufzte. Vermutlich hatte er auf eine andere Erklärung gehofft. Yori ging mit dem Schlüpfer in der Hand auf sie zu. "Ich bin verletzt, Kaoru", sagte er mit bebender Stimme und es funkelte wahrhaftig eine kleine Träne in seinem linken Auge. "Zutiefst verletzt! Du solltest mich doch mittlerweile gut genug kennen, um zu wissen, dass ich bei solchen Aktionen mitmache. Wieso habt ihr mich nicht eingeweiht?" "Ähm-Tut mir leid?" Was sollte sie nun davon halten? "Sind das eigentlich ganz Neue oder schon benutzte?" Yori ließ ihren Slip ein paar mal durch die Hände gleiten, bevor er ihn anhob um ihn einer nähergehenden Untersuchung zu unterziehen. Kagome schrie schockiert auf und entriss ihm das Höschen. "Riech da nicht dran!" "Gib das zurück, das habe ich gefunden!" "In meinem Koffer!", erwiderte sie empört. In diesem Moment betrat Inuyasha das Apartment, schloss die Tür hinter sich und das Erste auf das sein Blick fiel, war der pinke Slip um den sich zwei seiner Mitbewohner stritten. "Sie wissen es?" "Ja", antwortete Kagome schnell und bedachte ihn mit einem bedeutungsvollen Blick, während sie die nachfolgenden Worte kräftig betonte. "Sie haben unsere geheime Unterwäschesammlung entdeckt." Inuyasha verzog keine Miene. "Wie bitte?" "Inuyasha, ich kenne dich fast mein ganzes Leben lang", sagte Ray mit einem enttäuschten Unterton in der Stimme, "aber ich hätte wirklich nie gedacht, dass du solche Neigungen hast." Inuyasha erwiderte das Stirnrunzeln seines besten Freundes und blickte verwirrt in die Runde. "Und ich frage noch einmal: Wie bitte?" "Du brauchst gar nicht versuchen einen auf unschuldig und ahnungslos zu tun, Kaoru hat bereits alles gestanden", sagte Ronnie. "Was gestanden?" "Dass du ein perverser Unterwäschedieb bist!", rief Yori ungeduldig. "Gib es doch endlich zu! Wo gehst du auf Beutefang? Im Waschraum des Mädchenwohnheims? Wie kommst du da ungesehen rein? Und reicht es euch die Stücke bloß anzusehen oder zieht ihr sie euch auch an? Seit ihr heimliche Transvestiten?" Inuyasha schien langsam zu verstehen, worauf das hinaus lief. Er blickte von Yori zu Kagome, die ihm bittende Blicke zuwarf. Seine Gesichtszüge verhärteten sich und Kagome ahnte furchtbares. Er war schlecht gelaunt und wütend auf sie. Keine gute Kombination. "Sorry, aber das geht zu weit", sagte er und schaffte es sogar, dabei schuldbewusst auszusehen. "Hier spiele ich nicht mit." "Inuyasha bitt-" "Kaoru ist ein Mädchen und die Unterwäsche gehört ihr." Kapitel 15: Schuldgefühle ------------------------- Inuyasha hatte eine gewaltige Bombe platzen lassen, die alle sprachlos werden ließ. Kagome sah ihn entgeistert an. Das hatte sie nicht erwartet, nicht von Inuyasha. Er hatte sie immer unterstützt, ihr geholfen und ihr mehr als einmal versichert, das Geheimnis zu bewahren. Warum hatte er sein Versprechen nun gebrochen? Hatte sie ihn wirklich so wütend gemacht, reagierte er so empfindlich? Andererseits verhielt er sich schon seit mehreren Wochen sehr merkwürdig. Nachdem sie ihr Geständnis zurückgenommen hatte, glaubte sie zunächst es wäre wieder alles in Ordnung. Allerdings ging er immer mehr auf Abstand und stieß sie Stück für Stück von sich weg. Aus welchem Grund auch immer er so handelte, sie fühlte sich von ihm verraten und war maßlos enttäuscht. Er wich ihrem Blick aus und weil keiner mehr etwas sagte, drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand in seinem Zimmer. Yori war der erste, der das Schweigen brach. "Ja, natürlich", sagte er und fing an zu lachen. "Kaoru, ein Mädchen... Moment." Er stutzte und betrachtete seinen schmächtigen Mitbewohner noch einmal genauer. "Nun, das würde zumindest einiges erklären." "Kaoru", sagte Ray leise. "Was geht hier vor?" Kagome zog die durchnässte Perücke herunter. Ihre langen, ebenfalls nassen Haare fielen ihr über die Schulter. Den klammen schwarzen Pullover, der ihr zwei Nummern zu groß war, zog sie sich über den Kopf. Darunter trug sie nur ein enges, blaues Unterhemd unter dem sich deutlich ihre bandagierte Oberweite abzeichnete. "Mein richtiger Name ist Kagome", sagte sie traurig und setzte sich auf die Couch. Die anderen folgten ihr mit erstaunten Blicken und sie erklärte ihnen, wie es soweit gekommen war. "Ich gebe mich als Junge aus, weil es keine freien Plätze für Mädchen mehr gab." "Und dafür hast du eine falsche Identität angenommen?", fragte Ray ungläubig. "Das ist Betrug. Wenn das bekannt wird, dann-" "-dann gibt es gewaltigen Ärger, ich weiß. Deshalb sollte es ja eigentlich auch geheim bleiben." Es dauerte einen Moment, bis die drei diese verrückte Geschichte verarbeitet hatten. Man merkte ihnen deutlich an, wie surreal ihnen das alles erschien. "Sind du und Inuyasha zusammen?", fragte Yori plötzlich und betrachtete Kagome sehr intensiv. "Nein", bestritt sie sofort. "Nein, das sind wir nicht. Inuyasha war die ersten zwei Wochen genau so ahnungslos wie ihr und seitdem sind wir nur Freunde, nichts weiter." Leider. "Also, ich finde das großartig!", warf Ronnie ein und lächelte Kagome fröhlich an. "Wieso?", fragte diese überrascht. "Das ist eine interessante Geschichte, darüber könnte man glatt einen Roman schreiben. Ich hoffe du hältst mich auf dem Laufenden." "Da muss ich dich wohl enttäuschen." Kagome senkte den Blick. "Ich werde Musashi verlassen." "Was?" "So kann ich nicht weiter machen. Ich bin noch kein halbes Jahr hier und es wissen schon vier Leute über mich Bescheid. Diese lächerliche Aktion muss abgebrochen werden, bevor es zu spät ist. Ich hätte es gar nicht versuchen sollen, das war furchtbar unüberlegt von mir." "Du kannst nicht gehen", unterbrach Yori ihre Selbstzweifel. "Du bist schon so weit gekommen und jeder glaubt, dass du ein Junge bist. Ich wäre nie darauf gekommen, wenn Inuyasha es nicht verraten hätte. Es ist nicht schlimm, dass wir es jetzt wissen. Wir sind deine Freunde und behalten es natürlich für uns, nicht wahr?" "Klar!", sagte Ronnie sofort und stupste ihren Bruder auffordernd an. "Du auch, Ray?" "Ich weiß nicht", antwortete er zögernd. "Es gibt Regeln und Gesetze. In was für einer Welt würden wir leben, wenn sich niemand daran halten würde." "Verdammt noch mal!", fluchte Yori. "Zieh dir den blöden Stock aus dem Arsch." Ronnie lachte laut auf. "Das ist schon okay", meldete Kagome sich wieder zu Wort. "Ich kann nicht verlangen, dass ihr euch mit meinen Problemen auseinandersetzt." Sie lächelte tapfer, aber das lenkte nicht von ihrem bemitleidenswerten Anblick ab. Ray seufzte. "Ich will nicht der Buhmann sein. Meinetwegen behalte ich das Geheimnis für mich." "Siehst du? Selbst Ray ist auf deiner Seite, du kannst also bleiben", betonte Yori. "Das ist wirklich lieb von euch" sagte Kagome und erhob sich von der Couch. "Aber ich werde trotzdem gehen. Es muss sich nur einer von euch verplappern und ich bin dran. Auf Inuyasha kann ich mich ja offensichtlich auch nicht verlassen." "Naja", murmelte Ronnie," wir haben ihm vorgeworfen ein Unterwäschedieb zu sein, das ist schon etwas hart. Außerdem, selbst wenn er uns in dem Glauben gelassen hätte, wäre Yori ihm so lange auf die Nerven gegangen, bis es früher oder später sowieso rausgekommen wäre." "Hey!" "Ist doch so." "Mag ja sein, aber das macht es auch nicht besser", sagte Kagome und ging mit gesenktem Kopf und schlurfenden Schritten ins Schlafzimmer. Inuyasha hatte sich bereits aus der nassen Kleidung befreit und sich umgezogen. Als sie den Raum betrat rubbelte er sich mit einem T-Shirt gerade die Haare trocken. Er warf ihr einen feindseligen Blick zu und nahm eine Position ein, als würde er ein Wortgefecht erwarten. Aber Kagome ließ sich nicht darauf ein. Sie hob ihren Koffer, den die anderen offen auf dem Boden stehen lassen hatten, auf ihr Bett und fing an ihre Sachen aus dem Kleiderschrank hinauszulegen. "Was machst du da?", fragte Inuyasha und versuchte dabei möglichst desinteressiert zu klingen. "Ich packe. Ich verschwinde von hier." "Gut", meinte er und versetzte Kagome damit einen gewaltigen Stich ins Herz. "Das ist vermutlich das Beste." "Darum also", hauchte sie verletzt. "Was?" "Du willst mich loswerden. Darum geht es hier?" Er antwortete ihr nicht. "Ich verstehe das nicht, Inuyasha. Was ist denn auf einmal los mit dir? Seit letztem Monat verhältst du dich so seltsam. Ich bin freundlich zu dir und du weist mich zurück. Wenn ich mich von dir fernhalte, ist es genau umgekehrt. Kann man es dir überhaupt recht machen?" "Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst." Er verließ das Zimmer und ließ sie allein. "Natürlich nicht", zischte Kagome und packte ihre Sachen zusammen. Ronnie und Yori hatten versucht an der Tür zu lauschen und wurden dabei von Inuyasha überrascht. "Geht mir aus dem Weg!", rief er verärgert und schob die beiden zur Seite. Dann ließ er sich mit einem mürrischen Knurren auf die Couch fallen. Ray musterte ihn aufmerksam. "Was ist los? Bleibt sie hier?", fragte Ronnie aufgeregt. "Nein, sie geht." "Was machst du dann hier draußen?" Yori raufte sich die Haare. "Geh wieder da rein und halte sie davon ab!" "Was interessiert es dich, ob sie bleibt oder nicht?", fragte Inuyasha misstrauisch. "Du scheinst nicht zu verstehen, in was für einer Situation wir uns befinden", antwortete Yori angespannt. "Wir haben hier ein Mädchen! Ein Mädchen wohnt hier bei uns! Und ohne diese bescheuerte Perücke und in einem hübschen Kleid, ist sie vermutlich auch noch ziemlich heiß! Das klingt nach der perfekten Backgroundstory für einen Porno!" "Vorsicht!", sagte Ray verärgert und deutete auf seine kleine Schwester. "Sorry, ich meinte natürlich Erotikfilm." Inuyasha und Ray verdrehten simultan die Augen. "Deshalb willst du unbedingt, dass sie hier bleibt?", fragte Ronnie vorwurfsvoll. "Nur wegen deiner schmutzigen Fantasien? Hätte ich mir denken können." "Oh bitte, als wäre ich der Einzige hier mit solchen Gedanken. Sei ehrlich, Inuyasha. Du und Kagome, nachts allein auf eurem Zimmer und nur ein Meter trennt euch voneinander- In den drei Monaten hattest du sicher auch die eine oder andere Idee was man mit ihr anstellen könnte." "Nein, hatte er nicht", nahm Ronnie ihn sofort in Schutz. "Inuyasha mag ja manchmal unausstehlich sein, aber er ist immerhin anständig!" "Vielen Dank", murrte Inuyasha sarkastisch. "Ist zwischen euch beiden irgendetwas gelaufen?", fragte Ray argwöhnisch. Inuyasha musste unwillkürlich an den Abend denken, an dem sie sich gegenseitig zum ausziehen angestachelt hatten. Die beiden hatten heftig miteinander geflirtet und wie weit sie gegangen wären, wenn man sie nicht unterbrochen hätte, stand in den Sternen. Deshalb hatte er sich noch am selben Abend geschworen, sich von Kagome nie wieder den Kopf verdrehen zu lassen. Aber es wurde zunehmend schwerer, sie auf Abstand zu halten. Und sie auch auf Abstand halten zu wollen. "Nein, da läuft überhaupt nichts. Sie ist mir absolut gleichgültig." Das war natürlich gelogen und Ray durchschaute ihn sofort. Er kannte ihn einfach zu gut. "Heißt das, du würdest nicht mit ihr hinter das letzte Bücherregal gehen?", fragte Yori anzüglich. Das berüchtigte letzte Bücherregal, in der abgelegensten Ecke der Bibliothek, wurde bekannterweise häufig von den Schülern als intimer Rückzugsort genutzt. "Ich finde Knutschereien hinter staubigen Bücherregalen widerlich", entgegnete Inuyasha und wich der eigentlichen Frage gekonnt aus. "Was ist mit dir, Ray?" "Manchmal höre ich dir nicht zu, da beobachte ich nur wie sich dein Kiefer auf und ab bewegt." Auch er ging nicht auf Yoris Provokation ein. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, weitere Szenarien aufzustellen. Er betonte, dass von allen Mädchen mit denen er schon hinter dem Bücherregal war, Kagome vermutlich die Aufregendste sein würde. Daraufhin begann er aufzuzählen welche Vorteile es haben konnte, ein hübsches Mädchen in der Wohngemeinschaft zu haben. Mit jedem weiteren Satz, verdunkelten sich Inuyashas Gesichtszüge mehr. "Ab zweiundzwanzig Uhr, darf sich kein Mädchen mehr in diesem Wohnheim aufhalten. Das gilt aber nicht für Kagome, denn alle denken ja, sie sei ein Junge. Ein heißes Mädchen, das die ganze Nacht verbotenerweise bei uns Jungs abhängt und-" "Das reicht!" Yori blickte verwundert zu Inuyasha, der aufgestanden war und ihn zornig ansah. "Es gefällt mir nicht, wie du über sie redest", sagte er mit einem unmissverständlichen, drohenden Unterton in der Stimme. "Wie rede ich denn über sie?" "Als wäre sie ein seelenloses Sexobjekt." Yori hob herausfordernd eine Augenbraue. "Wenn sie dir so gleichgültig ist, warum stört es dich so sehr?" "Das hat nichts mit Kagome direkt zu tun, es würde mich bei jedem Mädchen, über das du so redest stören." "Was auch immer", sagte Yori und wirkte auf einmal sehr ernst. "Wenn du sie nicht durchnimmst, werde ich es tun." Diese Bemerkung brachte das Fass zum überlaufen. Inuyasha holte mit seiner rechten Faust aus und schlug ihm fest ins Gesicht. Ronnie zuckte erschrocken zusammen. Yori stöhnte gequält auf und legte die Hände auf seine Nase. Unter den Fingern floss das Blut. "Nein, das wirst du nicht!", rief Inuyasha verärgert und wollte noch einmal zuschlagen. Ray konnte ihn gerade noch davon abhalten. "Kagome würde nie auf einen Idioten wie dich reinfallen!" "Okay, Inuyasha, du hast jetzt Auszeit, raus mit dir!", sagte Ray entschlossen und deutlich und zerrte seinen Freund in den Flur des Wohnheims. Die Apartmenttür schloss er hinter sich. Inuyasha riss sich los und ging vor Wut schäumend den Gang ein paar mal auf und ab. "Zwischen dir und Kagome ist also nie etwas vorgefallen und sie ist dir völlig gleichgültig", wiederholte Ray und postierte sich im Türrahmen. "Das wirkte aber vorhin, als du ihre Ehre verteidigt hast, ganz anders." "Ich habe ihre Ehre nicht verteidigt", knurrte Inuyasha. "Wie würdest du es sonst nennen?" "Ich habe einem dämlichen Mistkerl die gerechte Strafe zugefügt. Anders versteht er es ja nicht!" "Ah, also prügelst du dich jetzt wieder? Haben deine Aussetzer zufälligerweise was mit dem Jahrestag vom letzten Monat zu tun?" Inuyasha blieb augenblicklich stehen und ließ die Schultern hängen. "Das hatte ich befürchtet", murmelte Ray und verschränkte seine Arme vor der Brust. "Ich wusste mir dein momentanes Verhalten nicht zu erklären, aber jetzt wo ich über Kaoru Bescheid weiß, kann ich es mir denken." "Und was denkst du?", fragte Inuyasha und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. "Ich denke, dass du es dir durch deine Schuldgefühle gewaltig mit diesem Mädchen verscherzt. Dass sie dir eben nicht gleichgültig ist, hat man ja gesehen. Es ist nicht fair, deine Probleme an ihr, uns oder irgendwem sonst auszulassen. Du musst damit zurechtkommen und niemand kann dir das abnehmen. Es ist nun schon über ein Jahr her. Du darfst glücklich sein. Lass nicht zu, dass dir dieser eine Fehler alles verbaut." "Ich bin gefahren", knirschte Inuyasha. "Ich weiß, das zwischen dir und Kikyo war etwas Besonderes." Ray ging langsam auf Inuyasha zu und legte behutsam eine Hand auf seine Schulter. Er reagierte nicht. "Das was ich jetzt sage tut unglaublich weh, aber dir die Schuld zu geben wird sie nicht zurückbringen. Es ist wichtig, dass wir allmählich akzeptieren, dass sie nie mehr wiederkommt." "Aber, was wenn-" "Nein", unterbrach er Inuyasha sofort. "Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert liegt praktisch bei Null." Ray leckte sich über die trockenen Lippen und atmete tief durch. "Hör zu, Kagome ist da drin und packt gerade ihre Sachen zusammen. Stell dir die Frage, ob du wirklich willst, dass sie geht. Oder ob du bloß glaubst, dass du das willst, damit sich erst gar nicht etwas entwickeln kann. Darüber solltest du jetzt gründlich nachdenken. Und du solltest dich damit beeilen, denn sehr lange wird sie nicht mehr brauchen. Und dann ist sie weg und kommt nie wieder. Nie wieder, verstehst du?" Er antwortete ihm nicht, aber Ray hatte alles gesagt was er zu sagen hatte. Deshalb ging er zurück in das Apartment und ließ die Tür angelehnt. Inuyasha blieb noch eine Weile so stehen und dachte über seine Worte nach. Er hatte recht. Mit allem was er gesagt hatte. Und er hasste Ray dafür, dass er immer recht hatte. Es war eine Tatsache, dass er für den Unfall verantwortlich war. Er trug die Schuld dafür, dass zwei Menschen ihr Leben verloren hatten. Zwei Menschen, die einfach nicht mehr da waren, während er dort stand und sein Leben weiterleben konnte. Das klang einfach nicht fair. Andererseits war es auch Kagome gegenüber nicht fair. Inuyasha fasste den wohl einzig richtigen Entschluss und ging wieder hinein. Ronnie tupfte gerade mit einer Handvoll Taschentüchern das Blut von Yoris Nase. Dieser warf ihm einen empörten Blick zu. "Das war echt uncool, Inuyasha. Uncool!" Inuyasha beachtete ihn nicht weiter. Als er das Schlafzimmer betrat, hatte Kagome bereits fertig gepackt und kämpfte nun mit dem Verschluss des Koffers. "Was war denn das vorhin für ein Theater da draußen?", fragte sie angestrengt und zog noch einmal an der Schnalle. "Was hast du denn gehört?", fragte Inuyasha vorsichtig. "Kein verständliches Wort, die Wände sind zu dick. Also, was war los?" "Nichts, es war nur- Warte, ich helfe dir." Inuyasha versuchte es selbst den oberen und unteren Riemen mit aller Kraft zusammenzuziehen, aber auch das schlug fehl. "Setz dich mal drauf." Kagome hüpfte auf den Koffer und wippte ein paar mal auf und ab. Inuyasha versuchte es noch einmal und dieses Mal schaffte er es. "Hervorragend", sagte Kagome und rutschte wieder auf den Boden. "Er ist zu." "Ja, fertig gepackt und startklar." Inuyasha beobachtete Kagomes Reaktion im Augenwinkel. Sie wirkte sehr entschlossen und vermutlich würde sie wirklich von hier verschwinden. Verdammt. Er hatte gehofft, sie würde es sich selbst ausreden. Inuyasha seufzte leise und öffnete den Koffer dann wieder. "Was soll das denn jetzt?", fragte Kagome aufgebracht. "Du solltest hier bleiben." Er hob den Deckel an und begann damit, Kagomes Kleidung wieder in den Schrank zu räumen. "Das hast nicht du zu entscheiden!" "Die ganze Zeit warst du fest entschlossen diese Sache durchzuziehen. Warum der plötzliche Meinungsumschwung?" "Falls du es schon vergessen hast, vor nicht einmal einer Stunde hast du mein Geheimnis einfach ausgeplaudert." Sie holte ihre Klamotten aus dem Schrank und legte sie erneut in den Koffer, aber Inuyasha zog sie wieder raus und wiederholte die ganze Aktion. "Ich hätte kein Wort verraten, wenn ich mir nicht ganz sicher wäre, dass die Drei dicht halten werden." "Und was wenn nicht?" "Werden sie." "Aber was wenn nicht?", fragte sie lauter. "Hab ein bisschen Vertrauen." "Ich habe dir vertraut und wurde enttäuscht." Sie riss ihm einen Stapel Jeanshosen aus dem Arm und warf sie wütend auf den Kleiderhaufen im Koffer. "Auf eine derartige Wiederholung kann ich gut verzichten, danke." "Okay", meinte Inuyasha und sah sie eindringlich an. "Ich gebe zu, dass ich das jetzt verdient habe." Er machte eine kurze Pause und beobachtete wie Kagome interessiert aufhorchte. "Aber hätte ich wirklich so tun sollen, als wäre ich ein Unterwäsche-Fanatiker?" "Ich hätte es für dich getan, wenn die Situation andersherum verlaufen würde", antwortete sie schnippisch und faltete ihre Wäsche wieder zusammen. "Damit wären wir nie durchgekommen", beharrte er und sie wusste, dass er damit richtig lag. "Dann hätten wir uns eben etwas anderes einfallen lassen." "Und was?", fragte er und griff nach dem frischgefalteten Stapel Pullover und legte ihn in ihren Kleiderschrank. "Na, eben irgendetwas und hör auf meine Sachen zurückzuräumen! Ich will noch heute Abend hier raus sein." "Überleg dir das noch einmal. Die anderen halten dicht, und kein anderer aus dieser Schule kommt dir und deinem Geheimnis so nahe, wie wir vier. Die schlimmste Gefahr ist gebannt." "Was soll das, Inuyasha?", fragte sie verzweifelt und rieb sich die Schläfen. "Eben hast du es noch für eine gute Idee gehalten, dass ich gehe." "So war das nicht gemeint", entgegnete er bedrückt und wusste nicht, wie er ihr das erklären sollte. "Ach, dann willst du mich also nicht loswerden?" "Nein." Er griff nach ihrer Hand und zog sie in seine Arme. Kagome war völlig verwirrt und konnte gar nicht so schnell reagieren. Noch bevor sie ihren Unmut darüber äußern konnte, lag sie bereits in der Falle und konnte sich nicht mehr retten. Sie war hoffnungslos verloren. "Ich will, dass du bleibst", flüsterte er ihr zögernd ins Ohr. Sein heißer Atem ließ ihren Kopf hochrot anlaufen, ihr Herz rekordverdächtig schnell schlagen und ihre Beine zitterten. Inuyasha drückte sie noch fester an sich. Seine Wärme umschloss ihren Körper und sie war sich sicher, dass sie vorhin gefroren hatte, auch wenn es ihr noch nicht bewusst gewesen war. Das war das erste Mal, dass ein Junge sie so umarmte. Er spürte, wie sie sich langsam entspannte und ihre Atmung ruhiger wurde. Und obwohl Inuyasha sich sicher war, dass er bereits erreicht hatte was er wollte, konnte er noch nicht loslassen. Und das beunruhigte ihn. Er ertappte sich selbst dabei, wie er ihren Geruch einsog und eine ihrer kaltnassen Haarsträhnen um den Finger wickelte. Unentschlossen drückte er sie sanft von sich. Sie blinzelte verlegen und sah ihn an, als erwarte sie eine Erklärung. Inuyasha schluckte, ordnete schnell seine Gedanken und griff dann wieder nach einigen herumliegenden Kleidungsstücken. "Ich helfe dir beim einräumen", sagte er und Kagome nickte nur. Kapitel 16: Keine Einbildung ---------------------------- Mittwochmorgen. Vierte Unterrichtsstunde. Kagome kritzelte kleine Schnörkel und Kringel neben ihre Notizen. Am gestrigen Abend hatten Yori, Ray und seine kleine Schwester herausgefunden, dass Kaoru ein Mädchen war. Obwohl sie ihr versprochen hatten, das Geheimnis für sich zu behalten, war Kagome furchtbar nervös und rechnete bereits mit dem Schlimmsten. Konnte ein dreizehnjähriges Mädchen den Ernst dieser Situation verstehen? War Yori in der Lage Kaoru von Kagome zu unterscheiden und sie dementsprechend anzusprechen? Ray war von allen noch der Vertrauenswürdigste. Aber er war furchtbar moralisch, was wenn er es sich doch anders überlegte und die Schulleitung benachrichtigte? Kagome grübelte darüber nach, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre einfach aufzugeben und zu verschwinden. Sie warf Inuyasha einen kurzen Blick zu. Die Umarmung wurde nicht erwähnt, weder von ihm noch von ihr. Die halbe Nacht hatte sie wach gelegen und sich Gedanken darüber gemacht, was sie bedeuten könnte. Vielleicht zeigte Inuyasha langsam Gefühle für sie. Aber wenn nicht, warum diese plötzliche Zärtlichkeit? Wenn sie herausfinden sollte, dass Inuyasha sie nur umarmt hat, damit sie bleibt um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, dann würde ihm das noch leidtun! "Nächste Woche werden wir eine Debatte darüber führen, ob Karl der Erste wirklich einen fairen Prozess erhalten hat", sagte die Lehrerin nach einem etwas längeren Vortrag und schaltete den Projektor aus. Ray stand auf und drückte auf den Lichtschalter. Das weiße Neonlicht an der Decke flackerte auf und Kagome versteckte schnell ihre Kritzeleien. Die Lehrerin sortierte ein paar Unterlagen. Daraufhin begann sie damit einige Arbeitsblätter auszuteilen und erklärte: "Die Fürsprecher stehen für das Parlament. Die Gegenpartei vertritt den Monarchen und soll beweisen, dass die Anklage nicht Rechtens war- Was ist denn so faszinierend, Ito?" Yori hob überrascht den Kopf und blickte verwirrt in das Gesicht der autoritären Frau. "Äh, gar nichts." "Gar nichts?", fragte die Lehrerin und hob kritisch eine Augenbraue. "Meine Notizen", ergänzte Yori schnell und deutete auf die wenigen Sätze auf seinem Block. "Die sind faszinierend!" Die Lehrerin wandte sich von ihm ab und teilte die restlichen Papiere aus. Dann schrieb sie ein paar Stichwörter an die Tafel. "Also, die gegnerischen Parteien erhalten jeweils zwei Minuten für die Einführung. Dazu kommen fünf Minuten für die Debatte, zwei Minuten für das Schlusswort und drei Minuten für Fragen von Zuhörern. Der Sieger wird am Schluss durch Handzeichen von den übrigen Schülern gewählt." Die Lehrerin seufzte genervt. "Klingt das nicht sehr spannend, Ito?" "Was?" "Die Debatte. Ist das nicht alles sehr spannend?", wiederholte sie. Yori ließ den Bleistift fallen, an dessen Ende er gekaut hatte und räusperte sich. "Ja, allerdings." "Das sehen Sie auch so? "Selbstverständlich", antwortete er sehr überzeugend. Die Lehrerin stemmte ihre Hände in die Hüfte und fragte: "Spannender als auf das Ohr von Kaoru zu starren?" Kagome zuckte leicht zusammen und wurde etwas rot. Es war vereinzeltes Gekicher ihrer Mitschüler zu hören und die meisten Blicke richteten sich auf sie. Verlegen schirmte sie ihr Gesicht mit einer Hand ab. "Ähm, ja", murmelte Yori. "Ja, das glaube ich auch", sagte die Lehrerin deutlich und fuhr fort: "Habt ihr noch Fragen? Gut, dann teile ich die Gruppen ein." Inuyasha drehte den Kopf nach hinten und warf Yori einen verärgerten Blick zu. Nach der Stunde verließ Kagome fluchtartig den Klassenraum und verschwand in der Jungentoilette am Ende des Flurs. Inuyasha warf sich wütend seinen Rucksack über die Schulter und lief im Eiltempo hinter Yori her, Ray folgte beiden misstrauisch. Inuyasha wartete bis seine anderen Klassenkameraden um die Ecke verschwunden waren, bevor er Yori am Kragen packte und ihn gegen die Wand warf. "Hey!", rief er empört. "Was war das eben?" "Das war das Fach Literatur." Er stellte sich dumm, was Inuyasha nur umso mehr provozierte. Er hob die geballte Faust und Yori legte schnell seine Hände schützend vor die Nase. "Nicht ins Gesicht!" Ray griff ein und zog Inuyasha von ihm weg. "Leute, euer Verhalten ist mehr als lächerlich! Ihr seid doch Freunde, oder nicht?" "Das sollte ich vielleicht überdenken", knurrte Inuyasha. Yori erwiderte seine zornigen Blicke, verlagerte aber vorsichtshalber sein Gewicht näher zu Ray. "Was deine Fantasien angeht", sagte dieser und blickte ihn einen Moment lang missbilligend an. "Sie werden Fantasien bleiben. Kagome saß bei deinen Flirtereien lange genug in der ersten Reihe und sie weiß, was für ein Typ du bist." Yori wollte etwas sagen, aber Ray schnitt ihm das Wort ab und sprach weiter: "Sieh den Tatsachen ins Auge. Kagome wäre nie blöd genug, um sich auf dich einzulassen." "Zudem sie sowieso schon auf jemand anderes ein Auge geworfen hat", ergänzte Inuyasha verächtlich und verschränkte die Arme. Seine beiden Mitbewohner sahen ihn kurz überrascht an. "Woher willst du das wissen?" "Sie hat es mir gesagt." "Und für wen schwärmt sie?", fragte Yori ernsthaft neugierig. "Ach, keine Ahnung", schnaubte Inuyasha und wich den prüfenden Blicken von Ray aus. "Okay", sagte Yori und hob demütig die Hände. "Ihr scheint da was missverstanden zu haben. Ihr tut ja so, als würde ich Kagome zu irgendetwas zwingen wollen. Aber ich will sie doch nur etwas besser kennenlernen, also als Mädchen." "Er will sie nur kennenlernen", wiederholte Ray, als wäre das etwas völlig Anderes. "Wie weit kennenlernen?", fragte Inuyasha mit grimmiger Miene. Yori grinste etwas. "So weit, wie sie mich lässt." "Er tut es schon wieder!", rief Inuyasha wütend. "Was?" "Du gehst schon wieder zu weit. Lass es einfach bleiben", erklärte Ray und fuhr sich genervt durch die Haare. "Mir reicht es schon jetzt und ich werde nicht zulassen, dass sich dieser Streit weiter verkeilt. Also, Yori benimmt sich von nun an nicht mehr wie ein Depp und du, Inuyasha, bist nicht mehr so aggressiv!" "Ich werde nicht so tun, als wäre das nie passiert", beharrte Inuyasha stur. "Das verlangt ja auch niemand. Aber gib ihm doch einfach-" "- einen Schubs von einem hohen Gebäude?", beendete er Ray's Satz und beobachtete vergnügt wie Yori eingeschüchtert zurückwich. "Eigentlich dachte ich eher an eine zweite Chance." Es blieb einen Moment lang still, während Inuyasha nachdenklich zwischen seinen beiden Mitbewohnern umherblickte. "Okay", sagte er schließlich. "Aber nur, wenn er sich ab jetzt zurückhält und Kagome nicht mehr belästigt. Eine ähnliche Situation wie die vorhin im Unterricht sollte sich nicht wiederholen, sonst kriegt sie wegen uns wirklich noch Schwierigkeiten." "Du kannst nicht einfach so den Boss raus hängen lassen", entgegnete Yori. "Und ob ich das kann!" "Also, Leute. Herrscht wieder Frieden? Bitte?", fragte Ray und stieß seinen Ellenbogen fest in Yoris Seite. Er stöhnte kurz auf und rieb sich die schmerzende Stelle. "Ah, ja, Frieden!" "Wenn du sie nicht in Ruhe lässt, wird das nächste Mal mehr als nur deine Nase bluten, klar?", sagte Inuyasha drohend und ging. "Ich behalte dich im Auge", rief er noch über die Schulter und verschwand dann ebenfalls in der Jungentoilette. "Er ist wie ein bissiger Pitbull", murmelte Yori säuerlich. Im Toilettenraum war es still. Inuyasha ging an den Waschbecken vorbei und sah, dass die erste Kabinentür verschlossen war. Er überprüfte, ob die anderen drei Kabinen leer waren und klopfte dann vorsichtig an die erste Tür. "Kagome", flüsterte er. "Alles in Ordnung?" "Verschwinde!", zischte sie. Inuyasha verdrehte die Augen und wollte wieder gehen, als er ein kurzes Schluchzen hörte. Er horchte auf und bemerkte Papiergeraschel und leises Schniefen. "Weinst du, Kagome?" "Nein", wimmerte sie. Inuyasha seufzte gequält. "Bitte, nicht weinen. Ich hasse es, wenn Mädchen weinen. Ich habe gerade mit Yori geredet. Ich und Ray sorgen dafür, dass er nicht noch mehr Blödsinn anstellt, okay?" "Es geht doch nicht um Yori!", fauchte Kagome aufgebracht, stieß die Tür auf und blickte ihn mit verheulten Augen an. "Worum denn dann?", fragte Inuyasha verwirrt. Kagome lief an ihm vorbei und stellte sich vor ein Waschbecken. "Ich sollte schon längst im Zug Richtung Tokyo sitzen, meinen Eltern alles beichten und zurück auf meine alte Schule wechseln. Das wäre vernünftig. Stattdessen ignoriere ich das Risiko und denke nur daran, was für eine gewaltige Chance ich mir entgehen lassen würde und-" Sie brach ab und blickte in den Spiegel. Inuyasha stand hinter ihr. "Und- was?" "Gar nichts", murmelte Kagome. Sie drehte den Wasserhahn auf und wusch sich mit dem kalten Wasser das Gesicht. Inuyasha reichte ihr ein paar Tücher zum abtrocknen. "Wir haben das doch gestern alles geklärt." Kagome warf die nassen Tücher in den Mülleimer und schaute Inuyasha fassungslos an. "Geklärt? Nichts haben wir geklärt!" "Ich habe dir versichert, dass die anderen dicht halten werden. Sie selbst haben es dir versprochen. Klar, Yoris Verhalten eben war kein guter Anfang, aber das wird er in den Griff kriegen und niemand wird wegen dieser Kleinigkeit Verdacht geschöpft haben." "Meine Zukunft liegt in den Händen einer Dreizehnjährigen, einem Playboy und einem braven Musterschüler, der nicht gerne die Regeln bricht. Das klingt für mich nicht nach einem Happy End." "Du hattest kein Problem damit, als ich es herausgefunden habe. Warum hast du nicht schon damals direkt deine Koffer gepackt?" "Weil nur du es wusstest und ich dir vertraut habe. Es scheint dir nicht bewusst zu sein, aber du hast mich furchtbar verletzt, Inuyasha. Du hast mich gestern Abend einfach ins kalte Wasser geworfen und dafür gibt es einen Grund, da bin ich mir sicher. Du wolltest mich loswerden. Einen kurzen Moment lang wolltest du, dass ich verschwinde. Warum du deine Meinung dann wieder geändert hast, ist mir allerdings schleierhaft." "Ich habe dir schon gestern gesagt, dass das so nicht gemeint war." "Ja, kurz bevor du mich umarmt hast", sagte Kagome und runzelte die Stirn. "Was das zu bedeuten hatte, würde ich übrigens gerne erfahren. Ich hoffe nur du glaubst nicht, dass das alles wieder in Ordnung gebracht hat. Ich bin nach wie vor enttäuscht und wütend auf dich." Inuyasha schaute bedrückt zu Boden. Hatte sie ihn etwa gekränkt? Seufzend strich sie über ihre Stirn. Die Heulerei und Aufregung haben ihr Kopfschmerzen beschert. "Ich möchte dich etwas fragen, was mich die ganze letzte Nacht über beschäftigt hat", sagte sie und suchte seinen Blick. "Gib mir bitte eine ehrliche Antwort. Wolltest du mich verscheuchen, weil du mich nicht ausstehen kannst?" Sie sah ihm tief in die Augen und beobachtete seine Reaktion. "Oder weil du mich mehr magst, als dir lieb ist?" Er wirkte erschrocken und Kagomes Herz schlug ein gutes Stück schneller als ihr klar wurde, dass sie vermutlich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte öffnete sich die Tür und ein fremder Schüler trat in den Raum. Er wirkte sehr erwachsen, vermutlich war er in der momentanen Abschlussklasse. Er warf den beiden einen kurzen Blick zu, bevor er sich vor ein Urinal stellte und den Reißverschluss seiner Jeans öffnete. Kagome wendete schnell den Blick ab, daran würde sie sich nie gewöhnen. Inuyashas Gesichtszüge hatten sich verhärtet und er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ungeduldig wartete sie darauf, dass sich der Junge fertig erleichtert hatte. Sie hörte wieder das Surren des Reißverschlusses und die Toilettenspülung. Als er auf sie zukam, ging Kagome ein Stück zur Seite um ihm Platz zu machen. Im Spiegel wanderte sein Blick von Kagome zu Inuyasha und wieder zurück, während er sich die Hände wusch. Offensichtlich fragte er sich, warum sie so verkrampft dastanden. Zum Glück wollte er seiner Neugier nicht nachgeben und verschwand wieder. Nachdem die Tür zugefallen war, wandte sie sich wieder diesem Sturkopf zu und trat einen Schritt nach vorne. "Bekomme ich eine Antwort?", fragte sie sanft. "Ich glaube kaum, dass du sie hören willst", antwortete er in einem Ton, der so kalt war, dass Kagome ein leichter Schauer über den Rücken lief. "Wenn es die Wahrheit ist, will ich sie hören." Innerlich bereitete sie sich schon auf den Schlag vor. "Es war nur eine Umarmung. Eine völlig harmlose, freundschaftliche Umarmung. Nichts weiter", sagte er sachlich. Für sie klang es fast, als versuchte er sich selbst zu überzeugen. "Ich wollte, dass du bleibst und so habe ich es erreicht. Mehr war und ist da nicht. Wenn du nicht damit aufhörst, wird das noch zu ernsten Schwierigkeiten zwischen uns beiden führen." "Womit soll ich aufhören?" "Du weißt ganz genau was ich meine", flüsterte er drohend. "Die nächste Stunde fängt gleich an." Er drehte sich um und verschwand durch die Tür. Er log. Er machte ihr etwas vor. Die Umarmung war weder harmlos noch freundschaftlich gewesen. Sie war Inuyashas Moment der Schwäche. Sie war ihm nicht egal. Das bildete sie sich nicht bloß ein, das war ihr jetzt klar und diese Erkenntnis tröstete sie etwas über die erneute Zurückweisung hinweg. Kagome hatte das Gefühl, dass Inuyasha eine furchtbar schwere Last zu tragen hatte, von der er sich einfach nicht befreien konnte und vielleicht auch nicht wollte. Sie wünschte sich, er würde ihr erlauben ihm etwas von dem verfluchten Gepäck abzunehmen. Aber dazu würde es wohl nicht kommen. Welches Problem ihn auch quälte, helfen konnte sie ihm nicht. Nicht, solange er es nicht zuließ. Kapitel 17: Geister der Vergangenheit ------------------------------------- "Bist du bereit, Inuyasha?" "Ja, Mum, das bin ich. Du hast mich schon vier Mal gefragt und meine Antwort war immer dieselbe." "Nicht frech werden." Izayoi verschiebt den Kerzenhalter auf der Mitte des Esstisches um ungefähr einen Zentimeter und zupft die cremefarbene, spitzenbesetzte Tischdecke zurecht, die Inuyasha so sehr hasst. Wenn beim Abendessen auch nur ein einziger kleiner Soucenspritzer vom rechten Weg abkommt, muss er sich wieder die bekannte Predigt über die teure Reinigung anhören. Während seine Mutter wiederholt das Gedeck überprüft sitzt Inuyasha schon an seinem Platz, auf der linken Längsseite. Er hält seine neue Spiegelreflexkamera in den Händen und begutachtet auf dem Display die Fotos des Tages. Er hat das schlechte Wetter genutzt um den stürmischen Ozean abzulichten und es sind einige gute Bilder zustande gekommen. Er ist zufrieden. "Ich bin so nervös", seufzt Izayoi. "Wirklich?", fragt Inuyasha mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. "Das ist mir gar nicht aufgefallen." "Bitte, zeige dich heute von deiner besten Seite. Dieser Abend ist sehr wichtig." "Warum? Das ist doch nur ein neuer Geschäftspartner von Dad." "Seine Frau, genauer gesagt. Und ihre Tochter. Sie ist übrigens in deinem Alter." Inuyasha hebt den Blick und wirft seiner Mutter einen argwöhnischen Blick zu. "Unterschätze niemals den Einfluss von Ehefrauen auf ihre Männer. Wenn wir einen guten Eindruck auf sie machen, festigt das die Geschäftsbeziehung deines Vaters", erklärt Izayoi. Inuyasha runzelt zweifelnd die Stirn und sie fügt hinzu: "Außerdem sind sie Japaner! Sie sind vor zwei Wochen in die Nachbarstraße gezogen und ich hatte schon lange keine japanische Freundin mehr." "Und das hat nichts damit zu tun, dass ihre Tochter zufälligerweise in meinem Alter ist?" "Nein", sagt sie. "Und jetzt versprich mir, dass du dich benimmst. Keine Fluchwörter oder beleidigende Ausdrücke und keine skandalösen Wutausbrüche. Was auch immer dir in dieser Richtung einfallen mag: Überlege es dir zweimal und tu es dann nicht." "Schon klar." "Ich meine es ernst, Inuyasha-" Izayoi wird von einem Glockenton unterbrochen. Die Türklingel. "Ah, pünktlich auf die Minute", sagt sie lächelnd und klatscht begeistert in die Hände. "Jetzt leg endlich das Spielzeug weg und begrüße mit mir unsere Gäste." Mit einer unmotivierten Bewegung steht Inuyasha auf und setzt die Kamera auf einem kleinen Beistelltisch in der Ecke ab. Dann folgt er seiner Mutter in den Eingangsbereich. Die Hausangestellte hat die Besucher bereits hineingebeten. "Herzlich Willkommen, Mrs. Sagara", begrüßt Izayoi die ältere der beiden Frauen und reicht ihr die Hand. "Guten Abend, Taishou-san", antwortet sie. Diese Frau ist ebenso elegant gekleidet wie seine Mutter und streicht ihr graues Kleid unauffällig glatt, bevor sie den Handschlag erwidert. "Darf ich Sie so ansprechen? Die amerikanischen Umgangsformen sind noch so neu für uns." "Aber natürlich", sagt Izayoi vergnügt. Es ist schon lange her, dass man sie mit einer japanischen Anrede angesprochen hat. Das junge Mädchen hat gerade ihren Mantel abgenommen und ihn der Angestellten übergeben. Sie zuckt leicht zusammen, als sie sich daraufhin umdreht und Inuyasha sieht. Er reagiert ähnlich überrascht. "Und das ist meine Tochter-" "Kikyo", unterbricht Inuyasha sie und die beiden Mütter blickten überrascht drein. "Ihr beiden kennt euch bereits?", fragt Izayoi eine Spur zu begeistert. "Ja, wir-", erwidert Kikyo mit heiserer Stimme. Sie räuspert sich schnell und schiebt den verrutschten Träger ihres schwarzen, knielangen Kleides wieder über ihre zarte Schulter. "Wir gehen auf die selbe Schule." "Parallelklasse", ergänzt Inuyasha sie. "Wie klein die Welt doch ist", sagt Kikyos Mutter. "Dass wir ausgerechnet in eure Nachbarschaft ziehen." "Als wäre es Schicksal", entgegnet Izayoi und lächelt als wäre dieser Zufall ihr Verdienst. Inuyasha und Kikyo tauschen einen unzufriedenen Blick aus. Er hat noch nie zuvor ein Wort mit ihr gewechselt und eigentlich hat er nicht vorgehabt daran etwas zu ändern. Die perfektionistische Schülersprecherin in seinem Haus? Am liebsten würde er sich in seinem Zimmer verbarrikadieren. Als seine Mutter die beiden ins Speisezimmer führt wünscht Inuyasha sich inständig, dass dieser Abend schnell vorbei gehen wird. Aber das ist unwahrscheinlich. Wie erwartet löchert Izayoi Kikyo und ihre Mutter Kanon mit einem Haufen sinnloser Fragen, deren Antworten man meist doch sowieso wieder vergisst. Gelangweilt schiebt Inuyasha sein Gemüse von der einen Seite des Tellers zur anderen. Es interessiert ihn nicht, dass Kikyo eine kleine Schwester hat und was ihre beiden Väter während der Geschäftsreise zu erledigen haben. "Schülersprecherin und Vorsitzende des Veranstaltungskomitees", wiederholt seine Mutter Kikyos letzten Satz. "Das ist sehr beeindruckend. Aber schränkt so viel zusätzliche Verantwortung nicht die Schulleistung ein?" "Meine Tochter hält einen glatten Einser-Durchschnitt", sagt Kanon und lächelt Kikyo an. "Mein Mann und ich sind sehr stolz auf sie." Kikyo erwidert das Lächeln zögernd. "Sie hat einen glatten Einser-Durchschnitt, Inuyasha", sagt Izayoi. "Schön für sie", murmelt er desinteressiert und stochert weiter in seinem Essen herum. Seine Mutter räuspert sich vorwurfsvoll. Er hebt den Kopf und blickt sie fragend an. Izayoi deutet auf Kikyo. Er wendet sich dem zierlichen Mädchen zu, das ihm gegenüber sitzt. Ihre langen, glatten Haare fallen ihr in weichen Strähnen über die Schultern. Feingliedrige Finger zupfen an den dünnen Trägern ihres Kleides, schieben sie immer wieder zurecht. Sie sieht so traurig aus, geht es Inuyasha durch den Kopf. Er erinnert sich an ihre Tränen. Es war am Tag der Abschlussfeier seines Bruders gewesen. Er kam zu spät und lief eilig den nassen Kiesweg entlang, der zum Veranstaltungssaal führte. Er war schon fast an der Eingangstür angekommen, als er sie an die Mauer gelehnt stehen sah, nur wenige Meter von ihm entfernt. Daraufhin war er stehen geblieben, unschlüssig wie er reagieren sollte. Das perfekte Mädchen, das immer die Kontrolle behielt und so selbstsicher wirkte, vergrub ihr Gesicht in den Händen und schluchzte. Sie rieb sich mit dem Ärmel immer wieder über die Augen, aber die Tränen wollten einfach nicht versiegen. Dann entdeckte sie ihn und erstarrte, während sie sich gegenseitig betrachteten. Als es wieder anfing zu regnen, wandte Inuyasha den Blick ab und betrat eilig das Gebäude. Die Namen der einzelnen Schüler der Abschlussklasse wurden bereits verlesen, als er den Platz neben seinen Eltern einnahm. Er ignorierte den strafenden Blick seiner Mutter und ihm entging wie sein Bruder die Bühne betrat und sein Zeugnis entgegennahm. Er beobachtete die Eingangstür und wenige Minuten später betrat auch Kikyo den Saal und stellte sich in eine unauffällige Ecke. Ihre Augen waren gerötet und ihre Haare und ihre Kleidung waren leicht durchnässt, aber niemand schien Notiz davon zu nehmen. Inuyasha zwang sich seine Aufmerksamkeit auf das Hauptereignis zu legen. Sesshoumaru betrat noch einmal die Bühne, da ihm als Jahrgangsbester die Ehre der Abschlussrede zuteil wurde. In diesem Augenblick hatte Inuyasha sich aufs Neue geschworen, niemals wie sein Bruder zu werden. Später hatte er erfahren, dass es Probleme beim Drucken der Zeugnisse gab und man Kikyo dafür verantwortlich gemacht hatte. Er mag es zwar nicht wenn Mädchen weinen, aber er hat kein Mitleid für sie übrig. Er hat noch nie nachvollziehen können, warum sich so ehrgeizige Menschen wie Kikyo, haufenweise Pflichten und Verantwortungen aufbürdeten und sich dadurch nach und nach selbst kaputt machten. "Möchtest du nicht auch etwas zu unserem Gespräch beitragen, Inuyasha?", fragt Izayoi und zieht ihren Sohn aus seinen Gedanken. "Ähm, ja", antwortet er. "Was hältst du von Delegierung, Kikyo?" Sie schaut ihn überrascht an. "Was?" "Wie du ja eben selbst erklärt hast, trägst du viel Verantwortung. Aber soweit ich weiß, hat das Veranstaltungskomitee noch weitere Mitglieder, die einen Teil deiner Aufgaben übernehmen könnten-" "Das tun sie", unterbricht Kikyo ihn. "Jeder im Team hat seinen Teil beizutragen." "Beispielsweise den Müll wegzubringen oder die Luftballons aufzublasen? Das Dekorieren übernimmst aber immer du selbst, ein Ballon könnte ja im falschen Winkel platziert werden", sagt Inuyasha leicht spöttisch. "Das hast du von der kleinen Rothaarigen, die dich so anhimmelt, nicht wahr?" "Ihr Name ist Mafuyu", korrigiert er sie. "Ich bin sicher du würdest ihren Namen wissen, wenn du sie mehr miteinbeziehen würdest." Kikyo runzelt die Stirn und wirft ihm einen zornigen Blick zu. Offensichtlich hat er sie verärgert. "Du hast recht", sagt sie schließlich mit einem aufgesetzten Lächeln. "Ich übernehme sehr viele Aufgaben. Denn wenn man will, dass etwas richtig gemacht wird, dann macht man es eben selbst." "Das bringt aber nichts, wenn man sich überfordert-" "Ich bin nicht überfordert!", zischt sie. "Ich bin ein Mensch, der unter etwas Druck Höchstleistungen erreicht. Aber das kannst du nicht verstehen, da dir Verantwortung und Leistung fremd sind." "Wer hat Lust auf ein Dessert?", wirft Izayoi ein und tauscht besorgte Blicke mit Kanon aus. "Es gibt Vanilleeis mit Honigmandeln und grüner Teesauce." "Das klingt bezaubernd", erwidert Kanon fröhlich. Izayoi ruft die Hausangestellte zu sich, um ihr neue Anweisungen zu geben. Blitzschnell hat sie den Tisch abgeräumt und verschwindet eilig wieder in der Küche um das Dessert zu servieren. "Dort drüben steht übrigens ein wunderschöner Flügel. Spielt ihr?", fragt Kanon. "Meine beiden Söhne hatten Klavierunterricht, aber sie konnten sich musikalisch leider nicht begeistern, obwohl Inuyasha großes Talent aufweist." "Oh, Kikyo spielt hervorragend Violine. Ihr zwei würdet sicher ein schönes Duo abgeben." "Nein, das würden wir sicher nicht", antwortet Inuyasha trotzig. "Nun, der Flügel", sagt Izayoi und wirft ihrem Sohn einen maßregelnden Blick zu, "war eine Spezialanfertigung eines Künstlers des 18. Jahrhunderts. Ich konnte ihn vor einigen Jahren auf einer Kunstauktion ersteigern." "Darf ich ihn mir genauer ansehen?" "Natürlich", sagt Izayoi und erhebt sich gemeinsam mit Kanon vom Tisch. Die beiden verschwinden im Nebenraum. Abweisend verschränkt Inuyasha die Arme vor der Brust, als Kikyo ihn weiterhin zornig anfunkelt. "Du hältst dich für so viel besser, nicht wahr?", ergreift sie nach kurzer Zeit das Wort. "Du bist ja so cool, weil dir alles egal ist-" "Mir ist nicht alles egal", unterbricht er sie sofort. "Nicht? Deine Schulnoten sagen da etwas anderes." "Die sind mir tatsächlich egal- aber woher weißt du denn über meine Schulnoten Bescheid?", fragt Inuyasha empört. Sie zuckt mit den Schultern. "Ich bin Schülersprecherin", sagt sie als würde das alles erklären. "Ich weiß Dinge. Warum sind dir deine Noten egal?" Inuyasha runzelt verwirrt die Stirn. "Was interessiert dich das?" "Tut es nicht", erwidert sie. "Antworte trotzdem." "Ich brauche eben keine guten Noten", sagt Inuyasha widerwillig. "Um auf einer Universität angenommen zu werden, brauchst du sie schon." "Ich gehe nicht zur Uni." Er zögert einen Moment bevor er weiterspricht und vergewissert sich, dass seine Mutter sich noch immer außer Hörweite befindet. "Sobald ich achtzehn bin, verschwinde ich von hier. Und da wo ich hingehe, brauche ich keinen dämlichen Schulabschluss." "Du willst wirklich die Schule abbrechen?", fragt Kikyo mit aufgerissenen Augen. "Hältst du das für klug?" Inuyasha antwortet nicht und ihr Blick wandert zu dem kleinen Beistelltisch in der Ecke auf dem noch immer seine Kamera liegt. "Weißt du, ich dachte du wärst bloß in deiner rebellischen Phase oder auf so einem Selbstfindungstrip. Aber jetzt erkenne ich, dass du einfach nur feige bist." "Wie bitte?", stößt Inuyasha aufgebracht hervor. "Natürlich, dein Bruder erfüllt bereits alle Erwartungen deiner Familie, also warum sich überhaupt die Mühe geben, oder? Es ist viel einfacher und bequemer es gar nicht erst zu versuchen ihm nachzueifern oder gar zu übertreffen. Warum solltest du es riskieren zu versagen." Inuyasha schaut sie einen Moment lang entsetzt an. "Wie kannst du es wagen mich zu analysieren!", knurrt er wütend. "Du kennst mich nicht. Du weißt nichts über mich!" "Ich weiß, dass du Zucchini hasst." "Was?" Inuyasha zuckt erschrocken zusammen, als er plötzlich in Kagomes, statt in Kikyos Gesicht schaut. Sie fängt an zu lächeln und neigt den Kopf zur Seite. "Und eine Niete bei Hangman bist du auch", sagt Kagome neckisch und hebt herausfordernd eine Augenbraue. Inuyasha wachte auf, strich sich das Haar aus der Stirn und richtete sich in seinem Bett auf. Er hörte Kagomes ruhige, gleichmäßige Atmung und konnte leichte Züge ihrer Silhouette in der Dunkelheit erkennen. Er starrte auf den Wecker auf dem Nachttisch und strengte sich an, ihr Gesicht beiseitezuschieben. Es war kurz vor vier. Noch ein paar Stunden, bis es hell wurde. Er legte sich wieder hin und wälzte sich von einer Seite auf die andere. "Komm, lass uns tanzen!" "Du weißt was ich vom tanzen halte", hört er sich sagen. Er klingt schlecht gelaunt. "Und du weißt, dass mir das egal ist", erwidert sie vergnügt. "Komm schon, das ist ein Fest!" "Ja, eine Firmenfeier." "Zwing mich nicht dazu, dich zu zwingen." Kikyo greift nach seinen Händen und versucht ihn auf die Tanzfläche zu ziehen. Doch statt wie üblich leidig nachzugeben, schüttelt er sie grob ab und verschränkt die Arme vor der Brust. "Was ist denn heute mit dir?", fragt sie enttäuscht. Er antwortet nicht und blickt stur an ihr vorbei. "Bist du gut mit dem Lernen voran gekommen?" Inuyasha schüttelt den Kopf. "Liegt es wieder an Chemie?" "Ich habe heute gar nicht erst angefangen", murrt er. Kikyo mustert ihn einen Moment lang. "Bist du wütend auf mich, weil ich unser Treffen heute Nachmittag abgesagt habe?" "Ich bin wütend, weil du es für einen anderen Mann abgesagt hast." Nun blickt er ihr direkt in die Augen. "Das ist nicht dein Ernst, oder?", fragt sie nach einem kurzen Moment der Fassungslosigkeit. "Ich mag es nicht, wie er dich ansieht." "Dieser Mann kann sich nicht bewegen!", sagt sie erbost und streicht sich eine Haarsträhne hinter ihr linkes Ohr. "Er kann ja kaum sprechen. Sein Körper ist übersät mit Brandwunden. Wenn ich so einem Menschen durch meine Gesellschaft Freude bereiten kann, dann tue ich das natürlich." "Aber er hat keine Freude verdient. Er hat dich nicht verdient", fügt er bestürzt hinzu. "Er ist ein bekannter Straftäter und hat wiederholt gestohlen, vergewaltigt und gemordet." "Dafür hat er bereits bezahlt", erwidert Kikyo traurig und senkt den Blick. Er runzelt zornig die Stirn und knurrt: "Meiner Meinung nach, nicht genug." "Seine Verletzungen sind schwer. Er wird sich nie wieder bewegen können, nie wieder in der Lage sein sich selbst zu versorgen. Du solltest Mitleid mit ihm haben." "Habe ich aber nicht. Und du solltest es auch nicht." "Ich habe schon genug Leute in meinem Leben, die mir sagen was ich zu tun habe", zischt sie wütend und wendet sich ab. "Ich will nicht, dass du auch zu ihnen gehörst." "Dann ist es dir völlig egal, wie ich darüber denke?", fragt Inuyasha. "Ich mag es nicht, wie du darüber denkst", erwidert sie zögernd. "Aber es ist mir keineswegs egal." "Das meine ich nicht." Kikyo dreht sich um und schaut ihn fragend an. "Was dann?" Schweigen. "Was denkst du?" "Ich denke, wir sollten eine Pause machen." Die klassische Musik die beiläufig im Hintergrund spielt, wird augenblicklich ohrenbetäubend laut. Die Gespräche und das Lachen verdumpfen und gehen im allgemeinen Lärm unter. Kikyo verzieht keine Miene, aber ihr leerer Blick macht ihm Sorgen. Er öffnet den Mund um etwas zu sagen, als sie plötzlich die Hand hebt und ihm ihre Autoschlüssel vor die Nase hält. "Ich will Heim", haucht sie. "Fährst du mich bitte nach Hause." Das ist keine Frage, sondern eine Aufforderung. Ein Nein kommt gar nicht in Frage. Sie weiß, dass er sie niemals einfach stehen lassen könnte. Vorsichtig nimmt er den Schlüssel entgegen. Inuyasha drehte sich in dem Bett um und presste sich das Kissen auf die Ohren, um den unvermeidlich folgenden Knall auszublenden. Doch es war bereits zu spät. Er befindet sich schon auf der Kreuzung und er sieht die großen Scheinwerfer die unfassbar schnell auf ihn zukommen, begleitet von einem hässlichen Hupen. Ihr angstvoller Blick der verrät, dass sie nicht sterben will. Der Knall. Das Scheppern und Klirren. Ihr Schrei. "Okay, das reicht", flüsterte Inuyasha, stand aus dem weichen Bett auf und schlich sich leise aus dem Zimmer. Irgendwas. Er brauchte irgendwas um sich abzulenken und die Geister der Vergangenheit in Schach zu halten. Kapitel 18: Frag nicht ---------------------- "Jetzt beweg endlich deinen Arsch da raus!", rief Inuyasha wütend und hämmerte mit den Fäusten gegen die Badezimmertür. "Ich weiß, dass du nicht mehr unter der Dusche bist. Wir können es hören, wenn du das Wasser abstellst!" "Hör schon auf", sagte Ray, der ebenfalls wartend vor dem Badezimmer stand. "Es bringt ja doch nichts." "Seit einer Woche - Jeden Morgen das Gleiche!", knurrte Inuyasha und trat ein letztes Mal fest gegen die Tür. "Es dauert hoffentlich nicht mehr lang, bis die Umbauarbeiten der Sanitäranlagen am Sportplatz beendet sind." "Ich kann es kaum erwarten. Der Tag beginnt viel entspannter, wenn Yori einfach nicht da ist." Inuyasha lehnte seinen Kopf gegen den Türrahmen und schloss kurz die Augen. Atmete ein paar Mal durch. "Du siehst müde aus", stellte Ray fest. Seine kurzen roten Haare, waren noch nass von seinem morgendlichen Schwimmtraining. "Bin ich auch", erwiderte Inuyasha gereizt. "Diese Träume treiben mich noch in den Wahnsinn." "Hat sich Kikyo wieder in Kagome verwandelt?" "Ja." "Wie oft ist das jetzt schon passiert?" "Fünfmal", gab er nach kurzem Zögern zu. Ray nickte wissend und sagte: "Denkst du nicht auch, dass dein Unterbewusstsein dir vielleicht etwas damit sagen will?" "Nein", presste Inuyasha zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor. "Du bist so stur!" "Überrascht dich das jetzt?" "Überhaupt nicht", sagte Ray resigniert. "Aber ich wünschte du würdest endlich zu dem stehen, was so offensichtlich ist." "Und das wäre?" "Deine Gefühle für Kagome." "Ich habe keine-", rief er laut aus, sprach aber ganz leise als er fortfuhr: "-Gefühle für sie." "Nicht?" "Nein! Kagome läuft die ganze Zeit wie ein Junge durch die Gegend. Man kann doch keine Gefühle für sie entwickeln, wenn sie immer mit dieser Kurzhaar-Perücke und in diesen ihr viel zu großen Klamotten herumläuft." Inuyasha runzelte verärgert die Stirn. "Ich verstehe nicht, wie ihr darauf kommt." "Ihr?", wiederholte Ray verdutzt. "Wer hat dich denn noch darauf angesprochen?" "Blockiert Yori schon wieder das Bad?", fragte Kagome gähnend und die beiden Jungs drehten sich leicht erschrocken zu ihr um, als sie plötzlich hinter ihnen stand. Sie war gerade erst wach geworden und sah dementsprechend zerzaust aus. Ihre langen offenen Haare kräuselten sich in wilden Locken und einige Strähnen fielen völlig aus der Reihe. Ein Träger ihres engen Tops war von der Schulter gerutscht und ihre schönen Beine kamen in den kurzen Baumwollshorts, die sie neuerdings zum Schlafen trug, voll zur Geltung. Da ihre Mitbewohner ihr Geheimnis nun kannten, brauchte sie ihren Körper nicht mehr länger unter übergroßen Pyjamas zu verstecken. "Was ist?", fragte sie als die Jungs sie etwas zu lange musterten. "Also", begann Ray grinsend und wandte sich wieder an Inuyasha, "wenn das dein einziges Argument war, hat sich dieses gerade verpulverisiert. Was für Ausreden hast du noch auf Lager?" "Halt die Klappe!", zischte er. Kagome blinzelte die beiden verwirrt an. Kurz darauf öffnete sich die Badezimmertür. Yori trat in den Flur und dichter Dampf, der nach penetrantem Duschgel und Deodorant roch, folgte ihm. Er trug nur ein weißes Handtuch um die Hüften und man hatte freie Sicht auf seinen muskulösen Oberkörper. "Musst du unser Bad immer in eine parfümierte Sauna verwandeln?", fragte Ray und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. "Hey, jeden Morgen laufe ich haufenweise Runden auf dem Fußballplatz. Dabei kommt man ganz schön ins schwitzen", verteidigte sich Yori und begutachtete dabei Kagomes Dekolleté. "Was sollen die Damen von mir halten, wenn ich mich nicht ausgiebig der Körperpflege widme?" "Ich bin ein Mädchen und brauche nicht einmal halb so lange wie du", sagte Kagome. "Wir benötigen vor dem Unterricht auch etwas Zeit im Badezimmer." "Hey, ich kann doch auch nichts dafür, dass die Duschen am Sportplatz gerade nicht verfügbar sind. Also vergeudet eure kostbare Zeit nicht damit, mich anzumaulen!" Yori verschwand beleidigt in seinem Zimmer. "Wer geht zuerst?", fragte Kagome seufzend. "Na, du", antwortete Inuyasha mürrisch. "Du siehst furchtbar aus." "Charmant, wie immer", sagte Kagome sarkastisch und verzog das Gesicht. Dann stolzierte sie an den beiden vorbei ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. "Und beeile dich!", rief er laut hinter ihr her und blickte seinem Freund grimmig entgegen. "Hast du noch etwas zu sagen?" Ray schüttelte leicht den Kopf. Es hatte ja doch keinen Zweck weiter mit ihm zu diskutieren. "Nur eins: Verbaue nicht dein Glück." Kurze Zeit später begann die erste Unterrichtsstunde. Chemie, Inuyashas absolutes Hassfach. Er hatte weder die Geduld, noch das nötige Feingefühl das manche Aufgaben erforderten. Die Klasse bearbeitete die Wiederholung eines Experiments, dass schon ein paar mal durchgeführt wurde. Die Schüler waren wie immer in Zweierteams unterteilt. Inuyasha und Kagome saßen ganz hinten in der letzten Reihe zusammen. Er griff nach dem langen, schmal geformten Löffel und schaufelte eine kleine Menge von dem gelben Pulver aus einem Reagenzglas heraus. Er wollte es gerade in die kochende Lösung hinzugeben, als Kagome ihn am Handgelenk festhielt und zurückzog. "Äh, nein, lass mich das lieber machen!" Sie wollte das Glas an sich nehmen, aber Inuyasha zog es zurück und fragte: "Wieso?" "Das letzte Mal hast du zu viel rein getan und es ist übergelaufen", erklärte sie und versuchte erneut nach den Materialien zu greifen. "Das kann jedem Mal passieren." "Ein anderes Mal hast du den Bunsenbrenner umgeworfen und unsere Arbeitsblätter abgefackelt." "Das war nur ein kleiner Unfall", verteidigte Inuyasha sich schmollend. Kagome hob vorwurfsvoll die Augenbrauen. "Unser Lehrer konnte mit dem Feuerlöscher gerade noch Schlimmeres verhindern!" Inuyasha erinnerte sich an die brenzlige Situation und gab schließlich nach. Er überreichte seiner Partnerin das Pulver und schaute niedergeschlagen dabei zu, wie sie es vorsichtig und sorgfältig abgemessen in die Lösung fallen ließ. "Ich bin wirklich eine Niete in Chemie", sagte er und stützte seinen Kopf mit der Faust ab. "Ja, das bist du", bestätigte Kagome und lächelte zufrieden, als sich die brodelnde Flüssigkeit verfärbte. "Warum suchst du dir dann immer mich als Laborpartner aus?", fragte Inuyasha und setzte die Schutzbrille ab. "Weil ich dich gerne mag und nicht will dass du durchfällst", antwortete sie und schaltete den Bunsenbrenner aus. "Und weil kein anderer dich haben will", fügte sie noch schnell hinzu und versuchte ihre roten Wangen zu verstecken. Das gelang ihr nicht so wirklich und Inuyasha hatte es schon bemerkt, sagte aber nichts dazu. "Sehr gut gemacht, Kaoru", sagte der Chemielehrer stolz und begutachtete ihr Ergebnis. "Und Inuyasha, ich muss dich leider darauf hinweisen, dass du den Test nächste Woche unbedingt bestehen musst. Sonst sehe ich mich gezwungen dich in diesem Kurs durchfallen zu lassen." Der Lehrer ging zum nächsten Tisch und ließ Inuyasha schockiert zurück. Kagome tätschelte voller Mitleid seine Schulter. Ein lauter Knall ertönte, als Inuyasha das dicke Chemiebuch auf den Tisch in der Bibliothek fallen ließ. Die Schüler in der unmittelbaren Umgebung hoben erschrocken den Kopf und einige warfen ihm ärgerliche Blicke zu. Kagome und Ronnie, die kleine Schwester von Ray, saßen bereits am Tisch und entschieden sich dazu, besser nichts zu sagen. Inuyasha war mehr als schlecht gelaunt. Mit gerunzelter Stirn und vor Wut sprühenden Augen setzte er sich neben Kagome und schlug das Buch auf. Nach ungefähr einer Stunde lag sein Kopf in der Mitte des aufgeschlagenen Buches und er murmelte deprimiert vor sich hin. Es war furchtbar mitanzusehen. "Weißt du", sagte Kagome leise und vorsichtig. "Ich könnte dir doch helfen. Mach eine kurze Pause und heute Abend lernen wir in unserem Zimmer in Ruhe gemeinsam. Ich werde dir das Thema schon eintrichtern und wenn es die ganze Nacht dauert." Inuyasha hob den Kopf und setzte sich wieder aufrecht hin. Er dachte kurz über Kagomes Angebot nach. Sie war gut in Chemie und er bezweifelte auch nicht, dass sie ihm helfen könnte. Aber zusammen lernen? Die ganze Nacht? Nein, das war nicht gut. Der Gedanke gefiel ihm nicht und zwar weil er ihm gefiel. "Nimm es nicht persönlich, aber ich frage lieber Mafuyu", antwortete er schließlich. Kagome war sichtlich enttäuscht und murmelte etwas davon, dass er sicher seine Gründe hätte und schaute wieder in ihr Englischbuch. Ronnie die auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches saß, hatte diese Szene aufmerksam verfolgt und beobachtete die beiden unauffällig. Kagome mühte sich noch ein paar Minuten lang mit ein und dem selben Text ab, weil sie sich nicht mehr konzentrieren konnte. Er wollte lieber Mafuyu fragen, obwohl sie es ihm doch gerade, trotz der letzten Ereignisse, angeboten hatte? Was war sein verdammtes Problem? Nachdem sie den selben Satz zwölfmal gelesen hatte ohne ihn verstanden zu haben, gab sie es schließlich auf. Sie klappte das Buch zu, legte ihre Notizen zusammen und verstaute alles in ihrem Rucksack. Die restlichen Bücher, die sie aus den Regalen der Bibliothek hatte, stapelte sie zu einem Turm auf. Als sie rasch ihre, auf dem Tisch verteilten, Stifte einsammelte, stieß sie mit dem Ellenbogen gegen den Bücherturm und er fiel zu Boden. "Na toll", seufzte Kagome genervt und bückte sich um die Bücher wieder aufzuheben, stieß dabei aber mit Inuyashas Kopf zusammen, der genau das Gleiche vorhatte. "Aua", fluchte sie und rieb sich die schmerzende Stirn. "Pass doch auf." Inuyasha blickte sie übellaunig an. "Pa- Pass du doch selber auf", zischte sie und biss sich kurz auf die Zunge. Hätte ihr keine bessere Antwort einfallen können? Sie bückte sich erneut und stieß schon wieder gegen seinen Kopf. "Was ist dein Problem?", rief sie lauter als beabsichtigt und zog damit unliebsame Aufmerksamkeit auf sich. "Mein Problem? Ich versuche deine Bücher aufzuheben, aber du-", er legte seine Hand auf ihre Stirn und schob ihren Kopf nach oben, "- behinderst mich dabei." Kagome machte ein so verdattertes Gesicht, dass Inuyasha kurz schmunzeln musste während er ihr die Bücher vor die Nase stellte. Die beiden funkelten sich zornig an, bevor Inuyasha knurrte: "Bitte sehr!" "Dankeschön!", raunte Kagome zurück, packte die Bücher und verschwand hinter einem der Bücherregale um sie zurückzuräumen. Er schaute ihr kurz nach, schüttelte den Kopf und setzte sich wieder hin. Er hob fragend eine Augenbraue, als er Ronnies Blick bemerkte. "Was ist?" "Jeder der Augen im Kopf hat, kann es sehen", sagte sie und grinste breit. "Was sehen?" "Die Art wie ihr euch anseht." "Welche Art?" "Na, die romantische Art." Einen Moment lang schaute Inuyasha sie ungläubig an, dann verdrehte er die Augen und seufzte: "Nicht du auch noch." Ronnie ging um den Tisch herum und setzte sich direkt neben Inuyasha. Verschwörerisch beugte sie sich zu ihm hinüber und fing an zu flüstern: "Findest du, dass sie hübsch ist?" "Na, hässlich ist sie nicht", murmelte Inuyasha unglücklich. Ronnie stützte den Kopf auf ihre Hände und starrte erwartungsvoll in seine Augen. "Sag ehrlich, magst du sie?" "Gut, hier steig ich aus", sagte er entschieden, klappte demonstrativ das Chemiebuch zu und stand auf. Ronnie lief ihm eilig nach. "Wenn sie dich so ansieht reagierst du ganz komisch, wirklich", beharrte sie und griff nach Inuyashas Ärmel. Sie versuchte ihn festzuhalten damit er stehen blieb, aber Inuyasha ging weiter und zog sie problemlos mit sich in die Obere Etage. "Wenn du ihr deine Gefühle gestehst, wird sie ganz sicher-" "Okay, hör zu Ronnie", unterbrach er ihre Liebestiraden. Er schüttelte sie von seinem Arm und beugte sich zu ihr runter. "Ich kenne dich schon fast dein ganzes Leben lang. Du bist wie die kleine Schwester, die ich nie haben wollte." Ronnie verzog keine Miene. "Was ich dir damit sagen will ist: Du gehst mir gewaltig auf die Nerven. Verzieh dich!" "Das ist nicht unbedingt das, was eine Frau hören möchte", entgegnete Ronnie kopfschüttelnd. "Das solltest du lieber noch einmal üben, bevor du es Kagome gestehst." "Sag mal, hast du mir nicht richtig zugehört?", rief er ihr wütend hinterher, als sie davonlief und in einem der Gänge verschwand. "Diese kleine, nervenraubende-" "Inuyasha", ertönte eine bekannte Stimme hinter seinem Rücken und er drehte sich um. "Hey, Sam", begrüßte er seine Freundin. Sie begutachtete das dicke Buch in seiner Hand. "Ugh, Chemie. Dafür muss ich auch noch lernen, ich glaube der Test wird richtig hart." "Ja, meinst du?", fragte Inuyasha demotiviert. "Ich habe unseren Chemielehrer sagen hören, dass es hauptsächlich um die chemischen Formeln und das Periodensystem gehen wird. Das bedeutet viel auswendig lernen." "Großartig." Inuyasha ließ verzweifelt den Kopf hängen. "Wenn ich durchfalle, habe ich nächstes Jahr wieder Chemie und ich hatte mich schon so darauf gefreut, dieses Fach endlich abwählen zu können." "Frag doch Kaoru, ob er dir hilft. Er ist gut in-" "Wenn du jetzt auch damit anfängst, schwöre ich dir, raste ich aus!", fauchte Inuyasha drohend. "Ähm, okay?" "Hier Inuyasha, das solltest du lesen." Ronnie stand wieder vor ihm und drückte ihm eine verschlissene Mädchenzeitschrift in die Hand, bevor sie die Treppe wieder hinunter lief. "Das kann dir sicher helfen." Sam beugte sich zu ihm rüber und las die Titelüberschrift der aufgeschlagenen Seite laut vor: "Was man beim Dating macht und was nicht?" Sie warf Inuyasha einen argwöhnischen Blick zu. "Was sollst du denn damit?" "Frag nicht. Bitte frag nicht." Kapitel 19: Wahrheit oder Pflicht --------------------------------- "Wie zieht man so ein Teil denn an?" "Nun, zuerst einmal die Körbchen nach vorne-", murmelte Kagome und versuchte ihrem Gegenüber zu helfen. "Vorsicht, die Träger sind komplett verdreht." "Wieso das?" "Na, du hast sie vorher nicht gerade gestrichen." "Ich bin ja auch damit beschäftigt diese Haken hier-" "Du machst das viel zu hektisch", ermahnte sie ihn und schob seine zappeligen Finger vom Verschluss, um ihn selbst zu schließen. "Du hast ja keine Ahnung wie lächerlich du aussiehst", lachte Inuyasha und grinste schadenfroh, während er auf den Auslöser der Digitalkamera drückte. Yori schaute in diesem Moment direkt ins Blitzlicht und rieb sich schnell die Augen. "Hast du etwa gerade ein Foto von mir gemacht?" "Klar." Inuyasha schaute sich das geknipste Bild noch einmal auf dem Display an und reichte die Kamera an Ray weiter, der auf der anderen Couch im Wohnzimmer saß. "Was meinst du? Als Weihnachtskarte?" "Absolut-" "Nicht!", widersprach Yori und zupfte sich den BH über seinem T-Shirt noch einmal zurecht. "Ich finde du siehst bezaubernd aus", sagte Kagome kichernd und setzte sich wieder neben Inuyasha. "Ja, ich habe auch das Gefühl, dass es mir verdammt gut steht", spielte Yori mit und schob die hohlen Körbchen etwas hoch. "Dass du ihn mir nicht ausleiherst." Kagome hob ermahnend ihren Zeigefinger. "Hä? Womit denn?", fragte er entsetzt und schaute an sich herunter. Sie lachte laut auf und es leuchtete ein weiterer Blitz auf. Kagome blickte überrascht in die Kamera, es blitzte erneut, woraufhin sie schnell die Augen zusammenkniff. "Warum fotografierst du denn mich?" "Hm?" Inuyasha hob den Blick vom Kamera-Display und verzog sofort grimmig das Gesicht. "Bilde dir nichts darauf ein, ich drücke nur gern auf den Auslöser. Hier, ich lösche es gleich wieder." "Das sollte kein Vorwurf sein, nur eine Frage", sagte Kagome leise und beobachtete geknickt wie er auf die Löschen-Taste drückte. "Ähem, die Aufmerksamkeit wieder auf mich, bitte", räusperte Yori und verfiel in eine seltsam gekünstelte Körperhaltung mit Schmollmund. "Hier, ich mache ein paar heiße Posen." "Irgendetwas ist bei deiner Zeugung gewaltig schief gelaufen." Schmunzelnd schoss Inuyasha noch ein paar Fotos von Yoris merkwürdigen Verrenkungen. "Okay, das reicht", unterbrach Ray sie lachend. "Lasst uns weitermachen. Yori du bist dran." "Alles klar", antwortete er und setzte sich wieder an den Couchtisch. "Inuyasha, Wahrheit oder Pflicht?" "Wahrheit." "Ernsthaft? Warum nimmst du immer Wahrheit?", fragte Yori ihn. "Weil ich gerade zu faul bin um mich zu verpflichten", entgegnete Inuyasha und legte die kleine Kamera auf den Tisch. "Vor allem da Ray momentan in der Laune ist, Menschen in Kagomes Unterwäsche zu stecken." "Na, schön. Also hier meine Frage: Hast du dir schon mal einen Porno angesehen?" "Ja", sagte Inuyasha ohne zu zögern und verzog keine Miene dabei. Ray und Kagome musterten ihn überrascht. "Was ist? Ich konnte nicht schlafen und Nachts um drei laufen im Fernsehen nur Pornos und Quizshow-Wiederholungen. Und du brauchst gar nicht so vorwurfsvoll zu gucken, Ray. Ich habe bei dir zu Hause gesehen, dass die Versiegelung der DVD von Yori aufgerissen war." "Du hast ihn dir angeschaut?", fragte Yori begeistert. Das Gesicht von Ray färbte sich auf einen Schlag Tomatenrot. "Ähm... Ja", gab er zu und wich dem Blick von Kagome aus. Yori jubelte laut auf. "Könnt ihr bitte aufhören über dieses eine Thema zu debattieren?", bat Kagome verlegen. "Nein, das können wir nicht", widersprach Yori und sprach mit einer tiefen, rauchigen Stimme weiter, "Denn wir sind Männer! Du verstehst das nicht, weil du keine Kobra hast." "Das grenzt an Diskriminierung", warf Ray ein. "Du sollst mich nicht immer mit Fremdwörtern beleidigen!" "Kobra?", fragte Kagome verstört und versuchte das Kopfkino zu bekämpfen. "Er meint damit-", setzte Inuyasha an, doch Kagome unterbrach ihn sofort hysterisch: "Das ist mir klar!" In diesem Moment klopfte es an der Wohnungstür. Inuyasha reagierte am schnellsten. Mit einem kräftigen Schubs beförderte er Kagome in einem hohen Bogen hinter die Couch, wo sie äußerst unsanft und mit einem klagenden Aufschrei landete. "Hey, Leute", rief Ronnie fröhlich, trat in den Raum und schloss die Tür hinter sich wieder. "Entwarnung Kagome, es ist nur Ronnie. Du kannst wieder raufkommen", sagte Inuyasha unschuldig. Sie durchbohrte ihn mit einem vernichtenden Blick als sie sich ächzend und knurrend wieder aufrappelte. "Äh." Ronnie blieb verwundert vor Yori stehen und begutachtete sein neues Accessoire. "Dazu sag ich jetzt nichts." "Was denn?", fragte Yori und präsentierte stolz seinen Brustbereich. "Das ist jetzt so Mode." "Hallo, Inuyasha." Ronnie grinste frech. "Heute schon jemandem etwas gestanden?" "Tatsächlich ja, das habe ich", wich er aus und stand auf. "Ich bin mit Mafuyu zum Lernen in der Bibliothek verabredet, bis später." Inuyasha schnappte sich seine Jacke vom Haken und hatte den Raum schneller verlassen, als man Wahrheit oder Pflicht sagen konnte. "War das Lerntreffen nicht erst in einer Stunde?", fragte Yori und zuckte noch im selben Moment desinteressiert mit den Schultern. "Also gut", murmelte Kagome und rieb sich die schmerzende Schulter. Sie war überzeugt, dass dort ein blauer Fleck zurückbleiben würde. "Da das Spiel vorbei ist, flitze ich noch schnell runter in die Stadt und frag in der Poststelle nach, ob mein Paket gestern angekommen ist." Sie warf sich gekonnt ihre Perücke über und zog sich einen weiten Pulli über ihr Top, bevor sie ebenfalls ging. "Ja, nun", Yori blickte zu Ray und Ronnie, die sich neben ihren Bruder auf die Couch gesetzt hatte. "Wie lange muss ich das Teil denn noch tragen?" "Du kannst den Büstenhalter ruhig ausziehen. Du hast doch gleich ein Spiel, oder nicht?" "Ja, in ein paar Stunden", sagte Yori und öffnete den BH schnell und ohne Probleme. "Ha, wer sagt's denn. Ausziehen klappt wie immer hervorragend." "Es ist starker Regen für nachher angesagt", meinte Ronnie und neigte den Kopf zur Seite. "Außerdem ist es eiskalt draußen. Richtiges November-Wetter! Warum sagt ihr euer dummes Spiel nicht ab?" "Weil, mein Ronnie-Schätzchen, das nicht geht." Yori schleuderte den BH ein paar mal im Kreis herum. "Die Mannschaft von der anderen Schule fährt zwei Stunden bis hierher und wegen ein bisschen Wasser vom Himmel werden wir uns doch nicht gleich in die Hosen machen." "Und wenn du krank wirst?" "Oh, sieh mal Ray, deine kleine Schwester macht sich Sorgen um mich." "Bääh, nein überhaupt nicht", widersprach Ronnie mit zusammengekniffenen Augen und streckte angewidert ihre Zunge raus. Yori warf Kagomes BH in eine Ecke und gähnte ausgiebig. "Ach, ich lege mich noch ein bisschen aufs Ohr, bevor es losgeht." "Also, ich habe mich entschieden", begann Ronnie sehr ernst und wandte sich an Ray, nachdem Yori im Schlafzimmer verschwunden war. "Ich werde Inuyasha dabei helfen, Kagomes Herz zu erobern." "Na, so ein Glückspilz", meinte ihr Bruder sarkastisch. "Das ist doch verrückt, oder? Inuyasha und Kagome, wie die beiden so herum drucksen. Warum können Menschen nicht einfach sagen was sie empfinden? Mum sagt, die Straßen sind voll von deprimierten Leuten, die nicht das Richtige im richtigen Moment gesagt haben." "Das Problem hast du nicht." "Wie viele Menschen gehen durch das Leben ohne dieser einen Person zu sagen, dass sie sie lieben. Und wenn sie dann den Schritt wagen, ist es zu spät. So ein Mensch möchte ich nie werden." "Das ist auch nicht sehr wahrscheinlich." Ronnie hob argwöhnisch eine Augenbraue und fragte: "War das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung?" "Such es dir aus", sagte er und rieb ihr liebevoll über den Kopf. "Hör zu, du solltest Inuyasha einfach in Ruhe lassen. Je mehr du versuchst ihn in eine Richtung zu drängen, umso stärker wird er sich dagegen wehren. Völlig außer acht gelassen, ob er es selbst will oder nicht." Ronnie dachte kurz über seine Worte nach und nickte schließlich zustimmend. "Du hast recht. Wenn Inuyasha meine Hilfe nicht will, sollte ich meine Aufmerksamkeit auf Kagome legen." Sie sprang auf, umarmte ihren Bruder schnell und lief aufgeregt hinaus. "Danke, Ray." "Äh, das hatte ich aber eigentlich nicht gemeint-" Die Tür knallte hinter ihr zu und er saß allein im Wohnzimmer. Seufzend schaute er sich um und sein Blick blieb auf Inuyashas Digitalkamera auf dem Tisch haften. Er nahm sie an sich und schaute sich auf dem Display noch einmal die spaßigen Bilder von Yori an. Er stutzte als er das Foto von Kagome fand, auf dem sie unbekümmert lachte. Inuyasha sagte doch, er wolle die Bilder von ihr löschen. Ray wechselte die Vorschau ein paar Mal vor und wieder zurück. Inuyasha hatte zwei Fotos kurz hintereinander von Kagome geschossen, da war er sich sicher. Eins hatte er gelöscht. Ob er dieses Bild einfach übersehen hatte? Oder ob er es absichtlich nicht löschen wollte? Ray lächelte und schaltete die Kamera aus. Kapitel 20: Eingeständnis ------------------------- "Ugh, so ein Dreckswetter!", klagte Kagome als sie durchnässt durch die Wohnungstür schlüpfte. Ray saß auf der Couch und zappte mit der Fernbedienung durch die Programme. "Da bist du ja. