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Mass Effekt - Der Untergang - Akt II

von

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Weltenbrand

Man glaubt es kaum, aber ja ich lebe immer noch und ich habe der Schreiberei noch nicht den Rücken gekehrt. Wahnsinn. Kaum zu glauben das es jetzt schon zwei Jahre her ist, als ich das letzte Mal ein Kapitel veröffentlich habe. So war das nie geplant. Zugegeben. Ich habe mich mit ein paar anderen Projekten etwas übernommen, dann noch das wahre Leben, dass seinen Tribut fordert, man merkt gar nicht wie die Zeit vergeht. Aber jetzt bin ich wieder voll da und das ist es was zählt. Ich musste nebenbei feststellen, dass meine "Gallerie" weitesgehend offline ist. Ich versuche in den nächsten Tagen das Problem zu lösen. Meine aktuelle Planung sieht es vor alle vorher begonnen Projekten ruhen zu lassen und mich voll und ganz meiner Mass Effect Fanfiction-Reihe zu widmen. An diesem Projekt hingen ich in all der Zeit am meisten mit meinen Gedanken. Und deshalb, auch als kleines Weihnachtsgeschenk, ein echter Knaller. Viel Spaß beim lesen und ein paar erholsame Feiertage. Euer Ratzfatz
 

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Sechs Tage waren seit dem Einsatz auf Sur’Kesh vergangen. Cerberus Angriff auf eine hochgeheime Forschungsanlage stellte für die Salarianer ein Schock ohnegleichen dar, auch wenn man Cerberus zurückschlagen konnte. Man konnte mittlerweile die Ausgangspunkte dieses Angriffes ermitteln, doch die Position von Cerberus Hauptbasis blieb bisweilen ein Rätsel. Aber man kam ihnen immer näher. Unterdessen liefen die Arbeiten an dem Mittel zur Heilung der Genophage auf vollen Touren. Es erwies sich als ausgesprochen hilfreich und vorteilhaft, dass man Maelons Forschung von damals nicht zerstört hatte. Das beschleunigte alles ungemein und gestaltete Experimente an der Kroganerin als ausgesprochen schonend.
 

Währenddessen versuchte man an Bord der Normandy den Krieg gegen die Reaper so gut es ging voranzutreiben, auch wenn er weiterhin schleppend verlief. Vielen Völkern gelang es die Produktion von Nahrung, Nachschub und anderen kriegswichtigen Gütern auf äußere, kleiner Kolonien zu verlagern, die von den Reapern bislang verschont blieben. Viele Welten befanden sich weiterhin in deren eisernen Griff und zu deren Befreiung fehlten die Mittel. Die Erde und Palaven bekamen dabei weiterhin das meiste ab. Im batarianischen Raum sah es garantiert nicht anders aus. Sur’Kesh und Thessia blieben von einem Angriff bislang verschont. Vor allem die Asari schienen die Reaper sehr erfolgreich mit Kommandooperationen von ihrer Heimatwelt fernhalten zu können. Die Reaper kratzten bislang nur an den Grenzen der Asari. Fraglich war aber, ob die Asari etwas gegen eine geballten Offensive ausrichten konnten, ähnlich jener, die die Erde traf. Da gingen die Meinungen arg auseinander. Tuchanka schien für die Reaper bislang uninteressant zu sein. Berichte über die abwechselnde Präsenz der kleineren Zerstörer in dessen Nähe machten aber bereits die Runde.

Die Kräfte reichten zurzeit lediglich aus um kleinere Gruppen der Reaper abzuwehren und auf Distanz zu halten. Hier und da konnte man einzelne, Planeten den Reapern wieder entreißen, die nur leicht verteidigt wurden. Ein Vorgehen das riskant und mit hohen Verlusten verbunden war, denn oftmals blieben Reaktionen und Gegenschläge der Reaper nicht aus. So konnte ein Planet innerhalb von Stunden den Besitzer wechseln – manchmal sogar mehrmals am Tag.

Allerdings war das auch eine Sache, die man sehr leicht ausnutzen konnte.

So waren in der ganzen Galaxie unzählige Raumschiffe unterwegs, welche Sternensysteme nach Ressourcen und anderen Mitteln absuchten, die irgendwie von Nutzen sein konnten. Auf diesen Weg fand man so manchen verschollenen Kreuzer, oder gar Forschungs- und Ingenieursteams, die von den bisherigen Ereignissen doch tatsächlich kaum etwas mitbekommen hatte. Ein Unterfangen das ebenfalls nicht ungefährlich war. Oftmals lagen die Reaper am Rande eines Systems auf der Lauer und warteten nur darauf, dass unachtsame Schiffe ihre Scanner einschalteten und so auf sich aufmerksam machten.
 

So wie jetzt.
 

„Scanner auf voller Leistung … sende Impuls … Hoffen wir das das gut geht.“, sagte Joker und steuerte die Normandy durch das Pelion-System.

Den Tarnmodus hatte er deaktiviert und alle anderen Systeme auf volle Leistung gedreht. Auf den Anzeigen der Reaper sollte sich die Normandy nun wie ein strahlendes, klar erkennbares Licht von dem kalten Vakuum abheben.

„Keine Reaktion.“, meldete EDI.

„Noch ein Impuls?“, fragte Joker und blickte zu Shepard, der genau neben ihm stand.

Shepard dachte kurz nach und blickte kurz zu Ibro, der mit ihnen im Cockpit stand und gelassen aus den Fenstern blickte.

„Ja. Die sind irgendwo da draußen.“, sagte Shepard kurz und knapp.

„Scanner auf voller Leistung … nächster Impuls … und draußen.“, sprach Joker erneut.

„Empfange Signale … mehrere Objekte nähern sich unserer Position … es sind Reaper.“, meldete EDI nach kurzer Wartezeit.

„In Ordnung, Joker, bringen sie uns von hier weg.“, befahl Shepard.

„Mit dem größten Vergnügen.“
 

Sofort beschleunigte die Normandy und begann in Richtung des erstbesten Massenportals zu fliegen, während ihnen die Reaper bereits im Nacken saßen.

„Vier Reaper-Schlachtschiffe … Sovereign-Klasse … holen schnell auf.“, meldete EDI.

„Langsam wird es ungemütlich. Gleich haben die uns!“, beschwerte sich Joker.

„Machen Sie sich darüber keine Sorgen.“, beruhigte ihn Ibro.
 

Wie auf Kommando erschienen vor der Normandy in einiger Entfernung zwei morjanische Superschlachtschiffe und feuerten sofort ihre Fusionskanonen ab. Augenblicklich wurden zwei Reaper-Schlachtschiffe zerstört und die beiden verbliebenen Reaper aktivierten ihre ÜLG-Antriebe und ergriffen die Flucht, bevor sie die nächste Salve abbekamen. Man hätte auch sie am liebsten zerstört, doch es gelang den Superschlachtschiffen nicht sich schnell genug erneut auszurichten, um das zu verwirklichen.

„Glückspilze.“, murmelte Joker.

„Weit kommen die nicht. Dafür haben wir schon gesorgt.“, sagte Ibro.

„Wie viele Abschüsse konnten wir bislang verzeichnen?“, fragte Joker.

„Zusammen mit den anderen Gruppen? 19 Schlachtschiffe, zwölf Zerstörer, vier Transporter.“, antwortete EDI.

„Sieht gut aus.“, meinte Shepard.

„Mh … für zwei Tage Arbeit … ein eher bescheidenes Ergebnis.“, sagte Ibro.

„Wir wären froh, wenn wir solche Abschüssen unser eigen nennen könnten.“, meinte Joker

„Die Erfolgsquote dieses Vorgehens hat mit Dauer der Operation rapide abgenommen. Die Reaper werden vorsichtiger.“, gab EDI eine kurzer, taktische Analyse ab.

„Mag sein, allerdings wenn die Reaper jetzt ein Schiff entdecken, dass ein System scannt, werden sie es sich zweimal überlegen ob sie zuschlagen. Im Moment werden sie davon ausgehen müssen, dass es wieder eine Falle ist. Also werden sie keine andere Wahl haben, als es gewähren zu lassen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen selbst zerstört zu werden. Das sollte unseren Leuten etwas Freiraum geben.“, erklärte Shepard.

„Wenn Sie das sagen.“, erwiderte Ibro davon unbeeindruckt.

„Simple Kalkulation. Die Abwägung zwischen Nutzen und Einsatz mit Berücksichtigung des Risikos aufgrund vergangener Ereignisse.“, ergänzte EDI.

„Uns geht es nur um die Abschüsse.“, gab Ibro zurück.

Sein Funkgerät gab kurzerhand einige identifizierbare Laute von sich, woraufhin Ibro es kurz ansah.

„Gute, oder schlechte Nachrichten?“, fragte Shepard.

„Ansichtssache. Die geflohenen Reaper haben eines der Massenportale erreicht. Als sie unsere Raumschiffe davor bemerkten sind sie sofort wieder auf Überlichtgeschwindigkeit gegangen und haben so das System verlassen.“
 

Shepard musste dabei grinsen.
 

Was sie hier durchführten war ein gemeinsamer Einsatz mit Kräften der Allianz und des Morjanischen Verbundes. Man präsentierte sich als Köder und lockte einzelne Reaper an, um sie dann mit in der Nähe lauernden Kräften der Morjaner auszuschalten. Nach diesen Abschüssen beispielsweise hatten die Morjaner sofort „kleine“ Einsatzgruppen aus jeweils fünf Schlachtschiffen und gut einem Dutzend Kreuzern nahe den Massenportalen stationiert, um eine Flucht zu unterbinden. Anfangs flogen die Reaper noch die Massenportale in einem System ab, nur um herauszufinden, dass in der Regel alle blockiert wurden. Ab diesem Zeitpunkt waren sie dann gezwungen die Sternensysteme in einem konventionellen ÜLG-Flug zu verlassen. Die Tatsache das die Morjaner unabhängig von den Massenportalen agieren konnte stellte selbst für die Reaper ein zunehmend gravierendes Problem dar, denn sie konnten so keine Hinterhalte an Massenportalen legen und mussten sogar selbst damit rechnen an ihnen in einen morjanischen Hinterhalt zu geraten.

Die Lage der Morjaner blieb trotz dieser Erfolge angespannt und besserte sich nur langsam. Ihre Verluste an Leben lagen längst im zweistelligen Milliardenbereich und überstiegen damit locker die kombinierten Verluste aller Völker. Der Großteil ihrer Flotte war weiterhin damit beschäftigt die Welten innerhalb des Verbundes zu sichern, denn am Ende waren es mit Sicherheit die gewaltigen industriellen Kapazitäten, die bei anhaltender Dauer des Konfliktes den Unterschied machen konnten. Dennoch hielt Sirius sein Wort und schickte weiter Schiffe und Rohstoffe, um die Reaper in der ganzen Galaxie zu bekämpfen und auf Trapp zu halten. Bedingt durch ihre Situation fiel der Umfang der Unterstützung nur sehr begrenzt aus, wie Sirius selbst mitteilte. Dabei sprach man von einer Handvoll Kommando- und Superschlachtschiffe, sowie Dutzenden Schlachtschiffen und einigen Hundert Kreuzern. Shepard konnte da nur mit dem Kopf schütteln, was die Morjaner als „sehr begrenzt“ ansahen. Wahrscheinlich war es eine Anspielung auf die schier endlose Tiefe des Weltraums, die man mit diesen Kräften abdecken musste. Die Morjaner dachten da immer noch in etwas größeren Bahnen und ließen den Einfluss der Massenportale auf die Raumfahrt, die diese Größenverhältnisse weitestgehend obsolet machten, unberücksichtigt.
 

„Ich sehe mal nach Mordin und unserem kroganischen Gast.“, sagte Shepard und verließ das Cockpit.

„Machen Sie das, Commander … Und was machen wir jetzt?“, wandte sich Joker an Ibro.

„Es gibt ein paar Nachbarsysteme in denen ebenfalls Reaper gesichtet wurden. Unsere Raumschiffe sind bereits auf dem Weg dahin. Vielleicht können wir mithelfen um noch ein paar Abschüsse zu verbuchen.“, schlug Ibro vor.

„Keine Einwände. So machen wir es.“, war sich Joker mit Ibro sofort einig.
 

Shepard bekam das noch mit und blickte beim Weggehen über die Schulter. Ibro war schon ein komischer Vogel. Nur seit ihrem Einsatz auf Sur’Kesh, und seinem Zusammenstoß mit Seldrana, hatte er sich völlig verändert. Ob zum Guten, oder Schlechten blieb dabei die Frage. Tagelang hatte er nichts gegessen, übergab sich regelmäßig, zitterte ständig, wie als hätte er Schüttelfrost und angeblich will man ihn sogar kauernd und weinend in einer Ecke im Laderaum gesehen haben. Drei Tage hielt dieser Zustand an, ohne dass jemand ihm helfen konnte. Shepard war sich sicher, dass Seldrana dafür verantwortlich war, als sie Ibro mit einem Messer ihre Nanomaschinen mitten ins Herz jagte. Angeblich nichts Besonderes, wie sie selbst sagte, doch das wollte ihr niemand glauben. Seldrana, die morjanische Supersoldatin und Ehrengardistin, die man auf Sur’Kesh unweigerlich aufgesammelt hatte, wurde man bereits am Tag ihrer Ankunft auf der Normandy wieder los. Per Shuttle brachte Amara sie zu einem herbei gerufenen Kreuzer, der auch einige Versorgungsgüter für Ibro mitbrachte. Alle waren sichtlich erleichtert, als man sie los war und das obwohl sie die ganze Zeit alleine in einem Raum saß und scheinbar meditierte.

Nach diesen drei Tagen war Ibro wie ausgewechselt. Er wirkte weitaus ausgeglichener, was die Arbeit mit anderen Spezies anging. Sogar abfällige Kommentare über Liara, oder ihre Beziehung mit Shepard, wie man es von ihm bislang gewohnt war, hörte man gar nicht mehr – kaum zu glauben.

Shepard war sehr daran interessiert zu sehen, wie sich das ganze entwickelte und ob diese Veränderungen von dauerhafter Natur waren. Gleichzeitig hoffte er, dass nicht doch irgendwo noch eine böse Überraschung lauerte.
 

Shepard ging ein Deck tiefer und betrat die dortige Krankenstation, in der neben Mordin und der Kroganerin, auch Doktor Michel anwesend war. Chloe Michel hatten sie auf Empfehlung von Doktor Chakwas erhalten und war Shepard schon von seinem ersten Besuch auf der Citadel bekannt. Sie war ausgesprochen erfreut an Bord der Normandy zu sein und mithelfen zu können, trotz allgemeiner Risiken.

Die Kroganerin hörte derweil auf den Namen Eve. Natürlich war das nicht ihr richtiger Name, denn den hatte sie scheinbar aufgeben als sie Schamanin wurde. Mordin gab ihn ihr und wurde dabei scheinbar aus irgendeiner menschlichen Mythologie inspiriert. Das machte die Zusammenarbeit persönlicher und half eine bessere Bindung zwischen allen aufzubauen.
 

„Störe ich, oder soll ich später wieder kommen?“, fragte Shepard, als er die Krankenstation betrat und sah wie Eve mit angewinkelten Beinen und in voller Tracht auf einem der Krankenbetten saß.

„Unnötig. Proben bereits genommen. Führen jetzt weitere Testphasen durch.“, erklärte Mordin.

„Leider sind die medizinischen Prozeduren bei Kroganern sehr aufwendig und besonders für Eve ausgesprochen kräftezerrend. Vor allem wenn man ihren Zustand bedenkt, in dem wir sie von den Salarianern erhielten. Wir behalten ihre Vitalwerte ständig im Auge und versuchen die Belastung auf ein Minimum zu reduzieren.“, ergänzte Michel.

„Die Belastung … halte ich aus. Ich bin Kroganerin … ich muss das. Von mir hängt das Überleben der kroganischen Spezies ab.“, gab Eve wieder, deren Stimme erkennbar schwach klang.

„Ihr Mut ist bemerkenswert, aber das hier endet nicht sobald wir ein wirksames Gegenmittel haben. Der Genophage ein Ende zu setzen ist eine Sache. Die andere Sache ist es eine geordnete Zukunft für die Kroganer zu schaffen. Als beruhigender Pol können Sie unglaublich viel für Ihr Volk tun. Das spüre ich.“, ermutigte Shepard sie.

„Für Ihre Aufrichtigkeit danke ich Ihnen, Shepard. Das kann ich aus Ihren Worten heraus hören. Wie die Salarianer wollen Sie uns zwar auch als Soldaten einsetzen, aber Sie sind anders. Sie wollen mit uns Seite an Seite kämpfen, anstatt dass wir nur für Sie kämpfen. Sie machen sich sogar Gedanken über die Zeit danach. Vielleicht hat unser Volk dieses Mal die Chance auf eine bessere Zukunft, als damals, nach den Rachni-Kriegen – vorausgesetzt wir überleben die Reaper.“

„Das werden wir.“, sagte Shepard mit Überzeugung.

„Sie sind davon wirklich überzeugt.“, meinte Eve.

„Ich muss es, ansonsten wäre dieser ganze Kampf von vorneherein sinnlos.“, sagte Shepard und atmete durch. „Wenn etwas sein sollte, oder Sie irgendwas brauchen, dann zögern Sie bitte nicht es uns zu sagen … und Eve, übertreiben Sie es nicht. Sie sollen uns ja noch lange erhalten bleiben.“, sagte Shepard freundlich.

Durch Eves beeindruckendes und umfassendes Gewand war es kaum möglich irgendwelche Emotionen, oder sonstige Ausdrücke zu erkennen, dennoch hatte Shepard das Gefühl, dass Eve ihm ausgesprochen dankbar war. Kaum verwunderlich, wenn man bedenkt was sie zuvor alles durchstehen musste. Da stellte der Aufenthalt auf der Normandy eine unglaubliche Verbesserung dar.
 

Shepard verließ die Krankenstation und ging zum Kommandostand. In dem befanden sich neben Wrex auch Primarch Fedorian und begutachteten Berichte über den Verlauf des Krieges.
 

Die Verlustmeldungen bleiben astronomisch, trotzdem gab es einzelne Meldungen von Erfolgen, die für Hoffnung sorgten. Die Probleme beschränkten sich dabei natürlich nicht nur auf die Kämpfe. Milliarden von Flüchtlingen in der ganzen Galaxie versuchten dem Vormarsch der Reaper zu entkommen, allein auf der Citadel trafen mit jedem Tag mehr und mehr Flüchtlinge ein, die Versorgungslage blieb durch den Wegfall vieler produzierender Planeten und die Blockade ganzer Sternensysteme angespannt und drohte vielerorts zu kollabieren, wo es ohnehin nicht schon der Fall war. Der Krieg mit den Reaper blieb das Hauptproblem, doch die Folgen die sie mitbrachten waren genauso schlimm – trotz so mancher Erfolge
 

Kaum hatte Shepard den Kommandostand betreten kam sofort Wrex auf ihn zu.

„Kann ich etwas für Sie tun?“, reagierte Shepard höflich.

„Haben Sie einen Moment? Unter vier Augen.“, sprach Wrex mit Blick auf Fedorian.

Dem entging das natürlich nicht und schüttelte einfach nur den Kopf.
 

Die Beziehung zwischen den beiden war momentan etwas eisig und Shepard saß genau zwischen den beiden. Grund dafür war Fedorian, der Shepard vor ein paar Tagen überraschend um einen Einsatz bat, von dem Wrex nichts mitbekommen sollte. Scheinbar hatten die Turianer irgendein Gerät auf Tuchanka verloren und ein erster Bergungsversuch scheiterte. Ein turianischer Kreuzer musste dabei nach einem Gefecht mit Reapern notlanden. Shepard konnte mit seinem Team die belagerte Besatzung befreien und gemeinsam machte man sich dann auf den Weg besagtes Gerät zu bergen. Das Problem nur: Jemand kam ihnen zuvor. Vor Ort fand man haufenweise tote Körper von Cerberus-Soldaten, Reaper-Kreaturen und Kroganern, sowie die Spuren eines schweren, ausgedehnten Kampfes. Es war eindeutig. Frische Explosionskrater, noch immer kohlende Leichen, Spuren von Massebeschleuniger- und Energiewaffen. Die Reaper und Cerberus mussten erst kürzlich hier aufeinander getroffen sein, wobei in der Nähe befindlichen, einheimischen Kroganern der Kampf nicht verborgen blieb und sie kurzerhand mitmischten. Das Schlachtfeld sah sogar danach aus, als hätten die Kroganer die beiden anderen Parteien regelrecht auseinander genommen. Wenig verwunderlich, denn die zerklüftete Gegend war für den Nahkampf prädestiniert

Doch wer von den dreien wirklich siegreich war und besagtes Gerät erbeuten konnte ließ sich im Nachhinein nicht sagen, denn es gab keine Überlebenden. Genauso wenig um was es sich bei diesem Gerät handelte. Fedorian weigerte sich beharrlich diesbezüglich eine Auskunft zu geben. Shepard vermutete das es sich um eine alte Waffe handeln könnte, die man für den Fall eines Wiederauflebens der Kroganischen Rebellionen als „Sicherheit“ zurückgelassen. Das etwas derartiges in die Hände von Cerberus, oder den Reapern gelangt sein könnte war ein Alptraum. Verwunderlich blieb nur warum sie dann nicht eingesetzt wurde, um den Kroganern endgültig den Gar auszumachen, vorausgesetzt es war überhaupt eine Waffe. Wrex blieb diese Heimlichtuerei natürlich nicht verborgen und reagierte dementsprechend ungehalten. Glücklicherweise galt Wrex Wut in dem Fall ausschließlich dem turianischen Primarchen.
 

Shepard sah Wrex an und mit einem kurzen „Folgen Sie mir.“, führte er ihn in den angrenzenden ÜLG-Kommunikationsraum.

„In Ordnung. Um was geht es?“, fragte Shepard, als sich hinter ihnen die Tür schloss.

„Wir haben den Kontakt zu einem Kundschafter-Team verloren. Sie sind letzten Meldungen zur Folge angeblich Aktivitäten der Reaper nachgegangen. Es war sogar von Rachni die Rede.“

„Rachni?“, musste Shepard da unweigerlich fragen.

„Kaum zu glauben. Ich habe sofort Verstärkung geschickt. Die Kompanie Aralakh. Eine Elite-Einheit. Beinharte Knochenbrecher und Schädelspalter. Die besten Soldaten die man kriegen kann. Nur zu beiden Einheiten brach der Kontakt ab und ich will die nicht verlieren. Angeblich sollen sie eine Reaper-Fabrik gefunden haben. Alles ganz schön verrückt, nicht wahr?“
 

Shepard wunderte sich darüber nicht. Von den Reapern modifizierte Rachni, sogenannte Verwüster, hat er bereits auf Palaven angetroffen. Und wenn man hier nun ein Produktionszentrum dafür gefunden hat, dann war das eine ideale Gelegenheit den Reapern einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Und wenn nicht, dann gab es immer noch die kroganischen Truppen, deren Verbleib man in Erfahrung bringen und die gegebenenfalls für sich gewinnen konnte.
 

„Geben Sie mir die Koordinaten. Wir werden uns dem schnellstmöglich annehmen.“, sagte Shepard.

„HA! Das nenne ich Kampfgeist! Ich wusste das auf Sie Verlass ist!“, blaffte Wrex und boxte Shepard vor Freude leicht gegen die Schulter.

„Gibt es sonst noch etwas was ich wissen sollte?“

„Nein, das war es soweit.“

Shepard grummelte kurzeitig und täuschte ein Grinsen vor. Wrex hatte ihn nur hier her gezogen, um Fedorian zu ärgern. Hoffentlich legten die beiden ihre Differenzen schnellstmöglich bei, denn das war einfach nur kindisch.
 

Shepard und Wrex verließen den ÜLG-Kommunikationsraum und gingen zurück in den Gefechtsstand, wo Wrex am zentralen Hauptpult kurzerhand ihr neues Ziel aufrief. Dabei handelte es sich um den Planeten Utukku im Ninmah-Cluster. Das war ein gutes Stück entfernt, beinahe einen Umweg um die halbe Galaxie herum. Dank der Massenportale war es nur ein kleiner Abstecher. Allerdings musste man dabei einige Umwege in Kauf nehmen, um von den Reapern besetzte Systeme zu vermeiden.

„Joker, wir haben ein neues Ziel. Ich sende Ihnen die Koordinaten.“, sprach Shepard über das Interkom.

„Verstanden, Commander, aber …“, lautete die zögerliche Antwort.

„Aber was?“

„Ibro wird etwas enttäuscht sein. Wir wollen doch weiter Reaper jagen.“

„Sagen Sie ihm, dass die Möglichkeit besteht den Reapern einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Wir haben hier wahrscheinlich eines ihrer Produktionszentren gefunden.“

„Ich höre Sie, Shepard. Ich stehe direkt neben Ihrem Piloten. Wenn Sie ein besseres Ziel haben, dann habe ich nichts dagegen. Ich werde mal bei unserem Oberkommando anfragen, ob wir in irgendeiner Form Verstärkung erhalten können.“, ertönte Ibros Stimme über das Interkom.

Shepard konnte sich darüber nicht beschweren. Zusätzliche Feuerkraft war nie verkehrt. Er hoffte nur, dass die Morjaner es nicht übertrieben. Ohnehin fragte er sich ob sie da überhaupt eine Grenze zogen. Damit war letztendlich auch dieses Thema abgeschlossen und die Normandy machte sich auf den Weg zu ihrem nächsten Ziel.

Die Reise nahm ein paar Stunden in Anspruch und gab Shepard genug Zeit sein Team zusammenzustellen und sich auf den bevorstehenden Einsatz vorzubereiten.
 


 

„Erreichen jetzt das Mulla Xul-System.“, meldete Joker, als sie das Massenportal passierten.

„Seien Sie vorsichtig. Wir wissen nicht was uns erwartet.“, ermahnte Shepard, der hinter Joker in voller Kampfmontur stand.

„Tarnung und passive Sensoren aktiv.“, erwiderte Joker davon unbeeindruckt, als sie ihm System ankamen. „Wollen wir mal sehen … keine Schiffe in unmittelbarer Nähe … und scheinbar sind wir die einzigen in diesem System.“,

„Haben Sie bereits etwas von Ihrem Oberkommando gehört?“, wandte sich Shepard an Ibro, der an Stelle von EDI in deren Pilotensessel neben Joker saß.

„Man sagte mir nur man will eine Sondereinsatzgruppe schicken. Keine Ahnung was die beinhaltet.“

„Reguläre Bodentruppen? Eliteeinheiten? Oder nur ein orbitales Bombardement?“, harkte Shepard nach.

„Vielleicht den Todesstern.“, witzelte Joker, woraufhin Ibro ihn irritiert ansah.

„Wie … gesagt … die genaue Zusammensetzung dieses Verbandes ist mir unbekannt, genauso wie deren voraussichtlicher Zeitpunkt der Ankunft. Ich weiß nur das sie auf dem Weg sind.“

Shepard gefiel das gar nicht. Er hatte auf schlagkräftige Feuerkraft zur Unterstützung gehofft. Stattdessen war er nun gezwungen diesen Einsatz für den Anfang nur mit seinem Team zu bestreiten. Die einzige Verstärkung, auf die er in dem Moment hoffen konnte, war die Kompanie Aralakh – vorausgesetzt sie wurde noch nicht vernichtet. So durchflog die Normandy das System und näherte sich ohne irgendeinen Zwischenfall dem Planeten Utukku.

Shepard seufzte und blickte zu EDI und Liara, die in voller Ausrüstung hinter ihm standen. Die drei mussten ihre Taktik nun entsprechend anpassen und deutlich verdeckter vorgehen. Die Bewaffnung und Teamauswahl konnte dagegen bestehen bleiben. Shepard trug ein Avenger Sturmgewehr und Liara und EDI beide verschiedene Maschinenpistolen. Sie hatten eine etwas leichtere Ausstattung gewählt, damit sie umso mehr Sprengladungen tragen konnten.

„Joker, ich leihe mir dann mal EDI aus.“, witzelte Shepard humorvoll.

Joker war das natürlich nicht entgangen und nahm das zähneknirschend hin.

„Bringen Sie sie mir ja zurück! Intakt! Unbeschädigt“, erwiderte Joker., während sich Shepard mit seinem Team zum Hangar begab.

„Ohne Kratzer!“, rief Joker noch den Gang hinunter und blickte Shepard hinterher.

Ibro betrachtete die Szene wortlos. Er, wie so viele seiner Artgenossen ebenfalls, hielt nicht viel von empfindungsfähigen, selbstständig denkenden und handelnden KIs und wusste nicht was er von all dem halten sollte.

„Eine Fragte.“, begann er kurzerhand.

„Ja?“, erwiderte Joker.

„Was ist ein Todesstern?“, fragte Ibro, der dabei eine galaktische Anomalie dachte.

Joker sah Ibro für einen Moment an, bis er plötzlich anfing herzlich zu lachen, was diesen umso mehr verwirrte.
 

Shepard und sein Team bestiegen unterdessen den Aufzug und fuhren hinunter zum Hangar, wo bereits Amara vor ihrer Fähre wartete und salutierte, als die drei auf sie zukamen.

„Bereit für den Einsatz, Commander!“, sprach sie zackig.

„Sehr gut. Wir starten sofort. Sie wissen wo wir hin müssen?“, fragte Shepard routiniert.

„Ja. Ich erhielt von dem Kroganer die letzten bekannten Koordinaten seiner Truppen. Ich werde sie ganz in der Nähe absetzen, vorausgesetzt es gibt in der Gegend keine Flugabwehr. Wir haben zwar ein Tarnsystem, aber unsichtbar werden wir dadurch noch lange nicht.“

„Verstanden. Dann los.“

Amara salutierte erneut und die vier nahmen im Shuttle Platz. Amara zündete die Triebwerke und im nächsten Moment bugsierte sie die Fähre aus dem Hangar der Normandy und steuert auf den Planeten zu.
 

„Ibro wollte nicht mit, oder?“, fragte Amara, während sie sich im Anflug befanden.

„Er hat sich diesbezüglich zumindest nicht geäußert … warum fragen Sie?“, entgegnete Shepard.

„Och … nur so.“, kam die etwas zögerliche Antwort und danach Schweigen.

„Amara?“, harkte Shepard nach, um eine genauere Antwort von ihr zu bekommen.

„Es … hat mich einfach … interessiert.“, antwortete Amara nach einiger Zeit.

Liara sah Shepard kurzerhand grinsend an und harkte ihrerseits neugierig nach,

„Es, oder wohl … Er?“

„Ähm …“, wurde Amara plötzlich wieder ganz still und das lag nicht daran das sie sich nun auf den Tiefflug durch das zerklüftete Gelände konzentrieren musste. „Eigentlich hatte er mich anfangs gar nicht interessiert. Wir sind nur ins Gespräch gekommen, weil er mein Shuttle begutachtete und ich ihn dabei überraschte. Seine erste Frage an mich war, ob meine dunkle Hautfarbe irgendeine Bedeutung hat. Ich war … sprachlos. Was für ein Idiot, dachte ich in dem Moment.“
 

Shepard musste sich da ebenfalls wundern. Es erinnerte an uralten Rassismus wie er einst auf der Erde in den vergangenen Jahrhunderten praktiziert wurde. Durch den Aufbruch ins All war diese Form von Rassismus weitestgehend ausgestorben, hatte sich gewandelt und richtete sich nun gegen andere Spezies.
 