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Du warst mehrere Stunden weg", sagte er und schaltete den Fernseher auf stumm. "Als der Regen anfing habe ich mich in ein kleines Cafè gesetzt. Wer konnte denn ahnen, dass er so lange andauert? Ich habe mich schnell auf den Weg gemacht als es etwas nachließ, aber kurz bevor ich den Campus erreicht hatte wurde es wieder schlimmer." "Wie ich sehe ist dein Paket angekommen." Ray deutete auf das weiche Pappquadrat, dass sie umschlossen hielt. "Ja", sagte Kagome lächelnd und stellte es auf dem Wohnzimmertisch ab um ihre regennasse Jacke von den Schultern und die Perücke vom Kopf zu ziehen. Dann setzte sie sich neben Ray und begann damit es vorsichtig zu öffnen. "Ich hoffe durch das Wasser wurde nichts beschädigt." Sie hatte Glück. Ihre Mutter war so umsichtig gewesen den Inhalt des Pakets noch zusätzlich mit einem dicken Tuch zu umschließen. Sie schlug den Stoff zu allen Seiten hin auf und begutachtete die kleinen Kostbarkeiten. "Ach, Mama", kicherte Kagome glücklich und zog ihr kleines pinkes Radio aus Kindertagen hervor. Es folgte ein kleiner Stapel alter Musik-CD's. "Nun, das weckt Erinnerungen." "Lass mal sehen", sagte Ray amüsiert und ging die Titel durch. "Ayumi Hamasaki, Namie Amuro und Do As Infinity?" "Die Helden meiner Kindheit." "Okay, ich muss unbedingt wissen wie die klingen." Er schaltete das batteriebetriebene Radio ein. Mit einem abgenutzten Summen verschluckte es die eingelegte CD und bunte blinkende Lichter begleiteten den Takt des Songs Rakuen. "Klingt nicht schlecht", gab Ray kopfnickend zu. "Lass mich raten: Deine Familie?" Kagome stellte das eingerahmte Familienfoto auf dem Tisch neben dem Paket ab. "Richtig." "Wie alt warst du da?" "Das Bild wurde an meinem fünfzehnten Geburtstag aufgenommen." In diesem Moment wurde eine Zimmertür aufgerissen und Inuyasha stellte sich mit einem gequälten Gesichtsausdruck vor die beiden. Seine Frisur war komplett zerzaust, vermutlich vom ständigen Haare raufen. "Ich muss lernen, Leute", sagte er vorwurfsvoll. "Wissen wir", antwortete Kagome und fragte sich worauf er hinaus wollte. "Ja, ich muss etwa tausend Seiten an Fakten auswendig lernen, denn in ein paar Tagen schreiben wir den Chemie-Test. Allerdings bin ich mit dem Lernen im Rückstand und werde deshalb wohl durchfallen. Und Motusu, dieser miese kleine Lackaffe der vor mir sitzt, schreibt wahrscheinlich eine Eins und für den Rest der Woche muss ich mir anhören wie brillant er doch ist und das regt mich dann so sehr auf, dass ich ihm vermutlich eine reinhauen werde." "Die Musik ist zu laut", schlussfolgerte Ray und Inuyasha nickte dankbar. "Ja!" "Verstanden." Kagome drehte an einem kleinen Regler und die Lautstärke nahm ab. "Danke." Inuyasha eilte zurück in sein Zimmer. "Was hat dein Großvater da eigentlich in der Hand?", fragte Ray und kam damit wieder auf das Familienfoto zu sprechen. "Hm? Ach, das ist nur die einbalsamierte Hand von einem Wasserkobold." Er betrachtete das fragliche Objekt noch einmal genauer und warf Kagome dann einen skeptischen Blick zu. "Nun, mein Großvater ist ein ganz besonderer Mensch." "Ja, ich glaube ich verstehe was du meinst. Ich denke da an meine Schwester, sie hat auch so ihre Eigenheiten. Keine Ahnung wo sie das her hat." "Deine Eltern-" "-sind zwei völlig bodenständige und realistische Menschen, die ein Restaurant führen." "Das Carson's, richtig?" Kagome erinnerte sich an ihr erstes Zusammentreffen mit Ray und ihre schäbige Bemerkung über die Luxusrestaurant-Kette. Er hatte ihr das glücklicherweise nie übel genommen. "Kurz bevor ich hierher gewechselt bin, wurde eine Filiale in Tokyo eröffnet." "Diese Kopien können nicht mit dem guten alten Original mithalten. Meine Eltern sind noch immer die Chefköche dort. Falls es dich irgendwann mal nach San Francisco verschlägt, lade ich dich zum Essen ein." "Klingt toll", sagte Kagome fröhlich. "Auf das Angebot komme ich in den Weihnachtsferien gerne zurück." "Was?" "Hey, jetzt ist es zu leise", murrte Inuyasha und sie zuckten zusammen als er plötzlich wieder vor ihnen stand. "Okay, ich drehe es wieder auf", antwortete Kagome. "Danke." "Schon gut." "Du bist zum Jahresende in Kalifornien?", hakte Ray noch einmal nach, als er wieder verschwunden war. "Ähm, ja. Ich spiele Inuyashas feste Freundin auf der Weihnachtsfeier seiner Mutter." "Sekunde, das Wochenende an dem Inuyasha nach Hause geflogen war, da warst du nicht bei deiner Familie zu Besuch sondern bei ihm, nicht wahr?" Kagome nickte und Ray schlug seine Handfläche gegen die Stirn. "Aber natürlich. Dieser Zufall kam mir damals schon merkwürdig vor, aber ich hatte nicht weiter darüber nachgedacht." Mit einem lauten Knall schlug die Wohnungstür auf und Kagome ging reflexartig hinter Ray in Deckung. Yori trat Klitschnass und hochrot im Gesicht ins Wohnzimmer, die Hände jubelnd über dem Kopf. "Wer ist hier der Champion, huh? Genau, ich bin es! Ich bin der Champion!" "Da hat jemand ein Tor geschossen", sagte Ray und Kagome lugte über seine Schulter. "Yori mach die Tür zu, bevor jemand vorbeikommt!", zischte sie. Er schloss sie genau so laut wie er sie geöffnet hatte, streifte seine matschigen Schuhe ab und setzte sich mit seinem tropfenden Fußball-Trikot auf die andere Couch. "Ich habe nicht irgendein Tor geschossen. Ich habe das letzte Tor der Saison geschossen, das Siegestor. Es war echt knapp, aber ich konnte mal wieder den Sieg ergattern. Ich bin so verdammt fantastisch." "Und verdammt nass", bemerkte Kagome naserümpfend. "Kann passieren wenn es regnet", sagte Yori noch immer grinsend, zog sich die feuchten Socken aus und legte die nackten Füße auf den Wohnzimmertisch. Die Schlafzimmertür öffnete sich erneut und Inuyasha trat stirnrunzelnd zu ihnen. "Was war das für ein Krach-", Er erblickte Yori. "-Vergesst es, die Antwort sitzt da." "Wir haben gewonnen", verkündete er noch einmal. "Toll", meinte Inuyasha desinteressiert und wandte sich an seine anderen Mitbewohner. "Fandet ihr das Abendessen heute auch so furchtbar? Was haltet ihr davon noch eine Pizza zu bestellen?" Kagome und Ray sagten gleichzeitig: "Geh lernen!" "Blöde langweilige Bücher!", knurrte er wütend und stapfte davon. "Also, wirklich. Diese Verzögerungstaktiken nutzen ihm doch nichts." Kagome schüttelte seufzend den Kopf. "Vielleicht solltest du ihm doch etwas helfen", meinte Ray vorsichtig. "Unterstützung motiviert ihn." "Er will meine Hilfe doch gar nicht! Außerdem bin ich noch immer wütend auf ihn, weil er mein Geheimnis verraten hat." Er musterte sie einen Moment lang prüfend. "Nein, bist du nicht." "Nein, mittlerweile nicht mehr", gab sie widerwillig zu. "Aber er hat sich nie dafür entschuldigt und das geht mir gewaltig auf den Zeiger." "Eine Entschuldigung von ihm zu erwarten ist hoffnungslos." "Das hatte ich mir schon gedacht." Sie fing an die CD's zurück in den Karton zu legen. "Was aber nicht heißt, dass es ihm nicht leidtut", ergänzte Ray und half ihr dabei, das Radio wieder einzupacken. "Ja, vielleicht." Kagome lächelte etwas bedrückt und hob das Paket vom Tisch. "Es ist spät. Schlafen wäre eine gute Idee, glaube ich." "Ja, gute Nacht", rief er ihr hinterher, bevor sie verschwand. "Alsooo", sagte Yori und wackelte mit seinen schrumpeligen Zehen. "Mir ist kalt. Und ich bin schmutzig. Ich springe mal kurz unter die Dusche." "Kurz", schnaubte Ray ungläubig. "Klar doch." Als Kagome ins Zimmer kam, blickte Inuyasha nicht auf. Er saß mit verschränkten Beinen auf seinem, von aufgeschlagenen Büchern übersäten, Bett und wiederholte murmelnd immer wieder die gleiche Abfolge von Wörtern. Sie stellte das pinke Radio in den Schrank und den kleinen Stapel CD's direkt daneben. Das gerahmte Familienfoto erhielt einen Platz auf Augenhöhe im Regal. Sie streichelte einmal kurz liebevoll über die Glasfläche. Der restliche Inhalt des Pakets bestand aus selbstgebackenen Süßigkeiten ihrer Mutter und einigen bunten Malereien ihres Bruders. Auf einem war sie mit einem Superhelden-Umhang abgebildet und kämpfte gegen eine Armee von Zahlen. Richtig, Souta hasste Mathe. Das Bild brachte sie zum schmunzeln. Zuletzt zog sie einen kleinen vertrauten Schlüsselanhänger hervor, der von ihrem Großvater sein musste. Shikon no Tama. Erfüllt Wünsche! stand auf einem kleinen Zettel. "Ja, aber sicher", flüsterte sie ungläubig, hängte das kleine glänzende Juwelimitat aber an einen hervorstehenden Nagel über ihrem Bett. "Möchtest du einen Keks?", fragte sie Inuyasha kurz darauf und öffnete das kleine Stoffsäckchen mit dem krümeligen Inhalt. "Sehe ich aus als hätte ich Zeit zum-", sagte er genervt und stutzte. "-was für eine Sorte?" "Macadamia", stellte sie nach einem Bissen fest. "Ich habe keine Zeit für Kekse", beharrte er kopfschüttelnd. War offensichtlich nicht die richtige Sorte. Sie zuckte mit den Schultern, konnte ihr ja egal sein. Sie griff sich ein Nachthemd aus ihrem Kleiderschrank und ging hinaus. Die Badezimmertür war verschlossen. Ein vertrauter schiefer Gesang drang durch das Holz der Tür. Yori stand unter der Dusche und wenn er dabei auch noch sang, ließ er sich in der Regel extra viel Zeit. "Yori besetzt schon wieder das Bad!", beschwerte Kagome sich, als sie wieder im Zimmer stand. "Dann warte bis er fertig ist", erwiderte Inuyasha und schnaubte. "Dauert ja nur eine Stunde." "Ich bin wirklich Hundemüde. Du wärst wohl nicht so freundlich kurz hinauszugehen, damit ich mich umziehen kann?" "Nein." Seufzend ließ sie sich auf ihr Bett fallen und beobachtete Inuyasha eine Weile. "Nur für eine kleine Minute-" "Kagome! Im Ernst, halt den Mund und lass mich zufrieden!", fuhr er sie an. Wütend blickte sie ihm entgegen. Dieser sture, aufgeblasene- sie hatte nun zwei Möglichkeiten. Sie konnte warten bis Yori endlich fertig wurde oder einfach in Jeans und Hemd schlafen. Es sei denn sie zog sich einfach um, ohne ihren Zimmergenossen weiter zu beachten. Das Thema hatten sie ja schon einmal. Abrupt setzte Kagome sich wieder auf. Ja, warum denn eigentlich nicht. Sollte er doch sehen was er abgewiesen hatte. Das wurde ihre Rache für den einen Abend an dem er sich so provokant vor ihr ausziehen wollte und sich darüber lustig machte, dass sie sich schämte es ihm gleichzutun. Sie stand auf, entledigte sich des Hemdes und drehte sich mit dem Rücken zu ihm um. Zögerlich schob sie ihr Top nach oben, das stellenweise noch nass war. Ihr Blick fiel auf das Familienfoto und die sich spiegelnde Glasfläche des Bilderrahmens. In der unteren Ecke konnte sie Inuyasha erkennen und dass er sie aus den Augenwinkeln heraus beobachtete. Mit überkreuzten Armen zog sie sich das Kleidungsstück über den Kopf und legte es beiseite. Ihre Finger tasteten nach dem Verschluss ihres schwarzen Büstenhalters. In der Spiegelung konnte sie seinen überraschten Blick sehen. Damit hatte er nicht gerechnet. Ob sie das wirklich durchziehen wollte? In diesem Moment richtete er sein Augenmerk wieder auf die Bücher. Hey! Sie war im Begriff sich vor ihm auszuziehen, warum schaute er kurz vor dem Finale weg? Das kurze Klicken des Verschlusses wirkte furchtbar laut in dem leisen Zimmer. Inuyasha reagierte auf das Geräusch und schenkte ihr wieder die gewünschte Aufmerksamkeit. Sie lächelte nervös in sich hinein. Das war die letzte Möglichkeit die Aktion noch abzubrechen. Ihr Verstand rief ihr zu, sie solle sofort damit aufhören, bevor er etwas sagte und es noch peinlicher und verklemmter zwischen ihnen wurde. Ihr wild pochendes Herz jedoch, riet ihr flüsternd diesen Moment zu nutzen. Das Risiko erneut einzugehen. Sie hörte auf ihr Herz und streifte sich langsam die Träger von den Schultern, während sie Inuyasha in der Glasscheibe beobachtete, der abwechselnd zwischen ihr und seinen Notizen hin und her schaute. Kannst dich wohl nicht mehr konzentrieren, was? Sie hob ihr Schlafshirt, dass ihr knapp über den Po reichte, vom Kissen und zog es sich schnell über den Kopf. Dann öffnete sie den Knopf ihrer Jeanshose und schob sie leicht vorgebeugt über ihren Hintern, wackelte etwas mit den Hüften und sie fiel gänzlich zu Boden. Jetzt wurde sie mutig und entschied sich, ihm noch den Rest zu geben. Sie ergriff den Saum ihres Slips und schob ihn, zuerst Zentimeter für Zentimeter dann etwas zügiger, hinunter bis er ihrer Jeans wieder Gesellschaft leistete. Inuyasha schluckte schwer. Das war zu viel. Wie konnte sie nur! Ohne darüber nachzudenken was sie davon halten könnte, stand er auf und eilte aus dem Zimmer. Die Tür ließ er laut hinter sich zu fallen. "Ha! Ich habe gewonnen", sagte Kagome triumphierend. Auf dem direkten Weg lief Inuyasha durch das Wohnzimmer ins gegenüberliegende Schlafzimmer. Ohne anzuklopfen sauste er hinein und setzte sich auf die Bettkante seines Freundes. Ray saß auf dem Bett und las einen Roman. "Gerade eben-" Er hob die Hand und schnitt Inuyasha damit das Wort ab. Er las noch einige Zeilen und legte dann ein Lesezeichen in das Buch bevor er es zuschlug. Dann sah Ray ihn erwartungsvoll an. "Was kann ich für dich tun?", fragte er, als Inuyasha keine Anstalten machte noch einmal etwas zu sagen. "Wegen dem, was du vor ein paar Tagen erwähnt hast...", begann er unsicher. "Ja?" "Ich glaube, du hast recht. So wie eigentlich immer." Ray beugte sich neugierig und interessiert vor. "Hach, das war großartig. Es gibt nichts über eine heiße Dusche nach einem anstrengenden Tag", seufzte Yori glücklich während er, nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet, den Raum betrat. Seine Mitbewohner beachteten ihn gar nicht. "Also, empfindest du doch etwas für Kagome?", fragte Ray mit dem Anflug eines Lächelns. "Empfinden? Sie macht mich wahnsinnig! Die ganze Zeit ist sie in meiner Nähe. Beim Essen, beim Lernen, im Unterricht und dann sitzt sie in meinem Zimmer und riecht gut und ich werde sie einfach nicht los!", knurrte Inuyasha mit einem aggressiven Unterton in der Stimme. Ray runzelte verwirrt die Stirn. "Aber das ist doch gut, oder nicht?" "Ähm nein, schlecht! Ganz schlecht!", schaltete Yori sich aufgebracht ein. "Niemand hat dich gefragt", grummelte Inuyasha. "Die oberste aller Regeln: Fang nichts mit Jemandem an, den du im Falle eines Fehlschlags nicht wieder los wirst." "Was?" Yori schnalzte mit der Zunge und seufzte während er sich auf die Bettkante seines eigenen Bettes setzte. "Okay, nehmen wir an ihr beide bekennt euch zu euren Gefühlen. Ihr seid frisch verliebt, haltet Händchen, Küsschen hier, Küsschen da und den ganzen anderen Quatsch. Aber es ist nur eine Frage der Zeit bis aus irgendeinem belanglosen Grund die Fetzen fliegen. Ihr trennt euch wieder. Und dann haben wir das Theater eines Expaares in dieser Wohnung und ihr könnt euch nicht aus dem Weg gehen, es sei denn einer von euch bricht die Schule ab und verschwindet, wofür ihr aber beide zu stur wärt, nicht wahr?" Inuyasha senkte nachdenklich den Blick und dachte über Yoris Szenario nach. "Dazu muss es aber nicht kommen", widersprach Ray seiner Theorie und klopfte bedächtig auf Inuyashas Schulter. Yori setzte noch einen drauf: "Höchstwahrscheinlich wird es aber gewaltig schief gehen." "Warum bist du so negativ?" "Hey, nicht ich bin das Problem", verteidigte Yori sich und deutete auf Inuyasha. "Er ist es." "Was, ich?" "Ja! Inuyasha, du bist eine tickende Zeitbombe." "Wie bitte?" "Sobald dir etwas nicht in den Kram passt, explodierst du, du gehst in die Luft." Yori deutete mit den Händen einen Atompilz an. "Das ist gar nicht wahr!", rief Inuyasha wütend. "War es nicht ein Streit mit Kikyo, der euren Unfall verursacht hat?" Das verschlug Inuyasha die Sprache und Ray starrte Yori entsetzt an. "Das reicht, halt den Mund." "Was denn?", fragte Yori. "Halt deinen-" "Es war doch so!" "Halt deine vorlaute Schnauze!" Ray griff nach dem Roman und warf ihn mit aller Kraft gegen seine Schulter. Yori gab einen protestierenden Klagelaut von sich und rieb sich die schmerzende Stelle, während er sich schmollend zurückzog. Inuyasha ließ bedrückt den Kopf hängen. Bei dem Gedanken, dass Kagome das Gleiche wie Kikyo passieren könnte, schnürte sich seine Kehle zu. "Vergiss was er gesagt hat einfach wieder sofort", meinte Ray aufmunternd. "Du weißt doch er ist ein Idiot." "Ein Vollidiot." "Ja, ein absoluter Vollidiot. Es stimmt, dass jede Beziehung Risiken mit sich bringt, aber das muss nicht sein, okay? Was habe ich dir gesagt?" "Verbaue nicht dein Glück", antwortete Inuyasha seufzend. "Ganz genau und vorhin hast du zugegeben, dass ich recht habe und das möchte ich gerne schriftlich festhalten, aber dazu kommen wir später. Du brauchst ein Mädchen, das liebevoll und nicht nachtragend ist. Eine die sich nicht von dir unterbuttern lässt und sich gegen dich behaupten kann, wenn es nötig ist. Glaub mir, Kagome passt zu dir. Sie wäre gut für dich und wenn du dir selbst eingestehen kannst, dass sie dir etwas bedeutet, dann sag es ihr endlich." "Ihr sagen?", fragte er verdutzt. "Äh, natürlich." Ray hob prüfend eine Augenbraue. "Was dachtest du denn wie das funktionieren soll?" "Ähm-" "Sag jetzt nicht, dass du warten wolltest bis Kagome wieder auf dich zukommt." Schweigen. "Inuyasha! Du hast das Mädchen schon zweimal abblitzen lassen. Sie wird nicht mehr den ersten Schritt machen. Aber du solltest sie auch nicht damit überfallen, sonst denkt sie du hast einen Vollknall." "Ich glaube das denkt sie auch so", warf Yori leise ein. "Klappe zu!", sagte Ray und fuhr mit wild gestikulierenden Händen fort. "Gib ihr gelegentlich ein Zeichen der Zuneigung, eine zärtliche Anspielung oder mach ihr ein kleines Geschenk." "Oder", begann Inuyasha, "was noch viel besser ist, ich verhalte mich einfach so wie immer und sage es ihr in einem passenden Zeitpunkt." "Ja, oder das. Das geht auch. Aber der Zeitpunkt muss dann wirklich perfekt sein. Warte, wird sie dich nicht auf die Weihnachtsfeier deiner Mutter begleiten?" "Ja, wieso?" "Das ist perfekt! Du hast noch ein paar Wochen um dich darauf vorzubereiten und ihr Zeit zu geben um sich von der zweiten Zurückweisung zu erholen. Und wenn ihr einen Moment alleine seit, gestehst du es ihr." "Hm, mal schauen", murmelte Inuyasha unentschlossen, stand auf und ging wieder. Kapitel 21: Rotz und Reue ------------------------- Während Inuyasha am nächsten Morgen seinen Rucksack nach zerknülltem Papier und anderen unbrauchbaren Dingen des vorherigen Tages durchforstete, warf er Kagome immer wieder einen flüchtigen Blick zu. Was dachte sie sich eigentlich? Sie kreuzte plötzlich hier auf mit ihrer falschen Identität, naiv und unvorsichtig und hatte nur wenige Monate dafür gebraucht sein Leben völlig durcheinander zu bringen. Sie mischte sich überall ein, wollte ständig über Gefühle und ähnlichem Schwachsinn sprechen und seine Eltern konnten sie zu allem Übel auch noch gut leiden. Er leider auch, sogar mehr als das. Dabei wollte er sie viel lieber ignorieren oder eher noch hassen. Das wäre einfacher. Das konnte er auch viel besser. Er schaute zu ihr rüber und in genau diesem Moment blinzelte sie ihn an. Schnell wich er ihrem Blick wieder aus und griff nach einigen Schulbüchern um sie im aufgeräumten Rucksack zu verstauen. Kagome stülpte sich den Kapuzenpullover über den Kopf und trat zum Spiegel um ihre Perücke zu richten. Die missbilligenden Blicke ihres Mitbewohners waren ihr nicht entgangen, da sie mindestens genauso oft zu ihm rüber sah. Es war furchtbar merkwürdig zwischen ihnen und die Anspannung im Raum war nahezu greifbar. Die gestrige Aktion war vielleicht doch keine so gute Idee gewesen dachte Kagome seufzend, aber was hatte sie denn auch erwartet. Dass er sich von ein bisschen nackter Haut verführen ließ und sie im nächstbesten Moment auf sein Bett warf und- Erschrocken fasste Kagome sich an die Wange, die ganz warm und auch rot geworden war. Solche Träumereien musste sie sich unbedingt aus dem Kopf schlagen. Als sie und Inuyasha das Apartment zum Frühstücken verlassen wollten, öffnete sich die Wohnungstür und Yori kam hinein geschlurft. Er wirkte blass und erschöpft. "Geht es dir-", wollte Kagome gerade ansetzen, als ihm ein gewaltiger Nießer entwich. Er stöhnte gequält auf, rieb sich den Hinterkopf und zog den Schleim die Nase hoch, was von einem grässlichen Geräusch begleitet wurde. "Iih", murmelte Inuyasha und verzog angewidert das Gesicht. "Bist du krank?", fragte sie stattdessen und legte vorsichtig ihren Handrücken an seine heiße Stirn. "Sieht ganz so aus", antwortete Yori verschnupft und heiser. "Als mein Trainer mich sah, hat er mich sofort zum Krankenzimmer geschickt. Die Ärztin meinte irgendetwas von einer bakteriellen Infektion und dass ich für ein paar Tage krankgeschrieben bin." "Nun, das ist Pech", sagte Inuyasha ohne den geringsten Hauch von Mitgefühl. "Bis später dann." "Hey, willst du ihm denn nicht helfen?", fragte Kagome ihn vorwurfsvoll. Inuyasha runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. "Er ist krank. Er soll eine Mütze voll Schlaf nehmen, bis es ihm wieder besser geht. Unsere Freundschaft reicht nicht so weit, dass ich mich neben ihn lege und ihm sein verkeimtes Händchen halte." "Aber du könntest ihn zumindest zur Cafeteria und wieder zurück begleiten." "Nein, schon okay. Ich habe nicht den geringsten Appetit", keuchte Yori angestrengt. "Inuyasha hat recht. Ein bisschen Schlaf und alles ist wieder in Ordnung." "Von wegen", beharrte Kagome. "Mit einer Infektion ist nicht zu spaßen. Dass du keinen Appetit hast ist normal, aber du musst etwas essen. Ich werde dir etwas Obst holen gehen." "Du wirst was?" Inuyasha schaute ihr ungläubig nach, als sie Yori behutsam in sein Schlafzimmer führte. "Du hast doch nicht ernsthaft vor ihn zu verhätscheln nur weil er ein bisschen Schnupfen hat, oder?", fragte Inuyasha mit Nachdruck als sie in der Cafeteria ankamen und folgte ihr zum Frühstücksbuffet. "Übertreib nicht. Ich möchte ihm doch nur etwas helfen. Das würde ich keinesfalls als Verhätscheln bezeichnen." Er setzte ein mürrisches Gesicht auf. "Pass einfach auf, okay? Yori überschreitet gerne mal Grenzen." Sorgfältig schnitt sie die verschiedenen Sorten Obst in kleine mundgerechte Stücke, vermischte es zu einem bunten Salat und goss etwas Honig darüber. Dann griff sie nach einer der heißen Teekannen und füllte den dampfenden Inhalt in eine Tasse. "Guten Morgen", rief eine kleine, piepsige Stimme plötzlich direkt neben ihr. Kagome erschrak und verschüttete etwas von dem Tee auf der weißen Tischdecke. "Oh, verdammt", murmelte sie. Inuyasha reichte ihr ein paar Servietten um den Schaden zu verringern. "Schleich dich doch nicht so an, Ronnie." "Entschuldigung. Ich hatte mich nur gewundert wo Yori steckt." "Der arme Kerl ist krank", antwortete Inuyasha mehr als sarkastisch. Kagome stupste ihn leicht mit dem Ellenbogen an. "Und ich hatte ihn noch gewarnt, dass er krank werden würde", sagte Ronnie und nickte selbstgerecht. "Momentan geht sowieso ein ganz scheußlicher Virus um. Meine Klassenkameradin Lucynda Carlington-Elaisar-Dawson ist schon seit zwei Wochen ans Bett gefesselt." "Tja, muss anstrengend sein so einen langen Namen zu tragen", meinte Kagome und schmiss die nassen Servietten in den Mülleimer. Inuyasha lachte leise auf. "Der war nicht schlecht." Kagome lächelte stolz und schaute ihm noch kurz hinterher, als er sich an einen der hinteren Tische zu Samantha und Ray setzte. "Ich wollte dich etwas fragen." Ronnie blickte sie ernst an. "Was denn?", wollte Kagome wissen und stellte die kleine Obstschüssel und die Teetasse auf ein Tablett. "Bist du in Inuyasha verliebt?" Vor Schreck stieß Kagome die Tasse um und verursachte damit noch mehr Chaos auf dem Tisch. Nervös drehte sie sich um und blickte kurz zu Inuyasha, bevor sie sich zu Ronnie runter beugte. "Warum fragst du mich das?", flüsterte sie verschämt. "Weil es so unglaublich offensichtlich ist, dass ihr beide total verrückt aufeinander seit", antwortete Ronnie und grinste, als Kagome ganz rot wurde. "Und da frage ich mich natürlich, warum ihr euch so viel Zeit lasst. Wenn ihr euch nicht beeilt und endlich ein Paar werdet, steckt ihr womöglich für immer in der Freundschaftszone fest!" "Okay", seufzte Kagome nach einem kurzen Schock und versuchte besonders deutlich zu klingen, "Zuerst einmal: Die Beziehung zwischen mir und Inuyasha geht dich absolut nichts an. Außerdem bin ich nicht auf Musashi gewechselt um mir einen Freund zu angeln, sondern weil ich einen hervorragenden Abschluss machen und somit auf eine erstklassige Universität gehen will." "Aber du hast eben zugegeben, dass es eine Beziehung zwischen dir und Inuyasha gibt", beharrte Ronnie selbstzufrieden. "Äh- Wa-, nein!", stotterte sie. Vorsichtig füllte sie noch einmal Tee in die Tasse. "Schau doch mal, hier", sagte Ronnie und zog eine Mädchenzeitschrift aus ihrer Tasche. "Da steht ganz genau drin worauf man achten muss, um herauszufinden ob ein Junge dich mag. Und da steht zum Beispiel wenn ein Junge auf dich steht, lacht er über deine Witze. Inuyasha hat eben gelacht, als du das mit dem langen Namen gesagt hast." "Ja, weil es lustig war", erklärte Kagome und schnappte sich das Tablett. "Nein, war es überhaupt nicht. Das ist mehr als eindeutig, finde ich, aber ich habe noch mehr Beispiele auf Lager um dich zu überzeugen." "Hör auf damit! Ich werde nicht mit dir diskutieren." Bevor sie noch etwas sagen konnte, war Kagome verärgert davon gelaufen. Doch sie kannte die Sturheit der kleinen Rothaarigen noch nicht. Die nächsten Tage waren ein ständiger Wechsel zwischen Yoris Wehklagen und Ronnies Erläuterungen über Inuyashas angeblichen Gefühlen zu ihr und was Kagome auch sagte oder tat, sie ließ sich einfach nicht abwimmeln und das zerrte ungemein an ihren Nerven. "Da läuft nichts zwischen ihm und mir. Und das wird es auch nie", grummelte Kagome erschöpft, während Ronnie sie auf dem Weg zu ihrem Apartment begleitete. "Wir sind Freunde, glaube ich. Selbst das ist mittlerweile sehr fraglich." "Aber er hat dir die ganze Zeit geholfen, dein Geheimnis zu bewahren. Er ist ziemlich wütend seit du dich in den letzten Tagen ununterbrochen um Yori kümmerst. Und Ray hat mir erzählt, dass er dich zur Weihnachtsfeier mitnimmt." Dickköpfig zählte Ronnie die Beispiele an den Fingern ab. "Du gibst dich als seine feste Freundin aus und er schaut dir ständig schmachtend hinterher und wirft dir sehnsuchtsvolle Blicke zu und-" "Das ist nicht wahr." "Gut, das mit dem Schmachten war etwas übertrieben. Aber er wirkt in deiner Nähe immer viel zufriedener als sonst." "Das ist doch Quatsch, Ronnie!" "Nein, gar nicht! Du bemerkst das nur nicht, weil du den Unterschied nicht sehen kannst wenn du weg bist." Kurz vor der Wohnungstür blieb Kagome im leeren Flur des Wohnheims stehen und blickte der Kleinen seit langem wieder direkt ins Gesicht. "Wenn er in meiner Gegenwart so glücklich und zufrieden ist, warum hat er dann versucht mich loszuwerden? Und warum hat er mich schon mehrmals abgewiesen? Glaub mir, Ronnie. Du bastelst dir da etwas zusammen, was nicht existiert. Inuyasha hat kein Interesse an mir." "Abgewiesen? Aber dann hast du ihm deine Liebe schon gestanden? Warte, nein, er hat dich nicht abgewiesen weil er kein Interesse hat. Er war einfach noch nicht bereit für eine neue Beziehung, daran muss es liegen!" "Ähm, wie lange ist seine letzte Beziehung denn her?", fragte Kagome neugierig. Ein paar Hintergrundinformationen konnten doch sicher nicht schaden. "Schon was länger", nuschelte Ronnie vorsichtig. Da wurde Kagome stutzig. Warum war sie plötzlich so kleinlaut? Da war doch was faul. "Gab es Schwierigkeiten bei ihrer Trennung? Sind sie im Schlechten auseinander gegangen?" Ronnie öffnete kurz den Mund, schloss ihn aber schnell wieder und betrachtete ihre Schuhspitzen. "Komm schon, du hast doch mit diesem Thema angefangen. Was ist passiert?" "Sie hatte einen Unfall", antwortete Ronnie leise und zögerlich, als würde sie gegen ein Gesetz verstoßen, wenn sie darüber spricht. Moment mal, Unfall? Das hatte sie doch schon einmal gehört. Sie ist weg, hörte sie Inuyashas abweisende Stimme sagen und nun konnte sie sich auch denken warum er so wütend wurde, als sie ihn über das Mädchen auf seinen Fotos ausgefragt hatte. Sie war ja manchmal so dumm! "Schon gut, du musst nicht darüber sprechen wenn du das nicht willst." Ronnie lächelte sie dankbar an und öffnete die Wohnungstür. Grinsend wandte sie sich an Kagome und flüsterte aufgeregt: "Halt dich fest! Inuyasha ist in der Wohnung!" Unglaublich wie die Laune dieses Mädchens sich schlagartig ändern konnte, dachte Kagome. "Nur zu deiner Information: Er wohnt da!", erwiderte sie und betrat das Wohnzimmer. "Hallo, Ray", begrüßte sie ihren Lieblings-Mitbewohner, der sich seit Yoris Krankheit auf der Couch eingerichtet hatte, damit er sich nicht ansteckte. Ronnie kroch mit unter die Decke von ihrem Bruder, während Kagome geradewegs zu ihrem Patienten ging. Inuyasha stand mit verschränkten Armen im Türrahmen und beobachtete Yori, während dieser qualvolle Laute von sich gab. "Was ist denn hier los?", fragte sie und eilte zu seinem Bett um seine Stirn zu fühlen. "Oh, Kagome! Zum Glück bist du da!", keuchte Yori und verzerrte seine Mundwinkel zu einem wagen Lächeln. "Ich habe solche Halsschmerzen und dieser Fiesling dort drüben weigert sich, mir eine Flasche Wasser zu holen." "Ja, weil du bloß krank bist, nicht Querschnittsgelähmt", antwortete Inuyasha schlecht gelaunt. "Schwing deinen Hintern aus dem Bett und hol dir dein Wasser selbst." "Hier, ich habe dir eine Flasche mitgebracht." Kagome warf Inuyasha einen vielsagenden Blick zu. "Brauchst du noch etwas?" "Nein, danke", hauchte Yori und trank einen Schluck. Als Kagome sich umdrehte rief er: "Warte! Könnte ich noch etwas Obst bekommen?" "Obst, klar doch", sagte sie lächelnd und wollte sich wieder abwenden, als er sie am Arm packte und fest hielt. "Schneidest du es wieder in kleine Würfelchen?" "Sicher." Kagome blickte verwirrt auf Yoris festen Griff und versuchte sich ihm unauffällig zu entziehen. "Ich komme gleich wieder." "Oh, und ziehst du mir bitte noch ein paar warme Socken an?" "Natürlich, ich lege sie auf die Heizung." "Äh, was soll Kagome denn sonst noch für dich machen?", fragte Inuyasha und runzelte verärgert die Stirn. "Dir die Füße massieren?" "Inuyasha, halt den Mund!", zischte sie. "Wie bitte?" Kagome legte ein paar Socken auf die warme Heizung und steckte die Decke um Yori fest. Dieser seufzte genüsslich und schloss die Augen. Nachdem sie die Schlafzimmertür hinter sich geschlossen hatte, versperrte Inuyasha ihr den Weg. "Halt den Mund? Ist das dein Ernst?" "Ach, lass mich vorbei." Sie stieß ihn zur Seite und wollte die Wohnung verlassen, als er nach ihrer Hand griff und sie wieder zurückzog. Im Hintergrund hörte sie, wie Ronnie versuchte ein glückliches Jauchzen zu unterdrücken. "Was soll das?" "Meinst du nicht auch, dass du Yori ein bisschen zu sehr verwöhnst?", fragte er sie skeptisch und ließ ihre Hand los, als sie ihn abschüttelte. "Er ist krank! Ich pflege ihn doch nur gesund." "Das geht über Pflege weit hinaus, Kagome. Er richtet dich gerade als seine Leibeigene ab." "Das stimmt überhaupt nicht und es geht dich auch nichts an um wen und wie ich mich um jemanden kümmere. Tu uns allen den Gefallen und halt dich einfach raus, wenn du schon nichts Sinnvolles beizutragen hast!" Beleidigt machte Kagome auf dem Absatz kehrt und verließ wütend das Apartment. Ronnie folgte ihr schnell und holte sie am Eingang des Wohnheims ein. "Kagome, warte!", rief sie schwer atmend und hielt sie am Ärmel fest, damit sie stehen blieb. "Argh, könnt ihr alle mal aufhören mich fest zu halten? Das nervt!" "Warte! Schau dir diese Tabelle an", sagte Ronnie beinahe hysterisch und schlug eilig ihr Magazin auf. "Also, hier steht: Wenn er dich zwischen Ellenbogen und Schulter berührt ist das die Freundschaftszone-" "Jetzt wäre der geeignete Zeitpunkt für ein paar Aliens um dich zu entführen. Ich würde sie bestimmt nicht aufhalten", murmelte Kagome, doch Ronnie überging ihren Einwurf einfach und las weiter: "Vom Ellenbogen zum Handgelenk, das ist die Zwischenzone. Und vom Handgelenk zu den Fingerspitzen bedeutet er will Händchen halten, das ist die Romantikzone!" "Ich weiß nur, dass bald meine Endzone erreicht ist." "Hast du nicht zugehört, Kagome? Er hat deine Hände berührt und zwei Zonen übersprungen, er hat sie einfach übersprungen! Er ist total in dich verknallt!" "Ronnie, ich weiß du meinst es nur gut, aber meine Geduld ist am Ende. Bitte lass es sein, ich ertrage das nicht länger." "Aber-" "Bitte, Ronnie!" "Na, schön", murrte sie beleidigt und stopfte die Zeitschrift zurück in ihre Tasche. "Inuyasha ist zu stur und du willst es nicht wahr haben. Ich gebe es auf. Ihr beide seid ein hoffnungsloser Fall!" Aufgebracht stapfte Ronnie davon und Kagome blickte ihr traurig nach. Ja, sie und Inuyasha waren ein hoffnungsloser Fall. Das sagte sie doch die ganze Zeit. "Hast du gehört, wie sie mit mir gesprochen hat?", fragte Inuyasha empört und setzte sich wütend neben Ray auf die Couch. "Ja." "Ich habe sie gewarnt, dass es ausarten könnte. Yori nutzt ihre Gutmütigkeit komplett aus!" "Scheint leider so." "Ich versuche nur sie zu beschützen. Yori ist bei dieser Geschichte der Böse, nicht ich. Stimmt's?" Darauf antwortete Ray nicht. Inuyasha runzelte die Stirn und fragte noch einmal nachdrücklich: "Stimmt's?" "Naja", murmelte Ray gedehnt. "Naja, was?" "Ich kann sie schon verstehen. Mittlerweile haben sich einige Gründe für sie aufgestaut, wütend auf dich zu sein." "Ach, ist das so? Zum Beispiel?", forderte Inuyasha beleidigt. "Sag schon." "Zum Beispiel dein ständiges hin und her. In einem Moment behandelst du sie wie Luft und im Nächsten hast du nichts Besseres zu tun, als sie zu bevormunden. Es wundert mich überhaupt nicht, dass Kagome deswegen verärgert ist. Dann die Sache mit ihrem Geheimnis." "Was?" "Du hast ihr Vertrauen missbraucht und es uns ohne ihr Einverständnis gesagt. Verstehe mich nicht falsch. Ich finde es gut, dass ich die richtige Kagome kennen lernen konnte. Sie ist ein tolles Mädchen. Aber sie ist verletzt, weil du dich nicht dafür entschuldigt hast. Ich an deiner Stelle würde das schleunigst nachholen. Und mit deinem momentanen Verhalten machst du dich ohnehin unbeliebt bei ihr. Wenn das so weitergeht, wirst du ein Weihnachtswunder brauchen, wenn du ihr das sagst was du vorhast ihr zu sagen." Die Wohnungstür öffnete sich und Kagome trat ins Zimmer. In der einen Hand hielt sie eine kleine gläserne Obstschüssel und unter dem anderen Arm hatte sie einen Wäschekorb geklemmt, in dem Yoris frisch gewaschene Kleidung lag. Sie funkelte Inuyasha kurz missgelaunt an, bevor sie wieder im Krankenzimmer verschwand. "Entschuldige dich bei ihr", riet Ray ihm noch einmal leise. "Und zwar bald." Inuyasha wollte gerade etwas erwidern, als Kagome auch schon wieder raus kam und leise die Tür hinter sich schloss. "Er schläft jetzt", murmelte sie und stellte eine halb leere Wasserflasche auf den Wohnzimmertisch. "Die ist von Yori. Ich bringe sie später weg." "Yori hat daraus getrunken?", hakte Inuyasha nach. "Ja, also lasst besser die Finger davon. Sonst steckt ihr euch noch an." Kagome ging an ihnen vorbei, in ihr eigenes Zimmer. Inuyashas Blick klebte auf der Flasche. "Inuyasha, nein." sagte Ray gebieterisch, als würde er einem Hund seine Belohnung verweigern. "Was denn?" "Du hast doch gerade daran gedacht aus Yoris verkeimter Flasche zu trinken, damit du krank wirst und Kagome auch dich umsorgt." "Nein", widersprach Inuyasha und schnaubte. "Das wäre doch lächerlich." "In der Tat, das wäre es", stimmte er zu und schaltete den Fernseher ein. Ein paar Minuten lang starrten sie beide gelangweilt auf den Verlauf einer stumpfsinnigen Krimiserie. Plötzlich hastete Inuyasha nach vorne und wollte nach der Flasche greifen, aber Ray hatte schon damit gerechnet und zog ihn mit aller Kraft zurück. Inuyasha knurrte und verschränkte die Arme vor der Brust. Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Traurig Ich glaube Ronnie lässt mich endlich zufrieden. Sie war ziemlich eingeschnappt, als ich sie weggeschickt habe. Hoffentlich war ich nicht zu grob zu ihr. Davor hat sie mir allerdings noch etwas erzählt. Ich fühle mich schlecht hinter seinem Rücken über seine Vergangenheit zu spekulieren. Aber ich muss mit Jemandem darüber sprechen, das lässt mich einfach nicht los. Inuyasha hatte, bevor ich hierher gewechselt bin, eine Freundin. Wann genau weiß ich nicht. Aber wie es aussieht, hatte sie einen Unfall. Ich glaube sie ist gestorben :( Und ich habe auch noch Salz in seine Wunden gestreut, als ich unbedingt wissen wollte, wer das Mädchen auf seinen Fotografien ist. Das tut mir so leid, ich könnte heulen. Ich bin ein ganz furchtbarer Mensch. Kagome Sie stützte die Arme auf den Schreibtisch und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Krampfhaft versuchte sie die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Sie war traurig. Wütend. Verwirrt. Deprimiert. Verzweifelt. Sie wusste nicht, für welches Gefühl sie sich entscheiden sollte. Sie war so durcheinander. Ein leiser Signalton ertönte. Ihre Freundin hatte ihr geantwortet. Absender: Sango-chan Empfänger: Higurashi_Kagome Betreff: Sch**** Das ist wirklich traurig, aber dich trifft keinerlei Schuld. Du wusstest es doch nicht. Du bist überhaupt nicht furchtbar. Furchtbar neugierig, vielleicht. Aber nicht furchtbar. Diese Kleine war aber wirklich hartnäckig. Es ist ja schon ganz süß, dass sie euch verkuppeln will. Aber das sollte trotzdem eine Sache zwischen dir und Inuyasha bleiben... wenn es da eine Sache zwischen euch gibt? Sango Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Extrem verwirrt Ich weiß es nicht. Wirklich, ich habe keine Ahnung, was das zwischen uns ist. Irgendetwas ist da. Ich kann es nur nicht einordnen. Ich habe das Gefühl Inuyasha ist momentan ziemlich eifersüchtig auf Yori, weil ich ihn gesund pflege. Ronnie hatte die verrückte Idee, dass Inuyasha mich zwar mag allerdings noch nicht bereit für eine neue Beziehung ist und er mich deshalb abgewiesen hat. Ich weiß nicht was ich davon halten soll. In den letzten Wochen habe ich versucht ihn mir abzuschreiben und mich voll und ganz auf die Schule zu konzentrieren, aber dann gibt es immer wieder einen kurzen Augenblick der mich hoffen lässt. Eine Umarmung, eine Berührung, ein Lächeln, ein Blick von ihm genügt und ich bin ihm schon wieder völlig verfallen. Ich versuche es so gut es geht vor ihm zu verbergen, aber es ist schwer. Wieso passiert das alles? Warum musste ich mich in ihn verlieben ? - Absender: Sango-chan Empfänger: Higurashi_Kagome Betreff: Will dich drücken Da ich Inuyasha nicht kenne, ist das Letzte was ich möchte über ihn zu urteilen. Aber wenn er dich nur unglücklich macht ist es besser, dich so weit wie möglich von ihm abzukapseln. Er ist dein Mitbewohner und nichts weiter. Du musst nicht mit ihm sprechen oder mit ihm befreundet sein. Ach, ich würde dich jetzt wirklich gerne in den Arm nehmen und trösten. Ich kann es kaum erwarten dich wiederzusehen. Noch nie habe ich mich so sehr auf Weihnachten gefreut. Wann genau kommst du an? Sango Absender: Higurashi_Kagome Empfänger: Sango-chan Betreff: Reiseplan Bevor ich nach Hause komme, muss ich noch die Weihnachtsfeier von Inuyashas Mutter überstehen. Ich würde lieber darauf verzichten, aber ich habe es ihm versprochen, seiner Mutter bereits zugesagt... daran halte ich mich. Ich werde das mit Inuyasha durchziehen und ihm danach sagen, dass er sich für das nächste Mal eine neue Freundin suchen muss. Heiligabend verbringe ich mit meiner Familie und gleich am ersten Weihnachtstag stehe ich vor deiner Tür. Apropo Tür. Wird es dann die Tür sein, die ich kenne oder eine Neue mit der ich noch Freundschaft schließen muss? liebe Grüße, Kagome Absender: Sango-chan Empfänger: Higurashi_Kagome Betreff: Überglücklich Es wird eine neue Tür sein. Ja! Wir haben die Wohnung bekommen, von der ich dir erzählt habe. Den Mietvertrag haben Miroku und ich gestern unterschrieben und mein Vater ist endlich auch einverstanden. (Als ob er eine Wahl hätte :P) Wie gesagt, die Wohnung muss komplett renoviert werden, dafür ist die Miete praktisch geschenkt und wenn ich erst einmal damit fertig bin wird es wunderschön und gemütlich sein. Du hilfst uns doch sicher bei der Renovierung, oder? Das wird bestimmt Spaß machen. Gruß, Sango Kagome lächelte den leuchtenden Computer-Bildschirm an. Eine Wohnung mit ihren besten Freunden renovieren? Das wird auf jeden Fall Spaß machen. Und sie konnte sich nichts Besseres vorstellen, um sich von Inuyasha abzulenken. Wie aufs Stichwort kam dieser gerade ins Zimmer. Sie schauten sich gegenseitig an. Einen kurzen Augenblick lang, dachte sie er wollte etwas sagen. Aber er überlegte es sich doch anders, schloss die Tür und legte sich auf sein Bett. Nichts. Sie hatten sich wirklich nichts zu sagen. Als der schrille Ton des Weckers sie am nächsten Morgen aus dem Traumland riss, war Inuyasha schon längst weg. Widerwillig richtete Kagome sich für den Unterricht her. Jeans, Pullover, Perücke. Mittlerweile ging die Kostümierung ziemlich schnell von statten. Beim Frühstück erfuhr sie, dass Inuyasha ihren Mitbewohner zum Frühsport in die Schwimmhalle begleitet hatte. Mit bescheidener Freude erzählte Ray ihr, dass er einen neuen Mannschafts-Rekord aufgestellt hatte und er beim nächsten Wettkampf als Schluss-Schwimmer eingesetzt werden würde, was scheinbar eine ziemliche Ehre war. Mit Inuyasha selbst, wechselte sie nur ein paar banale Floskeln. "Ich fühle mich wirklich grauenhaft", sagte sie am späten Nachmittag, nachdem sie nach Yori gesehen hatte und sich sein Zustand scheinbar nicht im geringsten verbessert hatte. Sie hielt ein Fieberthermometer in der Hand. "Vierzig Grad Fieber. Ich verstehe nicht, wieso er nicht gesund wird." "Oh bitte, Kagome, das ist doch offensichtlich", murrte Inuyasha gereizt. Sie war kurz verblüfft über seinen ersten vollständigen Satz des Tages und fragte: "Was meinst du?" Er verdrehte genervt die Augen. "Yori will nicht gesund werden. Denn er kann den ganzen Tag faulenzen und schlafen, du bringst ihm Frühstück ans Bett, wärmst ihm die Socken, liest ihm was vor, wäschst seine Kleidung, reibst seine Brust mit Salbe ein und du bist nicht hässlich!" "Ähm-" Kagomes Herz machte einen kleinen Sprung. "Was Inuyasha damit meint", erklärte Ray, "ist, dass Yori deine Pflege etwas zu sehr genießt." "Genau das habe ich doch gesagt!" Kagome massierte kurz ihre Schläfe und versuchte wieder klar im Kopf zu werden. "Ihr denkt er simuliert?" "Anfangs nicht. Da war er wirklich krank, ich denke nur jetzt macht er es sich gemütlich", erwiderte Ray nachdenklich. "Das Thermometer hat er vermutlich an eine heiße Glühbirne gehalten, als du gerade nicht hingesehen hast", meinte Inuyasha. Kagome nickte überzeugt. "Okay, und was wollen wir dagegen machen?" "Ich weiß was Yori motivieren könnte, das Bett zu verlassen." "Ja, eine Abreibung mit der Faust!", unterbrach Inuyasha Ray's Überlegungen. "Ich habe mir gedacht, dass er sich bestimmt bald besser fühlt wenn die Verpflegung die du ihm bietest, ihm nicht mehr zusagt." "Ja, verstehe", sagte Kagome und lächelte. "Ich glaube, das kriege ich hin." Eine Stunde später stand sie neben Yoris Bett und drückte leicht auf seine Schulter um ihn zu wecken. "Hm? Was ist los?", murmelte er schlaftrunken. "Ich habe dir ein Bad eingelassen", flüsterte Kagome verheißungsvoll. "Vielleicht tut dir das ganz gut." Er hob freudig die Augenbrauen und war auf der Stelle hellwach. "Ja, du hast sicher recht. Ein entspannendes Bad ist sicher gut für mich." Schwerfällig hob er sich aus dem Bett und stützte sich auf Kagome während sie zum Badezimmer schlurften. "Ich fühle mich so kraftlos. Ich glaube du musst mir beim ausziehen helfen." "Ach, ich bin mir sicher das schaffst du auch allein." Der Wasserhahn lief noch und das Geräusch des plantschenden Wassers hallte zwischen den Wandfliesen. "Hm", murmelte Yori. "Das heiße Wasser dampft ja gar nicht." "Ich habe nichts von einem heißen Bad gesagt", erwiderte Kagome und grinste in sich hinein, als sie Yoris erschrockenen Blick sah. "Hier sind die Eiswürfel", rief Inuyasha hinter ihnen. Er drängte sich vorbei und schüttete einen ganzen Eimer voll Eis in die Wanne. "Da sich dein Zustand einfach nicht bessert, dachte ich mir wir sollten dein Immunsystem stärken. Ein Eisbad ist da genau das Richtige! Also zieh dich aus und rein mit dir. Die Unterhose kannst du anlassen." In diesem Fall behielt Yori die Unterhose liebend gerne an. Zitternd und zusammengekauert, saß er in der fast randvollen Wanne. Leidig blickte er zwischen Kagome und Inuyasha umher. Sie hatte fast Mitleid mit ihm. "Okay, das war eine ganze Minute, das reicht", sagte er schlotternd und wollte aussteigen, aber Kagome drückte ihn an den Schultern wieder rein. "Du kommst erst da raus, wenn du gesund bist." "Was? Das ist nicht dein Ernst, oder? Kagome? Oder?" "Was sagst du?", fragte Inuyasha amüsiert. "Noch mehr Eis? Kommt sofort." "Nein!", rief Yori aber er war schon um die Ecke geflitzt. Kagome hockte sich neben die Badewanne und legte ihre Arme auf den Rand. "Fühlst du dich schon besser?", fragte sie. "Ganz und gar nicht." "Dann musst du vielleicht die ganze Nacht da drin bleiben." "Was?", schrie Yori mindestens drei Oktaven höher als gewöhnlich. "Warum machst du das, Kagome?" "Ich will doch nur, dass du wieder gesund wirst", erklärte sie und schaffte es sogar ernst zu klingen. "Auf Fürsorge und heiße Suppen springt dein Körper ja leider nicht an. Also versuchen wir es ab jetzt mit härteren Maßnahmen. Keine Sorge, ich habe noch einige Methoden auf Lager, falls das hier auch nicht hilft. Ich schwöre dir, ich werde dich gesund machen und wenn du dabei draufgehst." "Bist du irre?" Yori schaute ihr schockiert in die Augen. Eilig schubste er Kagome Beiseite, als er aus der Wanne sprang. "Ich bin zu jung zum sterben." "Aber Yori, du musst doch gesund werden!", beharrte Kagome. "Ich bin gesund!", rief er aus. "Es geht mir schon seit drei Tagen besser, okay? Du musst dich nicht mehr um mich kümmern, den Rest schaffe ich allein, danke!" Er schnappte sich ein Handtuch und rannte auf seinen blau angelaufenen Beinchen davon. Kagome lachte immer noch, als Inuyasha mit einer neuen Ladung Eiswürfel reinkam. Enttäuscht fiel sein Blick auf die leere Badewanne. "Er hat wirklich so schnell aufgegeben?" Kagome nickte grinsend. "Schade." Er stellte den Eimer auf den nassen Boden und Kagome ließ das Badewasser ab. Der kurze Moment der Freude ließ schon wieder nach. Abgesehen von ihren neuesten Erkenntnissen über Inuyasha, hatte sie ihn völlig zu Unrecht angemeckert. Er hatte gewusst, dass Yori sie ausnutzt und ihr etwas vormachte und er wollte sie nur davor bewahren. Da war wohl eine Entschuldigung fällig. "Es tut mir leid." Verwundert drehte sie sich zu ihm um. Inuyasha hatte seinen Blick auf einen festen Punkt auf dem Fußboden gerichtet. "Was denn?", hakte sie nach. "Du hattest recht. Ich hätte dein Geheimnis nicht verraten sollen. Ich hätte mitspielen müssen oder mir eine andere Ausrede einfallen lassen sollen, egal was. Ich habe dir etwas versprochen und es nicht gehalten. Es tut mir leid." "Äh, schon gut", sagte sie leise. "Es ist ja zum Glück gut gegangen. Ich muss mich ebenfalls entschuldigen. Ich hätte dich gestern nicht so anblaffen dürfen. Das hattest du nicht verdient." "Also", sagte Inuyasha gedehnt und schaute ihr in die Augen. "Alles gut zwischen uns?" "Ja", lächelte Kagome und meinte es auch so. "Alles gut." Kapitel 22: Tastensperre ------------------------ "Etwas mehr Beeilung, Kagome! Wir verpassen noch unseren Flug", rief Inuyasha aus dem Wohnzimmer durch die angelehnte Zimmertür. "Ja doch", rief sie zurück und verstaute noch schnell die letzten Kleinigkeiten in ihrem Rucksack. Den Koffer hatte sie bereits fertig gepackt. Hatte sie auch nichts vergessen? Nein. Die Perücke noch gerichtet. Inuyasha wartete. Schnell, schnell. "Warum hast du es denn so eilig?", fragte Kagome während sie ihr schweres Gepäck, auf den kleinen wackeligen Rollen, durch den Flur des Wohnheims hinter sich her zog. "Beim letzten Mal wäre es dir doch lieber gewesen das Flugzeug stürzt ab, als zu Hause anzukommen." "Na, weil ich es so schnell wie möglich hinter mir haben will", wich Inuyasha aus. Ihr zu verraten, dass er seine Meinung bezüglich ihrer Beziehung geändert hatte und ihr das in den Ferien in einem günstigen Moment mitteilen wollte, würde die Überraschung wohl verderben. "Warte, ich mach das." Inuyasha nahm ihr den schweren Rollkoffer ab und trug ihn für sie die Stufen hinunter. "Dankeschön", murmelte Kagome und folgte ihm mit verwunderten Blicken. Ihr war aufgefallen, dass er in letzter Zeit ungewöhnlich nett gewesen war. Nicht nett Nett. Aber doch schon irgendwie nett. Auf dem großen Parkplatz vor dem Hauptgebäude des Internats, waren haufenweise Schüler versammelt. Sie verabschiedeten sich von ihren Freunden und verstauten ihr Gepäck in Taxis oder den teuren Autos ihrer Eltern. Viele Gesichter kannte Kagome vom Sehen her. Mit Einigen hatte sie bereits ein paar Höflichkeiten ausgetauscht und ein paar Vereinzelte waren für sie zu einer willkommenen Gesellschaft geworden. Diesen wenigen Bekannten nickte sie im Vorbeigehen kurz zu. Ein kleingewachsenes blondes Mädchen mit Sommersprossen auf der Nase, grinste sie breit an und wünschte ihr ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr. Sie winkte ihr lächelnd zum Abschied und folgte Inuyasha weiter durch die Menge. Ja, sie hatte sich gut hier eingelebt, stellte sie fest. Ray und seine kleine Schwester Ronnie warteten bereits am Taxi und luden ihre Sachen in den Kofferraum. "Tut mir leid, dass ich euch habe warten lassen", entschuldigte Kagome sich und hob ihren Koffer auf die Ladefläche. Ray lächelte beruhigend und warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. "Keine Sorge, wir liegen gut in der Zeit. Wir werden unseren Flieger schon nicht verpassen." "Ach, nicht?" Kagome warf Inuyasha einen fragenden Blick zu. "Man kann nie früh genug am Flughafen sein. Während der Fahrt kann alles Mögliche passieren und verpasst man den Flug, gibt's so schnell keinen Neuen", rechtfertigte er sich. "Es ist ja nicht so, als würden Flugzeuge vom Himmel fallen- Oh. Das war unklug formuliert." "Was ist eigentlich mit Sam", fragte Kagome und schaute sich suchend um. "Fährt sie nicht mit uns?" "Sie ist schon gestern geflogen. Ihr Vater hat sie mit dem Privatjet abgeholt", antwortete Ray und schlug den Kofferraum zu. "Klar, hätte ich mir denken können." Kagome versuchte möglichst genau so unbefangen zu klingen wie er. "Das erspart uns zumindest den Ärger ihr erklären zu müssen, warum Kaoru mit nach Kalifornien fliegt", meinte Inuyasha und damit hatte er recht. Diese Situation war ein Glücksfall. "Würdet ihr euch dann mal in den Wagen setzen, damit wir los fahren können", rief Ronnie ungeduldig aus dem Taxi. Sie saß bereits angeschnallt und voller Vorfreude auf ihrem Platz in der Mitte des Rücksitzes. "Du treibst mich mal wieder an den Rand des Wahnsinns, Kleine", antwortete Ray und setzte sich auf den Beifahrersitz neben den Taxifahrer. Inuyasha und Kagome setzten sich rechts und links neben Ronnie. "Sie gibt mir schon den ganzen Morgen über Befehle", erklärte er Kagome. "Ich muss so fies zu dir sein, das ist mein Job als kleine Schwester." "Du machst ein bisschen zu viele Überstunden", beschwerte Ray sich. "Was soll ich sagen? Ich liebe meinen Job." Die Fahrt zum Flughafen und das Check-In verliefen problemlos. Inuyasha stand Schmiere während sie sich auf der Flughafen-Toillette umzog und hatte ihr später im Flieger wieder den Fensterplatz überlassen. Ray und seine Schwester hatten zwei Plätze einige Reihen hinter ihnen erhalten. Kagome konnte sie nicht mal richtig sehen. Sobald sie in der Luft waren, hatte Inuyasha die Rücklehne seines Sitzes so eingestellt, dass er bequem liegen konnte und seine Augen hatte er fest geschlossen. Wenn er mal schlafen konnte, schlief er immerhin schnell ein. Das würde wohl eine sehr ruhige Reise werden. Sie kramte einen Roman aus ihrem Rucksack und lehnte sich ebenfalls gemütlich zurück. Sie blickte noch einmal zu ihrem Sitznachbarn, während sie die Seiten aufschlug. Er wirkte irgendwie traurig, dachte sie und fragte sich was er wohl träumte. Es ist dunkel. Und es ist ruhig. Um zwei Uhr morgens ist es immer ruhig auf den Straßen von Belvedere. Nur das Rauschen der Wellen, die gegen die Bucht schlagen, ist zu hören. Der Asphalt ist noch ziemlich nass, die Luft ist schwül. In dieser Woche regnet es bemerkenswert viel. Ungewöhnlich für Kalifornien. Inuyasha genießt die Abwechslung. Er hat wahrhaftig genug vom alltäglichen Sonnenschein und blauem Himmel. In der Ferne erkennt er eine Gestalt. Eine junge Frau? Um diese Uhrzeit? Er ist bei seinen nächtlichen Spaziergängen noch nie jemandem begegnet. Das Licht der Straßenlaterne fällt genau auf sie, sonst hätte er sie vermutlich gar nicht bemerkt. Er behält das langsame Tempo seines Ganges bei und Schritt für Schritt kommt er ihr näher und erkennt immer mehr Einzelheiten. Er bleibt abrupt stehen als er bemerkt, dass er dieses Mädchen kennt. Das ist Kikyo. Sie lehnt an dem eisernen Geländer am Rand der Straße und schaut hinunter ins schwarze Wasser. Sein Blick fällt auf das Straßenschild an der Ecke. Windward Road. Das ist die Straße in die Kikyo und ihre Familie neulich eingezogen sind. Dass er schon fast Zuhause angekommen ist, hat er gar nicht wahrgenommen. Inuyasha hat wenig Lust sich mit dieser Ziege zu unterhalten. Er glaubt, sie hat ihn nicht gesehen, deshalb versucht er sich hinter ihr vorbeizuschleichen. "Du gehst einfach weiter?", fragt sie leise, doch ihre Stimme klingt fremdartig laut in der Stille der Nacht. Inuyasha zuckt zusammen. Mist. Sie hat ihn längst bemerkt. "Ja", antwortet er widerwillig. "Ja, das hatte ich vorgehabt." "Willst du denn nicht wissen, warum ich so spät in der Nacht hier draußen bin?" "Nein, nicht wirklich." Kikyo dreht sich zu ihm um und sieht ihm forschend in die Augen. "Ich kann dich nicht ausstehen", ergänzt Inuyasha schroff. "Verstehe", sagt sie und nickt. "Ich habe dich gekränkt. Das tut mir leid." "Zur Kenntnis genommen." Inuyasha will schleunigst verschwinden. Ihr Blick ist ihm unangenehm. Als wüsste sie was er denkt und fühlt, als würde sie ihn komplett durchschauen. Unheimlich. "Was machst du so spät hier draußen?", fragt sie, als er einen Schritt machen will. Er runzelt die Stirn und schaut sie unschlüssig an. "Ich bin nicht so gleichgültig, wie manche anderen Menschen." "Ich bin auch nicht gleichgültig!", knurrt er wütend. "Ich weiß", sagt sie schnell. "Das war keineswegs an dich gerichtet. Wärst du gleichgültig, würdest du gar nicht vor mir stehen. Und du würdest mir auch nicht einen kleinen Teil deiner Zeit schenken um mir Gesellschaft zu leisten." Geschickt geäußert, denkt Inuyasha und seufzt. Jetzt hat er eigentlich keine andere Wahl mehr. Zögernd geht er näher auf sie zu und lehnt sich neben sie rücklings ans Geländer. "Also?", fragt Kikyo nach einer kurzen Weile. "Was treibt dich zu dieser Stunde auf die Straße?" "Ich wüsste nicht, was dich das angeht", murmelt Inuyasha abweisend. "Gar nichts", stimmt sie zu. Er neigt seinen Kopf vorsichtig in ihre Richtung und beobachtet sie aus dem Augenwinkel. Was soll das? Was will sie mit dieser Aktion erreichen? "Inuyasha?", fragt sie plötzlich und er zuckt unmerklich zusammen. Das ist das erste Mal, dass sie ihn beim Namen nennt. "Was hast du für eine Meinung von mir?" "Hä?" Das irritiert ihn. "Warum fragst du mich so etwas?" "Tut mir leid", haucht sie entschuldigend. "Ich würde nur gerne wissen, wie du über mich denkst. Ich kenne dich leider nicht sehr gut aber ich glaube, dass du eine sehr ehrliche Person bist." Hat sie gerade wirklich leider gesagt? "Nun", beginnt er unentschlossen, "ich finde du bist eine unausstehliche, perfektionistische Streberin die viel zu wenig lächelt." Sie hebt überrascht die Augenbrauen und sieht ihm erstaunt in die Augen. "Ich- Ich lächele zu wenig?" "Wann hast du das letzte Mal so richtig Spaß gehabt?" Sie senkt stumm den Blick. "Ja, das habe ich mir gedacht." "Wann hast du das letzte Mal in ein Schulbuch geschaut?", kontert sie. Inuyasha muss schmunzeln. "Das ist verdammt lange her." "Meine Eltern sind sehr streng", erzählt Kikyo schließlich. "Bei allem was ich tue, erwarten sie Bestleistungen. Sobald es den Anschein hat, dass ich etwas nachlasse ergreifen sie sofort sämtliche Maßnahmen. Du sagst, ich wäre eine Streberin. Aber auch ich könnte mir vorstellen gelegentlich mal etwas zurückzutreten. Mich einmal komplett fallen zu lassen und einen Moment lang nicht an die nächste Prüfung zu denken. Aber das kann ich nicht. Ich will meine Eltern keinesfalls enttäuschen. Ich will niemanden enttäuschen." "Hör auf zu philosophieren", murrt er und runzelt die Stirn. "Wir haben alle unsere Päckchen zu tragen." "Du hast recht. Ich sollte mich nicht beklagen." Das Rauschen des Wassers wird lauter. Die Wellen schlagen höher. Inuyasha schaut kurz in den Himmel und erhascht noch einen letzten Blick auf den Mond, bevor er von der schweren Wolkendecke vollends überdeckt wird. "Sieht ganz so aus, als ob es gleich wieder anfängt zu regnen." "Wie damals", murmelt Kikyo und Inuyasha erstarrt. Er weiß ganz genau welches Damals sie meint. Der Tag an dem sie geweint hat und er einfach an ihr vorbeigegangen ist. "Ähm, ich hätte dich ja getröstet und so", stottert er verlegen. "Aber ich hatte keine Taschentücher dabei." Sie fängt an zu kichern. Leise. Gedämpft. Völlig aus der Übung. "Darüber machst du dir Gedanken?", fragt sie. "Ich wünschte du hättest mich gar nicht bemerkt. Es ist mir furchtbar peinlich, dass du mich so gesehen hast. So... schwach." Inuyasha sagt dazu nichts und sie fügt hinzu: "Wir sind gar nicht so verschieden, was? Wir beide leben in einer Welt, die uns nicht gefällt. Nur das ich versuche mich anzupassen und du willst unbedingt ausbrechen." "Ja", antwortet er missmutig. "Du spielst das Spiel mit." "Während du deine Figur längst vom Spielbrett genommen hast", ergänzt Kikyo. Daraufhin herrscht eine zwanglose Stille. Die Minuten vergehen langsam, bis der erste Regentropfen auf das Geländer prallt. Wie aufs Stichwort drückt Kikyo sich von der Eisenstange und sucht Inuyashas Blick, schaut ihm tief in die Augen. Ein kalter Schauer läuft ihm über den Nacken. Ihm fällt nichts ein, das er hätte sagen können, also schweigt er weiter und erwidert bloß die Geste. "Man sieht sich", sagt sie leise und er nickt. Anschließend dreht sie sich um und läuft die Windward Road entlang. Er schaut ihr solange hinterher, bis ihre Silhouette mit der Dunkelheit verschmilzt. Mit schnellen Schritten läuft er nach Hause, als der Regen stärker wird. Er springt die große Mauer am Rand des Hauses hoch. Er benötigt dieses Mal zwei Anläufe, weil die Mauer von der Nässe ganz rutschig ist. Von dort oben ist es ganz leicht, auf den großen Baum zu klettern. Er stellt sich auf einen besonders kräftigen Ast, von dem Inuyasha mit Sicherheit weiß, dass er sein Gewicht tragen kann. Das Fenster hat er für den Rückweg extra offen gelassen und er schlüpft leise hindurch. Er landet im Flur des ersten Stockwerks. Auf dem Teppich vor dem Fenster hat sich ein verräterischer Wasserfleck gebildet, aber bis zum Morgen wird er trocken sein, hofft Inuyasha. Nachdem er sich nach oben in sein Zimmer geschlichen hat, was schwer ist bei Sesshoumarus extrem leichten Schlaf, zieht er sich die nasse Kleidung vom Körper und springt schnell unter die heiße Dusche. Während er sich mit einem Handtuch die Haare trocken rubbelt stellt sich Inuyasha vor das große Fenster und schaut in die Ferne. Sein Shirt liegt nach dem Duschen mit einem Hauch Feuchtigkeit an seiner Haut. Das Licht ist ausgeschaltet, sein Spiegelbild im Fensterglas behindert die Aussicht nicht. Sein Blick wandert nach links, dabei berührt seine Stirn das kühle Glas. Sein Atem lässt die Scheibe beschlagen. Die Häuser der Windward Road, die er von seinem Zimmer aus sehen kann, liegen dunkel und ruhig da und es ist kein Anzeichen von Leben zu erkennen. Um diese Uhrzeit ist es nunmal immer ruhig in Belvedere und manchmal fühlt er sich wie der einzige noch lebende Mensch auf Erden. Plötzlich scheint Licht durch eines der dunklen Fenster und schlagartig drängt sich ein anderes Leben in seine selbst gewählte Einsamkeit. Inuyasha erstarrt, als er Kikyo in dem Fenster erkennt. Sie kann ihn nicht sehen, weil sein Licht ausgeschaltet ist. Mit flacher Atmung beobachtet er ihre flüchtige Erscheinung, wenn sie kurz an dem Fenster vorbeigeht. Dann zieht sie ihre Vorhänge zu und das Licht erlischt wieder. In der nächsten Nacht verschlägt es Inuyasha seltsamerweise an den Platz, an dem eisernen Geländer. Sie ist auch dort und dieses Mal versucht er nicht sich an ihr vorbei zu schleichen, sondern geht direkt auf sie zu. Sie dreht sich um, als sie seine Schritte hört und lächelt ihn an. "Da bist du ja." Sie hat schon auf ihn gewartet. "Inuyasha", flüstert sie zärtlich, legt ihre Hand auf seine Schulter und schüttelt sie leicht. Verwirrt versuchte er zu begreifen warum sie das tat, aber da schlug er bereits die Augen auf. "Inuyasha?", wiederholte Kagome und rüttelte noch einmal leicht an seiner Schulter um ihn zu wecken. "Wir landen gleich, du musst den Gurt anlegen." "Hmm", seufzte Inuyasha verschlafen und stellte seinen Sitz wieder in die Ausgangsposition. Er hatte tatsächlich den gesamten Flug verschlafen. Das Erste was Kagome nach der Landung auffiel, war die Wärme. Es war Mitte Dezember, doch statt Schneematsch und Eiswind, herrschten angenehme siebzehn Grad und frische Brisen in San Francisco. Schnell zog sie ihre Jacke wieder aus und folgte ihren Freunden in die riesige Flughafenhalle. Inmitten der chaotischen Menschenmassen, stand ein Ehepaar mittleren Alters. Sie beide hatten rote Haare. Es war unverkennbar. "Daddy!", rief Ronnie glücklich und rannte auf ihren Vater zu. Er breitete lachend die Arme aus, warf seine Tochter ein Stück hoch und drückte sie dann liebevoll an sich. Die Frau mit den feuerroten Locken strich kurz über Ronnies Rücken und wandte sich dann Ray zu. Sie nahm sein Gesicht in die Hände und drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange, bevor sie ihren Sohn in die Arme schloss. Bei diesem rührenden Wiedersehen, konnte Kagome gar nicht anders, als zu lächeln. "Hallo, Inuyasha", sagte die Frau schließlich und umarmte auch ihn, "Schön dich zu sehen." Inuyasha erwiderte die Geste kurz und deutete dann auf Kagome. "Das ist Kagome", sagte er und fügte zögerlich hinzu: "Meine Freundin." Falls die Frau überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken. "Mein Name ist Reese und das ist mein Mann Ryan", stellte sie sich lächelnd vor und gab ihr die Hand. Ray, Ronnie, Reese und Ryan? Ja. Sie hatten scheinbar eine Vorliebe für Namen die mit einem R anfingen. "Fahren wir direkt ins Restaurant?", fragte Ronnie. "Wenn ihr das wollt", antwortete Ryan und stellte sie wieder auf dem Boden ab. Er warf Ray einen fragenden Blick zu und der nickte. "Das wäre mir recht." "Wollt ihr nicht erst einmal Zuhause auspacken?", fragte Reese erstaunt. "Nein", widersprach Ronnie und grinste. "Ich will Süßkartoffeln! Ich habe die Nase voll von Reis und Nudelsuppe." Ihr Vater lachte amüsiert auf. "Ich nehme an, wir werden dich auf der Weihnachtsfeier wiedersehen, Kagome", sagte Reese. "Ja", antwortete sie lächelnd. "Ich werde da sein." "Ich habe sie übrigens zu einem Gratisessen eingeladen. Sie wird demnächst im Carson's vorbeischauen." "Ah, dann serviere ich dir meine berühmten Tagliatelle Contadina und als Nachspeise Zitronensourbet! Und als kleinen Apetizer für zwischendurch-" "Jetzt überfall das Mädchen doch nicht direkt", mahnte Reese ihren Mann. "Sonst taucht sie letzten Endes doch nicht auf." Ray steuerte mit seiner Familie auf den Ausgang zu, während Inuyasha und Kagome sich auf den Weg in die Tiefgarage machten. Dieses Mal mit geschlossenem Verdeck, sausten sie die Auffahrt hoch und fuhren die gleiche Strecke wie beim letzten Mal. Inuyasha drehte am Regler herum, um einen passenden Radiosender zu finden. Rauschen, Country, Rauschen, Hip hop, Rauschen, Rauschen, Jazz, Rauschen, Verkehrsmeldungen, Rauschen, rauschende Verkehrsmeldungen. Schließlich spielte ein rockiger Song, der Inuyasha zu gefallen schien. Lächelnd beobachtete sie ihn, während er zum schnellen Takt auf das Lenkrad trommelte. "Du hast überraschend gute Laune", sagte Kagome schließlich. "Na, weil momentan auch alles gut läuft. Ich habe diesen grauenhaften Test bestanden-" Sie hob skeptisch eine Augenbraue. "Nur ganz knapp." "Die zwei Punkte zählen!", beharrte er. "Endlich kein Chemie mehr. Ein Problem weniger. Und nach der Feier verschwinden meine Eltern in die Schweiz für ihren Skiurlaub und ich habe das gesamte Haus für mich allein. Ein besseres Weihnachtsgeschenk können sie mir gar nicht machen." "Du fährst nicht mit?" Inuyasha runzelte die Stirn. "Sehe ich aus als wäre ich verrückt?" "Aber dann bist du Weihnachten ganz alleine. Das ist furchtbar." "Nein. Das ist großartig", widersprach er. Kagome schaute ihn verständnislos an. Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu und erklärte: "Ich hasse Ski fahren... mit meinen Eltern." Nachdem sie in die Edgewater Road eingebogen waren, hielt Inuyasha vor Haus Nummer Neun. "Warum halten wir vor Sam's Haus?", fragte Kagome. "Sie ist die Einzige von der wir uns ein Kleid für dich ausleihen können", antwortete Inuyasha und öffnete die Fahrertür. "Das brauchen wir nicht, ich habe ein Kleid dabei." Er musterte sie zweifelnd. "Es ist ein schönes Kleid", behauptete sie, "Ein Kleid dem man gar nicht ansieht, dass es reduziert war." Sein Blick wurde noch eindringlicher und sie knickte ein. "Um siebzig Prozent." "Entweder leihst du dir ein Kleid von Sam, oder wir beide fahren ins nächste Geschäft und ich kaufe dir eins." "Schon gut, du hast gewonnen." Seufzend stieg sie aus dem Wagen und folgte Inuyasha zur Haustür. Dieses Mal fing er nicht an die Erde umzugraben, sondern klingelte einfach. Man hörte ein lautes Poltern und Stampfen. Die Tür wurde aufgerissen und Sam empfing sie mit einem wutverzerrtem Blick. "Oh heilige Scheiße", fluchte Inuyasha, während er ihren Pullover anstarrte. Ein Rentier-Pullover. Mit Streifen. "Ich hasse Weihnachten!", murrte Sam und drückte auf Rudolfs Nase auf ihrem Bauch. Daraufhin fing der Pullover an zu leuchten und eine verzerrte Stimme sang Jingle Bells. "Es ist scheußlich und singt auch noch?", fragte Inuyasha entsetzt. "Hat meine Mutter auf dem Ramschtisch entdeckt und sofort zugegriffen. Als ob es ihr Spaß macht mich zu demütigen. Es sollte verboten werden, diese Dinger in unseren Größen zu verkaufen!" "Und du musst den jetzt wirklich tragen?" "Ja, aber keine Sorge. Ich werde dafür sorgen, dass dieser Fleece-Alptraum später einen Unfall mit dem Grill haben wird." "Ach, eigentlich siehst du doch ganz süß darin aus", zog Inuyasha sie grinsend auf. "Sag das noch mal und ich sorge dafür, dass sie dir auch einen kauft!" "Schon gut. Hör zu, ich brauche ein Kleid." "Kein Problem", meinte sie trocken. "Ich habe da was, das hervorragend deine Augen betont." "Doch nicht für mich, du Nuss!" Inuyasha schob Kagome vor, die sich hinter seinem Rücken versteckt gehalten hatte. "Für sie. Sie spielt meine Freundin auf der Weihnachtsfeier." "Hi", war alles was Kagome hervor brachte, während sie verzweifelt dachte: Bitte erkenne mich nicht. Bitte erkenne mich nicht! Sam musterte sie von oben bis unten und grinste. "Ich weiß es!" Kagome, sowie Inuyasha zuckten erschrocken zusammen. "Deshalb hat dir Ronnie die Zeitschrift in die Hand gedrückt, richtig?" "Ja, richtig", sagte er schnell. Kagome warf ihm einen fragenden Blick zu. "Verstehe. Kommt mit nach oben, wir werden schon was Passendes finden." Sam führte die beiden die Treppe rauf in ihr Zimmer. "Also, woher kennt ihr euch?", fragte Sam. "Du und-" "Kagome", stellte sie sich vor. "Wir kennen uns-" "-aus Kindertagen." "-aus dem Internet", sagte sie fast zeitgleich und schaute erschrocken zu Inuyasha rüber. "Ja, Kagome schrieb mich im Internet an, weil sie mich wiedererkannt hat-" "Wir waren Sandkastenfreunde", fügte Kagome hinzu. "Bevor ich und meine Familie aus Japan hierher gezogen sind." "Auf welcher Internetseite?", fragte Sam. "Was?" "Auf welcher Internetseite hat sie dich erkannt?" "Facebook." "Du bist auf Facebook angemeldet?" Sie hob verwundert eine Augenbraue. "Manchmal." "Ich habe Inuyasha angeschrieben und gefragt wie es bei ihm so läuft-" "Und da sind wir auf das Thema mit den falschen Freundinnen gekommen und ich habe sie gefragt, ob sie nicht Lust hätte meine Freundin zu spielen, weil-" "Weil ich Schauspielerin werden will und das eine tolle Übung für mich ist." "Okay", meinte Sam und beäugte die beiden prüfend. "Und dass ihr euch wie ein echtes Paar gegenseitig die Sätze beendet ist nur geschauspielt, ja?" Die beiden wechselten einen schnellen Blick. Sam schmunzelte und öffnete die Tür zu ihrem Kleiderraum. "Such dir einfach was aus, das dir gefällt." "Danke." Sie zog die Tür hinter sich zu. Sam stellte sich neben Inuyasha und begann leise zu singen: "Kagome und Inuyasha, sitzen auf dem Baum. Küssen, küssen, küssen sich-" "Halt die Klappe", zischte er. "Du magst sie, das sehe ich doch." "Sam- Pscht. Okay?" Sie drückte ihre Hand gegen den Mund, um nicht aufzulachen. Dabei kam sie mit ihrem Ellenbogen an Rudolfs Nase. Jingle Bells, Jingle Bells... "Ich hasse Weihnachten wirklich." "Ja, Feiertage machen alles nur noch schlimmer", stimmte Inuyasha zu. "Mit wem musst du es verbringen?" "Heiligabend mit meinem Dad. Den ersten Feiertag mit meiner Mum. Außerdem zwingt sie mich heute Abend auf diese blöde Feier deiner Mutter." "Mein Beileid." "Dann fühlen wir uns wenigstens gemeinsam unwohl", lächelte sie und boxte ihm freundschaftlich auf den Oberarm. Die Kleiderschranktür öffnete sich und Kagome lief barfuß auf sie zu. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid, mit dünnen Spaghettiträgern. "Welche Schuhe passen besser, was meint ihr?", fragte Kagome und hielt zwei Paar Schuhe hoch, die beinahe identisch aussahen. Inuyashas Gesicht war Kreidebleich geworden. Als hätte er einen Geist gesehen. "Was ist?" "Zieh das sofort aus", forderte er und verkrampfte den Unterkiefer. "Was fällt dir ein?", rief Kagome empört. "Er meint, du sollst ein anderes Kleid anziehen", erklärte Sam schnell. Sie wirkte mindestens genau so erschrocken. "Das kleine Schwarze steht dir überhaupt nicht, Süße." "Warum nicht? Es ist schlicht und elegant." "Glaub mir, das geht gar nicht." Sam schob sie zurück in den Kleiderraum. "Ganz hinten hängt ein rotes Kleid mit passendem Taillengürtel. Probier das doch mal an." "Na Gut, wenn du meinst." "Sie sieht ihr ziemlich ähnlich", flüsterte Sam, nachdem Kagome wieder im Schrank verschwunden war. "Die braunen Augen, lange schwarze Haare-" "Nur in diesem Kleid." Inuyasha kniff die Lippen zusammen. "Sie ist nicht wie Kikyo. Ganz und gar nicht." "Du musst es ja wissen." "Besser so?" Kagome trat wieder hervor, drehte sich in dem roten Kleid einmal im Kreis und Sam nickte. "Ja, so kannst du dich sehen lassen. Aber ich rate dir, noch ein Paar Strümpfe zu tragen. Die Feier findet unter freiem Himmel und in einem Zelt statt. Abends wird es relativ kühl. Dazu trägst du diese Schuhe." Sie reichte Kagome schwarze Strumpfhosen und schlichte schwarze Pumps. "Die sind relativ bequem und von mir schon weich gelaufen. Das dämpft die Blasengefahr." Eine Stunde später schien Inuyasha sich wieder beruhigt zu haben. Sie verabschiedeten sich von Samantha und fuhren bis zum Ende der Straße, wo er links in die Einfahrt bog. Schweigsam gingen sie langsam auf die Haustür zu. Kagome konnte nicht verstehen was sie falsch gemacht hatte. Was Inuyasha dazu veranlasst hatte plötzlich so geknickt zu sein. Und sie wagte es nicht, ihn danach zu fragen. Als sie auf die Klingel drückte, ertönte ein aggressiver, schriller Ton, der mit dem sanften Glockenspiel von vor ein paar Monaten, gar nichts mehr zu tun hatte. Inuyasha zuckte genau so zusammen wie Kagome. "Was zur Hölle war das"?, fragte er und starrte entsetzt auf das Klingelschild. Hinter der Tür konnten sie die Stimme seiner Mutter hören. "Wie oft muss ich Ihnen das noch erklären? Das ist die neue Türschelle, kein Alarm! Wie kann man nur so unglaublich inkompetent sein?" Izayoi öffnete die Tür und machte einen ziemlich gestressten Eindruck. "Da bist du endlich, Inuyasha", sagte sie erleichtert, bevor sie seine Begleitung bemerkte und plötzlich eher negativ überrascht wirkte. "Oh, und Kagome ist auch hier." "Du hast sie doch eingeladen", erinnerte er sie. "Ja, das ist richtig... Kommt rein. Und passt auf wo ihr hintretet." Inuyasha und Kagome folgten ihr vorsichtig durch den Flur und wichen der Dekoration und den Verpackungen aus, die kreuz und quer mitten im Gang herum lagen. Der Weg nach oben und ins Wohnzimmer waren komplett unzugänglich. "Was soll diese abartige Klingel?", fragte Inuyasha. "Da wurde irgendein Fehler gemacht. Ich habe etwas völlig anderes bestellt. Aber ich bin noch nicht dazu gekommen, mich darum zu kümmern." "Stress und Zeitdruck?" "Nein. Wie kommst du denn darauf?", antwortete Izayoi, verzog das Gesicht und schrie: "Wenn ich noch einmal auf eine lose herumliegende Christbaumkugel trete, ist der Nächste den ich sehe fristlos gefeuert! Setzt euch hierhin und bewegt euch nicht vom Fleck bevor hier nicht wieder etwas Ordnung herrscht." Die beiden setzten sich auf den Hocker vor dem Klavier und legten ihre Taschen darunter. Izayoi eilte in den nächsten Raum und sie konnten hören, wie eine weitere Christbaumkugel begleitend von einem hässlichen Knacken zertreten wurde. "Läuft das immer so ab?", fragte Kagome zögerlich. "Jedes verdammtes Jahr sitze ich hier. Aber das erste Mal in Gesellschaft." "Was erwartet uns bei dieser Veranstaltung?" "Ach, das Übliche", antwortete Inuyasha. "Für mich sicher nicht", widersprach sie und deutete auf das umliegende Chaos. "Es kommen jede Menge Leute, die mit ihrem Geld protzen. Auktion, Tombola, Dinner und der ganze andere bedeutungslose Kram." Während sie dort saßen und warteten, hörten sie Izayois laute Anordnungen und Vorwürfe, Dinge die zu Bruch gingen und polternde Schritte die orientierungslos durch das Haus liefen. Kagome seufzte gelangweilt und drückte auf eine Taste des Klaviers. Ein sanfter Ton erklang, der noch wenige Sekunden nachschwang. Sie schaute zu Inuyasha, aber er reagierte nicht. Sie drückte drei Tasten schnell hintereinander. Immer noch keine Reaktion. "Kannst du spielen?", fragte sie schließlich. Er verzog kurz das Gesicht, als hätte er geahnt, dass sie fragen würde. "Ich hatte ein paar Unterrichtsstunden, aber ich habe es gehasst." "Ja? Zeig mal was du drauf hast." Er überlegte einen Moment lang. Da er ja gerade nichts Besseres zu tun hatte, zuckte er nur mit den Schultern und drehte sich auf dem Hocker um. "Okay, was soll ich denn spielen?" "Das was dir gerade einfällt." In diesem Moment lief Izayoi an ihnen vorbei und scheuchte zwei junge Männer umher. Inuyasha fing an zu grinsen. "Also schön. Achte auf meine Mutter." Kagome verstand nicht ganz, tat aber was er wollte und fing an Izayoi ganz genau zu beobachten, während er eine kurze Melodie zu spielen anfing, die nach und nach schneller wurde. Die Klänge passten haargenau auf die Bewegungen seiner Mutter, was ziemlich witzig aussah. Als Kagome die Melodie schließlich erkannte, musste sie lachen. "Der weiße Hai? Ist das dein Ernst?" Er antwortete nicht, aber die Titelmusik des bekannten Films ging in eine andere über. Sie lachte lauter, nachdem sie auch dieses Lied erkannt hatte und Izayoi wurde darauf aufmerksam. Erbost runzelte sie die Stirn und stapfte auf die beiden zu. Inuyasha hörte augenblicklich auf. "Wirklich, Inuyasha?", fragte sie vorwurfsvoll, "Sehe ich für dich etwa wie Darth Vader aus?" "Na ja", murmelte er gedehnt. "Lass das sein!", zischte sie beleidigt und drehte sich um. Inuyasha drückte vorsichtig auf ein paar Tasten und wiederholte die Melodie von vorher. Seine Mutter wirbelte herum und drückte die Klappe vom Klavier hinunter. Inuyasha konnte seine Finger gerade noch wegziehen. "Wenn ich noch einen Ton höre-" "-bin ich gefeuert, schon klar", ergänzte er ihren Satz. "Geh und vollende den Bau deines Todessterns. Wir sind still." "Herzlichen Dank", seufzte Izayoi, pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn und ging wieder an die Arbeit. Kapitel 23: Unerwünscht ----------------------- "Wirklich, Mum, ich fühle da so ein Kratzen im Hals", krächzte Inuyasha und schaffte es sogar einen ziemlich überzeugenden Husten vorzutäuschen. Seine Mutter verschränkte missbilligend die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn. "Du wirst gleich noch ganz andere Wehleiden haben, wenn du mit dem Theater nicht aufhörst", drohte sie. "Solange ich kein Blut sehe, dass dir aus Augen und Ohren läuft, wirst du uns auf das Fest begleiten." Inuyasha warf Kagome einen entsetzten Blick zu. "Nein, ich bin damit nicht einverstanden. Der Vertrag muss neu aufgesetzt werden- Hör zu, wir besprechen das später. Gut, bis gleich." Inuyashas Vater nahm das Handy vom Ohr und steckte es in die Innentasche seines Jackets. "Also, seid ihr soweit? Können wir los?" "Nein, wir stehen vor der Haustür weil das so viel Spaß macht", antwortete Inuyasha sarkastisch. "Ich glaube, das soll Ja bedeuten", sagte sein Vater und öffnete seiner Frau die Tür. Inuyasha und Kagome folgten den beiden hinaus. Sie waren kaum über die Türschwelle gegangen, da klingelte sein Mobiltelefon erneut. Izayoi kniff die Lippen zusammen und nickte zustimmend, als er ihr einen entschuldigenden Blick zuwarf und den Anruf entgegennahm. "Taishou. Ja, ich habe gerade mit ihm gesprochen, er wird sich darum kümmern-" "Was soll das werden?", fragte Izayoi. Inuyasha wollte gerade mit Kagome in seinen Wagen steigen. "Ich fahre zu der Party." "Wir haben das selbe Ziel. Wir können auch gemeinsam fahren." "Aber-" "Das spart Benzin. Du bist doch derjenige, der immer auf die Umwelt zu sprechen kommt." "Ja, schon. Aber-" "Einsteigen. Sofort", forderte sie. Inuyasha verzog das Gesicht und knallte die Fahrertür wieder zu. "Sie hat recht", gab Kagome flüsternd zu. "Darum muss mir das aber noch lange nicht gefallen." Die beiden setzten sich auf den Rücksitz des silbernen BMW X5. Izayoi kommunizierte per Handzeichen kurz mit ihrem Mann. Das Ergebnis war, dass das Telefonat wohl noch etwas dauern würde und deshalb sie fahren sollte. Die zwanzigminütige Fahrt verlief eher angespannt. Kagome traute sich nicht in der Gegenwart seiner Eltern etwas zu sagen und fühlte sich dementsprechend unbehaglich. Sie hatte seit der Ankunft vor ein paar Stunden, irgendwie das Gefühl unerwünscht zu sein. Inuyasha dagegen redete ungewöhnlich viel, vermutlich in der Absicht seiner Mutter möglichst schnell auf die Nerven zu gehen. Er sprach über die verschiedensten Arten Strom zu erzeugen, vom Windrad über das Kernkraftwerk bis hin zu der Kartoffelbatterie. Dann ging er zu den Straßenlaternen über, die in regelmäßigen Abständen am Fenster vorbeisausten. Er erklärte sehr überzeugend, dass man jede Menge Energie sparen könnte, wenn man den Strom auf der ganzen Welt nur für eine Minute am Tag ausschalten würde und über irgendeine seiner seltsamen Denkweisen kam er schließlich auf Pinguine zu sprechen. Kagome konnte Izayoi mehrmals tief Luft holen hören und dass sie zweimal flüsternd bis zehn zählte. Es schien zu wirken, sie ging auf keine Einzige von Inuyashas Provokationen ein und konzentrierte sich vollends auf die Straße. In einem Moment in dem ihm kurz nichts mehr einfiel öffnete er das Fenster, aber es schloss sich sofort wieder als Izayoi vorne auf einen Knopf drückte. "Hey", murrte er. "Es ist kalt draußen, Inuyasha." "Mir ist aber warm und hier drinnen ist es verdammt stickig." Er machte das Fenster wieder auf. Doch die Fensterscheibe schob sich sofort wieder mit einem surrenden Geräusch nach oben. Das ging fünf oder sechs mal so, immer wieder rauf und runter. "Was ist denn jetzt?", fragte Inuyasha irritiert, als sich nichts mehr tat wenn er den Knopf drückte. Izayoi grinste triumphierend in den Rückspiegel hinein. "Das nennt sich passenderweise Kindersicherung." Beleidigt verschränkte Inuyasha die Arme. Es war kurz vor sieben, als sie am Veranstaltungsort eintrafen. Das Gebäude im Kolonialstil war ein absoluter Traum, perfekt bis hin zu den Rosen, die sich um die Säulen rankten. Auf dem zugehörigen Parkplatz, der an den nahegelegenen Yacht-club grenzte, standen schon eine Vielzahl an Autos. Mehrere kleine Grüppchen von Besuchern bildeten sich. Sie liefen durch den Haupteingang und durchquerten dort die riesige Empfangshalle. Stimmen und Geflüster hallten von Stein zu Stein. Große altmodische Kronleuchter füllten den Raum mit sanftem Licht und aufwendige handgemalte Wandbilder zierten die triumphbogenartige Decke und ließen erahnen wie alt und kostbar dieses Gemäuer war. Kagome drehte sich einmal langsam im Kreis während sie sich den Anblick einprägte. Dann lief sie den anderen schnell nach, die gar nicht bemerkt hatten, dass sie stehen geblieben war. Sie verließen das Gebäude durch den hinteren Ausgang wieder. Überall hingen gelbe Lampions, die wie goldene Sterne in der Dunkelheit funkelten und einen einzigartigen Zauber verströmen. Ein großer, prunkvoll geschmückter Weihnachtsbaum war der Mittelpunkt des Gartens. Ein dunkelgrüner Teppich war entlang des Rasens ausgerollt. Dort warteten bereits einige Angestellte, in weißem Hemd und manierlicher scharzer Fliege um den Hals und boten erfrischende Getränke auf Tabletts an. "Wow", brachte Kagome heraus und Izayoi lächelte stolz. "Ist es nicht schön geworden?", fragte sie. "Nach all der harten Arbeit das gute Ergebnis zu sehen, ist das beste Gefühl der Welt." Sie näherten sich einer großen weißen Pergola mit kleineren Lampions, umgeben von einem niedrigen Zaun mit Pforten auf drei Seiten. Die vierte Seite der Pergola wurde von einer Bühne eingenommen. "Ist das ein Streichquartett?", fragte Inuyasha belustigt. Eine kleine Gruppe Streicher, spielte eine Mischung aus klassischen Stücken und eigene Interpretationen moderner Werke. "Ja, ich dachte ein wenig festliche Hintergrundmusik wäre schön. Letztes Jahr konnte man sie alle mampfen hören." Izayoi schüttelte sich kurz, angewidert von der Erinnerung. Kagome blickte zu der Golden Gate Bridge hinauf und bewunderte den Anblick. Es hatte bereits früh gedämmert und mittlerweile waren es nur noch die Lichter der Brücke, die den Himmel erhellten. Am Wasser erhob sich ein riesiges, auf der ihnen zugewandten Seite offenes Zelt. An den Standfüßen wurden Schneeflockenähnliche Girlanden und romantisch glänzende Lichterketten so angebracht, dass sie sich nach oben hin um die Stangen wickelten und auf der offenen Zeltspitze wieder zusammenliefen, sodass ein gewaltiger Lichtballen hinunter ins Zeltinnere leuchtete, in dem symmetrisch arrangierte Tische und Stühle standen. Sehr viele Tische und Stühle. "Wie viele Leute werden denn erwartet?", fragte sie Inuyasha, überwältigt von der Größe des Zelts. "Ich glaube, so um die dreihundert. Da musst du meine Mutter fragen." "Okay, und wie lautet dein Plan?", fragte Kagome unsicher und zupfte an ihrem Kleid herum. War sie denn die Einzige die eine so auffällige Farbe trug? "Welcher Plan? Wir gehen da kurz rein, essen schnell ein Fünfgänge-Menü und in vier Stunden, und ich verspreche dir dass es von jetzt an genau vier Stunden dauert, wird dieser Abend vorbei sein und dann sehe ich meine Eltern erst nächstes Jahr wieder. Stell die Stoppuhr an." "Inuyasha", rief eine bekannte Stimme hinter ihnen. "Und Kagome! Schätzchen, du siehst toll aus!" Sam lächelte sie freundlich an. Fast schon zu freundlich, dachte Kagome. Sam gehörte doch eher zu der rebellischen, kämpferischen Sorte. Aber das junge Mädchen mit der zurückgesteckten Frisur in dem türkisfarbenen Kleid, wirkte eher wie eine zierliche Prinzessin. "Wer hat dich so zerstört?", fragte Inuyasha, zog naserümpfend eine der glitzernden Haarklammern aus Samanthas Haaren und warf sie über die Schulter. "Wer wohl", seufzte Sam und deutete auf eine dunkelblonde Frau die gerade Izayoi mit Küsschen auf den Wangen begrüßte. Das musste ihre Mutter sein. "Liebes, es ist einfach wundervoll", lobte sie. "Du hast dich mal wieder selbst übertroffen." "Drei Stunden achtundfünfzig Minuten vierzig Sekunden", flüsterte Inuyasha leise in Kagomes Ohr. Sie musste kurz schmunzeln, weil sein Atem sie an der empfindlichen Stelle kitzelte. "Ah, hier sind wir, Ray!", rief Sam und hob die Hand um auf sich aufmerksam zu machen. Ray lächelte, drängte sich durch eine eng zusammenstehende Gruppe von Gästen und kam auf sie zu. Er trug einen schicken Anzug mit Krawatte, was ihn noch erwachsener als sonst wirken ließ. Kagome blinzelte kurz zu Inuyasha rüber. Seine Mutter hatte ihm vor der Abfahrt gerade noch ein Hemd und ein schlichtes schwarzes Jacket aufschwatzen können. "Es ist immer wieder ein Vergnügen dich so aufgehübscht zu sehen", grinste Ray schadenfroh. Sam boxte ihm fest gegen die Schulter und er rieb sich lachend die schmerzende Stelle. "Wisst ihr wann es Essen gibt?", fragte Inuyasha. "Die Feier hat doch gerade erst angefangen", sagte Ray. "Ja, aber gleich fange ich an, an einer Serviette oder so rumzukauen", grummelte er. Ray blickte fragend zu Kagome. "Er hat das Mittagessen im Flieger verschlafen", erklärte sie. "Ich habe auch Hunger", meinte Sam und rieb sich schmollend den Bauch. "Meine Mutter hat das Mittagessen gestrichen, damit wir beide auch wirklich in unsere Kleider passen." "Meine Eltern waren gerade damit beschäftigt ein kaltes Buffet aufzustellen, wenn ihr-" "Schnell dahin", unterbrach Inuyasha ihn und gemeinsam mit Sam lief er zum Zelt. Ray zuckte kurz mit den Schultern und reichte Kagome den Arm. Lächelnd hakte sie sich bei ihm unter und gemeinsam folgten sie den beiden. Auf dem kleinen runden Buffettisch, waren eine Reihe an mundgroßen Häppchen verschiedenster Speisen auf silbernen Tabletts und Platten angeordnet. Darunter waren gefüllte Salatblätter, Lachsrollen mit Spinat und Frischkäse, pikante Käsetarte, russische Eier und kleine Cocktail-Tomaten und Oliven am Spieß. Inuyasha und Sam verputzten schnell ein paar Prosciutto-Röllchen. "Hey, Blitzidee", schmatzte Sam mit weit aufgerissenen Augen. "Lasst uns den Punsch alkoholisieren. Es gibt nichts Witzigeres als betrunkene Kinder." "Sam!" Ray schaute sie anklagend an. "Schon gut, war nur ein Scherz", murmelte sie und grinste wieder. "Eigentlich, doch nicht." Plötzlich schnappte Inuyasha nach Luft und verschluckte sich dabei. Er hustete und klopfte sich ein paar mal auf die Brust, während er eilig auf jemanden zuging. Eine ältere Dame mit feinen Fältchen um den Augen, lächelte ihn an und breitete die Arme aus. "Das gibt es ja nicht!", rief er aufgeregt. "Du hast doch gesagt, dass du es dieses Jahr nicht hierher schaffst." "Ich konnte doch nicht die Gelegenheit verstreichen lassen, meinen gutaussehenden Enkel zu sehen", sagte sie und umarmte Inuyasha. "Aber du wolltest doch noch in Ägypten bleiben." "Die Pyramiden existieren schon seit so langer Zeit, sie werden auch noch dort sein wenn ich in ein paar Tagen zurück bin. Aber wie oft hat man die Gelegenheit seine Familie zu sehen?" "Mutter?", fragte Izayoi erschrocken und ging auf die kleine Gruppe zu. "Ah, wenn man vom Teufel spricht", murmelte die ältere Frau und zwinkerte Inuyasha zu, der daraufhin ein breites Lächeln aufsetzte. "Mutter, ich dachte du würdest dieses Jahr-" "Ja, ja das hatten wir schon. Jetzt komm schon her", unterbrach sie ihre Tochter und umarmte auch sie flüchtig. Izayoi wirkte plötzlich sehr klein. "Wie geht es dir?", fragte sie zögernd. "Unwichtig. Gibt es hier irgendwo eine Bar?" "Wa- Nein!" "Ach, ich hätte wissen müssen, dass hier nur Spielverderber sind." Izayoi senkte kurz den Blick und atmete unauffällig durch. "Ähm, ich hole eben meinen Mann, damit du auch ihn begrüßen kannst", sagte sie schließlich und wandte sich schnell ab. "Bis sie den von seinen Arbeitskollegen trennen kann, habe ich ja noch genug Zeit für dich und deine Freunde", lachte sie höhnisch. "Du kennst doch noch Ray, oder?", fragte Inuyasha. Ray schüttelte höflich die Hand der adretten Dame. "Natürlich, deine Eltern sind doch diese Restaurantbesitzer?" "Ja, richtig", bestätigte Ray. "Sie sind auch für das Essen des heutigen Abends verantwortlich." "Und ich glaube Sam hast du auch mal kennengelernt." "Ja." Ihre Augen verengten sich und sie spitzte amüsiert die Lippen. "Sie hat sich von mir einen Hunderter geborgt und mein Stück Kuchen gegessen." "Schön Sie mal wiederzusehen", grinste Sam unschuldig und zog Ray zurück zum Buffet. "Diese Samantha ist klüger, als es auf den ersten Blick scheint. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich noch nie gesehen habe." "Mein Name ist Kagome." Sie reichten sich die Hand, dabei wurde sie von oben bis unten gemustert. "Malbyne", stellte sich Inuyashas Großmutter vor. "Aber bitte nenn mich nur Mal, sonst fühle ich mich älter als ich schon bin." Kagome durchzuckte ein leichtes Kribbeln, als ihre Hand auf einmal Inuyashas streifte. "Sie ist meine Freundin", erklärte er. Kagome drückte ihren Handrücken gegen Seinen und gab ihm damit zu verstehen, dass er ihre Hand halten durfte. Daraufhin umschloss er ihre Finger. "Du hast eine neue Freundin und plötzlich keine Zeit mehr, das Telefon in die Hand zu nehmen und mich darüber zu informieren?", fragte Mal skeptisch und hob eine Augenbraue. "Du hältst es ja auch nicht für nötig uns zu sagen, wann du uns mit deiner Anwesenheit beehrst", konterte Inuyasha. "Touché." Ihre Mundwinkel hoben sich. "Und nur ein kleiner Tipp von mir: Es ist überzeugender, wenn ihr die Finger ineinander verschränkt. Das wirkt vertrauter." "Aufgeflogen", meinte Kagome, nachdem Mal sich ein paar anderen Leuten zugewandt hatte. Seine Schlagfertigkeit hatte er definitiv von dieser Seite der Familie, dachte sie. Inuyasha seufzte leise und lächelte. "Sie kennt mich gut. Sie und ich sind die einzigen normalen Menschen aus meiner Familie. Und sie ist die Einzige, die mich immer mit der Weltreise und allem anderen unterstützt hat." "Du hast sie sehr gern, nicht wahr?", fragte Kagome gerührt. Er nickte. "Sie versteht mich." Immer mehr Gäste strömten aus dem Gebäude und innerhalb kürzester Zeit waren die Pergola und das Zelt zu einem Treffpunkt der Reichen und Schönen geworden. Kagome fiel auf, dass es scheinbar eine Pflicht bei solchen Partys war, dass Jeder einmal mit Jedem sprach. Man konnte vielen Gesichtern ablesen, wie sie in Gedanken ihre Listen abarbeiteten und abhakten. In der nächsten halben Stunde lernte sie zwei Schauspieler, fünf Geschäftspartner von Inuyashas Vater und eine bekannte Ärztin kennen. Keine Chance, sich die ganzen Namen zu merken. Inuyasha hielt sie an seiner Seite, und dafür war sie ihm dankbar. Der Reichtum, der Glamour und die schiere Größe der Veranstaltung schüchterten sie ein. Sie verabschiedete gerade einen Jungunternehmer, der ihr etwas zu oft in den Ausschnitt linste und mit seiner erfolgreichen Arbeit in der Softwareentwicklung prahlte. Inuyasha warf ihm währenddessen böse Blicke zu. Er hatte gemerkt, wie heftig er mit ihr flirtete. "Reservieren Sie mir später einen Tanz, schöne Frau?" Kagome winkte ihm lächelnd hinterher und krallte ihre Fingernägel dann fest in Inuyashas Armbeuge. "Au! Schmerz!", zischte er und zog ihre Hand weg. "Was soll das?" "Hier wird auch getanzt?", fragte Kagome verärgert. "Ich steh auch nicht drauf, aber ist das ein Grund für mich dich zu kneifen?" "Inuyasha, ich kann nicht tanzen!" Ihre Nervosität hatte eine neue Stufe erreicht. "Ich habe das nie gelernt." "Keine Panik", sagte er und am liebsten hätte sie ihm eine geknallt. "Gesellschaftstanz ist wunderbar sexistisch. Jede Frau kann tanzen wenn der Mann sie richtig führt." "Fällt mir schwer zu glauben", erwiderte sie schnippisch. "Na, schön. Wie du willst", murmelte er säuerlich und schob sie in eine einsame Ecke unter der Pergola. Das Streichquartett spielte eine fröhliche, taktvolle Musik während die Leute miteinander plauderten. Keiner achtete auf die beiden. Inuyasha stellte sich vor sie und nahm ihre rechte Hand. Zögerlich legte sie die linke Hand auf seinen Oberarm, als er seine anderen Finger über ihren unteren Rücken gleiten ließ. Kagome schluckte schwer und versuchte ihre Gänsehaut im Nacken zu ignorieren. So nah war sie ihm seit der Umarmung nicht mehr gewesen. "Es ist so leicht, du wirst lachen", prophezeite er ihr. "Ich beginne mit dem rechten Fuß und du gehst mit dem linken Fuß einen Schritt rückwärts." Sie spürte wie sich seine Arme anspannten und reagierte auf diesen Impuls automatisch mit einem Rückwärtsschritt. Dann gingen sie zeitgleich zur Seite und er zog sie wieder zu sich, als sie einen Schritt vorwärts machte. "Und das war's." "Was?", fragte Kagome ungläubig. "Niemals." Daraufhin wiederholte Inuyasha die Schritte ein paar Mal mit ihr und Kagome wurde zunehmend sicherer. Er übte mit ihr ein paar Drehungen, dabei hatte sie ihren Blick auf den Boden und auf ihre Füße gerichtet, um sich die Schritte besser einprägen zu können. Als das Streichquartett damit begann eine langsame, zärtliche Melodie zu spielen, horchte Inuyasha auf und ihm wurde plötzlich bewusst in welcher Situation er sich befand. Er war allein mit Kagome, tanzend bei gedämpftem Licht. Eine bessere Gelegenheit würde sich ihm nicht wieder bieten. "Kagome." "Ja?" Sie schaute auf und sah ihm in die Augen, während sie weiter in einem kleinen Kreis ihre langsamen Runden drehten. "Ich-" Ihm stockte der Atem und er blickte sich kurz hilfesuchend im Raum um. "Was hast du?", fragte sie besorgt. Er atmete einmal tief ein. "Kagome, ich muss dir etwas sagen." "Okay. Raus damit", erwiderte sie und blinzelte ihn mit großen, fragenden Augen an. Jetzt oder nie! "Kagome, du sollst wissen, dass ich-" Plötzlich verstummte die Musik und das Knistern eines Mikrofons zerstörte den romantischen Augenblick. Izayois Stimme ertönte über Lautsprecher. Sie stand auf einem niedrigen Podium auf der Bühne. Sofort verstummte das allgemeine Gemurmel. "Herzlich Willkommen, meine Damen und Herren, zu unserer jährlichen Weihnachtsfeier. Ich hoffe, Sie haben Freude an dem, was wir uns für Sie ausgedacht haben. Wie Sie wissen, ist das eine Sache die mir sehr am Herzen liegt. Sobald Sie bereit sind Ihre Plätze einzunehmen, wird das Essen serviert. Viel Vergnügen", endet Izayoi. Höflicher Beifall, dann erhob sich wieder Gemurmel unter der Pergola und die plaudernde Menge begab sich schleichend ins Zelt. "Abendessen." Kagome lächelte und entfernte sich einen Schritt von ihm. "Jetzt kannst du deinen Hunger stillen", scherzte sie. "Ach, was wolltest du mir sagen?" "Ähm- gar nichts." "Du wolltest mir doch eben etwas sagen und deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, scheint es wichtig zu sein." "Nein, ich- ich wollte nur, dass du weißt wie sehr ich es hasse zu tanzen. Das war nur eine kleine Ausnahme, um dir zu zeigen wie es geht. Aber für die Zukunft such dir jemand Anderes." "Oh", flüsterte sie und wirkte etwas geknickt. "Ja, okay. Ich werde es mir merken." Die mindestens dreißig Tische im Zelt waren gedeckt mit Kristallglas, gestärktes Leinen und in der Mitte wunderschöne weiße Rosen rund um einen silbernen Kandelaber. Inuyashas Mutter führte sie zu einem Tisch in der Mitte. "Bekomme ich auch einen Platz, obwohl ich unangekündigt hier bin?", fragte Mal ihre Tochter in einem spitzen Ton. "Ein Paar hat in letzter Minute abgesagt", erwiderte Izayoi. "Ich konnte die Sitzregelung vorhin noch schnell ändern. Dein Platz ist bei uns am Tisch." "Wie aufmerksam von dir, mein Kind." Mal setzte sich als erstes an den großen Tisch, an dem zehn Stühle standen. Kagome saß zwischen Inuyasha und seinem Vater und bewunderte die weiße Platzkarte, auf der in goldenfarbener Schrift ihr Name stand, als ein Kellner den Kandelaber in der Tischmitte mit einer langen Kerze anzündete. Sie fragte Inuyasha flüsternd, warum Izayoi ein Tischkärtchen für sie hat drucken lassen, wenn sie doch offensichtlich geglaubt hatte, dass sie nicht kommen würde. "Sie wollte es mir vermutlich unter die Nase reiben", meinte er. "Und allen klar machen, dass ich ohne Begleitung wäre. Das war wohl nichts." Hinter ihnen wurde die Seite des Zelts, durch die sie hineingekommen waren, geschlossen, während vorne zwei Bedienstete die Leinwand zurückschlugen, so dass die beleuchtete Golden Gate Bridge vor San Francisco zu sehen war. Die funkelnden Lichter der Stadt in der Ferne und ihr glitzerndes Spiegelbild auf der Wasseroberfläche, boten einen atemberaubenden Anblick. Zehn Kellner, jeder mit einem Teller in der Hand, traten zwischen sie. Auf ein Signal servierten sie die Vorspeise absolut zeitgleich und entfernten sich dann wieder. Die Streicher begannen zum selben Zeitpunkt wieder damit, Musik zu spielen. Izayoi lächelte stolz und ihre Augen funkelten vor Freude. Kagome war zunächst etwas überfordert mit all den verschiedenen Arten von Essbesteck und Inuyasha gab ihr einen kleinen Crashkurs, wobei er immer wiederholte sie solle sich von außen nach innen arbeiten, von außen nach innen. "-das ist der Dessertlöffel. Und das ist-" "Ist das nicht völlig egal?", fragte Kagome leicht verzweifelt. "Das ist ein großes gesellschaftliches Ereignis, Kagome." Er schaute sie sehr ernst an, was sie kurz verunsicherte. Dann sprach er weiter: "Es ist wichtig zu wissen, mit welcher Gabel man sich am besten umbringt." Das klang schon eher nach dem Inuyasha, den sie kannte. Die Tischgespräche gingen hin und her. Inuyashas Großmutter war am gesprächigsten und ihren ätzenden Sinn für Humor brachte sie gern auf Kosten ihrer Tochter zum Einsatz. Izayoi lächelte weiter tapfer, doch allmächlich tat sie Kagome leid. Inuyasha klebte gespannt an jedem einzelnen Wort, das Mal über ihre vielzähligen Reisen erzählte. Während des Essens tauchten immer wieder Männer in schicken Smokings an ihrem Tisch auf, um seinen Vater zu begrüßen, seine Hand zu schütteln und Höflichkeiten mit ihm auszutauschen. "Inuyasha, was tust du da?", fragte Izayoi verständnislos, als sie bemerkte wie ihr Sohn kleine grüne Stückchen von seinem Teller pickte. "Ich sortiere die Zuccini aus." "Seit wann hast du was gegen Zuccini?" "Seit dem Tag an dem ich fragte, Igitt, was ist das? Und du sagtest Zuccini." Einige am Tisch kicherten amüsiert. Auch Kagome konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Davon weiß ich nichts." "Ich habe Zuccini schon immer gehasst, Mum. Ich hasse den Geschmack, das Aussehen und den Namen. Was ist das überhaupt für ein bescheuerter Name? Zuccini. Wenn man es mehrmals hintereinander ausspricht ist es noch schlimmer: ZucchiniZucchiniZucchini- klingt wie ein chinesischer Fluch, oder nicht?" Malbyne musste lauthals lachen und steckte ein junges Pärchen damit an. Izayoi senkte den Blick und schwieg daraufhin. "Wo kann ich hier mal für kleine Mädchen?", fragte Kagome leise. "Zurück ins Gebäude, die Treppe hoch und dann links. Es ist ausgeschildert", antwortete Inuyasha ihr und wandte sich dann wieder seiner Großmutter zu, die Kagome einen seltsamen Blick zuwarf, als sie aufstand. Durch die Wegbeschreibung fand sie schnell ihr Ziel. Doch die Frauentoilette war ziemlich überfüllt und sie musste lange warten, bis sie an ein Waschbecken kam, da all die Frauen vor den Spiegeln standen um ihr Makeup aufzufrischen und das Outfit zu überprüfen. Auf dem Weg zurück nach draußen, kam sie an der Küche vorbei. "Kagome! Halt! Stop!", schrie eine aufgeregte Männerstimme und sie fuhr erschrocken zusammen. Ryan, der Vater ihres Mitbewohners Ray, kam freudestrahlend auf sie zu und zog sie in die große Küche hinein. "Hier, probiere das", forderte er sie auf, und bevor sie widersprechen konnte, hatte er ihr bereits einen kleinen Löffel in den Mund gesteckt. "Mhm", murmelte sie selig. "Wow. Was ist das?" "Die Nachspeise, die alle umhauen wird! Reese, ich habe die Mousse au Chocolat perfektioniert!", rief Ryan und seine Frau kam daraufhin um die Ecke. An ihrem linken Ohr hing ein schwarzes Headset und sie trug ein Klemmbrett unter ihrem Arm. "Ja, einen Augenblick noch- Ja, er wird gleich bei Ihnen sein", sprach sie in das kleine Mikrofon und nickte. "Liebling, das Interview. Sie warten oben alle auf dich." "Ich habe aber nicht viel Zeit." Ryan legte eilig die Schürze ab. Reese beruhigte ihn: "Es wird nur ein paar Minuten in Anspruch nehmen." Er drückte Kagome noch eine kleine Glasschüssel mit dem Schokoladenmus in die Hand und versicherte ihr, gleich wieder zurück zu sein, weil sie noch ein anderes Dessert probieren sollte. Kagome zuckte nur mit den Schultern und löffelte in aller Ruhe die Schüssel aus. Es war köstlich. "Also, hier bist du. Inuyasha hat sich schon gefragt, ob du dich vielleicht verlaufen hast." Malbyne betrat die Küche und stellte sich vor sie. "Ryan Carson hat mich gebeten, den Nachtisch zu probieren", erklärte Kagome. Mal blickte sich demonstrativ um und sie fügte schnell hinzu: "Er musste kurz weg, um ein Interview oder so zu geben." "Die Carsons sind ein Musterbeispiel dafür, dass man selbst aus dem tiefsten Dreck emporsteigen kann, wenn man den Willen dazu hat. Diese beiden haben ganz weit unten angefangen und sich Jahr für Jahr hochgearbeitet, das ist beeindruckend, nicht wahr?" Kagome räusperte sich kurz und bejahte die Frage. Der missbilligende Unterton in Malbynes Stimme verwirrte sie. "Was ist mit dir? Womit verdient deine Familie ihr Geld?" "Mein Vater ist Schiffskapitän bei der japanischen Handelsmarine. Er ist oft Wochenlang unterwegs, aber es ist eine gute Arbeit", erzählte sie stolz. Mal nickte langsam. "Gefällt es dir hier, Kagome? Kommst du gut, mit unseren kleinen Gepflogenheiten zurecht?" "Ja, das ist eine wunderschöne Feier. Izayoi hat wirklich ein Händchen für so etwas", antwortete sie und musste kurz lachen. "Ich habe ein paar Mal das Besteck verwechselt, was ein bisschen peinlich war, aber das lerne ich bestimmt auch noch." "Nein, das wirst du nicht." Malbyne hatte plötzlich einen harten Ausdruck in den Augen. "Du wirst die Dessertgabel immer für den Hauptgang benutzen. Dieses Gefühl nicht reinzupassen, wirst du bei jeder Party haben." "Äh, tut mir leid, ich kann Ihnen nicht folgen", murmelte Kagome etwas überrumpelt. Mal lachte leise auf. "Ist dir denn noch immer nicht aufgefallen, dass dich hier jeder als einen Eindringling betrachtet? Inuyasha kann dich in schöne Kleider stecken, dir Tanzstunden geben und dir Tischsitten beibringen, aber das ändert nicht die Tatsache, dass du aus der unteren Schicht stammst und hier nichts zu suchen hast." Kagome blickte sie sprachlos an. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. "Sieh dir nur mal die Carsons an. Sie geben sich so viel Mühe, strengen sich so sehr an, und dennoch ist und bleibt ihr Platz in der Küche. Glaub mir, irgendwann wirst du dich fragen, ob die Leute überhaupt wissen wer du bist oder ob alle bloß denken du seist Inuyashas Sozialfall. Mein Enkel ist noch jung, er findet den Gedanken aufregend mittellos um die Welt zu ziehen. Aber sobald er seinen Spaß hatte, wird auch er zur Vernunft kommen und sich den Menschen zuwenden, die seiner würdig sind. Er ist da genauso wie ich, in seinem Alter. Aber Menschen wie du, werden zu einer sogenannten Jugendsünde, über die man später nur noch lachen kann. Also warum gibst du nicht auf und ersparst dir den Schmerz? Ich bin sicher Inuyasha würde das verstehen." "Wie können Sie so etwas sagen?", brachte Kagome schließlich heraus. "Inuyasha glaubt, dass Sie auf seiner Seite sind. Er glaubt, dass Sie ihn unterstützen und verstehen. Aber Sie manipulieren ihn bloß, nicht wahr? Und was mich und meine Familie angeht, niemand gibt Ihnen das Recht die Menschen zu beurteilen und in Schichten einzuordnen." Kagome stellte die Glasschüssel auf den Küchentresen und schob sich verärgert an Malbyne vorbei. "Kagome." Sie blieb stehen und drehte sich wieder um. "Du wirkst als hätte ich deine Gefühle verletzt. Das war nicht meine Absicht." Kagome senkte den Blick und kniff die Lippen zusammen. "Ich wollte nur sichergehen, dass ich mich klar ausdrücke. Ich werde nicht daneben stehen und tatenlos zusehen, wie du Inuyashas Leben ruinierst. Ich werde nicht zulassen, dass er den selben Fehler wie seine Mutter macht-" "Störe ich vielleicht?", fragte Izayoi plötzlich. Kagome hatte gar nicht bemerkt, wie lange sie schon mit ihnen gemeinsam in der Küche stand. Der Blick den Malbyne ihrer Tochter zuwarf, machte eindeutig klar, dass ihre Meinung kein Geheimnis war. Ohne weiter auf Izayoi zu achten, wandte Mal sich wieder Kagome zu. "Ich will sichergehen, dass du die Konsequenzen deiner eigenen Absichten verstehst." "Ich habe keine Absichten", verteidigte sie sich. "Jeder Mensch hat Absichten, Kleines." "Vielleicht in Ihrer Welt!" "Es ist noch nicht zu spät für uns, eine praktische Diskussion zu führen. Wenn du diese kindischen Spielereien zwischen dir und Inuyasha beendest, erhältst du eine gute Entschädigung." "S-Sie wollen mich bestechen?" "Wie ich sehe, errege ich deine Aufmerksamkeit." Malbyne lächelte boshaft. Wütend schüttelte Kagome den Kopf. "Schieben Sie sich ihr Geld in Ihren alten, hochnäsigen-" "Da seid ihr ja." Kagome brach ihren Satz augenblicklich ab. Inuyasha betrat die Küche und schaute etwas überrascht drein, als er Kagomes verkrampften Blick bemerkte. "Was gibt es denn zu tuscheln?" "Ach, nur ein kleines Gespräch unter Frauen", erwiderte Mal scheinheilig. "Oh, da fällt mir ein, ich habe dir noch gar nicht meine Fotos aus Europa gezeigt!" "Die hast du dabei?", lächelte Inuyasha und ließ sich von seiner Großmutter aus dem Raum führen. "Aber sicher, komm lass uns wieder an den Tisch setzen. Da kannst du sie dir in Ruhe ansehen." Kagome schüttelte wieder den Kopf. War das vielleicht nur ein verdammt schlechter Witz? Es war unbegreiflich für sie. Die einzige Person aus Inuyashas Familie, der er wirklich vertraute, war ein fieses Miststück und er hatte nicht die geringste Ahnung. Sie hörte Geschirr klappern und drehte sich um. Izayoi legte stumm ein paar Teller zusammen und richtete ein paar Sushiröllchen auf einem silbernen Tablett an. Ihre feingliedrigen Hände huschten über die kleinen Häppchen und sorgten für eine schöne, appetitliche Anordnung. Warum zur Hölle sagte sie denn nichts? "Bist du der selben Meinung?", fragte Kagome schließlich. "Bin ich nicht gut genug für Inuyasha?" Izayoi schloss seufzend die Augen, bevor sie ihre Hände mit einem feuchten Tuch abwisch und sich eine lockere Haarsträhne hinters Ohr klemmte. "Nein, ich bin nicht ihrer Meinung", antwortete sie und klang dabei erschöpft und ausgelaugt. "Ich habe auch vor achtzehn Jahren die Ansichten meiner Mutter nicht geteilt und das bereue ich nicht. Ich glaube, wenn man jemanden wirklich liebt, dann sind auch schwierige Umstände völlig egal." "Aber?", fragte Kagome etwas besänftigt. "Aber ich will nicht, dass mein Sohn sich seine gesamte Zukunft verbaut, nur weil er mich ärgern will. Ich weiß, dass du nur eine Rolle spielst und mein Mann weiß das auch. Weißt du warum Inuyasha dich hier als seine Freundin präsentieren will?" Kagome schüttelte zögerlich den Kopf. "Weil du ein Mädchen aus der Mittelschicht bist und er versucht uns damit zu provozieren. Denn Inuyasha macht grundsätzlich das, was er nicht machen soll." "Also", flüsterte Kagome und schluckte den trockenen Kloß hinunter, "tut ihr bloß so, als würdet ihr mich mögen, damit Inuyasha möglichst schnell das Interesse an mir verliert?" "Du scheinst ein wirklich nettes und anständiges Mädchen zu sein, Kagome, du darfst das keinesfalls persönlich nehmen. Ich verstehe zwar nicht, warum du diese Show mit ihm abziehst, aber ich habe nicht das dringende Bedürfnis dich loszuwerden. Schließlich bist du weder gepierct, tätowiert noch geisteskrank, was dich noch so ziemlich zum Jackpot macht. Wer weiß, wen Inuyasha sonst hier angeschleppt hätte." "Angeschleppt?", zischte Kagome verärgert. "Tut mir leid, das habe ich falsch ausgedrückt." In der Ferne konnte man die Menge applaudieren hören. Izayoi führte wieder eine ihrer Atemübungen durch und setzte dann wieder ihr perfektes Vorzeigelächeln auf. "Na, komm. Die Auktion beginnt. Du willst Inuyasha doch nicht warten lassen." Sie schnappte sich zwei Tabletts und eilte aus der Küche und wieder hinaus zum Festzelt. Kagome folgte ihr mit großem Abstand und verbitterter Miene. Bei der Auktion wurden Gutscheine für Nobelrestaurants, Parfüm- und Kosmetikselektionen, ein venezianischer Spiegel, ein paar alte Weinflaschen, zwei Ölgemälde, Wochenendreisen für Paare all inclusive natürlich, und am Ende schließlich sogar eine Yacht angeboten. Innerlich kochend, klatschte Kagome artig, während alles für immense Beträge versteigert wurde. Das köstliche Dessert wurde serviert, doch Kagome hatte leider den Appetit verloren. Nach dem letzten Gang, begannen die Leute nach und nach auf die Tanzfläche zu treten und ausgelassen zu tanzen. Das Ende der Party kündigte sich langsam an. "Kagome, ist alles okay?", fragte Inuyasha sie schließlich und schaute sie besorgt an. "Stört dich irgendetwas?" Sie blickte von ihm zu seiner Großmutter und wieder zurück. Malbyne beobachtete sie ganz genau. "Ich bin gleich wieder da", murmelte sie leise und stand auf, um diesen Blicken zu entgehen, und flüchtete aus dem Zelt. "Ka- Hey, Kagome", rief Inuyasha ihr nach, aber sie wollte in diesem Augenblick niemanden sehen. Sie brauchte Zeit zum nachdenken. Sie verließ den Festplatz und lief über den Rasen zum Ufer. Einige Meter vor dem Wasser, blieb sie schließlich stehen. Kalte Windschauer peitschten ihr um die Beine und sie schlang die Arme um sich. "Kagome, was ist los?" Ray hatte sie gesehen und war ihr nachgelaufen. Sie drehte sich zitternd zu ihm um. Er trat auf sie zu, zog sein Jakett aus und legte es ihr um die nackten Schultern. "Danke", flüsterte sie. "Hast du dich mit Inuyasha gestritten?", fragte Ray vorsichtig. "Oder hat er dir etwas gesagt, was dir nicht gefällt?" "Was?" Kagome runzelte verwirrt die Stirn. "Nein, alles in Ordnung." "Tut mir leid, aber das glaube ich dir nicht", sagte er freundlich und lächelte. "Willst du nicht darüber reden?" "Nein, lieber nicht." "Okay. Aber bitte komm mit mir rein ins Haus. Hier erkältest du dich nur, und das haben wir doch gerade erst hinter uns", schmunzelte er aufmunternd. Sie nickte und folgte ihm hinein ins Warme. Ray wollte kurz in die Küche und seinen Eltern zur Hand gehen. Kagome hatte gerade keine Lust weitere Leckereien in den Mund geschoben zu bekommen, also wartete sie in einem Nebenraum. Dort standen reihenweise beleuchtete Glasvitrinen mit Pokalen, eingerahmten Urkunden und Fotografien von all den kleinen Partys und ihren Gästen. Sie schaute sich die Bilder nach und nach an und ihre Augen weiteten sich, als sie ein Foto von Inuyasha entdeckte. An einem Tisch sitzend und in die Kamera lächelnd, seinen Arm um ein zierliches, schönes Mädchen gelegt. Es war nicht schwer zu erkennen, dass die beiden zu der Zeit ein Pärchen waren. Und Inuyasha wirkte auf dem Bild sehr glücklich. "Das wurde aufgenommen, als die beiden gerade zwei Wochen zusammen waren", erklärte Ray, der plötzlich neben ihr stand. Seine Stimme hatte einen me­lan­cho­lischen Unterton. "Sie waren ein seltsames Paar, unterschiedlicher hätten sie gar nicht sein können. Aber irgendwie haben sie einander gebraucht." Kagome schluckte. "Was ist mit ihr passiert?" "Sie und Inuyasha hatten einen furchtbaren Streit. Er wollte sie nach Hause fahren, aber er war unkonzentriert. Er ist auf einer Kreuzung mit einem Lastwagen zusammengestoßen. Es war ziemlich schlimm. Sein Bruder saß ebenfalls im Wagen." "Inuyasha hat einen Bruder? Davon wusste ich gar nichts." "Er ist bei dem Unfall ums Leben gekommen", sagte Ray und zog sie zu einer anderen Vitrine. Er deutete auf das Foto eines stattlichen jungen Mannes, der Inuyashas Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war. Inuyasha hatte seinen Bruder verloren, und was noch viel schlimmer war, er hatte den Unfall verursacht. Die Schuldgefühle, die er haben musste, konnte Kagome sich nicht einmal vorstellen. "Inuyasha ist sicher wütend wenn er erfährt, dass du mir das erzählt hast", murmelte sie traurig. "Ich glaube, dass du eine der Menschen bist die das wissen sollte und Inuyasha ist sicher erleichtert, wenn er es dir nicht selbst erzählen muss. Er tut immer so als könnte ihn nichts kleinkriegen, aber diese Sache macht ihm noch immer schwer zu schaffen, obwohl es bereits über ein Jahr her ist." Kagome nickte schwach und Ray legte seine Hand auf ihre Schulter. "Nimm es ihm bitte nicht allzu übel, wenn er mal wieder irgendwelchen Schwachsinn von sich gibt. Das ist einfach nicht sein Ding." "Was ist nicht sein-", wollte Kagome fragen, aber Samanthas laute Stimme unterbrach sie: "Ich bin mir sicher! Ich habe die beiden reingehen sehen." "Hier sind wir!", rief Ray. Sam und Inuyasha betraten kurz darauf das Nebenzimmer. "Warum habt ihr euch hier verkrochen?", fragte sie neugierig. Kagomes Blick fiel auf Inuyasha. Er vermied es auf die Fotos zu schauen und fühlte sich sichtlich unwohl. Zu viele schmerzliche Erinnerungen, dachte Kagome. "Wir verkriechen uns nicht, ich habe Kagome bloß ein paar alte Geschichten erzählt." Inuyasha musterte ihn prüfend, sagte aber nichts. "Na, wie geht es dir?" Sam lächelte sie fröhlich an. "Wir haben den Abend fast überstanden, bist du gut zurechtgekommen, Kaoru?" "Ja, so schlimm wie ihr es immer darstellt war es eigentlich gar nicht. Wieso-" Der nächste Satz erstarb ihr auf der Zunge. Hatte sie richtig gehört? Inuyasha und Ray blickten erschrocken und überrascht auf ihre Freundin. "Hast du mich gerade-" "-Kaoru genannt?", beendete Sam ihren Satz und grinste frech. "Ja, das habe ich und so wie ihr alle guckt, habe ich wohl voll ins Schwarze getroffen." Kagomes Blick wanderte zu Inuyasha und er hob verteidigend die Hände. "Ich habe ihr nichts gesagt!" "Ray auch nicht, ich bin selbst darauf gekommen", erklärte sie. "Wie? Wann-", stotterte Kagome. Sie war kreidebleich geworden. Was hatte sie verraten? Welchen Fehler hatte sie gemacht? "Ich hatte schon den Verdacht, als du mit Inuyasha bei mir warst und dir ein Kleid ausgeliehen hast. Mein erster Gedanke als ich dich sah, war: Warum verkleidet sich Kaoru als Mädchen? Und wie schafft er es, dass seine Möpse so echt aussehen? Darf ich?" "Was- Ah!" Kagome stieß einen erstickten Schrei aus, als Sam ihr plötzlich und ohne Warnung beide Hände auf ihre Brüste legte und zu drückte. Ray und Inuyasha standen bloß sprachlos daneben. "Was zur Hölle machst du da?", fragte Kagome irritiert. Sam hob eine Augenbraue und rief: "Scheiße! Wie schaffst du es diese Dinger zu verstecken?" Kagome warf Inuyasha einen fragenden Blick zu, der resigniert mit den Achseln zuckte, was wohl heißen sollte: Ich weiß, dass sie unmöglich ist, schließlich kenne ich sie von klein auf. Die Katze war aus dem Sack und Kagome erzählte Sam gezwungenermaßen die ganze Geschichte. Sie war zunächst etwas verblüfft, bekam dann aber einen ziemlich langen Lachanfall und schwor, dass das die witzigste Geschichte sei, die sie je gehört hatte. "Kannst du mir versprechen, dass du dieses Geheimnis für dich behältst?", fragte Kagome beunruhigt. "Es ist wichtig, dass du niemandem davon erzählst. Bisher wissen es nur Inuyasha, Ray, seine Schwester und Yori." "Ronnie und Yori wissen es schon, und du fragst mich ob ich ein Geheimnis bewahren kann? Also das finde ich schon irgendwie ein bisschen beleidigend." "Behalte es einfach für dich, Sam, okay?", drängte Inuyasha. "Ja, schon gut. Von mir erfährt man kein Wort. Und ich erstelle dir die Liste in den nächsten Tagen, Kagome, dann kannst du direkt mit deinen Aufgaben beginnen sobald die Schule wieder anfängt." "Was für Aufgaben?" "Na, die um mein Schweigen zu erkaufen. Also, für den Anfang reicht es erst einmal wenn du meine Hausaufgaben machst. Und mein Zimmer putzt. Und-" "Sam!", griffen Inuyasha und Ray gleichzeitig ein. "Ruhig bleiben, Jungs." Samantha grinste breit. "Das war nur ein Scherz." Wie Inuyasha es versprochen hatte, hielt Izayoi nach der vierten Stunde, eine kleine Dankesrede auf der Bühne und die Feier wurde für beendet erklärt. Die Menschenmassen lösten sich langsam auf, Freunde und Bekannte verabschiedeten sich voneinander und wünschten sich schöne Weihnachtsfeiertage. Die gemeinsame Rückfahrt verlief sehr ruhig. Inuyasha starrte stumm aus dem Fenster, während sein Vater sich auf die Straße konzentrierte und Izayoi in Gedanken versunken schien. Kagome war erschöpft und erleichtert, dass sie den Abend durchgestanden hatte ohne dem Wahnsinn zu verfallen. Denn obwohl die Party an sich sehr schön war, bereiteten ihr einige Ereignisse ziemliche Kopfschmerzen. Zuhause angekommen gingen Inuyashas Eltern gleich ins Bett und das Haus wirkte ruhig und friedlich in der Dunkelheit. Seufzend zog Kagome sich die Pumps von den Füßen und rieb sich über die Strumpfhose. "Hast du gestern eigentlich meine Biologie-Notizen zu deinen Sachen gelegt? Sie lagen auf dem Schreibtisch, aber als ich sie einpacken wollte, waren sie nicht mehr da." "Ich schau mal eben nach", antwortete Inuyasha und lief die Stufen nach oben. Kagome gähnte und schob mit ihrem Knie die Tür des Gästezimmers zu, sodass sie angelehnt war. Dann stellte sie sich vor den Spiegel und griff nach dem Reißverschluss an ihrem Rücken. Er hatte sich verhakt, sie begann stärker daran zu ziehen und drehte sich vor dem Spiegel um das Problem zu erkennen. So schön es auch war, sie wollte das rote Kleid keinen Moment länger tragen. Es passte einfach nicht zu ihr. Inuyasha kann dich in schöne Kleider stecken, aber das ändert nicht die Tatsache, dass du aus der unteren Schicht stammst und hier nichts zu suchen hast. Es klopfte kurz an der angelehnten Tür und Inuyasha kam rein, in der Hand hielt er einen dicken Ordner. "Du hattest recht, deine Notizen lagen zwischen meinen Sachen." "Danke, leg sie einfach auf das Bett", erwiderte sie kraftlos. Der Reißverschluss hatte sich völlig im Stoff verhakt und sie bekam ihn nicht auf, es sei denn sie würde das Kleid zerstören. Das kam aber nicht infrage und sie wollte keineswegs darin schlafen. Sie biss sich auf die Lippe und wandte ihm den Rücken zu. Sie stand sehr still. "Der Reißverschluss", hauchte sie. "Was?" "Den bekomme ich nicht auf. Ich glaube er hat sich verhakt." Sie fuhr mit der Hand in ihr Haar und hob es im Nacken an. Er kam der stummen Aufforderung nach und sie hielt den Kopf gesenkt, als sie Inuyasha auf sich zukommen hörte. Er war so nah, dass sie seinen Atem auf ihrem Rücken spürte, und ihr Herz klopfte rekordverdächtig schnell, während er den Reißverschluss bearbeitete. Die leisesten Geräusche wurden in diesem Moment unbeschreiblich laut. Die fernen Geräusche des Verkehrs, ein höflicher Gruß von jemandem, der einen Hund ausführte, das Surren der Glühlampen im Zimmer. Als Inuyasha den Reißverschluss gelöst hatte, merkte er, dass seine Hände zitterten. Er schluckte und betrachtete ihren Nacken, der jetzt entblößt war. Sein Daumen blieb dort liegen, und ihm kam der Gedanke ihr einen Kuss auf die weiche Haut zu drücken. Kurz darauf zog er den Reißverschluss langsam nach unten. Sie stieß so leise die Luft aus, als versuchte sie sich klar zu werden, was er getan hatte. Er hielt inne und ließ den Reißverschluss los. Dann drehte sie sich um, die Hand im Nacken, und erkannte was geschehen war. Sie schaute ihn an, und ihr zunächst fragendes Gesicht lief rot an. "Tut mir leid", fing er an, "Ich-" "Wolltest du, dass deine Eltern mich hassen?", unterbrach sie ihn. "Was? Nein." "Hast du mich hierher gebracht, weil ich eine Provokation für sie darstelle? Weil ich aus der unteren Schicht komme?" "Wie kommst du darauf?", fragte er verwirrt. "Antworte mir bitte. Sei ehrlich zu mir." Er wich ihrem durchdringenden Blick aus und das war eigentlich schon Antwort genug. "Beim ersten Wochenende schon, ja", gab er zu. "Du standest in meiner Schuld und ich dachte meine Eltern würden sich darüber ärgern. Aber das hat es nicht, und ich habe dich trotzdem wieder mitgenommen und zwar weil ich dich bei mir haben wollte. Mit dir ist das alles hier nur noch halb so schlimm." "Danke", lächelte Kagome. "Keine Sorge, ich bin nicht sauer. Ich war nur neugierig ob es stimmt." "Ob was stimmt?" "Äh, ob es stimmt- dass Männer auch mal die Wahrheit sagen?", versuchte Kagome auszuweichen. Inuyasha runzelte die Stirn. "Was soll der Blödsinn, Kagome?" "Glückwunsch Inuyasha, du hast bestanden! Gute Nacht, bis morgen." Sie schob ihn unsanft aus dem Gästezimmer und schloss die Tür schnell hinter ihm. Einen Augenblick lang befürchtete sie, dass Inuyasha hartnäckig bleiben würde und sich nicht einfach so abwimmeln lies. Aber sie hörte, wie er die Stufen wieder hinauf ging und die Schritte über ihr, als er in seinem Zimmer ankam. Zwei Stunden später wälzte sie sich im Bett von einer Seite zur anderen. Wie sollte sie es ihm bloß sagen? Sie konnte ihm doch nicht einfach erzählen, was sich zwischen ihr, Malbyne und Izayoi zugetragen hatte. Entweder würde er ihr nicht glauben, oder aber er würde das furchtbar schwer nehmen, da war sie sich absolut sicher. Und das hatte er einfach nicht verdient. Aber hatte sie das Recht ihm die Wahrheit vorzuenthalten? Ihr war klar, sie hätte einfach die Augen schließen und die ganze Sache vergessen sollen. Schließlich waren es ja nicht ihre Angelegenheiten, oder? Kurz darauf fand sie sich in Inuyashas Zimmer wieder. Sie schlich vorsichtig, durch die Dunkelheit, die Stufen zur Halbetage hinauf und beugte sich über die reglose Gestalt, die im Bett lag. "Inuyasha?", flüsterte sie. "Inuyasha, schläfst du schon?" "Hmm." "Schläfst du?" "Schalte kein Licht an", nuschelte er unverständlich. Kagome drückte auf den kleinen Lichtschalter der Lampe auf dem Nachttisch. Der Raum erhellte sich und Inuyasha verzog das Gesicht. "Ich sagte, schalte kein Licht an!" "Oh, ich habe gehört, schalte das Licht an", erklärte sie. Wütend rappelte er sich auf. "Warum sollte ich sagen schalte das Licht an, wenn ich wie ein Toter schlafe?" "Du schläfst schon, Inuyasha?" "Das Zimmer ist dunkel, ich liege bewegungslos im Bett und gebe keinen Laut von mir, denk doch nach Sherlock" , knurrte er. Kagome strich sich die Haare hinter die Ohren und schaute sich verlegen im Zimmer um, während er sich die müden Augen rieb. "Jetzt bist du ja wach", begann sie zögerlich. "Kann ich dich was fragen?" "Du kannst mich mal." "Dann nicht!", zischte sie verärgert. "Jetzt bin ich hellwach! Das ist deine Schuld!" "Ich gehe ja schon." "Du weckst mich und willst dich dann direkt verziehen?", fragte er aufgebracht. Er stand auf, zog sie die Stufen hinunter und setzte sie auf das Sofa unter der Halbetage. Dann öffnete er eine Schublade unter seinem Schreibtisch und zog ein Kartenspiel heraus. "Vergiss es! Du bleibst jetzt schön hier." Er ließ sich neben sie fallen und mischte schnell die Karten, bevor er sie zwischen sich aufteilte. "Du fängst an", murrte er. Sie nickte und sortierte ihr Blatt. "Was wolltest du mich fragen?" "Ähm, habe ich vergessen. Sorry." "Ist alles okay?", fragte er plötzlich sehr sanft und beobachtete sie aufmerksam. "Ja", beharrte Kagome und spielte die erste Karte. "Ja, alles in Ordnung." Kapitel 24: Galgenfrist ----------------------- Kagome öffnete ihr linkes Auge einen kleinen Spalt breit und schloss es sofort wieder. Es war so hell! Sie hörte Vogelzwitschern und das kräftige Rauschen des Windes in den Baumkronen. Ein leichter Windzug fuhr ihr durch die Haare. Sie schirmte ihre Augen mit einer Hand ab und blinzelte angestrengt. Das Fenster war geöffnet und die Sonne schien ungebremst vom blauen Himmel hinab auf die Erde. Winter in Kalifornien. Sie schlug die wohlig warme Decke zurück und richtete sich langsam auf. Sie war doch tatsächlich auf Inuyashas Couch eingeschlafen. Hatte er sie zugedeckt? Sie erinnerte sich nur noch sehr vage. Vorsichtig zog sie sich die Herzdame von der Wange und das Kreuzass vom Oberarm. Die Karten lagen überall auf dem Fußboden und dem Sofa verstreut. Richtig, Inuyasha hatte damit um sich geworfen, weil sie ihn fünfmal hintereinander besiegt hatte. Er war wirklich ein schlechter Verlierer. Kagome lächelte und streckte sich ausgiebig. Inuyasha war nicht mehr da, also ging sie zurück in ihr Gästezimmer und zog sich das schwarze Spaghettitop und die graue Baumwollhose aus, die als Schlafanzug herhalten mussten. Daraufhin stieg sie in eine enge dunkle Jeans und zog sich ein schlichtes weißes Shirt über den Kopf. Schnell kramte sie ihre Bürste aus dem Rucksack und kämmte sich die Haare, dabei sah sie aus dem Fenster. Inuyasha lag in dem Ruderboot draußen im Garten. Sie schnappte sich ihre abgetragenen Sneaker, lief die Stufen hinunter und ging durch den Flur zur Terrassentür. Aus der Küche war tüchtiges Treiben und Geklapper zu hören. "Inuyasha?", rief Kagome draußen, aber er reagierte nicht. Sie lief den hölzernen Steg entlang und blieb neben dem schaukelnden kleinen Boot stehen. Als Inuyasha ihre Beine im Augenwinkel sah, zog er sich die kleinen Kopfhörer aus den Ohren und schaute zu ihr hinauf. "Hey." "Hi, was machst du hier?" Inuyasha lächelte leicht und setzte sich auf. "Komm her", forderte er sie auf und reichte ihr seine Hand. "Ähm, okay." Sie hielt sich an ihm fest und stieg vorsichtig in das wackelige Ruderboot. "Langsam." "Lass mich nicht los", bat sie ihn und setzte sich schließlich neben ihn. "Okay, geschafft." Genau wie Inuyasha legte sie ihren Kopf auf der oberen Sitzfläche ab und legte ihre Beine über den unteren Sitz. "Oh, gemütlicher als es aussieht", staunte sie. "Musik?", fragte er und hielt ihr den rechten Kopfhörer hin. "Gerne." Neben der rockigen Musik auf dem einen Ohr, hörte sie leises Plätschern auf dem Anderen. Die Kante des Ruderkahns stieß regelmäßig gegen den Rand des Stegs. Darunter prallten viele kleine Wellen gegen das nasse Holz. Das Boot wippte auf und ab, hin und her und folgte dabei seinem ganz eigenen Rhytmus. "Das ist schön", seufzte Kagome und schloss die Augen. Enspannt nahm sie die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut auf und sog die salzigsüße Brise ein. "Ich liege gerne hier", erklärte Inuyasha. "Einfach nur in den Himmel schauen, wo es keine Snobs, Nobelvillen und Swimmingpools gibt. Gelegentlich fliegt ein Flugzeug durchs Bild, aber damit kann ich leben." "Ist das der Moment in dem du mir beichtest, dass das dein liebster Lieblingsort auf der ganzen weiten Welt ist?", scherzte Kagome und kicherte. "Da ich die Welt noch nicht bereist habe, will ich mich jetzt nicht festlegen. Aber mein momentaner Lieblingsort ist", Inuyasha verzog nachdenklich das Gesicht, "der Garten meiner Großmutter." Kagomes Lächeln erstarb bei diesen Worten und sie wandte ihr Gesicht von ihm ab, damit er ihren verbissenen Ausdruck nicht sehen konnte. Im Laufe der letzten Nacht, hatte sie sich endgültig dazu entschieden ihre Auseinandersetzung mit Malbyne nicht zu erwähnen. Sie würde seiner Großmutter sowieso nie wieder begegnen, also warum sollte sie ihm unnötig Kummer bereiten? Die Befürchtung, dass Inuyasha ihr schlicht und einfach nicht glauben würde, versuchte sie zu verdrängen. "Ihr Haus steht etwas abgelegen in der Nähe von Sapporo in Japan", begann Inuyasha zu erzählen. "Im Norden das offene Meer und im Süden Wald und Felder soweit man sehen kann. Es gibt dort einen Badesee und wenn es warm genug ist, sieht man überall Pferde auf der Weide grasen. Früher als Kinder, haben mein Bruder und ich jeden Sommer dort verbracht." "Dein Bruder?", fragte Kagome zögerlich und sah ihn wieder an. Er starrte unentwegt in den Himmel. "Spar dir das", meinte er. "Ray hat mir erzählt, dass er es dir erzählt hat." Sie biss sich kurz auf die Lippe. "Es muss schwer gewesen sein", flüsterte sie. "Allein die Vorstellung, meinem Bruder könnte etwas zustoßen raubt mir den Atem." "Mein Bruder und ich standen uns nicht nahe. Wir haben uns eigentlich nie gut verstanden. Er hat sein Ding durchgezogen und ich meins, das war schon immer so. Aber wenn wir den Sommer über bei unserer Großmutter waren, war er manchmal sogar auszuhalten." Er schmunzelte. "Als ich acht war, hat er mir dabei geholfen eine Reifenschaukel an einem Baum im Garten zu befestigen." Kagomes Mundwinkel hoben sich und sie schaute fröhlich auf sein Profil. Verlegen erwiderte er ihren Blick und fragte: "Was grinst du denn jetzt so?" "Ich höre dir nur gerne zu, das ist alles", erklärte sie und ihr Lächeln wurde noch breiter, ihre Augen glänzten heiter. Inuyasha runzelte verwirrt die Stirn. "Es ist nur- Das ist das erste Mal, dass du dich mir so geöffnet hast." "Darin bin ich nicht so gut", nickte er. "Wirklich nicht", stimmte sie zu und lachte. Ihre Stirn streifte dabei seine Schulter und kurz darauf spürte sie seine Hand an ihrer. Sein Daumen strich flüchtig über ihre Finger. Kagome zuckte leicht zusammen und schaute ihm überrascht in die Augen. Er erwiderte ihren Blick ernst und starrte dann auf ihre Lippen. Unbewusst hielt sie die Luft an, als Inuyasha ihr Millimeter für Millimeter näher kam. Heißes Blut stieg ihr in den Kopf, ihre Pupillen weiteten sich und ihr Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an. Was hatte er vor? Er würde sie doch nicht etwa- "Frühstück ist fertig!", rief Izayois Stimme von der Terrasse aus. Inuyasha und Kagome wandten sich gleichzeitig voneinander ab. Sie sog schnell und ungleichmäßig den Sauerstoff ein, atmete schwerfällig. Ihre Fingerspitzen zitterten vor Nervosität. "Inuyasha? Kagome?" Er hob den Arm um seiner Mutter zu signalisieren, dass er sie verstanden hatte. Daraufhin hörten sie, wie sie wieder hineinging. Inuyasha schickte ein kurzes Stoßgebet zum Himmel, dass Kagome ihn nicht auf seinen verunglückten Kussversuch ansprach und richtete sich auf. Vorsichtig zog er ihr den Kopfhörer aus dem Ohr und schaltete den MP3- Player aus. Sie ließ sich von ihm helfen, aus dem Boot zu steigen, vermied allerdings den Augenkontakt. Es war eine durchweg peinliche Situation und Inuyasha hatte nicht die geringste Ahnung, wie er das wieder auflockern sollte, also sagte er einfach gar nichts. Die Gespräche am Frühstückstisch fielen mager aus. Inuyashas Vater war in seine Morgenzeitung vertieft. Kagome knabberte leise an ihrem Brötchen, sie war immer noch rot im Gesicht. Izayoi warf ihnen misstrauische Blicke zu. Inuyasha konnte nahezu hören, wie die Zahnräder im Kopf seiner Mutter ineinander griffen und daran arbeiteten ihr Verhalten zu analysieren. Er warf einen erleichterten Blick auf das Gepäck, das bereits ordentlich gestapelt im Flur lag, und zählte die Minuten bis zur Abfahrt seiner Eltern. Das Klingeln des Telefons störte für einen Moment die unangenehme Stille. Man konnte die eiligen Schritte der Hausangestellten hören und das Klingeln erstarb. Kurz darauf öffnete sich die Tür zur Küche und eine hübsche spanische Frau mittleren Alters trat ins Esszimmer. "Ilamada telefónica", sagte sie mit einer tiefen, rauhen Stimme und drückte Inuyasha den Telefonhörer in die Hand. "Señora Sagara, sí?" "Sagara", wiederholte Izayoi erschrocken und wechselte einen Blick mit ihrem Sohn. "Du musst nicht mit ihr sprechen." "Schon okay, Mum", beruhigte er sie und stand auf. Er ging ins Nebenzimmer und legte, mit klopfendem Herzen in der Brust, die Hand von der Sprechmuschel. "Hallo?", fragte er. "Inuyasha", antwortete eine leise, erleichterte Stimme. "Ich bin froh, dass du da bist. Ich muss dringend mit dir sprechen." "Okay." "Das würde ich gerne persönlich machen. Unter vier Augen." Inuyasha schluckte. "Wenn dir das recht ist", fügte die Frauenstimme zögerlich hinzu. "Ähm, also eigentlich-" "Es ist wichtig, Inuyasha. Bitte." Er atmete kurz durch und fuhr sich durch die Haare. "Gut", brachte er hervor und kniff die Lippen zusammen. "Kannst du später rüber kommen? Du weißt ja wo wir wohnen..." "Ja, okay, bis später", sagte Inuyasha schnell und legte auf. Er lehnte sich gegen die Wand und senkte den Kopf. "Versprich mir, dass du keinen Unsinn anstellst", ermahnte Izayoi ihren Sohn später und klapperte mit dem Schlüsselbund, als wäre er ein Symbol der Macht. Die Haustür war weit geöffnet, während der Fahrer die Koffer und Taschen zum Wagen brachte. "Achte darauf, dass die Fenster geschlossen, der Herd, der Kamin und alle anderen Hitzequellen ausgeschaltet sind, wenn du das Haus verlässt. Oh, bitte fackel das Haus nicht ab." "Schon klar", antwortete Inuyasha genervt und verdrehte die Augen. "Versprich mir, dass keine Fremden dieses Haus betreten. Keine Partys, Inuyasha!" Er nickte und Izayoi war kurz davor ihm die Schlüssel zu überreichen. "Keine Partys, versprochen. Nur ich und die Nutten", sagte er trocken und seine Mutter zog den Schlüsselbund sofort wieder zurück. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn entsetzt an. "War nur ein Scherz, Mum", beharrte Inuyasha und griff nach dem Schlüssel. "Nur ein Scherz, reg dich ab!" Ihre Augen verengten sich kurz, als würde sie überprüfen ob er die Wahrheit sagte, dann atmete sie auf und nickte. "Also schön", seufzte sie. "Du hast die Telefonnummer für den Notfall. Du kannst uns jederzeit erreichen." "Ich weiß, und jetzt verschwindet schon, sonst verpasst ihr euren Flug." Nachdem der Wagen die Auffahrt rausgefahren war, knallte Inuyasha die Tür zu und drehte sich grinsend zu Kagome um. "Zwei Wochen himmlische Ruhe. Wann geht dein Flug morgen?" "Um halb zehn Uhr morgens", antwortete sie und zog sich ihre leichte Jacke über. "Wollen wir dann rüber zu Ray?" "Ähm, ich kann dich nicht begleiten", meinte Inuyasha entschuldigend. "Ich- Mir ist was dazwischen gekommen." "Oh", murmelte Kagome und nickte. "Okay." Der Wind war mittlerweile stärker geworden und Kagome schloss schnell den Reißverschluss ihrer Jacke, während sie die Edgewater Road entlang ging. Es war seltsam, das Haus ohne Inuyasha zu verlassen und alleine durch die ihr unbekannte Gegend zu laufen. Aber das Haus von Ray war ja gleich am Anfang der Straße und somit nicht zu verfehlen. Nachdem sie auf die Türklingel von Hausnummer zwei gedrückt hatte, öffnete sich über ihr ein Fenster und ein roter Haarschopf war zu sehen. "Kagome!", rief die kleine Ronnie freudig und winkte ihr hektisch zu. Kagome lächelte und winkte zurück. "Hallo, Ronnie." "Ray! Kagome ist da!", rief sie laut über die Schulter. Kagome schaute sich verlegen um. Ihre Stimme schallte durch die komplette Straße. "Mach die Tür auf", schrie sie noch einmal und steckte den Kopf wieder rein, bevor sie das Fenster schloss. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und Ray begrüßte sie lächelnd. "Komm doch einen Moment rein. Wo ist Inuyasha?" "Er kann nicht mitkommen. Ihm ist etwas dazwischen gekommen", antwortete sie und folgte Ray ins Wohnzimmer. "Was-", begann er, wurde aber von einem leisen Signalton unterbrochen. Er zog sein Handy aus der Hosentasche. Kanon will mit mir sprechen. Ich weiß nicht wie lange es dauert. Beschäftige Kagome bitte so lange du kannst und sag ihr davon nichts. Inuyasha. Er runzelte verwirrt die Stirn, während er die kurze Nachricht las. Als er hochschaute, beäugte Kagome misstrauisch sein Mobiltelefon. Sie konnte sich denken, von wem die SMS war. Er räusperte sich kurz und steckte es wieder in seine Hosentasche. "Schön, dann also nur wir beide." Ronnie kam rumpelnd und polternd die Treppe runter gelaufen. "Und der kleine Teufel", ergänzte Ray schmunzelnd. Inuyasha beobachtete von weitem, wie Kagome und Ronnie in den alten roten VW von Ray stiegen und losfuhren. Sobald sie um die Ecke gebogen waren, lief er die Straße weiter entlang. Vor Hausnummer sechszehn in der Windward Road blieb er stehen. Er war überaus langsam gelaufen und trotzdem hatte er keine zehn Minuten hierher gebraucht. Die kleine weiße Villa vor ihm, wirkte kälter als je zuvor und am liebsten hätte er gekniffen und sich Zuhause im Bett verkrochen. Aber die Neugier siegte und er öffnete das Eisentor zur Auffahrt. Ihm fiel auf, dass die Blumenbeete, die früher um die Wette leuchteten, verdorrt und ausgetrocknet waren. Kanon konnte sich wohl nicht mehr für das Gärtnern begeistern. Das überraschte ihn nicht. Als Kanon ihm die Tür öffnete, erschrak er kurz. Er hatte sie seit einem Jahr nicht mehr gesehen und während dieser Zeit hatte sie sich sehr verändert. Sie war kreidebleich, hatte dunkle Augenschatten und ihr schwarzes Haar war glanzlos. Zudem hatte sie viel an Gewicht verloren. Ihr knochiges Handgelenk wirkte als könnte man es mit nur einer Berührung zerbrechen. Und ihren Ehering trug sie auch nicht mehr. Von der schönen, selbstsicheren Dame war nichts mehr zu sehen. Sie lächelte nicht, als sie ihn reinbat. Sie zeigte überhaupt keine Gefühle. Und Inuyasha auch nicht. Das Haus war ihm eigentlich vertraut. Er hatte hier unzählige Stunden gemeinsam mit Kikyo verbracht. Die meisten waren schön gewesen. Früher war es immer hell und ordentlich. Nun waren die Vorhänge geschlossen und eine Haushaltshilfe wurde wohl auch nicht mehr beschäftigt. Kanon führte ihn ins Wohnzimmer und deutete auf die Couch. Die Couch auf der er mit Kikyo gemeinsam gelernt hatte. Wo sie manchmal ziemlich verzweifelt ihr Gesicht in den Händen vergraben hatte, weil sie es einfach nicht schaffte ihm die Chemieformeln einzutrichtern. Wo sie schließlich aufgegeben hatte und sich von ihm zu einer wilden Knutscherei verführen ließ. Inuyasha setzte sich auf den Sessel, gegenüber von Kikyos Mutter. Der Wohnzimmertisch war voller Papierkram. Als er einige formelle Briefe von einem Scheidungsanwalt sah, wandte er eilig den Blick ab. Er fühlte sich unbehaglich und wollte nur wieder raus. "Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mich zu treffen", begann Kanon und schlug langsam ein Bein über das Andere. "Du hast zwar klar gemacht, dass du nur darüber informiert werden möchtest falls sie aufwacht. Aber ich finde das solltest du auch wissen." "Was sollte ich wissen?", fragte Inuyasha vorsichtig. "Die Ärzte haben mir erklärt, dass Patienten die schon eine so lange Zeit im Koma liegen, nicht mehr aufwachen. Die Wahrscheinlichkeit sinkt jeden Tag. Man hat mir empfohlen, die Geräte ausschalten zu lassen." "Was?", presste Inuyasha hervor und runzelte die Stirn. "Das ziehen Sie nicht ernsthaft in Betracht, oder? Man liest doch ständig, dass Leute aus zehn- oder zwanzigjährigem Koma erwachen. Sie-" "Aber ich kann nicht noch zehn oder zwanzig Jahre warten, Inuyasha", unterbrach sie ihn mit brüchiger Stimme. Sie kämpfte mit den Tränen und er war augenblicklich still. "Ich- Wir brauchen einen Abschluss. Ich habe mich mit diesem Thema bereits auseinander gesetzt und gründlich die Chancen abgewogen, und die ist minimal. Außerdem wird die Versicherung die Kosten nicht mehr lange tragen und wir können sie nicht übernehmen. Ich habe noch ein zweites Kind. Ich muss auch an Kaedes Zukunft denken. Ich bin mir sicher Kikyo hätte es so gewollt." "Wann?", flüsterte Inuyasha und schluckte schwer. "Ich weiß es noch nicht. So lange die Versicherung noch zahlt, werden die Geräte weiter laufen. Und dann- sobald wir bereit sind sie loszulassen. Es kann jeden Augenblick soweit sein." "Warum erzählen Sie mir das?" "Du bist die meiste Zeit in Japan und hast nicht immer die Möglichkeit herzufliegen. Ich weiß, dass du noch nicht bei ihr warst. Aber ich denke, du solltest zu ihr gehen. Zumindest einmal, um dich von ihr zu verabschieden. Das ist wichtig für dich. Auch du brauchst diesen Abschluss." Inuyasha nickte stumm. "Nein!" Er und Kanon schauten überrascht auf. Kaede, Kikyos kleine Schwester, stand mit wutverzerrtem Gesicht vor ihnen. Sie hatte die ganze Zeit gelauscht. "Ich will nicht, dass er zu ihr geht. Er hat nicht das Recht dazu!" "Das bringt doch nichts", versuchte Kanon ihre Tochter zu beruhigen, aber die schüttelte nur wild mit dem Kopf und biss sich auf die Lippen. "Kaede, wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sag es", erwiderte Inuyasha mit emotionslosem Gesichtsausdruck. "Ich habe dir nichts zu sagen", zischte sie. "Na los, Kaede. Sag es!", forderte er und stand auf. "Sag es!" "Du hast diesen Unfall verursacht!", schrie sie. "Kikyo liegt wegen dir im Koma und wenn- wenn sie stirbt, dann ist es deine Schuld! Du hast alles kaputt gemacht!" "Es reicht jetzt wirklich, Kaede", sagte Kanon ruhig und Kaede lief die Treppe hinauf. Oben konnte man eine Tür knallen hören. "Sie ist total erledigt", entschuldigte sie das Verhalten ihrer Tochter. "Lass dich durch ihre Worte nicht runterziehen." "Aber sie hat recht." Inuyasha blickte ihr schuldbewusst in die Augen. "Es tut mir so leid." "Das weiß ich." Kanon nickte und senkte den Blick. "Ich weiß." Kapitel 25: Erinnerungen ------------------------ "Ich denke, wir sollten eine Pause machen." Diese Worte hallen deutlich in seinem Kopf nach und ihm wird erst in diesem Augenblick bewusst, was er da eigentlich gesagt hat. Kikyo verzieht keine Miene, aber ihr leerer Blick macht ihm Sorgen. Er öffnet den Mund um etwas zu sagen, um ihr zu erklären, dass er es anders meint als sie vermutlich denkt. Plötzlich hebt sie die Hand und hält ihm ihre Autoschlüssel vor die Nase. "Ich will Heim", haucht sie. "Fährst du mich bitte nach Hause." Das ist keine Frage, sondern eine Aufforderung. Vorsichtig nimmt er den Schlüssel entgegen. Sie weicht seinem Blick aus und geht voran, verlässt mit zielgeradigen Schritten den Festplatz. Inuyasha folgt ihr betrübt. An der Straße vor dem Parkplatz, steht Sesshoumaru. Er hält sein Mobiltelefon in der Hand und schaut sich suchend um. "Was ist los?", fragt Inuyasha mürrisch, als er an ihm vorbeigeht. "Ich warte auf ein Taxi", antwortet er, ohne ihn anzusehen. "Die Feier langweilt mich und ich habe morgen früh ein wichtiges Meeting." "Heute Abend bekommst du niemals ein Taxi." Inuyasha schaut kurz hinüber zu Kikyos Wagen. Sie steigt gerade ein. Er seufzt. "Du kannst bei uns mitfahren." Sesshoumaru wirft ihm einen skeptischen Blick zu. "Du kannst auch zu Fuß gehen, mir egal!" Inuyasha geht wütend weiter. Seinem Bruder kann man es nie recht machen. Aber kurz nachdem Inuyasha sich vor das Lenkrad gesetzt hat, öffnet sich eine weitere Tür und Sesshoumaru nimmt auf dem Rücksitz hinter ihm Platz. Kikyo sagt nichts dazu. Mit verschränkten Armen schaut sie aus dem Fenster. Inuyasha blickt kurz in den Rückspiegel und lässt den Motor an. "Willst du dich nicht anschnallen?" Sein Bruder lacht leise auf und schüttelt den Kopf. Inuyasha verdreht die Augen und fährt los. Auf den Straßen herrscht wenig Verkehr. Während sie über die Landstraße fahren, ziehen sich die Minuten wie Kaugummi. Die Situation ist angespannt und falls Sesshoumaru die dicke Luft bemerkt hat, lässt er es sich nicht anmerken. "Kannst du noch ein bisschen langsamer fahren?", fragt er mit beiläufigem Sarkasmus. "Ich bin schon am Tempolimit." "Die Straße ist leer. Gib Gas, ich habe nicht die ganze Nacht Zeit." "Damit ich in der Probezeit erwischt werde und mein Führerschein gleich wieder eingezogen wird? Lass mich kurz überlegen: Nein!" Inuyasha schaltet das Radio ein. Ein leicht verzerrter Popsong aus den Neunzigerjahren erklingt. Kikyo schaltet es schnell wieder aus. Daraufhin hebt Sesshoumaru eine Augenbraue. "Ärger im Paradies?" "Wir haben uns vorhin getrennt", antwortet Kikyo sachlich. "Wa-?" Inuyasha wirft ihr einen entgeisterten Blick zu. "Aus welchem der vielen Gründe hast du ihm den Laufpass gegeben?", fragt Sesshoumaru weiter. "Er hat mit mir Schluss gemacht." "Ja, er war schon immer ein dämlicher Schwachkopf." "Halt die Schnauze, Sesshoumaru!", ruft Inuyasha verärgert und wendet sich wieder an Kikyo. "Und ich habe mit keinem Wort gesagt, dass ich Schluss mache! Es war lediglich die Rede von einer Pause." "Und warum?" "Das können wir später klären." "Das können wir auch jetzt", beharrt sie. "Ist das dein Ernst?" Inuyasha deutet auf seinen Bruder und sie nickt provokant. "Lasst euch von mir nicht stören." "Na schön", knurrt Inuyasha und schaut verbissen auf die Fahrbahn. "Ich brauche eine Pause weil du furchtbar anstrengend und kompliziert bist." "Wie bitte?" "Ständig hast du etwas, an dem was ich tue oder später erreichen will, auszusetzen und versuchst mich umzustimmen und zu ändern. Sorry, aber nicht jeder kann so perfekt sein wie du und ich habe mich schon für diesen Weg entschieden, bevor ich dich kennengelernt habe. Ich werde die Reise machen und nicht studieren, ob es dir nun passt oder nicht!" "Was unserem Vater überhaupt nicht gefallen wird", wirft Sesshoumaru spöttisch ein. Inuyasha sieht ihn wütend im Rückspiegel an. "Halt dich da raus, sonst kannst du mit deiner selbstgerechten Visage den restlichen Weg zu Fuß gehen! Du arroganter, aufgeblasener-" "Inuyasha, pass auf!", ruft Kikyo erschrocken. Es ist bereits zu spät. Er befindet sich schon auf der Kreuzung und er sieht die großen Scheinwerfer die von links unfassbar schnell auf ihn zukommen, begleitet von einem hässlichen Hupen. Reflexartig zieht er sich zusammen und schiebt seine Arme schützend vor sein Gesicht. Ein lauter, zerreißender Knall ertönt. Es scheppert und klirrt. Und im ersten Moment, denkt und fühlt Inuyasha gar nichts. Er sieht Kikyo fest in die Augen, während sie vom Lastwagen quer über die Kreuzung geschoben werden. Er erkennt die Angst in ihrem Blick und der dunkle Baum, der hinter ihr im Fenster erscheint, kommt unvermeidlich näher. Ein weiterer Aufprall, dieses Mal auf ihrer Seite. Dann endlich hören die Reifen auf zu quietschen und das Auto kommt zum Stillstand. Als er versucht den Kopf zu bewegen regnet es kleine Glasscherben, die mit einem leisen Klirren aufprallen. Inuyasha hört es kaum, das hohe Pfeifen in seinen Ohren ist noch zu laut. Schwerfällig öffnet er die Augen, aber er sieht nur eine verschwommene Dunkelheit. Frustriert blinzelt er mehrmals, bis das Bild endlich schärfer wird. Er sieht die zerbrochene Frontscheibe und das verbeulte Lenkrad vor ihm. Im linken Augenwinkel bemerkt er Scheinwerferlicht und einen Schatten der sich hastig bewegt. Ein scharfer, unerträglicher Schmerz schießt durch seinen Körper. Sein Kopf tut weh. Es fühlt sich an, als hätte jemand mit Begeisterung darauf eingehämmert. Ein Brennen durchzuckt ihn. Schmerzerfüllt zieht er die Luft durch die Zähne und bewegt den Kopf soweit nach links, bis er erkennen kann was es ist. Die stark nach innen verbogene Fahrertür ist gesplittert und ein spitzes, blutiges Stück Eisen steckt tief in seiner Seite. Inuyasha stöhnt gequält auf, versucht den Schmerz zu unterdrücken und seine panische Atmung zu regulieren. "Inuyasha", flüstert Sesshoumaru von der Rückbank. "Bist du schwer verletzt?" "Ich weiß nicht", antwortet er. Seine Stimme klingt heiser. Er vermeidet es, sich zu drehen und den Zustand seines Bruders zu überprüfen, weil jede Bewegung sich anfühlt, als würde ein Haufen Rasierklingen durch sein Inneres schneiden. In einer Scherbe des Rückspiegels kann er seine Augen sehen. "Was ist mit dir?", fragt er ihn. "Alles bestens", haucht er spottend und wirft Inuyasha einen selbstgefälligen Blick im Rückspiegel zu. "Mach dir lieber Sorgen um die Kleine neben dir." Mit schmerzverzerrtem Gesicht dreht Inuyasha den Kopf nach Rechts und blickt auf die zierliche Gestalt, die regungslos neben ihm sitzt. Ihre Tür ist ebenfalls nach innen verbogen. Der Wagen hat sich beim Aufprall offenbar um den Baum gewickelt. "Kikyo?", flüstert Inuyasha mit rauer Stimme und greift nach ihrer kalten Hand. Ihr Kopf hängt schlaff nach unten und wegen der langen Haare kann er ihr Gesicht nicht sehen. "Kikyo", sagt er noch einmal, dieses Mal deutlich lauter. "Fühl ihren Puls." Er legt seine Finger auf ihre Halsschlagader und zählt. "Und?" "Verdammt langsam", knirscht Inuyasha und sieht sich hilfesuchend um. "Beruhige dich", murmelt Sesshoumaru. Warum ist seine Stimme so kraftlos? "Der andere Fahrer hat schon den Notarzt gerufen. Sie werden jeden Moment hier sein. Es wird alles gut werden." Wie aufs Stichwort ertönt von Weitem eine Sirene, die in kurzen Abständen immer lauter wird. Die Unfallstelle wird von der Polizei abgesperrt und einige Sanitäter hantieren an den eingedrückten Fahrertüren, um die Verletzten schnellstmöglich aus dem Fahrzeug zu bekommen. Da Kikyo nicht bei Bewusstsein ist, wird sie als erstes vorsichtig aus der herausgehobenen Frontscheibe gezogen. Das beruhigt ihn etwas. Die Fahrertür bewegt sich ein minimales Stück und Inuyasha schreit laut auf und flucht. Die Rettungskräfte kommunizieren wild durcheinander und sie scheinen ratlos zu sein. Der Schmerz durchflutet seinen Körper, ihm ist heiß und kalt zur gleichen Zeit und er spürt wie auch er das Bewusstsein verliert. Er fragt sich kurz ob er sterben würde. Das letzte was er sieht, sind die Augen seines Bruders im Rückspiegel. "Inuyasha Taishou?" Eine freundliche Frauenstimme riss ihn aus seinen Gedanken. Schnell stand er auf. "Ja?", fragte er nervös. Die junge Krankenpflegerin lächelte. "Sie können jetzt reingehen. Folgen Sie mir bitte." Er nickte und sie führte ihn durch die endlosen, weißen Flure des Krankenhauses. Sie liefen an gefühlten hundert Türen vorbei, bevor sie ihr Ziel erreichten. Die Pflegerin öffnete eine Tür, die genau so aussah wie jede andere in dem Gebäude, und betrat den Raum. Inuyasha folgte ihr nicht sofort. Er ließ die Tür hinter ihr zufallen und atmete noch einmal tief durch. Er warf einen Blick über die Schulter und überlegte kurz, ob er den Weg zurück finden würde wenn er davon lief. Er schaffte es sich zu überwinden, drückte schließlich die Klinke hinunter und schlüpfte leise durch den Türspalt. Die Pflegerin überprüfte gerade ein paar Krankenblätter. Als sie ihn bemerkte, lächelte sie wieder. Das stand vermutlich in ihrem Arbeitsvertrag. Jeder musste angelächelt werden, ob er das nun wollte oder nicht. "Kommen Sie ruhig näher", sagte sie und schob einen Stuhl an das Bett. "Setzen Sie sich zu ihr." Eine leichte Übelkeit überkam ihn. Kikyo sah noch genau so aus, wie in seiner Erinnerung. Ihre Haut war weiß und makellos, die Haare waren lang und gepflegt, ihr Körper war zierlich, aber nicht abgemagert und einen Augenblick lang, dachte er wirklich sie würde bloß ganz friedlich schlafen. Aber die leuchtenden und leise piependen Geräte um sie herum, zerstörten diesen Eindruck erbarmungslos. Die Pflegerin blickte ihn erwartungsvoll an und er folgte ihrer Aufforderung sich zu setzen. "Nicht so zaghaft, sie wird Sie schon nicht beißen", sagte sie und lachte, als ob das irgendwie witzig wäre. Als sie merkte, dass ihr Scherz nicht gut angekommen war, räusperte sie sich kurz. "Also, ich lasse Sie dann allein. Scheuen Sie sich nicht vor Körperkontakt oder davor mit ihr zu sprechen. Es ist möglich, dass sie aufnahmefähig ist." Die Tür fiel hinter der Krankenpflegerin ins Schloss und Inuyasha war nun allein im Raum. Mit ihr. Es war möglich, dass sie ihn hören konnte? Da fühlte er sich gleich noch unwohler. Wenn sie nun gar nicht wollte, dass er sie besuchte? Und sie konnte nicht einmal widersprechen oder ihre Missbilligung ausdrücken. Sie hatte im letzten Jahr sicher nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn still vor sich hin zu hassen. Dafür, was er ihr angetan hatte. Die andere Möglichkeit war, dass sie bereits auf ihn gewartet hatte. Dass sie sich immer wieder gefragt hatte, wo er denn blieb. Das würde eher zu ihr passen. Kikyo war nie sehr nachtragend gewesen. "Okay", murmelte Inuyasha schließlich. "Ich soll mit dir reden, also rede ich einfach mit dir. Ähm, falls du dich um dein Aussehen sorgst, kann ich dich beruhigen, du siehst gut aus. Weißes Neonlicht schmeichelt dir." Piep, Piep, Piep. "Nein, das ist quatsch, es macht dich noch blasser. Aber abgesehen davon und den ganzen Schläuchen, siehst du wirklich gut aus." Piep, Piep, Piep. Inuyasha schluckte und rieb sich nervös die Hände. "Was zur Hölle mache ich hier?", seufzte er und schloss kurz die Augen. "Sorry, ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich wollte dich eigentlich erst besuchen, wenn du aufwachst, aber damit lässt du dir verdammt viel Zeit. Wenn du dich nicht etwas damit beeilst, bist du gewaltig am Arsch. Die wollen die Geräte ausschalten, Kikyo. Die Geräte, die dich noch am Leben erhalten. Jetzt aufzuwachen, wäre ein wirklich geeigneter Zeitpunkt." Piep, Piep, Piep. "Ja, das wäre ja auch zu schön gewesen. Vielleicht ist es auch besser so. Vielleicht hast du ja gar keine Lust aufzuwachen", überlegte Inuyasha leise und versank wieder in seiner Gedankenwelt. "Als ich damals nach dem Unfall aufgewacht bin, war das echt scheiße." "Er wacht auf." Ein schleifendes Geräusch, ein Stuhl wird über den Boden gezogen. Schritte die sich eilig entfernen. "Ich benachrichtige Ihren Mann. Bleiben Sie bei ihm." Während des kurzen Schweigens, das folgt, wird er sich langsam einer anderen Geräuschebene bewusst- Stimmen, ein vorbeifahrenes Auto, durch die Entfernung gedämpft. Er nimmt alles in sich auf, lässt es Gestalt annehmen, ordnet ein Geräusch nach dem anderen seiner Quelle zu. Plötzlich bemerkt er den Schmerz. Er arbeitet sich in kleinen Etappen hoch: Zunächst sein Oberkörper, ein scharfes Brennen zwischen den Rippen bis zum Brustbein. Dann sein Kopf, dumpf und unbarmherzig. Der Rest seines Körpers tut so weh, wie zu dem Zeitpunkt, als er... als er? "Er kommt sofort. Ich schließe die Vorhänge. Das Licht könnte zu grell für ihn sein." Sein Mund ist trocken. Er presst die Lippen aufeinander und schluckt unter Schmerzen. Er will um Wasser bitten, aber die Worte kommen einfach nicht. Er öffnet die Augen einen Spalt breit. Zwei undeutliche Schemen bewegen sich um ihn herum. Ein gräßlicher Piepton erfüllt den Raum. Er ist gleichmäßig. Stetig. Verdammt nervig. Piep. Piep. Piep. "Bist du wach? Du hast Besuch." Er nimmt einen flackernden Schatten über sich wahr. Er sieht, wie er sich bewegt, begleitet von dem schleifenden Geräusch. Er bietet seine ganze Willenskraft auf, um die Gestalt zu fixieren, doch es will ihm einfach nicht gelingen, und so lässt er die Augen wieder zufallen. "Sie können sich zu ihm setzen, wenn Sie wollen. Mit ihm sprechen. Er kann Sie hören." "Wie sehen seine... anderen Verletzungen aus?" "Es wird Narben geben, fürchte ich. Und er hat einen heftigen Schlag auf den Kopf bekommen, daher kann es eine Weile dauern, bis er wieder der Alte ist." Er hört wie sich die Schritte entfernen. "Sprechen sie mit ihm. Zeigen sie ihm, dass er nicht allein ist." "Inuyasha? Inuyasha, kannst du mich hören?" Die Worte sind so laut, seltsam aufdringlich. "Inuyasha, Schatz, ich bin's", spricht die laute Frauenstimme weiter und seufzt. Dieses Seufzen ist ihm sehr vertraut. "Sind Sie sicher, dass er mich hören kann?" "Ziemlich, aber mag sein, dass ihn die Kommunikation noch zu sehr erschöpft." "Aber sein Verstand ist nicht zu Schaden gekommen?", fragt eine Männerstimme plötzlich. "Bei dem Unfall? Sie wissen sicher, dass es keine bleibenden-" "Wie gesagt, sein Kopf hat einen ordentlichen Stoß abbekommen, aber medizinisch gesehen gibt es keinen Grund zur Sorge." Papier raschelt. "Kein Bruch. Keine Hirnschwellung. Man kann das nicht immer vorhersehen, und jeder Patient reagiert anders. Aber in Anbetracht der Schwere des Unfalls können wir wohl sagen, dass er einigermaßen glimpflich davongekommen ist." Schweigen. Er vernimmt Schritte, leise Stimmen, die sich in einem Nebenraum unterhalten. Der Schmerz in seinem Kopf ist zu einem pochenden Geräusch geworden und wird noch intensiver, bis er nur noch darauf warten kann, dass es aufhört oder er das Bewusstsein verliert. Unfall?, ist sein letzter Gedanke, bevor die Schwärze ihn umhüllt. Als er das nächste Mal aufwacht, kann er sich an das meiste wieder erinnern und er erkennt die Stimmen seiner Eltern. Etwas später kann er wieder klar sehen. Als man ihm sagt wie lange er schon im Krankenhaus liegt, kann er es kaum glauben. Die Zeit scheint ihm wie zerstückelt, unbeherrschbar, kommt und geht in chaotischen Klümpchen. Dienstag, Frühstückszeit. Jetzt war Mittwoch, Mittagessen. Offensichtlich hat er sechsundzwanzig Stunden geschlafen- das wird missbilligend festgestellt, als wäre es unhöflich, so lange abwesend zu sein. Dann ist wieder Freitag. Seine Mutter besucht ihn jeden Morgen und jeden Abend, drückt ihm jedes Mal einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und setzt sich für gewöhnlich ans Fußende seines Bettes. Sie bringt oft kleine Geschenke mit. Einen MP3-Player, gutes Shampoo, Zeitschriften. Fürsorglich spricht sie über Belanglosigkeiten, fragt wie ihm das Essen schmeckt oder ob sie ihm irgendetwas anderes bringen lassen soll. "Wir haben uns solche Sorgen gemacht, Inuyasha", sagt sie und legt ihm eine kühle Hand an den Kopf. Es fühlt sich gut an. Gelegentlich beginnt seine Mutter einen Satz und murmelt dann: "Ich darf dich nicht mit Fragen erschöpfen. Aber alles wird wieder gut. Die Ärzte sagen das." Manchmal, wenn er wach wird, stellt er fest, dass sie dort sitzt, die Zeitung auf dem Schoß, ihr Gesicht in den Händen vergraben, schluchzend. Sei nicht besorgt, will Inuyasha ihr dann sagen. In seiner kleinen Seifenblase ist es friedlich. Bitte lass sie noch nicht platzen. Der Arzt kommt täglich, überprüft seine Krankenblätter, fragt ob er ihm Tag, die Uhrzeit, seinen Namen nennen könne. Inzwischen kann er ihm die richtigen Antworten geben. Er ist ein zweites Mal operiert worden und seine Verletzung verheilt gut, sagen die Ärzte, obwohl die lange rote Narbe sehr empfindlich ist. Seine Augen hat man einem Test unterzogen, sein Gehör ist untersucht worden, seine Haut ist an den unzähligen, durch Glassplitter verursachten, Schnittwunden verheilt. Die Prellungen sind verblasst, und die gebrochene Rippe ist so gut zusammengewachsen, dass er im Liegen schmerzfrei die Position wechseln kann. Niemand hat darüber gesprochen, wie er hierhergekommen ist. Als er seine Mutter danach fragt, wie es Kikyo und Sesshoumaru geht und in welchen Zimmern sie liegen, wird sie kreidebleich. "Denk nicht darüber nach. Es war alles furchtbar aufregend." Ihre Augen füllen sich mit Tränen, und da Inuyasha sie nicht aus der Fassung bringen will, lässt er das Thema fallen. Und schläft weitere zwanzig Stunden. "Es würde ihm sicher helfen, wenn du öfter zu Besuch kommen könntest", hört er seine Mutter leise flüstern. "Es fehlt mir die Zeit, ihm beim schlafen zuzuschauen. Er ist außer Lebensgefahr. Wir müssen die Beerdigung vorbereiten." Was? Wessen Beerdigung? Inuyasha öffnet die Augen. Seine Eltern stehen vor seinem Bett und wirken sehr gereizt. Izayoi schüttelt den Kopf und streicht sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr. "Ich bleibe bei ihm. Wir können von Glück reden, dass wir noch einen lebenden Sohn haben und ich weiche nicht von seiner Seite." "Es ist der falsche Sohn", haucht sein Vater nahezu lautlos und senkt beschämt seinen Blick, als würde er sich selbst für diesen Gedanken verachten. Inuyasha braucht einen Moment um diese Worte zu verstehen. Seine Mutter sieht ihren Mann schockiert an. "Wie kannst du so etwas sagen?" Inuyasha runzelt die Stirn und verzieht entsetzt das Gesicht, als es ihm plötzlich klar wird. Sesshoumaru ist tot. Er ist bei dem Unfall gestorben. Und sein Vater hasst ihn dafür. Was ist mit Kikyo? Das Piepen im Raum wird schneller und schneller. Panisch versucht er sich aufzurichten, dabei wird die Infusionsnadel aus seinem Arm gerissen. Seine Eltern schauen ihn überrascht an. Izayoi will auf ihn zugehen, aber die Zimmertür wird geöffnet und ein Arzt und zwei Pflegerinnen stürmen an ihr vorbei. "Sedieren", befiehlt der Arzt. "Die Fäden der Operationswunde dürfen nicht reißen." Etwas sticht ihm in den Arm und der Piepton verlangsamt sich wieder. Er wird wieder schläfrig und lässt sich zurück ins Kissen drücken. Er erinnert sich an die letzten Worte seines Bruders, bevor er in den Schlaf gleitet. Es wird alles gut werden. Lügner. Eine Hand legte sich auf seine Schulter und Inuyasha zuckte zusammen. "Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken." Schon wieder diese Frau mit dem aufdringlichen Lächeln, dachte er. "Was ist?" "Die Besuchszeit ist in einer halben Stunde vorbei. Bitte verabschieden Sie sich langsam von ihr." "Was?" Inuyasha schaute auf die Uhr an der Wand. Er hatte eine ganze Stunde nur so da gesessen? Er sammelte sich kurz und nickte dann. "Ich bin gleich soweit." Nachdem die Krankenpflegerin den Raum wieder verlassen hatte, stand Inuyasha vom Stuhl auf und blickte auf Kikyo hinunter. Sie hatte sich kein Stück bewegt. Natürlich nicht. Zögernd legte er seine Hand auf ihre und streichelte eine Weile sanft über die kalte Haut. Piep, Piep, Piep. Tick, Tack, Tick, Tack. "Irgendwie hoffe ich, dass du nichts mitbekommst", sagte er schließlich. "Ich weiß, es würde dich wahnsinnig machen, die ganze Zeit dieses Ticken hören zu müssen." Tick, Tack, Tick, Tack. "Mich hat es auch genervt." Er schaute wieder auf die weiße Wanduhr an der weißen Wand. Kalt und steril. Tick, Tack, Tick. "Unglaublich wie langsam die Zeit vergeht, wenn man ständig auf die Uhr sieht, oder?" Inuyasha richtet seinen Blick wieder auf die Person ihm gegenüber und nickt. "Allerdings", antwortet er. "Du bist jetzt schon das vierte Mal hier. Wie denkst du über deine Besuche bei mir?" "Was glauben Sie, wie ich darüber denke?" Die Frau hinter dem wuchtigen Schreibtisch lächelt und kritzelt etwas auf den Notizblock, der vor ihr liegt. "Du wendest meine Taktik gegen mich an", sagt sie und wartet darauf, dass er ihr Lächeln erwidert. Inuyasha begegnet ihrem Blick mit finsterer Entschlossenheit. Dr. Evelyn Ruby, hartnäckige Psychotherapeutin. Dieses Mal trägt sie ihre schulterlangen, hellbraunen Haare offen. Vorher hat sie sie immer hochgesteckt. Ihm fällt auch auf, dass sie weder einen weißen Kittel trägt, noch Arztbekleidung. Sie trägt Jeans und eine violett gestreifte Bluse, dessen oberste Knöpfe in der Reihe locker offen stehen. Versucht sie ihm vorzumachen, sie sei nichts weiter als ein Kumpel, mit dem man offen sprechen kann? Inuyasha kommt zu dem Schluss, es wäre ihm doch lieber, wenn sie einen weißen Kittel tragen würde. "Worüber denkst du nach?", fragt sie. "Über meine Kindheit", lügt er. "Deine Kindheit?" Ihr Interesse ist geweckt. "Meine Mutter ist verrückt." "Möchtest du mir von ihr erzählen?" "Eigentlich nicht." "In welcher Beziehung ist sie verrückt?" Inuyasha zuckt die Achseln. Das macht Spaß. Und es ist so leicht. Kein Wunder, dass Geisteskranke es immer wieder schaffen, lange vor ihrer Heilung entlassen zu werden. "Erzähl mir von deiner Mutter. In welcher Beziehung ist sie verrückt?", wiederholt Dr. Ruby ihre Frage. "Es macht ihr Spaß, Mutter zu sein." "Und das findest du verrückt?" "Ja. Sie könnte was anderes machen. Sie könnte arbeiten, reisen oder sich einfach ein richtiges Hobby suchen. Stattdessen macht sie gar nichts. Und sie merkt es nicht einmal." "Von wem sprichst du in Wirklichkeit, Inuyasha?" Es ist also doch nicht so einfach, denkt er und gibt der Therapeutin ein paar Pluspunkte. Er wird es klüger anstellen müssen. Inuyasha zwingt sich, den Blick zu senken. Er schaut in seinen Schoß. "Wie alt sind Sie, Dr. Ruby?" "Siebenunddreißig." Sie hält inne. Beide warten darauf, das der andere weiterspricht. "Du müsstest jetzt eigentlich sagen: Wirklich? Sie sehen aber viel jünger aus", scherzt sie. "Was für ein Gefühl ist das für Sie, fast vierzig zu sein?", fragt Inuyasha stattdessen. Dr. Ruby hebt die Schultern. "Alter hat für mich nie viel bedeutet. Warum hast du dieses Thema angeschnitten?" "Nur um etwas zu sagen. Ich soll Ihnen doch was erzählen, oder nicht?" "Nur, wenn du das möchtest." "Nein, das möchte ich nicht. Ich möchte überhaupt nicht hier sitzen." "Warum bist du dann hergekommen?" "Weil meine Mutter darauf besteht." "Du bist also ihr zuliebe hier?" "Nach dem, was passiert ist, hatte ich wohl kaum eine andere Wahl." "Was ist denn passiert?" "Ich habe das Büro meines Vaters mit einem Golfschläger zerlegt." Wieder macht sich Dr. Ruby einige Notizen und fragt dann: "Warum bist du so wütend auf deinen Vater?" "Er wünscht sich, dass ich gestorben wäre. Nicht mein Bruder." "Warum sollte er sich das wünschen?" "Weil er ihn von klein auf dazu erzogen hat, seine Firma zu erben und zu übernehmen. Er hat eine Menge Zeit und Geld in ihn investiert, während ich überflüssig war. Das war mir ganz recht, so konnte ich immerhin machen, was ich wollte. Bis jetzt." Sie schaut ihn fragend an und Inuyasha lehnt sich etwas vor. "Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde und nach Hause ging, wartete bereits mein neuer Hauslehrer auf mich. Wissen Sie, was die ersten Worte meines Vaters waren, als ich die Tür rein kam? Verschwende keine Zeit, du hast jede Menge aufzuholen." "Er möchte also, dass du die Lücke die dein Bruder hinterlassen hat, so schnell wie möglich füllst", schlussfolgert Dr. Ruby. Inuyasha nickt. "Aber das willst du nicht. Deshalb bist du wütend geworden und hast randaliert." "Ja." "Was sagt deine Mutter dazu?" "Dass ich psychiatrische Hilfe brauche." "Und das erklärt deinen Besuch bei mir." "Ich dachte, wenn ich einwillige und zu Ihnen komme, würde sie mich für eine Weile in Ruhe lassen." "Möchtest du denn in Ruhe gelassen werden?" "Ja." Sie schweigen beide. "Wenn du dich dagegen sträubst, kann ich dir nicht helfen", sagt Dr. Ruby, als sie merkt, dass er entschlossen ist, das Schweigen nicht zu brechen. "Ich will nicht, dass Sie mir helfen." "Warum nicht?" "Weil ich keine Hilfe verdiene. Weil ich es verdiene zu sterben, wie mein Bruder und meine Freundin. Sie beide werden niemals vierzig werden und das ist meine Schuld." Dr. Ruby wirft einen Blick in ihre Unterlagen. "Kikyo ist nicht tot. Sie liegt nur im Koma." "Dann glauben Sie, dass die Chance besteht, sie könnte aufwachen?" Sie erwidert darauf nichts und ihr Gesicht nimmt einen beklemmenden Ausdruck an. "Ja", meint Inuyasha hoffnungslos. "So haben ihre Ärzte auch geschaut, als ich ihnen die gleiche Frage gestellt habe." Er sieht den Schatten, der über ihr Gesicht huscht. Langsam beugt sie sich vor und stützt ihre Arme auf dem Tisch ab. "Ich habe zwei Töchter", sagt sie leise. "Manchmal habe ich Alpträume, in denen einem von meinen kleinen Mädchen etwas zustößt. Ich kann mir nichts Schrecklicheres vorstellen." Sie schluckt, und Inuyasha spürt, dass ihre Rührung echt ist und nicht gespielt. "Wir werden dazu erzogen, Verlust ertragen zu lernen. Freunde verlassen uns, Eltern sterben, Familien brechen auseinander. Ich kann das wahre Ausmaß deines Schmerzes nicht einmal erahnen. Ich will nicht versuchen dich zu täuschen. Ich kann mich zwar an deine Stelle versetzen, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Ich glaube dir, wenn du sagst, dass du den Tod wünschst. Ich denke, ich würde wahrscheinlich genauso empfinden." "Und wie wollen Sie mir dann helfen?", fragt er, dankbar für ihre Aufrichtigkeit. "Indem ich dir zuhöre", antwortet sie schlicht. Inuyasha forscht in ihren Augen. "Was erwarten Sie von mir? Ich habe alle vorgeschriebenen Phasen durchgemacht. Ich habe es geleugnet und so getan, als wäre es nie geschehen. War voller Hass, habe versucht mit dem Tod zu verhandeln und ich habe es, verdammt noch mal, akzeptiert. Ich möchte immer noch sterben. Ich habe Ihnen nichts zu sagen." Inuyasha sieht sich im Zimmer um. Er sucht nach Worten, die den Weg zum Ausgang ebnen. "Warum bist du noch immer am Leben?" Einen Moment lang ist er durch ihre Frage wie gelähmt. "Ich weiß es nicht", sagt er schließlich. "Wahrscheinlich fehlt mir einfach der Mut. Und die Knarre für den Kopfschuss." "Es gibt andere Möglichkeiten." Inuyasha begreift sehr wohl, dass sie nicht vorhat ihn über die verschiedenen Selbstmordpraktiken aufzuklären, sondern im Gegenteil versucht, ihm das Geständnis abzuringen, dass er sich trotz allem für das Leben entschieden hat. "Ich wollte nur sagen, dass-" "Lassen Sie, ich weiß schon", unterbricht er sie. "Sie versuchen mir einzureden, dass ein kleiner Teil von mir gar nicht sterben will. Denn sonst würde ich eine Überdosis Schlaftabletten nehmen oder mir die Pulsadern aufschneiden oder Abflussreiniger schlucken oder was Leute, die ernsthaft zu sterben versuchen, sonst noch alles anstellen. Vielleicht haben Sie sogar recht. Keine Ahnung." Er senkt den Blick. "Es ist mir auch egal." "Also, dein Vater will aus dir einen Lückenfüller machen. Deine Mutter will, dass du zu mir kommst. Ich will dir helfen. Was genau willst du?" "Ich will nicht mehr herkommen. Ich will nicht darüber sprechen, was passiert ist und wie ich mich dabei fühle. Ich will endlich weitermachen. Ich will meinen Alltag zurück. Meine Freunde gehen wieder zur Schule, während ich den ganzen Tag rumsitze und von meiner Mutter rund um die Uhr bevormundet werde. Wenn das noch lange so weiter geht, werde ich wirklich die Hilfe eines Psychiaters brauchen, weil mich das vollkommen wahnsinnig macht!" "Ich bin mir nicht sicher, ob du schon bereit bist, wieder zur Schule zu gehen, Inuyasha." "Sie müssen es ja wissen", erwidert er trotzig und verschränkt die Arme vor der Brust. "Die schulischen Räumlichkeiten sind voller Erinnerungen. Es kann sein, dass du das nicht verkraftest und du neigst zu aggressivem Verhalten." "Die Räumlichkeiten bei mir Zuhause sind viel schlimmer", protestiert er. "Meine Eltern haben aus dem Schlafzimmer meines Bruders so eine Art Schrein gemacht. Niemand darf den Raum betreten, sie weigern sich etwas darin zu verändern. Wenn Sie mich fragen, sollten Sie besser mit ihnen sprechen. Nicht mit mir." "Ich spreche mit vielen Jugendlichen über das Thema Verlust. Manchmal hindern sie Schuldgefühle etwas loszulassen. Manchmal auch Angst oder Wut. Manchmal auch alles zusammen. Das ist ganz normal. Sesshoumaru existiert für dich immer noch. Und für deine Eltern ebenfalls. Du hattest kein gutes Verhältnis zu deinem Bruder und die Schuld an seinem Tod belastet dich sehr, auch wenn du das nicht zugeben willst. Aber du kannst diese Gefühle hinter dir lassen. Ich denke du solltest dich mal ausführlich mit ihm unterhalten." Inuyasha runzelt verwirrt die Stirn. "Nun, dafür ist es zu spät." "Vielleicht auch nicht", antwortet sie ruhig. "Stell dir vor, dein Bruder wäre hier bei uns. Er wäre hier mit uns in diesem Raum und sitzt direkt neben dir. Worüber würdest du mit ihm sprechen?" "Kommen die Leute nicht normalerweise zu Ihnen, weil sie aufhören wollen mit toten Menschen zu reden?" "Versuche es, Inuyasha. Was würdest du Sesshoumaru sagen wollen?" "Dass die Zeit um ist." Er steht auf. Für ihn ist die Sitzung beendet. Tick, Tack. Piep, Piep, Piep. "Ich werde weiter machen", sagte Inuyasha leise. Er prägte sich Kikyos Anblick noch einmal genau ein. Friedlich schlafend. So würde er sie in Erinnerung behalten. "Aber ich werde dich nie vergessen", versprach er ihr flüsternd. Er hob ihre Hand und drückte ihr einen liebevollen Kuss auf den Handrücken. Es schien, als gebe es nichts mehr zu sagen, und Inuyasha verließ schweigend das Zimmer. Kapitel 26: Nachtprogramm ------------------------- Es hatte bereits angefangen zu dämmern, als Inuyasha den Schlüssel im Schloss umdrehte und die Haustür öffnete. Im Flur zog er sich die Jacke aus und ließ sie vor der Garderobe auf den Boden fallen. Seine Schuhe streifte er sich von den Füßen und ließ sie mitten im Weg stehen. Er rümpfte kurz die Nase. Ein seltsamer, undefinierbarer Geruch kam aus der Küche. Die Hausangestellte schlich um die Ecke, begrüßte ihn höflich und kniete sich hin, um seine Jacke aufzuheben. "Lassen Sie das liegen!", rief Inuyasha laut. Die Frau zuckte zusammen und schaute mit weit aufgerissenen Augen zu ihm hoch. "Nein", befahl er, als sie erneut versuchen wollte, nach seiner Jacke zu greifen. "Nicht anfassen. Stehen Sie auf. Aufstehen." Verwirrt richtete sie sich wieder auf. "Ist Kagome schon da?" "Ja, sie ist vor einer Stunde eingetroffen", antwortete sie nickend. "Alles klar, Sie können dann gehen." "Was sagten Sie?" "Gehen Sie nach Hause, machen Sie sich ein paar schöne Tage. Ich gebe Ihnen die restliche Woche frei. Und wenn Sie sich nicht verquatschen, wird meine Mutter es nie erfahren." Unentschlossen stand sie da und überlegte ob er bloß scherzte. Nachdem er ihr versichert hatte, dass er es ernst meinte, packte sie langsam ihre Sachen zusammen und ging. Daraufhin betrat Inuyasha die Küche und runzelte irritiert die Stirn. Kagome stand am Herd und schenkte ihm ein Lächeln, als sie ihn bemerkte. "Da bist du ja. Hast du alles erledigen können?", fragte sie und hob den Deckel vom heißen Kochtopf. Eine Dampfwolke stieg empor und mit einem Kochlöffel rührte sie durch den Inhalt. "Ähm, ja. Was zur Hölle machst du da?" "Ich habe für dich gekocht." "Warum?" "Weil-", begann sie und stockte kurz. "-weil ich nunmal etwas Nettes für dich tun wollte. Ray und sein Vater haben mir im Restaurant ein paar Rezepte gezeigt und da war ich in Kochlaune." "Okay", murmelte Inuyasha und beäugte skeptisch die zähe Pampe, die Kagome sorgfältig auf zwei Tellern arrangierte und auf die Theke stellte. Sie setzten sich nebeneinander auf die Barhocker. Kagome lächelte in sich hinein, als sie daran dachte, wie sie hier nachts gemeinsam heißen Tee getrunken und sich unterhalten hatten. Gespannt beobachtete sie Inuyasha dabei, wie er den ersten Bissen nahm. "Und schmeckt es dir?" Er kaute langsam und ließ seinen Blick zwischen ihr und der Deckenleuchte wandern, als würde er angestrengt nachdenken. "Also", murmelte er noch leicht kauend und schluckte schließlich. "Es schmeckt interessant." "Interessant im Sinne von köstlich?", fragte sie verdutzt. Inuyasha griff schnell nach seinem Glas Wasser und trank es komplett aus, bevor er ihr gestand: "Interessant im Sinne von mies." "Wie bitte?" "Das ist das Widerlichste, was ich je gegessen habe", erklärte er und sie verzog beleidigt das Gesicht. "Du bist so gemein!" "Ich bin nur ehrlich! Aber bitte, ich sehe dir gerne dabei zu wie du dieses Zeug runterkriegst." "Das wirst du!" Sie griff nach ihrem Besteck und schaufelte sich eine große Menge in den Mund. "Und?", fragte Inuyasha grinsend. "Mhrhm." Sie kaute zweimal, und wirkte ziemlich entmutigt. Eifrig schnappte sie sich eine Serviette und spuckte den zerkauten Brei ins Papier. "Oh, Gott", hauchte sie und trank ebenfalls einen Schluck. Inuyasha lachte laut. "Ha! Du konntest es nicht einmal runterschlucken." Niedergeschlagen begann sie die Teller wieder abzuräumen. Die Röte stieg ihr ins Gesicht, das war ihr furchtbar peinlich. "So schlimm ist es nicht, Kagome", versuchte Inuyasha sie aufzumuntern und half ihr dabei, die wenigen Teile abzuspülen. "Ich wollte dir so gerne etwas Leckeres kochen. Was essen wir denn jetzt? Ich war so selbstsicher, dass ich die spanische Köchin weggeschickt habe." "Wir machen einfach das, was schon die Steinzeitmenschen in so einer Situation getan haben." "Und das wäre?", fragte Kagome. Er griff nach seinem Telefon und wählte eine Nummer. "Wir bestellen eine Pizza." Kagome lächelte erleichtert und erwähnte nicht die Tatsache, dass er die Nummer scheinbar auswendig konnte. Er hielt sich das Telefon ans Ohr und wartete kurz. "Hi Enzo, ich bin es", begrüßte er die Männerstimme. "Eine extra-große Pizza mit allem drauf, zwei Frühlingsrollen und pack ein paar von diesen kleinen Brötchen mit der widerlichen Butter ein. Bis gleich." Er legte auf und wandte sich wieder Kagome zu. "Wir können das Essen in einer halben Stunde abholen." "Abholen?" "Ja, Enzo hat keinen Lieferservice. Aber auf dem Weg liegt auch die Videothek, da können wir uns noch schnell einen Film ausleihen." "Machst du das immer so-" "-wenn meine Eltern weg sind?", beendete er ihre Frage. "Ja. Aber wenn dein Essen beim nächsten Mal besser schmeckt, könnte ich eine Änderung in Erwägung ziehen." "Das wird nicht nötig sein." "Wie meinst du das?" "Es wird kein nächstes Mal geben", antwortete sie zögerlich und Inuyasha starrte sie überrascht an. "Verstehe das bitte nicht falsch, aber ich würde lieber nicht mehr herkommen. Jetzt bin ich auch nur hier, weil ich bereits zugesagt hatte." "Oh." Er schluckte unauffällig. "Okay." "Deine Eltern wissen sowieso, dass ich nur eine Rolle spiele. Also wäre es doch ziemlich lächerlich damit weiterzumachen, findest du nicht auch?" Inuyasha nickte und wich ihrem Blick aus, sie schaute schuldbewusst drein. "Bist du wütend, deswegen?" "Was? Nein, quatsch. Es ist erstaunlich, dass du es überhaupt so lange ausgehalten hast. Mach dir keinen Kopf, alles okay." "Gut", seufzte sie erleichtert. "Ich ziehe mir schonmal die Jacke über." "Ja, ich komme gleich nach." Sobald Kagome die Küche verlassen hatte, holte Inuyasha sein Handy aus der Hosentasche und schrieb Ray eine knappe Nachricht. Das mit Kagome hat sich erledigt. Nach kurzer Zeit standen er und Kagome gemeinsam vor einem sorgfältig sortierten Regal in der Videothek und durchwühlten die vielen Filme. Es war schwer etwas zu finden, dass sie beide noch nicht kannten oder nicht zu langweilig erschien. Kagome fiel auf, dass Inuyasha seit ihrer Ansage vorhin irgendwie nachdenklich und deprimiert wirkte, darum suchte sie nach etwas was ihn aufmuntern könnte. Sie schlenderte etwas durch den Gang und hielt bei den neuen Filmen, frisch aus dem Kino. Einer stach ihr sofort ins Auge. "Was hältst du von dem?" "Sieht aus wie ein Horrorfilm", stellte Inuyasha stirnrunzelnd fest. "Liegt vielleicht daran, dass es ein Horrorfilm ist." "Du weißt, dass ich Horrorfilme hasse und schlägst dann so einen Dreck vor?" "Das ist kein Dreck. Sango hat ihn im Kino gesehen und sie fand den richtig gut." In Wahrheit, fand Sango ihn schlecht und vorhersehbar und hatte sich den Film nur angeschaut, weil Miroku ihn unbedingt sehen wollte. Kagome war auch kein großer Fan von Horrorfilmen. Aber seit sie miterlebt hatte, wie Inuyasha sich verhielt, wenn Yori ihn wieder einmal zwang sich einen anzusehen, fand sie es mehr als nur amüsant. Er hatte eine unglaublich komische Art, einen Horrorfilm zu parodieren und ins Lächerliche zu ziehen. So würde es immerhin für sie ein lustiger Abend werden. "Leidet deine Freundin unter Geschmacksverirrung?" "Der Film soll sehr gut sein." "Gut, na dann viel Spaß", sagte er und kramte weiter durch das Regal. "Ich will den Film mit dir sehen", beharrte sie und er verdrehte die Augen. "Wieso, habe ich dir irgendetwas getan?" "Kennst du den Film schon?" "Nein." "Dann kannst du doch gar nicht beurteilen, ob er gut oder schlecht ist." "Na schön", grummelte er. "Aber solche Filme stecken voller Klischees. Autos, zum Beispiel, starten erst nach ein paar Versuchen und der Handyempfang ist immer grottig schlecht." "Vielleicht werden wir überrascht", versuchte Kagome ihn positiv zu stimmen, obwohl sie selbst nicht daran glaubte. "Die Protagonisten schleichen rückwärts durch die Gegend, damit sie den Feind auch ja auf einmal hinter sich haben, nicht etwa vor sich, zum abknallen. Frauen werden immer dann angegriffen wenn sie fast nichts anhaben", setzte er seine Liste fort und sie nickte. "Ja, ich habe es verstanden." "Auf die Frage: Hallo? Ist da jemand? Gibt es nie eine Antwort. Wer Ich komme gleich wieder! sagt, stirbt. In-" Kagome drehte sich zu ihm um und wiederholte deutlich: "Ich habe es kapiert, okay?" "In Badezimmern passieren grundsätzlich schlimme Dinge", beendete er seinen Satz ernst, folgte ihr zur Kasse und wieder hinaus. Die Nachtluft war kühl und angenehm und die Sterne funkelten am klaren Himmel um die Wette. Es war sehr ruhig, man konnte hauptsächlich die Wellen hören, wie sie gegen die Bucht krachten und sich in vielen einzelnen Tropfen zerstreuten. Gelegentlich fuhr ein einzelnes Auto an ihnen vorbei, sie begegneten einigen Leuten die mit ihren Hunden unterwegs waren und als sie an einem großen weißen Familienhaus vorbeigingen, hörte man lautes Geschrei und Geschirr das zerbrach. Inuyasha und Kagome wechselten einen kurzen Blick und liefen weiter friedlich nebeneinander her. "Wir sind da", sagte er schließlich und sie blickte sich fragend um. Sie konnte nirgendwo ein Restaurant oder eine Pizzeria entdecken, das war ein reines Wohngebiet. Inuyasha klopfte gegen ein niedriges Fenster von einem Wohnhaus. Daraufhin wurden die Vorhänge beiseite geschoben und das Fenster wurde geöffnet. Ein braungebrannter, attraktiver Mann lächelte sie mit blitzenden Zähnen an. "Ciao, Bella", grüßte er Kagome und wandte sich breit grinsend an Inuyasha. "Du sagtest nicht, dass du in so reizender Begleitung kommst, compagno. Dann hätte ich mich mehr herausgeputzt." "Sie ist eh viel zu jung für dich, alter Mann. Ist die Bestellung fertig?", fragte Inuyasha mürrisch. "Sie ist nicht zu jung für dich, sì?", fragte er und hob auffordernd die Augenbrauen. Kagome wurde rot vor Verlegenheit. "Maria", rief er über die Schulter ins Haus hinein. "Ist die Pizza fertig?" "Sì, testa di cazzo!", schrie eine Frauenstimme zurück und Enzo lachte, bevor er ihnen im italienischen Akzent erklärte: "Sie nennt mich Arschloch, ist das zu fassen?" Als er kurz verschwand um die Bestellung einzupacken, warf sie Inuyasha einen verwunderten Blick zu. Er hob die Schultern und erklärte: "Seine Pizza ist echt gut." Enzo reichte ihm eine kleine weiße Tüte und einen großen Pizzakarton durchs Fenster und nahm den eingerollten Geldschein entgegen. "Behalt den Rest." "Bene, grazie!", sagte Enzo, küsste seine Faust, klopfte zweimal auf sein Herz und zeigte dann auf Kagome, bevor er das Fenster wieder schloss. "Er hat Käsestangen dazu gelegt, er scheint dich wirklich zu mögen", stellte Inuyasha nach einem Blick in die Tüte fest. "Danke, Kagome." "Ähm, gern geschehen." Zwei Stunden später, war der offene und fettige Pizzakarton leer, die Frühlingsrollen waren bereits verputzt und Kagome knabberte gerade an der letzten Käsestange. Die breite Couch war überaus bequem und einen so großen Fernseher hatte sie im Leben noch nicht gesehen. Sehr Heimkinomäßig. Das hatte Vor- aber auch Nachteile, denn auf dem großen Monitor konnte man auch den kleinsten Bluttropfen nicht übersehen. Laute, panische Schreie erfüllten den Raum und Inuyasha wippte unruhig mit dem Fuß. Das Popkorn in der Schüssel auf seinem Schoß, raschelte durch die Bewegung. "Deine Freundin hat geschrien und ist verschwunden. Richtig, da muss irgendwas im Keller sein", sagte er mit beiläufigem Sarkasmus. Schmunzelnd beobachtete Kagome die hübsche Schauspielerin, wie sie die Kellertür öffnete und den Lichtschalter umlegte. Die Glühbirne flackerte kurz auf und knallte durch. Man konnte einen Schatten am Ende der Stufen vorbeihuschen sehen. Die Schauspielerin ging trotzdem hinunter. "Was ist dein Problem?", rief Inuyasha empört und warf eine handvoll Popkorn gegen den Fernseherbildschirm. "Ruf die Polizei- Zu spät, sie wird schon ermordet." Die Schauspielerin wehrte den Mörder mit Händen und Füßen ab und konnte aus dem Keller flüchten. Schreiend lief sie in den ersten Stock und versteckte sich im Badezimmer. Inuyasha knallte seine Handfläche gegen die Stirn und murmelte: "Statt durch die Haustür zu entkommen, läuft sie die Treppe rauf. Ja, das ist clever." Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Mörder den Duschvorhang beiseite schob und mit einem irren Lachen sein Opfer zerstückelte. "Oh, sie wird äußerst detailreich in Stücke gesägt. Und wo passiert es? Im Badezimmer. Natürlich. In der Küche wäre das ja auch unappetitlich." Dramatische Musik untermalte, wie der Mörder mit seinen blutigen, schwarzen Handschuhen die Haustür hinter sich schloss und mit der Säge über der Schulter die dunkle Straße entlanglief. Schwarze Ausblendung und der Abspann lief an. "Er hat es geschafft", sagte Inuyasha aufgebracht. "Er hat fünf Studentinnen umgebracht und kein einziger Nachbar hat sich über den Lärm von der Kettensäge beschwert. Das ist ziemlich unrealistisch. Und wenn du sagst, dass du den Film gut findest, hole ich meine Axt und beende es hier und jetzt." Kagome lachte amüsiert auf und stoppte den Abspann mit der Fernbedienung. "Warum regen dich Horrorfilme so sehr auf?", fragte sie interessiert. "Weil- das ist doch scheiße!", beschwerte Inuyasha sich und stellte die Popkornschüssel auf den Tisch. "Am Ende des Films ist jeder tot und der Mörder kommt davon. Wer will sowas schon sehen? " "Du magst also Happy Endings", stellte Kagome lächelnd fest und begann damit den Müll einzusammeln. "Jeder mag Happy Endings", bestätigte er. "Lass es liegen." "Warum?" "Weil niemand hier ist, den es stört." "Aber es ist doch unnötig, das Zeug so liegen zu lassen." "Bitte, Kagome. Ich habe nur einmal im Jahr die Gelegenheit, so richtig Chaos anzurichten. Ich räume es später weg, lass es liegen." "Na, schön." Seufzend ließ sich Kagome wieder auf die Couch fallen und landete dicht neben Inuyasha. "Und was jetzt?" Er drückte kurz auf der Fernbedienung herum und die Spätnachrichten erschienen auf dem Bildschirm. "Durch die Kanäle zappen, bis wir was Gutes finden?" "Okay", nickte sie und kuschelte sich noch mehr in die Kissen hinein. Eine Weile ging Inuyasha die verschiedenen Sender durch. Gelegentlich hielt er bei einem witzigen Werbespot, einer spannenden Frage während einer Quizshow oder bei einer guten Szene eines Spielfilms, bis dort die Werbung anlief und er wieder von vorne anfing. Als er die erste pornografische Werbung sah, schaute er kurz auf die Uhr. Es war schon ziemlich spät. "Ruf jetzt an!", stöhnte eine Frauenstimme und eine grell leuchtende Telefonnummer erschien. "Ich kann nicht mehr warten. Ich brauche dich. Jetzt! Ah!" Plötzlich rutschte Kagomes Kopf auf seine Schulter. Er zuckte leicht zusammen. "Hey." Er hob die Schulter leicht an. "Bist du eingeschlafen?" Keine Antwort. Er wackelte noch ein paar mal, aber Kagome rührte sich nicht mehr. "Der Sandmann ist gut unterwegs. Hast wohl etwas zu viel erwischt", murmelte er. Dann griff er nach ihrer Schulter und versuchte noch einmal sie wach zu rütteln. "Das gibt es nicht. So fest kann doch niemand-" Er brach seinen Satz ab und erstarrte, als Kagome sich zu ihm drehte und an ihn klammerte. Ihr Kopf lag schließlich auf seiner Brust, ihr nacktes Bein hatte sie auf seinem Schoß abgelegt und so wie sie nun halb auf ihm lag, konnte er ihr direkt in den Ausschnitt glotzen. "Das machst du doch absichtlich", grummelte Inuyasha frustriert. Sie musste sich ja unbedingt schon ihre knappen Schlafsachen anziehen. "Ah! Geile Schlampen wollen, dass du es ihnen besorgst. Ruf jetzt an und erhalte fünf Gratisminuten. Ruf an! Sofort!" Inuyasha griff eilig nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Vorsichtig legte er den einen Arm unter ihre Beine und den anderen um ihre Schulter. Sie zeigte keinerlei Regung. Nur ihre Brust, hob und senkte sich beim atmen. Inuyasha zwang sich, nicht hinzusehen. Dann hob er sie hoch und trug sie die Stufen hinauf in den ersten Stock. Vor der geschlossenen Tür des Gästezimmers angekommen, stellte er sich so hin, dass Kagomes Fuß auf der Türklinke lag. Er ging etwas in die Knie und die Klinke wurde hinuntergedrückt, die Tür war offen. Im dunklen Zimmer beugte er sich soweit hinunter, bis ihr Kopf den Lichtschalter erreichte, die Wandleuchte ging an. Inuyasha grinste triumphierend. Erleichtert, dass Kagome nach alldem noch immer tief und fest zu schlafen schien, legte er sie ins Bett und deckte sie zu. "Falls ich herausfinden sollte, dass du gar nicht schläfst und nur so tust als ob, weil du zu faul warst die Treppe hochzulaufen, wirst du das bereuen", drohte er ihr im Flüsterton. Ihre Mimik ließ in keinster Weise andeuten, dass sie ihn verstanden hatte und er setzte sich neben das Bett auf den Fußboden. "Ich habe Besseres zu tun, als dich durch die Gegend zu tragen. Zum Beispiel einen Weg zu finden, dir etwas sehr Wichtiges zu sagen. Aber dieses Zeitfenster hat sich wohl geschlossen. Morgen früh bist du weg, dann beginnt das nächste Jahr in der Schule und nichts wird sich ändern. Du wirst mir weiter auf die Nerven gehen und ich werde weiterhin unseren Streit provozieren. Ich habe zu lange gewartet. Dabei brauche ich dringend einen Neuanfang." Er lauschte einige Minuten lang dem Klang ihrer ruhigen und gleichmäßigen Atmung und musste dabei an Kikyo denken. Sie tat in diesem Moment genau das Gleiche. Atmen und schlafen. Seine Augen wurden langsam immer schwerer und er stützte seinen Kopf mit der Hand ab. "Ich bin so weit", murmelte er schläfrig vor sich hin. "Sei mein Neuanfang, Kagome." Als Kagome am nächsten Morgen aufwachte und Inuyasha direkt vor ihrer Nase liegen sah, dachte sie einen Augenblick lang, ihr würde vor Schreck das Herz aus der Brust springen. Sie atmete ein paar Mal beruhigend ein und aus. "Inuyasha?", fragte sie schließlich leise und tippte mit dem Zeigefinger gegen seinen Rücken. Er saß auf dem Boden, sein Oberkörper lag auf der Matratzenkante. "Inuyasha!", rief sie lauter und er hob schnell den Kopf von den Armen. "Was? Ich schlafe nicht", sagte er schnell und blickte sich schlaftrunken um. "Warum schläfst du vor meinem Bett?" "Weil es so anstrengend war, deinen Körper vom Wohnzimmer hier hinauf zu kriegen, dass ich sofort eine Pause gebraucht habe", antwortete Inuyasha, rieb sich die Augen und gähnte und streckte sich. "Und da bist du sofort eingeschlafen, ja?", fragte sie ungläubig. "Warum hast du die vorherige Nacht auf meiner Couch übernachtet?", konterte er und sie erwiderte trotzig: "Weil ich müde war und du mich nicht gehen lassen wolltest!" Inuyasha stand ächzend auf. Das war eine unbequeme Schlafposition gewesen. Nicht zu empfehlen. "Vielleicht sind wir schon so daran gewöhnt, gemeinsam in einem Raum zu schlafen, dass es schon gar nicht mehr anders geht", überlegte er. Falls du heute Abend nicht einschlafen kannst, weißt du woran es liegt." "Ach ja, heute geht mein Flug", rief sie sich ins Gedächtnis und schaute auf den kleinen Radiowecker auf dem Nachttisch. Es war sieben Uhr morgens. "Und du verbringst die Weihnachtstage wirklich allein?" "Fängst du schon wieder damit an. Ich sagte doch, dass ich es toll finde wenn ich mal sturmfreie Bude habe. Warum willst du mir das mies reden?" "Das will ich doch gar nicht", protestierte Kagome, schlug die Decke zurück und stand ebenfalls auf. "Lass mich raten was du tun wirst, sobald ich weg bin. Ähm, faulenzen, essen, faulenzen und Heilig Abend nachher verbringst du allein vor dem Fernseher, richtig? Das ist furchtbar! Da solltest du lieber den Flug nehmen und Weihnachten gemeinsam mit mir und meiner Familie feiern, so wie es sich gehört." Inuyasha stutzte und überlegte kurz. Dann nickte er mit gerunzelter Stirn. "Ja." "Was, ja?" "Ja, warum nicht. Fliege ich eben mit dir zurück nach Japan." "Äh, also-", stotterte sie erstaunt. "Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass du jetzt ja sagst." "Also willst du nicht, dass ich mitkomme?" "Doch, ich- ich müsste nur meine Eltern anrufen und sie um Erlaubnis fragen. Und du musst innerhalb einer Stunde abreisefertig sein." "Kein Problem, das Packen geht schnell und ein Ferngespräch mehr oder weniger wird meinem Vater nicht auffallen." "Okay", hauchte sie und blickte ihn entgeistert an. "Okay, dann bis gleich." Inuyasha verließ das Gästezimmer und lief die Treppe hinauf. Er stürmte in sein Zimmer, zog seinen Koffer aus dem Schrank und warf ihn in die Mitte des Raumes. Dann kramte er sein Handy hervor und wählte schnell eine Nummer. "Hallo?", fragte eine verschlafene Stimme. "Das mit Kagome, hat sich doch noch nicht erledigt", sagte Inuyasha und warf eilig alles Nötige in den offenen Koffer. "Ich dachte, sie hätte vielleicht die Schnauze voll von mir, weil sie nicht mehr herkommen möchte, aber jetzt hat sie mir angeboten, Weihnachten bei ihr zu verbringen, also habe ich vielleicht doch noch eine Chance. Zumindest habe ich so mehr Zeit." "Wieso bietet sie dir an, Weihnachten bei ihr zu verbringen?", fragte Ray langsam. Er war offensichtlich noch nicht ganz wach. "Weil sie glaubt, ich würde den Abend sonst alleine verbringen." "Aber das tust du nicht. Du verbringst Heilig Abend jedes Jahr bei uns." "Ich glaube, das habe ich ihr gegenüber nicht erwähnt. Sag deinen Eltern Bescheid, dass ich nicht da sein werde." "Schon klar", murmelte er. "Und du glaubst das wird was? Schließlich verlierst du so deinen Heimvorteil." "Vielleicht war der Heimvorteil das Problem", meinte Inuyasha und schloss den Koffer. Kapitel 27: Familientradition ----------------------------- "Sicher, dass das geht?" "Ja, kein Problem. Geh weiter." Kagome steckte die abgebrochene kleine Rolle von ihrem Koffer in die Jackentasche und folgte Inuyasha, der ihr Gepäck leichtfertig für sie trug, weiter durch die lange Flughafenhalle. Der internationale Flughafen von Tokyo-Narita war sehr belebt. Viele kleine Geschäfte, eng aneinander gereiht, hatten ihr vielfältiges Sortiment in den Schaufenstern ausgestellt und waren bereits zu den frühen Abendstunden hell erleuchtet. Einige Menschen kauften sich für die Reise noch ein Buch oder ein japanisches Souvenir für die Freunde. Ein Mann stand vor einem Kravattenständer und suchte verzweifelt nach einem passenden Ersatz, weil er an einem der Imbissstände gekleckert hatte. Kagome stellte sich vor, wie Studenten und junge Berufseinsteiger einen Flug nach Hause nahmen um die Feiertage bei ihren Familien zu verbringen. Wie Geschäftsleute zu Heilig Abend ihre Kinder mit Geschenken aus aller Welt verwöhnten. Und wie Weltenbummler noch schnell ein paar Blumen für die Fernbeziehung kauften. "Da vorne sind sie", sagte Kagome schließlich und zeigte auf ihre Eltern, die vorne am Eingang auf sie warteten. Ihr Vater hatte sie auch schon gesehen und aus seinem Lächeln wurde ein tiefes Stirnrunzeln. Inuyasha stellte ihren Koffer auf dem Fußboden ab und erwiderte den strengen Blick ihres Vaters furchtlos. "Hallo Mama, hallo Papa", grüßte Kagome und umarmte ihre Mutter fest, woraufhin diese glücklich lächelte. Als sie sich an ihren Vater wandte, beäugte er ihre Begleitung noch immer skeptisch. "Du bist ein Junge", stellte er schließlich fest. Inuyasha warf Kagome einen kurzen Blick zu und antwortete: "Als ich das letzte Mal nachgesehen habe war ich noch einer, stimmt." "Ich habe am Telefon doch gesagt, dass ich einen Freund mitbringe", erklärte sie. "Ja, aber ich dachte- weil du noch nie einen Jungen nach Hause mitgebracht hast, also-", stammelte er und schaute seine Tochter irritiert an. "Freut mich dich kennenzulernen", ergriff ihre Mutter schließlich das Wort und schüttelte Inuyasha freundlich die Hand. "Mein Name ist Yume." "Ja, ja sehr erfreut", grummelte ihr Vater und grüßte ihn ebenfalls mit einem festen Handschlag. "Ich bin Sairan." "Sie würden mich am liebsten ins nächste Flugzeug zurück setzen", erkannte Inuyasha. "Ehrlich gesagt, ja." "Papa!", rief Kagome verschämt. "Bitte sei nett." "Schon gut, tut mir leid. Aber um das direkt richtig zu stellen, du schläfst im Zimmer von ihrem Bruder, ist das klar?" Inuyasha und Kagome schmunzelten leicht und er nickte. "Kristallklar." "Also der Typ ist dein Freund?", flüsterte ihr Vater ihr später in der Küche ins Ohr. "Er ist ein Freund", verbesserte sie ihn und warf einen Blick über die Schulter. Inuyasha und ihr kleiner Bruder Souta, saßen gemeinsam vor dem Fernseher und spielten Videospiele. "Außerdem hat der Typ einen Namen." "Und du kennst ihn woher?" "Von meiner Schule. Er ist ein Klassenkamerad." "Und du warst in Kalifornien, weil?" "Weil ich ihn dort auf eine Weihnachtsfeier begleitet habe." "Als seine Freundin." "Als eine Freundin", seufzte Kagome und verdrehte genervt die Augen. "Jetzt lass sie doch zufrieden", unterbrach ihre Mutter und rührte die Soße im Kochtopf um. "Dieses Kreuzverhör ist furchtbar." "Ich will im Leben unserer Tochter bloß auf dem neuesten Stand bleiben", verteidigte er sich und fuhr damit fort, die Kartoffeln zu schälen. "Wir haben sie jetzt Monate lang nicht zu Gesicht bekommen. Wer weiß was da alles passiert ist." "Ähm, hallo? Sprich nicht so, als würde ich nicht mehr neben dir stehen. Und sobald sich etwas Gravierendes in meinem Leben ändert, verspreche ich dir, wirst du es erfahren." "Hast du gehört, Liebling? Sobald etwas Gravierendes passiert. Das heißt es besteht die Möglichkeit, dass sich etwas ändert und die vielen wichtigen Kleinigkeiten wird sie uns vorenthalten." "Ganz ehrlich, Papa. Halt den Mund", sagte Kagome. "Ja, Papa. Halt den Mund", unterstützte Yume ihre Tochter und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. "Also habe ich recht", murmelte er. Kagome drückte ihrem Vater einen Kuss auf die Wange und ging ins Wohnzimmer. "Ich habe gewonnen!", rief Souta in diesem Moment und hob stolz die Hände in die Luft. "Natürlich hast du gewonnen, ich habe keine Ahnung was ich da mache", erklärte Inuyasha und drückte wahllos auf die Knöpfe seines Controllers. Kagome setzte sich wortlos hinter die beiden. "Hast du wirklich noch nie Playstation gespielt?", fragte Souta staunend. "Ich dachte du scherzt bloß." "Ich kann mir den Blick meiner Mutter genau vorstellen, wenn sie erfährt, dass ich mit sowas spiele", sagte er, schaute Kagome wissend an und imitierte Izayois schockierte Antwort: "Oh Gott, du spielst diese Killerspiele?!" Daraufhin musste Kagome laut lachen. Mittlerweile kannte sie seine Mutter gut genug, um sich ihr Entsetzen ebenfalls vorstellen zu können. "Okay, zuerst erklärst du mir die Steuerung", sagte Inuyasha schließlich ernst. "Und dann mach ich dich fertig." "Als ob", schnaubte Souta und deutete auf die verschiedenen Knöpfe. "Springen, Angreifen, Blocken, Zauber oder Spezialattacke. Verstanden?" "Wird sich zeigen." Souta startete eine neue Runde in seinem überaus brutalen Kampfspiel. Er wählte seine Lieblingsfigur aus, einen großen muskulösen Kämpfer, der mit seinen bloßen Fäusten angriff. Inuyasha nahm eine eher unscheinbare Figur, deren Gesicht vermummt war und ein großes Schwert über der Schulter trug. Mit Kampfgeschrei und ausfallenden Ausdrücken schlugen die beiden Figuren erbarmungslos aufeinander ein. Die grünen Balken am oberen Rand färbten sich mit jedem Treffer ein Stück rot. Es dauerte einige Minuten und der Sieg war auch nur ganz knapp, aber Inuyasha hatte die nächste Runde tatsächlich gewonnen. "Anfängerglück", murmelte Souta. "Was heißt hier Anfängerglück?", fragte Inuyasha empört. "Ich habe dich fertig gemacht. So siehts aus." "Zwei von drei?" "Na, dann mach doch." "Es ist bloß ein Spiel", meinte Kagome verständnislos. "Wen interessiert es wer eine Runde gewinnt oder verliert?" "Pschschscht", säuselte Inuyasha und legte dabei seine Hand über ihre Augen. "Urteile nicht über Dinge, die du nicht verstehst." "Genau, Schwesterherz", bestätigte Souta und die nächste Runde begann. "Urteile nicht." Nach zwei weiteren Runden, hatte Kagome das kleine Fünkchen Interesse bereits wieder verloren und stand auf. Inuyasha und Souta beachteten, oder vielmehr bemerkten sie gar nicht. Sie stieg die Stufen zur oberen Etage hinauf und ging in ihr Zimmer. Sie wollte schnell ihren Koffer auspacken, bevor ihre Mutter auf diese Idee kommen und die Männerkleidung entdecken würde. Sie war gerade dabei, den Koffer mit dem verräterischen Inhalt unter ihrem Bett zu verstecken, als Inuyasha sie vom Flur aus sah und durch die offene Tür ins Zimmer trat. "Dein Großvater wollte mir gerade die Schuppe einer Meerjungfrau andrehen", sagte er stirnrunzelnd. "Die sollen Glück bringen", lächelte Kagome und stand vom Boden auf. Inuyasha schaute sich kurz um und seine Augen weiteten sich etwas. "Warte, ist das dein Zimmer?" "Ja, wieso?" "Das ist ja sowas von Pink", lachte er belustigt. Kagome zog eine beleidigte Schnute. "Na und? Hast du was gegen Pink?" "Nein, ich bin nicht farbenfeindlich", antwortete er beschwichtigend. "Es ist nur-" "Was?" "Den Großteil der letzten sechs Monate hast du damit verbracht, dich als Junge auszugeben", antwortete er etwas leiser. "Du ziehst dich an wie ein Junge, sprichst wie ein Junge- zumindest versuchst du es immer wieder- aber dein Zimmer ist Pink und voller-", er erstarrte kurz, grinste dann und hob etwas von ihrem Bett. "Plüschbären?" "Keine fiesen Bemerkungen über Teddy", mahnte sie und nahm ihm den kuscheligen Stoffbären aus der Hand. Zärtlich strich sie über seine Gebrauchsspuren und legte ihn zurück an seinen Platz. "Würde ich nie wagen", murmelte Inuyasha und öffnete hemmungslos die Türen ihres Kleiderschranks. "Das hast du nicht wirklich getragen, oder?", fragte er erstaunt und zog ein braves, blau kariertes Sommerkleid hervor. "Du hast ja wohl den Knall nicht gehört!", rief Kagome erbost. "Finger weg von meinen Sachen." "Pfui, was ist das für ein Pulli?" Er beachtete ihr Missfallen nicht und durchstöberte weiter ihre Garderobe. "Da sind ja Kätzchen drauf." "Das ist Hello Kitty, das war so Mode, okay?", nuschelte sie verlegen und wurde rot, als er schließlich ein pinkes Kleid entdeckte, das über und über mit Schleifchen verziert war. "Papas kleiner Engel, was? Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie du darin aussiehst." Kagome verzog genervt das Gesicht, während er das Kleid vor sie hielt. "Zieh es mal an." "Das werde ich jetzt nicht anziehen", zischte sie, griff nach dem Kleid und hängte es zurück an die Kleiderstange. "Reicht das langsam? Oder möchtest du noch deine Kommentare über meine Sockenschublade loswerden?" "Liebend gern", erwiderte er frech und wollte eine Schublade öffnen, doch Kagome drückte sie sofort wieder zu. Er konnte nur einen sekundenschnellen Blick auf ihre Unterwäsche erhaschen. "Spielverderberin", grummelte er und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Er blieb an einem kleinen Buch auf ihrem Nachttisch hängen. Kagome folgte seinem Blick und wirkte erschrocken, als sie erkannte was er entdeckt hatte. Sie wechselten einen schnellen Blick und spurteten gleichzeitig auf den Nachttisch zu. Sie hatte das kleine Büchlein fast gepackt, da schubste Inuyasha sie zur Seite und sie landete weich auf dem Bett. Er schnappte sich das Buch und wich grinsend ein paar Schritte zurück. Seufzend richtete sie sich auf. "Liebes Tagebuch", begann er räuspernd und tat so, als würde er das Buch öffnen. "Heute haben sich ein rosa Disney-Häschen und einer der Pixar-Vögel im Wald gestritten. Ich konnte die Zankereien schlichten, aber ich fürchte der finstere Lord von Schreck könnte den Zwiespalt ausnutzen-" "Das ist kein Tagebuch", unterbrach Kagome ihn schmunzelnd und er stockte. Fragend schaute er von dem Buch zu ihr und nickend gab sie ihm schließlich die stumme Erlaubnis, es sich anzusehen. Er öffnete die Mitte des Buches und wirkte irritiert, als er den Inhalt sah. Das war die Skizze eines Baumes. Auf der nächsten Seite war eine sehr detailierte Zeichnung eines Rotkehlchens abgebildet. Er schaute kurz auf. "Die sind gut." "Ja, meinst du?", fragte Kagome zögerlich und zeigte dabei eine ungewöhnlich verletzliche Seite. Sie fuhr mit ihren Fingern über ihren Hals und Inuyasha wandte seine Aufmerksamkeit schluckend wieder dem kleinen Büchlein zu. Er blätterte weiter und drehte das Buch gelegentlich. Zeichnungen von Luftschlössern und Fabelwesen, Skizzen einer Schaukel und eines Hochhauses und vereinzelte kurze Texte. "Da stehen ja sogar richtige Gedichte drin", staunte er und setzte sich neben sie auf das Bett. "Ach, das sind nur ein paar Reime, nichts weiter", stammelte Kagome verlegen. "Du hast mir überhaupt nicht erzählt, dass du künstlerisch begabt bist." "Spinn nicht rum", meinte sie und nahm das Buch wieder an sich. "Das sind bloß einige Gedanken und Träume. Nichts Wichtiges." "Wie lange machst du das schon?" "Ein paar Jahre, schätze ich." "Mach weiter damit", forderte er und lächelte sie an. "Die sind wirklich richtig gut." "Dankeschön", hauchte sie leise. Sie schauten sich einen Moment lang in die Augen. Kagome wollte es nicht zugeben, aber Inuyashas Zuspruch, ließ ihr Herz wild schlagen. Sie hatte die Skizzen bisher noch niemandem gezeigt, darum bedeutete es ihr umso mehr. Ein aufforderndes Räuspern störte die friedliche Zweisamkeit. Die beiden schauten hinüber zur Tür, wo Sairan im Rahmen stand und griesgrämig auf Inuyasha starrte. Es gefiel ihm offensichtlich gar nicht, dass er auf dem Bett seiner Tochter saß. "Das Essen ist fertig", knurrte er. "Okay, danke Papa. Wir kommen gleich runter." "Es ist aber jetzt fertig. Nicht gleich." Kagome warf ihm einen vielsagenden Blick zu und widerwillig verschwand ihr Vater wieder. "Tut mir leid", seufzte sie. "Ich weiß nicht, warum er sich so unverschämt aufführt." "Er ist eben um dich besorgt. Das kann ich verstehen", erwiderte Inuyasha gelassen. "Na ja, ich hoffe jedenfalls er verdirbt dir nicht die Laune. Wäre schade wenn du deinen Besuch bei mir bereuen würdest." "Soll das ein Scherz sein? Ich finde es toll hier", antwortete er begeistert. "Ich hoffe auch, du hast kein Problem damit auf einer Luftmatratze zu schlafen." "Echt jetzt?", fragte Inuyasha mit großen Augen. "Cool." "Nein", lachte Kagome und stand vom Bett auf. "Das sollte ein Scherz sein. Souta hat ein Doppelstockbett." "Oh", murmelte er enttäuscht. "Schade." "Ich hätte nie gedacht, dass sich jemand darüber beschwert in einem richtigen Bett schlafen zu können." "Ich dachte ich erlebe hier was." Inuyasha folgte Kagome aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. "Aber richtige Betten? Wie langweilig." Das abendliche Weihnachtsessen fiel sehr üppig aus und man konnte sofort sehen, wie viel Mühe sich Kagomes Mutter damit gemacht hatte. Als alle ihr versicherten wie sehr es ihnen schmeckte, lächelte sie erleichtert und zufrieden. Inuyasha ärgerte Kagome kurz damit, dass sie ihre Kochkünste nicht von ihrer Mutter geerbt haben konnte, woraufhin sie ihr Gesicht beleidigt verzog. Während des Essens ging es nicht still oder streiterisch zu, wie bei Inuyasha Zuhause. Eher im Gegenteil, es herrschte eine ausgelassene und fröhliche Stimmung. Kagomes Großvater erzählte schaurige Gruselmärchen aus alten Zeiten, die von Dämonen und Verwünschungen handelten. Souta sprach aufgeregt über sein Fußballtraining und welche Erfolge er beim letzten Mal für sich verbuchen konnte. Sairan, ihr Vater sprach mit Kagome über seine Schiffsreisen bei der Handelsmarine und ihre Mutter fragte sie, ob sie neue Schulsachen oder Kleidung für das neue Jahr brauchte. "Wann gibt es endlich Geschenke?", drängte Souta nach dem Essen. "Scheinbar jetzt", sagte Sairan und wuschelte seinem Sohn durch die Haare, bevor er aufstand und seiner Frau dabei half den Tisch abzuräumen. Daraufhin gingen alle in den Flur und zogen sich ihre Jacken an. "Was ist denn jetzt?", fragte Inuyasha verwirrt. Kagome lächelte und flüsterte geheimnisvoll: "Das wirst du schon sehen." Er folgte der Familie über das Tempelgelände. Es war bereits stockfinster und eine trockene Eiseskälte lag in der Luft. Vor einem großen Baum blieben sie schließlich stehen. Inuyasha beobachtete Sairan dabei, wie er an einer Kabelrolle hantierte und kurz darauf erhellten sich die Zweige des Baumes. Erst jetzt konnte man sehen, dass er mit glitzernden Lichterketten und Weihnachtsschmuck verziert worden war. Vor der Umzäunung des Baumes lag eine kleine Geschenkpyramide. "Ja! Toll!", jauchzte Souta und hüpfte auf und ab. "Wundervoll", hauchte Yume und schaute mit leuchtenden Augen zur Baumkrone. Inuyasha runzelte die Stirn. "Was soll das denn?" "Das ist der heilige Baum", erklärte Kagome. "Wie feiern alle Feste hier. Das ist unsere eigene kleine Tradition. Der Baum sieht schön aus, nicht?" "Das ist nicht einmal ein Tannenbaum", murmelte er, musste ihr aber recht geben. Es sah wirklich sehr schön aus. "Kagome!", rief ihr Großvater und hielt ihr ein, in glänzende grüne Folie, verpacktes Geschenk entgegen. "Das hier ist von mir. Los, mach es auf." "Oh, nein", seufzte sie leise und schmunzelte. "Mal sehen, welche Abscheulichkeit er mir dieses Mal schenken will." Inuyasha drückte seine Hände in die wärmenden Jackentaschen und ließ seinen Blick über die Szenerie schweifen. Er beobachtete Kagome eine Weile, wie sie glücklich weitere Geschenke mit ihrer Familie austauschte. Er atmete die frische Nachtluft tief ein und entfernte sich einige Schritte, um die Familie nicht zu stören. Nur vereinzelte Laternen erleuchteten die Gebäude und die Wege auf dem Gelände teilweise mit künstlichem weißen Neonlicht. Geschneit hatte es bisher nicht und alles andere um den Baum herum wirkte sehr düster und verloren. "Du bist heute Abend so zurückhaltend und still." Inuyasha drehte sich überrascht um. Kagome stand wieder neben ihm, die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt und freundlich lächelnd. "Ja, stimmt" gab er zu. "Beim Essen hast du kaum was gesagt." "Hm, hab gekaut." Aus einiger Entfernung konnten sie Souta wieder lachen hören. Er tat zwar immer sehr erwachsen, aber an Heiligabend freute er sich genau wie jedes andere Kind über seine Geschenke. "Warum ist ausgerechnet dieser Baum hier heilig?", fragte Inuyasha schließlich. "Das hat verschiedene Gründe." Er schaute Kagome prüfend an und nickte wissend. "Du weißt selbst nicht warum." "Er ist heilig und Basta!", zischte sie mit roten Wangen, verlegen weil er sie durchschaut hatte. "Hier, das ist für dich." Hinter ihrem Rücken zog sie ein schmales, schlicht verpacktes Geschenk hervor. Inuyasha starrte verblüfft darauf. "Ich habe es in einem Schaufenster, gegenüber vom Carson's gesehen und dachte, es gefällt dir vielleicht", erklärte sie und drückte es ihm in die Hand. "Eigentlich wollte ich es dir heute Morgen vor meiner Abreise geben, aber als du dich kurzum entschlossen hattest mitzukommen, habe ich noch gewartet. Mach es schon auf." Zögerlich entfernte er die durchsichtigen Klebestreifen und faltete das Geschenkpapier auf. Er zog ein Buch heraus, das in einen ledernen Umschlag gebunden war. "Das ist ein Fotoalbum", stellte er fest und blätterte durch die leeren Seiten. Das Papier war geriffelt und machte einen sehr hochwertigen Eindruck. Sie schenkte ihm tatsächlich ein Fotoalbum. Bisher hatte noch nie jemand so ein Interesse für sein Hobbie gezeigt, geschweige denn es auch noch unterstützt. "Für deine Lieblingsfotos", murmelte Kagome unsicher. "Ich weiß du hast sie alle in Ordner sortiert. Aber falls du einige Fotos machst, die es deiner Meinung nach wert sind- also, du weißt schon, wenn- ähm, es ist dumm, tut mir leid." "Nein, ist es nicht", widersprach er schnell. "Ich finde es toll, danke." Kagome lächelte erleichtert. "Okay, gut." "Ich habe nur leider nichts für dich." "Das macht doch nichts, das war ja auch eher ein Spontankauf. Ich finde es einfach nur schön, dass du hier bist." "Ja, ich auch", lächelte Inuyasha und drückte das Fotoalbum fest an sich. Kapitel 28: Gar nicht kompliziert --------------------------------- "Du wirst sie mögen. Sango ist klasse." "Sie arbeitet im Bowlingcenter?" "Sie hat sich damit ihren Auszug finanziert", erklärte Kagome und öffnete die Eingangstür zur Spielhalle. Sie führte Inuyasha die mit rotem Teppich ausgelegte Treppe hinunter, in die untere Etage. "Jetzt macht sie es, weil ihr der Job Spaß macht und sie sich etwas Geld für das Studium zurücklegen möchte." Unten angekommen öffnete sie eine weitere Tür und das erste was man hören konnte, war der typisch laute Knall einer Bowlingkugel die die Kegel umwarf. Zehn Bowlingbahnen lagen dicht beieinander und nahmen mindestens die Hälfte des Raumes ein. Dort standen runde Tische und breite Sitzecken, die zum verweilen einluden. In einer düsteren Ecke mit schummrigen Licht, standen einige Spielautomaten und ein alter Fußballkicker. Auf einer leichten Erhöhung waren drei Billardtische platziert. Eine große Bar in der Mitte dominierte den Raum. Eine kleine Gruppe junger Erwachsener saß auf den Barhockern und trank und lachte gemeinsam. Vereinzelte dunkle Gestalten, saßen zurückgezogen in einer Ecke und starrten ins halbleere Glas. Zur Mittagszeit war nicht sonderlich viel los. Inuyasha ließ sich von Kagome zur Bar ziehen, wo eine junge Frau gerade ein paar Gläser polierte. Sie lächelte, als ein Pärchen die Bowlingschuhe zurückgab und bezahlte. "Dankeschön, besuchen Sie uns bald wieder", rief sie ihnen hinterher und grinste breit, als sie Kagome entdeckte. Ihr entwich ein kurzes freudiges Kreischen und sie kam hinter der Bar hervor, um ihre beste Freundin kräftig in den Arm zu nehmen. "Ich habe das Gefühl dich seit einem ganzen halben Jahr nicht mehr gesehen zu haben", nuschelte sie in ihre Haare. Kagome lachte und drückte sie ebenfalls fest an sich. "Es war ein ganzes halbes Jahr, Sango." "Ich hatte schon fast vergessen wie du aussiehst. Beinahe hätte ich dich wie einen normalen Kunden begrüßt", sagte Sango und ließ Kagome schließlich wieder los. Dann bemerkte sie ihre Begleitung. "Das ist Inuyasha", stellte Kagome ihn schnell vor. "Hi", sagte er nur. Fragend schaute Sango zwischen ihm und Kagome hin und her und schien offensichtlich irritiert. Ihre Augen weiteten sich etwas, als ihr ein Gedanke kam, aber Kagome schüttelte unauffällig den Kopf um ihr zu signalisieren, dass es nicht so war, wie sie dachte. "Der Inuyasha?", fragte Sango schließlich. "Nein, der Andere", antwortete er mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. "Was glaubst du, wie viele Inuyashas sie kennt. Das ist ja nun nicht unbedingt ein gängiger Name." "Reizend", murmelte Sango ebenso sarkastisch und lächelte. "Du bist genauso, wie Kagome dich beschrieben hat." Inuyasha runzelte die Stirn und schaute Kagome fragend an. Hinter ihnen öffnete sich die Eingangstür und ein junger Mann trat zu ihnen. Er ging geradewegs auf Sango zu, legte einen Arm um sie und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. "Hallo, meine Schöne", sagte er und Sango lächelte verliebt. "Miroku", sagte sie. "Sieh mal, wer sich wieder blicken lässt." Er schaute zu Kagome hinüber und überlegte kurz. "Ayumi, richtig?" Kagome verzog beleidigt das Gesicht. "Nein? Stimmt, Yuka war es." Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich mach doch nur Spaß", lachte Miroku und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. "Schön dich zu sehen, Eri." Kagome kniff die Lippen zusammen und schlug ihn fest auf den Arm. "Autsch", knirschte er, rieb sich die schmerzende Stelle und grinste. "Der Schlag kann nur von Kagome sein, da besteht keinerlei Verwechslungsgefahr. Wie geht's dir, Kleine?" Widerwillig ließ sie sich von ihm ebenfalls in den Arm nehmen. "Das ist Inuyasha", sagte Sango. "Wer?" "Du weißt schon. Kagome hatte ihn mal erwähnt", deutete sie vorsichtig an. "Ihr Mitbewohner auf dem Internat." "Ah", nickte Miroku schließlich. "Der Inuyasha." "Habe ich irgendetwas verpasst?", fragte Inuyasha und Kagome lächelte verlegen. "Also, wollt ihr uns dann eure erste gemeinsame Wohnung zeigen? Ich bin schon ganz gespannt." "Meine Kollegin steht im Stau", seufzte Sango entschuldigend. "Ich muss eine Stunde länger arbeiten." "Schon wieder?", fragte Miroku ärgerlich. "Habt ihr was dagegen zu warten?" "Nein, wir können uns ja beschäftigen", beruhigte Kagome ihre Freundin und wies auf einen Kunden hin, der offensichtlich sein Glas auffüllen lassen wollte. Eilig lief Sango wieder hinter die Theke. "Also, Inuyasha", sagte Miroku auffällig gedehnt und Kagome warf ihm einen bösen Blick zu. Er benahm sich mal wieder unmöglich. "Hast du Lust auf ein kurzes Spiel?" Er deutete auf einen Billardtisch und Inuyasha zuckte mit den Schultern. "Ja klar, wieso nicht." Miroku ließ sich von Sango die Kugeln geben und führte die anderen zur Erhöhung. Das Licht über dem Tisch wurde eingeschaltet und die große blaue Fläche strahlte, während er die Kugeln in der Dreiecksform anordnete. "Bildest du mit Inuyasha ein Team, Kagome?" "Zwei gegen einen?", fragte Inuyasha überrascht. "Das macht überhaupt nichts", grinste Miroku wissend. "Kagome ist wahnsinnig schlecht, musst du wissen. " "Na, wenn ich so schlecht bin, spiele ich eben nicht mit", wandte sie sich ärgerlich ab und wollte zurück zur Bar gehen. "Nein, warte", hielt Inuyasha sie zurück und reichte ihr einen Queue. "Keine Sorge, ich bin gut genug für zwei." Fünf Minuten später sah Inuyasha stirnrunzelnd dabei zu, wie Kagome die Kugel verfehlte, die sie eigentlich hatte treffen sollen und eine andere versenkte. Einen kurzen Moment lang, lächelte sie stolz, bis Miroku sie darauf hinwies: "Ich denke nicht, dass du diesen Ball versenken wolltest." "Wir haben die Gestreiften, schon vergessen?", erklärte Inuyasha und ihr Lächeln erstarb, während ihr Stolz sich einen Strick holte. "Ich wollte ihm nur einen Vorsprung geben", murmelte Kagome. Sie ging einen Schritt zurück, als Miroku sich neben sie stellte- "Das ist sehr nett von dir, Kagome"- und die nächste Kugel versenkte. "Aber absolut unnötig. Habt ihr durst? Soll ich uns was zu trinken holen?" "Eine Cola", antwortete Inuyasha und versenkte eine von den halben Kugeln. "Ja, für mich auch." "Lass dir ruhig Zeit, Kagome." Das Grinsen hätte sie ihm am liebsten vom Gesicht gerissen. Sie beugte sich wieder über den Tisch und schlug mit dem Queue kräftig gegen die weiße Kugel. Sie verfehlte ihr Ziel um einen Meter, knallte gegen die Bande und rollte im Dreieck über den gesamten Tisch, ohne eine einzige Kugel zu treffen. "Was mache ich falsch?", fragte Kagome verzweifelt. "Okay, hier", sagte Inuyasha, nahm die weiße Kugel und legte sie wieder auf den Ausgangspunkt. "Ich zeig es dir." Sie zuckte leicht zusammen, als er sich hinter sie stellte, ihre Hand umgriff und ihre Haltung korrigierte. "Erstens, du hältst den Queue viel zu hoch. Zweitens, bist du viel zu ungeduldig beim Zielen." "Du willst mir was über Geduld beibringen?", schnaubte Kagome ungläubig und Inuyasha schaute sie eindringlich an. "Drei Cola, bitteschön", sagte Sango und reichte ihrem Freund ein Tablett mit den drei Gläsern darauf. Miroku zahlte mit einem Kuss. "Danke", hauchte er und wollte sich wieder abwenden, um zum Tisch zurückzukehren- "Warte!"- als Sango ihn am Ärmel festhielt und er beinahe das Tablett fallen gelassen hätte. "Was ist los?" "Schau doch." Sango wies auf die beiden am Billardtisch. "Na, sieh mal einer an", grinste Miroku erneut und stellte das Tablett wieder auf dem Tresen ab. "Die können uns nicht vorgaukeln, dass da nichts läuft." "Sie sehen süß zusammen aus", meinte Sango und beobachtete die beiden lächelnd. "Drittens", fuhr Inuyasha fort, "ist deine Körperhaltung viel zu verkrampft." Er löste ihre steifen Finger vom Griff des Queue und strich ein paar Mal über ihre Hand. "Was soll das, versuchst du den Queue zu erwürgen oder warum hältst du ihn so fest? Entspann dich." Das war leichter gesagt als getan, dachte Kagome und blinzelte nervös, als er sich mit ihr gemeinsam über den Tisch beugte. Sie merkte wie ihr Gesicht heiß wurde. Bestimmt war sie schon ganz rot geworden. "Versuche deine Hände zu entspannen", wiederholte er, richtete ihren Arm und visierte die Kugel an, sein Gesicht dicht an ihrem. "Du fixierst dich auf den gewünschten Winkel-" Gemeinsam zogen sie den Queue ein Stück zurück und ließen ihn dann nach vorne schnellen. "-Und dann stoßt du einfach." Die weiße Kugel berührte eine der Gestreiften und ließ diese über den Tisch rollen. Am Loch an der Ecke wurde sie sehr langsam und stand für einen kurzen Moment auf der Kippe. Doch schließlich rollte sie einen weiteren Zentimeter und mit einem leisen Poltern, verschwand sie in der Vertiefung. "Siehst du", lächelte Inuyasha und entfernte sich wieder von ihr. "Nicht schlecht." "Danke", hauchte sie und wandte sich eilig ab, als Miroku mit den Getränken zurück an den Tisch kam. "Bin ich dran?", fragte er und überblickte die Lage. "Nimm dich in Acht, Miroku", sagte Kagome frech. "Ich bin dir auf den Fersen." "Sango würde gerne kurz mit dir sprechen", antwortete er nur und lief demonstrativ um den Tisch herum, um sich für den klügsten Zug zu entscheiden. Kagome stellte ihren Queue an die Wand und lief mit eiligen Schritten zur Bar. "Was ist los?" Sango warf ihr Poliertuch empört auf den Tresen. "Wie kommst du eigentlich darauf, dass er nichts von dir will wenn er doch so offensichtlich mit dir flirtet!" "Da ist überhaupt nichts offensichtlich", beharrte Kagome und ihr war sofort klar, dass die beiden sie beobachtet hatten. Natürlich. "Ich verstehe es ja selbst nicht. Ich weiß nur, dass man in das was Inuyasha tut oder sagt, nicht hineindeuten und ihn damit nicht konfrontieren darf. Den Fehler habe ich schon gemacht." "Da braucht man nicht hineinzudeuten, Kagome, das ist absolut eindeutig. Hat sich sein allgemeines Verhalten dir gegenüber verändert?" "Ich weiß nicht", sagte Kagome und überlegte kurz. "Seit ein paar Wochen ist er nett, zuvorkommend, nicht mehr so streitlustig und-" "-und, was?" Sie musste unwillkürlich an den sonnigen Morgen im Ruderboot denken. Wie sie dicht beieinander von den Wellen hin und her gewiegt worden waren, die zärtliche Berührung seiner Hand, sein Blick. "Und ich glaube, er hat versucht mich zu küssen", gestand sie sich schließlich selbst ein und Sango riss die Augen und den Mund auf. "Ich bin mir nicht sicher", versuchte sie ihre Aufregung zu bremsen. "Okay, verstehe ich das richtig?", fragte Sango seufzend und schloss kurz die Augen um die Informationen zu sammeln. "Du stehst auf ihn und er steht auf dich. Wo bitte, liegt dann euer Problem?" "Keine Ahnung." Kagome lies die Schultern hängen. "Es ist komplizierter als es sich anhört. Inuyasha ist kompliziert." "Auf mich wirkt er gar nicht so kompliziert", erklärte Sango und linste an Kagome vorbei. "Er scheint ziemlich genau zu wissen, was er will." "Ich erkläre dieses Gespräch hiermit für beendet", meinte Kagome schließlich und wandte sich ab. "Ich bin dran. Die Jungs warten schon." "Ihr habt dort Tennisplätze und eine eigene Schwimmhalle?", fragte Miroku ungläubig, als sie wieder am Tisch war. Während ihrer Abwesenheit waren sie scheinbar ins Gespräch gekommen. Schnell entschied sie sich für ihren nächsten Zug. Sie lochte dieses Mal keine ein, traf aber eine der gestreiften Kugeln und sie rollte auch in die richtige Richtung. Immerhin. "Hattest du an deiner alten Schule wohl nicht?", schlussfolgerte Inuyasha und nickte Kagome anerkennend zu. Miroku zuckte nur mit den Schultern, beugte sich über den Tisch und erwiderte mit einer selbstverständlichen Gleichgültigkeit: "Dafür gab es da einen Basketballkorb." Inuyasha schmunzelte über Mirokus positive Einstellung und Kagome wertete dies als ein gutes Zeichen. Vielleicht wurden die beiden ja sogar Freunde. "Nicht erschrecken, Kagome. Wie gesagt, die Wohnung muss komplett renoviert werden", erklärte Sango, während sie die anderen in die oberste Etage führte. "Mein Vater hat uns schon bei den meisten Sachen geholfen, vorher sah es schlimmer aus. Jetzt muss nur noch komplett gestrichen und der Boden verlegt werden, dann können wir die Möbel aufbauen und uns langsam einrichten." Sie zückte die Wohnungsschlüssel, nachdem sie endlich, völlig außer Atem, angekommen waren. "Viele Treppen", brachte Inuyasha heraus und atmete tief ein und aus. "Das fünfte Stockwerk und kein Aufzug. Das wollt ihr euch wirklich jeden Tag antun?" "Sobald man die Wohnung betritt, ist die Anstrengung vergessen", versprach Sango und öffnete die Tür. Sie betraten einen geräumigen, mit Licht durchfluteten Raum. Rechts von der Wohnungstür aus, befand sich eine offene Küche, die durch eine lange Theke vom Eingangsbereich getrennt war und genügend Platz für eine Essecke anbot. Eine mit Buntglas besetzte Flügeltür führte in das zukünftige Wohnzimmer, wie Sango erklärte. Links und rechts von den Flügeltüren führte der Flur jeweils um die Ecke, wo sich rechts das angehende Schlafzimmer und das große Badezimmer, mit Dusche und Badewanne, befanden. Links entlang, ging es zum Arbeitszimmer oder vermutlich auch Gästezimmer. "Wir wollen dort eine Schlafcouch zum zusammenklappen reinstellen", sagte Sango und lotste Kagome und Inuyasha das kurze Stück Flur weiter entlang wo eine, nach morschem Holz riechende, alte Treppe weiter nach oben führte. Sie stiegen die Stufen hinauf und Sango öffnete eine Klappe an der Zimmerdecke. Helles, orangenes Sonnenlicht fiel auf sie hinab und sie traten hinaus ins kühle Freie. "Ihr habt eine eigene Dachterrasse?", fragte Kagome beeindruckt und drehte sich einmal um die eigene Achse. Der Sonnenuntergang warf ein wundervolles Licht- und Schattenspiel auf die Häuser der Stadt, auf die man einen großartigen Blick hatte. "Ich möchte hier gerne ein paar Blumen pflanzen und vielleicht ein paar bequeme Liegen für den Sommer aufstellen", träumte Sango weiter und man konnte ihr förmlich ansehen, wie sie alles bereits in Gedanken einrichtete. "Ich kann von hier aus, meine alte Schule sehen! Gleich da." Kagome zeigte in die Richtung und Inuyasha nickte. "Ich muss zugeben, ich habe die Anstrengung wirklich schon vergessen." "Ich kann es gar nicht glauben", meinte Kagome, löste sich von dem Ausblick und drehte sich zu Sango und Miroku, die breit grinsend Arm in Arm standen. "So viel Platz, für so wenig Geld? Wo ist der Haken?" "Die Renovierung war schon ziemlich kostspielig", antwortete Miroku. "Fast schon zu kostspielig. Aber wenn wir die nächsten Jahre hier bleiben, hat sich das gelohnt. Außerdem wohnen hier in der Gegend fast nur alte Leute und die Verbindung zur Innenstadt ist nicht das Wahre. Ich glaube die alte Vermieterin, wollte bloß ein paar junge, dynamische Menschen mit dem Preis in die Nachbarschaft locken." "Hier gibt es zumindest keine hübschen Nachbarmädchen, die Miroku belästigen kann während ich weg bin. Eine Sorge weniger." "Was?", fragte Inuyasha verwirrt. Sango lachte. "Miroku ist ein richtiges Schlitzohr und ein totaler Weiberheld, zumindest versucht er es gerne. Meistens erfolglos." "Bei dir hat es funktioniert", erwiderte Miroku stolz. "Das stimmt allerdings", kicherte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf sein Kinn. "Als die beiden sich das erste Mal begegneten", erklärte Kagome und drehte sich mit ihm wieder in Richtung des Sonnenuntergangs, "hat Miroku sie gefragt, ob sie ein Kind von ihm möchte." "Das ist ein Scherz", meinte Inuyasha und blickte stirnrunzelnd über die Schulter zu dem knutschenden Pärchen. "Nein, ich war selbst dabei. Ich kann es bestätigen." "Was hat sie geantwortet?" "Sie hat ihm eine geknallt", lachte Kagome. "Und daraufhin hat er mich gefragt." "Woraufhin Sango ihm noch eine geklebt hat?", riet Inuyasha und sie nickte. "Ganz genau." "Und jetzt sind sie ein Paar." "Jetzt sind sie ein Paar", wiederholte Kagome schmunzelnd. "Seltsam, wie das Schicksal manchmal zwei Menschen zueinander führt, nicht wahr?" "Ja", murmelte Inuyasha und beobachtete sie aus den Augenwinkeln. "Sehr seltsam." Kapitel 29: Farbenspiel ----------------------- Es schaut ihn mit großen aufgeweckten Augen an. Seine kleine Nase zittert. Inuyasha hält das Salatblatt in seiner kindlichen Hand und wedelt damit vor seiner Scnauze herum. Lange Öhrchen wackeln und drehen sich, sein Blick folgt der grünen Speise. "Jetzt gib dem Tier endlich sein Futter", drängt Sesshoumaru genervt und schaut herablassend auf ihn hinunter. Inuyasha sitzt auf dem Teppichboden im Büro seines Vaters, das Kaninchen direkt vor sich. "Aber Pepples beißt", jammert er und zieht das Salatblatt kurz vor seinem offenen Mund wieder weg. "Der beißt nicht, er will nur endlich sein Futter." Sein großer Bruder dreht sich auf dem Bürosessel wieder Richtung Schreibtisch und tippt weiter auf seinem Laptop herum. "Außerdem ist Pepples ein bescheuerter Name, dafür sollte er dich eigentlich beißen." "Das ist kein blöder Name!", widerspricht Inuyasha laut und ballt seine Hände zu kleinen Fäusten. "Er sieht aus wie ein Pepples und er mag seinen Namen." "Du musst ja nicht gleich rumbrüllen", sagt Sesshoumaru ohne sich umzudrehen, "Du gehst einem echt auf die Nerven." "Nein, nur dir- Ah!" Inuyasha zuckt erschrocken zusammen, als das Kaninchen plötzlich auf seinen Schoß springt. "Was soll das? Geh weg", ruft er und hebt die Hände hoch. Das Kaninchen schnuppert an seinem T-Shirt und stützt sich mit seinen Vorderbeinchen an ihm ab um sich höher aufzurichten. Seine Krallen bohren sich dabei durch den Stoff und Inuyasha versucht es abzuschütteln. Es streckt seinen Kopf weiter nach oben, um das Salatblatt in seiner Hand zu erreichen. "Nein, geh weg von mir." "Das ist nicht auszuhalten", seufzt Sesshoumaru, steht auf und packt das Kaninchen fest im Nacken. Er zieht es von Inuyashas Schoß und wirft es grob in seinen Käfig zurück. Mit geweiteten Augen und gesträubtem Fell sitzt es im Streu und atmet panisch ein und aus. "Nein, du tust ihm weh", murmelt Inuyasha. Sein Bruder nimmt ihm das Salatblatt aus der Hand und wirft es auf das Kaninchen. Es zuckt kurz zusammen, doch dann konzentriert es sich auf sein Futter und scheint sich wieder zu beruhigen. "Das war gemein von dir, Sesshoumaru." "Wolltest du das Vieh weg haben?" "Ja." "Und ist es nun weg?" "Ja", haucht Inuyasha traurig. "Dann bedanke dich gefälligst bei mir, das wäre ja wohl das Mindeste." "Nein, du bist nämlich gemein." "Unverbesserlicher Zwerg", sagt er und setzt sich wieder an den Schreibtisch. "Verschwinde jetzt, du störst mich." "Ich darf hier sein", protestiert Inuyasha stur. "Das ist nicht dein Büro, sondern Papas. Geh doch in dein Zimmer, du Blödmann." "Was willst du denn hier?", fragt Sesshoumaru arrogant und beobachtet aus den Augenwinkeln, wie Inuyasha wahllos einige Bücher aus den Regalen zieht und sie auf dem Boden übereinander stapelt. "Du richtest bloß Unordnung an. Das wird Vater nicht gefallen." "Nein, ich lerne. Damit ich später so klug bin wie du und Papa. Und dann arbeiten wir alle zusammen." Sesshoumaru schnaubt verächtlich. "Das kannst du gleich wieder vergessen, daraus wird nichts." "Warum nicht?" "Weil du einfach zu spät dran bist. Ich bin viel älter und weiter als du und es steht schon lange fest, dass ich allein Vaters Firma übernehmen werde. Für dich ist da kein Platz. Du wirst niemals in der Lage sein, mich zu übertrumpfen, also versuche es gar nicht erst. Eigentlich solltest du ja nicht einmal da sein." "Wie meinst du das?", fragt Inuyasha vorsichtig. "Im Gegensatz zu mir, warst du ein Unfall. Du warst nicht geplant. Du warst ein unvorhergesehener Zufall." "Ich bin ein Zufall?", wiederholt Inuyasha leise. "Such dir irgendein Hobby und versuche deinen eigenen Weg zu finden. Denn das ist meiner und den kannst du nicht haben." Inuyasha lässt das Buch aus seiner Hand fallen und geht zur Tür. "Du bist zum kotzen, Sesshoumaru. Ich will dich echt nicht mehr sehen." "Und du bist ein nerviger, kleiner Idiot, der nichts Vernünftiges zustande bringt. Räum die Bücher wieder zurück", ruft sein Bruder ihm noch hinterher, aber Inuyasha läuft bereits, mit zornigen Tränen in den Augen, hinaus. Die Tür knallt hinter ihm zu und er wachte auf. Was war denn das? Warum überkamen ihn plötzlich Erinnerungen von seinem Bruder? Er dachte kurz darüber nach und erinnerte sich, wie sehr er damals mit den Worten seines Bruders zu kämpfen hatte. Er hatte sich sogar Tagelang geweigert in seinem eigenen Zimmer zu schlafen und das Gästezimmer bevorzugt, welches auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses lag, weit weg von Sesshoumarus Schlafzimmer. Das alles nur, um ihm möglichst aus dem Weg zu gehen. Seinen Eltern hatte er davon nie erzählt. Über ihm im oberen Bett, schnarchte Souta laut vor sich hin. Eines seiner Beine hing über der Bettkante und sein Fuß schaukelte direkt vor Inuyashas Gesicht hin und her. Er runzelte die Stirn und zog sich die Decke über den Kopf. Es hatte ewig gedauert bis er endlich eingenickt war und bereits in der ersten Nacht in dem fremden Haus, hatte er kein Auge zu machen können. Der Traum seiner Erinnerung an sein vierjähriges Ich verblasste bereits wieder und schaffte Platz für weitere Bilder, die er eigentlich hatte vergessen wollen. Seufzend schloss er die Augen und ließ sich widerstandslos von ihnen überfluten. "Warte, das willst du anziehen?", fragte Kagome einige Stunden später. Sie stand in einem alten, schlabberigen Kapuzenpullover und einer grauen, verwaschenen Jeans am Küchentresen und schaute ihn verständnislos an. "Dir ist schon klar, dass wir renovieren, oder? Ich weiß nicht was du dir darunter vorstellst, aber du solltest lieber alte Kleidung tragen." "Ich habe aber keine alte Kleidung dabei", antwortete Inuyasha gelassen. "Wenn sie schmutzig wird, dann kaufe ich mir halt neue Sachen." "Na, wenn du meinst. Hier, du kannst mir helfen." Er ging auf sie zu und Kagome legte ein Holzbrett und ein scharfes Messer vor ihm ab. "Wobei?" "Ich will ein paar Bentos für heute zubereiten, falls jemand Hunger bekommt." "Versuchst du jemanden zu vergiften?", fragte Inuyasha ernsthaft besorgt. "Ich habe schon oft ein Bento gemacht und meine Freunde haben es bisher immer als köstlich befunden", murrte sie beleidigt. "Du kannst das Gemüse schneiden. Ich mache das Rührei." Inuyasha griff nach einer glänzenden roten Paprika und legte sie auf das Brett. "Ja, okay", murmelte er und drehte die Paprika ein paar Mal um und setzte das Messer an, nur um es wieder zurückzuziehen und einen neuen hilflosen Versuch zu starten. Kagome schaute ihn fragend an. "Hast du etwa noch nie Gemüse klein geschnitten?" "Nein, warum auch?", antwortete Inuyasha zerknirscht. "Wir haben eine Köchin, die das macht." Kagome runzelte die Stirn und Inuyasha bemerkte resigniert: "Das klang jetzt ziemlich hochnäsig, hab ich recht?" Sie nickte schmunzelnd, nahm ihm das Messer ab und zeigte ihm wie es geht. Nach dem Frühstück machten sie sich direkt auf den Weg zu Sangos und Mirokus neuer Wohnung. Inuyasha beschwerte sich erneut über die vielen Stufen und auch Kagome blieb kurz die Luft weg. Als sie in der oberen Etage ankamen, war die Wohnungstür weit geöffnet und Kagome lächelte glücklich, nachdem sie den Raum betreten hatten. "Da ist sie", sagte Sango und drei junge Mädchen drehten sich zeitgleich zu ihr um. "Kagome!", riefen sie simultan und nahmen sie nacheinander in den Arm. Die sportliche Yuka, die sie bereits aus dem Kindergarten kannte, die schüchterne und kluge Ayumi, sowie die extrovertierte Eri, gehörten seit vielen Jahren zu Kagomes engsten Freunden und es war ihr damals überaus schwer gefallen, die gemeinsame Schule zu verlassen, um auf Musashi zu wechseln. "Du siehst gesund aus", stellte Ayumi erleichtert fest und Yuka sagte: "Deine Haare sind länger geworden." "Oh, und er ist-?" Eri deutete auf Inuyasha, der noch immer im Türrahmen stand. "-völlig aus der Puste und hasst diese Treppen", ergänzte er ihren Satz. "Das ist Inuyasha", stellte Kagome ihn lächelnd vor. "Ja, ich bin der Inuyasha. Überspringen wir das und fangen einfach an, okay?" "Okay", bestätigte Sango und drückte ihm einen kleinen Farbeimer und zwei Pinsel in die Hand. "Dann fang doch schon einmal damit an, die Fensterrahmen zu lackieren." "Werde ich bezahlt?", fragte er unbeeindruckt. "Du bekommst keinen Cent zu Gesicht." "Gibt es eine Gewerkschaft?" "Nein." "Dann sollte ich wohl eine gründen. Die Arbeitsbedingungen hier sind unmenschlich." "Du kannst in der Küche anfangen. An die Arbeit", erwiderte Sango neckisch und zog anschließend Kagome und die anderen Mädchen durch die Flügeltüren ins Wohnzimmer. Der Geruch von frischer Farbe stieg ihnen in die Nase. "Oh, du hast ja schon angefangen", staunte Kagome und betrachtete die halb bemalte Wand auf der linken Seite. Sango hatte sich für ein freundliches Gelb entschieden, welches den Raum größer und offenherziger wirken lassen würde, sobald auch die restlichen Wände fertig waren. "Keine Sorge, es gibt mehr als genug zu tun", sagte Sango lächelnd und drückte jedem der Mädchen eine Farbrolle in die Hand. Daraufhin schaltete sie das kleine Radio ein, dass in der Mitte des Raumes auf dem Boden stand. Laute Popmusik ertönte und hallte zwischen den nackten Wänden. Die Mädchen begannen damit Fenster und Türrahmen abzukleben und Folie auf dem Boden zu fixieren. Sango stellte sich vor die linke Wand und bemalte auch die restlichen weißen Stellen. Yuka und Ayumi übernahmen jeweils eine der anderen Wände, während Kagome gemeinsam mit Eri, vorsichtig um den Rahmen der Wohnzimmertür malte. "Sag mal, Kagome", murmelte sie und stellte sich dicht neben sie. "Ja?" "Läuft da was zwischen dir und Inuyasha?" Kagome zuckte zusammen und drückte die Farbrolle vor Schreck so fest gegen die Wand, dass die Farbe herausgequetscht wurde und tropfenartig an der Wand hinunterlief. "Wa- Nein!", zischte sie und verteilte mit der Rolle die dicken Farbtropfen. "Wie kommst du auf den Quatsch?" "Na, er ist doch der Inuyasha von deinem Internat, oder nicht? Ich dachte ihr beiden würdet euch ziemlich nahe stehen, wenn du ihn schon über die Weihnachtsferien zu dir nach Hause mitbringst." Eri linste am Türrahmen vorbei und beobachtete Inuyasha, der am Küchenfenster stand. Kagome stellte fest, dass sie ihm auf den Hintern starrte. "Und er ist ein echtes Sahneschnittchen", fügte sie schmunzelnd hinzu. Kagome senkte den Blick und kniff die Lippen zusammen. Es war ihr unangenehm, dass Eri ihn so betrachtete. "Wir sind ganz gute Freunde, schätze ich", erklärte sie schließlich. "Nichts weiter." "Okay, gut", antwortete Eri und schaute weiter zu Inuyasha rüber, während sie immer wieder über die selbe Stelle malte."Dann hast du nichts dagegen, wenn ich mich mit ihm verabreden würde?" Kagome schluckte ihren Ärger hinunter. "Nein, überhaupt nicht", log sie. Eri legte ihre Farbrolle zur Seite, richtete kurz ihre Frisur und ging in die Küche. Kagome schaute ihr fassungslos nach und biss die Zähne zusammen, als sie Inuyasha ansprach und ihn dabei flirtend anlächelte. Was sie aber noch viel mehr störte war, dass Inuyasha darauf einzugehen schien. Plötzlich lachte Eri laut auf, was sich furchtbar unnatürlich anhörte, und legte ihre Hand auf seine Schulter. Kagome hatte schon einige Male gesehen, wie sich Jungs von der scheinbar unwillkürlichen Berührung um den Finger wickeln ließen. Kagome zwang sich wegzuschauen und versuchte, sich wieder auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Ein großer gelber Farbfleck hatte sich auf der Folie auf dem Boden gebildet, weil sie die Farbrolle so unachtsam gehalten hatte. Schnell bemalte sie auch das letzte Drittel der Wand. "Super", sagte Sango, rieb sich mit dem Unterarm über die Stirn und begutachtete stolz das komplett gestrichene Wohnzimmer. "Das geht schneller, als ich mir erhofft hatte. Danke, Leute." In diesem Moment trat Eri wieder in den Raum und hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Sie zwinkerte Kagome fröhlich zu, woraufhin sie ein verkrampftes Lächeln aufsetzte. "Als nächstes würde ich gerne das Arbeitszimmer streichen. Aber die anderen Farbeimer stehen noch in Mirokus alter Wohnung, die muss ich erst holen. Yuka, Ayumi, wenn ihr mir helft, können wir schon ein paar Kartons mitbringen." Die beiden nickten und Eri sagte: "Ich möchte auch helfen." "Ich dachte du und Kagome könntet vielleicht schon in der Küche anfangen", erwiderte Sango. "Ach, dabei kann Inuyasha ihr helfen. Er ist mit dem Fenster schon fast fertig." Kagome sagte nichts dazu und fing an, die gelb gefleckten Klebestreifen an Fenster- und Türrahmen abzuziehen. Sie hatte nichts dagegen, wenn Eri sich eine Weile von Inuyasha fernhielt. "Gut, dann machen wir es so." Sango holte ihr Handy aus der Gesäßtasche ihrer Jeans und wählte eine Nummer. "Ich rufe eben meinen Vater an, damit er uns fährt." Fünf Minuten später verabschiedeten sich die vier Mädchen und Kagome ging in die Küche. Inuyasha war gerade mit dem Lackieren der beiden großen Fensterrahmen fertig geworden. Die frühe Mittagssonne schien durch das leicht staubige Fensterglas. "Das sieht gut aus", sagte sie und begutachtete den frischen weißen Lack. "Ich glaube, ich habe meine Berufung gefunden." "Maler und Lackierer?", fragte Kagome amüsiert und öffnete den kleinen Farbeimer, der auf dem Boden stand. Ein herrliches Apfelgrün schimmerte ihr entgegen. "Ja, warum nicht? Falls das mit der Fotografie nichts wird. Wo sind die anderen hingegangen?" "Sie bringen mehr Farbe und einige Sachen her. Wir sollen die Küche streichen." Inuyasha riss die Folie einer neuen Farbrolle auf und Kagome schnappte sich einen noch unbenutzten, breiten Flächenpinsel. Eine Weile lang standen sie nebeneinander und färbten die weiße Wand, mit jeder Armbewegung, ein weiteres Stück grün. Die Rolle und der Pinsel machten dabei ein zum Teil kratzendes, und zum Teil sehr matschiges Geräusch, welches Zusammenspiel merkwürdig harmonisch klang. Kagome beobachtete ihn aus den Augenwinkeln heraus und murmelte: "Also- du und Eri, ja?" "Ich und wer?", fragte Inuyasha. "Eri. Du hast dich vorhin mit ihr unterhalten. Sie hat dich gefragt, ob du dich mit ihr verabreden willst." Inuyasha runzelte die Stirn und senkte die Farbrolle. Er hatte ihren scharfen Unterton bemerkt. "Nein, hat sie nicht." "Nicht?" Überrascht hob Kagome die Augenbrauen und sie spürte ihre eigene Erleichterung. "Sie hat mich gefragt, was für Hobbies ich habe. Sie hat mir ein Museum empfohlen und meinte, wenn ich mich für Fotografie interessiere, wäre das genau das Richtige für mich. Dann wollte sie mich unbedingt davon überzeugen, dass ich dich frage, ob du mich dorthin begleitest." "Das war alles?" "Das war alles", bestätigte Inuyasha und Kagome lächelte in sich hinein. Sie war froh, dass ihre Freundin sensibel genug war, um doch nicht mit ihm zu flirten. "Warum hast du gefragt?" "Was?" Sie blickte ihn erschrocken an und Inuyasha musterte sie prüfend. "Bist du eifersüchtig?", grinste er schließlich. "So ein Blödsinn!" Sie lachte auf und drückte den Pinsel wieder gegen die Wand. "Als ob ich wegen dir eifersüchtig wäre. Bleib realistisch." "Auf mich wirkst du ziemlich eifersüchtig", beharrte er selbstgefällig und Kagome runzelte verärgert die Stirn. "Ich bin nicht eifersüchtig!", stellte sie klar und richtete den Pinsel auf ihn, um ihre Bestimmtheit zu untermalen. Inuyasha zuckte kurz zusammen und kniff die Augen zu, als durch den Schwung einige kaltnasse Farbtropfen auf seiner Wange landeten. "Ups", murmelte sie und musste daraufhin lauthals lachen. "Grün steht dir." Inuyasha verzog grimmig das Gesicht und drehte sich langsam zu ihr um. "Sei nicht wütend, das war ein Versehen, okay?", sagte sie noch immer lachend. "Klar, verstehe ich", erwiderte Inuyasha und lächelte sie scheinheilig an. "Das ist auch ein Versehen." Kaum hatte er es gesagt, drückte er seine Farbrolle gegen ihren Bauch und schob sie einmal über Kagomes komplettes Oberteil, bis zum Hals hinauf. Sie riss entsetzt den Mund auf und war kurz sprachlos. "Ich glaube Grün, ist mehr deine Farbe. Es bringt deine Augen zur Geltung", sagte er sarkastisch und grinste. Kagome ließ das nicht auf sich sitzen und strich mit dem Pinsel schnell über seinen kompletten Unterarm. "Du willst also Krieg?", fragte er täuschend bedrohlich und tauchte die Farbrolle in den Eimer. "Oh nein, das wagst du dich nicht-" "Du bekommst Krieg!" Kreischend versuchte Kagome wegzulaufen, doch er griff sie am Handgelenk und zog sie zurück. Er ließ die tropfnasse Farbrolle über ihr Schulterblatt gleiten und beobachtete erfreut ihren angewiderten Gesichtsausdruck, als die Farbe durch den Stoff ihres Pullovers sickerte. Sie schaffte es ihm den Pinsel auf die andere Wange zu drücken, er schwang die Rolle so, dass kleine Farbkleckse auf ihrer Nase landeten. Die Farbe gelangte überall hin, nur nicht an die Wand. Kagome hatte sich befreit und versuchte erneut zu flüchten, als er sie an den Hüften packte und sie rücklings gegen sich drückte, die Farbrolle gefährlich nahe vor ihrem Gesicht. "Eine falsche Bewegung und du siehst grün", drohte er ihr flüsternd ins Ohr und sie musste kichern, weil es kitzelte. Sie griff nach seinem Arm, drückte ihn nach oben und drehte sich um. Und bemerkte erst in diesem Moment, wie nahe sie sich eigentlich waren. Schwer atmend schaute sie ihm in die Augen, bis auch er sich der Situation bewusst wurde. Er hielt sie eng an sich gedrückt, keine Chance zu entkommen und ihm kam der Gedanke, dass sie nie schöner gewesen war, als in diesem Augenblick. Mit ihrem, aus der Form geratenen, Haarzopf, den wilden Strähnen die ihr ins Gesicht fielen und den kleinen grünen Punkten auf der Nase. Zögerlich kam er ihrem Gesicht ein kleines Stück näher, testete es aus, ob sie sich von ihm entfernen würde. Doch sie blieb regungslos angespannt und schaute ihm unentwegt in die Augen. "Du warst eifersüchtig", sagte Inuyasha leise, noch immer auf seinen Standpunkt beharrend. "Ein bisschen, vielleicht." Ihre Antwort war nicht mehr als ein zittriges Flüstern. Ihr stockte der Atem, als er ihr so nahe war, dass sich ihre Nasenspitzen berührten und er wollte es tun. Er hätte es auch getan, wäre da nicht dieses Poltern aus dem Hausflur zu hören gewesen. Kagome hörte es auch und verlegen entfernten sie sich von einander. Miroku erschien in der Wohnungstür und stellte ein schweres Paket auf den langen Tresen, der die Küche vom Eingangsbereich trennte. Er schnappte nach Luft und bemerkte dann die beiden. Verwirrt starrte er sie an und runzelte die Stirn. "Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Farbe an die Wand gehört, nicht auf euch", sagte er atemlos. "Jetzt wissen wir endlich, was wir falsch machen. Danke, Miroku", erwiderte Inuyasha und Miroku schien der sarkastische Tonfall nicht aufzufallen, denn er nickte nur und antwortete: "Gern geschehen." Ein weiteres Rumpeln und Poltern ertönte und Sango trug gemeinsam mit ihrem Vater eine große Kiste in die Wohnung. Ihnen folgten Eri, Ayumi und Yuka, ebenfalls schwer bepackt und letztendlich betrat auch Sangos kleiner Bruder, Kohaku, die Wohnung. Er trug allerdings nur ein kleines Transportkörbchen für Katzen. "Gut, das ist die komplette Kücheneinrichtung", schnaufte Sangos Vater. "Den Rest schafft ihr alleine, ja? Ich muss jetzt zur Arbeit." "Ja, das war das Schwerste. Danke", erwiderte Sango und verabschiedete ihren Vater. "Kann ich dir noch irgendwie helfen, Schwesterherz?", fragte Kohaku und stellte das Transportkörbchen auf den Boden, bevor er das Türchen öffnete. Sangos kleine Katze sprang hinaus und erkundete die neue Umgebung. "Du kannst uns sicher noch beim Tragen helfen. Ich hoffe Kirara stellt keinen Unsinn mit der Farbe-" Sie hatte das Chaos in der Küche schließlich bemerkt und starrte Kagome und Inuyasha verblüfft an. "Was ist denn hier passiert?" "Ähm-" Kagome strich sich verschämt die Haarsträhnen hinters Ohr und Inuyasha zuckte die Schultern. "Krieg", sagte er nur und Kagome konnte sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen. "Was?", fragte Sango perplex. "Ist ein Insider", erklärte Inuyasha. "Okay, also-", sagte Sango, "Vielleicht solltet ihr lieber Miroku und den anderen Jungs dabei helfen, die Möbel aus seiner alten Wohnung herzubringen. Das Streichen scheint euch nicht so zu liegen." Kapitel 30: Aller guten Dinge sind drei --------------------------------------- "Kalt!", rief Kagome zähneklappernd und stürmte, an Inuyasha vorbei, in die Wohnung nachdem Miroku aufgeschlossen hatte. Sie sprang über den Hindernisparcour von Umzugskartons und gestapelten Büchern, sowie Zeitschriften, und diversen anderen noch nicht eingepackten Dingen, lief geradewegs in sein Schlafzimmer und zupfte einen von Mirokus Pullovern aus einer Kiste heraus und zog ihn sich schnell über den Kopf. Nachdem Inuyasha dafür gesorgt hatte, dass ihr eigener Pullover von feuchter, klebriger Farbe durchnässt war, musste sie ihn ausziehen und war die gesamte Autofahrt über, nur mit einem kurzärmeligen Shirt bekleidet gewesen, das sie darunter getragen hatte. Die Außentemperatur hatte längst Minusgrade erreicht und der Wetterbericht kündigte den ersehnten ersten Schneefall bereits an. Sie schaute noch einmal genauer in den Spiegel auf der Schranktür, ob sie auch keinen der grünen Punkte in ihrem Gesicht übersehen hatte. Aber es sah so aus, als ob sie beim Waschen alles erwischt hatte. "Kagome?" Sie drehte sich zur Tür und schaute in das überrascht erfreute Gesicht von Houjo, einem ehemaligen Mitschüler, mit dem sie sich damals ein paar Mal getroffen hatte. Damals, dachte Kagome und wunderte sich, dass es ihr vorkam als wäre sie schon eine halbe Ewigkeit auf dem Internat, dabei war es kaum ein halbes Jahr her, seit ihrem letzten Treffen mit Houjo. "Schön dich zu sehen", sagte er aufrichtig und stellte die Kiste, die er im Arm hielt, vorsichtig auf den Boden. "Sagtest du Kagome?", rief eine aufgeregte Stimme hinter ihm und drängte sich an ihm vorbei. "Hallo, Kouga", grüßte Kagome ihn lächelnd. Kouga grinste sie kokett an, nahm ihre Hand und drückte sie gegen sein Herz. "Kagome, du bist seit unserer letzten Begegnung noch hübscher geworden." "Äh, danke." "Ich wette du hast mich vermisst." "Naja, also-" "Wie geht es dir, Kagome", fragte Houjo und trat ebenfalls näher auf sie zu. "Du siehst etwas blass aus. Isst du auch gesund, auf deinem Internat? Denk daran, mit der Gesundheit ist nicht zu spaßen." "Äh-" "Okay, Leute-" Miroku klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Inuyasha stand mit verschränkten Armen neben ihm und begann Kagomes offensichtliche Verehrer kritisch zu mustern. Widerwillig wandten sich Kouga und Houjo von ihr ab und drehten sich um. "Wir müssen den restlichen Kram in den Kisten verstauen und dann anfangen die Möbel auseinander zu bauen. Sango will alles so schnell wie möglich erledigt haben." "Ich und Kagome bleiben im Schlafzimmer!", rief Kouga und legte seinen Arm um ihre Schulter. "Bauen das Bett auseinander, und so weiter." "Ich dachte eigentlich daran, das Küchengeschirr in Zeitungspapier einzuwickeln und einzupacken", erklärte Kagome und schob freundlich lächelnd seinen Arm weg. "Das können wir doch später ebenfalls gemeinsam machen", beharrte Kouga grinsend, drückte sie wieder an sich und ihr fiel kein guter Grund ein, seinem Vorschlag nicht zu folgen. Sie blinzelte kurz zu Inuyasha rüber, der alles andere als glücklich darüber zu sein schien. "Ich mache mit den Büchern und DVD's weiter", sagte Houjo schnell und hob die schwere Kiste wieder auf. "Und stapele die Kartons erst einmal im Wohnzimmer, damit im Flur niemand darüber fällt und sich verletzt." "Ah, könntest du meine besonderen Filme extra verpacken?", fragte Miroku ihn und Houjo schaute verwirrt drein. "Welche besonderen Filme?" "Na, du weißt schon", flüsterte er mit vorgehaltener Hand und Houjo wurde rot um die Nase, als er verstand. "Oh", nickte er schnell. "Ja, sicher." Kagome rollte mit den Augen. Ob sie ihm sagen sollte, dass Sango seine Pornosammlung längst gefunden hatte? "Okay, gut, ich belade den Wagen und bringe schon einmal die Wohnzimmermöbel zu Sango", erklärte Miroku und räusperte sich kurz. "Inuyasha, du bist doch kräftig. Hilf mir mal mit den schweren Sachen." "Klar", murmelte er und ließ Kagome gezwungenermaßen mit diesem Kouga allein. "Verdammt, das passt nicht", knirschte Miroku eine halbe Stunde später vor dem Mehrfamilienhaus und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Sein Atem ließ einen feinen Nebelhauch in der kalten Luft entstehen. "Und ob das passt!" Inuyasha zog den länglichen Karton noch einmal ein Stück aus dem vollen Kofferraum und drehte ihn ein bisschen, bevor er ihn wieder grob hineindrückte. Die Rücksitze seines alten Toyota Corolla Kombi hatte Miroku schon zusammengeklappt und es fehlte nur ein kurzes Stück, bis der Kofferraum geschlossen werden konnte. "Argh, komm schon!", rief Inuyasha zornig, während Miroku sich erschöpft gegen das Auto lehnte und ihn dabei beobachtete, wie Inuyasha den Karton millimeterweise zwischen die anderen Kartons und die Wagendecke presste. "Irgendwas sagt mir, dass du gerade nicht gut drauf bist." Inuyasha pustete sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Auge und warf Miroku einen grimmigen Blick zu. Kurz darauf klappte er erfolgreich den Kofferraum zu. "Ich sagte doch, das passt." "Der Karton hängt über der Lehne vom Beifahrersitz", bemerkte Miroku. "Du fährst doch alleine, was beschwerst du dich?", knurrte Inuyasha. "Tu ich doch gar nicht." Er hob beschwichtigend die Hände. "Warum plötzlich so griesgrämig?" Inuyasha warf einen Blick auf die Außenseite des Schlafzimmerfensters. Miroku nickte wissend. "Ah, verstehe. Es wurmt dich, dass Kagome so umschwärmt wird. Fühlst dich wohl bedroht, was?" "Halt die Klappe", grummelte er. Miroku lachte auf und klapperte mit dem Schlüsselbund, bevor er einstieg und losfuhr. Als Inuyasha die Wohnung wieder betrat, stieß er beinahe mit Houjo zusammen, der sich daraufhin mehrmals entschuldigte. Er drängte sich ungeduldig an ihm vorbei und blieb im Türrahmen vom Schlafzimmer abrupt stehen. "Warte, Kagome- Jetzt, ziehen!", sagte Kouga und stand dicht hinter ihr, während sie gemeinsam an der Schiebetür vom Kleiderschrank zogen. "Okay", hauchte sie angestrengt. "Setz deine Hüfte ein." Kouga wollte seine Hand gerade auf besagter Stelle ablegen, als Inuyasha sich laut räusperte. Beide schauten ihn an, als sie ihn bemerkten. "Kagome, kann ich dich mal kurz allein sprechen?" Kouga warf ihm einen missbilligenden Blick zu und schaute ihr sehnsüchtig nach, als Inuyasha sie am Arm in die Küche zog. "Was ist los?" "Was sollte denn diese Kuschelaktion vorhin?", fragte er vorwurfsvoll. Sie schaute ihn kurz fragend an und antwortete: "Die Schranktür klemmt. Kouga hat versucht mir zu helfen." "Der hat noch was ganz Anderes versucht", schnaubte er abschätzig. "Er hat mir nur geholfen." "Jedes Mal wenn ein Mann einer Frau von hinten zeigt wie etwas geht, ist das nur eine Ausrede für ihn, um ihr so nahe zu kommen, dass sein Atem ihren Nacken streift, sieht man in jedem Schnulzenfilm." "Das ist doch gar nicht wahr. Er will einfach nur nett sein", versuchte sie Kougas Flirtereien zu verharmlosen. "Er-" Wie auf's Stichwort betrat dieser ebenfalls die Küche und steuerte auf den Kühlschrank zu. Inuyasha brach seinen Satz sofort ab und beäugte ihn stirnrunzelnd. "Ich habe die Tür aufbekommen. Hat viel Muskelkraft benötigt, aber glücklicherweise trainiere ich regelmäßig", prahlte er, bevor er sich eine Flasche gekühltes Wasser herausnahm und einen kräftigen Schluck trank. "Das tut gut. Vom Arbeiten da drinnen kriege ich richtig durst", seufzte er und warf Kagome ein charmantes Lächeln zu. "Du siehst süß aus, wenn deine Wangen vor Anstrengung leuchten. Sag Bescheid wenn du mit dem Bett anfangen willst, Kagome." Kouga ging mit der Wasserflasche wieder hinaus und Inuyasha schaute sie skeptisch an. "Wir bauen nur das Bett auseinander!", beharrte sie weiterhin und rieb sich mit den Fingern über ihre glühenden Wangen. "Erzähl mir nicht, dass du auf sein schamloses Gesülze hereinfällst." "Was?" "Du siehst süß aus, wenn deine Wangen leuchten", wiederholte er spöttisch und verschränkte die Arme. "Ich bitte dich, das ist lächerlich." "Weißt du, gelegentlich ist es schön wenn dir Jemand einfach etwas Nettes sagt", erwiderte Kagome säuerlich. Sie stemmte ihre Hände in die Hüfte und fügte spitz hinzu: "Bei meiner Gesellschaft in den letzten Monaten, waren Komplimente ja leider Mangelware." "Tut mir leid für dich, dass dein weibliches Ego nicht die Zuwendung bekam, die es offenbar normalerweise gewohnt ist, aber es war deine Entscheidung dich als Junge auszugeben, jetzt musst du damit klar kommen. Das ist nicht mein Problem." Kagome seufzte, zog sich das Haargummi aus den Haaren und fuhr sich mit den Händen ein paar mal durch die Strähnen. Sie wollte sich gerade umdrehen und wieder gehen, da fiel ihr noch etwas ein. "Beim Billardspiel gestern hast du mir von hinten gezeigt, wie man den Queue hält", erinnerte sie ihn und bemerkte mit großer Zufriedenheit, wie er erstarrte. "D- Das kannst du nicht vergleichen", widersprach er, "Das war eine völlig andere Situation!" "Inwiefern war die anders?" "Na, ich wollte gewinnen! Und ich konnte deine Unfähigkeit nicht länger ertragen." "Schwachsinn!" Kagome schüttelte den Kopf und baute sich vor ihm auf. "Erklär mir jetzt genau den Unterschied zwischen dem was Kouga macht und dem was du gemacht hast!" Inuyasha öffnete den Mund, um ihr den Unterschied haargenau zu erläutern- allerdings kamen keine Wörter heraus. Er schloss den Mund wieder und verzog krampfhaft die Augenbrauen. Hartnäckig startete er einen erneuten Versuch, bewegte ein paar Mal die Lippen auf und ab, aber die schlagkräftige Antwort blieb aus. Verdammt. "Das gibt's ja nicht", staunte Kagome und lächelte frech. "Bist du etwa sprachlos?" "Grmrl", knurrte er nur unverständlich und starrte sie beleidigt an. "Finde ich gut", nickte sie stolz. "Ich werde mich dann mal, gemeinsam mit Kouga, um das Bett kümmern. Du findest selbst eine Aufgabe, ja?" Daraufhin hüpfte sie fröhlich zurück ins Schlafzimmer und ließ Inuyasha in der Küche stehen. Es dauerte bis spät in den Abend, bis Miroku fast alle auseinander geschraubten Möbel und die voll gepackten Kartons mit seinem Wagen zur neuen Wohnung gebracht hatte. Die übrigen zwei Kisten, wovon eine Mirokus besondere Filme beinhaltete, und die zuletzt abgeschraubten Deckenlampen, passten leicht in den Kofferraum und die fleißigen Helfer konnten schließlich mitfahren. Kouga verabschiedete sich schon vor Mirokus alter Wohnung, und während er noch immer darum bemüht war, Kagome möglichst viele Schmeicheleien zukommen zu lassen, stieg Inuyasha bereits in den Toyota und setzte sich missgelaunt auf den Beifahrersitz. Während der Rückfahrt erzählte Houjo ihr von einigen Geschehnissen aus der Schule. Da hatte sich ihr ehemaliger Sportlehrer als Schwul herausgestellt, eine komplizierte Vierecksbeziehung sorgte für Unruhe im Klassenraum und es gab vor zwei Monaten einen Polizei-Großeinsatz, aufgrund von erschreckenden Schussgeräuschen. Letztendlich hatte sich ergeben, dass ein Schüler bloß einen Knallfrosch angezündet hatte. Kagome hörte ihm allerdings nur mit einem halben Ohr zu. Sie war zu sehr damit beschäftigt, Inuyasha im Seitenspiegel zu beobachten. Sie saß auf dem Rücksitz hinter ihm und konnte, wenn sie den Kopf stark genug neigte, seine Gesichtszüge erkennen. Es war zwar schon sehr dunkel, aber dass alle zwei Sekunden eine Straßenlaterne vorbeihuschte, erleichterte die Sache. Ihr war bewusst, dass Inuyasha wütend auf sie war. Sie hatte ihn ja auch provoziert, indem sie auf die Flirtereien ihres Verehrers eingegangen war, aber so ernst meinte sie das gar nicht. Eigentlich hatte sie weniger Kougas Nettigkeiten genossen, sondern viel mehr Inuyashas offensichtliche Eifersucht. Es hatte sie dazu verleitet, ihre eigenen eifersüchtigen Gefühle einzugestehen und sie kamen ihr nun weniger idiotisch vor. Bei diesem Gedanken huschte Inuyashas Blick ebenfalls in den Seitenspiegel. Er schaute aber schnell wieder weg, als er bemerkte, dass sie ihn ansah. Sie wandte sich auch nicht ab, während er mehrmals überprüfte, ob sie immer noch guckte. Schließlich entschied er sich dazu, ihren Blick trotzig zu erwidern. Minutenlang starrten sie sich gegenseitig durch den Spiegel in die Augen. Die Laternen sorgten für schnelle Schatten, die über ihre Gesichter wanderten. Hell, dunkel, hell, wieder dunkel- dann lächelte Kagome sein Spiegelbild einfach an. Seltsamerweise konnte sich auch Inuyasha ein Schmunzeln nicht verkneifen und plötzlich war sein Ärger verflogen. Es war eine Erklärung, die keine Worte benötigte. Ein stummes Einverständnis das klar machte, dass sie beide quitt waren. Etwa zehn Minuten später parkte Miroku den Wagen vor seinem neuen Zuhause. Houjo nahm die Lampen, Inuyasha trug die schwerste Kiste und Miroku drückte seinen privaten Karton fest an sich, während sie sich die vielen Stufen hinauf schleppten. Oben angekommen stellte Kagome überrascht fest, dass die Küche bereits vollständig aufgebaut und die eine Wand, fertig gestrichen war. Jediglich einige offene Kartons standen noch auf dem Fußboden, die das Geschirr und andere Küchengeräte aufbewahrten. Da noch keine Lampen an den Decken hingen, hatte Sango einige Kerzen angezündet und verteilt, nachdem es dunkel geworden war. An Steckdosen standen kleine Lämpchen auf dem Fußboden, die für schwaches Licht sorgten. Miroku huschte schnell vorbei und verschwand in Richtung Schlafzimmer, vermutlich um seine spezielle Sammlung schnellstmöglich und unauffällig zu verstauen. Inuyasha stellte die schwere Kiste zu den Übrigen und ein lautes Poltern hallte von einer nackten Wand zur Nächsten. "Pscht!", zischte Sango, die daraufhin aus dem Wohnzimmer in den Eingangsbereich lugte. "Ayumi und Eri sind eingeschlafen." Tatsächlich lagen die beiden zusammengekauert auf dem Sofa, das noch provisorisch in der Mitte des Raumes stand, damit die Wände weiter trocknen konnten. Um sie herum standen noch mehr Kartons und Pakete verschiedenster Größen, vermutlich Möbelstücke die noch aufgebaut und zusammengeschraubt werden mussten. "Wann ist denn das passiert?", fragte Inuyasha verständnislos und Sango ermahnte ihn mit einem weiteren Blick leiser zu sein. "Wir warten seit fast einer Stunde auf euch, da sind sie müde geworden. Es ist ja auch schon spät. Yuka ist schon nach Hause gegangen", erklärte sie flüsternd. In dem Moment betrat auch Miroku das Wohnzimmer, sondierte kurz die Lage und grinste, als er die beiden Schlafenden entdeckte. "Ach nein, wie niedlich", lachte er etwas zu laut auf. "Pscht!", zischten Sango, Kagome und Inuyasha gleichzeitig, woraufhin er zusammenzuckte und zustimmend nickte. "Sicher, dass wir Ayumi nicht lieber wecken sollten?", hauchte Kagome und schaute ihre schlummernde Freundin besorgt an. "Wir haben sie schon einmal aus den Augen verloren." "Stimmt, daran erinnere ich mich auch noch", schmunzelte Houjo. "Alle haben im Wald nach ihr gesucht bis sich herausstellte, dass sie die ganze Zeit im Bus saß. Das war ein aufregender Schulausflug." "Ja, aber das hier ist kein Campingausflug, sondern eine kleine Wohnung mit verschlossenen Türen und Fenstern. Hier kann sie sich nicht davon stehlen", beruhigte Sango sie und Miroku schloss umsichtigerweise schnell die Haustür, die den ganzen Tag offen gestanden hatte. "Ähm, wie bitte?" Inuyasha war verwirrt. "Ayumi ist eine Schlafwandlerin", erklärte Kagome. "Das ist doch ein Scherz", schnaubte er, aber sie schüttelte den Kopf. "So richtig mit umherwandern, und so?" "Das volle Programm", bestätigte sie. "Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder mal das Vergnügen." "Ich hänge schnell die Lampe im Badezimmer auf, damit sich dort im Dunkeln niemand verletzt", verkündete Houjo und machte sich fleißig wieder an die Arbeit. "Ist denn sonst alles fertig?", fragte Miroku leise und Sango schüttelte kurz den Kopf. "Im Arbeitszimmer muss ich noch streichen." "Lass uns das zusammen machen", schlug er vor und schob sich die Ärmel nach oben. "Dann können alle Wände über Nacht trocknen und morgen, kann dann alles aufgebaut und eingerichtet werden." Sango stimmte ihm zu und sie verschwanden im unfertigen Zimmer. Kagome wollte einige Kartons nach einer Decke für Ayumi und Eri durchsuchen, also ging Inuyasha wieder zurück in den Eingangsbereich und in Ermangelung einer besseren Idee, begann er damit, das in Zeitungspapier gewickelte Geschirr auszupacken und in den Küchenschränken zu verstauen. Es war sehr ruhig geworden und irgendwann verlor er sich in seinen Gedanken. Außer dem raschelnden Zeitungspapier und dem Ton der erzeugt wurde, wenn ein Glas im Schrank auf die Platte traf, vernahm Inuyasha Geräusche die normalerweise vollkommen untergingen. Entfernt konnte man leise Schritte hören, die Flammen der Kerzen flackerten manchmal kurz auf und sonderten ein kaum hörbares Rauschen ab und trotz geschlossener Fenster konnte er weit entfernt ein lautes Motorrad hören. Inuyasha bemerkte erst, dass er fast fertig war, als Houjo um die Ecke kam und sich suchend umschaute. Leere Kartons stapelten sich neben ihm und es standen nur noch ein Dutzend eingewickelte Gläser auf dem Tresen vor ihm. "Weißt du wo Kagome ist?", fragte Houjo ihn plötzlich, als er die Wohnzimmertür hinter sich schloss und auf ihn zuging. "Sie wollte eine Decke suchen." "Die hat sie scheinbar gefunden. Eri und Ayumi sind zugedeckt. Aber Kagome ist nicht bei ihnen." "Keine Ahnung wo sie hin ist, ich habe nicht darauf geachtet", erwiderte Inuyasha leicht genervt. Houjo seufzte, nahm sich eines der Gläser und füllte etwas Leitungswasser hinein. "Ich wollte mit ihr unsere nächste Verabredung vereinbaren. Ich bin den ganzen Tag noch nicht dazu gekommen mit ihr darüber zu reden", sprach er unaufgefordert weiter und trank einen Schluck Wasser. "Du hast sie doch heute getroffen", murmelte Inuyasha desinteressiert. "Ja, schon", kicherte er verlegen und rieb sich am Hinterkopf. "Aber ich möchte auch alleine Zeit mit ihr verbringen, solange sie hier ist. Ich bin ihr Freund. Da sollte ich sie schließlich ausführen und-" "Warte", unterbrach Inuyasha ihn und starrte ihn verwirrt an. "Was hast du gesagt?" "Ich sollte sie ausführen", wiederholte er gehorsam. Inuyasha schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. "Nein, davor." "Ich bin ihr Freund." "Ihr fester Freund?", hakte er noch einmal nach, um ganz sicher zu gehen, dass er sich nicht verhört hatte und erstarrte bei der Antwort. "Ja. Wusstest du das nicht?" Verärgert schluckte er den Kloß hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte und knirschte: "Sie hat dich nie erwähnt." "Es ist schwieriger, nachdem sie sich dazu entschieden hat, auf ein Internat zu gehen. Aber ich bin sicher, das kriegen wir hin. Wenn etwas passt, dann passt es und wir beide passen zusammen", lächelte er fröhlich und trank das Glas Wasser aus. "Wie schön für euch", antwortete er mit offensichtlichem Sarkasmus in der Stimme, aber Houjo war zu naiv um es zu bemerken. "Danke", sagte er und nickte. "Würdest du Kagome bitte von mir grüßen, wenn du sie siehst. Ich muss jetzt leider auch nach Hause." Nachdem die Tür hinter ihm zugefallen war, wiederholte Inuyasha das Gespräch zwischen ihnen noch einmal in seinem Kopf. Er hatte sich wohl kaum verhört. Oder vielleicht ja doch. Nein, hatte er nicht! Vor lauter Wut verkrampfte er seine Hände zu Fäusten und das Glas in seiner Hand zerbrach. Klirrend fielen die Scherben auf den Fußboden und Blut lief über sein Handgelenk. "Inuyasha", hauchte Kagome erschrocken. Sie war gerade von der Dachterrasse gestiegen, wo sie etwas frische Luft schnappen wollte und hatte das Missgeschick mit angesehen. Sie nahm sich etwas von dem alten Zeitungspapier und lief eilig auf ihn zu. Mit gerunzelter Stirn sah er ihr dabei zu, wie sie vorsichtig die Scherben aus seiner Handfläche entfernte und notdürftig das Papier sanft auf seine Wunde drückte. "Hey." Inuyasha blickte auf und schaute in ihr besorgtes Gesicht. "Alles okay?" "Eigentlich komme ich mir gerade ziemlich bescheuert vor", fauchte er sie an und zog seine Hand von ihr weg. Bei seinem scharfen Tonfall, zuckte sie unweigerlich zusammen. "Wieso?" "Ich glaube meine Absichten waren doch recht eindeutig." Sein Blick sprach Bände und sie zog die Luft ein, als ihr klar wurde was er meinte. Ihr Gefühl hatte sie also doch nicht getäuscht. Und auch Sango hatte recht gehabt. Befangen senkte sie den Blick. "Inuyasha, ich-" "Du wusstest genau was ich tue!" "Du hast nichts Eindeutiges gesagt", verteidigte sie sich. "Ich habe zweimal versucht dich zu küssen", sagte er schließlich ganz offen und klang immer zorniger. "Zweimal! Wenn das für dich nicht eindeutig war, meine liebe Kagome, dann bist du wahrnehmungsgestört!" "Davor hast du mich zweimal abblitzen lassen!", zischte sie nun ebenfalls verärgert und stemmte ihre Hände in die Hüften. "Du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich ein paar Monate länger gebraucht habe als du." "Und woher sollte ich wissen, dass du es ernst meinst?" Plötzlich klang Kagome sehr verletzlich, was ihn kurz aus der Bahn warf. "Woher sollte ich wissen, dass es nicht wieder eine deiner Launen ist?" Er beruhigte sich etwas und blickte ihr durchdringend in die Augen, als er antwortete: "Ich habe es nie ernster gemeint." Kagome ließ beruhigt die Schultern hängen. "Und du hast ja auch bei allem mitgespielt. Natürlich dachte ich, wir wollen beide dasselbe", verdeutlichte Inuyasha, bevor sich seine Hände wieder verkrampften und der blutige Klumpen Zeitungspapier in seiner Faust nachgab. "Aber dann taucht plötzlich dein Freund hier auf." "Welcher Freund?" Kagome war irritiert. Was hatte sie nun wieder nicht mitgekriegt? "Houjo", knurrte Inuyasha den Namen, als wäre er ein abscheulicher Parasit. "Was hat er denn gesagt?" "Dass ihr ein Paar seid. Ich habe ihm nichts getan. Ich habe nur hier gestanden und schon redet der Typ davon, wie gut doch alles passt. Du bist die Richtige und er auch und irgendwie habe ich mich dann gefragt, wieso ich mir die Mühe überhaupt mache!" Er warf das zusammengeknüllte Papier auf den Boden zu den Scherben und ging an ihr vorbei in Richtung Wohnungstür. "Ich dachte aus uns beiden könnte wirklich was werden. Nur bist du bereits vergeben." "Nein!", beharrte sie und folgte ihm. "Das bin ich nicht." Als er die Tür öffnete, griff sie nach seinem Arm und versuchte ihn zurückzuziehen. "Wir haben uns ein paar Mal getroffen, aber wir waren nie richtig zusammen", erklärte sie. "Wie dumm, dass er das nicht weiß", schnaubte er. "Würdest du dich erst einmal beruhigen?" Nervös schaute Kagome sich um. Sie waren mittlerweile viel zu laut geworden. "Ich will mich nicht beruhigen!", antwortete er trotzig. Sie ließ ihre zittrige Hand seinen Arm hinuntergleiten und verschränkte ihre Finger mit seinen. Er atmete tief durch. "Heute Mittag, da war ein Moment. Als wir uns gegenseitig mit der Wandfarbe bemalt haben", erinnerte er sie und sie dachte nur zu gerne daran zurück. "Zumindest dachte ich, dass es da einen Moment gab." "Es gab einen Moment", stimmte sie zu und Inuyasha wurde unerwartet still, schaute ihr endlich wieder in die Augen. "Ich kläre das mit Houjo. Er muss etwas schrecklich missverstanden haben. Aber ich empfinde nicht so für ihn." "Ich will dich küssen", sagte er und Kagome zuckte bei seiner plötzlichen Direktheit leicht zusammen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und sie schluckte, bevor sie erwiderte: "Ich will dich auch- küssen." Das letzte Wort war nur noch ein Hauch, als er schließlich die übrige Distanz zwischen ihnen überwand und seine Lippen zärtlich auf ihre legte. Er zögerte, nur einen Augenblick lang, und dann küsste er sie. Er war ihr nun so nah, dass sein heißer Atem über ihre geröteten Wangen streichelte. Sie blinzelte, als ihre Sicht durch die Nähe verschwamm und legte eine Hand auf seine Brust. Sie spürte wie sein Herz genau so schnell gegen den Brustkorb hämmerte, wie ihr Eigenes. Inuyasha strich mit seinen Lippen langsam über ihre, bevor er schließlich sanft ihre Unterlippe zwischen die Lippen nahm. Sie schloss ihre Augen und erwiderte langsam und unsicher seinen Kuss. Dort, mitten im Türrahmen, zwischen Umzugskartons, halb heruntergebrannten Kerzen und dem muffigen Farbgeruch, der sich in der gesamten Wohnung verteilt hatte. Aber das war völlig nebensächlich. Für Kagome war dieser Augenblick absolut perfekt. Doch dann zog er sich zurück. Sie öffnete die Augen und schaute ihn fragend und mit einem Hauch von Empörung an. Er hatte besorgt die Augenbrauen verzogen. "Kagome", hauchte er beinahe lautlos und legte seine unverletzte Hand auf ihre Wange. Sie drückte sich genüsslich gegen die warme Handfläche und ihr wurde vor Glückseligkeit ganz schwindelig. "Vergiss nicht zu atmen", beendete er seinen Satz. "Du läufst blau an." Erschrocken nahm sie einen tiefen Atemzug, bevor er sie erneut küsste. Er küsste sie, atmete den Geruch ihrer Haut ein, spürte ihr weiches Haar unter seinen Fingerspitzen und verstärkte den Druck seiner Lippen. Ein kalter Luftzug aus dem Hausflur fuhr an ihnen vorbei und Kagome erschauerte. Inuyasha legte seine Arme um sie und drückte sie fest an sich, bis sie vollkommen von seiner Wärme eingehüllt war. Immer wieder bedeckte er einen Herzschlag lang ihre Lippen mit seinen und ihr zittriger Atem erinnerte ihn daran, ihr Zeit zum Luft holen zu geben, doch sie wiederum kam jedes Mal wenn er sich ein Stück entfernte, näher auf ihn zu und vergrub ihre Finger tiefer im Stoff seines Pullovers. Er griff mit seiner unverletzten Hand nach ihrer Schulter und drückte sie gegen den Türrahmen. Sie öffnete erstaunt ihre Lippen und keuchte, als seine heiße Zunge über ihre Unterlippe strich und schließlich den Weg in ihren Mund fand. Der Kuss verlor seine unschuldige, vorsichtige Form. Ihre Knie zitterten kraftlos. Mit einer Hand fuhr sie über seinen Oberkörper zu seinem Nacken hinauf und griff in seinen Haaransatz. Er ließ seine Hand über ihren Rücken hinunter gleiten und schob sich unter den Saum ihres Oberteils, streichelte mit einem Finger langsam ihre Wirbelsäule hinauf. Sie keuchte leise in seinen Mund hinein, als seine Zunge in diesem Augenblick ihre traf. Unbeholfen folgte sie seinem vorgegebenen Rhytmus und passte sich dem steigenden Tempo an. Kurz darauf öffnete sich überraschend eine Tür und die beiden lösten sich widerwillig voneinander. Mit ausdruckslosem Gesicht und tapsigen Schritten lief Ayumi an ihnen vorbei. "Oh, nein", seufzte Kagome. "Sie schlafwandelt wieder." "Das mit dem Schlafwandeln war echt kein Witz?", fragte Inuyasha entsetzt. "Nein, und sie läuft geradewegs in die Küche. Die Scherben- ", panisch schaute sie zwischen ihm und Ayumi hin und her und schob ihn mit entschuldigendem Blick von sich. "Ich muss- ich- Ayumi!" Sie lief ihrer Freundin nach um zu verhindern, dass sie geradewegs in die Glasscherben lief. "Ja, sicher", murmelte er leicht benommen, als sie schon längst außer Hörweite war. "Kümmern wir uns um sie." Kapitel 31: Verzögerte Reaktion ------------------------------- "So", murmelte Sango, während sie vorsichtig den Schnitt in Inuyashas Handfläche desinfizierte und ein Pflaster drauf klebte. "Das hätten wir." "Danke", sagte er. "Tut mir leid, wegen dem Glas." "Mach dir darüber keine Gedanken", erwiderte sie gelassen und wandte sich dann an die Schlafwandlerin. "Aber du hast dich nicht verletzt, oder?" Ayumi saß etwas orientierungslos auf der Couch. Sie schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen. Kirara, Sangos Katze, schmiegte sich um ihre Beine und schnurrte. "Ich konnte sie gerade noch umlenken, als sie kurz davor war in die Scherben zu treten", erklärte Kagome. "Inuyasha hat sie hierher getragen. Glücklicherweise wurde sie dann wieder wach." "Na, dann ist ja alles noch einmal gut ausgegangen, nicht?" Miroku grinste fröhlich und klopfte Inuyasha kräftig auf die Schulter. Eri, die noch immer in der anderen Ecke des Sofas zusammengekauert dalag und schlief, schnarchte kurz auf, als ob sie seine Aussage unterstreichen wollte. "Die Gute hat offensichtlich einen festen Schlaf, wenn selbst die Aufregung von vorhin sie nicht geweckt hat", ergänzte er und verschwand in Richtung Küche. "Ich werde die Scherben auffegen, damit sich so ein Beinahe-Unfall nicht wiederholt." "Weißt du noch, was du in der Küche wolltest?", fragte Sango weiter. "Ja, ich hatte Hunger", antwortete Ayumi, mittlerweile etwas wacher. "Ich bin aufgestanden, um mir etwas zu Essen zu machen." "Im Kühlschrank ist noch etwas von deinem Bentou, Kagome." Sie nickte und Inuyasha wollte gerade den Mund aufmachen, aber da war sie schon aus dem Raum gelaufen. Niedergeschlagen setzte er sich auf die Lehne der Couch. Sie hatte es vermieden ihn anzusehen und wirkte auch sonst nicht so, als würde sie sich ein klärendes Gespräch wünschen. Nun konnte er nachvollziehen, warum Kagome so ausgeflippt war, nachdem er sie damals ignoriert hatte. Sie hatte allerdings knapp eine Woche lang durchgehalten. Der Kuss war erst vor fünfzehn Minuten und er drehte jetzt schon fast durch, weil sie ihm nicht zeigte woran er war. Er fühlte sich wie ein zappelnder Fisch am Haken und es war ungewiss, ob sie ihn wieder ins Wasser warf oder nicht. "Ich weiß auch noch, dass hier überall kleine grüne Kobolde herumgehüpft sind", erzählte Ayumi weiter. "Sie haben mir an den Haaren gezogen und einer hatte eine Schere in der Hand und hat ganz fies gelacht." "Das hast du nur geträumt", beruhigte Sango sie lächelnd. "Dann habe ich die Tür aufgemacht und bin hinaus gerannt, vorbei an Inuyasha und Kagome die sich geküsst haben." "Das ist auch nur in deiner Fantasie geschehen." Sango sah zu Inuyasha hinüber, um sich das von ihm bestätigen zu lassen, doch er hatte erschrocken die Augen geweitet und wurde etwas blass. Sie brauchte einen Moment, bis sie seine Reaktion deuten konnte. Als es ihr klar wurde, riss sie den Mund auf und packte ihn am Arm. "Ich habe mir das eingebildet? Es sah so echt aus", murmelte Ayumi leise vor sich hin, während Sango ihn in die Ecke des Wohnzimmers zog. "Was ist denn los?", fragte er verwirrt. Sie zeigte mit dem Finger auf ihn und sagte leise: "Ihr habt geknutscht!" Inuyasha zuckte bei diesen Worten zusammen. Widerstrebend nickte er und Sango grinste triumphierend. "Hier, Ayumi." Kagome kam zurück und reichte ihr einen Teller und ein Glas Wasser. "Ich will ihr gleich sagen, wie toll ich das finde." Sango wollte auf ihre beste Freundin zustürmen, aber Inuyasha hielt sie fest und hinderte sie daran. "Könntest du vielleicht eine Zeit lang damit warten?" "Was? Wieso?" "Ich weiß nicht, ob-", Er schaute einen Moment lang unschlüssig zu Kagome rüber, "-ob sie das an die große Glocke hängen will." Sango runzelte fragend die Stirn. "Wie kommst du darauf?" "Tu mir den Gefallen und behalte es noch für dich. Sie soll entscheiden, wann sie es dir sagen will." "Okay." Sie nickte resigniert und Inuyasha ließ ihren Arm los. Miroku hatte angeboten, Kagome und Inuyasha noch nach Hause zu fahren und am Morgen wieder abzuholen, doch Sango schlug vor, dass sie für die paar Stunden auch bei ihnen übernachten könnten. Das wäre wie Früher, als sie noch Kinder waren, sagte sie. Dass sie die nächsten Entwicklungen zwischen den beiden nicht verpassen wollte, behielt sie für sich. Sie breitete zwei Futons im Wohnzimmer aus und drückte einen Dritten in Mirokus Arme. "Warum darf ich nicht auch im Wohnzimmer schlafen?", fragte er schmollend. Sango hob eine Augenbraue und schob ihn hinaus. "Weil ich meine Freundinnen nicht deiner verfluchten Hand ausliefern will, du Grabscher. Du schläfst nebenan." Kurz darauf löschte Sango alle Kerzen, die noch nicht herunter gebrannt waren und schaltete auch die übrigen Lampen aus. Einzig das beständige Licht der Straßenlaternen, fiel durch die Fensterscheiben und sorgte dafür, dass man noch schemenhafte Umrisse, teilweise auch Gesichtszüge erkennen konnte. Lange dunkle Schatten von knorrigen Ästen die sanft im Wind schaukelten, erschienen an den nackten Wänden. Miroku machte es sich im Eingangsbereich vor der Wohnzimmertür gemütlich, während Kagome und Sango sich einen Futon teilten und Inuyasha ungefähr zwei Meter neben ihnen lag. Ayumi hatte sich, neben Eri auf dem Sofa, erneut unter die Decke gekuschelt und wohlig seufzend die Augen geschlossen. Und plötzlich war alles ganz ruhig. Inuyasha dachte an seine nächtlichen Spaziergänge in Belvedere zurück und die beruhigende Stille die ihn stets begleitet hatte. Es überraschte ihn, dass selbst eine Großstadt wie Tokyo so zur Ruhe kommen konnte. Im Gegensatz zu ihm. In so einer Situation einschlafen zu können, war absolut undenkbar und das hatte gar nichts mit seinen üblichen Schlafproblemen zu tun. Seine Beine und Finger kribbelten nervös und er konnte auch nach mehrmaligen Umherwälzen keine bequeme Liegeposition finden. Schließlich gab er es auf und beschloss die wenigen Stunden bis zum Sonnenaufgang in sturer Entschlossenheit zu verharren. Er legte sich auf die Seite und starrte auf Kagomes Rücken. Er beobachtete ihre unregelmäßigen Atemzüge die ihm verrieten, dass sie ebenfalls noch wach war. Er vergrub seine Finger im Kissen und bekämpfte das Verlangen, sie zu sich rüber zu ziehen. Kagome drückte die Hände gegen ihren Brustkorb. Ihr Herz schlug so fest, dass es beinahe wehtat und sie befürchtete, dass alle im Raum es hören konnten. Sie spürte Inuyashas Blicke und wagte es nicht sich zu bewegen, schon gar nicht sich umzudrehen. Auf irgendeine seltsame Weise fühlte sie sich betäubt. Es geschah so schnell und überraschend- er hatte sie schlichtweg überrumpelt und sie war sich noch nicht sicher was sie davon halten sollte. Bei dem Gedanken an den Kuss, begannen ihre Fingerspitzen erneut zu zittern. Sango drehte sich langsam zu ihr um und trotz der Dunkelheit und der Schatten auf ihrem Gesicht, konnte sie ihren besorgten Gesichtsausdruck wahrnehmen. "Kagome", hauchte sie, "bist du noch wach?" "Ich bin wohl nicht besonders müde", erklärte sie zögernd. Das war leicht untertrieben, schließlich war sie hellwach. "Pssst", meldete sich Eri zu Wort. "Andere Leute versuchen zu schlafen." "Ich dachte du schläfst schon", sagte Sango nicht mehr ganz so leise. "Ich versuche es." "Ich höre Flüstern", rief Miroku aus dem Nebenraum. Sango richtete sich auf. "Du hast jedenfalls laut genug geschnarcht." "Hab ich nicht", antwortete Eri übellaunig. "Hast du wohl", beharrte sie. "Es hat doch jeder gehört." "Geht es bitte ein bisschen leiser?", fragte Ayumi verschlafen neben Eri und gähnte. "Ich schnarche nicht", stellte Eri noch einmal klar. Damit drehte sie sich ruckartig auf die andere Seite. "Was ist denn da los?", fragte Miroku wieder und die Wohnzimmertür wurde ein Stück weit aufgeschoben. "Frauengespräche", erklärte Sango und drückte die Tür wieder zu. "Verpasse ich irgendwas?", fragte seine dumpfe Stimme verdattert. "Schläft außer Inuyasha überhaupt irgendjemand?", jammerte Eri. "Ich bin wach", murmelte er leise und Kagome zuckte unwillkürlich zusammen. Seine Stimme ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen und ihre Nackenhaare stellten sich auf. "Und du schnarchst", fügte er hinzu. "Oh, Gott!", knurrte sie. "Und was kommt als Nächstes?" Eri setzte sich aufgebracht auf. "Stadt, Land, Fluss? Monopoly? Oder vielleicht doch lieber Ich sehe was, was du nicht siehst?" "Aber man sieht doch fast gar nichts", murmelte Ayumi erstaunt. "Ja, das wäre etwas eintönig", stimmte Sango zu. "Ich liebe Monopoly", sagte Miroku hinter der geschlossenen Tür. "Können wir nicht einfach alle ein bisschen schlafen?", flehte Eri und drückte sich ihr Kissen auf's Ohr. "Bitte." Und dann kehrte schließlich Ruhe ein. Irgendwann zwischen dem Aufhellen des Nachthimmels und dem ersten Vogelzwitschern, war Kagome schließlich eingenickt. Als sie die Augen öffnete, schien die Morgensonne in einem warmen leuchtenden Orange durch die Fenster auf ihr Gesicht. Sie rieb sich die Augen und bemerkte, dass sie alleine im Raum war. Aus einem anderen Zimmer hörte sie ein dumpfes Klopfen. Mit den Füßen strampelte sie die Decke nach unten und schlug die Arme um sich, als sie daraufhin anfing zu frösteln. Sie rappelte sich langsam auf, fühlte sich müde und kraftlos. "Guten Morgen", hauchte sie kaum hörbar, als sie in der Küche auf Sango traf. Sie lächelte Kagome kurz zu, bevor sie einen Teekessel auf den frisch angeschlossenen Herd stellte. Miroku stand neben ihr und versuchte vergeblich die Kaffeemaschine zum Laufen zu bringen. Er grinste belustigt und grüßte sie fröhlich: "Guten Morgen, Sonnenschein. Hast du gut geschl- Au!" Die Maschine hatte angefangen mit heißem Wasser herumzuspritzen und er wich erschrocken ein paar Schritte zurück, während er sich den schmerzenden Arm rieb. "Blödes Mistding." Sango zog schnell das Kabel und die Kaffeemaschine beendete ihr Treiben mit einem bedrohlichen Summen. "Irgendetwas machst du falsch", betonte sie und hob eine Augenbraue. "Jetzt such doch endlich diese dumme Bedienungsanleitung." "Vielleicht solltest du einfach akzeptieren, dass dein Vater uns eine teuflische Kaffeemaschine geschenkt hat", schmollte er. "Ich glaube sie wurde konstruiert um einen Attentat auf mich auszuüben." "Finde die Anleitung, die du verbummelt hast und ich kümmere mich darum", schlug Sango vor und stellte zufrieden fest, dass Miroku ging um die Kartons nach der Anleitung zu durchwühlen. "Wo sind Ayumi und Eri?", fragte Kagome. "Holen Frühstück", antwortete Sango knapp. "Ah." Mit zusammengekniffenen Lippen starrte sie Kagome abwartend an. Sie blinzelte und warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu. "Ist was?" "Ich habe versprochen, dass ich noch schweige- aber ich kann nicht mehr!", platzte Sango heraus und griff nach ihren Händen. "Es ist einfach so wunderbar. Und verrückt. Und fantastisch. Und irgendwie schräg. Hast du eine Ahnung wie aufgeregt ich bin?" "Nein, überhaupt nicht", erwiderte Kagome verwirrt, als sie begann nervös auf und ab zu hüpfen. "Aber ich würde mich gerne mitfreuen." "Inuyasha und du- ein Pärchen!" "W-wie hast du?" Sie spürte wie ihre Wangen vor Verlegenheit heiß wurden. "Inuyasha hat es mir gesagt", erklärte Sango und schüttelte dann den Kopf. "Nein, stimmt gar nicht. Ayumi hat es mir erzählt." "Ayumi?" "Sie hat gesehen wie ihr euch geküsst habt. Ihr habt euch echt geküsst!", quietschte Sango und drückte auffordernd ihre Hände. "Nun, erzähl schon, wie war es denn?" "Ähm, also, es war- irgendwie schön, nehme ich an." "Stimmt, dumme Frage. Ist ja nicht so als ob du einen Vergleichswert hättest. Schließlich war es dein erster Kuss, nicht wahr? Aber keine