Amara seufzte und fuhr fort.

„Ich war … einfach nur sprachlos … Ich brachte kein einziges Wort hervor … Ibro wunderte sich über das Ausbleiben einer Antwort und wurde deshalb genauer. So fragte er ob meine Haut irgendeinen Vorteil bietet … beispielsweise als natürlich Tarnung bei Nachteinsätzen … Es war so … abwegig, das es einen Moment gedauert hat bis ich verstand das er einen rein funktionellen … pragmatischen Gedankengang hatte. Eigentlich kaum verwunderlich, wenn bei denen alle käse-bleich herumlaufen. Ich erklärte ihm, dass meine Hautfarbe nur eine natürliche Variation ist. Er fragte mich daraufhin, ob er meine Haut mal anfassen darf.“

„Haben Sie es ihm erlaubt?“, fragte Shepard.

„Ja, wenn er im Gegenzug mich auch mal ranlässt.“, sprach Amara und lachte. „Er hat Ja gesagt.“

„Und … wie ist … morjanische Haut so?“, fragte Liara.

„Zäher als bei einem Menschen. Man könnte meinen es ist etwas … festes, lederartiges unter der normalen Haut … zumindest kommt es dem etwas nahe. Ibro selbst war überrascht wie weich doch meine Haut sei. Ich fragte ihn ob er überhaupt schon mal eine Frau angefasst hat und scheinbar war ich seine erste … naja … zumindest seine erste menschliche. Das hat das Eis soweit gebrochen und seither kommt er immer wieder gerne zum Quatschen vorbei. Ich habe sogar schon mit ihm geflirtet.“

„Sie haben … mit einem Morjaner geflirtet?“, klang Liara überrascht.

„Ich wollte … nur mal sehen wie er reagiert … natürlich hat es durchschaut … irgendwann … es hat lange gedauert … außerdem habe ich dann erfahren, dass er schon vergeben ist.“

„Sie haben mit Ibro geflirtet, ohne zu wissen, dass er bereits vergeben ist?“, wiederholte Liara, woraufhin Amara nichts mehr sagte.

„Amara.“, sprach Shepard wieder in einem langgezogenen, neckischen Tonfall.
 

Ehe das Gespräch weiter geführt werden konnte machte das Kodiak-Shuttle einen ruckartigen Schwenk zur Seite, vollzog eine Rolle und stabilisierte sich kurzerhand wieder. Wären Shepard und Co. nicht angeschnallt gewesen, so hätte es sie garantiert kreuz und quer durch die Kabine geschleudert. Um sie ordentlich durchzuschütteln reichte es dennoch.

„Sorry, ich musste einer Felsformation ausweichen.“, sagte Amara in einem äußert zynischen Tonfall.

„In unserer gegenwärtigen Flugbahn befand sich kein Hindernis“, entgegnete EDI.

„Ach, ich wusste gar nicht, dass Sie die Maschine fliegen!“, ergänzte Amara nun deutlich ungehaltener und stellte damit auch ihren Unmut über die Entwicklung des vorhergegangenen Gesprächsthemas klar. „Egal … wir nähern uns unserem Zielpunkt. Macht euch bereit für ein schnelles Absetzen. Ich verschwinde sofort wieder und verstecke mich in der Nähe. Wenn was sein sollte kann ich euch sofort rausholen.“

„Verstanden. Wir melden uns, wenn wir Sie benötigen.“, bestätigte Shepard und machte sich mit seinem Team an den Luken zum Ausstieg bereit.

Amara näherte sich einer kleinen Lichtung und ging knapp drei Meter über dem Boden in den Schwebeflug. Im selben Moment öffnete sie die Seitentüren aus denen genauso schnell ihre Passagiere stiegen. Die Landung nach dem Sprung aus drei Metern Höhe nahm man durch die Rüstung kaum wahr. Amara beschleunigte sofort und manövrierte ihr Shuttle im Tiefflug durch die felsige Umgebung, verschwand kurzerhand aus den Augen und suchte sich einen geeigneten und sicher Landeplatz.

Shepard, Liara und EDI setzten unterdessen ihren Weg zur letzten bekannten Position des kroganischen Späherteams fort.
 

Das Vorankommen gestaltete sich als überraschend einfach, da es bereits einige halbwegs brauchbare, wenn auch steinige Wege gab, die durch die Felsen führten. Ganz in der Nähe soll sich zudem das Lager der Kroganer befinden. Shepard vermutete das er dort am ehesten Hinweise auf deren Verblieb finden konnten, vielleicht sogar die Kroganer selbst antreffen konnte, da sich diese Position relativ leicht verteidigen ließ. Dass sie außer dem Jaulen des Windes, der durch die Felsen pfiff, sonst nichts hörten machte ihnen Sorgen. Versuche das Team über Funk zu erreichen erwiesen sich als vergeblich. Selbst die Normandy konnte nichts entdecken. Joker überwachte die Bewegung von Shepards Team und deren Umgebung mithilfe leistungsstarker Sensoren, getarnt, vom Orbit aus. Sogar das sie auf keinerlei Gegner trafen erhöhte die eigene Unsicherheit über die Lage. So bahnte man sich einen Weg durch das Geröll und beobachtete mit wachsamem Auge die Umgebung.

„Das kroganische Feldlager liegt hinter diesem Vorsprung.“, wies EDI bei einer nahen Felsformation hin.

„In Ordnung … hoffen wir das Beste.“, entgegnete Shepard, der sich innerlich bereits auf das Schlimmste gefasst machte und, wie alle anderen, seine Waffen überprüfte bereit machte.

Vorsichtig näherten sie sich dem Felsvorsprung und lunzten an dessen Ecke vorbei.
 

Ihnen bot sich ein Bild des Grauens.
 

Inmitten eines großen Plateaus, umgeben von Klippen, stand die verkohlten Ruinen mehrerer dieser containerartigen Fertighäuser, und darum verteilt lagen ein paar verkohlte Leichen von Kroganern und noch ein Vielfaches mehr, geradezu bergeweise Reaper-Kreaturen, vornehmlich Husks, Kannibalen und einige Marodeure. Es war hier definitiv zu einem Kampf gekommen. Die Kroganer hatten sich mit Sicherheit tapfer gehalten, doch am Ende wurden selbst sie von dieser Übermacht überrollt. Mit seinem Sturmgewehr im Anschlag kam Shepard aus der Deckung hervor und begann sich mit langsamen Schritten den Resten der Fertighäuser zu nähern.
 

Im nächsten Moment, kaum dass er richtig aus der Deckung draußen war, bemerkte er eine Bewegung bei einem der Gebäude, doch ehe er reagieren konnte nahm man ihn unter Beschuss. Schweres MG-Feuer donnerte aus einem der Fenster los. Shepard bekam einige Treffer ab, die seinen Schild arg in Mitleidenschaft zogen. Er entkam dem nur mit größter Not, indem er wieder zurück in Deckung hinter den Felsvorsprung warf und den Schutt hinunter rollen ließ. Liara streckte einen Arm hinter dem Vorsprung hervor und erwiderte mit ihrer Maschinenpistole mehr ungezielt das Feuer. Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten. Eine Granate flog zurück und traf den Vorsprung. Die nachfolgen Explosion zwang das ganze Team sich erneut zu Boden zu werfen, während weiterhin der ein Kugelhagel über sie hinweg jagte.

„Konnten Sie sehen wer da auf uns schießt?!“, fragte Shepard, als eine weitere Granate in ihrer Nähe einschlug und erneut einen Regen aus Schutt und Schotter über sie nieder gehen ließ.

„Nein, ich habe einfach nur spontan zurück geschossen … Sagen Sie bitte nicht das sind die Kroganer.“, erwiderte Liara, die erkannte, dass sie damit die Situation nur noch komplizierter gemacht hatte.

„Die Möglichkeit besteht. Von der Akustik kann ich auf mindestens zwei M-76 Revenants schließen. Standard-Reaper-Energiewaffen schienen nicht präsent zu sein. Ich benötige mehr Daten um ihre Wahrscheinlichkeit zu bestimmen.“, ergänzte EDI.

„Dafür haben wir keine Zeit … FEUER EINSTELLEN!!! NICHT SCHIESSEN!!! FRIENDLY FIRE!!! HIER SIND VERBÜNDETE!!!“, brüllte Shepard aus der Deckung hervor, doch seine Worte gingen im Gefechtslärm unter, dennoch versuchte er es weiter.

Als einige der Schützen ihre Thermomagazine wechseln mussten ergab sich eine äußerst kurze Pause, in der seine Worte endlich Gehör fanden. Die Tatsache, dass das Gefecht ohnehin sehr einseitig verlief blieb dabei wohl keineswegs unbemerkt.

„WER IST DA?! IDENTIFIZIEREN SIE SICH?!“, rief eine tiefe, ungehalten klingende Stimme über die Ebene.

„SHEPARD!!! JOHN SHEPARD!!! ALLIANZ … NAVY!!! SPECTRE!!!“

„SHEPARD?! ETWA … DER SHEPARD?!“

„JA!!!“
 

Auf diesen kurzen, verbalen Austausch hin kehrte für einen kurzen Moment spontan Ruhe ein. Shepard wusste das ihm sein Ruf als erster, menschlicher Spectre weit voraus eilte und das konnte manchmal ausgesprochen hilfreich sein, um brenzlige Situationen zu entschärfen. Hoffentlich würde das hier und jetzt ebenfalls der Fall sein.
 

„ZEIGEN SIE SICH!“, forderte die Stimme lautstark.

„Oh je.“, murmelte Shepard und seufzte, als er aufstand.

„Ziehen Sie es in Betracht?“, fragte Liara unsicher.

„Wenn Sie eine bessere Idee haben, dann bin ich ganz Ohr.“

Die hatte Liara spontan leider nicht zur Hand und Shepard genauso wenig. An eine Falle der Reaper glaubte er nicht, denn deren Truppen hatten bislang nie den Versuch unternommen mit jemandem auf diesem Niveau zu kommunizieren. Zu viel Anspannung und juckende Zeigefinger an den Abzügen und sonstigen Waffenauslösern hatten zu der gegenwärtigen Situation geführt. Unter den Gesichtspunkten hielt Shepard die Idee, einfach so die Deckung zu verlassen, für nicht mehr ganz so prickelnd. Er überprüfte, dass sein kinetischer Schild voll aufgeladen war und hielt ein zusätzliches Batteriepack in Bereitschaft, um es im Notfall direkt aktivieren zu können. Das sollte seine Überlebenschancen im Notfall deutlich erhöhen.

„Wünscht mir Glück … ICH KOMME JETZT RAUS! NICHT SCHIESSEN!“, rief er, als er mit erhobenen Händen hinter dem Vorsprung aus der Deckung kam und für alle klar erkennbar stehen blieb.
 

Shepard inspizierte die Umgebung für den Fall das er wieder beschossen werden sollte. Vor ihm lag ein halbwegs freier Platz mit wenig Deckung in direkter Nähe. Lediglich ein paar Barrikaden, Felsbrocken, oder Versorgungskisten, die gerade mal hoch genug waren, dass man dahinter kauern konnte, oder, ganz morbide, die Berge an leblosen Körpern der Reaper-Kreaturen, boten sich als Deckung an. Sie alle eigneten sich dazu um Gewehrbeschuss standzuhalten, zumindest für eine Zeit lang, doch Granatwerfer würden mit ihnen kurzen Prozess machen. Shepard bemerkte wie gut ein halbes Dutzend roter Punkte von Laserzielhilfen wirr über seinen Körper wanderten. Ihm war sofort klar, dass es unmöglich war rechtzeitig in Deckung zu hasten, ohne bei dem Versuch drauf zu gehen. Weder sein Schild, noch seine Rüstung könnten diesem konzentrierten Beschuss standhalten. Vielleicht würde eine Adrenalin-Injektion, gefolgte von einem Verstärker für die Barrieren und das Batteriepack helfen, sollte er wieder beschossen werden, doch darauf wollte Shepard es beim besten Willen nicht ankommen lassen. Zu oft hatte er sein Glück strapaziert und zu oft war er nur haarscharf mit heiler Haut davon gekommen. Es war nur eine Frage Zeit bis ihn sein Glück auf tragische Art und Weise verlassen würde. Dieses Mal wollte er nichts riskieren. Zudem war der Gedanke wegen eines Missverständnisses von potentiell befreundete Einheiten erschossen zu werden nicht besonders einladend.
 

Shepard atmete tief durch und führte seine Hände langsam an seinem Helm. Er löste die Halterungen und hob ihn langsam vom Kopf, damit man sein Gesicht klar erkennen konnte. Im Ernstfall würde es ohnehin nichts ändern, zumindest nicht in der gegenwärtigen Lage. Shepard schloss seine Augen, atmete tief durch und stand einfach nur da. Für einige Sekunden geschah rein gar nichts. Abgesehen vom Wind hörte man auch nichts. Dann sah er wie eine massive Gestalt aus dem Gebäude direkt auf ihn zu marschiert kam. Es war ein Kroganer, ganz offensichtlich, und nicht irgendeine von den Reapern pervertierte Kreatur. Mit einer gewaltigen Schrotflinte in beiden Händen an der ein ebenso langes Bajonett befestigt war kam der Kroganer in seiner silbrig-weißen und verdreckten Rüstung auf Shepard zu. Der musste gleich zweimal genau hinschauen, wenn er da vor sich hatte.

„Grunt?!“, stieß er sichtlich überrascht aus.

„Shepard!“, erwiderte dieser überschwänglich.

Grunt stürmte regelrecht auf Shepard zu, schlug seine Arme um ihn und hob ihn hoch. Shepard fühlte sich wie das Stofftier eines Kindes, das von diesem geradezu durchgeknuddelt wurde. Shepard stöhnte dabei kurz auf, als Grunt ihn mit einem geradezu eisernen Griff drückte und dabei fast schon die Luft abdrückte. Glücklicherweise ließ Grunt ihn kurzerhand wieder runter.

„Mit Ihnen habe ich ja überhaupt nicht gerechnet! Was machen Sie denn hier?!“, freute er sich sichtlich.

„Ich bin ebenso überrascht Dich hier anzutreffen. Ich wurde zur Unterstützung der Kompanie Aralakh geschickt. Sag bloß Du gehörst dazu.“

„Gehören? HA! Ich bin ihr Kommandant!“, tönte Grunt vollmundig, während hinter ihm gut 14 schwer bewaffnete Kroganer in schwarz-gräulichen Rüstung aus der Ruine kamen und sich hinter ihm aufstellten.

Es war überraschend zu sehen wie viele Kroganer sich geradezu perfekt in den Gebäuderesten versteckt hatten. Würde man ihnen bei ihrer Größe gar nicht zutrauen. Ihren Glanz hatten sie allerdings längst eingebüßt und dafür gegen Dreck, Beschädigungen und getrocknetem Blut eingetauscht.

„Ich bin beeindruckt, aber … wo ist der Rest der Kompanie Aralakh. Sag bitte nicht das das alle sind.“, wunderte sich Shepard.

„Ein kleiner Teil steht vor Ihnen. Die Rest, zumindest was von dem noch übrig ist, verteilt sich über die ganze Region …“
 

Ehe Grunt seine Ausführungen vertiefen konnte vernahmen alle Anwesenden ein lautstarkes Kreischen und blickten wir in alle erdenklichen Himmelsrichtungen, um dessen Ursprung zu ermitteln.

„HEUSCHRECKE!“, rief einer der Kroganer.“

„Verdammt … Kommen Sie, Shepard! Wir müssen in Deckung!“, sprach Grunt und hastete mit den anderen zurück zu den Ruinen.