Sorge, den Dreh hat man schnell raus." "Weißt du, Sango, ich-" "Ich kenne Inuyasha noch nicht besonders gut, aber auf mich macht er einen sehr positiven Eindruck. Miroku kann ihn auch gut leiden." "Unglaublich, dass Ayumi uns gesehen hat", murmelte Kagome. "Ich dachte sie schläft." "Keine Panik. Ich habe ihr eingeredet. dass sie bloß geträumt hat. Sie wird nichts sagen, falls du dich deswegen sorgst." Sango runzelte die Stirn. "Warum sorgst du dich deswegen?" "Wer hat dir denn das wieder erzählt?", fragte sie verblüfft. "Inuyasha. Er hat mich gebeten dicht zu halten. Er weiß nicht, ob du es an die große Glocke hängen willst. Warum weiß er nicht, was du willst oder nicht?" "Keine Ahnung." Kagome senkte nachdenklich den Blick. Inuyasha, dachte sie. Sie wusste auch nicht mit Sicherheit was er wollte. Hatte er gesagt er wolle mit ihr zusammen sein? Sie wusste es nicht mehr. Der Kuss vernebelte die übrige Erinnerung. "Du siehst nicht so aus, als ob du glücklich bist." "Worüber?", fragte Kagome gedankenverloren. Sango schaute sie fassungslos an. "Über dich und Inuyasha!" "Aber klar doch, ich bin darüber sehr glücklich", widersprach sie ihr und erklärte: "Es ist nur so neu- in den letzten Monaten habe ich versucht ihn mir abzuschreiben. Ich wollte verhindern, dass er mich noch einmal verletzt. Und jetzt geht alles so schnell, ich muss das erst noch verdauen." "Verständlich." Sango nickte und überlegte kurz. "Aber Inuyasha weiß, dass du glücklich bist, oder? Er weiß, dass du noch verdaust?" "Ich denke schon. Er sollte es wissen." Sie zögerte einen Moment. "Nun, ich hoffe er weiß es." Sango seufzte und mit einem tiefen Stirnrunzeln, packte sie Kagome an den Schultern und schob sie aus der Küche. "Geh jetzt zu ihm und mach ihm klar was Sache ist!" Sie deutete auf das Arbeitszimmer, aus dem noch immer die dumpfen Arbeitsgeräusche zu hören waren und mit tapsigen Schritten und zitternden Knien lief sie den Flur entlang. Vorsichtig schob sie die Tür auf und lugte hinein. Inuyasha kniete auf dem Boden und hielt zwei Holzbretter in je einer Hand. Energisch drückte er die Dübel in die vorgebohrten Löcher und schraubte die Bretter zusammen. Es sah so aus, als sollte daraus wohl der Schreibtisch werden. Kagome lies den Blick durch den Raum schweifen. Er war fleißig gewesen. Es standen schon zwei Bücherregale und ein Kaffeetisch. Wann hat er damit angefangen, fragte sie sich. Konnte er zumindest ein bisschen schlafen? Inuyasha hatte sie bemerkt und schaute verwundert zu ihr hinauf. "Hallo", sagte Kagome schnell. "Hi." Er legte den Schraubendreher zur Seite, richtete sich auf und vermied es, ihr direkt in die Augen zu sehen. "Ähm, ich würde gerne mit dir reden." "Ja, worüber denn?" Sie wollte ihn gerade fragen, ob das ein schlechter Scherz sein sollte, als plötzlich eine lautstarke Diskussion bezüglich der Kaffeemaschine zwischen Sango und Miroku durch die Wohnung hallte. "Können wir irgendwo hingehen, wo es leiser ist?", fragte sie stattdessen und er zuckte mit den Schultern. Sah ihr noch immer nicht in die Augen. Ihre Nervosität wich langsam ihrem Ärger. "Was schlägst du vor?" Sie schaute sich um und überlegte kurz. Daraufhin packte sie ihn am Ärmel und zog ihn die knarrenden Stufen zur Dachterrasse hinauf. Der Wind war kalt und glitzernder Frost schimmerte im Sonnenlicht. Sie schloss die Luke hinter ihm und die Lautstärke war augenblicklich gedämmt. "So, hier ist es besser." "Gut, du wolltest reden?" "Ja", nickte sie und nahm einen mutigen, tiefen Atemzug. "Ich habe gerade erkannt, dass ich gestern Abend etwas unkonzentriert war, nachdem Ayumi uns-" "Ist kein Thema", würgte Inuyasha sie ab und starrte auf den Boden. Sie verzog überrascht das Gesicht und beharrte: "Äh, doch, ich finde schon, dass es ein Thema ist." "Wirklich es-" "Wir haben geknutscht", hauchte sie und konnte sich ein kurzes Lächeln nicht verkneifen, während sie es aussprach. Er verschränkte die Arme vor der Brust, sagte aber nichts dazu. "Inuyasha, wir haben uns geküsst", wiederholte sie ernst. "Ja, ich weiß", bestätigte er widerstrebend. "Ich war dabei." "Es kam einfach so unerwartet, verstehst du?" "Kein Grund zur Aufregung. Wenn du willst, vergessen wir einfach was passiert ist." "Nein, ich will gar nicht vergessen was passiert ist", protestierte sie. Seine Anspannung schien sich zu lösen und endlich blickte er ihr in die Augen. "Okay", murmelte er zögernd. "Du hast gestern keine Reaktion gezeigt, also dachte ich-" "-dass ich es einfach ignorieren und dir ausweichen würde? Hör mal, ich bin nicht du. Das ist nur so verrückt, ich muss das erst mal sacken lassen." Inuyasha atmete erleichtert auf. "Geht mir ähnlich." "Also", murmelte sie nach kurzem Schweigen, "wie ist das jetzt? Sind wir nun sowas wie ein Paar?" "Da du es nicht vergessen willst und ich dir bereits versichert habe, dass ich es ernst meine, wäre das die logische Konsequenz daraus, meinst du nicht?" "Ja, vermutlich." "Inuyasha!" Mirokus lautes Rufen, aus der Wohnung, unterbrach sie. "Du wirst gebraucht", meinte sie lächelnd und Inuyasha trat entschlossen einen Schritt näher auf sie zu. "Okay, hör zu: Wir gehen jetzt wieder an die Arbeit und legen alles Andere in die Warteschleife. Und heute Abend reden wir in Ruhe über alles." "Schön, dann verlegen wir das Gespräch auf heute Abend", nickte sie zustimmend. "Ich werde da sein." Inuyasha schmunzelte leicht, öffnete dann die Dachluke und stieg die ersten Stufen hinunter. Dann blieb er wieder stehen und drehte sich noch einmal zu ihr um. "Ah, und noch etwas." Sie schaute ihn neugierig an. "Klär die Sache schleunigst mit diesem Houjo. Wenn der Typ noch einmal behauptet er hätte was mit meiner Freundin am laufen, dann werde ich ihn verprügeln." Nachdem er verschwunden war, wiederholte sie das Gesagte noch einmal in ihrem Kopf. Seine Freundin. Inuyashas Freundin. Als ihr diese Tatsache schließlich vollends bewusst wurde, setzte sie ein breites Lächeln auf, machte kleine Freudensprünge und unterdrückte ein glückliches Jauchzen. Kapitel 32: Das bunte Rad ------------------------- Das Frühstücksgeschirr klapperte. Kagomes Großvater schlürfte seinen Tee. Souta knabberte, in Begleitung eines leisen Klirrens, am Rand seines halbleeren Glases. Ihr Vater schlug die raschelnden Seiten seiner Morgenzeitung gerade und warf gelegentlich einen mürrischen Blick über den oberen Rand des Papiers. Ihre Mutter lächelte stumm vor sich hin und der Kater schmiegte sich schnurrend um Kagomes Beine. Als er ihr über den Knöchel leckte, schob sie ihn vorsichtig weg. Sie beobachtete ihre Familie aus dem Augenwinkel. Sie waren still. Viel zu still. Unnatürlich. Als ahnten sie, dass sich etwas verändert hatte. Inuyasha, der ihr gegenüber saß, deutete unauffällig darauf hin, dass sie mit dem Frühstücken fast fertig waren. Er schaute kurz zu ihrem Vater, dann wieder zu ihr und hob auffordernd die Augenbrauen. Sie schüttelte fast unmerklich den Kopf. Er runzelte fragend die Stirn. Sie setzte einen verzweifelten Gesichtsausdruck auf. Nun hatte sie doch noch kalte Füße bekommen. Er verdrehte die Augen, als hätte er genau gewusst, dass sie einen Rückzieher machen würde und wackelte ungeduldig mit dem Bein. Souta bemerkte es, da er direkt neben ihm saß, und schaute ihn neugierig an. Inuyasha lächelte kurz unschuldig und starrte dann wieder hinüber zu Kagome. Sie neigte leicht ihren Kopf zur Seite und signalisierte ihm, dass er ihr helfen sollte den Tisch abzuräumen. Beinahe gleichzeitig standen sie auf und stapelten das leere Geschirr übereinander, bevor sie es ins Waschbecken legten. Ihr Vater und ihr Großvater beobachteten sie mit misstrauischen Blicken. Kagome wandte ihnen den Rücken zu und wusch schnell ab. Inuyasha stellte sich dicht neben sie und während er den ersten Teller abtrocknete, flüsterte er ihr zu: "Du wolltest es ihnen doch beim Frühstück sagen." "Ja, aber-", sie warf einen Blick über die Schulter und bemerkte, dass ihr Vater sie noch immer über den Rand der Zeitung hinweg anstarrte, "Ich glaube es wäre vielleicht doch besser wenn du nicht dabei bist." "Sag ich doch." "Verschwinde", hauchte sie fast lautlos, "ich mache das allein." "Damit habe ich kein Problem. Ich gehe mit Souta nach oben und warte auf meinen Rauswurf. Bis gleich." Sie wartete, bis die beiden den Raum verlassen hatten. Dann atmete sie tief ein und stellte sich entschlossen vor den Küchentisch. "Mama, Papa, Opa-", begann sie. Die drei hoben den Kopf und schauten abwartend zu ihr hinauf. "Ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen." "Wir sind ganz Ohr", erwiderte ihr Großvater und stellte die inzwischen leere Teetasse ab. "Also, ich sagte ja, dass ich euch darüber informiere, falls sich etwas in meinem Leben ändert-", sie schluckte, "- und das ist nun der Fall. Seit gestern sind Inuyasha und ich nicht mehr nur Freunde, sondern fest zusammen. Wir sind ein Paar. So, ich habe es gesagt." Sairan faltete stirnrunzelnd die Zeitung zusammen und legte sie auf den Tisch. Er wechselte einen Blick mit ihrem Großvater, der daraufhin etwas an seinen Fingern abzählte, bevor er triumphierend grinste. "Gestern, sagtest du?", hakte er noch einmal nach. "Äh, ja." "Dann habe ich gewonnen." "Hättest du dir nicht noch einen Tag länger Zeit nehmen können?", knurrte ihr Vater mürrisch und zog ein paar zerknitterte Geldscheine aus der Hosentasche. Er warf ihrem Großvater drei Scheine entgegen und Kagome schaute verwirrt zu ihrer Mutter. "Was?" "Die beiden haben darauf gewettet, wie lange es wohl mit euch dauert", erklärte sie. "Opa war sich sicher, dass es nicht mehr als drei Tage sein würden, während dein Vater sich an die Hoffnung klammerte, dass es mehr Zeit beansprucht." Kagome schaute ihre Familie fassungslos an. "Ihr schließt Wetten auf mich ab?" "Sieh es doch weniger als Wette", meinte ihr Großvater versöhnlich. "Sondern mehr als zwischenzeitliche Umlagerung familiärer Finanzmittel." "Das glaube ich einfach nicht." Kagome stemmte verärgert die Hände in die Hüften. "Hast du uns wirklich für so naiv gehalten? Als ob wir das alles nicht durchschauen könnten", erwiderte ihr Vater grimmig. "Wieso durchschauen?" "Du bringst das erste Mal männlichen Besuch mit, lädst ihn zum Weihnachtsfest ein und behauptest dennoch er sei nur ein Freund." "Naja", murmelte sie. "Bis gestern war es ja auch so. Oder so ähnlich." "Aha." Sairan verzog ungläubig das Gesicht. "Wie auch immer", erwiderte ihre Mutter. "Es war vorhersehbar und jetzt ist es nun einmal so. Wir sollten lieber über wichtigere Dinge sprechen. Ich glaube die Pille wäre in diesem Fall das geeignete Verhütungsmittel." "Ver-Verhütungsmittel?", fragte Kagome, mindestens eine Oktave höher als gewöhnlich und mit hochrotem Kopf. Sairan, der in diesem Moment einen Schluck von seinem Kaffee trinken wollte, spuckte vor Schreck das Gebräu wieder in die Tasse und warf einen empörten Blick zu seiner Frau. Kagomes Großvater fasste sich schweratmig an die Brust und stand vom Tisch auf. "Ich glaube, mein altes Herz verkraftet das nicht", murmelte er und verließ die Küche. "Nein!", rief Sairan und erhob sich mit solcher Hektik, dass sein Stuhl nach hinten umkippte. "Niemals, das erlaube ich nicht! Das ist mein Haus und Minderjährige haben keinen Geschlechtsverkehr unter meinem Dach!" "Das hatte ich auch gar nicht vor!", versicherte Kagome ihm und sie war sich sicher, dass es das peinlichste Gespräch war, dass sie jemals geführt hatte. Hoffentlich hörte Inuyasha nichts davon. "Das glaube ich dir, Kagome", lächelte ihre Mutter wissend. "Aber wenn es hier nicht passiert, dann passiert es irgendwann auf dem Internat." "Mit Sicherheit nicht", widersprach ihr Vater und verschränkte die Arme vor der Brust. "Getrennte Wohnheime. Getrennte Schlafzimmer." Wenn der wüsste, dachte Kagome und erschauerte. "Wenn man jung und verliebt ist, wird man sehr erfinderisch. Da findet sich immer ein Weg, gerade du müsstest das wissen, mein Liebling." Sie zwinkerte ihre Tochter an und fügte hinzu: "Und ein kleiner Tipp von mir: Ein Bett ist viel bequemer, als der Rücksitz von einem Auto." "Yume!" Sairan blickte verschämt zu seiner Frau. "Ich bitte dich." Das musste ein Traum sein, war Kagome sich schließlich ganz sicher. Das träumte sie bloß. Das war einfach viel zu verrückt, um real zu sein. "Und, wie ist es gelaufen?", fragte Inuyasha, als sie in ihr Zimmer kam. Er saß auf dem Fußboden vor ihrem Bett und blätterte gerade durch ihr pinkes Fotoalbum, in dem sich Kinderfotos von ihr, Bilder von vergangenen Schulfesten und Geburtstagsfeiern mit ihren Freundinnen befanden. "Besser als erwartet", antwortete sie und setzte sich neben ihn. "Nehme ich an. Ihre mehr oder weniger gelassene Reaktion, hat mich etwas verwundert." "Also darf ich weiterleben." "Vorerst. Sie hatten darauf gewettet, wie lange es dauert bis wir zusammen kommen, kannst du das fassen?" "Ehrlich?", lachte er und schlug das Album zu. "Wer hat gewonnen?" "Das ist nicht witzig, Inuyasha." "Doch, das ist sehr witzig." Kagome schmunzelte leicht. Ja, irgendwie schon. Zaghaft legte sie ihre Hand in seine und daraufhin verschränkte er ihre Finger miteinander. Sie lächelte glücklich und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Ein paar Minuten lang, saßen sie einfach nur so da. Seine warmen Finger, streichelten über ihre Haut und sie hieß die neuartigen Gefühle willkommen. "Schau mal", unterbrach er die Stille und deutete auf das Fenster. "Es hat angefangen zu schneien." Kagome hob den Kopf und beobachtete die feinen, weißen Flocken die langsam zu Boden fielen. "Der erste Schnee. Wie schön", flüsterte sie. "Was hältst du davon, wenn ich dir etwas von der Stadt zeige? Du hast doch gesagt, du hast nie mehr als den Flughafen gesehen." "Gern." "Super, ich mache mich kurz zurecht und dann geht es los." "Okay", nickte er und die beiden standen auf. "Weißt du wo ich meine Kameratasche abgelegt habe?" "Ich glaube die liegt unten im Wohnzimmer." Kagome verschwand eilig im Bad und Inuyasha ging die Treppenstufen hinunter. Schon von weitem konnte er durch die offene Zimmertür seine Tasche in der Ecke liegen sehen. Doch als er den Raum betrat, sah er noch was ganz anderes. Kagomes Vater saß auf dem Sofa und schaute angespannt auf den Fernseherbildschirm. Inuyasha drehte sich auf dem Absatz um und wollte verschwinden, bevor Sairan ihn bemerkte. "Hey, Junge." Zu spät. Widerwillig drehte Inuyasha sich wieder um. Sairan musterte ihn mit mürrischen Blicken. "Bist du sportbegeistert?" Das klang wie ein Test. Er hob auffordernd eine Augenbraue. Verdammt, das war wirklich ein Test. "Ähm, sicher", log Inuyasha. "Ich liebe Sport." Sairan deutete auf den freien Platz neben sich und Inuyasha setzte sich unglücklich neben ihn. Er sah sich ein Fußballspiel an. Fußball. Souta spielte Fußball. Das hatte er an Heiligabend erzählt. Und Yori. Was wusste er über Fußball? Im Kopf zählte er alles auf, was ihm dazu einfiel. Ein Ball. Und Füße. Alle laufen diesem Ball hinterher. Die Teams sind durch die verschiedenen Farben zu erkennen. Farben. Farbenlehre. Mit Farben kann er was anfangen. Wieso hat er sich nie mit Fußball beschäftigt? Moment, lief früher nicht diese Serie? Kick- Kicker-Kickers! Ja, richtig, er erinnerte sich. Das hatte er als Kind schon nicht verstanden. Wäre es sehr merkwürdig, wenn alle Menschen nur laufen würden? Das wäre zumindest umweltfreundlicher. Wieso fuhr er kein Hybridauto? Er müsste einen Hybriden fahren. "Los! Los, weiter!", rief Sairan aufgeregt und beugte sich leicht nach vorne. Sein Blick klebte am Bildschirm. War ihm eigentlich bewusst, dass die Spieler ihn durch den Fernseher nicht hören konnten? Dass seine Anfeuerungsmethoden absolut nichts zum Spielverlauf beitrugen? Zudem unten in einer Ecke stand, dass es sich nicht um eine Live-Übertragung handelte, sondern um eine Wiederholung. Inuyasha zwang sich wieder hinzusehen und verfluchte sich, weil er sich ständig in seinen Gedanken verlor, statt das Spiel mit dem Vater seiner Freundin zu sehen. Offensichtlich gab der sich Mühe, die Situation zu akzeptieren. Da sollte es doch möglich sein, dass er selbst- Er war schon wieder abgeschweift. Ein paar Minuten nur, nicht einmal das schaffte er. "Ja!", rief Sairan lautstark und warf triumphierend seine Faust in die Luft. Inuyasha zuckte erschrocken zusammen und ergänzte reflexartig: "Ja, Touchdown." Die Zuschauer im Stadion gröhlten, jubelten und sangen eine Hymne, während Sairan ihn mit gerunzelter Stirn anstarrte. Das war scheinbar falsch gewesen. "Homerun?", fragte Inuyasha unsicher und er schüttelte langsam den Kopf. Denk nach, Inuyasha. Was hatte Yori immer erzählt, wenn er von einem Spiel kam? "Elfmeter?", versuchte Inuyasha es ein letztes Mal. "Tor", antwortete Sairan mit dunkler, rauer Stimme. Inuyasha wich seinem undurchdringlichen Blick aus, indem er weiter auf den Fernsehrbildschirm starrte. "Ah, ja. Tor. Das ist das Rechteck an den beiden Enden", sagte Inuyasha und gab schließlich zu: "Ich hasse Sport." "Ich weiß deine Mühe zu schätzen", erwiderte Kagomes Vater gnädig und wandte sich wieder dem Spiel zu. Inuyasha schaute sehnsüchtig zur Tür und dann wieder hinüber zu Sairan, der ihn keines Blickes mehr würdigte. Also- Konnte er jetzt wieder?- Oder wurde erwartet, dass er es bis zum Ende mit ihm anschaute? Bitte nicht. "Äh-nun", murmelte Inuyasha zögerlich. "Darf ich-" "Du darfst gehen." "Danke." Eilig stand er vom Sofa auf und wollte gehen, aber im Türrahmen drehte er sich wieder um. Mit zügigen Schritten ging er an Sairan vorbei, schnappte sich seine Kameratasche und verschwand schließlich. Das war es, was Inuyasha unter einer unangenehmen Situation verstand. "Und dann sagte ich: Ja, Touchdown!", erzählte er später, während sie durch einen Park schlenderten. Mittlerweile hatte es aufgehört zu schneien und der Himmel strahlte, brachte das Eis zum glitzern. Kagome kicherte belustigt. "Im Ernst?" "Ja, und du hättest sehen müssen wie dein Vater mich angeschaut hat. Als hätte ich sie nicht mehr alle." Lachende Kinder stapften durch den knöcheltiefen Schnee, bewarfen sich gegenseitig damit und formten Schneeengel auf dem Boden. Ein eifriger Geschäftsmann konnte gerade noch einem Schneeball ausweichen und sprach übellaunig in sein Handy und beschwerte sich über die plötzlich eingetretende Umweltkatastrophe. "Weil er es nicht versteht. Mein Vater hat da eine sehr altmodische Denkweise", erklärte sie. "Seiner Meinung nach sollten Mädchen mit Puppen spielen und Jungs schauen sich Sportsendungen an. Was glaubst du, wer Souta im Fußballverein angemeldet hat." "Damit konnte ich nie etwas anfangen." "Yori spielt doch auch Fußball", fiel Kagome ein. "Hast du dir denn nie eines seiner Spiele angesehen?" "Nein. Warum hätte ich das tun sollen?", fragte er verständnislos. "Um ihn anzufeuern. Er ist schließlich dein Freund." "Ihn anfeuern und sein ohnehin schon unermesslich hohes Ego weiter steigern? Auf keinen Fall!" "Und was ist mit Ray? Er ist ebenfalls Leistungssportler." "Ja, aber das ist Wettschwimmen." Inuyasha runzelte die Stirn. "Da gewinnt der, der am schnellsten ist. Ganz einfach. Aber beim Fußball gibt es seltsame Regeln wie Abseits oder Schwalbe. Was zur Hölle macht die Schwalbe auf dem Spielfeld?" Kagome lachte laut auf und die beiden ließen den Park hinter sich. Sie erreichten eine stark befahrene Straßenkreuzung. Als der Wind auffrischte, zog Kagome ihren Mantel enger um den Leib. "Frierst du?" "Etwas", erwiderte sie lächelnd und zog ihn eilig zu einer Ampel, die gerade auf Grün gesprungen war. "Komm, hier lang." Sie führte Inuyasha in ein großes Lokal namens Wacdnals und steuerte sofort auf einen Platz in der Ecke zu. Die Einrichtung war sehr schlicht gehalten. Ein heller, freundlicher Ort der viele junge Menschen anlockte. "Warum grinst du so?", fragte Inuyasha, nachdem sie sich die Jacken von den Schultern gestreift und sich gesetzt hatten. "Ich freue mich einfach mal wieder hier zu sein", antwortete sie und grinste noch breiter. "Ich war mit meinen Freundinnen sehr oft nach der Schule hier. Es war fast schon so etwas wie ein Ritual. Das hier ist unser Stammplatz. War- ich meinte es war unser Stammplatz", korrigierte sie sich selbst. "Du vermisst dein altes Leben sehr", stellte er fest. "Ja, schon", gab sie zu. "Aber ich fange gerade an, auch mein neues Leben sehr zu schätzen." Sie setzte wieder ein fröhliches Lächeln auf und mit dieser Aussage entlockte sie ihm ebenfalls ein leichtes Schmunzeln. Beim Essen unterhielten sie sich wie nie zuvor. Als Inuyasha die Geschichte von der alten Kamera seines Großvaters erzählte, spürte Kagome, wie sehr er sich wirklich dafür begeisterte, und davon träumte, die Weltreise endlich zu verwirklichen. Fasziniert hörte sie ihm zu. Er war witziger und klüger, als ihm vermutlich bewusst war. Im Gegenzug löcherte er sie mit Fragen über ihre Familie, über ihre Jugend in Tokyo und ihre kurzen Urlaubsaufenthalte in Peking und Seoul vor einigen Jahren. Er wollte wissen, was ihre Lieblingsbücher und -filme waren, und es überraschte Kagome, wie viele Gemeinsamkeiten sie hatten. Sein Blick folgte ihren Fingern, die zwischendurch einige seiner Pommes Frites stibitzten. Sie erstarrte als sie sich schließlich selbst dabei ertappte. "Oh, entschuldige", murmelte sie verschämt. "Ich hätte fragen sollen." Inuyasha lächelte nur. Er wirkte glücklich und entspannt. Hatte sie sich in seiner Gegenwart schon jemals so wohlgefühlt? Kagome startete ihre Führung in Akihabara, ein Stadtteil von Tokio ohne besondere Sehenswürdigkeiten. Denn Akihabara selbst war eine einzige, große Sehenswürdigkeit und wurde auch Electric Town genannt. Haufenweise Touristen waren mit ihren Digital- und Kompaktkameras unterwegs. Neben ihnen, wirkte Inuyasha sehr professionell. Er positionierte sich anders und während sich die meisten auf die Automatikfunktion verließen, passte er die Einstellungen bei jedem neuen Bild an. Leuchtreklamen um Leuchtreklamen zierten die Fassaden der Gebäude. Klick. Außerdem galt die Elektronikmeile als einer der großen Otakutreffpunkte der Stadt. Viele verkleidete Menschen zogen durch die Geschäfte und besonders die vielen Cosplay-Cafés, in denen die Kellnerinnen als Dienstmädchen verkleidet waren, wurden reichlich besucht. Klick. Von dort aus ging es weiter nach Shinjuku; das quirligste Viertel Tokyos. Nur langsam gelang es den beiden sich durch die Massen von Personen zu drängen. Inuyasha war stets darauf bedacht ihre Hand fest zu halten, um sie nicht in diesem endlosen Meer aus Köpfen aus den Augen zu verlieren. Unzählige Geschäfte, die zumeist Technikprodukte verkauften, warben lautstark um jeden Menschen, der an den Läden vorbeiging. Der Ort war vorallem für drei Dinge bekannt. Erstens, für den gleichnamigen Shinjuku Bahnhof, welcher mit über zwei Millionen Fahrgästen am Tag, der verkehrsreichste der Welt war, was Kagome nach eigener Erfahrung nur bestätigen konnte und daher von einer Fahrt abriet. Klick. Zweitens, die knapp zwanzig Wolkenkratzer in West-Shinjuku. Klick, klick. Und last but not least, Ost-Shinjuku für sein weltbekanntes Rotlichtviertel Kabuki-cho. Tokios Stadteil Shinjuku sei gerade nachts ein unvergessliches Erlebnis, erzählte Kagome. Es hieß die beleuchteten Werbetafeln schafften es zum Teil, den Times Square in New York den Rang abzulaufen. Doch die Hauptsehenswürdigkeit war das Rathaus mit seinen achtundvierzig Stöcken. Klick. Es war 243 Meter hoch und bestand aus drei miteinander verbundenen Gebäudeteilen, die der Vorderseite einer Kathedrale ähnelten. Die beiden Türme des Rathauses waren zu einem Wahrzeichen Tokios geworden und überragten die umliegenden Hochhäuser. Auf der Aussichtsplattform im 45. Stockwerk, befand sich ein kleines Cafe, wo sie sich bei einem heißen Kakao aufwärmten und sich von dem belebten Treiben in Tokyos Straßen erholten. Von dort konnten sie einen guten Blick auf den umliegenden Wald aus Wolkenkratzern werfen und da das Wetter so gut geworden war, erblickten sie schemenhaft den etwa hundert Kilometer entfernten Vulkan Fuji, mit seiner in Schnee gehüllten Spitze. Klick, klick, klick. Nur einen Häuserblock entfernt vom Rathaus, eher unauffällig an einer Straßenkreuzung stand das rote Monument aus den vier Buchstaben L-O-V-E, das ein bekanntes Logo geworden war und in vielen japanischen Fernsehserien zu sehen sei. Kagome schenkte ihm ein Lächeln während er sie vor der Skulptur fotografierte. Klick. Und warf ihm kurz darauf einen Kussmund zu. Klick, klick. "Was glaubst du, will der Fotograf mit seinen Arbeiten ausdrücken?", fragte sie ihn etwas später, als sie vor einem Schwarz-Weiß- Foto einer nackten Frau im Tokyo metropolitan Museum of Photography standen. Inuyasha überlegte kurz und spitzte die Lippen. "Ich nehme an, er setzt sich mit dem Wandel in der Darstellung des nackten Frauenkörpers auseinander und spiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse und kulturgeschichtlichen Entwicklungen wieder", antwortete er schließlich. Kagome starrte ihn mit offenem Mund an. Hatte er gerade wirklich so einen Satz hervorgebracht? "Oder-", ergänzte er und sie horchte auf. "- er fotografiert einfach nur gerne nackte Frauen." Kagome lachte auf und sie gingen weiter durch die Galerie. "Warum wolltest du Fotograf werden?" "Weil es einfach ist." "Ist es nicht." "Doch, sicher. Jeder kann auf den Auslöser einer Kamera drücken. Es ist unkompliziert. Genau das Richtige für mich." Fordernd stieß sie ihren Ellenbogen in seine Seite. "Du drückst aber nicht einfach nur auf den Auslöser. Mir kannst du es doch erzählen." "Du klingst so, als würdest du eine großartige Geschichte davon erwarten, wie ein Kindheitstraum entstanden ist." Sie blieb stehen und schaute ihn abwartend an. Nach kurzem zögern, erklärte er schließlich: "Als Kind bin ich oft in die Bücherei gegangen und habe mir Bildbände und Reiseführer ausgeliehen. Die außergewöhnlichen Orte und Tiere, die schönen Farben und Formen haben mich begeistert. Mit acht wurde mir klar, dass jemand diese Orte ja fotografieren musste und dieser Jemand wollte ich sein. Das war es schon. Nichts besonderes." "Für mich ist das genug", lächelte Kagome glücklich. Der nächste Halt war die Westseite des Bahnhofs Shibuya. Jedes Mal, wenn die Ampel auf Grün sprang, gingen die Menschen aus allen Richtungen los und verschmelzten auf der Mitte der Kreuzung zu einer dunklen Masse. Als Kagome sich mit ihm an die Spitze der Menschenmasse drängte, sie auf die Straße liefen und von den anderen Seiten eine riesige Menge auf Sie zukam, fühlte er sich fast wie auf dem Weg in eine Schlacht. Die Straßenkreuzung des belebten Viertels war weltberühmt. Umgeben von unzählig vielen Spielhallen, Karaoke-Bars, Hochhäusern, bunter Leuchtreklame und Neonlichtern galt sie als Inbegriff des Tokyoter Großstadttrubels. Klick. Vor dem Bahnhof Shibuya befand sich das Bronzedenkmal des Akita-Hundes Hachiko, die treuen Hundeaugen auf den Ausgang des Bahnhofs gerichtet. Klick. Inuyasha hörte ihr aufmerksam zu, während Kagome ihm erzählte, dass diese Statue dem Hund eines ehemaligen Professors der Tokyo-Universität gewidmet war. Der Hund holte in den 1920er Jahren sein Herrchen jeden Abend vom Bahnhof ab. Auch nachdem der Professor gestorben war kam Hachiko bis zu seinem eigenen Tod jeden Tag zum Bahnhof, um auf den Professor zu warten. "Diese Geschichte hat mich schon als kleines Mädchen immer begeistert." "Das überrascht mich überhaupt nicht", erwiderte Inuyasha, setzte sich neben die Statue und streckte sich ausgiebig. Kagome starrte ihn verwundert an. "Was ist?" "Irgendwie siehst du ihm ähnlich." "Wem?" "Hachiko." "Ich sehe dem Hund ähnlich?", fragte Inuyasha entgeistert. "Willst du mich verarschen?" "Nein, wirklich!", beharrte sie. "Ich kann es gar nicht genau erklären, nur irgendwie-" Inuyasha warf ihr einen beleidigten Blick zu. "Nun- Hachiko soll außerdem ein sehr schöner Hund gewesen sein. Und seine Treue ist weltberühmt. Das war also eigentlich ein Kompliment." "Das macht es nicht besser. Wirklich nicht." Nachdem sie den gesamten Nachmittag durch die Stadt gelaufen waren, fing es allmählich an zu dämmern. Das war der perfekte Zeitpunkt um Inuyasha zum Tokyo Tower zu bringen. Der Funk- und Fernsehturm war eine über 330 Meter hohe Stahlkonstruktion. Am Fuß dieses weiß-orangen Riesen gab es eine kleine Freizeitanlage mit Aquarium, Restaurant und Andenkenläden. Aber Kagomes Ziel war die Aussichtsplattform in 250 Metern Höhe, die vollständig verglast war und ein atemberaubendes 360-Grad-Panorama auf die Stadt freigab. Sie kamen gerade rechtzeitig dort oben an, um den Sonnenuntergang und das darauffolgende, beeindruckende Lichtermeer der Stadt bestaunen zu können. Kagome griff nach seiner Hand und plötzlich hatte sie das Gefühl zu schweben. Vom Tokyo Tower konnte man außerdem auf den funkelnden Hafen hinunterblicken. Einige Schiffe fuhren schleichend unter der Rainbow-Bridge auf das offene Meer hinaus. Die Brücke war die Verbindung zu Odaiba, dem jüngsten und modernsten Stadtteil der japanischen Metropole Tokio. Diese künstlich angelegte Insel glich einem Themenpark; zahlreiche futuristisch anmutende Gebäude waren hier ebenso vertreten, wie unzählige Vergnügungs- und Einkaufszentren. Schon von weitem konnte man das hell erleuchtete Riesenrad sehen. "Siehst du, dort?", fragte Kagome und drückte ihren Zeigefinger gegen die Glasscheibe. "Das ist Daikanransha, eines der größten Riesenräder der Welt. Ich war als Kind immer sehr traurig, wenn Papa für seine Arbeit wieder wochenlang verreisen musste. Ich stand gemeinsam mit Mama auf der Brücke und wir schauten ihm solange hinterher, bis sein Schiff am Horizont verschwand. Dann ging sie mit mir zum Riesenrad, um mich aufzuheitern. Das war immer so schön." "Sind das nun schlechte oder gute Erinnerungen?", fragte Inuyasha leise. "Beides", lächelte sie und drückte seine Hand. "Komm, ich will jetzt unbedingt dort hin." Mit der Einschienenbahn fuhren sie über die Brücke und erreichten schnell den großen Platz vor dem Riesenrad auf dem bis vor ein paar Tagen wohl noch ein Weihnachtsmarkt betrieben wurde. Einige kleine Häusschen waren in einem Kreis aufgestellt. Die meisten Buden waren schon geschlossen. Auch das Karussell, war bereits außer Betrieb. Kagome schaute begeistert das bunte Riesenrad hinauf, das, nun da es dunkel geworden war, in seiner vollen Pracht erstrahlte. Auffordernd zog sie Inuyasha weiter. Allerdings sträubte er sich. "Es ist noch nicht zu spät. Wir können noch eine Runde fahren." "Geh du nur. Ich warte hier auf dich." Sie warf ihm einen überraschten Blick zu. "Du willst nicht mitfahren?" "Das ist nicht so mein Ding", sagte er und musterte stirnrunzelnd den runden Giganten. "Ich würde gerne mit dir zusammen fahren." "Ich möchte aber nicht", stellte er klar und Kagome hörte einen unzufriedenen Unterton heraus. "Gut, okay", antwortete sie etwas geknickt und ließ unbewusst die Schultern hängen. "Dann lass uns nach Hause gehen." "Du wolltest doch mit dem Riesenrad fahren. Also: Fahr doch." "Nein, ist schon gut." "Was soll das denn jetzt, Kagome?", rief er verärgert. "Wir sind dafür doch extra hergefahren!" "Ich wollte mit dir zusammen fahren", zischte sie beleidigt. Warum regte er sich denn plötzlich so auf? "Da du das nicht möchtest, hat das doch keinen Sinn mehr, also lass uns Heim gehen." "Dass sich das mit uns so entwickelt hat, bedeutet nicht, dass du mich nun beeinflussen oder herum kommandieren kannst." Wütend schlug er ihre Hand beiseite. "Ich bin keiner von diesen Typen, der sich nach belieben formen und verändern lässt. Ich lasse mich zu nichts drängen, was ich nicht will!" "Das habe ich doch gar nicht vor!", verteidigte sie sich und starrte ihn verstört an. "Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es hier überhaupt noch um das Riesenrad geht." Seine Hände waren zu Fäusten geballt und sein ganzer Körper bebte vor Zorn. Er war in der Vergangenheit oft wütend auf sie gewesen, hatte wegen jeder Kleinigkeit einen Streit vom Zaun gebrochen und keine Gelegenheit ausgelassen, sie aufzuziehen. Doch so hatte sie ihn wirklich noch nie erlebt. Sie schluckte und ging langsam auf ihn zu, wollte sanft nach seinem Ärmel greifen und murmelte: "Bitte lass uns aufhören zu streiten. Ich will nicht mit dir streiten." "Vergiss es!", knurrte er und wandte sich von ihr ab. Mit schnellen Schritten entfernte er sich von ihr und ließ sie alleine zurück. Sie senkte ihre Hand und schaute ihm verwirrt nach. Völlig blind seiner Umwelt gegenüber, drängte er sich an schließenden Geschäften und Menschen vorbei. Er wollte nur weg, weg, einfach weg! Es fiel ihm schwer zu atmen, was war das, was war los? Als er wieder klar denken konnte, befand er sich an einem künstlich angelegten, etwas abgelegenen Strand, mit Blick auf die Regenbogenbrücke und den Hafen. Der Lärm der Stadt schien weit entfernt und schließlich hörte er nur noch sein eigenes Schnaufen. Er atmete die eisige Luft tief ein und spürte wie sich seine Lungen weiteten. Er dachte angestrengt nach, versuchte in sich hinein zu horchen, und eine Erklärung für sein eigenes Verhalten zu finden. Warum war er so wütend geworden? Kagome hatte ihm doch überhaupt nichts getan. Er konnte seine Hände kaum noch spüren. Er vergrub sie in den Jackentaschen, schützte sie vor der Kälte und spürte kurz darauf ein intensives Kribbeln in den Fingern. "Inuyasha?", hört er eine vertraute Stimme sagen. Er seufzte und schloss nachgiebig die Augen. "Erde an Inuyasha, bitte kommen", wiederholt sie. Er öffnet die Lider und schaut in Kikyos fragendes Gesicht. "Hast du mir zugehört?" "Tschuldige, ich bin gerade mit den Gedanken wo anders", murmelt er. "Habe ich bemerkt. Ich sagte gerade, dass diese Universität nur eine Stunde von meiner entfernt wäre. Das wäre perfekt für uns, meinst du nicht?", erklärt sie begeistert und hielt ihm eine weitere Broschüre vor die Nase. Er nimmt das Stück Papier und legt es, ohne einen genauen Blick drauf zu werfen, auf den Stapel neben sich. Gedankenverloren kritzelt er kleine Smileys und schiefe Muster neben seine Notizen aus dem Unterricht. "Woran denkst du denn nun wieder?" Er zuckt leicht zusammen und klappt sein Heft zu. "Nichts das dich sorgen müsste." "Ich mache mir aber Sorgen, darin bin ich sehr gut", erklärt sie und schaut ihn eindringlich an. Er meidet ihren Blick. "Ja, aber versuch nicht mein Leben zu regeln", erwidert er leicht genervt. Kikyo legt ihren Stift beiseite und runzelt ernst die Stirn. "Das versuche ich gar nicht, ich will bloß dass du dich gut fühlst." "Lass mich doch einfach fühlen was ich fühle, okay?" Er klingt aggressiver als er beabsichtigt hat. Er merkt ihr deutlich an, dass sie nicht weiß, was sie darauf antworten soll; wie sie sich in einer so angespannten Situation verhalten soll. Und sie tut das, was sie immer tut. Sie geht nicht darauf ein, macht einfach weiter. "Hast du schon die Liste fertig?", fragt sie, als wäre nichts gewesen. "Die mit den Fächern, die dich interessieren würden." "Nein", sagt er nur. Sie streiten nicht. Sie streiten nie. "Dieses Wochenende fliegen wir nach Hause, wegen dieser Firmenfeier. Es wäre gut, wenn du sie mir vor der Abreise gibst, damit ich die Unis die für dich in Frage kommen, weiter eingrenzen kann. Oh, die hier wäre auch sehr passend." Sie reicht ihm noch eine Broschüre und er starrt die spießigen Texte und die spießigen Bilder angewidert an. Er will das nicht. Er will das nicht machen. Er macht die Weltreise, das hat er ihr doch bereits erklärt, oder etwa nicht? Er hat sich bereits von ihr überreden lassen, einen vernünftigen Abschluss zu machen, statt abzubrechen. Kann sie sich nicht damit zufrieden geben? Schweigend legt er auch diese Broschüre auf den Stapel und beginnt innerlich zu schreien. "Komm, lass uns tanzen!", fordert sie ein paar Tage später. "Du weißt was ich vom tanzen halte", hört er sich sagen. Er klingt schlecht gelaunt. "Und du weißt, dass mir das egal ist", erwidert sie vergnügt. "Komm schon, das ist ein Fest!" "Ja, eine Firmenfeier." "Zwing mich nicht dazu, dich zu zwingen." Kikyo greift nach seinen Händen und versucht ihn auf die Tanzfläche zu ziehen. Doch statt wie üblich leidig nachzugeben, schüttelt er sie grob ab und verschränkt die Arme vor der Brust. Er spürte sie. Er spürte ihre Hände und die Wucht mit der er sie von sich weggestoßen hatte, als wäre es gerade erst passiert. Er wünschte sich einmal mehr, sein vergangenes Ich davon abhalten zu können, diese Worte zu sagen, die alles furchtbare auslösten. Ihn davon abzuhalten mit ihr in diesen Wagen zu steigen. Ihn zu ermahnen, er soll gefälligst auf die Straße schauen und sich nicht ablenken lassen. Wenn er doch einfach mit ihr getanzt hätte. Mehr hätte er nicht tun müssen und das alles wäre nie passiert. Es überraschte ihn, dass das wieder hochkam. Er hatte wirklich geglaubt, er hätte damit abgeschlossen. Er biss die Zähne zusammen. Er hatte ja immer wieder gesagt, diese blöde Therapie würde nichts bringen. All diese verschwendete Zeit hätte er sich wirklich sparen können. Ein bitterer Geschmack breitete sich in seiner Mundhöhle aus und er empfand ehrliche Reue. Wie Kagome sich wohl fühlte. Er war sich bewusst, dass er das wieder gerade biegen musste. Er schaute sich orientierungslos um, bis er über einem der Gebäude einen Teil des Riesenrads ausmachen konnte. Eilig lief er in die Richtung. Kagome saß in einer Gondel des Riesenrads und schaute nachdenklich in die Ferne. Es hatte wieder angefangen zu schneien. Feine, weiße Flocken schwebten durch die Dunkelheit. Sie sah den Tokyo Tower, der seine Beleuchtung von orange zu blau änderte, die Rainbow-Bridge und die Wolkenkratzer von Shinjuku. Die Rainbow-Bridge war wie jeden Abend beleuchtet, die Skyline von Tokyo blitzte ihr mit vielen tausend Lichtern, inklusive dem noch immer blau erleuchteten Tokyo Tower, entgegen und einige kleine Schiffe lagen ruhig auf der Wasseroberfläche, geschmückt mit Lichterketten in vielen verschiedenen Farben; und alles spiegelte sich im Wasser wieder. Dieser Anblick wäre absolut vollkommen- wenn sie ihn nur richtig genießen könnte. Sie hob ihren traurigen Blick, als ihre Gondel plötzlich unten hielt. Was sollte das? Eine Fahrt dauerte normalerweise eine viertel Stunde, sie war erst vor knapp fünf Minuten eingestiegen. Sie schaute zum Eingang und hob überrascht die Augenbrauen, als sie sah, wie Inuyasha dem Betreiber ein paar Scheine zusteckte und dann auf sie zukam. Hatte er den Mann tatsächlich bestochen, damit der das Rad kurzzeitig anhielt? Er öffnete die Tür der runden Kapsel und setzte sich neben sie. Kagome sagte nichts und das Riesenrad setzte sich wieder in Bewegung. Sie tat so, als würde sie hinaus schauen, während sie ihn heimlich aus dem Augenwinkel beobachtete. Er schien angestrengt nachzudenken. Er wollte vermutlich etwas sagen. Sie wusste, dass ihm so etwas schwer fiel. Also machte sie den Anfang. "Ich bin froh, dass du wieder zurück gekommen bist", sagte sie leise. Er kniff die Lippen zusammen, bevor er antwortete: "Ich hätte nicht einfach abhauen sollen. Das war eine dämliche Aktion von mir." "Entschuldigung angenommen", murmelte sie und starrte weiter durchs Fenster. "Ich kann nicht so richtig erklären, was da vorhin über mich gekommen ist." Zögerlich streichelte er ihr mit dem Daumen über den Handrücken. "Ich werde mich bemühen, dich nicht mehr so schlecht zu behandeln, aber-" Kagome verschränkte ihre Finger mit seinen und wandte sich ihm endlich zu. "Aber?" Er schluckte. "Aber Tatsache ist, ich bin ein Arsch. Und das werde ich wohl immer sein. Wenn du einen Märchenprinzen suchst, dann bist du bei mir falsch." "Das ist mir bewusst, Inuyasha", antwortete sie ruhig. "Ich weiß auf was, oder besser, auf wen, ich mich eingelassen habe und es ist genau das was ich will. Dein Temperament und deine Reizbarkeit sind ebenso ein Teil von dir, wie deine liebenswürdigen Eigenschaften und ich möchte nichts davon missen." Inuyasha wusste nicht was er sagen sollte und starrte sie nur verblüfft an. Seufzend legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und lächelte. "Aber das nächste Mal, wenn du mir gegenüber so aggressiv wirst, werde ich mich zu wehren wissen, nur damit du es weißt. Das lasse ich mir kein zweites Mal gefallen", drohte sie und Inuyasha nickte demütig. Sie saßen für eine kurze Weile, ganz ruhig so da. "Das war unser erster Streit als Paar", bemerkte Kagome. "Hat ja nicht lange gedauert." Als die Gondel plötzlich ein hässliches Knarzen von sich gab, versteifte Inuyasha sich schlagartig. "Wie oft wird dieses Riesenrad eigentlich gewartet?" Kagome kicherte nur, zog ihn an seinem Kragen zu sich und drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, um ihn abzulenken. Kapitel 33: Neues Jahr, neues Glück ----------------------------------- Klick. Klick. Klick. Yori drückte wiederholt auf den Druckknopf seines Kugelschreibers, während er nachdenklich auf ein Stück Papier starrte. Er saß auf der Couch, die Füße hatte er bequem auf dem Tisch abgelegt. Aus seinem Smartphone tönte leise sein Lieblings-Song Runaway Baby und die große Wanduhr über der Eingangstür, begleitete den Rhytmus mit einem stetigen Ticken. Er war noch alleine im Apartment. Wie immer wenn die Schule wieder anfing. Er war immer einer der Ersten, die am Campus ankamen. Er mochte diese Ruhe vor dem Sturm. Die Stille vor der Jagd. Er nahm sich gerne die Zeit um eine Liste anzufertigen. Eine Liste mit Namen der Mädchen, auf die er ein Auge geworfen hatte. Herzen die er zu erobern versuchte. Das war sein Antrieb, seine Motivation- Er seufzte laut und legte den Kopf in den Nacken. Aus irgendeinem Grund hatte er dieses Mal bedenkliche Schwierigkeiten. Plötzlich öffnete sich die Eingangstür und Yori versteckte den Zettel schnell hinter seinem Rücken. "Hallo Yori!", rief Kagome fröhlich. Sie streifte sich ihren Rucksack von den Schultern und die Perücke vom Kopf. "Wie geht es dir? Wie waren deine Ferien? Du bist früh hier." Yori grinste sie verschmitzt an und antwortete: "Gut, sehr gut und ebenfalls. Du scheinst super drauf zu sein." Sie neigte den Kopf und lächelte überglücklich. "Ich fühle mich fantastisch." "Hervorragend", murmelte Yori leise vor sich hin, während er Kagome hinterherschaute. Sie öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und warf den Rucksack auf ihr Bett. Sie streckte sich ausgiebig und fühlte sich stark, motiviert und zuversichtlich. Das würde ein absolut großartiges Jahr werden, davon war sie überzeugt. Sie öffnete den Rucksack und kramte ein kleines Paket hervor. In dem Päckchen befand sich eine kleine Webkamera, die sie neben den Computer auf dem Schreibtisch ablegte. "Bevor du wieder verschwindest, musst du dein Geschenk auspacken!", hallt Sangos Stimme in ihren Gedanken wider. "Ein Geschenk?", fragt Kagome überrascht. "Für mich?" Während sie das Geschenkpapier löst, starren Sango, Ayumi, Yuka und Eri sie erwartungsvoll an. Sie sitzen gemeinsam in Sangos neuer Küche und trinken köstliche heiße Schokolade. Eine Art Abschiedsfeier für Kagome, bevor sie nach Musashi zurückkehrt. "Eh? Eine Webcam?" "Wir haben alle zusammengelegt", erklärt Sango. "Jede von uns hat genau die Gleiche." "Ja, damit wir dich auch mal sehen können", meint Yuka und Eri ergänzt: "Nur telefonieren und E-Mails schreiben, reicht uns einfach nicht." "Also eigentlich ist das ein Geschenk an uns selbst", sagt Ayumi. "Sie hat auch eine äußerst praktische Aufnahmefunktion", betont Miroku grinsend, als er um die Ecke kommt und einige Snacks auf dem Tisch abstellt." Damit lassen sich allerhand Schweinereien anstellen. Vor allem zu zweit." Kagome wird etwas rot und Miroku wirft Sango einen erwartungsvollen Blick zu, doch sie starrt ihn nur wütend an. "Pah, als ob so eine kleine Webkamera, Kagomes Schönheit einfangen könnte", brummt Kouga und verschränkt die Arme. "Dafür braucht es schon mindestens 4K." Kagome lächelte glücklich, als sie an diesen Moment zurück dachte. Sie würde Sam später fragen, ob sie die Webkamera anschließen und installieren könnte. Sie kannte sich sehr gut mit Computern und anderem Technikzeug aus. Sie wühlte erneut im Rucksack und zog einen kuscheligen, dunkelgrünen Schal heraus. "-sehe ich uns beide einfach nicht so. Du bist für mich ein sehr guter Freund, aber nicht- nun, ja. Ich hoffe du verstehst das." Kagome schaut bedrückt auf, nachdem sie während ihres Monologs den Blick auf die Tischkante fixiert hat. Houjo wirkt geknickt und tieftraurig. Um sie herum im Schnellrestaurant sitzen viele fröhliche, junge Leute und der Geräuschpegel ist in diesem Moment fast unerträglich laut, im Vergleich zu der unangenehmen Stille die sich zwischen ihr und Houjo breit macht. Schließlich seufzt er und erwidert ihren Blick ernst. "Wird er dich glücklich machen? Dieser Inuyasha?" Diese Frage irritiert sie und Kagome überlegt einen kurzen Moment, bevor sie schließlich überzeugt nickt. "Ja, das wird er." "Dann ist es gut so", sagt Houjo demütig und Kagome bewundert seine Ruhe und Gelassenheit. Sie greift nach der Tüte neben sich und will sie ihm reichen. Doch Houjo weigert sich, sie anzunehmen und schüttelt den Kopf. "Nein, Kagome. Diesen Schal habe ich für dich gestrickt. Niemand anderes als du, soll ihn tragen." Kagome hob den weichen Stoff an ihr Gesicht und ließ ihn über die Haut gleiten. So weich und warm. Sie würde ihn mit Stolz tragen. Behutsam hängte sie den Schal an die Garderobe. Als sie wieder in ihre Tasche griff und dabei eine gewisse, rechteckige Verpackung in die Finger bekam, zuckte sie leicht zusammen. "Keine wilden Knutschereien, kein Fummeln, kein Griff unter dem Shirt und der Einsatz der Zunge ist absolut untersagt", zählt Sairan streng auf, während er Inuyashas Finger in einem festen Handschlag umklammert hält. Einige Passanten auf dem Bahnsteig schauen überrascht auf, während sie an ihnen vorbeigehen. Inuyasha nickt gezwungen und verspricht: "Ich tue nichts, was Sie nicht auch tun würden." Sairan erstarrt kurz und wird knallrot vor Ärger. Der Handgriff verstärkt sich abermals und er wiederholt luftschnappend: "Keine Knutschereien, kein Fummeln, kein-" "Papa, das ist so peinlich", zischt Kagome und zieht ihn von Inuyasha weg. "Lass ihn endlich in Ruhe." Yume kichert belustigt und erklärt: "Er regt sich doch nur so auf, weil er sich noch genau daran erinnert, auf was für Gedanken er in eurem Alter gekommen ist. Zum Beispiel, das eine Mal als wir-" "Ich will darüber nun wirklich nichts hören", unterbricht Kagomes Großvater sie und nahm Souta bei der Hand. "Auf Wiedersehen, Schwesterherz. Komm uns mal wieder besuchen, Inuyasha, ja?", ruft ihr kleiner Bruder fröhlich. "Ähm, klar", erwidert Inuyasha zögerlich. Yume umarmt ihre Tochter zum Abschied und drückt ihr ein kleines, diskretes Tütchen in die Hand. "Was ist das?" "Das hast du auf deinem Schreibtisch liegen lassen, du bist manchmal so vergesslich", schmunzelt sie. Kagome wird rot und schiebt das Tütchen eilig in ihren Rucksack, als die undeutliche Stimme aus dem Lautsprecher um Abstand für den einfahrenden Zug bittet. Sie hatte es nicht vergessen, sondern absichtlich dort gelassen, dachte Kagome seufzend und betrachtete stirnrunzelnd die kleine Packung. Es hätte nur noch peinlicher werden können, wenn Inuyasha das mitbekommen hätte. Sie ließ die Verhütungspillen in der hintersten Ecke einer Schublade verschwinden. Yori stand noch im Wohnzimmer und blickte in die spiegelnde Oberfläche eines Bilderrahmens, während er sich aufgeregt durch die Haare fuhr. Er ging grinsend einen Schritt nach rechts auf Kagomes Zimmer zu, als plötzlich die Wohnungstür aufgestoßen wurde und Yori traf, der sich in dem Augenblick direkt davor befand. Er rieb sich ärgerlich die schmerzende Schulter und murmelte überrascht: "Inuyasha?" Sein Blick wanderte kurz zur Uhr und Inuyasha ließ die schweren Koffer fallen, bevor er die Tür mit dem Fuß wieder zudrückte. "Ist dein Flieger nicht immer erst nachmittags da?" "Schon, aber ich komme mit dem Zug nicht mit dem Flieger", antwortete Inuyasha. Yori warf einen schnellen Blick zur Zimmertür und auf die Koffer. Inuyasha konnte ihm ansehen, wie er die Schlüsse zog. "Also bist du-" "Ja." "Und ihr seid-" "Richtig." "Und du hast bei ihr-" "So ist es." Inuyasha schaute ihn warnend an. Ein Blick der soviel heißen sollte wie: Rühr meine Freundin nicht an. Yori verstand und seine Miene verfinsterte sich etwas. Er wandte sich ab und ging auf sein Zimmer zu. Über die Schulter murmelte er noch ein leises: "Schön für euch", und zog die Tür hinter sich zu. Yori schaute auf seine Liste, auf der nur ein einziger Name stand, zerknüllte den Zettel und warf ihn wütend in den Papierkorb. "Kagome, du hättest gerade Yoris Gesicht sehen müssen, als er- alles okay?" Als Inuyasha ins Zimmer trat, fand er Kagome auf der Bettkante sitzend und panisch in eine Plastiktüte atmend. "Wie soll das eigentlich funktionieren?", fragte sie mit weit aufgerissenen Augen. Er hob fragend eine Augenbraue. "Wir sind gerade einmal eine Woche ein Paar und wohnen schon zusammen!" "Ähm-" "Was wenn du mich satt hast, und du nirgends hin kannst und-" "Hey, hör schon auf", versuchte er sie zu beruhigen und legte seine Hand auf ihren Oberarm. Die Wärme drang durch den Stoff ihres Oberteils. "Das wird nicht passieren", sie atmete tief ein und aus und begann sich langsam zu beruhigen. "Und falls doch, schlafe ich halt in der Badewanne." "Was!?", quietschte sie hysterisch und wollte wieder nach der Tüte greifen. Inuyasha nahm sie ihr weg und sagte schnell: "Vergiss das wieder." "Aber-" "Hör zu, ich will, dass es klappt. Und das wird es auch." Kagome sah ihn überrascht an und war seltsam gerührt, von dem was er sagte. Sie nickte langsam. "Es hat vorher auch schon ein halbes Jahr lang funktioniert, außerdem hat sich das mit uns ja nicht von einem Tag auf den anderen entwickelt, also reg dich ab!" "Ja, du hast recht", lächelte sie. "Viel wichtiger ist die Frage, warum ich dein Gepäck tragen musste!" "Weil die Rollen von meinem Koffer abgebrochen sind. Zum Tragen ist er zu schwer." "Kauf dir einen neuen Koffer." "Nicht jeder von uns kann sich das mal eben leisten!", murmelte sie beleidigt. Inuyasha fing an zu grinsen und ging einen Schritt näher auf sie zu. "Hättest du doch nur einen Freund, der bloß seine Kreditkarte zücken muss, um dir so viele Koffer zu kaufen wie du willst." "Hätte ich nur", kicherte sie. "Sag es nicht weiter, aber ich habe da jemanden im Auge der reich, gutaussehend und liebenswert ist." Kagome legte ihre Hände um seinen Nacken, als er sie an der Hüfte an sich ran zog und sie vorsichtig auf die Wange küsste. "Wer könnte das wohl sein?", nuschelte er an ihrer Haut. "Pssst." Fragend schaute er ihr in die Augen. Zärtlich legte sie ihren Zeigefinger auf seine Lippen und lächelte. "Das ist mein Geheimnis." Er nahm ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf den Finger, bevor sich ihre Lippen berührten. Inuyasha drückte sie noch näher an sich heran und ihre Knie wurden schwach. Sie knickte ein und ließ sich nach hinten auf ihr Bett fallen. Er schaute sie einen Moment lang überrascht an, dann beugte er sich über sie und begann erneut sie zu küssen. Ihr war heiß und kalt zur gleichen Zeit. Sie bekam Gänsehaut und fing an zu schwitzen. Doch mit jedem Kuss wurde es leichter. Mit jedem Kuss fühlte es sich vertrauter an. Seine linke Hand strich ihr das Haar aus dem Gesicht und sein Daumen blieb auf ihrer Wange liegen, während er sie am Hals entlang küsste. Kagome drückte ihre Füße verkrampft in die Matratze und biss sich fest auf die Unterlippe, aber sie konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. "Das kitzelt!" Plötzlich klopfte es an der Zimmertür. "Ach, verdammt", zischte Inuyasha und stand verärgert auf. "Woher wusste er das?" "Woher wusste wer was?", fragte Kagome verwirrt. "Woher wusste Yori, wann er am meisten stört", antwortete er und ging langsam auf die Tür zu. Es klopfte noch einmal- lauter und bestimmter. "Was denn?", rief er genervt, als er die Tür öffnete. Mit einem lauten Knall schloss er die Tür sofort wieder, drehte sich erschrocken um und zischte: "Das ist Mafuyu!" Kagome sprang auf und schaute sich panisch um. Er wedelte wild mit einer Hand herum, gab ihr zu verstehen, dass sie sich verstecken sollte. Kagome hüpfte über sein Bett zum Fenster am anderen Ende des Zimmers, blieb mit dem Fuß im Laken hängen und stolperte mit einem lauten Poltern auf den Fußboden hinter dem Bett. Aber dort konnte man sie von der Tür aus nicht mehr sehen. Inuyasha öffnete die Tür erneut und Mafuyu blickte ihn mit finsterer Miene an. "Tschuldige, ich- Ähm, ich musste niesen." "Ich habe kein Niesen gehört", erwiderte sie demonstrativ. "Es war ein leises Niesen", erklärte er und lehnte sich gegen den Türrahmen, als Mafuyu Anstalten machte, ins Zimmer hineinzuspähen. "Ich habe ein Frauenlachen gehört." Inuyasha zog nervös die Luft durch die Nase. "Äh, ja ich- ähm", begann er zu stammeln und Kagome verkrampfte sich hinter dem Bett. "Ich wollte mal sehen ob ich lachen kann- wie eine Frau." Mafuyu musterte ihn einen Moment lang und antwortete schließlich: "Oh, gut gemacht. Das war sehr überzeugend." "Danke", murmelte er und war erleichtert, dass Mafuyu wie immer sehr leichtgläubig war. Kagome verzog in ihrem Versteck ungläubig das Gesicht und schüttelte den Kopf. "Woher wusstest du, dass ich schon hier bin?", fragte Inuyasha. "Ich habe Fenster in meinem Zimmer." Er runzelte verwirrt die Stirn. "Ich habe dich vorhin im Hof gesehen." "Okay, und was kann ich für dich tun?" "Du hast dich über die Ferien nicht ein einziges Mal gemeldet", bemerkte sie vorwurfsvoll und zog einen Schmollmund. "Du hast nicht mal die Weihnachtskarte geöffnet, die ich dir per Mail geschickt habe." "Ähm-" "Ich habe über eine Stunde gebraucht, um eine Passende auszuwählen." "Ich hatte mein Handy hier am Campus vergessen", entschuldigte er sich. "Was?", fragte Mafuyu verständnislos. "Wer vergisst denn sein Handy, wenn er verreist?" "Was hältst du davon, wenn wir uns später in der Stadt treffen?", schlug er schließlich vor und sie hörte ihm ganz aufmerksam zu. "Wir trommeln die anderen zusammen und gehen gemeinsam irgendwo essen. Feiern das nächste Jahr und so." "Das ist eine gute Idee", sagte sie mit einem strahlenden Lächeln und wirkte vollkommen besänftigt. "Wie wäre der Italiener bei dem wir das eine Mal waren? Die Pasta war so lecker." "Ja, klingt super." "Okay, ich reserviere uns einen Tisch. Meinst du Kaoru kommt auch mit?" "Ähm-" Inuyasha warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah wie Kagome schnell ihren hochgestreckten Daumen über die Bettkante hielt. "Ja, ich denke schon. S- Er kommt mit." Nachdem Mafuyu vergnügt abgezischt war, drückte Inuyasha erschöpft die Tür hinter sich zu, schlurfte zu seinem Bett und ließ sich fallen. Kagome kletterte zu ihm hinauf und legte sich neben ihn. "Danke", hauchte sie und zupfte zärtlich an einer seiner Haarsträhnen. "Für diese erfolgreiche Rettungsaktion, habe ich eine Belohnung verdient, finde ich", murmelte er leise und rutschte näher an sie heran. "Klopf, klopf!" rief Yori laut, während er ins Zimmer rauschte. "Ups, entschuldigung." Inuyasha und Kagome waren erschrocken voneinander abgewichen und hatten sich aufgesetzt. "Noch viel besser als Klopf klopf zu sagen, wäre tatsächlich zu klopfen", grummelte Inuyasha. "Störe ich irgendwie?", fragte Yori unschuldig. Kagome strich sich verlegen die Haare hinter die Ohren und er erwiderte laut: "Ein bisschen, Ja!" "Soll ich verschwinden?" "Tu was du für richtig hältst." "Na gut, ein bisschen kann ich ja bleiben." Inuyasha sah ungläubig dabei zu, wie Yori ebenfalls aufs Bett sprang und sich zwischen sie setzte. "Wer hat Lust auf Mensch, ärgere dich nicht? Ray kann einsteigen, wenn er ankommt", schlug Yori fröhlich vor und wedelte mit der Spieleverpackung herum. Kagome warf Inuyasha einen hilflosen Blick zu und er verdrehte genervt die Augen. "Wisst ihr", Yori legte seine Arme um die Schultern der Beiden, "ich glaube, das wird ein fantastisches Jahr! Was meint ihr?" Kapitel 34: Das fängt ja super an --------------------------------- "Erinnert mich bitte jemand daran, das nächste Mal nicht mit Mafuyu essen zu gehen?", seufzte Yori und schlurfte hinter den anderen das letzte Stück zu den Wohnheimen. "Mich auch, bitte", murmelte Sam und gähnte müde. "Hey!", protestierte Mafuyu bestürzt. Es war kalt und stockfinster auf dem Zentralhof und sie waren später wieder zurück, als es geplant war. "Ich kann doch auch nichts dafür, wenn der Kellner seinen Job nicht richtig macht." "Er hat einen Fehler gemacht, na und? Du bist einfach zu penibel", kritisierte Sam sie und erntete dafür einen bösen Blick. Mafuyu hob die Augenbrauen und fragte: "Gibt es eine andere Formulierung für keine Oliven im Salat, als: Ich möchte keine Oliven im Salat?" "Niemand sagt, dass du im Unrecht warst", sagte Ray versöhnlich und Mafuyu horchte auf. "Es ist nur so, dass wir anderen warten mussten, bis der dritte Salat endlich so war, wie du ihn haben wolltest und unser Essen ist währenddessen kalt geworden. Vielleicht könntest du das nächste Mal die Oliven aus dem Salat herausholen." "Vielleicht könnte der Kellner das nächste Mal nicht so geistesgestört sein und dafür sorgen, dass ich erst gar keine Oliven im Salat vorfinde", antwortete Mafuyu trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. "Also, Mafuyu", begann Sam und setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf, "Wenn du nicht freundlicher zu Angestellten wirst, ergeht es dir noch wie Cookie Sweetfield." "Cookie- wer?", fragte Mafuyu. Yori verzog das Gesicht und murmelte leise vor sich hin: "Den Namen hast du dir doch gerade ausgedacht." "Cookie Sweetfield war eine gefürchtete Restaurantkritikerin, die immer wieder mal für Schlagzeilen sorgte." "Was hat Cookie mit meinem Salat zu tun?" "Und ihren Oliven?", fragte Yori etwas lauter. "Cookie war sehr grob und gemein zu den Leuten, besonders zu Kellnern, alle hassten sie. Ein Kellner, der schon öfters unter ihr leiden musste, hatte irgendwann die Nase gestrichen voll! Es waren doch Oliven, die das Fass zum Überlaufen brachten, oder Inuyasha?" "Das konnte man im Nachhinein nicht mehr feststellen", erwiderte er ohne die Miene zu verziehen. Jetzt wusste Kagome, dass die Geschichte erstunken und erlogen war. Sie hörte weiter aufmerksam zu. "Wie dem auch sei, eines Abends kam Cookie Sweetfield also wieder in das Restaurant in dem er arbeitete. Heimlich verschloss der Mann alle Türen und Fenster. Dann schüttete er Benzin im ganzen Haus aus und zündete es skrupellos an." "Das ist ja schrecklich", sagte Mafuyu. Sie waren mittlerweile bei den Wohnheimen angekommen und standen im Hof. Sam genoss die Aufmerksamkeit, die ihr alle schenkten und steigerte sich weiter in ihre Geschichte hinein, betonte ihre Worte mit wilden Gestikulierungen. "Das Restaurant brennt, die Leute sind panisch und merken, dass alle Ausgänge verschlossen sind. Also schlagen sie die Fenster ein um zu fliehen, doch der Kellner steht schon mit seiner Axt bereit und hackt die Leute in klitzekleine Stückchen, alle sterben!" Einen kurzen Moment lang, war, bis auf das Zirpen der Grashüpfer in den dunklen Büschen, nichts zu hören. "Warum hat der Kellner auch die anderen Gäste zerhackt und nicht nur Cookie Sweetfield?", fragte Mafuyu schließlich. Sam verschränkte die Arme und nickte. "Der arme Mann hatte über lange Zeit, viel Wut angestaut und Cookie Sweetfield reichte nicht, um ihm Genugtuung zu verschaffen." "Und wieso erzählst du mir diese Geschichte?" Die anderen tauschten untereinander ungläubige Blicke aus. Mafuyu hatte ihr das Ganze offenbar abgekauft. Sam klopfte ihr auf die Schulter und schob sie Richtung Mädchenwohnheim. "Ich will nur sagen: Manchmal ist es besser eine Olive zu essen, als in Stücke zerhackt oder angezündet zu werden." Oben verschloss Inuyasha die Zimmertür hinter sich, während Kagome ihre Perücke vom Kopf zog und sich auf die Bettkante setzte. "Du bist die ganze Zeit schon so still", bemerkte Inuyasha und setzte sich gegenüber von ihr auf sein eigenes Bett. "Alles okay?" Kagome schaute ihn gedankenversunken an. Schließlich antwortete sie: "Ich denke nach." Inuyasha wartete einige Minuten darauf, dass sie fortfuhr. Tat sie aber nicht. "Worüber?", fragte er, lauter als beabsichtigt, und sah sie ungeduldig an. "Ich denke darüber nach, Mafuyu mein Geheimnis anzuvertrauen." "Wie zur Hölle, kommst du auf sowas?" Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet. "Nun", begann sie zögerlich. "Die anderen wissen es doch auch bereits und es hat sich herausgestellt, dass ich euch vertrauen kann. Ihr unterstützt mich, ihr steht hinter mir, sogar auf Ronnie und Yori ist Verlass. Mafuyu und ich stehen uns nicht sehr nah, aber ich betrachte sie als Freundin. Ich fühle mich schlecht, wenn sie die Einzige im Bunde ist, die nicht Bescheid weiß. So wie du aussiehst, bist du von dieser Idee nicht begeistert." "Diese Idee ist bescheuert." "Aber es gäbe Vorteile. Ich müsste mich in der Gruppe nicht mehr verstellen, ihr müsstet euch nicht ständig vorsehen, wie ihr mich ansprecht. Außerdem kann sich die Situation, dass Mafuyu plötzlich vor der Tür steht und ich mich verstecken muss, nicht wiederholen. Zusammengefasst: Weniger Stress, stärkere Verbundenheit, geringeres Verletzungsrisiko-" "Kagome!", unterbrach Inuyasha sie bei ihrer Aufzählung. "Ich verstehe was du meinst, aber vertraue mir, das ist wirklich eine ganz schlechte Idee!" "Warum?", fragte sie enttäuscht. Er seufzte. "Mafuyu ist nicht sonderlich gut dazu geeignet, Geheimnisse für sich zu behalten. Du weißt, wie gerne sie tratscht. Und ich fürchte, wenn du es ihr sagst, weiß es am nächsten Tag die ganze Schule. Wenn sie nicht sogar selbst die Schulleitung informiert." "Meinst du wirklich, dass sie das tun würde?" "Vielleicht", er zögerte kurz. "Ich weiß es nicht. Mafuyu ist schwer einzuschätzen, sie tut ständig Dinge, die ich nicht verstehe. Bei den anderen war ich mir absolut sicher, bei ihr habe ich ein ungutes Gefühl." "Du hast recht", gab Kagome schließlich unglücklich zu. "Es wäre zu riskant sie einzuweihen." Sie versank wieder in Gedanken, also stand Inuyasha auf und schlug ihr vor, sich gemeinsam noch einen Film anzusehen. "Das wird dich ablenken." Kagome nickte und beobachtete ihn dabei wie er den Fernseher einschaltete. "Setzt du dich zu mir?", fragte sie schüchtern, als er wieder auf sein Bett zu ging. Er stutzte, setzte sich dann aber neben sie. Glücklich und mit heißen Wangen machte sie ihm Platz und legte dann ihren Kopf auf seiner Schulter ab. "Läuft denn so spät noch ein Film?" "Irgendwas wird sich schon finden." Inuyasha zappte eine Weile lang erfolglos durch die Kanäle. Hauptsächlich liefen Werbespots. Kagomes Augen wurden immer schwerer und er bemerkte früh, dass sie bereits eingeschlafen war. Er schaltete den Fernseher wieder aus und wartete noch ein paar Minuten. Streichelte ihr über die Hand, ließ seine Wange über weiches Haar gleiten. Als er glaubte, dass sie nicht mehr aufwachen würde, rutschte er vorsichtig von ihr weg und legte ihren Kopf sanft auf dem Kissen ab. Dann ging er ums Bett herum, zog die Bettdecke unter ihren Füßen hervor und deckte sie zu. Dann zog er sein Shirt über den Kopf, machte das Licht aus und legte sich in sein Bett. Der nächste Morgen lief sehr entspannt ab. Inuyasha packte gerade einige Bücher in seinen Rucksack, während Kagome sich die Haare zusammenband und ihre Perücke darüber stülpte. Unwillkürlich fing sie leise an zu kichern. Er drehte sich um und schaute sie fragend an. "Ich musste gerade daran denken, wie anders der letzte erste Schultag war." "Wir haben verschlafen und sind zu spät zum Unterricht erschienen", nickte Inuyasha. "Ich habe mich so schuldig gefühlt, weil ich dachte es sei meine Schuld gewesen. Du warst an diesem Tag sehr gemein zu mir." Inuyasha hob überrascht die Augenbrauen. "Du hast mir gesagt, ich sei nichts Besonderes und dass du nichts mit mir zu tun haben willst", erklärte sie wissend. "Sicher, dass ich das so gesagt habe?" Kagome nickte und er verzog das Gesicht. "Ich hatte bestimmt nur schlechte Laune." "Ja, das wird es gewesen sein", murmelte sie sarkastisch vor sich hin. "Was sagst du?" "Ich habe an diesem Morgen von dir geträumt", sagte sie stattdessen. "Ach, ja? War ich im Traum auch so gemein zu dir?", fragte Inuyasha verständnislos, zog sich den Rucksack über die Schulter und ging auf sie zu. "Ich weiß es nicht mehr", log sie, lächelte ihn an und wollte ihm einen Kuss aufdrücken. Inuyasha ging einen schnellen Schritt zurück. "Bist du irre?" "Was?", fragte sie verunsichert. "Du bist Kaoru", er deutete auf ihre Perücke. Kagome blinzelte ihn verwundert an und hob fragend eine Augenbraue. "Wir brauchen klare Regeln. Wenn du die Perücke trägst, bist du Kaoru. Ich bin mit Kagome zusammen. Ich muss das trennen, sonst fliegst du meinetwegen noch irgendwann auf, weil ich nicht daran denke." "Also", begann sie, "darf ich dich nicht küssen, wenn ich die Perücke trage?" "Ganz genau." Kagome überlegte kurz und zog sich dann die Perücke wieder vom Kopf und machte damit ihre Arbeit von vorhin zunichte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen schnellen Kuss. Dieses Mal ließ er es geschehen. Ray, Yori und Mafuyu saßen bereits im Klassenraum, als die beiden ankamen. Sie hatten noch etwas Zeit bis Unterrichtsbeginn und es waren noch nicht alle Schüler anwesend. Ray war in sein Smartphone vertieft und Yori stützte seinen Kopf auf einer Hand ab. Es schien ihm schwer zu fallen die Augen offen zu halten und sein Ellenbogen rutschte ganz langsam die Tischplatte entlang. Mafuyu lächelte zuckersüß. "Guten morgen, Inuyasha", grüßte sie ihn in einem Singsang-Ton. Inuyasha nickte ihr kurz zu und setzte sich hinter ihr auf seinen Platz. Kagome blieb neben ihr stehen und beäugte sie grübelnd. "Guten Morgen, Mafuyu", sagte sie nachdrücklich und setzte sich dann ebenfalls auf ihren Platz. Mafuyu schaute Kaoru überrascht nach und murmelte ihm noch ein zögerliches "Äh- Morgen", nach. Kagome kam zu dem endgültigen Schluss, dass Inuyasha recht hatte- dass sie Mafuyu nicht ihr Geheimnis anvertrauen sollte. Sie machte sich nicht viel aus Kaoru, es wäre ihr sicher herzlich egal, was passieren würde, sollte sie auffliegen. Wenn sie herausfand, dass Kaoru ein Mädchen war und mit ihrem Mitbewohner eine Beziehung führte, würde sie das schwer mitnehmen, da sie so unfassbar verknallt in Inuyasha war. Warum eigentlich? Sie hatte noch nie bemerkt, dass er ihr Hoffnungen gemacht hätte. Es war eher so, dass er sie offen abwies. Stirnrunzelnd wanderte ihr Blick zu Inuyasha rüber, dieser packte in diesem Moment sein Mathebuch aus. Ob sie ihn fragen sollte? "Morgen, Leute." Kagome schaute auf. Samantha schlurfte müde an ihnen vorbei. "Guten Morgen", antwortete Ray und verkniff sich ein Grinsen. Sam wirkte so, als sei sie gerade erst aufgestanden. Ihre kurzen braunen Haare waren zerzaust und sie trug eine weite Jogginghose mit passendem Schlabber-Pullover. Sie war fast so ein schlimmer Morgenmuffel wie Yori. "Wisst ihr was ich hasse?", fragte sie gähnend und setzte sich neben Kagome an ihren Platz. "Den Morgen?", riet Inuyasha. "Jep." Mafuyu drehte sich zu ihr um und zog eine beleidigte Schnute. "Ich habe es im Internet recherchiert, Sam." "Bitte, was?", nuschelte sie. "Eine Person namens Cookie Sweetfield hat nie existiert. Ebenso wenig wie der Axtmörder-Kellner." "Du hast das echt gegoogelt?" Mafuyu verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich wieder nach vorne. "Immer veralbert ihr mich!" "Gerade deine Gutgläubigkeit mögen wir doch so an dir", sagte Sam aufmunternd und entschuldigte sich bei ihr. "Es war nur ein Spaß." "Hmpf!" In diesem Moment betrat der Mathelehrer den Klassenraum. Er legte seine Tasche auf dem Pult ab und zog die Tafel auf seine Höhe. Freudig motiviert wandte er sich seinen Schülern zu. "Guten morgen, allerseits! Ihr wirkt so, als seit ihr genauso gut drauf wie ich." Ein genervtes Raunen verbreitete sich, aber der Lehrer ließ sich von der altbekannten Reaktion nicht beirren. "Kommt schon, Integrale sind echt spannend." Als es wieder still wurde, setzte er die Kreide an der Tafel an und begann damit eine Formel aufzuschreiben. Plötzlich ertönte ein lauter dumpfer Ton und alle drehten sich nach hinten um. Yoris Hand hatte das Duell gegen die Schwerkraft verloren und sein Kopf war auf die Tischplatte geknallt. Der Lehrer seufzte: "Das fängt ja super an." Kapitel 35: Weißt du noch? -------------------------- "Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte Kagome und schaute auf den Po von Sam, während diese unter ihrem Schreibtisch hockte und sich im Kabelsalat zurechtzufinden versuchte. "Nein, kein Problem, ich mach das", antwortete sie und ein leises Klicken war zu hören. "Schon geschafft- Aua!" Sam rieb sich den schmerzenden Kopf und kroch unter dem Tisch hervor. Dann setzte sie sich auf den Drehstuhl und startete das Installationsprogramm der Webkamera. "Und- fertig. Jetzt haben wir ein Bild." Kagome beugte sich zu ihr hinunter und lächelte, als sie sich auf dem Bildschirm sehen konnte. "Danke, du bist wirklich gut in so was." "Glaub mir, das war gar nichts. Willst du direkt loslegen?" "Nein, erst heute Abend, wenn Sango von der Arbeit zurück ist. Aber ich wollte dich gern noch etwas fragen." "Nur zu", flötete Sam vergnügt und schaltete den Computer aus. Kagome setzte sich auf ihr Bett und schmunzelte leicht als sich Samantha, alle Viere von sich gestreckt, neben sie warf. "Wie hat sich die Freundschaft zwischen dir, Inuyasha und Ray eigentlich entwickelt? Die Geschichte interessiert mich schon seit einer Weile." Sam runzelte die Stirn. "Wir sind Nachbarn." "Ja, das weiß ich." "Warum fragst du nicht Inuyasha?" "Das hätte ich sicher noch gemacht, aber da du schon einmal hier bist." Sam schien kurz zu überlegen, dann richtete sie sich auf und setzte sich im Schneidersitz ans Kopfende des Bettes. "Okay, pass auf", begann sie grinsend. "Ich muss sieben gewesen sein, meine Eltern waren frisch geschieden-" "Oh, das tut mir leid", murmelte Kagome aber Sam winkte das Thema einfach weiter. "Ich weiß noch, wie meine Mutter mich immer in diese grässlichen pinken Kleidchen gesteckt hat, damals waren meine Haare so lang." Sie deutete auf ihre Taille. "Natürlich haben mich die anderen Kids nie ernst genommen, besonders die Jungs behandelten mich wie ein zartes Blümchen und weigerten sich mit mir zu spielen. Also habe ich sie alle vermöbelt." "Ähm-" "Warte, ich bin noch nicht fertig. Die Jungs schauten immer ziemlich blöd aus der Wäsche und sie waren so hilflos, weil sie sich nie trauten sich zu wehren, da ich ja nur ein kleines, schwaches Mädchen war. Also worauf ich hinaus wollte, es war auf so einer bekloppten Sommergartenparty, die Inuyashas Mutter ausgerichtet hatte, kurz nachdem sie in die Straße gezogen waren. Alle Nachbarn waren eingeladen und es war sterbenslangweilig. Also ging ich im Haus auf Erkundungstour und ich fand ziemlich schnell die Küche. Und da traf ich zum ersten Mal auf Inuyasha. Ich ertappte ihn dabei wie er von unten ein Stück aus dem Tortenboden schnitt, so, dass es gar nicht auffiel, dass der Kuchen ausgehöhlt wurde. Selbstsicher wie ich bin, ging ich also zu ihm und verlangte das Diebesgut für mich. Aber Inuyasha wollte den Kuchen nicht rausrücken, also schubste ich ihn beiseite und er landete auf dem Küchenboden." "Das hat er sich einfach gefallen lassen?", fragte Kagome verdutzt. Sam schnappte theatralisch nach Luft und antwortete: "Nein. Er stand auf, riss mir den Kuchenteller aus den Händen und schubste dann mich. Du kannst dir vielleicht denken, wie überrascht ich in diesem Moment war." "Also war er der Erste, der sich gegen dich zur Wehr gesetzt hat", schlussfolgerte Kagome. "Ganz genau. Und dann schmierte er mir Zuckerguss und Sprühsahne in die Haare." "Was?!" "Ich sah furchtbar aus, nachdem er mit mir fertig war. Als ich ihm sagte, dass ich Ärger bekommen würde, wenn meine Mutter meine