„LIARA, EDI!“, rief und winkte Shepard und die beiden kamen aus ihrer Deckung hervor und hasteten ebenfalls im Eilschritt zu den Ruinen, in denen alle gemeinsam in Deckung gingen.
 

Die Heuschrecke, jetzt eine von den Reapern entstellte Abscheulichkeit, landete in Sichtweite der Ruinen auf den nahen Klippen und überblickte von dort weitläufig das Areal. Die Kreatur versuchte den Ursprung der nur kurz zuvor vorausgegangenen Kämpfe auszumachen. Allem voran die Explosionen waren kilometerweit zu hören. Die Reaper wussten, dass es noch vereinzelte Überlebende geben musste und suchten auch dementsprechend nach ihnen. Nur das bergige Terrain und die damit verbunden Echos machten eine genau Lokalisierung schwierig, weshalb sie besonders auf Lufteinheiten angewiesen waren, um das Gebiet zu überwachen und von denen hatten sie scheinbar nicht genug.
 

„Kein Wort, keine Bewegung. Vielleicht fliegt es weiter.“, flüstere Grunt.

Er, die Kroganer, sowie Shepards Team versteckten sich in den Überresten der Fertighäuser und drückten sich allesamt an die Wände und zu Boden. Keiner traute sich auch nur ansatzweise heraus zu lunzen, in Angst sie könnten dadurch ihre Position verraten. Shepard spürte sogar die Angst der Kroganer.

Wer weiß was Grunts Trupp bislang durchstehen musste, nur um bis jetzt zu überleben. Sollte das jetzt etwa das Ende sein? Shepards Gedanken rasten bereits. Schwere Waffen, wie Granat-, oder Raketenwerfer, standen ihnen zur Verfügung, wenn auch begrenzt, und würden mit Sicherheit sogar ausreichen, um die Heuschrecke zu erledigen, doch was würde folgen? Weitere Bodentruppen? Horden an Husks? Noch mehr Heuschrecken? Könnten sie dagegen bestehen? Dauerhaft würden diese Ruinen zu einer Todesfalle werden. Shepards Team hatte mehr leichte Waffen und jede Menge Sprengladungen mitgenommen, um die örtlichen Reaper-Anlagen zu zerstören. Amara, sowie die Normandy könnte sie notfalls unterstützen und rausholen, doch die Reaper-Fabrik, was immer sie war und weshalb man auch eigentlich auf diesen unwirtlichen Planeten gekommen war, würde weiter produzieren und die Reaper selbst könnten die Position sogar verstärken, bis ein Angriff unmöglich wird.
 

Unterdessen beobachtete die Heuschrecke weiterhin das Gebiet, doch als es niemanden entdeckte schien sie „ungeduldig“ zu werden. Anstatt weiter zu fliegen machte sie sich bereit zu feuern, um gegebenenfalls so eine Reaktion zu provozieren. Die Kreatur streckte ihren Hals hoch, nahm die Ruinen ins Visier und lud ihre Waffen auf, wahrnehmbar durch ein markantes, steigendes Summen.

„Shepard.“, warnte EDI.

Dieser wusste, dass sie handeln mussten und keine der zur Verfügung stehenden Optionen war optimal.

„Grunt … gleich wird es ungemütlich.“, sagte Shepard mit notgedrungenem Optimismus und alle anwesenden machten schon ihre Waffen bereit.

„Wie in den guten, alten Zeiten.“, erwiderte Grunt, während er seine Schrotflinte durch lud.

Shepard bezweifelte das diese Waffe in dieser Situation geeignet war und hielt den Granatwerferanbau seines Avenger-Sturmgewehrs bereit.
 

Ehe die Heuschrecke das Feuer eröffnen konnte wurde sie von einem Geschoss in den Rücken getroffen, welches dort explodierte. Die Kreatur wurde durch die Explosion nach vorne gedrückt und schien kurzfristig zu stolpern. Ein zweites Geschoss, eine Rakete, verfehlte dadurch ihr Ziel ganz knapp. Laut kreischend spreizte die Heuschrecke ihre Flügel und erhob sich in die Lüfte. Sie vollzog eine scharfe Kurve und wurde dabei kurzerhand von einem weiteren Geschoss mitten in der Luft getroffen, dessen nachfolgende Explosion einen Flügel der ohnehin schon angeschlagenen Heuschrecke abriss und diese unkontrolliert zu Boden stürzen ließ. Dem lauten Krachen des Aufpralls folgte wildes Gewehrfeuer, ein schrilles Geheul und das Zischen der Energiewaffen der Heuschrecke.
 

„Verbündete Einheiten?“, fragte Liara.

„Wahrscheinlich weitere Überlebende unserer Kompanie. Die verteilen sich über das ganze Gebiet.“, entgegnete Grunt

„Die haben dieses Biest weg gelockt!“, stieß kurzerhand lautstark auf. „Wir haben ein Fenster durch das wir entkommen können!“

„Das stimmt … DAS STIMMT!!! WIR HABEN IMMER NOCH EINEN AUFTRAG ZU ERLEDIGEN!!! UNSERE KAMERADEN SOLLEN NICHT UMSONST GESTORBEN SEIN!!! KOMPANIE ARALAKH, MIR NACH!!!“, tönte Grunt und stürmte nach draußen.

Die anderen Kroganer folgten ihm natürlich und Shepards Team bildete das Schlusslicht. Eigentlich hätte man einen stimmgewaltigen Ansturm erwartet, immerhin waren es Kroganer, doch die präsentierten sich als ausgesprochen diszipliniert, marschierten still, in einer perfekten Linie von den Ruinen, durch die Schlucht in Richtung eines in der Nähe liegenden Höhleneingangs. Kurz davor fanden sie die ausgebrannte Ruine eines weiteren Fertighauses, das halb an einer Felsspalte hing und den Eindruck machte es würde jeden Moment abstürzen wollen. Direkt vor dem Eingang, der ins Innere des Berges führte, stoppte der Trupp, ging in Deckung und überprüfte ein letztes Mal seine Waffen. Aufgeboten wurde beinahe alles, was laut war und viel Schaden verursachte. Einer der Kroganer, ein ganz stiller Zeitgenosse, trug sogar einen Flammenwerfer.

„Also Grunt, eine Ahnung was genau wie hier vor uns haben? Die letzten Berichte sprachen von einem Produktionsanlage und Rachni.“, harkte Shepard nach.

„Das stimmt. Von den Reapern verbesserte Rachni. Das die immer noch leben. Verrückt. Kaum zu glauben, was?“

„Ja, kaum zu glauben.“, gab Shepard zurück.
 

Es musste sofort an die Rachni-Königin denken, die er auf Noveria in die Freiheit entließ. Allmählich hatte er das Gefühl damals einen Fehler gemacht zu haben, ja einen schrecklichen sogar. Seit dem Treffen mit dieser Asari auf Illium, die Kontakt zu den Rachni hatte und als dessen Botin fungiert, hatte er nichts mehr von ihnen gehört. Insgeheim hoffte er ja sich zu irren, hoffte sogar das ein irgendein anderer Schwarm war, doch wie hoch standen dafür schon die Chancen.
 

„Rachni, Heh. Das ist die einmalige Chance einem uralten Feind noch mal zu begegnen und endlich einen Schlussstrich unter der Geschichte zu ziehen. Dem kann kein Kroganer widerstehen.“, fuhr Grunt fort.

Shepard konnte das nur mit einem falschen Lächeln nickend bestätigen. Er sah das natürlich anders, was nicht heißt, dass er Grunt nicht verstehen konnte.
 

„Die Anlage befindet sich direkt … hier?“, musste sich Shepard wundern, da sich die Kroganer praktisch in nächster Nähe zu ihr verschanzt hatten.

„Nach unserer Landung hatten wir das Gebiet ausgiebig gescannt. Hier gibt es eine Vielzahl von Tunneln, die in einem zentralen Punkt zusammen laufen. Ausgehend davon wie schnell und aggressiv die Reaper auf uns reagiert haben sind wir hier mit Sicherheit richtig. Wahrscheinlich finden wir da unten sogar ein ganzes Nest vor. Ein Rachni-Nest. Heh.“, erklärte Grunt.
 

Eine massive Explosion ließ den Trupp zurück in Richtung der ungefähren Absturzstelle der Heuschrecke blicken. Deren Geschrei war mittlerweile verstummt, dafür dauerte das dortige Gefecht noch an. Besonders das anhaltende Gewehrfeuer, welches auf mindestens drei, oder vier Schützen hindeutete, zeigte das dieser Kampf noch lange nicht entschieden war.

„EDI, Lagebericht.“, wies Shepard an.

Vom Orbit aus ließ sie Joker mit der Normandy weiterhin die Umgebung überwachen und schickte diese Daten zu ihrem Körper am Boden, wo sie diese Informationen mithilfe einer Projektion von ihrem Universalwerkzeug an die anderen weiter gab.

Es zeigte sich das dieses andauernde Gefechte allerhand Reaper-Truppen aus der Umgebung anzog, sowie jene Einheiten, die zum Schutz des Fabrikkomplexes abgestellt waren. Aus einem weiteren Höhleneingang, gut hundert Meter weiter, marschiert ganze Schwärme bestehend aus allen erdenklichen Reaper-Kreaturen durch eine Schlucht in Richtung dieses Gefechtes.
 

Shepard warf kurz einen Blick hinüber zum Gebäude, das am Abgrund hing. Für einen Moment dachte er darüber nach einen Blick hinein zu werfen, ob etwas Verwertbares zu finden war. In der gegenwärtigen Zeit musste man nach jedem Strohhalm greifen, der sich bot. Doch bei seinem Glück erwartete Shepard, kaum dass er das Gebäude betreten würde, dieses garantiert mit ihm zusammen in den Abgrund stürzen würde und darauf hatte er absolut keine Lust. Er wollte sein Glück dieses Mal keineswegs überstrapazieren.
 

„Wir versuchen so lange wie möglich unerkannt zu bleiben. Sobald die Reaper merken was wir vorhaben werden sie uns mit Sicherheit alles entgegen werfen, was sie haben. Ich hatte auf Verstärkung gehofft, doch im Moment werden wir mit dem auskommen müssen was wir haben. Die Reaper wissen nicht wie nah wir ihnen sind, glauben sie hätten uns davon gejagt, doch ich sage euch wir zeigen ihnen was echte Kroganer drauf haben.“, schärfte Grunt allen ein.

„Ich übertrage dem Sprengteam die Kontaktdaten der Normandy. Joker überwacht weiterhin die Truppenbewegungen der Reaper und wird Bescheid geben, sobald sich etwas ändert.

„Mh.“, grunzte einer der Kroganer lapidar und nickte, der aber, wie alle anderen, über jede Hilfe ausgesprochen dankbar war.

„Perfekt … Alle bereit?“, fragte Grunt.

Kollektiv nickten alle anwesenden.

„In Ordnung, dann los.“, befahl Grunt.

Die ganze Gruppe setzte sich in Bewegung und gemeinsam schritt man nacheinander durch den Höhleneingang. Bereits nach kurzer Zeit war es so dunkel, dass man nicht mal mehr die Hand vor Augen sehen konnte und man war gezwungen die eigenen Lampen einzuschalten. Shepard, EDI und Liara besaßen leistungsstarke, aber empfindliche Nachsichtgeräte, genauso wie ein paar andere Kroganer, doch der ganze Rest des Trupps war nicht so gut ausgerüstet. Die vorhergegangenen Gefechte hatten einen Großteil der Ausrüstung verschließen, sodass gerade mal einfache Taschenlampen und Helmlampen zur Verfügung standen und das auch nur einem Teil des Trupps.

Die Höhle selbst wirkte wie ein natürliches Gebilde, kein künstlich angelegter Tunnel, obwohl es überraschend gerade war, nur hier und da mit ein paar Windungen. Vielleicht traf man bislang auch deshalb auf keine einzige Kreatur der Reaper. Vielleicht wusste die nicht mal, dass es diesen Durchgang überhaupt gab, aber davon sollte man beim besten Willen nicht ausgehen und blieb dementsprechend vorsichtig. Genauso vorsichtig musste man beim Gang durch das felsige Gewölbe sein. Der Boden war überraschend feucht und glitschig. Mehrfach wäre beinahe schon so mancher ausgerutscht, sogar Shepard. Zum Glück sah niemand wie sich der berühmt/berüchtigte Commander Shepard beinahe unfreiwillig hingelegt hätte.

Bereits über 100 Meter tief war man in den Berg vorgestoßen und eigenartigerweise war man bislang auf keinerlei Form von Widerstand getroffen. Sogar Kontakt zur Normandy konnte man weiterhin halten. So wusste man, dass sich die verbliebenen und verstreuten Einheiten der Kompanie Aralakh weiterhin zähe Gefechte mit den Reaper-Bodentruppen lieferten und diese so weiter vom Berg weg lockten.
 

Das mochte auf den ersten Blick ideal wirken, war es aber keineswegs.
 

Es war nur eine Frage der Zeit bis die Reaper misstrauisch wurden, umschwenken und auf ihre ursprüngliche Ausgangspositionen zurückkehren würden. Jeder andere Kommandeur würde es so machen sobald er erkennt, wie sehr er seine Linien überspannt und seine Truppen zu sehr verteilt hatte. Dazu musste die vereinte Truppe um Grunt und Shepard nicht mal entdeckt werden. Man sah es nicht auf Anhieb, aber die Zeit saß ihnen im Nacken.
 

„Hört ihr das? Habt ihr das gehört?“, fragte Liara kurzerhand und sah sich ängstlich um.

Ein Kroganer hinter ihr schien leise zu lachen und außer vielleicht dem Wind, der leise durch die Höhle blies, oder den Wassertropfen, die von der Decke fielen, war nichts zu vernehmen.

„Bist Du sicher? Also ich höre nichts.“, wunderte sich Shepard und selbst EDI schwieg dazu.

„Doch! Das war so ein … Klackern“, erklärte Liara.

Die anderen sahen sich still an und konnten da nur mit den Schultern zucken. Zu Sehen und Hören war für sie definitiv nichts. Liaras Verunsicherung diente dabei sehr der Belustigung von so manchem Kroganer. Der Trupp setzte daraufhin seinen Weg fort, wenn auch langsamer und vorsichtiger, als zuvor. Liaras Verunsicherung war ganz klar auf so manchen übergesprungen. Nach nur ein paar Minuten trafen sie auf ein Hindernis.

Vor ihnen versperrte ein gräuliches Gewebe, fast schon so was wie ein chaotisches, formloses Spinnennetzt, den Weg und behinderte sie am weiteren Vordringen.
 

„Was ist denn das?“, grunzte Grunt und stocherte mit seinem Bajonett weitestgehend wirkungslos im Gewebe herum.

„Dieses Gebilde ist kein natürliches Produkt …“, präsentierte EDI ihre vorläufige Analyse, nur Liara unterbrach diese Ausführungen kurzerhand.

„DA! Dieses Klackern. Hört ihr es? Da war es schon wieder!“

„Har! Har! Har! Kleine Asari hat Angst im Dunkeln.“, machte sich der Kroganer hinter ihr über sie lustig.

Shepard ignorierte es, bis er plötzlich selbst etwas vernahm. Da war tatsächlich ein Klackern! Relativ leise und dennoch wahrnehmbar. Kein natürliches Klackern, wie beispielsweise ein paar Steine, die herunter fielen, sondern etwas … Mechanisches.

„Ich habe es auch gehört.“, sagte Shepard kurzerhand, was alle anderen besorgt aufblicken ließ.

Ruckartig drehte sich Shepard zur Seite und leuchtete mit seiner Helmlampe einen nahen Bereich aus, weil er dachte etwas gesehen zu haben, doch was es war wusste selbst er nicht. Dann war da wieder dieses Klackern. Alle blickten zur Seite auf einen Felsbrocken, an dem nun ein Käfer empor krabbelte. Zumindest hielten es alle im ersten Moment für einen Käfer, einen recht großen Käfer. Auf den zweiten Blick sah dieses übergroße Insekt aus wie eine Gottesanbeterin, nur ohne Scheren und eigenartigerweise in silbrig-metallischer Farbe. Erst als diese eigentümliche Lebensform einen schrillen, unnatürlichen Schrei ausstieß dämmerte allen, dass sie hier eine Reaper-Kreatur vor sich hatten. Der Kroganer, der sich eben noch über Liara lustig gemacht hatte, riss sein Gewehr hoch und im selben Moment sprang ihm das Insekt ins Gesicht. Die Kroganer schrie laut auf, stolperte zurück und fiel rückwärts zu Boden, wo er wie eine Schildkröte auf dem Rücken liegen lieg, und versuchte sich von dem übergroßem Insekt zu befreien, wobei er es durch seine Panik kaum zu fassen bekam. Fast alle zielten auf den Käfer, doch verständlicherweise traute sich keiner zu schießen, aus Angst stattdessen ihren eigenen Kameraden zu treffen. Ein Kroganer griff daher zu einer, für seine Art, recht ungewöhnlichen Lösung. Er packte seine Waffe am Lauf und holte aus.
 

Es war ein meisterhafter Schlag. In einem anderen Leben wäre dieser Kroganer mit Sicherheit ein begnadeter Golfspieler.
 

Mit dem Gewehrkolben traf er das Insekt und schleuderte es quer durch den Tunnel, gegen eine Wand knallte, zerplatzte und dort einen grünlichen Fleck hinterließ.

Zwei Kroganer halfen ihrem Kameraden auf und der Rest des Trupps stellte sicher, dass sich in ihrer Nähe nicht noch weitere Kreaturen herum trieben.
 

Dann plötzlich vernahmen alle so was wie einen Schrie, in einer ausgesprochen tiefen Tonlage, der wie ein Echo ihnen aus den Tiefen des Gewölbes entgegen schlug.

„Commander, bitte melden!“, ertönte Jokers Stimme, die ausgesprochen panisch kling.

„Ich höre. Was ist los?“, antwortete dieser.

„Alle Reaper-Truppen in dem Gebiet kehren um! Sie haben die Verfolgung abgebrochen und kommen zurück!“

„Haben sie ein ungefähres Zeitfenster?“

„Zwölf Minuten maximal. Schwankungen möglich.“, sagte EDI, die neben ihm stand.

„Ok … Verstanden. Joker, halten Sie sich bereit. Wir brauchen wahrscheinlich Luftunterstützung und eine schnelle Abholung.“, gab Shepard weiter.

Er atmete kurz durch und wandte sich daraufhin an die Kroganer.

„Wir sind aufgeflogen! Die Reaper kommen zurück! Wir haben maximal zwölf Minuten! Entweder brechen wir ab, oder wir setzen unsere Mission fort. Doch ich habe keine Ahnung was uns noch erwartet …“

„NEIN!!!“, tönte Grunt lauthals. „Unsere Kameraden sind nicht umsonst gestorben! Wir haben noch eine Rechnung zu begleichen! Reißt dieses Netz nieder!“

„Wir könnten sprengen ...“, begann einer der Kroganer.

„Davon rate ich ab. Die Wahrscheinlichkeit der Durchgang einstürzt liegt bei …“, wollte EDI ausführen und ehe sie dazu kam trat ein anderer Kroganer ins Bild.

„Verbrennen!“, sagte jener, der den Flammenwerfer trug und richtete diese auf das Netz.

Ein kurzer Druck auf den Auslöser genügte und ein Feuerstoß verließ seine Waffe und setzte das Netz augenblicklich in Brand. Trotz des Zischens und Lodern des Feuers war ganz eindeutig das Lachen des ansonsten so stillen, aber definitiv pyromanisch veranlagten Kroganers zu hören.

„KOMPANIE ARALAKH!!! ANGRIFF!!!“, brüllte Grunt und stürmte vor.

Der ganze Trupp folgte ihm ohne zu zögern. Noch während das Netz brannte, rannten sie durch den erstbesten entstanden Durchgang und somit tiefer in den Berg hinein. Shepard und sein Team stand anfangs etwas abseits, doch entschied sich kurzerhand ebenfalls zu folgen.

„Hältst DU das für eine gute Idee?“, fragte ihn Liara.

„Nein, aber sollten wir Grunt und sein Team etwa alleine lassen?“, erwiderte Shepard.

„Natürlich nicht!“

„Eben. Außerdem sind wir hier gut aufgehoben. Dann wo ist es sicherer, als bei einem ganzen Trupp wütender Kroganer mit denen man verbündet ist?“

„Die Veränderung der taktischen Situation verringert die Erfolgschancen unserer Mission signifikant. Und mit anhaltender Dauer der gegenwärtigen Lage verringern sich unsere Erfolgschancen kontinuierlich. Die Überlebenschance berechne ich gesondert.“, beurteilte EDI.

„Danke, aber im Moment will ich sie nicht wissen … Wann war es denn je einfach.“, erwiderte Shepard lapidar.

Kurz darauf betraten sie ein großes, offenes Gewölbe, eine Höhle, die überraschenderweise gut beleuchtet war. Shepard sah sich um und sah jede Menge Anzeichen von Reaper-Technologie. Schläuche und Kabel führten über den Boden und tiefer in den Berg hinein, irgendwelche Vorrichtungen, die aussahen wie übergroße Klauen hingen in den Felswänden, und weiter hinten sah man regelrechte Felder von etwas, was sich nur als gigantische, mutierte Pilze beschreiben ließ. Der Trupp verteilte sich und Shepard schloss zu Grunt auf.

„Ist das etwa die … Fabrik?“, wunderte sich Shepard.

„Nein. Das ist nur ein Vorraum. Die Hauptkammer liegt dahinter. Wir sind weniger als fünfzig Meter davon entfernt.“

Shepard bestätigte das mit einem Nicken und blickte auf seinen Chronometer. Gute zehn Minuten hatten sie noch. Die Chancen standen, verglichen mit alle den vermeintlich ausweglosen Situationen in denen sie bereits steckten, recht gut, auch wenn EDIs Analysen da etwas anderes sagen würden.
 

Mit einem Mal vernahm man ein stumpfes, aber lautes Stöhnen, das sogar ausgesprochen nah wirkte.

„REAPER!!!“, brüllte einer der Kroganer.

„IN DECKUNG!!!“, brüllte daraufhin Grunt.

Aus dem weiterführenden Tunnel auf der anderen Seite der Höhle kamen sie.

Dutzende und Aberdutzende an Kreaturen. Ein ganzer Schwarm. Vernehmlich Husks und Kannibalen, die von fünf Marodeuren begleitet wurden. Als Unterstützung folgten der Horde zwei Verwüster – die entstellten Rachni mit ihren zwei Geschützen am Kopf, denen Shepard auf Palaven zum ersten Mal begegnet ist.

Nur bei diesen hingen auf allen Seiten widerlich aufgequollene Fleischsäcke – anders konnte man es einfach nicht beschreiben. Wenigstens schienen keine Rohlinge vertreten zu sein – zumindest für den Moment.
 

Die Verwüster hielten sich nahe dem Tunneleingang und beharkten von dort gemeinsam die Kroganer mit ihren Energiegeschützen. Einem Kroganer rissen diesen mit konzentrierten Treffern praktisch in Stücke, als er es nicht rechtzeitig in Deckung schaffte. Die Marodeure verblieben nahe der Verwüster zu deren Schutz in Deckung, koordinierten so aus der relativen Sicherheit heraus die Reaper-Truppen und gaben gelegentliche Gewehrsalven auf ihre Gegner ab. Die Kannibalen übernahmen das Hauptfeld, feuerten scheinbar wahllos auf alle erdenklichen Ziele vor ihnen und schritten unnachgiebig voran. Es war schnell klar, dass das nur eine perfide Ablenkung war. Die Marodeure dirigierten die Husks über beide Seiten der Höhle um ihren Gegner so letzten Endes flankieren und überwältigen zu können.
 

Shepards Team und der Kompanie Aralakh blieb das nicht verborgen. Die raue Oberfläche der Höhle bot zwar eine Vielzahl natürlicher Deckungsmöglichkeiten, aber nur wenig Möglichkeiten, um sich effektiv verstecken zu können. Gemeinsam erwiderte man das Feuer, um die Reaper erstmals so gut es ging auf Distanz zu halten und ihre Reihen auszudünnen. Beide Seiten tauschten ein massives Gewehrfeuer untereinander aus und bewarfen sich gegenseitig mit Granaten. Energiegeschosse und Gewehrsalven schossen kreuz und quer durch die Höhle, trafen Felsen und Gestein, wo sie Splitter und Brocken absprengen, oder Personen auf ihre Schilde, oder Panzerungen. Die Kannibalen erlitten dabei verständlicherweise die schwersten Verluste, allem voran da sie die Deckung gänzlich zu ignorieren schienen. Lediglich die Marodeure unterstützten sie dabei, indem sie zu deren vordersten Linien ein Band aus Energie aufbauten mit dem sie einzelnen Kannibalen eine gepanzerte Schale verpassten. Derweil rückten die Husks ungehindert über die Flanken vor und erreichten ihre Ziele ungestört, aber nicht unbemerkt. Sie stießen ein dumpfes Grölen aus, als sie zum Sturm auf die Kroganer ansetzten. Grunt, der zusammen mit zwei weiteren Kroganern, ebenfalls an vorderster Front saß, war ihr erstes Ziel.
 

Shepard musste sich für einen Moment fragen, ob die Reaper wirklich wussten, was sie da machten. Immerhin waren sie soeben dabei einen Trupp kampferfahrener Kroganer, von denen sich jeder mit einem kroganischen Kampfmeister messen konnte, angeführt von Grunt, der als „perfekter Soldat“ gezüchtet worden war, im Nahkampf anzugehen.
 

Während ihm die anderen Kroganer Deckungen gab sprang Grunt auf und stürmte selbst auf die Husks zu. Mit seiner übergroßen Schrotflinte schoss er dem ersten Husk praktisch den gesamten Oberkörper weg. Der zweite dahinter bekam das Bajonett zu spüren und wurde mitten durch die Brust aufgespießt. Ein kurzer Schwung mit der Waffe reichte und Grunt schleuderte diesen quer durch die Höhle. Dem dritten zertrümmerte Grunt mit einem Kolbenschlag den Kopf.

„FÜR TUCHANKA!!!“, brüllte Grunt und warf sich mit weiteren Kroganern regelrecht in die Horde anstürmender Husks hinein.

Beim Anblick der Reaper-Kreaturen, die in alle erdenklichen Himmelsrichtungen durch die Luft flogen, mal vollständig, mal in Einzelteilen, bekam Shepard die Antwort auf seine Frage.
 

Nein.
 

Die Reaper wussten ganz offenbar nicht worauf sie sich da eingelassen hatten. Shepard hatte eigentlich mehr erwartet, zumal sie doch schon gegen die Kroganer gekämpft haben mussten. Scheinbar verwerten die Reaper taktische Erfahrungen nicht so sehr wie man es sonst gewohnt war. Wenig verwunderlich wenn man bedenkt das sie zumeist versuchten ihre Gegner mit schieren Massen an umgerüsteten Lebewesen zu überrennen. Beschweren konnte sich Shepard darüber natürlich nicht, immerhin rissen die Kroganer ihre Gegner fachgerecht in schöne, kleine, handliche Stücke.
 

Mehrere Energiegeschosse, abgegeben von einem Verwüster, trafen plötzlich Shepards Deckung und zwangen ihn sich zu Boden zu werfen.

„VERDAMMT!“, fluchte er.

„SHEPARD!“, vernahm er ganz deutlich Liaras besorgte Rufe.

„Mit geht es gut!“, erwiderte er, als er die Position wechselte, bevor die Verwüster erneut auf ihn feuerten.
 

Die wiederrum versuchten nun stattdessen die Kroganer ins Visier zu nehmen, die den Ansturm der Husks über die Flanken zum Erliegen gebracht hatten und diese jetzt sogar zurück drängten. Shepard lunzt aus der Deckung hervor und sah wie sich die Verwüster von ihren ursprünglichen Zielen abwandten und sich stattdessen bereit machten die Husks zu unterstützen.

Durch ihre starre „Konstruktion“ waren sie nicht in der Lage ihren Kopf zu drehen, sondern mussten sich mitsamt ihrem ganzen Körper ausrichten, um ihre neuen Ziele angreifen zu können. Dadurch gaben sie mit ihren Seiten ein nur allzu perfektes Ziel ab. Zumal sie recht gut gepanzert waren und den bisherigen, wenn auch sporadischen, Gewehrbeschuss scheinbar folgenlos weggesteckt hatten.
 

„FEUERKONZENTRATION AUF DIE RACHNI!!!“, brüllte Shepard und sein Team, sowie die bei ihnen befindlichen Kroganer konzentrierten ihren Beschuss auf die beiden Verwüster.

Zwei Kroganer legten mit ihren Revenants ein schweres Unterdrückungsfeuer auf deren Position und hielten so die Marodeure in Schach. Shepard schoss eine Gewehrgranate ab und erwischte genau mittig einen der Verwüster. Die an Seite hängenden Fleischsäcke zerplatzen und die Kreatur schien wie von Schmerzen geplagt einen schrillen Schrei auszustoßen. Die anderen Kroganer konzentrierten sich nun genau auf diesen Verwüster und jagten Dutzende Salven an Brand-, Warp- und panzerbrechenden Geschossen in die Kreatur hinein. Sie brach zusammen ehe sie richtig reagieren konnten und starb. Der verbliebene Verwüster schien sich zu ducken und zog sich in den Tunneleingang zurück. Von Dort nahm er nun ausschließlich den Bereich um Shepards Team unter Beschuss, welche sich selbst wiederrum in Deckung begaben.

Auf den Flanken machten die Kroganer mit den Husks wie erwartet kurzen Prozess. Sie schoss, stachen und prügelten auf die Husks ein und zerlegten diese fachgerecht. Sie stürmten wie wilde Tiere in die Massen herein und trampelten sie nieder. Einer der Husks versuchte dabei einen der Kroganer zu Boden zu werfen – ein wahnwitziges Vorhaben. Er schaffte es zwar einen der Kroganer anzuspringen, doch klammerte sich letzten Endes nur an einem Arm fest. Ein kurzer Schlag gegen einen Felsen reichte aus um sich davon zu befreien. Kurzerhand schnappte der Kroganer diesen Husk an einem seiner Beine und dreschte mit ihm, als improvisierten Prügel, auf die anderen Husks ein.
 