langen Haare so verklebt sehe, antwortete er daraufhin ganz trocken: 'Dann schneid die Haare doch ab.' Kagomes Kinnlade fiel runter und sie starrte Sam ungläubig an. "Nein! Das hat er nicht getan." "Und ob", lachte sie. "Er nahm die Küchenschere und Schnipp, Schnapp- waren meine Haare ab. Den Gesichtsausdruck meiner Mutter werde ich nie im Leben vergessen, es war großartig. Natürlich bekamen wir beide eine riesen Standpauke, besonders Inuyasha. Tja, und seit diesem Tag trage ich meine Haare kurz. Das steht mir auch viel besser." Kagome war ganz erstaunt, dass Sam diese Geschichte so locker nahm und dass dies der Ursprung einer engen Freundschaft sein sollte, konnte sie kaum fassen. Aber Inuyasha und Sam waren beide auf ihre Art seltsam, darum hatte sie keinen Grund daran zu zweifeln. Noch bevor Kagome etwas dazu sagen konnte, klopfte es höflich an der Zimmertür. "Ja?", rief Kagome und Ray steckte vorsichtig seinen Kopf durch den Türspalt. "Ich möchte die Damen nur ungern stören-", begann er, doch Sam unterbrach ihn laut lachend. "Quatsch, komm rein!", lud sie ihn ein, als wäre es ihr eigenes Zimmer. Kagome nickte lächelnd, nachdem er ihr einen fragenden Blick zugeworfen hatte. "Ich wollte dich fragen, Kagome, ob du meine Physik-Notizen noch brauchst." Kagome sprang auf und suchte eilig seinen Ordner aus einem Stapel. "Ich wollte sie dir später noch zurückgeben", sagte sie und reichte sie ihm dankbar. "Ich weiß gar nicht, wie ich es früher Ohne geschafft habe. Deine Mitschriften sind wirklich Gold wert." Ray lachte kurz auf und antwortete: "Immer wieder gern. Ich profitiere schließlich auch von deiner Arbeit." "Hey, ihr beiden Vollzeitstreber." Ray und Kagome schauten gleichzeitig zu Samantha rüber. "Ihr reagiert da ja voll drauf! Ich habe Kagome gerade erzählt, wie ich Inuyasha kennen gelernt habe. Du kommst genau zum richtigen Zeitpunkt um deine Geschichte zu erzählen. Die kenne ich nämlich auch noch nicht." "Wie ich und Inuyasha uns kennen gelernt haben?", fragte Ray überrascht und grübelte. "Das ist ja ewig her, wir waren noch Kinder, nicht älter als sechs oder sieben." Sam klopfte auffordernd auf die Matratze und Ray setzte sich bescheiden auf die Bettkante. "Mal überlegen. Ich glaube Inuyashas Familie war kurz zuvor in die Straße gezogen. Seine Mutter hatte eine Gartenfeier ausgerichtet, um die Nachbarn zu begrüßen und kennenzulernen-" "Laaaangweilig", gähnte Sam und murrte: "Komm zum Punkt." Kagome hob eine Augenbraue. Hatte sie ihre Geschichte immerhin fast identisch begonnen. "Ich weiß noch, dass meine Eltern auf dieser Feier viele Gerichte bereitgestellt hatten", fuhr Ray fort. "Sie rührten zu der Zeit noch kräftig die Werbetrommel, das Carson's hatte frisch eröffnet und Ronnie war noch ganz klein. Ich habe Inuyasha das erste Mal bemerkt, als ich mitbekam wie er mit seiner Mutter stritt. Er ist wütend an mir vorbei und dann nach oben gelaufen. Ich weiß gar nicht mehr warum, aber ich bin ihm nach." "Ray, dein Freund und Helfer", warf Sam belustigt ein. "Es dauerte eine Weile, aber gefunden habe ich ihn schließlich in seinem Kleiderschrank. Als ich ihn fragte, warum er schmollend im dunklen Schrank sitzt, antwortete er, als wäre es völlig selbstverständlich: 'Es ist Samstag. Samstag ist Schranktag. Setz dich dazu oder verschwinde.' - Ich habe mich dazu gesetzt." "Dann habt ihr gekuschelt und wurdet Beste Freunde für immer!" Seltsame Vorstellung, dachte Kagome. "Nein, so hat das nicht stattgefunden", antwortete Ray gelassen auf Sam's erneuten frechen Einwurf. Er schien sich allerdings überhaupt nicht daran zu stören. Jahrelange Abhärtung vermutlich. "Inuyasha begann seine Wut rauszulassen. Er erzählte mir, dass er nicht in das Zimmer gegenüber seines Bruder einziehen wolle. Dass er sich nicht das gemeinsame Badezimmer mit ihm teilen wollte. Ihm sowieso lieber aus dem Weg ging. Dass er wütend auf seinen Vater war, vor allem weil sie wegen seiner Arbeit von Japan nach Amerika umziehen mussten. Und seine Mutter hatte heimlich sein Meerschweinchen verschenkt-" "Kaninchen", korrigierte Kagome ihn. Er blickte sie verwundert an. "Sie hat sein Kaninchen weggegeben. Das war scheinbar noch vor dem Umzug. Was war dann?" "Nun- Inuyasha redete. Viel. Ich habe hauptsächlich nur zugehört. Ich glaube er hat zu diesem Zeitpunkt wirklich nur jemanden gebraucht, bei dem er sich aussprechen konnte. Das hat mir nichts ausgemacht. Als er sich dann abgeregt hatte, wurde er plötzlich ganz freundlich und fragte mich aus. Ich erzählte ihm von meiner Familie, dem Carson's und dabei kam er auf die Idee die Torte zu klauen, die mein Vater für die Feier gebacken hatte." "Und dabei hat er Sam kennengelernt!", rief Kagome lachend aus, als sie den Zusammenhang knüpfte. "Wusstet ihr das voneinander?" Beide verneinten. "Richtig kennengelernt und angefreundet haben wir uns durch Inuyasha und das erst später." "Wow, jetzt fühle ich mich richtig nostalgisch", murmelte Sam. "Was haben wir nicht alles für Blödsinn angestellt." "Ja, da sind einige Dinge dabei, die lieber nicht passiert wären." "Weißt du noch, als Inuyasha versehentlich die Lieblingspuppe der irren Sarah abgefackelt hat. Das war so cool!" "Er hat zwar immer darauf beharrt, aber es fällt mir immer noch schwer zu glauben, dass das ein Unfall war", schmunzelte Ray kurz und wirkte danach so, als würde er sich für die Schadenfreude schämen. Kagome stellte fest, dass Sam und Ray in ihrer Persönlichkeit das jeweilige Extrem von Inuyasha darstellten. Sam war rebellisch, streitlustig, nahm kein Blatt vor dem Mund und kam ständig auf verrückte (und zum Teil illegale) Ideen. Sie nahm jede Herausforderung an, ohne groß über spätere Konsequenzen nachzudenken und selbst dann hatte sie noch ein freches Grinsen im Gesicht. Ray war das krasse Gegenteil. Er war ruhig, besonnen, eher der nachdenkliche, freundliche Typ von Nebenan. Diese seltene Art von Mensch, die mit jedem klar kam und immer den passenden Ratschlag parat hatte, da seine Empathie stark ausgeprägt war und er stets Vor- und Nachteile gründlich abwägte. Und Inuyasha stand genau in der Mitte, war weder das Eine noch das Andere, als könnte er sich nicht entscheiden. Er hatte von Beidem Etwas und es war vermutlich diese Mischung, die Kagome an ihm schon immer so interessant und irgendwie faszinierend fand. "Und wie war das mit Yori und Mafuyu?", fragte sie gespannt. "Ganz am Anfang, waren nur ich und Inuyasha in diesem Apartment, jeder hatte sein eigenes Zimmer, alles war ganz ruhig und entspannt." "Gerade weil ihr damals schon so gute Freunde wart, hätte ich erwartet, dass ihr euch ein Zimmer teilt", meinte Kagome. "Wir sind zwar gute Freunde und wir verstehen uns fast immer gut, aber wir waren uns einig, dass wir nicht ständig aufeinander hocken können. Wir brauchen beide unseren Freiraum, vor allem Inuyasha, sonst würde das vermutlich böse enden." "Und dann kam Yori!", rief Sam in Schauerstimme und verzog ihre Finger zu Godzillakrallen. "Dann kam Yori- Ja", bestätigte Ray. "Er wurde damals eine Klasse heruntergestuft, wegen unzureichender Leistung. So hat er auch das Zimmer wechseln müssen und landete bei uns. Er hat es schnell drauf gehabt Inuyasha zur Weißglut zu treiben und da ich in der Regel etwas geduldiger bin, habe ich mich bereit erklärt mein Zimmer mit Yori zu teilen. Das hat vermutlich einen grausamen Mord verhindert. Yori war halt schon immer- Yori." "Tja, und Mafuyu", überlegte Sam und runzelte nachdenklich die Stirn. "Ich weiß es gar nicht mehr. Sie war eines Tages einfach da. Da fragst du wohl wirklich besser Inuyasha oder Mafuyu selbst." "Wo ist Inuyasha überhaupt?", fragte Ray. "Er wollte zum Snackautomaten", erwiderte Kagome und warf einen Blick auf die Uhr. "Das ist aber schon eine Weile her." "Ich sage doch, er hat das Kleingeld geschluckt, aber nichts Essbares ausgespuckt", erzählte Inuyasha, einem ziemlich verärgert dreinschauenden Hausmeister. "Ich kann keinen Defekt feststellen. Du musst dich irren." "Bei so was kann man sich nicht irren", knurrte Inuyasha verärgert. Seit einer viertel Stunde versuchte er diesem Mann zu erklären, warum er das dringende Bedürfnis verspürt hatte, den Snackautomaten zu treten. "Geld ging rein, aber nichts kam raus." "Ja, nun scheint es zu gehen. Mehr kann ich da jetzt auch nicht machen." Der Mann mit den tiefen Augenfalten und dem hässlichen Schnauzer im Gesicht zuckte gleichgültig mit den Schultern und ermahnte Inuyasha noch einmal, sich nicht an Sachgegenständen (die sich schließlich nicht wehren konnten) zu vergehen. Inuyasha nickte nur noch missgelaunt bis der Hausmeister sich verzog und startete einen neuen Versuch. Dass es dieses Mal klappte, machte ihn fast noch wütender. Das Kleingeld klapperte im Schacht und eines der Fächer bewegte sich nach vorne, ließ eine kleine Tüte Kartoffelchips hinter die Klappe fallen. Inuyasha griff danach und ging zurück zum Apartment. Sein Mobiltelefon klingelte und vibrierte in seiner Hosentasche und er verzog misstrauisch die Augenbrauen, als er auf das Display starrte und den Anruf entgegennahm. "Hallo?" "Ich bin's." Inuyasha verdrehte die Augen. Das hatte an diesem perfekten Abend noch gefehlt. "Mum", knirschte er. "Warum ist deine Nummer unterdrückt?" "Wärst du sonst rangegangen?" "Wohl eher nicht", gab er zu und fragte mit gespieltem Interesse. "Wie war euer Skiurlaub?" "Willst du das wirklich wissen?", durchschaute Izayoi ihn. "Eigentlich nicht." "Und ich habe damals wirklich geglaubt, es wäre gut, dich zur Ehrlichkeit zu erziehen." "Also, was ist los?" "Du befindest dich auf der anderen Seite des Ozeans auf einem anderen Kontinent. Ich als deine Mutter darf doch wohl gelegentlich anrufen und nachfragen wie es dir geht?", fragte sie mit geknickter Stimme und er konnte sich ihren vorwurfsvollen Gesichtsausdruck bildhaft vorstellen. "Klar, niemand will dir dieses Recht verwehren. Und jetzt der wahre Grund für deinen Anruf?" Er hörte sie seufzen. "Deine Schule hat mir bereits die Bücherliste für das nächste Jahr geschickt. Soll ich mich darum kümmern, oder willst du-" "Lass nur, ich kann das machen", unterbrach er sie. "Gut", zischte Izayoi zwischen zusammengepressten Lippen hervor. "Ich sende die E-mail an dich weiter und überweise dir das Geld." "Herzlichen Dank", murmelte Inuyasha sarkastisch. Es blieb kurz still am anderen Ende der Leitung. "Sonst noch was?" "Nein." Jetzt war sie eingeschnappt. Na, toll. Aber sie legte noch immer nicht auf. Als würde sie auf etwas warten. Einen Moment lang spielte Inuyasha mit dem Gedanken einfach auf die verführerische Taste mit dem roten Hörer zu drücken- doch er verzog nur leidig das Gesicht und lief schlurfend die Treppe des Wohnheims hinauf. "Okay, du hast es geschafft, ich bin neugierig. Was willst du sagen, Mum?" "Gar nichts." "Ich kann es wortwörtlich hören, dass dir etwas auf der Zunge liegt", beharrte Inuyasha und behielt recht, als sie wie aus der Pistole geschossen fragte: "Wie geht es deiner Freundin?" Ah, also daher wehte der Wind. "Meines Wissens nach, geht es Kagome sehr gut. Ich werde ihr ausrichten, dass du dich erkundigt hast." "Oh, bitte", fauchte sie leise. "Was?" "Wann hörst du endlich mit diesem Theater auf? Selbst Kagome hat es bereits zugegeben." "Hm, ja, dir scheint da eine wichtige Information zu fehlen. Ob du es glaubst oder nicht, aber Kagome und ich sind nun wirklich zusammen. So richtig. In echt", verdeutlichte er und nahm das Handy vom Ohr. Er hörte noch ein leises: "Wa-?", bevor er fröhlich, "Bis dann, Mum", rief und auflegte. Kapitel 36: Beistand -------------------- Noch etwas schlecht gelaunt, aber selbstzufrieden, betrat Inuyasha das Apartment und ging geradewegs auf seine Zimmertür zu. Die Chipstüte in seiner Hand raschelte bei jedem Schritt und wurde übertönt, als er am Badezimmer vorbeiging. "Stand up! Yeah! Stand up! Whow! For the Champion, for the Champion! Das bin ich- Stand up!", hörte er Yoris nervige Stimme aus der Dusche krächzen, denn Singen konnte man das beim besten Willen nicht nennen. Inuyasha wollte gerade seine Hand auf den Türgriff legen, als die Zimmertür sich bereits öffnete. Samantha und Ray schoben sich an ihm vorbei und Sam grinste frech: "Da bist du ja. Wir haben gerade über dich gesprochen." Inuyasha runzelte fragend die Stirn. Ray klopfte ihm freundlich auf die Schulter, "Keine Sorge, wir haben uns nur ein paar alte Geschichten erzählt", und begleitete Sam nach draußen. "Alte Geschichten?", murmelte Inuyasha verwirrt und schloss die Zimmertür hinter sich. "Hey." Kagome schenkte ihm ein fröhliches Lächeln, welches seine Laune um ein gutes Stück anhob. Sie saß am Schreibtisch und schaltete den Computer ein. "Ist es üblich, dass du fast eine halbe Stunde brauchst, um den Snackautomaten unten im Foyer zu plündern?" "Nein, der Automat wollte erst nicht verhandeln, darum hat er jetzt eine Beule an der Seite und der Hausmeister war schlicht unfähig." "Okay." Kagome merkte, dass er nicht darüber sprechen wollte und hakte nicht weiter nach. "Und was war hier los? Habe ich etwas verpasst?" "Eigentlich nicht. Sam hat die Webkamera installiert und mir dann von eurem ersten Treffen erzählt- du hast ihr ernsthaft die Haare abgeschnitten?" "Oh", meinte Inuyasha knapp und riss eine Öffnung in die Chipstüte. "Das." "Ja, das", bestätigte sie und nahm sich eine Handvoll Kartoffelchips, die er ihr anbot. "Nur für das Protokoll: Meine Haare sind für dich Tabu!" Er stand hinter dem Drehstuhl, auf dem sie saß, strich mit seinen Händen sanft über ihren Kopf und fuhr mit den Fingern durch die wellige schwarze Mähne. "Dagegen muss ich ein Veto einlegen." Überrascht schaute sie nach oben und verharrte still, als er sie küsste. Langsam zog er ihre Unterlippe zwischen seine Lippen und fuhr liebevoll mit der Zunge darüber. Kagomes Herz schlug freudige Purzelbäume und es bildete sich eine Gänsehaut im Nacken, bis zu ihren Knöcheln. Seine Hände umgriffen ihre Haare und formten einen Zopf an dem er vorsichtig zog, als er sich von ihr löste. "Vielleicht denkst du noch einmal darüber nach?" Kagome war sprachlos und brachte nur ein kurzes Nicken zustande. Sie fand Inuyasha ohnehin schon so wahnsinnig attraktiv, dass ihr die Beine zitterten. Aber diese spielerische Seite, die sie zunehmend an ihm entdeckte, raubte ihr den Atem. Er war wohl zu dem Schluss gekommen, dass sie mehr wollte- und damit hatte er ja so verdammt recht- denn er beugte sich erneut zu ihr hinunter. Es reichte allerdings nur für eine flüchtige Berührung, ein trompetenähnlicher Blubberton unterbrach die Zärtlichkeiten. "Das ist Sango", hauchte Kagome, wandte aber ihren Blick nicht von ihm ab. Sie schauten sich in die Augen, während der unnatürliche Klang den Raum durchdrang. "Dann solltest du sie nicht warten lassen", sagte er schließlich, griff nach der Computermaus und drückte für sie auf die Taste, die den Videoanruf entgegennahm. Erleichtert und enttäuscht zugleich, konzentrierte Kagome sich auf den Bildschirm, während Inuyasha sich hinter ihr auf sein Bett warf und den Fernseher einschaltete. "Hallo? Kagome, siehst du mich?", fragte Sangos Stimme hinter dem schwarzen Bildschirm. "Ähm, nein", antwortete sie und hob fragend die Augenbrauen, als sie ein knackendes Rauschen hörte. "Kagome? Hallo?" "Nein, ich kann dich nicht sehen. Hörst du mich?" Sie hatte sich etwas weiter nach vorne gebeugt, näher zur Webkamera, wo sich das integrierte Mikrofon befand. "Darf ich dir kurz helfen, Liebling?" Mirokus Stimme war leise im Hintergrund zu hören und die beiden diskutierten kurz miteinander. "Du musst nur die Verschlusskappe von der Kamera nehmen und dieses Fenster hier öffnen, und- da ist sie." "Ah, Kagome, hey", lachte Sango und Miroku schob sich ebenfalls kurz ins Bild, so nah, dass Kagome freie Sicht in seine Nasenlöcher hatte. "Hallo, ich bin auch hier", rief er im fröhlichen Singsang-Ton und Sango zog ihn neben sich, weg von der Kamera. "Lass den Unsinn- Wie geht es dir Kagome? Du siehst etwas durch den Wind aus. Ist das Inuyashas Fuß, da hinter dir?" Inuyasha warf kurz sein Bein in die Luft, um zu verdeutlichen, dass er anwesend und in Hörweite war. "Ähm, ja", murmelte Kagome und schob sich schnell einige der noch wirren Strähnen aus dem Gesicht. "Mir geht es gut und euch? Wie war die Arbeit?" "So ätzend wie die Arbeit an einem Freitagabend nur sein kann", erwiderte Sango und verzog das Gesicht. "Bei mir lief heute alles super", warf Miroku ein. "Ich habe zwei Autos verkauft und die neue Werbeanzeige wurde auch von allen abgesegnet." "Aber genug davon, ich bin so neugierig, zeig uns mal eure glamouröse Bude." Kagome löste die Klammer der Kamera vom Computermonitor und drehte sich damit im Zimmer einmal um die eigene Achse. "Das ist mein Bett, das ist mein Kleiderschrank, der Fernseher, der Ausblick aus unserem Fenster", zählte sie auf, schob einen der Vorhänge zur Seite und drückte die kleine Webkamera gegen die Fensterscheibe, nur um auf dem Bildschirm zu bemerken, dass man durch die Dunkelheit draußen und die Lichtspiegelung auf der Scheibe, nichts erkennen konnte. Sie drehte sich wieder um und richtete das Bild in Inuyashas Richtung. "Das ist Inuyashas Bett",- kurz hielt sie die Kamera direkt vor sein Gesicht- "Das ist Inuyasha.", und fuhr wieder zurück. Er runzelte die Stirn und warf ihr einen verständnislosen Blick zu. "Siehst du diese riesigen Betten, Sango", hörte sie Miroku flüstern und schaute wieder zum Bildschirm, auf dem ihre eigene Aufnahme synchron wiedergegeben wurde. "Stell dir die Möglichkeiten vor, wenn man die beiden zusammenstellt und-" "Pscht!", zischte Sango verärgert. Kagome tat so, als hätte sie nichts mitbekommen und steuerte auf die Zimmertür zu. Als sie im Wohnzimmer stand, rief Inuyasha ihr nach: "Kagome du bist zu weit weg, das Bildsignal ist gestört." Sie ging zwei große Schritte zurück, lehnte am Türrahmen und fragte: "Wie ist es jetzt?" "Jetzt ist es wieder okay." "Danke", rief sie zurück und hob die Kamera etwas hoch. "Das ist unser Wohnzimmer, die Sofas sind wahnsinnig gemütlich und-" "Stand up! I am the Champion! I am the Champ -iah!", schrie Yori erschrocken, als er von einer Dampfwolke umhüllt und nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet, plötzlich vor Kagomes Webkamera stand. "Kagome! Also für eine Spannerin hatte ich dich nun wirklich nicht gehalten." Er hatte sich schnell wieder gefasst, und reckte stolz seinen muskulösen Oberkörper. "Und das ist Yori", erklärte sie verlegen, als er damit begann seine Brustmuskeln abwechselnd zucken zu lassen, nur für die Kamera natürlich. Sie musste schmunzeln, weil er so selbstgefällig vor ihr stand und das schmunzeln verwandelte sich in ein Lachen, als er sagte: "Ja, das gefällt dir. Dachte ich mir." "Er ist so ein Idiot", betonte Kagome kopfschüttelnd und verschwand rückwärts wieder in ihrem Zimmer. Sie befestigte die Kamera wieder an ihrem Platz. Auf dem Bildschirm konnte sie sehen, wie Miroku nachdenklich auf Sangos Busen starrte und wie diese versuchte das zu ignorieren. "Alles was du mir bisher über diesen Yori erzählt hast, ergibt plötzlich Sinn", sagte sie leicht verstört. "Die anderen haben sich gerade eingeloggt. Ich hole sie mal dazu." Vor Kagome öffnete sich eine kleine Anfrage und als sie diese bestätigte, öffneten sich drei weitere kleine Fenster. Yuka, Ayumi und Eri blickten sie erwartungsvoll an und Kagome lächelte glücklich. Der muffige Geruch von alten Büchern steigt ihm in die Nase, während er an dem Regal vorbeispäht, seinen Blick auf eine kleine Gruppe von Mädchen gerichtet, die sich angeregt unterhält. "Bist du sicher, dass sie dich sehen will?", fragt jemand leise über seine Schulter hinweg. Inuyasha dreht sich um und schaut Ray ernst an, während ihn die Selbstzweifel plagen. "Sie sagte, wir sehen uns in der Schule. Also ja, ich denke schon." "Ich weiß nicht", murmelt sein rothaariger Freund und macht ihn noch nervöser, als ihm ohnehin schon zumute ist. "Das klingt doch ziemlich vage." "Alles was Frauen sagen ist vage", grummelt Inuyasha und schaut erneut um die Ecke. Es ist bereits früher Abend und die meisten Schüler haben die Bibliothek schon verlassen. Es herrscht eine angenehme Stille, nachdem die Mädchen ihre Arbeitsunterlagen zusammengelegt haben und sich von Kikyo verabschieden, die alleine am Tisch zurück bleibt. "Da, sie verschwinden endlich. Ich mache es jetzt." "Ja, gut", bestätigt Ray und schaut ihn abwartend an. "Ich tue es." "Ja." Inuyasha dreht sich wieder zu ihm und wirft ihm einen misstrauischen Blick zu. "Du glaubst nicht, dass ich es tue", wirft er ihm vor. "Doch, natürlich", beharrt Ray und verzieht keine Miene. "Du wirst schon sehen." "Sicher." "Mehr als Nein sagen, kann sie schließlich nicht, oder?", fragt Inuyasha, mittlerweile ziemlich mutlos. Ray runzelt die Stirn und nimmt einen tiefen Atemzug, bevor er Inuyasha an den Schultern packt und aus dem Versteck schiebt. "Jetzt geh schon." Ausgeliefert und unsicher geht er langsam auf Kikyo zu, die ihn noch nicht bemerkt zu haben scheint. Als er keine zwei Meter mehr von ihr entfernt ist, erhebt sie sich abrupt vom Stuhl, packt ihre Sachen zusammen und wendet sich dem Ausgang zu. "Warte, Kikyo-", sagt Inuyasha schnell und unüberlegt, stolpert hinter ihr her und hebt den Arm, um nach ihrer Hand zu greifen. Kikyo dreht sich zu ihm um und schaut ihn überrascht an, als er direkt vor ihr steht, zusammenzuckt und sich ruckartig wieder etwas von ihr entfernt, seine Hände hinter dem Rücken verschränkt. "Hallo, Inuyasha", erwidert sie schließlich ruhig und ihre Finger fahren über das Band ihrer Schultertasche. Inuyasha folgt ihnen mit seinem Blick. "Hi." Stille. "Was kann ich für dich tun?", fragt Kikyo etwas langgezogen und Inuyasha bricht in innerer Panik aus. Er hat das gar nicht richtig durchdacht. Was soll er tun? Was soll er sagen- "Ray braucht Nachhilfe", platzt er heraus und spürt Ray's verärgerten Blick im Rücken. "So?" Kikyo neigt ihren Kopf. "Warum kommt er nicht aus seinem Versteck und fragt mich selbst?" "Weil", -Ja, warum denn?- "-weil ich in Wahrheit derjenige bin, der Hilfe braucht", gibt er zögerlich zu. Sie hebt die Augenbrauen und ein wissendes Schmunzeln umspielt ihre Lippen. "Schleichst du deshalb schon den ganzen Tag um mich herum?" "Äh-" "Dann willst du dich tatsächlich schulisch verbessern? Ich bin positiv überrascht, Inuyasha." "Ja- Naja, ich dachte ich schau erst mal-" Wie es zwischen uns läuft, denkt er. "Wir können uns morgen um diese Uhrzeit hier treffen. Passt dir das?" "Was? Warum?" "Zur Nachhilfe?" "Achso- ja, klar. Das passt schon." "Sehr schön", lächelt sie. "Wir sehen uns dann mor-" Kikyo wird von einem lauten Knall unterbrochen, begleitet von einem hässlichen Hupen. Mit weit aufgerissenen Augen steht er vor ihr und sieht nur noch, wie ein großer Lastwagen durch die Bibliothek rast und Kikyo mit sich reißt. Inuyasha wachte erschrocken auf. Er schwitzte und atmete schwer, versuchte die Silhouetten und Umrisse in der Dunkelheit zu erkennen. Er war in seinem Zimmer, das war nur ein Traum, erkannte er. Aber so schlimm war es lange nicht mehr gewesen, gestand er sich ein. Kagomes ruhige und gleichmäßige Atmung im Bett nebenan, beruhigte auch ihn etwas. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren und legte sich wieder hin, drehte sein Kissen um, damit die kühle Baumwolle an seinem heißen Gesicht lag. Er kniff die Augen fest zusammen und versuchte sich zu entspannen, bis die nächsten Erinnerungsfetzen ihn vereinnahmten. Das Krankenzimmer ist dunkel und leer, als Inuyasha seine Augen öffnet. Wie lange hat er geschlafen, nachdem er sediert wurde. Er richtet sich auf, zieht sich die Infusionsnadel aus der Haut und trennt auch alle übrigen Verbindungen zum Vitaldatenmonitor neben ihm. Er spürt einen stechenden Schmerz, der seinen gesamten Körper durchfährt, als er seine Beine über die Bettkante schiebt, aufsteht und auf die Tür zugeht, aber er versucht nicht darüber nachzudenken. Langsam und vorsichtig öffnet er die Tür einen Spalt breit und späht in den Flur hinaus. Es ist weder jemand zu sehen, noch zu hören, also wagt er sich hinaus. Das Licht ist leicht gedimmt, er weiß nicht wie spät es ist, sein Zeitgefühl ist völlig durcheinander geraten. Barfuß schleicht er den Gang hinunter bis zu einem kleinen Empfangstresen an dem eine der Krankenpflegerinnen sitzt. Er versteckt sich vor ihr hinter einer Wandnische und überlegt wie er weiter vorgehen soll. Plötzlich taucht eine zweite Pflegerin aus dem Hinterzimmer auf und wirkt sehr aufgeregt. "Komm schnell", ruft sie ihrer Kollegin zu. "Der junge Taishou soll aus seinem Zimmer verschwunden sein. Wir sollen ihn suchen." Die erste Krankenpflegerin springt sofort auf und gemeinsam eilen sie den Flur entlang. Inuyasha drückt sich fest in die Nische und er hat Glück. Sie haben ihn beim Vorbeigehen nicht bemerkt. Schnell, solange die Luft rein ist, huscht er zum Empfangstresen und hockt sich dort vor den kleinen Computer. Er kann sich schnell im simplen Datensystem zurechtfinden und tippt den Namen Taishou in das Suchfeld. Die aktuellsten Einträge sind oben aufgeführt. Taishou, Inuyasha steht an erster Stelle, aber seine eigenen Daten sind nicht das, was ihn interessiert. Er öffnet den darunterliegenden Eintrag- Taishou, Sesshoumaru. Den Zeitdruck im Nacken, überfliegt Inuyasha einen Unfallbericht. Es sind haufenweise Fachwörter aneinander gereiht, die im Grunde nichts anderes sagen, als dass Sesshoumaru noch am Unfallort an Blutverlust verstarb. Bei den Einzelheiten bleibt ihm kurz die Luft weg und er schließt, mit zusammengepressten Lippen, den Bericht. Als nächstes gibt er den Namen Sagara ein. Eine lange Liste erscheint vor seinen Augen, aber auch hier ist der aktuellste Eintrag an oberster Stelle. Inuyasha zuckt zusammen und duckt sich, hinter dem wuchtigen Tisch Schutz suchend, als er einige entfernte Schritte wahrnimmt. Schnell prägt er sich die Zimmernummer von Sagara, Kikyo ein, die ihm bestätigt, dass sie lebt und hier im Krankenhaus behandelt wird. Ohne auf andere Informationen zu achten, schließt er das Programm und schleicht weiter den Gang entlang, zum Aufzug. In einer der oberen Etagen läuft er durch unzählige Türen und Gänge, Warnhinweise und Richtungsschilder schieben sich an ihm vorbei, unter anderem Wörter wie Spezialabteilung und Langzeitpflege bleiben an ihm haften. Er bleibt unbemerkt, er muss sich nur selten verstecken. Hat er glücklicherweise einen Schichtwechsel erwischt? Sein Blick huscht von Tür zu Tür, sucht die richtige Zimmernummer. 830... 831... Raum 832... Im nächsten Zimmer liegt Kikyo. Raum 833. Es scheint Licht durch eine Glasscheibe. Die Vorhänge die normalerweise einen Blick hinein verwehren, sind weit geöffnet und Inuyasha erstarrt. Sein Blick haftet auf einer reglosen Gestalt im Bett, belagert von Maschinen und Schläuchen. Eine große Röhre führt aus ihrem weit geöffneten Mund, geradewegs zu einem Beatmungsgerät. Vitaldaten-Überwachung, Herzfrequenz- und Blutdruckmessung, Hirnsonde, Katheter, Hypothermie-Gerät, Infusionsturm- Nach seiner Zeit hier, kann er so ziemlich alles benennen und er weiß was das bedeutet, auch wenn er sich noch weigert es sich einzugestehen. Sein Blick fällt nach rechts, wo er Kikyos Eltern vor dem Krankenbett stehend sieht. Kanon wird auf ihn aufmerksam und wirft ihm einen verzweifelten Blick zu. Ihr Ehemann, der mit dem Rücken zu ihm gestanden hatte, folgt ihrem Blick und dreht sich zu ihm herum. Als er Inuyasha erkennt, verkrampft sein Unterkiefer und mit wutverzerrtem Gesicht stürzt er aus dem Patientenzimmer heraus und will auf ihn los gehen. Kanon läuft ihm nach, versucht vergebens ihn zurückzuhalten. Bevor Inuyasha realisiert was in diesem Moment passiert, packt Kikyos Vater ihn fest am Ärmel seines T-Shirts und seine Faust rast auf ihn zu. Er schafft es gar nicht an irgendeine Art der Verteidigung zu denken, als eine weitere kräftige Hand schnell an ihm vorbeigleitet, den Faustschlag vor seinem Gesicht auffängt und den Angreifer zurückstößt. "Wolltest du gerade ernsthaft einem Minderjährigen ins Gesicht schlagen, Sagara?", fragt eine tiefe Männerstimme und Inuyasha erkennt seinen Vater neben sich. "Oh, mein Gott!", schreit Izayoi und zieht ihren Sohn schützend hinter sich. "Ich nehme an du hast Verständnis dafür, dass ich aufgrund der aktuellen Umstände unsere berufliche Partnerschaft hiermit als beendet erkläre", sagt sein Vater sachlich und starrt seinen ehemaligen Geschäftpartner mit harten Blicken nieder. Sagara zischt ihm aggressiv ein Schimpfwort entgegen. Izayoi dreht sich zu Inuyasha um und streicht zaghaft über seine Schultern. "Geht es dir gut? Bist du verletzt?", fragt sie ihn und versucht Blickkontakt aufzubauen, doch er schaut wieder zur blassen, leblosen Gestalt hinüber. "Warum hast du es mir nicht gesagt?", fragt er kaum hörbar. "Was sagst du?" Wut und Entsetzen bauen sich in ihm auf. "Warum hast du es mir nicht gesagt!", schreit er sie dieses Mal an und stößt seine Mutter von sich weg. Er drückt seinen Rücken gegen die kalte Glasscheibe, er kann Kikyos Anblick nicht länger ertragen. "Warum hast du es mir nicht gesagt?", schreit er immer hysterischer, längst war die gesamte Aufmerksamkeit des Krankenhauspersonals auf ihn gerichtet. Einige Ärzte scheinen sich im Hintergrund zu beraten. "Ich- Wir, wollten dich nicht beunruhigen. Wir wollten, dass du vorher ganz gesund wirst-", versucht Izayoi ihm in ihrer Hilflosigkeit zu erklären, aber er unterbricht sie wieder: "Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie tot ist? Sesshoumaru ist auch tot!" Kanon bricht in Tränen aus, und Kikyos Vater ballt seine Hände abermals zu Fäusten. "Inuyasha, Schatz, sie ist nicht tot-" "Aber sie sieht tot aus. Sieh sie dir an. Sie sieht tot aus!" Seine Beine wollen ihn nicht länger tragen und ihm wird plötzlich furchtbar übel. Er lässt sich auf den Fußboden fallen und kauert sich an der Wand zusammen, macht sich ganz klein, in der Hoffnung einfach von dieser Welt zu verschwinden. "Ich habe sie umgebracht. Ich habe sie beide umgebracht", gesteht er sich selbst ein und sieht nur noch, wie ein Haufen wildfremder Menschen sich über ihn beugen, spürt einen schmerzvollen Stich im Arm und hört seinen Vater die Ärzte fragen: "Hat er einen Nervenzusammenbruch?" Inuyasha riss die Augen auf, erhob sich schnell und nahm automatisch die Position aus seinem Traum ein, zog sich zusammen und legte seinen verzweifelten Kopf auf seinen Knien ab. Er dachte über seinen Traum nach, versuchte ihn zu analysieren, so wie er es während der Therapie gelernt hatte. Aber es waren nichts weiter als verschwommene Erinnerungen und keine Traumdeutung der Welt konnte ihm etwas sagen, was er nicht schon längst wusste. Seine Schuldgefühle fraßen ihn auf und auch wenn er sich selbst immer wieder davon überzeugen konnte, dass es ihm gut ginge, dass er es verdiente zu leben, und dass er mit Kagome ein neues Kapitel seines Lebens aufschlug, fühlte er in seinem Inneren eine tiefe schwarze Leere, die alles Schöne und Gute verschluckte. Er dachte an das Gespräch mit Kanon zurück. Er hatte sich von Kikyo bereits verabschiedet, wissend, dass er sie nie wieder sehen würde. Doch nicht zu wissen, wann sie wirklich und unwiderrufbar fort sein würde, machte ihn auf eine Art und Weise verrückt, die er vorher nicht kannte. Und die Tatsache, dass er bisher nie am Grab seines Bruders gestanden hatte- Nie den Mut aufgebracht hatte, ihm entgegenzutreten- Nun, das gab ihm nur noch den Rest. Warum musste dieser ganze Scheiß immer wieder hochkommen! Er zuckte zusammen, als sich zwei weiche Hände auf seine nackten Schultern legten. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie sich zu ihm gesetzt hatte. "Kagome-", hauchte er leise in die Dunkelheit. "Ich wollte dich nicht wecken." Als Antwort umarmte sie ihn so fest wie sie konnte und schmiegte sich an seinen Rücken. Inuyasha griff nach ihren Händen, drückte sie leicht und hob sie sanft an seine Lippen, hielt mit ihrer Hilfe an dieser Realität fest. Sie verharrten eine Weile lang so, bis Inuyasha ihr schließlich einen Kuss auf den Handrücken drückte und sich zu ihr umdrehte. Durch die Bewegung, war Kagome gezwungen von ihm abzulassen. "Inuyasha-", begann sie und schaute ihm traurig in die Augen. "Ist schon okay", unterbrach er sie. "Leg dich wieder schlafen." Sie senkte den Blick und schien einen Moment lang nachzudenken. Daraufhin setzte sie sich etwas auf, legte die eine Hand in seinen Nacken und die Andere auf seinen Oberarm. Vorsichtig zog sie Inuyasha hinunter, widerwillig ließ er es zu, legte sich neben sie in die Kissen. "Kagome, nein- ich bin hellwach, ich kann jetzt nicht wieder einschlafen. Du klammerst im Schlaf und ich würde dich nur wieder wecken, deshalb glaube ich, es ist besser wenn du wieder in dein Bett-" "Das stört mich nicht. Inuyasha, ich bin für dich da", flüsterte sie, als wäre es ein Geheimnis, das Niemanden außer ihm erreichen durfte. Ihre Finger zogen sanfte Kreise in seinem Haar, die andere Hand fuhr über seine Haut zu seinem Herzen, übte einen beruhigenden Effekt auf ihn aus. Es dauerte nicht lange, bis seine müden Augen sich erneut schlossen und er in einen tiefen Schlaf glitt. Mit Kagome an seiner Seite, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, seine Albträume zu verjagen. Kapitel 37: Neue Ebenen ----------------------- Das Erste was ihr auffiel, war der Geruch. Eine würzige Frische umgab sie und unbewusst drückte sie ihre Nase näher an die weiche Haut. Sog den Duft tief ein. Bilder von frischem Laub, Morgentau und einer nebligen Waldlichtung erschienen vor ihrem geistigen Auge. Sie lächelte leicht. Es war ein beruhigender Geruch, angenehm. Das Zweite was ihr auffiel, war die Wärme. Eine wohlige Wärme umarmte ihren Körper. Ihre Finger kribbelten leicht, als sie einen nach dem anderen krümmte und damit begann leicht gegen eine harte, warme Oberfläche zu drücken. In diesem Moment öffnete sie ihre Augen. Und sie bemerkte, dass ihre Finger gegen einen muskulösen Brustmuskel drückten und ihre Nase in einer Halsbeuge lag. Sie rutschte mit dem Kopf etwas nach hinten und konnte so Inuyashas Gesicht erkennen. Sie lag halb auf ihm! Außerdem hatten sich ihre Beine um seine geschlungen und es schien so, als hätte sie ihn fest im Griff. Hatte er letzte Nacht das gemeint, als er sagte sie würde klammern? Woher wusste er das? Sie selbst hatte es nicht gewusst. Wie auch? In Gedanken rief sie alle Erinnerungen zurück, aber ihr kam keine Situation in den Sinn, in der sie ihn hätte umklämmern können. Sie war nie zuvor in seiner Reichweite eingeschla- Oh. Der Abend vor dem Fernseher, bei ihm Zuhause. Sie wurde rot bei dem Gedanken und der Vorstellung, dass sie Inuyasha damals genauso umklammert und er sie auch noch hoch getragen hatte. Zu diesem Zeitpunkt, musste er schon Gefühle für sie gehabt haben, wodurch das Ganze rückblickend sogar noch peinlicher für sie war. Sie malte sich die unterschiedlichsten Szenarien aus: wenn sie wach geworden wäre, was hätte sie gesagt, was hätte sie gedacht. Oder wenn er sie hätte fallen lassen. Wo hatte er sie angesehen, ob Inuyasha vielleicht die Gelegenheit genutzt hatte- Jetzt übertrieb sie. Das war nicht Inuyashas Art, aber die Vorstellung reizte sie und beschleunigte ihren Herzschlag. Sie drückte ihre Nase erneut in seine Halsbeuge und sog diesen herrlichen Duft ein. Versuchte ihn sich einzuprägen, als würde sie nie wieder die Gelegenheit dazu bekommen. Ihr war nie in den Sinn gekommen, dass ein Mann so gut riechen könnte. Als sie ihren Körper noch fester an seinen schmiegte, neigte er sein Gesicht leicht zur Seite und gab ein schläfriges Murmeln von sich. Kagome zuckte zusammen und schob ihren Kopf wieder etwas zurück, damit sie ihn ansehen konnte. Nervös horchte sie auf, suchte einen Hinweis darauf, ob er wach war, ein Zucken in seiner Mimik. Aber er war ganz ruhig und friedlich, atmete langsam und gleichmäßig. Erleichterung ließ ihre Gliedmaßen wieder entspannen. Sie genoss den Moment, so in seinem Arm zu liegen. Es war eine neue Ebene der Intimität, die sie noch nicht kannte und sie wollte es weiter für sich entdecken. Diese schönen Gefühle sollten andauern, so lange es nur ging. Sie wollte ihn ansehen, seiner Atmung lauschen, ihn riechen, ihn anfassen, seinen Körper erkunden und sie wollte ihn schmecken. Diese Erkenntnis verführte sie dazu ihm einen Kuss auf die Halsschlagader zu hauchen. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte sie das pulsierende Blut an ihren Lippen. Ihre Fingerkuppen streichelten in sanft kreisenden Bewegungen über seine Haut. Nur ganz leicht, damit sie ihn nicht aufweckte. Sie zog einen Pfad von seinem Schlüsselbein, den Hals hinauf und fuhr mit dem Zeigefinger ein paar mal über seine Kieferpartie. Ihre Finger tanzten über seinen Kehlkopf, zogen die Linien seiner Brust- und Bauchmuskeln nach. Er hatte immer mit nacktem Oberkörper geschlafen und wie oft hatte sie sich erträumt, ihn berühren zu können? Sie kostete den Moment ganz aus, schloss immer wieder die Augen und genoss die Empfindungen. Als sie an den Bund seiner Boxershorts kam, erstarrte sie kurz. Atmete tief ein und aus. Daraufhin setzte sie ihren Weg am Rand des Stoffes fort, folgte ihm, bis sie Inuyashas linke Hüfte erreichte. Dort überraschte sie eine Erhöhung, die gar nicht zu der glatten, gespannten Haut, des restlichen Körpers passte. Vorsichtig tastete sie die unebene Linie ab, versuchte sich von der Form ein Bild zu machen. Sie runzelte die Stirn, als ihr bewusst wurde, wie lange diese Linie war. Sie zog sich hoch bis zu den oberen Rippen. Sie war noch nicht ganz bis zum Ende der Narbe angekommen, als Inuyasha schlagartig ihre Hand griff und sie fest umschloss. Kagome erschrak fürchterlich und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Er war wach geworden, sein Blick auf sie gerichtet und sie erkannte eine Verletzlichkeit, die sie vorher nie wahrgenommen hatte. Sie wollte etwas sagen. Eine Erklärung, Verteidigung, Entschuldigung- irgendetwas. Aber sie brachte keinen Ton hervor. Sie hatte den Eindruck etwas Verbotenes getan zu haben, als hätte sie eine unsichtbare Grenze überschritten und ein Gefühl von Scham überkam sie. Er hob langsam ihre Hand und legte sie zurück auf seine Brust, in Herznähe, und verschränkte seine Finger mit ihren. Durch seine Berührung, ließ das grauenhafte Gefühl und ihre Schockstarre nach. "Ist die von dem Unfall?", hörte sie sich fragen. Inuyasha nickte nur und Kagome biss die Zähne zusammen, schloss entsetzt die Augen, angewidert von sich selbst. Was war das denn für eine dämliche Frage! "Was möchtest du wissen?" Sie öffnete ihre Augen und er schaute sie ganz entspannt an. War er wirklich bereit, mit ihr darüber zu sprechen? Oder sollte sie dieses Angebot lieber nicht annehmen? "Wie ist es dazu gekommen?", platzte sie schließlich heraus. Inuyasha zuckte leicht zusammen und sie bereute es im selben Moment. "Hat Ray dir das nicht schon erzählt?", erwiderte er leise. "Ich weiß was passiert ist", nickte sie. "Aber nicht wie es dazu gekommen ist. Du und deine- ihr habt gestritten?" Er wandte seinen Blick von ihr ab und starrte an die Decke. Stirnrunzelnd schien er einen Moment lang zu überlegen. "Ihr Name war Kikyo", begann er schließlich. "Es war während einer Firmenfeier von meinem Dad und seinen Arbeitskollegen. Sie hatten irgendein Fünfjahres-Ziel erreicht und zwangen alle zu dieser dämlichen Party. Kikyo hatte an diesem Abend überraschend gute Laune. Aber ich war schlecht drauf und das bemerkte sie. Ich sagte ihr, ich sei wütend, weil sie am Mittag ein Treffen mit mir abgesagt hatte. Sie hatte oft freiwillig bei der Pflege von kranken oder alten Leuten geholfen. Hat ihnen vorgelesen oder mit ihnen Kniffel gespielt und so weiter. Und diesen Tag hatte sie wieder mit einem Mann verbracht, dessen Körper voller Brandwunden war. Ich war einmal dabei gewesen und der Typ hat sie mit seinen ekelhaften Blicken verfolgt, als wäre er besessen von ihr. Ich habe mit dieser Wut meine miese Laune begründet." "Aber das war nicht der Grund", schlussfolgerte Kagome. "Ich war wütend auf sie", betonte er. "Aber wegen einer völlig belanglosen Sache." Wie in Trance streichelte sein Daumen über ihren Rücken, auf und ab. Schweigend hörte sie ihm weiter zu. "Sie hatte in den Monaten zuvor, zunehmend auf mich eingeredet. Sie überschrieb meine festgelegten Entscheidungen. Fing an Pläne zu schmieden und sprach von Versionen der Zukunft, mit denen ich mich überhaupt nicht identifizieren konnte. Es klingt sicher dumm, wenn ich sage, dass ich mich überfordert und unverstanden gefühlt habe." "Nein", flüsterte Kagome. "Vielleicht wollte sie nur wissen, wie ich mir den weiteren Verlauf unserer Beziehung vorstellte, ich weiß es nicht. Jedenfalls hatte sich das über Wochen in mir angestaut und an diesem Abend kam es irgendwie raus. Ich sagte ihr, dass ich eine Pause bräuchte. Von ihr, von uns, von diesen Universitätsbroschüren. Ich kann nicht sagen, ob sie wütend, enttäuscht oder traurig gewesen war, sie ließ sich selten etwas anmerken. Sie wollte nur, dass ich sie nach Hause fahre. Mein Bruder wartete auf ein Taxi, also habe ich ihn direkt mitgenommen." Inuyasha schluckte kurz. "Und den Rest kennst du. Ich war unaufmerksam, abgelenkt und habe den Unfall verursacht. Kikyo lag seitdem im Koma. Aber ihre Chancen aufzuwachen, waren von Beginn an sehr unwahrscheinlich und das hat sich im Laufe der Zeit nur verschlechtert. Darum wollen die Ärzte und ihre Familie die lebenserhaltenden Maßnahmen beenden. Wenn sie es nicht schon getan haben." "Du weißt es nicht?" "Ihre Familie gehört seit dem Unfall, nicht zu meinen größten Fans", lächelte er traurig. "Ich habe mich immer zurückgehalten und gesagt, ich möchte nur informiert werden, falls sie aufwacht. Aber Kanon, ihre Mutter, erzählte mir letzten Monat davon und ich habe mich von ihr verabschiedet. Es gab nur keinen festen Termin, für-" Er stockte. "Darum bin ich etwas im Ungewissen." Kagome dachte an den Tag zurück, an dem Inuyasha plötzlich etwas zu erledigen hatte, anstatt mit ihr zum Carson's zu fahren, dem Restaurant von Ray's Eltern. Der mysteriöse Anruf, bei dem Izayoi so nervös wurde und die verdächtigen Textnachrichten zwischen ihm und Ray. Sie verstand es nun. "Und dein Bruder?", fragte sie zögerlich. "Während die Rettungskräfte versuchten uns aus dem Wagen zu schneiden, habe ich das Bewusstsein verloren. Als ich nach der Operation im Krankenhaus wieder aufwachte, war er bereits tot. Noch am Unfallort verblutet, habe ich später erfahren. Durch den Aufprall war das Eisen so gesplittert, dass sein linker Arm abgetrennt wurde. Die Sanitäter hatten zu lange gebraucht um ihn zu befreien." Kagome drückte seine Hand. Ihre Finger verschränkten sich fester ineinander. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, es war zu schrecklich. Aber sie wollte ihm vermitteln, dass sie da war. Dass sie für ihn da war, wenn er sie brauchte. Er verstand es und drehte sich langsam zu ihr um. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. "Ich muss oft daran denken, dass er in diesem Moment direkt hinter mir saß", erzählte er weiter, jedoch sehr viel leiser. "Wir waren keinen Meter entfernt voneinander. Und er blieb so ruhig. Er hat weder vor Schmerz aufgeschrien, noch angemerkt, dass er verletzt war. Er blieb einfach ruhig und sagte mir, dass alles gut werden würde. Ich kann es immer noch nicht fassen." Kagome bewegte ihre Fingerspitzen und er ließ ihre Hand los. Diese legte sie auf seine Schulter und fuhr langsam über seinen warmen Arm. Er legte seine nun freie Hand auf ihre Hüfte. Auf den Stoff ihrer kurzen Pyjamashorts. Da wurde ihr erst bewusst, wie wenig bekleidet sie beide eigentlich waren. Und dass es sie überhaupt nicht störte. Scheinbar zögerlich tauchte er mit seinem Daumen unter den Saum ihres Tops, streichelte sanft über samtigweiche Haut. Zuvor, wenn er das tat, hatte es sie gekitzelt und sie war kichernd zurückgeschreckt. Aber jetzt war sie ganz entspannt und diese kleine, unschuldige Berührung machte ihr Lust auf mehr. Sie ließ von seinem Oberarm ab und strich mit beiden Händen über seinen Oberkörper. Er antwortete mit seiner Handfläche auf ihrem Rücken und ihrer Taille. Sie sah keinen Grund sich zurückzuhalten und schmiegte sich wieder fest an Inuyasha. Ihre Nase wieder in seiner Halsbeuge vergraben, spürte sie seinen Atem in ihrem Haar. Sie wusste nicht, wie lange sie so lagen. Sie glaubte zwischenzeitlich auch kurz wieder eingenickt zu sein. Sie wollte am liebsten für immer unter der gemeinsamen Decke verweilen und die gegenseitigen Streicheleinheiten genießen. Doch sie merkte, wie Inuyasha immer tiefer in seinen düsteren und traurigen Gedanken versank, und das konnte sie nicht zulassen. Ablenkung musste her. "Ich hätte heute gern ein Date mit dir", nuschelte sie an seinem Hals. Er hob den Kopf und stützte ihn mit seinem Arm ab, während er fragend auf sie hinunter schaute und mit der anderen Hand weiter seine Runden auf ihrem Rücken drehte. "Ein Date?", fragte er. "Ja. Es ist Samstag." Sie deutete auf die Sonnenstrahlen, die durch die Vorhänge schienen. "Und es ist so schön draußen." "Okay. Was willst du machen?" "Die Entscheidung überlasse ich dir. So kann ich dich vielleicht noch etwas besser kennen lernen." Sie lächelte, als sie seinen verwunderten Blick bemerkte. "Bist du sicher?" "Klar. Überrasch mich." "Du bist doch eher die, die gerne solche Dinge plant und sich darauf vorbereitet. Bist du überhaupt flexibel genug, um mich dich überraschen zu lassen?" "Ich kann flexibel sein!", beharrte sie mit leichter Empörung in der Stimme. Ihr Gesicht verzog sich zu einem Schmollmund. "Solange alles so läuft wie ich es will, bin ich total flexibel." "Also schön", meinte Inuyasha und stand abrupt auf. "Dann los." Sehnsüchtig schaute sie ihm nach und richtete sich ebenfalls auf. "Jetzt sofort?" "Wir müssen eine Weile lang fahren, um an unser Ziel zu kommen. Und wir haben schon fast Mittag." "Oh, ehm- Okay. Warte- was soll ich anziehen? "Wolltest du nicht flexibel sein?" "Ja, aber gerade dafür muss ich ja wissen, wie ich mich kleiden soll." "Sportlich. Etwas in dem du dich gut bewegen kannst." Und diese Aussage ließ ihre Hoffnung auf ein romantisches Candlelight-Dinner verpuffen. Später saß sie, in ihren bequemsten Jeans, neben Inuyasha in einem Zug Richtung unbekannt. Sie hatte sich während des Menschengewirrs auf der Bahnhofstoilette umziehen können, während Inuyasha Schmiere stand. Ihre Perücke und Männerkleidung waren sorgfältig im Rucksack verstaut. Sie rätselte fieberhaft, wo er sie hinbringen wollte und warum sie dafür über eine Stunde lang in die nächste Großstadt fahren mussten. Es hatte zumindest den Vorteil, dass sie sich nicht verkleiden musste, sondern sie selbst sein konnte. Als sie es schließlich aufgab, darüber nachzudenken, weil es ja doch nichts half, zog sie einen von Inuyashas Kopfhörern aus seinem Ohr und konzentrierte sich auf seine Musik und seine Hand, die ihre während der gesamten Fahrt umschlossen hielt. Als sie am Ankunftsbahnhof schließlich noch ein Stück mit dem Bus fahren mussten, war Kagome mehr als erleichtert, endlich am Ziel zu sein. Und dieses war eine riesige Halle. Eine Kletterhalle, um genau zu sein. An allen Wänden und Ecken waren Klettervorrichtungen angebracht. Im Hauptraum, stand ein Turm in der Mitte, der in einem riesigen Überhang an der über 15 Meter hohen Decke verlief. Und an dieser Decke befand sich ein großes Oberlicht, dass genug Sonnenlicht hinein ließ, um den schönen, aber dennoch kalten Januartag zu genießen. Und bevor sie es richtig realisieren konnte, hatte Inuyasha ihr einen Klettergurt angelegt, zwei Mitarbeiter gefunden, die sie sicherten und Schwupps- schon befand sie sich mit Inuyasha in fünf Meter Höhe über dem Boden und ermahnte sich immer wieder nicht hinunter zu schauen. "Alles okay, Kagome?", fragte Inuyasha mit einem frechen Grinsen im Gesicht. "Du hast nie erwähnt, dass du kletterst!", sagte sie schweratmig und klang dabei etwas vorwurfsvoll. Sie waren noch gar nicht weit gekommen, aber sie schwitzte, als wäre sie drei Runden um den riesigen Sportplatz gelaufen. "Ich war seit Jahren nicht mehr hier", erklärte er und griff nach dem nächsten Henkel an der Felswand. Und trotzdem sah es bei ihm so leicht aus, als würde er das jeden Tag machen, dachte Kagome. "Warte", wimmerte sie leicht und er kam sofort wieder zu ihr hinunter. "Ich komme nicht weiter." Die vielen bunten Griffe überforderten sie und sie waren an einer Stelle angelangt, wo die Wand im leichten Winkel hervorragte und die Schwierigkeit somit erhöhte. "Jede Farbe steht für eine Route oder Schwierigkeitsgrad." Er zeigte ihr, dass die zugehörigen Routen und Griffe eng zusammen lagen und empfahl ihr eine von den leichteren Strecken. Kagome folgte seinen Anweisungen und sie kletterten zwei weitere Griffe hinauf. Dann blieb sie wieder stecken. "Vielleicht habe ich dich zu sehr überfordert", überlegte Inuyasha. "Wir hätten wohl im Kinderbereich anfangen sollen, damit du ein Gefühl dafür bekommst." Das kratzte an ihrem Ego. "Wenn ich da rüber will, wie mache ich das um alles in der Welt? Ich weiß nicht, ich-", murmelte sie hilflos. Inuyasha rutschte an der Wand entlang näher zu ihr. "Halt den roten Griff hier gut fest." "Ja." Sie packte den Henkel in der Wand und konnte die Finger richtig tief eingraben, sorgte so für einen festen Halt. "Stell dich da drauf." Inuyasha zeigte auf einen bunten Knoten der hervorlugte. Sie musste ihr Bein sehr stark anheben, um ihren Fuß darauf abzustellen. "Okay." "Und jetzt schieb einfach den Körper die Wand entlang." Mit aller Kraft versuchte sie sich hochzuziehen, schaffte es aber nicht und sackte zurück in die Ursprungsposition. "Ugh! Ich komm überhaupt nicht hoch." "Noch einmal", feuerte Inuyasha sie an und legte seine Hand auf ihren Rücken. "Einmal kräftig die Beine- Ja!" Er hatte sie unterstützend hochgeschoben und folgte ihr wieder auf gleicher Höhe. "Wenn es dir hier nicht gefällt, können wir auch wieder gehen. Es ist noch Zeit, um etwas anderes zu machen", schlug Inuyasha ihr vor, aber sie schüttelte den Kopf. "Es ist anstrengend, aber es macht auch irgendwie Spaß. Ich dachte bei dem Wort: Date, nur eher an etwas anderes." "An was denn?" "Ich dachte an Kino oder einen Einkaufsbummel." "Kino?" Inuyasha verzog verständnislos das Gesicht. "Was? Was hast du gegen einen schönen Kinobesuch? Es duftet nach Popkorn, es ist dunkel, man kann Händchen halten- " "Das geht hier auch", unterbrach er ihre Aufzählung und griff nach der Hand, mit der sie nicht ihr Gewicht hielt. "Du weißt, was ich meine", lachte Kagome. "Ich finde bei einem Date ins Kino zu gehen ist einfallslos und klischeehaft", sagte er schließlich. "Und man redet kaum miteinander, wodurch man sich auch nicht näher kennen lernt." "Da hast du recht", gab sie zu. "Hier lernst du zumindest von mir, dass ich eine sehr unsportliche Kletterin bin." "Das ist reine Übungssache", heiterte er sie auf. "Möchtest du lieber Bouldern?" "Lieber was?" "Das ist Klettern in Absprunghöhe." "Ähm- Ja." Sie schaute einmal hinunter und wieder hinauf. "Aber jetzt sind wir schon so weit gekommen. Bis nach oben will ich es noch schaffen. Danach, aber sehr gerne." "Alles klar", lächelte Inuyasha und mit seiner Hilfe schaffte sie es tatsächlich ihr selbstgestecktes Ziel zu erreichen. Es dauerte etwas, und Kagome war überzeugt Inuyasha wäre innerhalb dieser Zeit dreimal hoch geklettert, aber schlussendlich berührten sie beide die Hallendecke. Inuyasha gab den Leuten unten ein Zeichen. Gemeinsam konnten sie sich leicht von der Wand abstoßen, und ließen sich Stück für Stück herunterseilen. Sie verbrachten noch den gesamten Tag dort. Als sie den Bus und den Zug zurück nahmen, war es längst dunkel geworden und es war kurz nach 23 Uhr als sie im Internat ankamen. Also längst Bettruhe. In den dunklen Gängen des Wohnheims huschten sie leise hinauf in ihr Apartment und in ihr Zimmer. Das Gefährliche daran: Kagome sah noch aus wie Kagome, denn sie hatte im menschenleeren Bahnhof am späten Abend keine Gelegenheit gefunden sich unauffällig umzuziehen, ohne dass einer von den Sicherheitsleuten oder die Reinigungskräfte das mitbekommen hätten. "Geschafft!", jubelte Kagome in Zimmerlautstärke, als Inuyasha die Tür hinter ihnen verschloss und sie sich endlich im sicheren Bereich befand. Sie war noch etwas aufgedreht von dem ereignisreichen Tag und das leichte Risiko vorhin, hatte in ihr einen kleinen Adrenalinschub ausgelöst. "Ich glaube morgen habe ich Muskelkater-" "Pscht." Inuyasha legte grinsend seinen Zeigefinger über seine Lippen. "Wir wollen Ray und Yori nicht aufwecken." "Nein, wollen wir nicht", flüsterte sie und warf ihre Arme um seinen Hals. Ohne groß darüber nachzudenken, drückte sie ihm einen Kuss auf die Lippen. Und dann noch einen. Und noch einen. Sie tänzelten knutschend ein paar Schritte seitwärts und stolperten auf ihr Bett. Sie kicherte ungehalten, als er auf ihr landete und er ihre Haarmähne aus seinem Gesicht schob. "Psch-scht", wiederholte er lächelnd und legte seine Handfläche sanft über ihren Mund, um die Lautstärke zu dämmen. Kagome beruhigte sich wieder, schob seine Hand weg und zog ihn zu sich herunter. Und plötzlich war alles ganz still, und alles was sie spürte waren seine Lippen auf ihrer Haut, während er eine heiße Spur ihren Hals entlang küsste. Es jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Unbewusst versuchte sie ihre Beine zusammen zu drücken, aber Inuyashas Knie lag dazwischen und versperrte den Weg. Ihre Füße zuckten und versuchten sich unauffällig herauszuwinden. Inuyasha merkte das und schob eines ihrer Beine unter sein angehobenes Knie hindurch und lag nun komplett zwischen ihren Beinen. Sie spürte die Wärme seiner Hände durch den Stoff der Jeans und wie sie sich ihren Weg unter ihr Oberteil bahnten. Abermals versuchte sie ihre Beine zu schließen, aber diese lagen rechts und links von Inuyasha auf seinen Oberschenkeln. Zwischen ihren Beinen rieb sich der Stoff und löste ein Gefühl in ihr aus, dass sie noch nicht kannte, und das sich vertiefte, als Inuyasha noch stärker an sie heranrutschte. Er war mit seinen Küssen mittlerweile an der empfindlichen Stelle hinter ihrem Ohr angekommen und ihr wurde ganz heiß, das Atmen fiel ihr schwer. Sie musste irgendein unterbewusstes Signal gegeben haben, irgendetwas dass Inuyasha zu verstehen gab, dass sie noch nicht soweit war. Denn er hob den Kopf, schaute ihr ins hochrote Gesicht und sagte: "Ich gehe zuerst duschen." Er drückte ihr noch einen letzten Kuss auf die Lippen, stand auf und verschwand durch die Zimmertür. Kagome atmete schnell auf, spürte wie die Luft durch ihre Lungen pumpte. Sie fasste mit den Händen in ihr Gesicht, fühlte ihre heißen Wangen. Und ihre Beine hatte sie so fest zusammengedrückt, dass sie das pulsierende Blut in ihren Waden wahrnahm. Das Erlebnis hatte ihr einen kleinen Schreck eingejagt und sie musste sich kurz sammeln. Nach längerem Nachdenken und Analysieren, richtete sich ihr Blick auf eine der Schubladen in ihrem Schrank. Eilig sprang sie vom Bett und kramte die Verhütungspillen aus der hintersten Ecke ihrer Sockenschublade hervor. Gedankenversunken starrte sie auf die Verpackung. Vor ein paar Wochen, als ihre Mutter ihr die Pillen das erste Mal in die Hand gedrückt hatte, war es ihr so unglaublich lächerlich vorgekommen. Aber wem wollte sie denn etwas vormachen? Sie könnte Inuyasha im Ernstfall niemals widerstehen und somit war Vorsicht besser als Nachsicht. Kapitel 38: Zurück auf Anfang ----------------------------- Nachdenklich schaute Kagome noch immer auf die Verhütungspillen. Sie kaute schon so lange auf ihrer Unterlippe herum, dass sie bereits ein leichtes pulsieren spürte. Fremdartige Gedanken und Vorstellungen, die sie nervös werden ließen, nahmen ihren Kopf in Beschlag. Die Verpackung in ihrer Hand, hatte bereits zahlreiche Druckstellen von ihren angespannten Händen davongetragen. Das Geräusch, als die Klinke der Zimmertür heruntergedrückt wurde, hallte laut durch das Zimmer, unterbrach knallartig die Stille und Kagome erschrak fürchterlich, als sie aus ihrer Gedankenwelt herausgerissen wurde. Vor Schreck warf sie die Verhütungspillen nach oben und die Packung flog quer durch die Luft. Inuyasha rubbelte sich mit einem Handtuch die Haare trocken, als er das Zimmer betrat. Er wollte gerade etwas sagen, als die Verpackung den Kampf gegen die Schwerkraft verlor und gegen Inuyashas Stirn knallte. "Au?", murmelte er und verzog dabei mürrisch das Gesicht. "Wofür war das denn?" "Ah- Ähm- Also-", stammelte Kagome und wurde knallrot im Gesicht, als Inuyasha sich nach den Verhütungspillen vor seinen Füßen bückte. Er warf einen kurzen Blick darauf und schaute überrascht zu ihr auf. "Ich nehme ab jetzt die Pille!", schrie sie ihn beinahe an, sehr viel lauter als beabsichtigt. Er hob das Päckchen auf und warf es ihr zu. Etwas unbeholfen fing sie es auf. "Okay", antwortete er nur und in Kagomes Ohren klang es viel zu desinteressiert. Verwundert starrte sie ihn an, als er das Handtuch über den Stuhl warf und sich auf sein Bett setzte. "Okay?", fragte sie skeptisch. "Das ist alles was du dazu sagst?" Inuyasha hob fragend eine Augenbraue. "Was soll ich denn sonst sagen?" "Ich weiß nicht- Irgendwie kommt es mir nicht so vor, als wäre dir klar, was das bedeutet", sie hielt die Pillen kurz hoch und wurde immer leiser, während sie weitersprach, "Was das für mich bedeutet- ich meine, man nimmt sowas ja nicht einfach so, dafür gibt es einen bestimmten Grund." "Es sind Verhütungspillen, Kagome. Es ist offensichtlich was sie bezwecken", sagte er ganz ruhig und das machte sie noch unsicherer. Mit schwachen Beinen ließ sie sich, ihm gegenüber, auf ihre Bettkante fallen. "Also- die Tatsache, dass ich dies jetzt einnehme und dir damit signalisiere, dass ich und du, du weißt schon was, versuchen können- Also, das macht dich keineswegs nervös?" "Du weißt schon was?", schmunzelte er. "Na, unser erstes Mal!", ersetzte sie die Phrase und verzog verärgert das Gesicht. "Willst du es jetzt? Sofort?", fragte er. Sie riss die Augen auf und zuckte zusammen. "Wa- Nein!", rief sie. "Doch nicht jetzt!" "Dann, nein. Gerade jetzt in diesem Moment, bin ich nicht nervös. Und das musst du auch nicht sein", versuchte er ihr gut zuzureden. "Wir gehen das ganz locker an und wenn du bereit für dein erstes Mal bist, dann wirst du das merken." "Unser erstes Mal", korrigierte sie ihn. "Was?" "Na, es wäre mein erstes Mal und deines auch-", Inuyasha spitzte die Lippen und wich ihrem Blick aus. "-Oder nicht?", fragte sie kleinlaut. Sie konnte ihm ansehen, wie er in Gedanken versuchte, die richtigen Worte zu finden und schließlich murmelte er vorsichtig: "Du weißt, dass ich vor dir eine Freundin hatte." "Oh", hauchte Kagome so leise, dass er es kaum hörte. "Also habt ihr beide schon-" "Jepp", erwiderte Inuyasha und kniff die Lippen zusammen. Die Situation war sehr unangenehm. Unglücklich starrte Kagome auf ihre Fußspitzen und versuchte die neue Welle an Emotionen einzuordnen. Als ihr plötzlich ein Gedanke kam und sie fluchtartig vom Bett aufsprang. Inuyasha stand automatisch mit auf und warf ihr einen fragenden Blick zu. Kagomes Augen wanderten von ihrem Bett zu seinem Bett und anschließend zu ihm. "Hier?" "Ähm-" "Hier?" Kagome klang fast hysterisch hoch, und zeigte demonstrativ auf ihr Bett. Inuyasha runzelte ungläubig die Stirn. "Nein, in meinem. Warum ist das wichtig?" Ihr Blick richtete sich erneut auf sein Bett und sie wirkte plötzlich geknickt und enttäuscht. "Kagome, das ist fast zwei Jahre her. Die Wäsche wurde hunderte Male gewaschen und gewechselt. Dir ist klar, dass es davon keine Spuren mehr in diesem Bett geben kann, ja?" "Ja, das ist mir klar", zischte sie und setzte sich wieder hin. Inuyasha seufzte leise und setzte sich vorsichtig, mit einem gewissen Sicherheitsabstand, neben sie. "Bist du jetzt wütend auf mich?" "Ja!", kam es schnell von ihr. "Nein", verbesserte sie sich kurz darauf und murmelte schließlich: "Vielleicht." "Wegen etwas, was ich getan habe, bevor ich dich überhaupt gekannt habe?" "Nein", erwiderte sie leise und seufzte. "Ich glaube, ich bin wütend, weil du mir meine Vorstellungen ruiniert hast." "Deine Vorstellungen?" "Ich dachte, es würde super romantisch werden, wenn wir uns gemeinsam an diese neue Sache herantasten würden. Aber jetzt, da ich weiß, dass du mir diesen Schritt bereits voraus bist, macht mich das nur noch nervöser!" In Kagomes Stimme hatte sich ein vorwurfsvoller Unterton entwickelt. Inuyasha öffnete zögerlich den Mund und schloss ihn ganz schnell wieder. Er wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte und er befürchtete die Situation schlimmer zu machen, statt besser. Also schwieg er. Kagome atmete tief ein und aus und stand seufzend auf. "Ich gehe baden", sagte sie nur und verließ das Zimmer. Er musste eingenickt sein, denn als er die Augen öffnete, war das Zimmer plötzlich dunkel und Kagome lag im Bett nebenan. Ihm den Rücken zugewandt. Inuyasha drehte sich ebenfalls um. Durch den Spalt zwischen den Vorhängen, konnte er einige funkelnde Sterne beobachten. Er verlor sich immer wieder in seinen Gedanken, während er sich einredete einschlafen zu müssen. Er kniff die Augen zusammen, drehte das Kopfkissen herum, trat die Bettdecke zurück, zog diese wieder über die Schulter und das Ganze von vorn. Schließlich richtete er sich leise auf und starrte auf Kagomes Silhouette. Sie rührte sich nicht. Dann ließ er sich wieder ins Kissen fallen und wälzte sich hin und her. Nein, das war nicht richtig so. Als ob etwas fehlen würde. Abrupt setzte er sich auf und raufte sich die Haare. Sein Blick wanderte wieder neben sich. Auf was wartete er? Mit zaghaften Bewegungen schob er sich aus seinem Bett und schlich zu ihr hinüber. Noch immer keine Regung. Es dauerte einen Moment, bis er den Mut aufgebracht hatte, sich neben sie zu legen. Stück für Stück rutschte er an sie heran und schlüpfte unter ihre Bettdecke. Er überwand letztendlich auch die letzte emotionale Hürde und legte seinen Arm um ihren Bauch. Ihr Körper war sehr warm und ihr Nachthemd lag nach dem Bad mit einem Hauch Feuchtigkeit an ihrer Haut. Sie konnte noch nicht lange im Bett liegen, sehr wahrscheinlich hatte sie die ganze Zeit wachgelegen. Seine Vermutung bestätigte sich, als Kagome ihre Hand über seinen Arm gleiten ließ und sich enger an ihn schmiegte. Er dachte an ihr Gespräch von vorhin zurück und an ihre Frage, ob er keineswegs nervös sei. Er hatte diese Frage verneint. Schließlich hatte er bereits eine Beziehung gehabt. Er und Kikyo waren sich nahe gewesen und er hat oft neben ihr gelegen, bis diese Nähe zur Selbstverständlichkeit wurde. Er dachte, er hätte all die kleinen Unsicherheiten bereits hinter sich. Aber sein pochendes Herz signalisierte ihm etwas anderes. Allein schon die Überwindung, die es ihn gekostet hatte, sich neben sie zu legen. Er schloss leise seufzend die Augen und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Sie roch nach blumigem Shampoo. Er drückte sanft ihren Rücken gegen seine Brust, bis seine Lippen nur noch wenige Zentimeter von ihrer Ohrmuschel entfernt waren. Okay, also zurück auf Anfang, es begann etwas Neues, mit vielen neuen ersten Malen. "Ich bin auch nervös", gab er flüsternd zu und hauchte einen Kuss auf ihren Nacken. Kagome hieß die wohlige Gänsehaut, die ihren Körper überzog, lächelnd willkommen. Kapitel 39: Verlangen --------------------- Sie atmete ruhig und gleichmäßig. Und schien fest zu schlafen. Als Inuyasha die Augen öffnete, lag sein Gesicht an ihrem warmen Nacken und sein Arm war um ihren Bauch gelegt. Er drehte seinen Kopf langsam zum Fenster und stellte fest, dass es schon hell war. So blieb er noch einige Minuten liegen, lauschte dem Rauschen des Windes, wie er über die Wände des Wohnheims peitschte. Es würde ein kalter und stürmischer Tag werden. Das konnte seine gute Laune jedoch nicht mindern, denn er fühlte sich ungewohnt ausgeruht und zufrieden. Inuyasha ließ seine Finger leicht über Kagomes Taille gleiten, bevor er vorsichtig aus ihrem Bett stieg. Ganz leise zog er sich etwas über und schlich zur Tür. Langsam schloss er sie hinter sich und zuckte überrascht zusammen, als er Ray schlafend auf der Couch vorfand. "Hey", sagte Inuyasha leise und griff nach seinem Fuß unter der Decke. Ray zog sein Bein sofort weg, er war dort furchtbar kitzelig, und blinzelte schlaftrunken um sich. "Hat Yori gestern wieder eines seiner Betthäschen mitgebracht?" "Ja", murmelte Ray und rieb sich den Schlaf aus den Augen. "Stört dich das denn überhaupt nicht?", fragte Inuyasha ungläubig. "Es ist mir ehrlich gesagt egal." Ray setzte sich auf und machte Inuyasha Platz. Er setzte sich neben ihn. "Die Couch ist bequem und besser er vergnügt sich mit den armen Mädchen hier, als wer weiß wo." "Du bist zu gut für diese Welt", antwortete Inuyasha mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. "Sie ist letzte Nacht aber noch gegangen, nicht?" "Ich bin nicht sicher." "Was?" "Ich habe niemanden rauskommen hören. Apropos rauskommen- Du und Kagome, ihr wart gestern den gesamten Tag über nicht ausfindig zu machen." "Wir waren in der Kletterhalle." "Du hast Kagome zum Klettern mitgenommen?" Ray hob erstaunt die Augenbrauen. "Ja, warum sagst du das so komisch?" "Na, das war doch immer so ein Einzelgänger-Ding von dir. Um den Kopf frei zu bekommen und so. Es wundert mich eben. Wie war es denn?" "Gut." "Und?", fragte Ray gedehnt. "Es war wirklich gut, da gibt es nichts weiter zu sagen. Wir waren in der Kletterhalle und sind geklettert." "Das war alles?" "Ja. Wir sind spät zurückgekommen, hatten noch ein etwas seltsames Gespräch und dann habe ich mit Kagome geschlafen." "Meinen Glückwunsch", erwiderte Ray daraufhin trocken. "Hä? Nein, nicht so-", widersprach Inuyasha empört, nachdem auch er die Zweideutigkeit verstanden hatte. "Ich meine, ich habe mit ihr in einem Bett geschlafen. Ich habe sogar durchgeschlafen." Ray runzelte verwirrt die Stirn. "Durchgeschlafen?" "Richtig." "Also keine Albträume, keine Schweißausbrüche, kein Verlangen nach Nudelsuppe, kein Wadenkrampf und keine krächzenden Krähen haben dich geweckt? Du hast geschlafen, seit du gestern die Augen geschlossen hattest und hast sie erst heute morgen wieder geöffnet? So hast du durchgeschlafen?" "Verrückt, ich weiß." Ray fing an zu lächeln und nickte zustimmend. "Kagome hat einen sehr guten Einfluss auf dich." "Hm, scheint so", murmelte Inuyasha nachdenklich. Eine Türklinke wurde vorsichtig heruntergedrückt und Yori schlüpfte nervös aus seinem Schlafzimmer. Inuyasha und Ray starrten ihn fragend an, während er sich die schwitzigen Hände an seiner Boxershorts abwischte und sich dann angespannt die Haare raufte. "Alles in Ordnung?", fragte Ray ihn und Yori begegnete seinen Blick mit weit aufgerissenen Augen. "Sehe ich so aus?", flüsterte er hysterisch und ging panisch auf und ab. "Diese Nablabla- Sie will einfach nicht gehen." "Nablabla?", fragte Inuyasha. "Ihr Name war Nami oder Naomi oder so ähnlich, ich weiß es nicht mehr genau, deshalb Nablabla." "Verstehe", meinte Inuyasha mit einer gewissen Abscheu gegenüber Yori und fragte mit gespieltem Interesse: "Warum will sie nicht gehen?" "Es ist Sonntag. Sie muss nirgendwo hin, sie hat es nicht eilig. Und sie will immer mehr!" Inuyasha und Ray wechselten einen ungläubigen Blick miteinander. "Schon klar, ihr glaubt mir nicht!" Yori verschränkte beleidigt die Arme. "Aber es ist wahr, dieses Mädchen ist unersättlich. Drei mal letzte Nacht und schon zweimal heute morgen- ich bin völlig ausgelaugt!" "Nach nur insgesamt fünf Minuten?", grinste Inuyasha und Ray versuchte sich ein Lachen zu verkneifen. Yori verzog das Gesicht. "Wirklich, Inuyasha? Ein Witz darüber, wie lange ich kann? Das ist unter deinem Niveau." "Für dich reicht das noch." "Hör auf dumme Witze zu machen und hilf mir lieber!" "Ich soll dir helfen deinen One-Night-Stand loszuwerden?", fragte Inuyasha ungläubig. "Du könntest ihr doch zum Beispiel sagen, dass ich zu einem Notfall abberufen wurde." "Ja, das kann ich machen", sagte Inuyasha grübelnd und stand langsam auf. Ray warf ihm einen überraschten Blick zu. "Das ist eine tolle Idee. Ich kann ihr sagen, der Geheimdienst stand vor der Tür und hat nach dir gefragt." "Mhm, ja. Das klingt gut", nickte Yori, der den Sarkasmus überhört hatte. Ray legte ungläubig sein Gesicht in die Hände und schüttelte den Kopf, während Inuyasha weitersprach: "Die haben dich auf eine ganz geheime, gefährliche Mission geschickt." "Okay, gefällt mir." "Sie sagten, sie heißt Operation Weichflöte und jetzt geh da rein und serviere sie vernünftig ab!" Yori runzelte die Stirn. "Lass uns nochmal zu dem Punkt mit der gefährlichen Mission zurück gehen, das könnte sie wirklich glauben-" "Nein!", rief Inuyasha nun verärgert. Yori zuckte zusammen und eilte zurück in sein Zimmer. Die Tür am anderen Ende des Raumes öffnete sich und Kagome steckte den Kopf durch den Spalt. "Guten Morgen", gähnte sie und rieb sich die müden Augen. Inuyasha drehte sich zu ihr um und sagte schnell: "Fremdkörper!" Kagome wurde hellwach, bei der Nennung des Signalwortes und zog sich schnell wieder zurück. Kurz darauf ertönte ein lauter Knall aus Yoris Zimmer und eine verärgerte Frauenstimme war zu hören. Die Zimmertür wurde aufgerissen und ein hübsches, blondes Mädchen steuerte wütend auf den Ausgang zu. Als sie die Tür hinter sich zuknallte, erschütterte die Wand so stark, dass ein gerahmtes Bild vom Nagel fiel. Kagome lugte vorsichtig hinaus, Inuyasha nickte ihr zu und sie setzte sich verwirrt auf die Sofalehne. Yori trottete zurück ins Wohnzimmer und rieb sich die schmerzende, rote Wange. "Du hast ihr nicht das mit dem Geheimdienst erzählt, so blöd bist du nicht", meinte Inuyasha stirnrunzelnd und ließ sich zwischen Ray und Kagome auf die Couch fallen. "Sie hätte es geglaubt, wenn es ihr jemand anderes gesagt hätte!", murrte Yori vorwurfsvoll und verschwand missgelaunt im Badezimmer. Ray erklärte Kagome die Situation. "Ich kann nicht glauben, dass Yori noch immer seine Eroberungen mitbringt", erklärte sie fassungslos. "Ich dachte, es hätte aufgehört, nachdem er mein Geheimnis erfahren hatte. Das war schon das dritte Mal, dass mich eins der Mädchen beinahe gesehen hat. Er verhält sich egoistisch." "Eigentlich wurde auch ausgemacht, dass keine von denen bis zum Morgen bleibt", ergänzte Inuyasha und sie beide schauten Ray auffordernd an. Er seufzte, griff sich seine Bettdecke und Kissen und schlurfte ins Zimmer. "Ich werde mit ihm reden." "Das wird nichts bringen", meinte Inuyasha spöttisch. "Mit Yori zu sprechen, ist wie Signale in den Weltraum zu schicken. Man hofft es gibt dort intelligentes Leben, aber man findet einfach nichts." "Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben", rief Ray noch über die Schulter, bevor er die Tür hinter sich schloss. "Alles okay?", fragte Inuyasha, als er bemerkte, dass seine Freundin abwesend auf eine Wand starrte. Sie nickte schwach. "Ja, nur etwas zu viel Aufregung an einem Sonntagmorgen, für-", Ihr blieb kurz die Luft weg, als Inuyasha sie auf seinen Schoß zog, "-meinen Geschmack", beendete sie ihren Satz mit zitternder Stimme. Überrascht schaute Kagome ihm in die Augen. Durch die Bewegung war ihr Nachthemd unvorteilhaft nach oben gerutscht. Nun saß sie äußerst bequem auf ihm und ihre Beine lagen komplett freigelegt über der Lehne. Heißes Blut schoss ihr in den Kopf, während sie realisierte wie dünn der Stoff doch war, der gewisse Körperteile voneinander trennte. Als er dann auch noch seine Arme um sie legte und sie an sich drückte, glaubte Kagome ihr Herz würde explodieren, so stark schlug es gegen ihren Brustkorb. Sie schluckte schwer, als sie Inuyashas angenehmen Geruch wahrnahm. Sie war zur selben Zeit, entspannt und angespannt. Sie wollte einerseits peinlich berührt von seinem Schoß springen und andererseits nie wieder von ihm weichen. Es war verrückt. "Ich habe letzte Nacht sehr gut geschlafen", sagte Inuyasha plötzlich und Kagome zuckte leicht zusammen, als sie die Vibration seiner Stimme auf seiner Brust spürte. Sie antwortete in schnellen abgehakten Sätzen, die ihre Nervosität deutlich machten. "J-Ja? Das ist gut. Sehr gut. Das freut mich zu hören. Wir sollten öfter in einem Bett schlafen. Also- Nur wenn du das willst, ich-" Inuyasha drückte ihr einen kurzen, sanften Kuss auf die Lippen. "-finde das-" Ein weiterer Kuss. "-schön-" Noch einer. "-in deinem Arm zu lie-" Die letzten Worte waren kaum mehr, als ein dahin gehauchtes Flüstern, bevor sie wohlig seufzend die Augen schloss und seine süßen Küsse erwiderte, die ihren gesamten Körper schwach werden ließen. Eine seiner Hände wanderte über ihre Hüfte hinunter auf ihren nackten Oberschenkel, streichelte mit dem Daumen über ihre weiche Haut. Sie tänzelte mit ihren Fingerspitzen zaghaft über seinen Nacken, dort griff sie in seine Haare hinein und schmiegte sich enger an ihn. Ihre Gedanken drehten sich um ihr gestriges Gespräch, Inuyasha hatte gemeint sie würde es wissen, sobald sie bereit wäre. Nach dem Bad hatte sie eine der Verhütungspillen geschluckt und sie erinnerte sich daran, dass der Arzt sagte, sie wirke bereits nach der ersten Einnahme. Es wäre also okay, oder nicht? Es wäre sicher. Und sie hätte in diesem Moment gar nichts dagegen. Hey! I'm the man, I'm the man, I'm the man! Yeah! I'm the man that gave you the yo-yo!, ertönte es plötzlich äußerst schief aus dem Badezimmer und das Wasser wurde aufgedreht. Yori stand singend unter der Dusche und Kagome fühlte sich, als hätte jemand einen Eimer eiskaltes Wasser über sie geschüttet, welches den Funken der gerade in ihr entstanden war, auf der Stelle löschte. Inuyasha gab ein genervtes Grummeln von sich. Verlegen schob sie sich von ihm weg und drückte ihr Nachthemd hinunter, als sie aufstand. Sie wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, nun da sie in die Realität zurückgekehrt war, und schob hastig einige lose Haarsträhnen hinter die Ohren. "Ich habe Hunger. Hast du auch Hunger? Lass uns Frühstücken gehen", sagte er so seltsam gut gelaunt, dass Kagome sich nicht sicher war, ob es echt oder gespielt war. Sie nickte nur und folgte ihm in ihr Zimmer. In den nächsten Stunden hielt sich eine gewisse Anspannung zwischen ihnen. Keine negative Anspannung, ganz im Gegenteil, eine prickelnde- eher körperliche Spannung, die sie den ganzen Tag nicht zur Ruhe kommen ließ. Kagome war ungewöhnlich zurückhaltend, beteiligte sich nicht sehr an Gesprächen mit anderen. Inuyasha dagegen wirkte irgendwie hibbelig und unruhig, reagierte auf jeden, außer Kagome, etwas gereizt. Am späten Nachmittag begleitete er sie in die Bibliothek und setzte sich neben sie an einen ruhigen, leicht abgelegenen Tisch zwischen den Bücherregalen. Zu Recherchezwecken für ein Referat, musste Kagome sich durch einen dicken Wälzer quälen. Allerdings konnte sie sich nur schwer konzentrieren. Sie schielte unauffällig zu Inuyasha hinüber, der gerade einige Zitate aus einem Geschichtsbuch herausschrieb. Sie zwang sich wieder auf die bilderlosen Seiten vor sich zu schauen. Einen halben Absatz später zuckte sie zusammen, als Inuyasha ihre Hand auf dem Tisch umschloss. Nervös blickte sie sich um, aber es war niemand zu sehen. Bevor sie sagen konnte, wie unvorsichtig das war, zog er ihre Hand unter den Tisch und streichelte ihren Handrücken. Sie schloss zögerlich die Augen und genoss diese einfache, doch intensive Berührung. "Kann ich mich dazu setzen?", unterbrach Ray's Stimme die Zärtlichkeiten und Kagome zog reflexartig ihre Hand weg. Sie hatte ihn nicht bemerkt. Inuyashas Hand zu halten war viel zu riskant. Zum Glück war es nur Ray gewesen. "Ja", sagten beide simultan und schauten schnell zurück in ihre Bücher. Ray runzelte verwirrt die Stirn, setzte sich jedoch gegenüber von ihnen auf einen Stuhl und breitete seine Unterlagen auf dem Tisch aus. Das Rascheln von Heften und umgeblätterten Bücherseiten beherrschte den gesamten Saal. Es war zeitweise so ruhig, dass man die verschiedenen Stifte, welche fleißig schreibend über Papier glitten, raushören konnte. Bleistift, Kugelschreiber, Füllfederhalter, Marker- Kagome versuchte sich lieber darauf zu konzentrieren, als auf die Tatsache, dass Inuyasha ihr immer wieder flüchtige Blicke zuwarf. Es funktionierte nicht. "Hör auf damit", flüsterte sie schließlich vorwurfsvoll. "Hör du selber auf", antwortete er genauso leise und deutete auf seine Notizen. "Ich bin am lernen." Sie musste schmunzeln und schaute ihn ungläubig an. Er erwiderte den Blick und beide sahen sich einen Moment lang in die Augen, dann wieder schnell auf ihre Bücher hinunter. Kagome seufzte und suchte die Stelle an der sie aufgehört hatte zu lesen, nur um sich bewusst zu werden, dass sie sich noch ganz oben auf der Seite befand. Im Augenwinkel sah sie, wie wieder sein Blick an ihr haftete. Sie wandte sich ihm zu und er schaute weg. Nun seufzte Inuyasha. Ray war inzwischen auf das Verhalten der beiden aufmerksam geworden, stützte seinen Kopf mit einer Hand ab und beobachtete sie amüsiert. Inuyasha tippelte mit seinen Fingerkuppen leicht auf der Tischplatte herum, blätterte wahllos ein paar Seiten um und legte dann seinen Stift hin. Er atmete tief ein und stieß die Luft wieder aus. Kagome beobachtete ihn wieder aus den Augenwinkeln heraus. Er hatte eine Hand unter dem Tisch auf seinem Knie abgelegt. Sie wog kurz in Gedanken das Risiko mit ihrem Verlangen ab und legte dann möglichst unauffällig ihre Hand auf seine. Inuyashas Blick richtete sich auf einen eingeritzten Punkt auf dem Holztisch. In seiner freien Hand drehte er seinen Kugelschreiber, drückte immer wieder auf den Druckknopf und klopfte unruhig mit der blauen Spitze auf den Tisch. Ray räusperte sich kurz und murmelte leise: "Vielleicht solltet ihr euch ein privateres Plätzchen fürs Lernen suchen." Sie starrten ihn beide ertappt an. Ray zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgaben. Inuyasha schaute sich einige Male nachdenklich um und drückte dann ihre Hand, bevor er leise aufstand. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, bevor er sich zu ihr hinunter beugte und ihr zuflüsterte: "Zähle bis drei und folge mir unauffällig." Er ging um die Ecke und verschwand hinter dem nächsten Regal. Kagome atmete zitternd ein und aus. Eins. Zwei. Drei. Auch sie stand nun auf und ging in die gleiche Richtung wie Inuyasha. Ray schaute ihr grinsend und kopfschüttelnd nach. Inuyasha war ihr schon einige Meter voraus und sie ging so langsam, dass sie ihn gerade so im Auge behalten konnte und sah wo er abbog. Niemand würde darauf kommen, dass sie gemeinsam nach hinten verschwanden. In die abgelegenste Ecke der Bibliothek, wo Bücher standen, die niemals ausgeliehen wurden, in Fächern die zugestaubt waren, weil selbst die Reinigungskräfte es nicht für nötig hielten, dort zu putzen. Inuyasha verschwand hinter dem letzten Bücherregal und mit wild pochendem Herzen, beschleunigte Kagome ihre Schrittgeschwindigkeit. Sie war kaum um die Ecke gebogen, da griff er nach ihrem Handgelenk und zog sie in seine Arme, umschloss ihr Gesicht mit den Händen und küsste sie gierig. Kagome vergrub ihre Fingernägel in seinem Pullover und zog ihn näher an sich heran. Den ganzen Tag, hatte sich das Verlangen in ihnen aufgestaut und nun wollte sie nichts anderes, als ihn zu berühren, zu fühlen, zu küssen. "Was ist mit der Regel?", hauchte sie in einem Moment, der für das Luft holen bestimmt gewesen war. Schließlich war er es gewesen, der sie und die Rolle die sie spielte, so strikt voneinander hatte trennen wollen. "Jede Regel-"antwortete er schweratmig, "-hat eine Ausnahme", bevor er sich mit ihr drehte, sie an der Taille packte und sie gegen das Bücherregal drückte. Eine leichte Staubwolke rieselte auf sie hinab. Er zog das Hemd, welches sie an diesem Morgen so sorgfältig in die Hose gesteckt hatte, ungeduldig heraus und schob es etwas nach oben, bis ihr Bauch freilag. Sie wagte es, ihre Hände unter sein Oberteil zu schieben und sie über seine warme, muskulöse Haut fahren zu lassen. Zuerst über den Rücken, die Wirbelsäule entlang, dann über seine Bauchmuskeln und sie konnte sich nicht davon abhalten, vor lauter Freude und Euphorie ein breites Lächeln aufzusetzen und in Inuyashas Kuss hineinzulachen. Ja, sogar ein kleiner Freudenschrei war ihr entwichen. Es brauchte ein paar Sekunden und Inuyashas ruckartige Entfernung zu ihr, bis ihr klar wurde, dass es nicht sie selbst gewesen war, die geschrien hatte. Panik schnürte ihr die Kehle zu und sie folgte Inuyashas erschrockenen Blick. Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund starrte Mafuyu sie beide abwechselnd an. Kapitel 40: Eine kleine Unwahrheit ---------------------------------- "Mafuyu-", Inuyasha war der Erste, der ein Wort herausbrachte, "Jetzt raste nicht aus, okay?" Sie schaute noch immer verwirrt zwischen den beiden hin und her, wurde leichenblass und stolperte ein paar Schritte rückwärts. "Es gibt dafür eine Erklärung, also-", redete er weiter auf sie ein, doch Mafuyu schüttelte abwehrend den Kopf, machte auf dem Absatz kehrt und rannte weg. "So ein Dreck!", fluchte Inuyasha. Er wollte ihr zunächst nach, entschied sich aber dann dagegen, weil es noch mehr Aufmerksamkeit erregen würde. Und die Aufmerksamkeit neugieriger Mitschüler war das Letzte, was sie nun gebrauchen konnten. "Wohin geht sie? Was macht sie jetzt?", fragte Kagome leicht panisch, nachdem auch sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. Inuyasha wandte sich ihr zu und verzog nachdenklich das Gesicht. "Äh- 50/ 50 Chance. Entweder sie läuft direkt zur Schulleitung oder zu den Pferdeställen." "Zu den Ställen?", fragte Kagome nervös. "Wenn sie etwas aufregt, geht sie dorthin um sich zu beruhigen. Es ist ihr Rückzugsort." Kagome brannte die Frage auf der Zunge, warum in aller Welt er das wusste, stattdessen fragte sie: "Sollen wir uns aufteilen?" "Gute Idee", antwortete Inuyasha und sie beide befanden sich schon auf halbem Weg zum Ausgang. "Du suchst sie bei den Ställen und ich fange sie, falls nötig, vor der Schulleitung ab." "Glaubst du wirklich, sie würde mich verraten?" "Keine Ahnung", murmelte er unsicher. "Ich hoffe nicht." "Also los", meinte Kagome unglücklich und nachdem sie die Bibliothek verlassen hatten, rannten beide in entgegengesetzte Richtungen. Es dämmerte bereits und stürmischer Wind preschte ihr entgegen, als Kagome aus einem der Seitenausgänge eilte. Die weißen Kieselsteine auf den Wegen des Zentralhofes klackerten bei jedem Schritt unter ihren Schuhen. Ihre Füße rutschten mehrmals weg und sie kam aufgrund dieser Umstände nicht so schnell voran, wie sie gewollt hatte. Glücklicherweise begegnete sie niemandem. Auch bei den Ställen war keine Menschenseele zu sehen. Da Kagome nicht wusste, in welchem der drei großen Gebäude Mafuyu sein würde, hatte sie keine andere Wahl, als jede einzelne Box abzulaufen. Es roch nach frischem Heu, Staub, Mist und die Luft war stickig, erschwerte ihr das Atmen. Die Pferde scharrten unruhig mit den Hufen und schnaubten, als sie an ihnen vorbeilief. Sie schien die sensiblen Tiere mit ihrer Nervosität anzustecken. Darum warf sie nur einen kurzen Blick in jede Pferdebox und zog schnell weiter um nicht mehr Unruhe als nötig zu verursachen. Kagome war schon lange außer Puste, als sie das letzte Stallgebäude betrat und ihre Suche fortsetzte. Sie hatte die Hoffnung fast aufgegeben und spielte mit dem Gedanken zurück zu laufen, als sie in einer der hintersten Boxen rotblondes Haar durch die Gitterstäbe hindurchschimmern sah. "Mafuyu-", japste sie angestrengt und kam vor ihrer Box zum stehen. Das Mädchen drehte sich zu ihr um und sah sie traurig an, ihre Arme um den Hals einer hübschen weißen Stute gelegt. "Was willst du?", fragte Mafuyu abweisend. Kagome öffnete und schloss den Mund, hob dann den Zeigefinger um ihr deutlich zu machen, dass sie noch einen kurzen Moment brauchte. Schwer atmend stützte sie ihre Hände auf ihre Knie und kam allmählich wieder zur Ruhe. Sie hatte heftiges Seitenstechen, aber mit leisen Klagelauten richtete sie sich wieder auf. "Huff- Also, ich-", setzte Kagome schließlich an und trat näher. "Ich möchte dir alles erklären." "Du brauchst mir nichts erklären!", zischte Mafuyu verärgert. "Ich habe ja gesehen, was da zwischen dir und Inuyasha abgeht." "Ja, schon. Aber du kennst die Umstände nicht. Es ist so, dass-" Ein verzweifeltes Schluchzen unterbrach sie und Kagome sah Mafuyu schuldbewusst dabei zu, wie sie ihr Gesicht in der Pferdemähne vergrub und furchtbar weinte. "Es tut mir leid-", stammelte Kagome vorsichtig. "Ich weiß, dass Inuyasha dir sehr viel bedeutet. Wir wollten dich ganz sicher nicht verletzen." "Wissen die anderen es?", murmelte sie. "Ray und Sam? Yori?" "Ähm, ja", gab Kagome zu. Mafuyu wischte sich mit ihrem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. "Inuyasha ist der einzige Mensch auf der Welt, dem ich vertraue. Er ist mein einziger richtiger Freund, er weiß alles über mich. Es verletzt mich, dass er glaubt er könnte sich mir nicht anvertrauen", schluchzte sie. "Es ist nicht seine Schuld", verteidigte Kagome ihren Freund. Mafuyus Worte überraschten sie etwas. Inuyasha hatte nie durchblicken lassen, dass sie sich scheinbar so nahe standen. "Ich habe ihn darum gebeten, es für sich zu behalten. Den anderen haben wir es auch nicht gesagt, sie sind nur dummerweise dahinter gekommen." "Verstehe." Es hatte langsam angefangen zu regnen. Auf dem Dach der Scheune begann es immer lauter zu prasseln und zu plätschern. Mafuyu tätschelte ihr Pferd und verließ schließlich die Box. Sie legte von außen den Riegel der Tür um. "Kaoru, zieh nicht so ein besorgtes Gesicht, ich werde es niemandem erzählen." "Nicht?" "Nein! Es geht schließlich um eure Privatsphäre. Ihr entscheidet, wann ihr das öffentlich machen wollt. Wer wäre ich denn?", rief sie empört. "Danke, Mafuyu", sagte Kagome mit hörbarer Erleichterung in ihrer Stimme. "Und es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin. Ich war nur so überrascht. Ich habe Inuyasha in der Bibliothek nach hinten gehen sehen und ich bin ihm nach, um ihn zu begrüßen. Ich hatte nicht erwartet, euch beide beim rumknutschen zu sehen. Verstehe mich nicht falsch, ich habe kein Problem mit Homosexualität-" "Eh?" "Ich hätte nur nicht gedacht, dass Inuyasha zum anderen Ufer gehört. Dass er schwul ist, wäre mir nie in den Sinn gekommen." Kagome starrte sie mit großen, ungläubigen Augen an, als ihr schmerzlich bewusst wurde, was Mafuyu dachte zu wissen. Unwillkürlich zupfte sie etwas an ihrer Perücke herum. Natürlich. Sie hatte nur gesehen, wie sich zwei Jungs hinter einem staubigen Bücherregal geküsst haben. Sie war beinahe mit Inuyasha zusammengestoßen, als sie die Tür zum Apartment geöffnet hatte. "Sie war nicht bei der Schulleitung und auch nicht in ihrem Zimmer-", sagte er schnell und Kagome legte ihre Hände an seine Brust, um ihn zu beruhigen. Sie war völlig durchnässt und zitterte vor Kälte. "Deine erste Vermutung war richtig, sie war im Stall. Ich habe mit ihr geredet." Erleichtert und erschöpft ließ er sich mit ihr auf die Couch fallen. Er nahm ihre Hände und streichelte sie fest, versuchte sie etwas aufzuwärmen. "Und? Wie ist es gelaufen?" "Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht", antwortete Kagome und rutschte näher an ihn heran. "Die gute Nachricht ist: Mafuyu weiß noch immer nicht, dass ich ein Mädchen bin." "Sie-", setzte Inuyasha an und hob überrascht die Augenbrauen. "-weiß es nicht?" "Nein." "Dann-", grübelte er. "Die schlechte Nachricht ist-" "Sie glaubt wir sind schwul!" "Sie glaubt wir sind schwul", bestätigte Kagome nickend. "Na, toll", seufzte er und legte den Kopf in den Nacken. "Der neueste Campus-Klatsch." "Sie wird die Einzige sein, die das denkt. Sie sagt, sie behält es für sich, weil sie unsere Privatsphäre respektiert- das klang sehr vernünftig." Inuyasha verzog unglücklich das Gesicht. Er war alles andere als zufrieden mit der Situation, das konnte man ihm deutlich an der Nasenspitze ansehen. "Ich habe mich besser damit gefühlt, ihr etwas zu verheimlichen, anstatt sie direkt anzulügen", murmelte er. "Es ist nicht optimal, aber so sehen wir erst mal wie es läuft, ob sie wirklich den Mund halten kann. Und dann können wir ihr immer noch alles sagen. Es ist eine vorübergehende Notlüge. Eine kleine Unwahrheit." "Also gut", stimmte Inuyasha ihr widerwillig zu. "Du bist dabei?" "Ja, das ist besser als das Unterwäsche-Ding, damit komm ich klar." "Danke!" "Aber ich werde nicht anfangen komisch zu reden!" "Nein-" "Ich werde nicht so tun, als interessiere ich mich für Mode!" "Natürlich nicht, das ist ja das Gute, du brauchst dich gar nicht zu ändern." "Ich rasiere mir nicht die Beine und trage keine Handtasche!", machte er deutlich und Kagome betrachtete ihn nachdenklich. "Du hast ein sehr klischeebehaftetes Bild von Homosexuellen. Daran solltest du arbeiten." Die Apartmenttür öffnete sich und Ray trat in den Raum. Er schleppte drei schwere Rucksäcke und ließ sie mit einem angestrengten Seufzen von der Schulter rutschen. Vorwurfsvoll schaute er auf Inuyasha und Kagome herab. "Wenn ihr euch noch einmal zu einem Stelldichein davon schleicht, vergesst eure Taschen nicht!", sagte er. Kapitel 41: Trubel ------------------ Langsamer als gewollt, zieht Inuyasha seinen Koffer über den weißen Kiesweg auf dem Zentralhof. Viele Schüler genießen draußen das sonnige Herbstwetter. Die tiefstehende Sonne lässt den gesamten Platz in einem orangegoldenen Schimmer erstrahlen. Er bemerkt hier und da einige überraschte Blicke und versucht diese zu ignorieren, macht bereits Pläne für die nächsten Tage. Er hat vieles aufzuholen. Nach dem Unfall, ist er entschlossener als zuvor, einen akzeptablen Schulabschluss zu machen. Und dafür müssen bessere Noten her. Er hat es ihr schließlich versprochen. Und nun ist es das Einzige, was er für sie noch tun kann. Leise vor sich hin fluchend, stoppt er mitten auf dem Weg, stellt den Koffer hin und wechselt den Arm, mit dem er ihn hinter sich herzieht. Es ärgert ihn, dass ihn die Belastung noch immer schmerzt. Aber er hat es gleich geschafft. Er kann schon den Eingang des Wohnheims sehen. Und zwei bekannte Gesichter, die gemeinsam auf einer Bank sitzen und miteinander rumscherzen. Sam reißt die Augen auf, als sie ihn bemerkt und schlägt mit dem Handrücken gegen Ray's Schulter. Beide stehen auf und laufen ihm die letzten Meter entgegen. "Hey, Ray", beginnt Sam staunend und verzieht die Augenbrauen, während sie auf ihn deutet. "Ist- ist das etwa Inuyasha?" "Ich glaube, ja", antwortet Ray ihr in dem gleichen übertriebenen Ton. "Er sieht ihm zumindest sehr ähnlich. Aber ich erinnere mich nicht mehr genau." "Warte, du gehst noch hier zur Schule?", fragt Sam wieder. Inuyasha seufzt, kann aber ein leichtes Schmunzeln trotz Erschöpfung nicht unterdrücken. "Sehr witzig. Ihr zwei solltet euch als Komiker versuchen." "Wir versuchen nur dich aufzuheitern", sagt Sam. Inuyasha will gerade etwas erwidern, da schlingt sie sich um seine Arme und er zuckt überrascht zusammen. Er wirft Ray einen fragenden Blick zu. Dieses sentimentale Verhalten kennt er von seiner Kindheitsfreundin überhaupt nicht. Sie umarmt ihn noch etwas fester und er zieht schmerzerfüllt die Luft durch die Zähne. Sofort lässt sie von ihm ab, und starrt ihn entschuldigend an. "Wir haben dich vermisst", erklärt Ray und nimmt ihm seinen Koffer ab, nachdem auch er bemerkt hat, dass Inuyasha offensichtlich noch nicht ganz wiederhergestellt ist. "Sam ganz besonders. Ständig hat sie mir heulend in den Ohren gelegen." Sie verzieht verärgert das Gesicht und boxt fest gegen seine Schulter. "Ich habe überhaupt nicht geheult!", stellt sie klar und fügt dann kleinlaut hinzu: "Nur einmal- ein bisschen." "Ich habe euch auch vermisst. Das alles hier. Ehrlich- ich konnte es nicht erwarten wieder hier zu sein." "Bist du okay?", fragt Sam ihn plötzlich sehr ernst. Und damit meint sie nicht seinen gesundheitlichen Zustand. Inuyasha zögert kurz und schluckt schwer, bevor er antwortet: "Ich werde nicht lügen. Die letzten Wochen waren hart. Eigentlich ist der einzige Grund, weshalb ich hier bin, meine neue Therapeutin, die meine Mutter dazu überreden konnte." "Therapeutin?", fragen beide gleichzeitig. Inuyasha nickt resigniert, folgt den beiden durch das Eingangsfoyer des Wohnheims und die Stufen hinauf. Er bringt seine Freunde auf den neuesten Stand. Teilt ihnen die schlechten Nachrichten über Kikyo mit, beschwert sich über seine Eltern, besonders über seinen Vater, erzählt ihnen wie er im Wutrausch sein gesamtes Büro mit einem Golfschläger zerlegt hatte, wobei er sogar etwas stolz klingt. Und wie ihn seine Mutter daraufhin zu einer Therapie verdonnert hatte. "Und jetzt muss ich in den nächsten drei Monaten jeden Dienstag- und Donnerstagabend mit Dr. Ruby telefonieren und ihr alles berichten. Das war die Bedingung, aber immerhin bin ich endlich von Zuhause weg. Ich will einfach weitermachen und bin dankbar für jedes Stück Normalität", schließt Inuyasha seinen Bericht. Mittlerweile sitzen sie im Apartment auf den Sofas. "Ich weiß, du bist kein Fan davon", sagt Ray und schaut ihn dabei eindringlich an. "Aber so wie du es erzählst, scheint diese Therapeutin zu wissen, wovon sie redet. Tu uns den Gefallen und nimm das Ernst. Vielleicht kann sie dir wirklich helfen." "Hmpf", grummelt Inuyasha und kneift die Lippen zusammen. "Du klingst wie meine Mutter." Mit einem lauten Poltern öffnet sich die Apartmenttür und ihr Mitbewohner Yori betritt den Raum. Sein Blick fällt sofort auf Inuyasha. "Hey, Kumpel! Schön dich mal wieder zu sehen", grinst er, geht auf ihn zu und hält ihm die Faust zur Begrüßung hin. Inuyasha erwidert den Gruß, aber bevor er antworten kann, erzählt Yori weiter: "Ich habe echt die wildesten Gerüchte über dich gehört. Ich komm mir blöd vor, dich das zu fragen. Es ist so lächerlich, aber- hast du Kikyo getötet?" Inuyasha wird kreidebleich und starrt ihn schockiert an. Ray und Sam wirken ebenfalls ziemlich erschrocken. Yoris Grinsen weicht einem Anflug von Entsetzen in den Augen, als er realisiert, dass die Stimmung todernst ist. "Wer erzählt sowas?", fragt Ray. "Pffft, einfach jeder", murmelt Yori. "Einige behaupten Inuyasha hätte sie umgebracht, weil sie so eine Streberin war und ihm damit auf die Nerven ging. Die meisten anderen sagen, dass ihr einen Autounfall hattet und sie dabei verunglückt ist. Aber alles läuft auf dasselbe hinaus: Kikyo ist tot und es soll Inuyashas Schuld sein." Inuyasha sackt kraftlos in sich zusammen und legt seinen Kopf in die Hände. Das ist ein absoluter Alptraum. Er spürt wie Sam sich neben ihn setzt und ihre Hand auf seine Schulter legt. "Um dich korrekt aufzuklären", sagt Ray und setzt sich ebenfalls neben Inuyasha, auf die andere Seite. "Kikyo ist nicht tot. Es stimmt, dass sie einen Autounfall hatten und Kikyo liegt im Koma. Inuyasha hat das Quartal gefehlt, weil er sich von seinen eigenen Verletzungen erholen musste." "Oh, Scheiße", stammelt Yori, wirft seinen Rucksack in die Ecke und setzt sich auf das andere Sofa. "Inuyasha, das tut mir echt leid." "Dass diese Gerüchte verbreitet wurden, ist eine ziemliche Katastrophe", meint Sam, wirft Ray einen besorgten Blick zu und deutete dabei auf Inuyasha. Er nickt. "Ich verstehe nur nicht, wie es dazu kommen konnte. Die Einzigen die hier von der Sache wussten, war natürlich die Schulleitung, Ich und Sam. Ich habe definitiv niemandem davon erzählt." "Ich schwöre es", sagt Samantha und hebt beide Hände. "Ich auch nicht. Sowas plaudert man ja nicht nebenbei beim Mittagessen aus." Inuyasha richtet sich auf und starrt mit weit aufgerissenen Augen ins Leere. "Mafuyu", murmelt er leise. "Was?", fragen Ray und Sam beinahe gleichzeitig. Inuyasha stößt langsam die Luft aus und schließt entsetzt die Augen. "Mafuyu hat mich vor ein paar Wochen angerufen, weil sie sich Sorgen machte. Da habe ich es ihr erzählt", erklärt Inuyasha und kann es selbst nicht fassen. Wie aufs Stichwort, vibriert sein Handy in der Hosentasche. Er zieht es heraus und sieht Mafuyus Namen auf dem Display. "Ja?" "Inuyasha", hört er ihre Stimme durch den Lautsprecher. Sie klingt gestresst. "Ich habe gehört, dass du wieder da bist. Wenn du Zeit hast, können wir dann miteinander sprechen? Bitte?" "Wo bist du?" Sein Kiefer verkrampft sich und er biss die Zähne zusammen. "Ich bin gerade auf dem Zentralhof auf dem Weg ins Schulgebäude." "Wir treffen uns dort", sagt er kalt und legt auf, ohne ihre Antwort abzuwarten. Er steht sofort auf. Die anderen drei tauschen Blicke aus und entscheiden sich wortlos dazu, ihn zu begleiten. Mit schnellen Schritten läuft er den Kieselweg wieder entlang, zurück zum Hauptgebäude. Die anderen versuchen mit ihm Schritt zu halten. Er überspringt je zwei Stufen, als Inuyasha zum Eingang hinauf hechtet und drückt die große knarzende Tür auf. Er sieht Mafuyu sofort und läuft geradewegs auf sie zu, will sie zur Rede stellen. Sie steht mitten in der Halle, gemeinsam mit vielen anderen Schülern, die wild umhertuscheln. Das Raunen hallt von den hohen Mauern und wird noch lauter, als er bemerkt wird. Mafuyu sieht erschrocken an ihm vorbei, sie ist ganz blass und ihr Mund steht offen. Inuyasha runzelt verwirrt die Stirn und folgt ihrem Blick, dreht sich um und erstarrt. Neben dem Eingang tropft frische rote Farbe, in langen blutähnlichen Fäden, von der Wand. In unsauberem schwarzweiß, kopierte Papiere kleben dort eng beieinander, ergeben in einer undeutlichen Collage ein riesiges Portrait von Kikyo. Groß und breit, unmöglich zu übersehen wurde mit leuchtend roter Farbe das Wort MÖRDER über das Bild gemalt. Inuyashas Kehle schnürt sich zu und ein bitterer Geschmack breitet sich in seiner Mundhöhle aus. Ray und Sam stehen neben ihm und starren genauso entsetzt auf das grässliche Kunstwerk. Yori plustert seine Backen auf und lässt die Luft langsam entweichen. "Na, da hat sich ja jemand Mühe gegeben", murmelt er leise. Immer mehr Schüler sammeln sich in der Halle, verschmelzen zu einer einzigen großen Menschentraube. Einige machen Fotos mit ihren Handys, andere kichern bösartig. "Das ist echt das Letzte! Wer war das?", ruft Samantha plötzlich wütend durch die Halle. Sie greift einen älteren Mitschüler fest am Kragen und ballt die Faust. "Wer war das, huh? Sag schon!" Ray greift ein und hält sie davon ab wahllos um sich zu schlagen. "Lass es, das bringt doch nichts", sagt er leise und wendet sich dann Inuyasha zu. Greift seine Schultern und übt sanft, aber bestimmt etwas Druck aus, damit er ein Bein vor das andere setzt. "Komm, lass uns gehen." Er schiebt ihn durch die Tür, durch die sie gekommen waren, wieder hinaus. Draußen ist Inuyasha endlich wieder in der Lage zu denken und schnappt leicht panisch nach frischer Luft. Er schiebt Rays Hände grob von sich und bringt mit schnellen Schritten Abstand zwischen sich und seine Freunde, die ihm alle gefolgt sind. Berührung kann er in diesem Moment nicht ertragen. Mafuyu stolpert die Stufen hinunter und schiebt sich zwischen Yori und Sam hindurch, bleibt schwer atmend vor Inuyasha stehen. "Geht es dir gut?", fragt sie besorgt. Er dreht sich zu ihr um und starrt sie fassungslos an. "Ob es mir gut geht? Ich weiß nicht, Mafuyu, wie würde es dir denn gehen? Wenn du erfahren würdest, dass ich, das Schlimmste was dir je passiert ist, einfach ausplaudern würde!" "Ich habe es nicht einfach ausgeplaudert", verteidigt sie sich kleinlaut und spricht noch leiser, als sie fortfährt: "Zwei Mädchen aus der Parallelklasse haben mich ausgefragt. Sie sagten sie machen sich Sorgen um Kikyo und haben nicht locker gelassen. Irgendwann ist es mir rausgerutscht." "Rausge- Rausgerutscht?!", ruft er entsetzt aus, ballt und hebt eine Faust, kneift die Lippen fest zusammen und dreht sich schnell wieder weg, bevor er etwas tun würde, was er später bereut. Er läuft zügig weiter und bleibt nicht mehr stehen, bis er im Wohnheim ankommt. Überall, von allen Seiten, starren ihn Augen an, beobachten jede seiner Bewegungen. Er erträgt es nicht. Die Schuld, die Scham- sie fressen ihn von innen heraus auf. Es sollte doch eigentlich alles wieder normal werden. Jetzt ist es schlimmer als zuvor. Im Wohnbereich des Apartments geht er auf und ab, fährt sich immer wieder durch die Haare und flucht unverständlich vor sich hin. Nervosität durchzuckt seinen gesamten Körper und es fällt ihm schwer sich zu beruhigen. Er hat das dringende Bedürfnis auf etwas einzuschlagen. Die anderen wagen es nicht, etwas zu sagen. Die Stimmung ist extrem bedrückend. Mafuyu schluckt ihre Angst herunter und versucht sich weiter zu erklären: "Ich sagte ihnen, dass sie es nicht weitererzählen sollen. Ich konnte doch nicht wissen, dass ein paar Tage später die gesamte Schule darüber spricht-" "Du hättest es wissen müssen", unterbricht er sie laut. "Gerade du, weißt wie beschissen Menschen sein können. Und gerade du, weißt wie schnell sie dein Vertrauen missbrauchen und darauf gieren Macht auf dich auszuüben, sobald sie die Chance dazu erhalten. Gerade du, solltest das doch endlich verstanden haben! Nach allem was passiert ist." "Es tut mir so leid", flüstert sie mit zitternder Unterlippe. "Ich will deine Entschuldigung nicht", zischt er und setzt sich auf die Kante vom Sofa. Er gräbt seine Finger tief ins Leder und fixiert einen Flusen auf dem Teppich. "Ich will, dass du verschwindest und mich in Ruhe lässt." "Können wir das bitte klären? Ich habe Angst, dass wir keine Freunde mehr-" "Geh mir aus den Augen Mafuyu, bevor ich mich vergesse", knurrt Inuyasha bedrohlich. Yori und Sam weichen gleichzeitig instinktiv einen Schritt zurück. So wütend hat ihn bisher noch keiner erlebt. Nicht einmal er selbst. Ray starrt ihn besorgt und vorsichtig an. Mafuyu versucht die aufsteigenden Tränen hinunter zu schlucken und blickt sich hilfesuchend im Raum um. "Inuyasha, bitte lass mich-" Er schlägt mit beiden Fäusten auf den Tisch, als er ruckartig aufsteht und sie aus tiefster Kehle anschreit:" Zieh Leine!" Mafuyu zuckt erschrocken zusammen und verlässt dann fluchtartig den Raum. Es herrscht absolute Stille im Zimmer, nicht einmal Yori wagt es sich, in diesem Moment einen Spruch zu bringen. Inuyasha hat das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, sein Blut kocht vor Wut und er will einfach niemanden mehr sehen. Er stapft an den anderen vorbei in sein Zimmer und knallt die Tür so fest zu, dass das gesamte Apartment kurz vibriert. "Inuyasha?" Er blinzelte und schaute sich kurz orientierungslos um. Kagome und Ray sahen ihn beide besorgt an. Während sie ihn darüber aufgeklärt hatte, was in der Bibliothek vorgefallen war, hatte er sich tief in seinen Gedanken verloren. "Inuyasha, das wird langsam etwas unangenehm", sagte sie und deutete auf ihre Hände. Er hielt ihre eisigen Finger umklammert und hatte immer fester zugedrückt. Sofort ließ er locker und streichelte entschuldigend mit den Daumen über ihre Handrücken. "Habe ich dir wehgetan?" "Nein", beruhigte sie ihn. "Aber du warst gerade ganz weit weg, was?" Er warf Ray einen vielsagenden Blick zu und dieser nickte leicht. Ray wusste genau, worüber Inuyasha nachgedacht hatte. "Sagen wir es so: Ich habe meine Gründe, Mafuyu nichts von deinem Geheimnis erzählen zu wollen." "Ist mal etwas vorgefallen?" Inuyasha nahm einen tiefen Atemzug. Er war gerade zu aufgewühlt, um darüber zu sprechen, darum antwortete er nur: "Erzähle ich dir ein anderes Mal, okay?" "Hm, okay", murmelte sie mit einem Hauch von Enttäuschung in der Stimme. Er blickte demonstrativ an ihr herab. "Du solltest jetzt wirklich aus diesen nassen Klamotten raus. Du erkältest dich noch." Ihr war in den letzten Minuten regelmäßig ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen, der sie jedes Mal kurz erzittern ließ. "Ja, du hast recht", stimmte sie zu und warf einen ganz kurzen Seitenblick zu Ray, bevor sie Inuyasha eindringlich in die Augen schaute. "Und ich denke, nach dem ganzen Trubel, brauchen wir etwas Zeit für uns." Sie war es nun, die seine Hände sanft umschloss und sie kurz drückte. Er zog ganz leicht die Augenbrauen zusammen und brauchte einen Moment, um ihre Zeichen zu deuten. "Na, die eine Sache-", startete sie einen neuen Versuch. "Wir wurden bei unserem- Gespräch unterbrochen." Seine Augen weiteten sich etwas und er begann langsam zu nicken. "Stimmt. Das Gespräch sollten wir unbedingt fortsetzen." Und auch Ray hatte die Andeutung verstanden, denn er hob die Augenbrauen und schnalzte mit der Zunge, während er eilig aufstand. "Gut, das ist mein Stichwort", murmelte er. "Ich gehe dann mal-" Inuyasha und Kagome starrten ertappt zu ihm hinauf und er räusperte sich. "-irgendwo anders hin." Nach einem kurzen Hin und Her, entschied er sich einfach in sein Zimmer zu gehen. Er schloss die Tür besonders vorsichtig und leise hinter sich. "Das war ja mal subtil", schmunzelte Inuyasha. Kagome lachte leise auf und befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. Zögernd ließ sie seine Hände los und gemeinsam standen sie auf. "Ich gehe dann kurz ins Bad und ziehe das aus." Sie deutete auf ihre regennasse Kleidung und entfernte sich ein paar Schritte. Sie blieb abrupt stehen, drehte sich schnell wieder um und fügte noch hinzu: "Und ich ziehe mir etwas Trockenes wieder an- natürlich!" "Natürlich", bestätigte Inuyasha und beobachtete amüsiert ihr verlegenes Lächeln, schaute ihr nach, bis sie hinter der Badezimmertür verschwunden war. Er wollte gerade ins Zimmer gehen, da klopfte es an die Apartmenttür. Er seufzte unzufrieden. Was war jetzt? Er öffnete die Tür und Mafuyu stand vor ihm, schaute ihn mit großen, traurigen Augen an. "Tut mir leid", murmelte sie. "Ich habe mit Kaoru alles geklärt, aber ich wollte trotzdem kurz mit dir sprechen- wenn es okay ist." "Komm rein", sagte Inuyasha nur und hielt ihr die Tür auf. Sie blieben im Eingang stehen und Mafuyu kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. "Worüber möchtest du sprechen?", fragte er sie, nachdem sie keine Anstalten machte, das Gespräch zu beginnen. "Ich habe wieder einen bekommen" Sie schaute bedrückt auf den Fußboden. "Das war der Grund, warum ich dir in der Bibliothek gefolgt bin. Ich wollte mit dir darüber reden." "Verstehe", sagte Inuyasha ruhig. "Möchtest du ihn heute noch aufmachen?" "Nein, ich habe ihn erst einmal ganz hinten in einer Schublade versteckt", schüttelte sie schnell den Kopf. "Vielleicht machen wir es in ein paar Tagen. Oder nächste Woche. Oder-" "Gib mir einfach Bescheid, wenn du soweit bist und ich bin da, okay?" Sie lächelte ihn dankbar an. "Ich verstehe es", sagte sie plötzlich und er schaute sie fragend an. "Dass du es mir nicht sagen wolltest- das mit Kaoru. Es tut mir wirklich leid, was alles passiert ist." "Ich weiß", seufzte er. Er war damals wochenlang wütend auf sie gewesen und die Geschichte hatte noch einige Dinge losgetreten, auf die er hätte verzichten können. Nur ihre Hartnäckigkeit und ehrliche Reue, hatten ihn letztendlich dazu bewegt, ihr zu verzeihen und die Sache weitestgehend zu vergessen. "Wir haben das doch schon lange geklärt, es ist alles gut zwischen uns." "Aber du vertraust mir nicht", stellte sie fest. "Und das ist in Ordnung. Ich möchte nur, dass du weißt: Ich habe daraus gelernt und ich möchte mir dein Vertrauen unbedingt verdienen. Ich kann dir alles anvertrauen und du warst immer für mich da, wenn ich jemanden gebraucht habe. So möchte ich auch für dich da sein." "Das-" Er zögerte kurz. "- wird die Zeit zeigen." Sie nickte entschlossen. "Ich werde es dir beweisen." "Okay." "Kann ich dich umarmen?" "Brauchst du eine Umarmung?" Sie kniff die Lippen zusammen und ihre Augen wurden etwas glasig. Sie nickte nur und stolperte auf ihn zu, als er die Arme für sie öffnete. Sie drückte sich fest an ihn und er tätschelte ihr aufmunternd den Rücken. "Du fängst jetzt aber nicht an zu heulen, oder?" "Natürlich nicht", kicherte sie und schniefte möglichst unauffällig. "Ich weiß ja, dass du damit nicht umgehen kannst." Kagome hatte sich eilig aus der Jeans gezwängt und sich den Pullover über den Kopf gezogen. Selbst das Hemd, dass sie darunter getragen hatte, war stellenweise feucht geworden. Sie wickelte die Bandagen über ihrer Oberweite ab und wusch sich das Gesicht. Dann warf sie einen prüfenden Blick in den Spiegel, begutachtete ihren gesamten Körper. Ihre Haare waren kräuselig und zerzaust, schnell kämmte sie sie durch. Sie zog sich ein langes Shirt an, dass ihr als Nachthemd diente und atmete kurz durch. Sie war nervös, aber auch auf eine seltsam positive Art aufgeregt. Sie öffnete die Badezimmertür und war eigentlich schon draußen, sprang dann aber schnell wieder zurück, lehnte die Tür an und linste vorsichtig durch den Spalt. Warum war Mafuyu plötzlich hier? Und warum sah sie dabei zu, wie ihr Freund sie umarmte? Sie spürte die Eifersucht in sich aufsteigen. Da Mafuyu mit dem Rücken zu ihr stand, schlüpfte sie aus dem Bad und ging sofort durch die Tür daneben in ihr Zimmer. Inuyasha bemerkte den seltsamen Blick, den sie ihnen dabei zuwarf und hatte sofort eine böse Vorahnung. Er verabschiedete Mafuyu kurz darauf und folgte Kagome ins Schlafzimmer. Sie saß zusammengekauert auf ihrer Bettkante, die Beine eng an sich herangezogen und das Nachthemd auf Spannung über ihren gesamten Körper gezogen. Ihr Kinn hatte sie auf ihren Knien abgelegt. Betrübt starrte sie auf den Fußboden. "Alles okay?", fragte er leise und ging direkt auf sie zu, setzte sich gegenüber von ihr auf sein Bett. "Hm, bin mir nicht sicher", murmelte sie und sah ihm in die Augen. "Es hat mich etwas überrascht, dich und Mafuyu in inniger Umarmung zu sehen." "Okay, also zuerst einmal war es keine innige Umarmung", verteidigte er sich vor dem unausgesprochenen Vorwurf. "Mafuyu braucht von Zeit zu Zeit etwas Zuwendung, in diesem Fall eine Umarmung, das hat aber nichts weiter zu bedeuten." "Und die muss unbedingt von dir sein?", fragte sie trotzig und bereute es sofort. Sie merkte, dass sie Inuyasha damit auf die Palme brachte. Er seufzte genervt und erwiderte: "Da sie bei jedem anderen Menschen Berührungsängste hat - Ja, schon." Die Antwort überraschte Kagome und sie hob ihren Kopf. Es war ihr vorher nie aufgefallen, aber es stimmte, jetzt wo sie darüber nachdachte. Mafuyu hatte Körperkontakt stets nur bei Inuyasha gesucht und hielt zu allen anderen immer Abstand. "Warum bist du die Ausnahme?", fragte sie neugierig. "Aus Gründen." Jetzt war es Inuyasha der trotzig reagierte. "Ich wollte dich nicht anblaffen, okay?", sagte sie entschuldigend. "Ich hatte einfach nicht damit gerechnet und möchte nur die Dynamik zwischen euch beiden besser verstehen. Das beschäftigt mich schon länger. Es muss doch einen plausiblen Grund dafür geben, dass sie so auf dich fixiert ist." "Das kann ich dir nicht sagen." Sie runzelte verständnislos die Stirn und er fuhr fort: "Ich habe dir schon einmal erklärt, dass ich an Mafuyu nicht das geringste romantische Interesse habe. Es gibt also keinen Grund für dich, eifersüchtig zu sein." Von ihrer Seite schien das Interesse dafür umso größer, dachte Kagome. "Ich wäre nicht eifersüchtig, wenn ich wüsste, was da zwischen euch abgeht!", zischte sie verärgert. "Das kann ich dir nicht sagen!", verdeutlichte er noch einmal und sie verzog ihre Lippen zu einem Schmollmund. Er seufzte wieder und sah ihr fest in die Augen. "Kagome, vertraust du mir?" "Ja, natürlich", antwortete sie ohne zu zögern. "Warum diskutieren wir dann darüber? Ich bin dieses Thema so leid." Er wandte seinen Blick von ihr ab und kniff die Lippen zusammen. Mit diesen Worten hatte er sich verraten und es selbst sofort bemerkt. Sie sprachen zum ersten Mal über Mafuyu. Dass Inuyasha direkt so gereizt reagierte, deutete darauf hin, dass er schon mit Kikyo ein ähnliches Gespräch geführt hatte. Kagome schluckte das undefinierbare Gefühl, welches in ihr aufkeimte, schnell herunter. Sie schwiegen sich beide für einen kurzen Moment an. Sie dachte angestrengt darüber nach, wie sich diese Situation wieder entspannen könnte. Sie wollte nicht mit ihm streiten. Er kam ihr zuvor. Er rutschte bis zur äußersten Kante seines Bettes näher an sie heran und beugte sich nach vorne. Sie tat es ihm gleich- setzte sich aufrecht hin, sodass ihre nackten Beine unter dem Shirt zum Vorschein kamen und ihre Füße den Teppich berührten. Er hielt ihr versöhnlich seine Hände entgegen und sie griff sofort nach ihnen. Legte ihre noch immer kalten, steifen Finger in seine und genoss die warme, weiche Haut die sie umschloss und streichelte. "Du bist nicht die Einzige die Geheimnisse hat, Kagome", erklärte er leise. "In Mafuyus Fall, bin ich auf eine gewisse Art verwickelt. Und ich fühle mich zum Teil für ihr Wohlbefinden verantwortlich. Aber mehr kann ich dir wirklich nicht sagen." Er machte eine kurze Pause. "Kommst du damit zurecht?" Sie spürte die Ehrlichkeit seiner Worte und fühlte sich seltsam beruhigt. Ihre Zweifel waren wie weggeblasen und sie lächelte ihn besänftigt an. Sie schauten sich in die Augen und schwiegen wieder. Aber jetzt war es anders. Das Knistern war zurück und die Spannung zwischen ihnen beinahe greifbar. "Wo habt ihr die ganze Zeit gesteckt?", fragte eine vorwurfsvolle Stimme hinter ihnen. Sie ließen reflexartig voneinander ab und schauten erschrocken zur Tür rüber. Yori stand im Rahmen und starrte sie beide mit großen, entsetzten Augen an. Inuyasha ließ resigniert die Schultern hängen. Er hatte vergessen die Tür zu schließen. Er konnte sich nicht einmal darüber aufregen, er war ja selber Schuld. "Ich habe eine schwere Lebenskrise, und ihr seid was? Inuyasha, sei nicht so egoistisch und hilf mir!" "Was ist dein Prob-?" "Mitbewohnermeeting, sofort!", quietschte er hysterisch und ging zurück ins Wohnzimmer. Inuyasha und Kagome warfen sich einen verwirrten Blick zu und standen auf, um ihm zu folgen. Ray hatte er wohl genauso überfallen, er hob fragend die Schultern, als sie sich schließlich alle mitten im Wohnzimmer versammelt hatten. "Was ist denn los?", fragte er seinen Zimmergenossen. "Wir müssen den Kram rausholen", antwortete Yori dramatisch und zeigte auf den Schrank in der Ecke. Inuyasha wechselte einen unzufriedenen Blick mit Ray und sie murmelten beinahe gleichzeitig: "Nicht schon wieder." "Doch, schon wieder!" "Was?", fragte Kagome. "Was ist in dem Schrank?" "Das Grauen", fluchte Inuyasha und rümpfte die Nase. "Weißt du noch, wie ich dir erzählt habe, dass meine Mutter unser Apartment eingerichtet hat?", fragte Yori sie. "Äh, ja, die Innenarchitektin", erinnerte sie sich. "Richtig", bestätigte Yori und erklärte weiter: "Nun, zu dieser geschmackvollen und schlichten Einrichtung die du hier siehst, gehörte noch eine Sammlung diverser Dekorationsartikel-" "Schund", warf Inuyasha ein. "Wir finden nur, dass die Deko unseren Persönlichkeiten nicht so richtig entspricht." "Wir finden sie kitschig." "Im Rahmen eines Mitbewohnergremiums, kamen wir einstimmig zu dem Ergebnis, dass wir sie nicht länger als nötig in unserem Blickfeld behalten wollten." "Wir haben das Zeug weggeräumt, sobald seine Mutter die Tür raus war", übersetzte Inuyasha. "Bei ihrem nächsten Besuch, war sie stinksauer, weil das Zeug nicht an seinem Platz stand, schließlich waren sie Teil des Gesamtkonzepts. Zur Strafe bekam ich ein halbes Jahr kein Geld von ihr. Es war furchtbar, und- Kagome, du hast echt krass schöne Beine!", unterbrach er sich selbst und musterte sie abgelenkt. "Ähm, danke?", murmelte sie und zog peinlich berührt ihr Shirt etwas herunter. "Und du hast echt krass das Thema gewechselt", knurrte Inuyasha warnend. "Nun, also-", stammelte Yori und sortierte kurz seine Gedanken. "Stellt euch mal nicht so an, okay? Wie wäre es im Gegenzug mit ein bisschen Dankbarkeit? Bevor ich hier eingezogen bin und sie ihren Zauber gewirkt hat, standen hier nur zwei Sitzsäcke mitten im Raum herum." "Hey!", rief Inuyasha empört. "Wir haben diese Sitzsäcke geliebt und wir werden deinem Kontrollfreak von Mutter niemals verzeihen, dass sie die einfach weggeworfen hat!" "Das hat eine tiefe Narbe in unseren Herzen hinterlassen", bestätigte Ray traurig. "Wie dem auch sei, wir müssen alles wieder herrichten, bevor ihr Flieger landet." "Sie ist noch gar nicht im Land?", fragte Ray ungläubig. "Steht es überhaupt fest, dass sie hier auftaucht?" Inuyasha riss den Mund auf. "Was zur Hölle, soll dann dieser Stress?" "Oh, kommt schon! Ihr wisst genauso gut wie ich, dass sie wieder ihren Überraschungsbesuch machen wird." Er deutete mit den Fingern die Anführungsstriche an. "Ich will es nicht dem Zufall überlassen. Sie hat auch so schon genug an mir rumzumäkeln. Das Apartment soll dieses Mal auf keinen Fall dazugehören." "Eigentlich klingt das so, als wäre es nur dein Problem- Nicht unseres", bemerkte Inuyasha stirnrunzelnd. Yori stemmte die Hände in die Hüften. "Ach, und von wem werde ich mir Geld leihen müssen, wenn sie mir den Hahn zudreht?" "Von uns", sagten Ray und Inuyasha wieder gleichzeitig und sahen dabei ziemlich gequält aus. Kagome musste mit Schrecken feststellen, dass Yori die beiden wohl schon vor langer Zeit gebrochen hatte. "Also, fangen wir an?" "Heute noch?", fragte sie schockiert. "Ich meine, es ist doch schon recht spät." Und sie hatte sich vom restlichen Abend, eigentlich was anderes erhofft. "Wir passen!", sagte Inuyasha bestimmt. Yori wollte gerade protestieren, als Ray sich schnell einmischte: "Das klingt so, als hätten wir morgen nach der Schule auch noch genug Zeit dafür, meinst du nicht?" "Na ja-" "Und außerdem-", fuhr Ray fort und schien kurz zu überlegen. "-bevor du hereingeplatzt bist, musste ich an unsere Billardwette denken und ich fordere hiermit meine Revanche ein!" "Jetzt?", fragte Yori zwei Oktaven höher als gewöhnlich. "Klar, du bist total nervös. Ich kann mir keine bessere Gelegenheit vorstellen." "Du denkst also, nur weil ich etwas aufgewühlt bin, hättest du plötzlich eine Chance gegen mich?" Yori schluckte den Köder und war sofort heiß auf die Herausforderung. "Du wirst dich noch wundern, Carson!" "Kann es kaum erwarten." Er folgte Yori zur Wohnungstür und sie schlüpften in ihre Schuhe. Ray warf noch einen wissenden Blick auf die anderen beiden und sah wie Inuyasha stumm das Wort Danke mit seinen Lippen formte, bevor er die Tür hinter sich zu zog. Und von einem Moment zum Nächsten herrschte wieder Ruhe. Der Regen hatte noch immer nicht nachgelassen und prasselte rhythmisch gegen die Fensterscheiben. "Was für ein Tag, hm?", hauchte Kagome und lächelte ihn schüchtern an, als er sich zu ihr umdrehte. "Was für ein Tag", wiederholte er und senkte seinen Blick, als er ihre Hand spürte. Vorsichtig zog sie an seinem Arm und er folgte ihr langsam zurück ins gemeinsame Zimmer. Er drückte die Tür hinter ihnen zu und schloss ab. Kapitel 42: Zusammen -------------------- Voll Ernsthaftigkeit hielt er den Augenkontakt aufrecht, als er sie zum wiederholten Male hinunterdrückte. Sie blinzelte nervös und verzog die Augenbrauen zu einem eingeschüchterten Stirnrunzeln. Sein Mund formte einen schmalen Strich, während er die Lippen zusammenkniff. Vor Anstrengung begann sie zu keuchen, als er den Druck verstärkte. Sie konnte ihm nicht standhalten, sie war nicht stark genug. Er schaffte es, sie zu fixieren und grinste triumphierend, als sie realisierte, dass sie nicht mehr frei kommen würde. Sie seufzte und wehrte sich nicht länger - 3... 4... 5... Verloren. "Willst du nochmal?", fragte Inuyasha selbstbewusst. "Nein, ich geb's auf. Du hast gewonnen", murmelte Kagome niedergeschlagen und ließ die Schultern hängen. Sie lagen nebeneinander bäuchlings auf seinem Bett und stützten sich mit den Unterarmen ab. "Ich habe dir gesagt, dass ich im Daumenwrestling unbesiegbar bin." Er gab ihren Daumen frei und sie lösten die gegenseitige Umklammerung ihrer Finger. Sie ließ ihren Kopf aufs Kissen fallen. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie mit ihrer speziellen Technik siegen könnte, aber sie hatte keine Chance gehabt. "Ja, aber du hättest nicht so erbarmungslos vorgehen müssen", beharrte sie und plusterte beleidigt die Backen auf. "Du hättest mich ruhig etwas schonen können." "Du meinst, ich hätte dich gewinnen lassen können", lachte Inuyasha. "Niemals! Schließlich habe ich einen Titel zu verteidigen. Außerdem-", er stockte. "Außerdem- was?", hakte sie nach. "Außerdem hättest du dich nicht mit einem geschenkten Sieg zufrieden gegeben, oder? Dafür hast du zu viel Ehrgeiz." "Nun, wir werden es wohl nie erfahren." Es freute sie irgendwie, dass er so über sie dachte. "Ich habe meine Lektion hiermit gelernt- ich werde dich nicht wieder herausfordern." "Schade. Deine kleinen Ablenkungsversuche waren mal etwas Neues." "Apropos, Ablenkungsversuch!" Ihr vorwurfsvoller Blick durchbohrte ihn, als sie sich in einer abrupten Bewegung wieder aufrichtete. "Ach, Dreck." "Warum sträubst du dich so, meine Frage zu beantworten? Jetzt, sag schon! Hättest du es so weit kommen lassen oder hast du dir nur einen Spaß mit mir erlaubt?" "Das ist eine von diesen Fragen, bei denen ich nur verlieren kann." "Nein, ich bin bloß neugierig. Ich verspreche dir, dass ich deine Antwort nicht hinterfragen werde. Großes Ehrenwort!" "Wenn du es unbedingt wissen willst-", antwortete er ihr zweifelnd und wich ihrem prüfenden Blick aus. "Wenn wir nicht gestört worden wären und du es gewollt hättest- wüsste ich nicht, was in dem Moment dagegen gesprochen hätte." Kagomes Augen weiteten sich erstaunt. "Du lässt mich monatelang zappeln und eine Achterbahn der Gefühle durchleben, weil du dir nicht sicher warst ob du mit mir eine Beziehung eingehen willst, aber als wir halbnackt voreinander standen hättest du kein Problem damit gehabt mit mir in die Kiste zu springen?" Inuyasha hob seine Arme mit leicht nach oben geöffneten Händen. "Wie war das nochmal mit dem Hinterfragen?", fragte er mit empörter Miene. Sie schloss schnell ihren Mund, um die nächste Flut an Worten aufzuhalten. Er runzelte die Stirn und wandte sich schmollend etwas von ihr ab. "Natürlich wäre das rein körperlich gewesen, ohne Gefühle oder so", rechtfertigte er sich. "Dreh mir daraus keinen Strick, du bist halt nicht hässlich." Kagome schmunzelte über seine unbeholfene Art ihr mitzuteilen, dass er sie attraktiv fand. "Und du?", fragte er plötzlich und sie warf ihm einen überraschten Blick zu. Er hob eine Augenbraue und schaute ihr wieder in die Augen. "Was ich?" Sie wusste genau worauf er hinaus wollte, aber sie hatte noch die Hoffnung er würde das Thema fallen lassen. "Na, hättest du?", bohrte er nach. Sie hob eine Hand und begann nervös ihr Ohrläppchen zwischen Daumen und Zeigefinger zu reiben. Sein Blick folgte der Bewegung kurz, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf ihr Gesicht. "Ich weiß nicht", murmelte sie gedehnt. Sie hatte sich das selbst auch schon so oft gefragt. Seit sie Inuyasha das erste Mal traf, hatte sie zweifellos eine gewisse Anziehung zu ihm gespürt, die sie nie klar für sich definieren konnte. Aber- "Wohl eher nicht", antwortete sie schließlich. Einen Augenblick lang starrte er sie ausdruckslos an. "Hm", brummte er dann nur und schaute wieder weg. Kagome schluckte alarmiert. War er jetzt etwa beleidigt? "Ich meine- wenn es um das erste Mal geht, ist man schließlich etwas wählerischer. Da wäre ich wohl kaum gedankenlos mit irgendeinem Typen ins Bett gehüpft." Sie machte es damit nicht besser. Er verschränkte abweisend die Arme und grummelte leise vor sich hin. "Damit meine ich selbstverständlich nicht, dass du irgendein Typ bist!", stellte sie klar. "Ich fand dich schon immer interessant, sonst hätte ich nicht davon geträumt, dass du-" Sie presste erschrocken ihre Lippen aufeinander und biss sich auf die Zunge. Das war ihr jetzt nicht ernsthaft herausgerutscht. Inuyasha wandte sich ihr sofort wieder zu. "Wie bitte, was?" "Was?" "Wie war das?" "Vergiss es einfach", bat sie ihn und merkte wie ihr die Schamröte ins Gesicht stieg. "Nein. Was hast du geträumt?" Er ließ nicht locker. "Ni-Nichts von Bedeutung. Du brauchst das gar nicht so aufbauschen-" "Warte mal, ich erinnere mich!" "Hä?" "Ganz am Anfang - da hast du morgens mal so komisch vor dich hin geseufzt und gestöhnt- Aha!" "Ich habe mit Sicherheit nicht gestöhnt", murmelte sie peinlich berührt. Inuyasha wirkte dermaßen Selbstzufrieden, als hätte er die Kombinationsgabe von Sherlock Holmes persönlich und posaunte stolz: "Du hattest also einen Sextraum." Niedergeschlagen ließ sie den Kopf hängen und protestierte trotzig: "Neeeiiin, soweit ist es nie gekommen." "Huh, mehr als einmal, interessant. Du wolltest also von Beginn an bloß meinen Körper!" Kagome drückte ihr Gesicht ins Kissen und dämpfte damit einen kurzen Verzweiflungsschrei. Ihre Beine strampelten ein paar mal auf und ab und ließen sich mit Wucht in die Matratze fallen. In stummer Resignation verharrend, regte sie sich einen Moment lang nicht mehr. Das Gespräch hatte eine so peinliche Wendung genommen und sie wusste manchmal immer noch nicht, wie sie mit Inuyashas Direktheit umgehen sollte. Da er auch nichts mehr sagte, wagte sie es, sich langsam zur Seite zu drehen und ihm in die Augen zu schauen. Er stützte seinen Kopf mit einer Hand und blickte amüsiert auf sie hinunter. "Bringst du mich absichtlich in Verlegenheit oder bist du bloß erschreckend schamlos?", nuschelte sie in ihr Haar hinein, das in wilden Strähnen über ihrem Gesicht lag. "Vielleicht ein bisschen von beidem", antwortete er neckisch und seine Mundwinkel formten sich zu einem verschmitzten Lächeln. Er hob eine seiner Hände an ihre Wange und sie zuckte bei der Berührung fast unmerklich zusammen. Liebevoll schob er jede ihrer Haarsträhnen nacheinander zurück und fixierte sie hinter ihrem Ohr. Ihr stockte der Atem und sie sinnierte darüber, wie seltsam intim die Berührung im Gesicht war. Nie zuvor wurde sie von einer anderen Person so berührt. Nie zuvor hatte sie sich selbst so ausgeliefert und verletzbar gemacht. Und es gefiel ihr. Das Unwetter draußen, hatte sich in den letzten Stunden noch verstärkt. Der Regen peitschte laut gegen das Fenster, der Wind pfiff und tobte. Im Zimmer war nur die kleine Nachttischlampe eingeschaltet. Ihre geringfügig bekleideten Körper schimmerten in dem gedämpften warm-weißen Licht, gerade hell genug um ihre Gesichtszüge zu erkennen und alles andere um sie herum war in Dunkelheit gehüllt. Nachdem er auch die letzte Strähne zurück gestrichen hatte, ließ er seine warme Handfläche auf ihrer Wange liegen. Sie drückte sich genüsslich dagegen und gab ihm wortlos zu verstehen, dass er die Streicheleinheiten doch bitte fortsetzen sollte. Er rückte etwas näher an sie heran und seine Fingerkuppen glitten weiter über ihre weiche Haut. Den Hals hinunter und wieder rauf, das Kinn entlang und über ihre errötete Wange. Sein Daumen zog eine vorsichtige Spur über ihre Augenbraue, den Nasenrücken hinunter und fuhr so zärtlich über ihre Lippen, dass es sie kitzelte. Sie hauchte einen kaum wahrnehmbaren Kuss auf die Fingerspitze und zog ihre Lippen nach innen um sie zu befeuchten. Seine Finger fuhren weiter über ihre Halsbeuge, schoben sich unter ihren Ärmel die Schulter hinauf und er ließ sie langsam den Arm hinuntergleiten bis zu ihrem Handgelenk. Sie spürte die Gänsehaut in ihrem Nacken und jeder Hautkontakt fühlte sich in diesem Moment um ein vielfaches intensiver an, als sie es bisher für möglich gehalten hatte. "Ist dir noch kalt?", fragte er und sie schüttelte schnell den Kopf. Die Gänsehaut kam nicht von der Kälte, wollte sie sagen. Er war es. Er war der Grund, warum ihr gesamter Körper erschauerte. Sie verschränkte ihre zitternden Finger mit seinen und drehte sich auf den Rücken. Öffnete sich ihm weiter und gab ihm mehr Raum zum erkunden. Er rutschte erneut näher, sein Gesicht lag nun an ihrem Hals und sein Atem streifte ihr Ohrläppchen. Zögerlich führte sie seine Hand zu ihrem Brustbein. Ihre Atmung war kurzzeitig ausgesetzt, als er selbstständig begann seine Hand zwischen ihren Brüsten auf und abwandern zu lassen. Sie spürte die Wärme seines Körpers durch das Shirt, merkte wie sich ihre Nippel aufrichteten und sich gegen den Stoff drückten. Sie zuckte leicht zusammen, als einer seiner Finger wie zufällig über die empfindliche Stelle streichelte. Sie nahm einen tiefen langen Atemzug, füllte ihre Lungen mit so viel Sauerstoff wie möglich und ihr Oberkörper streckte sich ihm noch mehr entgegen. Seine Hand wanderte ganz langsam nach unten über ihren Bauch, schob den Stoff ihres Oberteils etwas nach oben und legte ihre Körpermitte frei. Sie atmete in zitternden Etappen aus. Er zog eine Parade von Streicheleinheiten am Saum ihres Slips entlang und schmunzelte. Ihr Unterleib zitterte unter seinen Berührungen. Es lag ihr auf der Zunge, ihm zu sagen, wie gut sich das alles anfühlte. Dass sie sich bei ihm sicher und geborgen fühlte, während es zugleich so aufregend und neu war. Aber sie wagte es nicht, irgendetwas davon auszusprechen. Die Stimmung war so bedeutungsvoll, dass jedes Wort sie in diesem Moment durchrissen hätte. Es bedarf wohl sowieso keine Worte, denn Inuyasha war sehr aufmerksam. Er beobachtete ihre Mimik, reagierte sensibel auf jedes Zucken, jedes Zittern und jeden Atemzug von ihr. Es war schon fast unheimlich, als versuchte er sie zu lesen. Und sie war überzeugt- Sollte sie auch nur das kleinste Anzeichen geben ihr wäre etwas unangenehm, würde er damit aufhören. Eine starke Windböe traf die Außenwand des Wohnheims und ließ die Fensterscheiben vibrieren. Er richtete seinen Oberkörper auf. Er konnte mit dem stützenden Arm über ihre Stirn und ihr Haar streicheln und sie seufzte genießerisch, als er sich hinunterbeugte und seine Lippen zärtlich über ihre legte. Sie aber nicht küsste. Stattdessen fuhr seine Nasenspitze ihren Nasenrücken langsam auf und ab, quälte sie und schürte ihr Verlangen. Seine Hand strich über die Seite ihrer Hüfte hinunter zum Oberschenkel. Die Haut war dort noch kälter als am übrigen Körper, übersät mit all den kleinen Pusteln ihrer Gänsehaut. Er streichelte ein paar mal fest mit seiner warmen Hand über die Innenseite ihres Schenkels, bevor er ihr Knie leicht anhob und es zwischen seine Beine einklemmte. Kagome gab einen überraschten Laut von sich und winkelte wie automatisch ihr anderes Bein an, was den Abstand zwischen ihren Schenkeln wieder verringerte. Seine Hand streichelte etwas stärker über die Außenseite ihres anderen Oberschenkels, drückte immer wieder seine Finger leicht in ihre Haut. Als würde er sie fest greifen wollen, sich aber selbst immer wieder zurückhalten. Seine Berührung führte über ihre Kniebeuge die Unterseite ihres Schenkels hinauf und seine Finger schoben sich an ihrer Hüfte unter ihren Slip, zogen den Stoff ein Stückchen mit runter. Ihre Lippen, ihre Nasen, ihre Augen dicht beieinander, atmeten sie einen Moment lang die gleiche Luft und sie drückte sich schließlich ungeduldig an ihn, legte ihre Hände auf seinen Rücken und vergrub ihre Fingernägel in seinem Shirt. Sie gab ihm viele kleine feste Küsse und keuchte überrascht auf, als er mit seiner Zunge über ihre Unterlippe leckte und gleichzeitig seine Hand zwischen ihre Beine schob. Irgendwo im Hintergrund hörte sie den Regen rauschen und das Holz der Regale knacken. All ihre Sinne waren geschärft. Sie konnte viel mehr wahrnehmen - vom kleinsten Zucken mit der Wimper, dem leisen Rascheln der Bettwäsche, bis zum Geruch seiner Haut. Sein Duft hatte eine gewisse Frische, welche an einen Wald oder eine Wiese nach einem Regenguss erinnerte. Sie fühlte sich davon beruhigt und seltsam berauscht. Sie öffnete den Mund, stupste ihn auffordernd mit der Zungenspitze an, und genoss den zunehmden Druck, als er seine Lippen auf ihre legte und über den Stoff ihres Slips streichelte. Sie spürte die Atemluft aus seiner Nase gegen ihre prallen, ihre Gedanken und Gefühle fingen an zu verschwimmen, wie Wasserfarbe auf einer Leinwand. Inuyasha zog ihre Unterlippe zwischen seine Lippen, bevor er sich von ihr löste und sich aufrichtete. Er setzte sich zwischen ihre Beine, legte sie auf seinen Oberschenkeln ab und streichelte ihre beiden Schenkel, drückte sie fest an sich und schaute auf sie herunter. Vor ihrem geistigen Auge, versuchte sie seine Sicht zu verbildlichen. Sie hatte sich selbst schon immer hübsch gefunden. Hatte keine Komplexe und hasste keinen Teil ihres Körpers. Aber nun kamen ihr die seltsamsten Gedanken. Was dachte Inuyasha, wenn er sie so sah? Fand er sie schön? War sie vielleicht zu dick, oder doch eher zu dünn? Ihre Brüste waren auch nicht die prallsten. Sahen sie vielleicht komisch aus, wenn sie so da lag? Sie kannte sich selbst nur stehend vorm Spiegel. Was wenn ihre Brüste komisch schief vor sich rumlagen? Der schlichte schwarze Baumwoll-Slip den sie trug, war jetzt auch nicht besonders anregend. Sie hätte sich hübschere Unterwäsche für diesen Anlass anziehen sollen. Wie sah sie eigentlich da unten aus? Darüber hatte sie sich nie vorher Gedanken gemacht. Während all diese Unsicherheiten sich in ihr breit machten, fühlte sie sich plötzlich sehr verletzlich. „Hey.“ Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Ertappt blickte sie in seine Augen. Er musste kurz schmunzeln und seine linke Augenbraue zuckte etwas. „Wo warst du gerade?“ „Nirgendwo- Ich meine hier. Ich war hier“, antwortete sie schnell und er beäugte sie besorgt. “Fühlst du dich wohl?”, flüsterte er ganz leise. Das kaum wahrnehmbare Surren der Glühbirne neben ihr, erschien ihr fast lauter. “Ja.“ Sie lächelte ihn liebevoll an. "Ich bin nur ein bisschen nervös und mache mir unnötige Gedanken. Du wirkst dagegen so gelassen." "Dann kann ich es sehr gut überspielen. Vielleicht wird ja doch noch was aus meiner Karriere beim Theater?" Sie musste kichern und ihre Zweifel waren wie weggeblasen. Als wollte er ihr etwas beweisen, streichelte eine seiner Hände ihren Unterarm hinab, bis er ihre kalten Finger ergriff und sie unter sein Shirt über den Brustkorb führte, um sie schließlich dort ruhen zu lassen, wo sein Herz lag. Sie öffnete erstaunt ihre Lippen, als sie sein Herz schnell und heftig gegen ihre Handfläche schlagen spürte. Doch bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte, hatte er sich wieder zu ihr hinuntergebeugt. Sie blinzelte, als ihre Sicht durch die Nähe verschwamm und drückte ihre Handfläche fester gegen seine Brust, um das Tempo seines Herzschlags noch stärker zu spüren, welcher ihrem so ähnelte. Mit der anderen Hand fuhr sie seinen Rücken hinab und griff sein Oberteil am Saum, zog es Zentimeter für Zentimeter hoch, bis sie seinen Nacken erreichte und er ihr dabei half es sich über den Kopf zu ziehen. Er zerknüllte das Kleidungsstück und warf es wahllos hinter sich in eine dunkle Ecke. Nun trug er nur noch seine Boxershorts. Sie zog ihn noch einmal für einen langen und intensiven Kuss zu sich herunter. Sein Schritt drückte sich zwischen ihren Beinen gegen den Stoff ihres Slips. Dann hinterließ er eine Spur aus Küssen auf ihrem Hals. Seine Hände glitten beidseitig über ihre Hüfte hinauf und schoben ihr Shirt dabei mit nach oben, bis sie unbedeckt vor ihm lag. Kagome schluckte nervös. Da sie zunächst nicht wusste wohin mit ihren Händen, legte sie sie oberhalb ihrer Brust ab und griff angespannt in den Stoff ihres Shirts, welches nur noch ihre Schultern und den Hals bedeckte. Dass sie die Möglichkeit hatte es jederzeit wieder herunter zu ziehen, vermittelte ihr eine irrationale Illusion von Kontrolle. Inuyasha setzte viele kleine, langsame Küsse zwischen Kagomes Brüste, fuhr mit der Zungenspitze ganz sanft die glatte Haut entlang bis zu ihrem Schlüsselbein und wieder hinunter bis zu ihrem Bauchnabel. Seine Haarspitzen folgten jeder seiner Bewegungen und kitzelten sie, was sie seltsamerweise umso mehr erregte. Er küsste wieder ihren Hals, umfasste mit starkem Griff ihre Hüfte und bewegte sie anschließend so, dass sie sich gegen ihn rieb, während er sich immer fester zwischen sie presste. Sie spürte seinen warmen Oberkörper über ihre nackte Haut gleiten. Ihr wurde schwindelig vor Verlangen und Sehnsucht und ihr Körper begann mit seinem zu kooperieren, drückte sich gegen die rhythmische Bewegung, um den Druck noch weiter zu verstärken. Mit seinen Zähnen knabberte er zärtlich ihre Kinnpartie entlang und fuhr mit der Zungenspitze über die empfindliche Stelle hinter ihrem Ohr. Ihre Hände hatte sie in seine Schultern gekrallt, als ob sie jederzeit den Halt verlieren könnte, wenn sie loslassen würde. Er verringerte langsam den Druck seiner Hände auf ihrer Hüfte, sein Mund küsste kurz ihr Ohrläppchen. "Wenn dir etwas unangenehm wird, sag einfach stopp, okay?", flüsterte er. Sie nickte aufgeregt und ihr Herz trommelte stärker und immer stärker gegen ihren Brustkorb. Er schob sich ihren Körper herunter und begann mit seinen Lippen und der Zungenspitze den Saum ihres Slips entlang zu gleiten. Kagome drückte ihren Hinterkopf fest ins Kissen, presste die angestaute Atemluft hinaus und biss sich auf die Unterlippe. Sie spürte das starke Ziehen zwischen ihren Beinen und wollte sie intuitiv zusammen drücken. Doch Inuyasha versperrte den Weg und richtete sich wieder auf. Er griff mit den Fingern an die Seiten ihres Slips und zog ihn vorsichtig herunter. Sie hob ihre Hüfte an und ließ sich ausziehen. Sie wollte wieder die Beine zusammendrücken, aber er schob sie mit einer sanften Bestimmtheit auseinander. Sie spürte wie ihr die Schamröte zu Kopf stieg und ihr wurde ganz warm. Er streichelte wiederholt über ihre Oberschenkel und beobachtete ihre Reaktion. Sie starrte einen Moment lang an die Zimmerdecke und versuchte ihre Atmung zu regulieren. Dann richtete sie ihren Blick zurück auf Inuyasha und schluckte schwer. Er war so wunderschön und das alles kam ihr erschreckend surreal vor. Sie hatte so oft davon geträumt, ihm nahe zu sein und rechnete fast damit, jeden Augenblick aufzuwachen. Nachdem ihre Atmung nicht mehr so panisch wirkte, beugte sich Inuyasha wieder hinunter und begann eine weitere heiße Spur von Küssen auf ihre Haut zu legen. Mit jedem Zentimeter den er hinab wanderte zuckte sie etwas mehr zusammen und vor ihrem inneren Auge bildeten sich schemenhafte Bilder und Fantasien. Wollte er etwa- Sie spürte seine Lippen auf ihrem Venushügel. "St-Stopp!", rief sie plötzlich und kniff ihre Augen zusammen. Er hob sofort den Kopf und schaute sie fragend an. "Ich-", begann sie verlegen zu murmeln. "Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe." "Wir können aufhören, wenn du das möchtest." "Nein", sagte sie schnell. Bitte nicht aufhören. "Mach weiter." "Sicher?" Sie nickte und ließ ihren Kopf wieder ins Kissen zurückfallen, entspannte sich etwas und war bereit für einen neuen Versuch, seinen Weg über ihren Körper finden. Sie hatte aber nicht damit gerechnet, dass Inuyasha wirklich direkt genau da weitermachen würde, wo sie ihn aufgehalten hatte. Sie spürte seine Lippen wieder auf ihrem Venushügel, alles in ihr zog sich zusammen und dann küsste er ihre empfindlichste Stelle am gesamten Körper. Sie spürte den sanften Druck seiner Lippen und dann seine Zunge und ihr entwich ein überraschtes Keuchen. Schnell drückte sie ihre Lippen fest aufeinander und atmete tief durch die Nase ein, stockte und stieß die Luft in schnellen Etappen wieder aus. Sie war nicht mehr Herrin ihrer Sinne und ihr Körper bewegte sich völlig reflexartig. Ihre Oberschenkel zitterten, ihr Hinterkopf grub sich immer tiefer ins Kissen. Sie bog ihren Rücken durch und bäumte sich auf. Ihre Arme griffen nach oben und zur Seite, krallten sich ins Bettlaken. Ihre Beine öffneten sich weit und sie drückte sich ihm entgegen, nur um sich zitternd und wimmernd wieder zurück zu ziehen. Aber sie konnte ihm nicht entkommen. Seine Hände lagen fest an ihren Oberschenkeln, drückten sich jedem kleinen Widerstand entgegen. Ihre Augenlider schlossen sich und blinzelten im schnellen Wechsel. Das Ziehen in ihrem Unterleib wurde immer stärker, baute sich auf und verlangte immer mehr. Sie riss ihren Mund weit auf, hielt die Luft an und benötigte jeden kleinsten Fetzen ihrer Willenskraft, die sie noch zusammenkratzen konnte, um nicht laut aufzuschreien. Ihr gesamter Körper bebte vor Anspannung und für den Bruchteil einer Sekunde, war ihr Kopf frei von allen Gedanken. Ihre Glieder entkrampften sich allmählich wieder und mit einem erleichterten Seufzen ließ sie ihren Körper voller Entspannung in sich zusammensacken. Ihr Herz pumpte das Blut angestrengt durch ihre Adern, sie spürte das pulsieren bis in die Fingerspitzen. Noch nie hatte sie so um Atem ringen müssen. Sie hatte angefangen zu schwitzen, dabei hatte sie sich kaum bewegt. Ihre überkreuzten Arme legte sie über ihr heißes Gesicht. Die Unterarme gaben noch den letzten Rest Kühle ab, den ihr Körper noch zu bieten hatte. Kagome bemerkte, wie Inuyasha sich langsam wieder hinauf schob, hier und dort noch einmal einen Kuss auf ihre hitzige Haut drückte. Sie legte ihre Arme um seinen Nacken, als er oben bei ihr angekommen war und suchte unter ihrem vernebeltem Blick seine Lippen. Dann plötzlich, ein kurzer stechender Schmerz- er war so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war- und dann war er in ihr. Sie riss überrascht die Augen auf und starrte ihn erschrocken an. Für einen kleinen Moment waren sie beide vollkommen regungslos. “Alles gut?”, flüsterte er vorsichtig an ihren Lippen. Sie nickte zaghaft und etwas überwältigt. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte- ob sie etwas erwartet hatte. Aber das Gefühl ihn in ihr zu spüren, war etwas, dass sie sich nie hätte ausmalen können. Als er begann sich in ihr zu bewegen, winkelte sie ihre Beine an und drückte sich noch mehr an ihn, vergrub ihre Fingerspitzen in seinem Haaransatz im Nacken. Sie spürte ihn, spürte die Bewegung, spürte wie stark er sich zurückhielt und verbildlichte ihre Empfindungen vor ihrem geistigen Auge. Das Ziehen in ihrem Innersten, bahnte sich seinen Weg zurück an die Oberfläche und begann sich erneut zu entwickeln und aufzubauen, fühlte sich dieses Mal an wie in Watte gepackt. Sie reagierte noch sehr empfindlich, alles was sie fühlte befand sich ganz dicht an der Schmerzgrenze, die bittersüße Qual war beinahe unerträglich. Beinahe. Sie schlang sich um ihn, küsste ihn gierig und begann sich rhythmisch gegen ihn zu drücken. Sein Atem ging schwer, als sie seinen Namen in keuchenden Silben hervorbrachte. Er löste sich von ihren Lippen und drückte sein Gesicht in ihre Halsbeuge. Packte sie wieder an der Hüfte, doch anstatt sie zu bewegen, versuchte er sie festzuhalten und die Bewegung zu stoppen. Kagome gab einen protestierenden Klagelaut von sich, drückte ihre Oberschenkel fester um ihn und versuchte mit aller Kraft die Bewegung fortzuführen und ihrem drängenden Verlangen nachzugeben. Widerstrebend gab er nach und umarmte sie fest, beschleunigte und verstärkte den Druck. Seine Finger krallten sich in ihre Haut, in ihre Taille und er hauchte ihr einen letzten kraftlosen Kuss auf die Halsschlagader. Nach Luft schnappend, sackte er auf ihr zusammen. Er seufzte schwer mit einer Mischung aus Frustration und Erschöpfung und Kagome realisierte langsam, was passiert war. Er blickte auf, pustete sich eine Haarsträhne aus dem Auge und versuchte sie vorwurfsvoll anzusehen. Dabei sah er so süß aus, das Kagome nicht anders konnte als amüsiert zu kichern. Aus dem Nichts heraus verzog er das Gesicht und versuchte sich krampfhaft das Lachen zu verkneifen. Kagome starrte ihn verwirrt und fragend an. Nachdem er sich wieder gefasst hatte, blickte er ihr grinsend in die Augen und murmelte mit verstellter, grummeliger Stimme: "Und der Einsatz der Zunge ist absolut untersagt!" Kagome blinzelte ein paar Mal, fassungslos darüber, dass er in einer solchen Situation ihren strengen Vater imitierte. Doch dann musste sie ebenfalls laut losprusten und sie beide lachten zusammen, wie noch nie zuvor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)