Genießen konnte Shepard den Anblick leider nicht, denn vor sich hatten sie es noch immer mit den Kannibalen und Marodeuren zu tun. Durch die veränderte taktische Lage, der ursprüngliche Plan der Reaper scheiterte ja grandios, gingen die restlichen Kannibalen verstärkt in Deckung und beschossen von dort ihre Gegner, während sie von den Marodeuren und den verbliebenen Verwüster unterstützt wurden. Ihnen war klar, dass sie dieses Gefecht nur in die Länge ziehen mussten, denn es war nur eine Frage der Zeit, bis Verstärkung anrücken würde. Dem war sich auch Shepard bewusst und so versuchte er weiter Druck zu machen. Beide Seiten werfen verstärkt Granaten, um die einen entweder auf Distanz zu halten, oder die anderen aus ihrer Deckung zu sprengen. Besonders nervig blieben die Marodeure, die bei den Kannibalen am laufenden Band Panzerschalen entstehen ließ, oder angeschlagene regenerierten. Dabei litt besonders die Kompanie Aralakh unter Munitionsknappheit, sodass sie gezwungen waren ihre letzten Granaten zu verbrauchen. Nichtsdestotrotz, auch dank der natürlichen Wildheit der Kroganer, kam man den Reapern immer näher – allen war klar was auf dem Spiel stand. Das hatte seinen Preis. Mehrere Kroganer starben dabei. Entweder rissen die Granaten sie in Stücke, verletzten sie, oder beschädigten ihre Schilde und Panzerungen so sehr, dass nur ein paar Treffer ausreichten, um ihnen endgültig den Rest zu geben. Trotzdem drängten sie die Reaper beständig zurück. Methodisch erledigten sie einen Kannibalen nach dem anderen bevor die Marodeure ihre Panzerungen verstärken, oder auffrischen konnten. Als ausgesprochen hilfreich erwies sich Liaras Biotiken und andere biotisch begabte Kroganer. Sobald sie nah genug dran waren konnte sie einzelne Kannibalen und kleiner Gruppen anheben, aus ihrer Deckung ziehen und sie durch die Luft schweben lassen, womit sie zu idealen Zielscheiben wurden. Das dünnte die Reihen noch weiter aus. Hinzu kamen die Kroganer auf den Flanken. Sie hatten dem letzten Husk mittlerweile den Schädel gespalten und begannen nun selbst die verbliebenen Kannibalen zu flankieren und auszuschalten.
 

EDI und Liara saßen zusammen an vorderster Front mit einigen Kroganern und nahmen abwechseln die Reaper-Kreaturen unter Beschuss. Man versuchte genügend Druck aufrechtzuerhalten und bot ihnen keinerlei Chance sich neuzuformieren. Liara hatte soeben ihre letzte Salve verschossen und ging zurück in Deckung, um das Thermomagazin auszutauschen. Sie atmete einmal tief durch und wartete ab bis EDI selbst zurück in Deckung ging, um dann selbst weiterzuschießen. Zumindest wollte sie das so machen, nur sie vernahm wieder dieses Geräusch ähnlich eines Krabbelns. Sofort blickte sie zur Seite und sah wie mehrere Dutzend von diesen Insekten zwischen den Felsen hindurch in ihre Richtung krabbelten. Aufgrund der geringen Größe und dem allgemeinen Chaos hatte man sie erst bemerkt, als sie nur noch wenige Meter entfernt waren.

„VORSICHT!“, rief Liara und schoss panisch mit ihrer Maschinenpistole auf den Schwarm.

Sie erwischte eine Handvoll von ihnen, nur leider nicht genug. Als der Schwarm dennoch immer näher kam sprang sie auf und rannte zur nächsten Deckung ein paar Meter hinter ihnen. Ein Kannibale versuchte Liara dabei in den Rücken zu schießen, wobei die Treffer von ihrer biotischen Barriere geradeso abgewehrt werden konnten. EDI folgte Liara und stellte sich dabei etwas weniger panisch an. Sie lief geduckt rückwärts, schoss weiter und erledigte dabei sogar jenen Kannibalen, der Liara beschossen hatte. Die Kroganer hingegen hielten stur ihre Position. Sie konzentrierten sich fortan auf die Insekten und begannen diese zur zertreten und zu zerquetschen.
 

Es war eine äußerst schlechte Idee, wie sich im Nachhinein zeigte.
 

Einer der Kroganer verblieb in seiner Position, während er nachlud, und als er sich umdreht hatte er eines dieser Insekten genau vor sich. Ehe er reagieren konnte sprang ihm das Ding ins Gesicht. Er fiel kurzerhand zurück und lag nun auf dem Rücken. Er fing sich recht schnell wieder und ergriff den aufdringlichen Zeitgenossen mit beiden Händen. Nur etwas Druck reichte aus und das Getier zerplatzte zu einer grünlichen Soße.
 

Dass diese ätzend war wie Säure merkte man erst jetzt.
 

Der Kroganer schrie vor Schmerzen in nie gekannten Tonlagen auf, als sich diese Flüssigkeit durch sein Gesicht fraß. Ein anderer Kroganer tat das einzige, was er in diesem Moment für halbwegs sinnvoll hielt, und erlöste seinen Kameraden mit mehreren Schüssen in den Kopf. Die anderen Kroganer versuchten derweil die ätzende Substanz von ihren Rüstungen zu bekommen. Der pyromanisch veranlagte Kroganer stand mittlerweile mit seinem Flammenwerfer parat, um den Rest des Schwarms in einem Flammenmeer zu verbrennen und so auch ihre ätzenden Körpersäfte unschädlich zu machen. Shepard blieben die Ereignisse nicht verborgen, der eine Kroganer war unmöglich zu überhören. Insgeheim wunderte er sich. Waren diese Insekten etwa Mini-Rachnis? Auf Palaven war er den Verwüstern das erste Mal begegnet und da hinterließen sie bei ihrem Tod ebenfalls eine säureartige Pfütze. Würden diese … Schwärmer etwa noch zu vollwertigen Rahni, beziehungsweise Verwüstern, heran wachsen?

Shepards Blick fiel auf dieses eigenartige Feld an Pilzen auf der einen Seite der Höhle. Diese „Pilze“ schienen aufzuplatzen und aus ihnen entstiegen weitere Schwärmer, die alle in ihre Richtung krabbelten. Es mussten hunderte sein.

„FLANKE!!! FÜNF UHR!!!“, warnte Shepard die anderen.

Für den pyromanisch veranlagten Kroganer bot sich wieder die Chance in Aktion treten zu können, die er selbstverständlich nicht verpassen wollte. Aufrecht marschierte er lachend dem Schwarm entgegen, drehte die Regler bis zum Maximum auf und entzündete ein Inferno. Genüsslich schwenkte er seinen Flammenwerfer hin und her und setzte dabei die Schwärmer, sowie die „Pilzfelder“ in Brand. Damit beendete er diese Bedrohung binnen Sekunden. Der Kroganer war so sehr und vollkommen in seinem Element, dass er alles um sich herum vergaß – sogar das er längst die sichere Deckung verlassen hatte.
 

Er bekam es kaum mit, als der verbliebene Verwüster ihn beschoss und seinen Brennstofftank traf. Die nachfolgende Explosion riss den Kroganer in Stücke.

Grunt und die anderen Kroganer auf den Flanken nutzten die Gunst der Stunde und stürmten vor. Laut schreien rannten sie auf die Marodeure zu und schossen diese aus nächster Nähe nieder. Grunt nahm sich unterdessen den letzten Verwüster vor. Er stürmte auf diesen zu und schlug einmal beherzt zu, noch bevor diesem es gelang Grunt richtig ins Visier zu nehmen. Dadurch landete die erste Salve Energiegeschosse wirkungslos im Boden. Grunt riss dem Verwüster eine seiner Kopfkanonen ab und schlug damit auf ihn ein – immer und immer wieder – bis dieser nur noch da lag und sich nicht mehr rührte.
 

Damit war auch die letzte vorhandene Reaper-Kreatur ausgeschaltet. Siegestrunken trat Grunt vor seine Truppen und erhob eine Faust über den Kopf, wofür er frenetisch bejubelt wurde.
 

Shepard begutachtete derweil die Verluste. Sein Team war vollständig und unverletzt, während fast die Hälfte der anwesenden Kroganer ihr Leben verloren hatte. Das wurde erst jetzt klar. Ein Blick auf den Chronometer zeigte das sie noch gute sieben Minuten hatten. Nicht gerade viel. Würden sie die Schlucht wie geplant sprengen konnte man im besten Fall dieses Zeitfenster noch verdoppeln.

„Wir müssen weiter! Die Zeit läuft uns davon!“, ermahnte Shepard alle.

„Ihr habt ihn gehört! Weiter! WEITER! Wir stehen kurz vor unserem Ziel!“, trieb Grunt seine Truppen weiter an und mit nie dagewesener Motivation stürmten die Kroganer in den letzten Tunnelabschnitt, der sie noch von dem Fabrikkomplex trennte.

Keiner wusste was sie dort erwarten würde, doch was immer es war sie waren überzeugt damit fertig zu werden, wie schon so viele Male zuvor. Es war ein Fußweg von weniger als 50 Metern, den sie fast schon entlang rannten, die sie von ihrem Ziel trennte. Fast zehn Sekunden Anspannung. Laut schreiend, mit allerhand Feuerkraft im Anschlag, stürmten sie in die Zentralkammer. Nach Gegnern suchte man vergebens, genauso nach etwas, was auch nur ansatzweise Fertigungsanlage ähnelte. Stattdessen fand man etwas anderes.
 

„Was zum …“, stotterte Shepard.
 

Mitten in der Zentralkammer, einer Höhle mit geradezu gigantischen Ausmaßen, befand sich eine einzige, gewaltige Rachni-Kreatur, ganz offenbar eine Königin. Shepard war überrascht zu sehen wie groß sie war. Er kannte die uralten Berichte aus den Rachni-Kriegen, doch einer vollausgewachsenen Rachni-Königin nun gegenüber zu stehen war etwas ganz anderes. Die Königin, die er auf Noveria in die Freiheit entließ, war vielleicht zwei bis drei Meter groß – maximal. Die hier war um ein Vielfaches größer. Allem Anschein nach war sie mithilfe irgendeines Gewebes gefesselt, dass an einer Vielzahl an Punkten in den Wänden verankert war und der Königin keinerlei Bewegungsmöglichkeiten bot. War sie etwa die ... Fabrik?
 

„Stil … le …“, tönte es auf einmal wie im Chor durch die Kammer.

Man sah sich um und erblickte zahllose tote Kroganer, die eingesponnen in Netzen an den Wänden hingen. Es waren die Toten der Kompanie Aralakh aus den vorherigen Gefechten. Manche wirkten „frisch“, andere waren von leuchtenden Adern durchzogen. Reaper-Tech, die zu ihrer Umwandlung verwendet wurde.

„Was ist das für eine … Schändung?“, brodelte Grunt und hielt schon sein Gewehr bereit.

„Warten Sie.“, hielt ihn Shepard zurück.

„Der … unerträgliche Ton ist verstummt.“, sprachen die toten Kroganer wieder im Chor.

Das gleiche hatte Shepard schon damals auf Noveria gesehen. Die Rachni-Königin konnte die Toten übernehmen, um so mit Außenstehenden zu kommunizieren.

„Ich erinnere mich an sie!“, rief Shepard. „Ich hatte Sie befreit! Sie haben versprochen Sie würden sich nicht mehr einmischen! Sie würden die andere Völker in Ruhe lassen!“

„Wir haben unser Versprechen gehalten. Uns durch das Portal zurückgezogen. Wir haben eine neue Heimat aufgebaut. Aber … die Maschinen haben uns gefunden. Uns hierher gebracht. Ihre schrillen Töne ertränken die unseren. Sie nahmen unsere Kinder mit in den Krieg. Unsere Kinder … sie sind still, hohl. Sie sterben allein, schweigend in der Ferne.“
 

Im Orbit über Utukku rutschte Joker derweil ungeduldig in seinem Pilotensessel hin und her. Mit Sorge beobachtete er den Vormarsch der Reaper-Bodentruppen und wartete geradezu sehnsüchtig auf irgendeine Meldung von Shepard. Er stand parat um sofort zuzuschlagen, sollte es nötig sein. Nebenbei überprüfte er regelmäßig die Sensoren, um sicherzustellen, dass die Reaper nicht plötzlich anfangen ihre Signale zu stören. Da er zudem noch immer in Kontakt zu EDI stand war ein guter Indikator dafür.

Das EDIs mechanischer Körper am Boden nur eine Verlängerung ihres auf der Normandy befindlichen Bewusstseins war schien er dabei nicht wirklich verinnerlicht zu haben.

Jokers relative Ruhe, von Panik war er zum jetzigen Zeitpunkt weit entfernt, schwand, als die Sensoren der Normandy mehrere Objekte entdeckten, die unweit des Planeten auftauchten.

„Oh nein.“, murmelte er, als er erkannte das es eine stattliche Anzahl an Reaper-Schiffen war.

„Commander, wir bekommen unangemeldeten Besuch.“, gab er übe Funk weiter.
 

In der Höhle lauschte Shepard weiter den Worten der Rachni-Königin und dachte nach wie man weiter verfahren sollte. Die Königin war zu schwach, als das sie einfach so ohne weiteres hier heraus spazieren könnte und die Reaper würden sie garantiert nicht einfach so gehen lassen. Diese Gedanken musste Shepard zurückstellen, als Jokers Meldung einging.

„Was sagten Sie? Was für Besuch?“, fragte er nach.

„Ein Schiffsverband der Reaper ist im System erschienen. Zwei Schlachtschiffe der Sovereign-Klasse, vier Zerstörer und ein Transporter. Sie nehmen Kurs auf Utukku.“, berichtete EDI.

Allen Anwesenden klappte der Mund auf. So ein Verband konnte locker abertausende von Reaper-Kreaturen aller Art transportieren. Egal wie gut man war die Reaper würden sie damit einfach überrollen. Man hatte ganz klar in ein Wespennest gestochen und bekam jetzt die Quittung dafür.

„Ein weiteres Objekt ist soeben im System erschienen.“, meldete EDI überraschend.

„Noch mehr Reaper?“, fragte Liara niedergeschlagen.

„Identifizierung läuft … es ist ein morjanischer Kreuzer.“

Schlagartig blickten alle hoffnungsvoll auf. Shepard erinnerte sich das Ibro mögliche Verstärkung erwähnte und die kam genau rechtzeitig – keinen Augenblick zu spät.

„Die Reaper ziehen sich zurück.“, vermeldete EDI daraufhin.
 

Das konnte gar nicht besser werden.
 

Für die Reaper war dieser Planet von strategischer Bedeutung, auch durch die gefangen gehaltene Rachni-Königin. Es gab auf ihm eine Vielzahl versteckter „Produktionsanlage“ die am laufenden Band Truppen produzierten und durch die Geographie einen natürlichen Schutz besaßen. Nicht mal ein orbitales Bombardement konnte ihnen etwas anhaben, solange man nicht mit absoluter Sicherheit wusste wo sich diese Anlagen befanden. Zudem waren weitere Anlagen in der Vorbereitung und viele andere standen kurz vor der Fertigstellung. Die echte Rachni-Königin wurde eigentlich gar nicht mehr gebraucht, denn die Reaper hatten aus ihr mittlerweile genug künstliche Königinnen geschaffen. Nach dem ersten und gescheiterten Angriff der Kroganer auf Utukku hielten sie zur Sicherheit fortan einen Schiffsverband in der Nähe, versteckt im interstellaren Raum, der binnen weniger Minuten zum Ort des Geschehens eilen konnte – so wie jetzt.
 

Das Auftauchen der Morjaner stellte dagegen ein völlig anderes Problem dar.
 

Es war nur ein einzelner Kreuzer des Morjanischen Verbundes, der über 72 Millionen Kilometer von Utukku entfernt im Raum erschien. Damit war er zu weit entfernt, um überhaupt etwas ausrichten zu können, außer als Späher zu fungieren, dennoch hatte seine Präsenz Wirkung. Wo ein morjanisches Schiff war, waren viele andere nicht weit entfernt. Für sie waren die Morjaner eine völlig andere Art und Klasse von Gegner, als sie jemals erwartet hätten, oder mit dem sie es jemals zu tun hatten. Ein Gegner, der über die Mittel verfügte ihnen effektiv und erfolgreich Widerstand zu leisten. Das tauchte in ihrer Planung nicht auf. Die Reaper hatten in den vergangenen Wochen schon mehr als genug Verluste durch die Schlachten und die überfallartigen Angriffe der Morjaner ertragen müssen. Verluste die kaum zu ersetzen ware. Jetzt wollten sie nichts riskieren. Der Reaper-Verband aktivierte seine ÜLG-Antriebe und floh aus dem System. Sie steuerten nicht mal die Massenportale an. Zurück blieb nur ein einzelner Zerstörer, der als Beobachter fungierte und sich still im Weltraum hielt.
 

Von da an wurde es ausgesprochen eigenartig.
 

Der morjanische Kreuzer gab in schneller Folge drei starke Sensor-Impulse ab. Den Vorgang wiederholte er drei weitere Male mit einem Abstand von jeweils fünf Sekunden. Als nächstes verwendete er einen lasergestützten Signalgeber, mit dem er scheinbar versuchte Kontakt zu dem Reaper-Zerstörer herzustellen.
 

„Sie … morsen? Ernsthaft?“, wunderte sich Shepard, als er von EDI eine erste Analyse der Vorgänge erhielt.

„Definitiv. Es ist ein anerkannter Citadel-Standard. Aber er ist Jahrhunderte alt und wird selten bis gar nicht mehr verwendet. Informationen darüber sind über das Extranet frei verfügbar. Aktuell findet eine äußerst lebhafte, wenn auch einseitige Konversation statt.“, erklärte EDI.

„Also? Was haben die Morjaner den Reapern zu sagen? Drohungen?“, fragte Liara.

„Nein.“, erwiderte EDI lapidar.

„Was dann?“, harkte Liara nach.

EDI schien für einen Moment zu zögern bis sie endlich fort fuhr.

„Die Morjaner berichten über einen kompletten Ausfall der Kommunikation, Antriebe, Schilde und Waffen.“

„Als ob die Falle nicht offensichtlich wäre.“, wunderte sich Liara.

„Die Reaper scheinen jedenfalls nicht darauf zu reagieren … Jetzt melden die Morjaner, dass die Reaper doch näher kommen sollen, denn bei ihnen gibt es Gebäck.“, fuhr EDI fort.

Alle Anwesenden sahen sich wortlos bis einer der Kroganer fragte „Ernsthaft?“

„Ich glaub eher das irgendjemanden da ausgesprochen langweilig ist.“, mutmaßte Shepard.

„Weitere Schiffe der Morjaner erscheinen im System. Es ist eine ganze Flotte.“, vermeldete EDI.
 

Im Kommandostand an Bord der Normandy befanden sich derweil der turianische Primarch Fedorian, sowie der morjanische Verbindungsoffizier Ibro. Wrex hatte sich für einen Moment in die Kantine verzogen. Fedorian war bis zuletzt Verlustmeldungen und Frontberichte durchgegangen und informierte sich regelmäßig über die Fortschritte beim Bau des Tiegels. Ibro kümmerte sich wenig um dieses Projekt. Er schien es sogar vorsätzlich zu ignorieren. Er studierte stattdessen lieber anhand der vorliegenden Berichte über den Vormarsch der Reaper und gab diese Informationen über seinen Kommunikator, der aussah wie ein uraltes Taschenfunkgerät, weiter an das morjanische Oberkommando. Fedorian hatte sich schon immer gewundert nach welchen Kriterien die Morjaner ihre Ziele auswählten, denn ihre Zielauswahl wirkte oftmals völlig wahllos. Mal tauchten sie in entscheidenden Schlachten auf, mal gar nicht. Es wirkte wie ein Glücksspiel. Beschweren wollte er sich dennoch nicht, denn der Verbund konnte bislang mehr vernichtete Reaper für sich verbuchen, als der gesamte Rest der Galaxie zusammen. Das musste man erstmal überbieten. Lediglich in den letzten Stunden wurde kein einziger Abschuss durch die Morjaner gemeldet.

Der Operation auf Utukku widmete Fedorian dabei nur gelegentliche Aufmerksamkeit. Einfluss darauf nehmen konnte er ohnehin nicht. Insgeheim bewunderte er Shepard für seinen Einsatz. Fedorian würde am liebsten selbst mit seinen Kameraden Seite an Seite in den Krieg ziehen und an vorderster Front kämpfen, doch stattdessen er war dazu verdammt ein politisches Amt zu bekleiden. Etwas, das durchaus seine Wichtigkeit besaß, um die Moral zu stärken und zu erhalten. Hin und wieder blickte er auf die Konsole vor sich, um sich über den Verlauf der Mission zu erkundigen. Als dann die Meldung über das Auftauchen morjanischer Schiffe in ihrem System einging schaltete er die Anzeigen um. Statt dem Tiefel zeigten die Projektoren nun eine verkleinerte Darstellung des Planeten zusammen mit den relativen Positionen der einzelnen Schiffe und zusätzlichen Informationen.

Zuerst war es nur ein einzelner, morjanischer Kreuzer, dessen Ausmaße sich locker mit einem Reaper-Schlachtschiff messen konnten. Dennoch reichte dessen Präsenz aus, um eine Reaper-Flottille zu verscheuchen. Das musste erstmal einer nachmachen. Lediglich ein einzelner Zerstörer blieb einsam zurück. Keine der beiden Seiten schienen dabei irgendwelche Anstalten zu machen sich einander, oder gar dem Planeten zu nähern. Dann traf der Rest des morjanischen Verbandes ein.
 

Eine Flotte aus über 700 Schiffen
 

100 Schlachtschiffe, unterstützt von 200 Kreuzern, zusammen mit 400 Zerstörern und einigen Dutzend Versorgungsschiffen.
 

Eine voll einsatzbereite Kampfgruppe.
 

Genug Feuerkraft um jeden gehörig den Tag zu versauen – sogar den Reapern.
 

„Wow … Ihre Leute wissen wirklich wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt.“, sprach Fedorian zu Ibro.

Der lehnte sich genau gegenüber von Fedorian an die Konsole, den Kopf in seinen Unterlagen vertieft und merkte anfangs gar nicht, dass ihm jene Worte galten. Erst nach ein paar Sekunden hob er den Kopf und gab ein leises „Mh?“ von sich.

„Ihre Leute wissen wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt.“, wiederholte Fedorian.

Ibro sah ihn verwirrt an und erwiderte mit einem unverständlichen „De sah ron?“.

„Was?“, gab Fedorian jetzt selbst irritiert zurück.
 

Ibro bemerkte das er irgendwann seinen Universalübersetzter abgeschaltet haben musste. Immerhin war bei seiner letzten Nachschublieferung ein neuer miteingepackt. Die allerersten Modelle wirkten noch wie Halsbänder für Haustiere und waren im Allgemeinen nur improvisiert. Neuere, aktuellere Modelle dagegen erschienen wie ein Halswärmer und wirkten deutlich dezenter. Nur aus irgendeinem Grund hatte man vergessen ihm Batterien zu liefern. Ein kleiner Druck auf einen Knopf am Hals reichte aus um den Übersetzer zu aktivieren.
 

„Was haben sie gesagt?“, fragte Ibro jetzt klar verständlich.

„Ich sagte … Ihre Leute wissen wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt.“, widerholte Fedorian ein weiteres Mal.

Ibro blickte kurz auf, sah sich die Projektion an, zuckte kurz mit den Schultern und wandte sich wieder seinen Unterlagen zu. Er selbst war da natürlich anderer Meinung. Die Auslöschung Illiums hinterließ einen bleibenden Eindruck. Das hier war nur einen einfach Aufmarsch der Flotte und sonst nichts. Fedorian selbst wusste nicht was er mit Ibros Verhalten anfangen sollte und wandte sich wieder der Projektion zu. Irgendetwas kam ihm allmählich eigenartig vor. Während der Reaper-Zerstörer gut 300.000 Kilometer vom Planeten entfernt wartete und das Aufgebot beobachtete hielt sich der gesamt Flottenverband der Morjaner über 72 Millionen Kilometer entfernt – viel zu weit, um überhaupt etwas auszurichten. Zudem war der Verband in acht gleich große Gruppen aufgeteilt, die sich wie die Eckpunkte eines Würfels im Weltraum positioniert hatten und jeweils gut 1.000 Kilometer voneinander entfernt waren. Außerdem war kein einziges Superschlachtschiff präsent. Während sich Fedorian darüber den Kopf zerbrach was man damit bezweckte meldete sich Ibros Funkgerät zu Wort.

„Hier Ibro Bresios, ich höre.“, antwortete dieser augenblicklich und blickte wieder auf die Projektion. „Ich sehe es … ach das ist nur die Eskorte … ernsthaft? Die Weltenbrand? … Ich dachte das Projekt wurde aufgegeben … schon klar … na die Nachricht wird bei den Reaper ankommen.“

Damit endete das Gespräch. Ibro steckte sein Funkgerät weg und schien für einen Moment zu grinsen, bevor er sich wieder seinen Unterlagen zuwandte. Fedorian ließ das erst recht stutzig werden.

„Weltenbrand?“, wiederholte Fedorian das Wort, woraufhin Ibro irritiert aufblickte. „Was ist bitte die Weltenbrand? … Ihnen ist schon klar, dass sich Shepard und die Kompanie Aralakh auf Utukku befindet, oder?“

Ibro sah Fedorian noch immer irritiert an, bis er ein leises „Oh“ ausstieß. Wortlos verließ er den Kommandostand und bahnte sich seinen Weg zum Cockpit. Fedorian war nun endgültig ratlos und konnte nur mit dem Kopf schütteln. Seine Aufmerksamkeit fiel stattdessen zurück auf die Projektion, denn genau in der Mitte der morjanischen Formation erschien ein weiteres Objekt.

„Was zum … das ist unmöglich.“, murmelte er, als die ersten Daten sah, die über dieses neu eingetroffene Objekt eingingen.

Ibro errichte derweil das Cockpit und stattete Joker einen Besuch ab, der mittlerweile selbst versuchte sich einen Reim über die Daten des neueingetroffenen Objektes zu machen.

„Diese Daten können nicht stimmen. Die Sensoren müssen etwas abbekommen haben …“, murmelte er.

„Joker.“; sprach Ibro, der direkt hinter ihm stand.

„BOAH!!! Man, haben Sie mich erschreckt! Was wollen Sie?! Ich habe hier grad meinen eigenen Probleme!“

„Die sind unbedeutend. Stellen Sie eine Verbindung zu Shepard her. Er muss sich zurückziehen, denn wir werden den Planeten sprengen.“

„Sie … äh … WAS?!“
 

Sogar EDI brauchte ein paar Sekunden, um das volle Ausmaß der Ereignisse zu begreifen, die sich soeben anbahnten.

„Shepard, wir müssen uns sofort zurückziehen. Die Morjaner wollen den gesamten Planeten vernichten.“, sagte sie über ihren Körper am Boden.

„Bitte was?“, erwiderte Shepard, für den das alles auf einmal so unerwartet kam.
 

An Bord der Normandy hatte Joker im Cockpit mittlerweile eine Projektion des neueingetroffenen Objektes aufgerufen, zusammen mit einigen Daten. Dabei handelte es sich um ein Raumschiff mit geradezu exorbitanten Ausmaßen.
 

50 Kilometer lang.
 

Zehn Kilometer hoch
 

Acht Kilometer breit.
 

Es war größer als die Citadel-Station.
 

Ein einziges, massives Gebilde mit einem achteckigen Querschnitt, ähnlich eines Oktagon. Zwei gewaltige, übereinander angeordnete Vorrichtungen, ähnlich der Schienen einer Railgun, nahmen den gesamten Bug ein und machten ein Drittel der Gesamtlänge aus. Obwohl Joker die Daten schwarz auf weiß vor sich hatte, die Schwankungen betrugen unter einem Prozent, hatte er ganz klar Probleme damit sie wirklich wahrzunehmen. Der Anblick der Werftenringe von Morjan Prime und Membus, zwei gewaltige, ringförmige, planetenumspannende Raumstationen, hatten ihnen bereits den Atem stocken lassen, doch das hier, ein Raumschiff das größer war als die Citadel selbst, das war eine ganz neue Liga.

Fedorian erreichte ebenfalls das Cockpit und konnte nur mit offenem Mund die Projektion und die dazugehörigen Daten anstarren.
 

„Das ist … unmöglich.“, murmelte Fedorian, der sich fühlte als würde sich ihm die Kehle zuschnüren.

„Die Morjaner wollen den Planeten sprengen! Den ganzen verdammten Planeten!“, fluchte Joker.

„Natürlich. Die Weltenbrand ist ein Planetenvernichtungssystem. Dafür wurde sie gebaut.“, erwiderte Ibro mit einer überraschenden Gelassenheit.

„Das kann nicht ihr ernst sein! Da unten sind verbündete Truppen! Shepard ist da unten!“, sprach Fedorian.

„Ich sagte bereits man soll sich zurückziehen.“, erwiderte Ibro barsch.

„Dann sagen Sie ihren Leuten lieber sie sollen warten bis sich unsere Truppen zurückgezogen haben. Die Kompanie Aralakh ist über das ganze Gebiet verteilt!“

„Skap.“, fluchte Ibro und griff zu seinem Funkgerät. „Hier Ibro Bresios. Ich brauche sofort einen Kontakt zu Weltenbrand. Es ist dringend. … Hier Ibro Bresios. Nicht feuern! Wir haben verbündete Truppen auf Utukku! Ich wiederhole! Nicht feuern! Verbündete Truppen im Ziel!“

Für ein paar Sekunden blieb es ruhig, bis eine unverständliche Meldung einging, die Ibro mit einem „Skap“ kommentierte.

„Was ist?!“, fragte Joker.

„Der befehlshabende Kapitän weigert sich! Sie bereiten die Weltenbrand zum Abschuss vor. Es kann jeden Moment soweit sein.“

„Das ist ein Scherz, oder? Das ist alles nur ein schlechter Scherz. ODER?!“, harkte Fedorian nach.
 

Der Blick in Ibros emotionslosen Gesichtsausdruck reichte als Antwort völlig aus.
 

Sie meinten es ernst.
 

Die Morjaner wollten einen ganzen Planeten vernichten.
 

„Die Morjaner werden nicht warten. Sie haben einen Planetenkiller und wollen ihn einsetzen. Ich habe keine Daten über diese Art von Waffe. Ihr Einsatz kann jeden Moment erfolgen. Ein sofortiger Rückzug ist unsere einzige Option.“, gab EDI ihre Analyse über die aktuelle Lage weiter.

Shepard wusste gar nicht wie ihm geschah. Seine Atmung beschleunigte sich und seine Körpertemperatur stieg durch Panik an, die in ihm brodelte. Es war so surreal, unwirklich. Sie befanden sich auf einem Planeten, der jeden Moment vernichtet werden konnte. Dass alles wirkte wie ein Alptraum. Nur aus diesem gab es kein Erwachen und das wusste er. Liara, die inzwischen selbst begriff in welcher Gefahr sie sich befanden, packte Shepard an den Schultern und rief ihm ins Gewissen.

„Wir müssen sofort hier weg!“
 

Die Gefahr, die Vernichtung eines ganzen Planeten, hätten sie eigentlich bei jeder anderen Spezies als haltlose Drohung abgetan, allerdings nicht bei den Morjanern. Ihnen war klar, dass die es ernst meinten, ganz egal wie wahnwitzig und verrückt es klingen mag.
 

Shepard brauchte ein paar Sekunden, dann sah er ein letztes Mal die Rachni-Königin an.

„Es tut mir leid … so leid … ALLE RAUS HIER!!!“, brüllte Shepard und rannte los, genauso wie alle anderen auch.
 

„Stille … endgültige Stille … wir kommen … endlich.“, sprachen die toten, an den Wänden hängenden Kroganer im Chor und die Rachni-Königin senkte ihren Kopf zu Boden.

Das Team begann den ganzen Weg, den sie bislang unter größten Mühen und Opfern zurückgelegte hatten, wieder zurückzulaufen. Eine Explosion, die den ganzen Berg erschütterte, rief ihnen ein anderes Problem ins Gewissen.
 

Die Reaper-Bodentruppen hatten den Berg erreicht.
 

„Das kroganische Außenteam hat ihre Sprengladungen gezündet, um den Durchgang zu blockieren. Teile der Schlucht sind eingestürzt.“, berichtete EDI.

„Wie lange wird sie das aufhalten?“, fragte Liara.

„Nicht lange. Maximal eine Minute. Der Durchgang wurde nicht vollständig, sondern nur teilweise verschüttet. Die Reaper klettern über das Hindernis. Sie könnten uns sehr bald einholen und abfangen.“, fuhr EDI fort.

„Nicht reden! Weiter rennen!“, schrie Shepard.
 

An Bord der Normandy registrierte man inzwischen einen gewaltigen Energieanstieg, der von der Weltenbrand ausging. Joker musste mehrfach hinsehen, denn diese Werte konnten seiner Meinung nach nicht stimmen. Die Weltenbrand strahlte mehr Energie ab, als die stärkste jemals gemessene Sonneneruption. Die Werte sprengen bereits in der ersten Sekunde die Skala und stiegen immer weiter. Es war eindeutig, dass die Weltenbrand jeden Moment feuern würde.

„Pfeifen Sie ihre Leute zurück!“, forderte Fedorian vehement.

„Wie denn?! Ich habe es versucht! Man ignoriert mich mittlerweile!“, erwiderte Ibro.

„Komash!“, lautete das einzige Wort, das jetzt einigermaßen verständlich aus seinem Funkgerät drang.

„Was heißt das? Was sagten sie?“, fragte Joker, obwohl er bereits einen schrecklichen Verdacht hatte.

„Abschuss.“, übersetzte Ibro.
 

Die Augen aller Anwesenden weiteten sich.
 

In der Ferne sah man einen Blitz, ein kurzes Aufglühen im All, wie ein Stern der schlagartig deutlich heller leuchtete, nur um dann komplett zu erlöschen.
 

Die Weltenbrand hatte ein Geschoss in der Größe einer Korvette abgefeuert, das direkt auf Utukku zu flog. Auf Jokers Anzeigen erschien daraufhin ein Countdown. EDI hatte ihn mithilfe der Entfernung und Geschwindigkeit des Geschosses berechnet.
 

Es sah nicht gut aus.
 

Obwohl die Weltenbrand über 72 Millionen Kilometer von Utukku entfernt war würde das Geschoss weniger als fünf Minuten brauchen, um sein Ziel zu treffen. Es war mit unvorstellbaren 250.000 Kilometern PRO SEKUNDE unterwegs. Es war von vorneherein klar, dass das ein Volltreffer werden würde. Man konnte nicht darauf hoffen, dass dieses Geschoss sein Ziel verfehlen würde.
 

„Waffe abgefeuert.“, meldete EDI.

„Wie viel Zeit bleibt uns?“, fragte Shepard.

„Vier Minuten und 46 Sekunden bis zum Einschlag.“

„FUCK!!!“, fluchte Shepard lauthals. „Joker, kommen Sie so schnell wie möglich hier runter. Da draußen sind noch Teile der Kompanie Aralakh verstreut! Sie und Amara müssen so viele wie möglich einsammeln!“

„Verstanden, Commander.“, ertönte es simultan von Joker und Amara über Funk.

„EDI, koordinieren sie die beiden!“

„Schon dabei, Shepard.“

Sie passierten die Höhle, in der sie eben noch verbissen gekämpft hatten und ehe sie den nächsten, weiterführenden Tunnel erreichten, sprang hinter einem der Felsen plötzlich ein Husk hervor, der nach Shepard schnappte. Dieser schrie panisch auf und erschoss zusammen mit Liara und EDI den unerwarteten Angreifer.

„Verdammt! Wo kommt der den auf einmal her?!“, wunderte sich Shepard.

„KONTAKT!“, schrie einer der Kroganer und schoss auf einen kleinen, aber unscheinbaren Durchgang, versteckt in einer hinteren Ecke der Höhle, aus denen wahre Massen an Reaper-Kreaturen strömten – Husks, Kannibalen und Marodeure in rauen Mengen.

Wie eine Flutwelle ergossen sie sich in die Höhle.
 

Es war leichtsinnig gewesen zu glauben man könnte die Reaper einfach so auf ihrem eigenen Territorium überraschen. Das Tunnelnetzwerk der Reaper war in Wahrheit weitaus umfangreicher und ausgedehnter als erwartet. Es umfasste ein ganzes Labyrinth an abgeschirmten Durchgängen, die auf Scannern nur schwer zu erkennen waren. Dazu gesellte sich eine umfassende Garnison, von der nur ein Bruchteil auf die Ablenkung draußen reagiert hatte. Der Großteil war im Berg verblieben und trat jetzt in Aktion.
 

„Es sind zu viele!“, schrie einer der Kroganer.

Egal wie viel Munition sie verschossen und egal wie viele Kreaturen sie nieder streckten die Reaper schien es nicht aufzuhalten.

„Shepard! Laufen Sie weiter! Wir halten sie auf!“, forderte Grunt.

„Ich lasse sie nicht zurück!“, erwiderte Shepard, als er eine Gewehrgranate in die Massen vor ihnen jagte.

„Wir schaffen das schon! Wir haben immer noch die Sprengladungen! Damit blockieren wir den Durchgang! Stellen Sie sicher das unser Abflug bereit steht!“

„Wir werden auf sie warten! Versprochen!“

„Verschwinden Sie endlich!“

Shepard und sein Team gaben ihre Sprengsätze an den erstbesten Kroganer weiter, bevor sie selbst weiter rannten. Grunt und sein Team positionierten sich daraufhin am Tunneleingang. Ein Teil versuchte die Reaper auf Distanz zu halten, während der andere Teil hastig die Sprengladungen legte, um den Tunnel zum Einsturz zu bringen. Dabei wurde mehrere Kroganer getroffen und verletzt, einer sogar schwer. Dieser Kroganer wusste, dass seine Verletzungen tödlich waren und traf daher eine Entscheidung.

„Sagt meiner Frau, dass ich sie liebe.“, sprach er und entriss einem seiner Kameraden eine der Sprengladungen. „Oh blaue Rose von Illium, wir werden uns wie wiedersehen!“, stürmte er laut schreiend vor und warf sich in die Reaper-Massen.

Inmitten ihrer Reihen zündete er die Bombe und nahm Dutzende von ihnen mit sich in den Tod.

Still gedenkte Grunt dem Opfer. Er würde sicherstellen das es nicht in Vergessenheit geraten würde, noch das es sinnlos sein würde.

„Ladungen gelegt!“, rief einer der Kroganer.

„Zurückziehen!“, befahl Grunt und sein Trupp rannte los.

Die Explosion hatte die Reaper nur kurzzeitig aufgehalten, dennoch reichte es aus um einen bedeutenden Vorsprung zu erhalten. Als die Reaper dann selbst in den Tunnel stürmten zündete Grunt die Sprengladungen. Die nachfolgenden Explosionen töteten Dutzende weiterer Kreaturen und brachten den Eingang wie verhofft zum Einsturz. Nur eine Handvoll der Kreaturen hatten es durchgeschafft und die wurden kurzerhand ohne Probleme niedergestreckt. Damit setzten die Kroganer ihren Weg fort. Sie hatten noch drei Minuten, den ganzen Tunnel vor sich und einige verletzte Kameraden. Trotzdem war Grunt zuversichtlich, dass sie alle es schaffen würden und er war nicht bereit auch nur einen seiner Männer zurückzulassen.
 

Shepard und sein Team hatten mittlerweile einen Großteil des Weges geschafft und glücklicherweise stellte sich ihnen niemand mehr in den Weg.

„Zwei Minuten! Geschoss noch 30 Millionen Kilometer entfernt!“, meldete EDI, als sie kurz vor dem Ausgang standen.

„Haben wir irgendeine Chance dieses Geschoss abzufangen?“, dachte Shepard laut verzweifelt nach.

„Unmöglich.“, lautete EDIs vernichtendes Urteil.

Draußen angekommen sah man wie die Normandy bereits ein paar hundert Meter vom Berg entfernt in der Luft schwebte und in der Nähe, bei den Resten des kroganischen Feldlagers, langsam runter ging.

„Los weiter!“, trieb Shepard sein Team an und man rannte weiter.

Ihnen folgten die beiden Kroganer des Sprengteams, die soeben über die Felsen kamen.

„Wo ist unserer Truppführer?“, fragte einer von ihnen.

„Direkt hinter uns! Kommt gleich nach!“, erwiderte Shepard. „Grunt, wir sind bei den Ruinen! Ihr Lager! Da wo wir uns getroffen haben! Die Normandy steht bereit!“, gab Shepard über Funk weiter.

„Verstanden! Wir sind gleich da!“, lautete die leicht verzerrte Antwort.
 

Shepard, Liara, EDI und die beiden Kroganer erreichten inzwischen die Ruinen. Die Normandy schwebte knapp zehn Meter über dem Boden und nahm in diesem Augenblick Amaras Kodiak-Shuttle auf. Die konnte nämlich vier weitere Kroganer einsammeln, die zuvor noch einen Teil der Reaper-Garnison weggelockt hatten. Joker ging runter und durch die geöffnete Rampe betraten alle fünf die Normandy. Shepard blieb auf der Rampe stehen und wartete sehnsüchtig auf Grunt und seine Leute.
 

„Wir müssen sofort starten!“, forderte Ibro.

„Wir haben immer noch Truppen da unten! Wollen Sie die etwa zum Sterben zurücklassen?!“, fragte Fedorian aufgebracht.

„Ja, weil wir es sonst nicht schaffen werden!“

„Aber wir haben doch noch eine gute Minute!“, warf Joker ein.

„SIE SKOB!!! DAS IST DIE ZEIT BIS ZUM EINSCHLAG!!! IN DEM MOMENT IN DEM DAS GESCHOSS DEN PLANETEN TRIFFT REISST ES IHN IN STÜCKE!!! WIR MÜSSEN SOFORT STARTEN!!!“, brüllte Ibro Fedorian an.

„Was ist denn hier los?“, tobte Wrex mit gespielter Entrüstung, als er in Cockpit kam. „Da versucht man mal kurz etwas Ruhe zu bekommen und schon bricht das Chaos aus. Warum sind alle hier und niemand im Kommandostand. Hat Shepard Probleme? Geht es Grunt gut?“

Ibro kümmerte sich nicht um Wrex, sondern blickte wieder auf den Countdown, der beständig weiter tickte. Die letzte Minute war angebrochen und sie saßen auf einem Planeten, der schon gleich vernichtet werden würde. In dem Moment war Ibro bereit seine Pistole zu ziehen und Joker unter Waffengewalt zum Abheben zu zwingen. Notfalls musste er dazu sogar eine Geisel nehmen. Am besten den Turianer, denn der konnte sich nicht so gut wehren.
 

„Wir sind draußen und auf dem Weg!“, meldete Grunt über Funk.

„Wir warten auf Sie. Wir stehen bereit.“, erwiderte Shepard.

Bevor es dazu kam wurde die Normandy von einer ruckartigen Bewegung erfasst.

„Was zum …“, fluchte Shepard, als er von den Füßen gerissen und zu Boden geworfen wurde.

Die Normandy startete durch, schloss ihre Bugrampe und flog geradezu senkrecht dem All entgegen.

„SOFORT UMKEHREN! WIR MÜSSEN ZURÜCK! DAS IST EIN BEFEHL!“, forderte Shepard hysterisch.
 

Joker hatte in diesem Moment keine Ahnung was los war. Er hatte keinerlei Kontrolle mehr über sein Schiff. Die Normandy war von ganz alleine gestartet und flog einfach weiter, ohne das er etwas dagegen unternehmen konnte. Sie hatten sogar schon die oberen Schichten der Atmosphäre erreicht. Dann dämmerte es ihm. EDI hatte die Kontrolle übernommen und sämtliche Steuerungen gesperrt.

Ehe er dazu was sagen konnte ertönte ein lautes Piepen
 

Der Countdown war abgelaufen.
 

Kollektiv blickten Ibro, Fedorian und Joker aus einem der Fenster. Wrex machte es ihnen nach, zumal er noch immer keine Ahnung hatte was los war.
 

Für einen winzigen Augenblick konnte man das Geschoss sehen. Wie ein Komet zog es einen gelblich schimmernden Schweif hinter sich her. Dann erfolgte der Einschlag – einige tausende Kilometer von ihrer Landezone entfernt, doch sowas macht würde am Ende keinen Unterschied machen.
 

Das Geschoss traf den Planeten. Der Aufprall verursachte eine Explosion in einem noch nie gesehenen Ausmaß. Ein Feuerball mit einem Durchmesser von mehreren hundert Kilometern breitete sich schlagartig über die Oberfläche aus und sprengte Teile in der Größe ganzer Länder aus ihr heraus. Die anhängende Schockwelle zerschmetterte ganze Gebirgsketten. Und das waren nur die Folgen des Einschlages. Das Geschoss drang tief bis in den Planetenkern vor, wo es seinen Sprengladung zündete – eine der mächtigsten, die jemals geschaffen wurde. Mit Gigatonnen an Energie entfaltete das Geschoss auf einmal seine eigentliche Zerstörungskraft inmitten des Planeten. Innerhalb von Sekunden öffneten sich gewaltige Schluchten und Canyons über den ganze Planeten verteilt, rissen sich selbst gewaltsam auf und schossen geschmolzenes Gestein aus dem Inneren des Planeten ins All. Aus dem freigelegtem Inneren sah man das bedrohliche Glühen der sich ausdehnenden Kettenreaktion. Wie eine Schockwelle drang sie ins All nach draußen und riss den Himmelskörper entzwei.
 

Der ganze Planet brach vollkommen auseinander.
 

Er wurde zu zahllosen Brocken zerfetzt, die sich jetzt in alle erdenklichen Richtungen ausbreiteten.
 

An Bord der Normandy kehrte absolute Stille ein. Niemand sagte etwas. Es konnte einfach keiner was sagen. Dieser Anblick war kaum zu verkraften. Sie alle waren selbst nur mit größter Not entkommen. Ausläufer der Schockwelle hatten die Normandy getroffen und die Außenhaut, sowie zwei der Triebwerke beschädigt. Es war ein Wunder, dass die Hülle nicht brach. Wären Sie nur ein paar Sekunden länger geblieben hätte es sie mit Sicherheit zerrissen.
 

„Wir müssen umkehren!“, hörte man Shepards Stimme und sah wie er zum Cockpit lief. „Grunt ist immer noch da unten.“

„Nein, nicht mehr.“, sagte Ibro lapidar.

Shepard betrat das Cockpit und sah durch eines der Fenster ebenfalls nach draußen. Ihm stockte augenblicklich der Atem, als er sah, dass von Utukku nur noch ein sich ausbreitendes Trümmerfeld übrig war. Die Tatsache, dass Grunt und der Rest der Kompanie Aralakh tot war wollte er nicht akzeptieren, er konnte es einfach nicht, doch gleichzeitig wusste er das nichts und niemand ein derartiges Ereignis überleben konnte.

„Das ist ein Desaster … eine Katastrophe.“, murmelte Shepard
 

Ibro hörte das und neigte den Kopf leicht zur Seite. Er verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und verließ wortlos das Cockpit
 

Ein Desaster? Eine Katastrophe?
 

Keineswegs.
 

Die Weltenbrand war endlich voll einsatzbereit und ein wichtiges Produktionszentrum der Reaper war unwiederbringlich verloren.
 

Das war ein bedeutender Erfolg!
 

Weitere Ziele würden folgen.
 

Dieser Krieg hatte soeben ein völlig neues Niveau erreicht.



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