Here We Are Now (Entertain Us) von Morwen (Steve/Tony) ================================================================================ Kapitel 3: Crash & Burn ----------------------- Anmerkungen: OMG, die FF kratzt mit diesem Kapitel schon an der 20'000-Wörter-Grenze... und das nächste Kapitel ist sogar noch länger. Wie habe ich das nur geschafft? xD Jedenfalls! - Von jetzt an driftet die FF teilweise in den Comic-Canon ab, nur damit ihr gewarnt seid! Ich denke mal, der ein oder andere Held, der von nun an auftaucht bzw. erwähnt wird, wird euch bereits was sagen. Ich werde trotzdem zusätzlich noch mal in der Fanfic-Übersicht unter "Charaktere" eine Liste zusammenstellen, auf der ich alle weiteren Personen vorstelle. Der Schwerpunkt liegt allerdings immer noch auf den Film-Charakteren, also keine Panik! =) Zum Kapitel: Tony arbeitet bis zum Umfallen, wenn er Dinge vergessen will, aber das ist nicht neu. Steve macht sich trotzdem Sorgen. Peter Parker ist ein Fanboy. Und manche Leute rufen einfach immer im falschen Moment an. *~*~* Die Welt drehte sich weiter. Nachdem Tony am späten Nachmittag wieder erwacht war, zog er sich in seine Werkstatt zurück und stürzte sich verbissen in seine Arbeit. Mit großer Sorgfalt reparierte er die Rüstung, die bei dem Kampf gegen den Kraken nicht unerheblichen Schaden genommen hatte, und verpasste ihr bei der Gelegenheit auch gleich ein paar Upgrades. Anschließend wandte er sich verschiedenen anderen Projekten zu, wie etwa dem verbesserten Frühwarnsystem für den Helicarrier, das er Fury bereits vor Monaten versprochen hatte. Seine Hände und sein Verstand blieben unaufhörlich in Bewegung, denn er wollte nicht an die Leere erinnert werden, die Pepper in ihm hinterlassen hatte. Hin und wieder übermannte ihn die Erschöpfung, und er schlief auf seiner Werkbank ein und fiel in einen unruhigen Schlaf, bevor er wenige Stunden später wieder hochschrak – meistens durch einen Stupser von Dummy, der besorgt testete, ob sein Schöpfer noch am Leben war – und sich von neuem an die Arbeit machte. Steve kam mehrmals vorbei, um ihm etwas zu essen zu bringen. Das hieß, eigentlich bemerkte Tony seine Anwesenheit nur beim ersten Mal, aber er vermutete, dass der andere ihn danach noch öfter besuchte, denn jedes Mal, wenn sein Magen ihm lautstark mitteilte, dass es an der Zeit war, Nahrung zu sich zu nehmen, und Tony sich nach etwas Essbarem umsah, war der Teller, der neben ihm auf dem Schreibtisch stand, auf magische Weise wieder gefüllt. Zwei oder drei Tage später – er war sich nicht ganz sicher, er hatte weder Uhrzeit noch Datum viel Beachtung geschenkt – verließ er schließlich seine Werkstatt. Auf halbem Weg zu seinem Zimmer vergaß er, was er eigentlich gewollt hatte, doch seine Beine trugen ihn in alter Gewohnheit weiter zur Küche und zur Kaffeemaschine. Kaffee. Genau. Das hatte ihm gefehlt. Wie hatte er das nur vergessen können? Die Küche war leer bis auf Natasha, die am Tisch saß und an etwas schrieb, was nach einem Bericht für SHIELD aussah, Tony konnte es nicht genau erkennen. Doch obwohl sie beschäftigt schien, verriet ihm etwas an ihrer Haltung, dass sie lediglich vorgab zu schreiben und stattdessen nur darauf gewartet hatte, dass er den Raum betrat. Und seine Vermutung trog ihn nicht. „Stark“, sagte sie. Sie blickte von ihrem Bericht auf und hob eine Augenbraue. „Du lebst noch.“ „Ja“, erwiderte Tony mit rauer Stimme und versuchte ein selbstbewusstes Lächeln, das jedoch kläglich misslang. „Erstaunlich, nicht wahr?“ Natashas Stirn glättete sich etwas. „Stark“, wiederholte sie. „... Tony.“ Tony wurde hellhörig und zugleich misstrauisch. Wenn Natasha ihn beim Vornamen ansprach, dann stimmte für gewöhnlich etwas nicht. „Denkst du nicht, du hast genug Zeit in deiner Werkstatt verbracht?“, fragte sie dann. Ihre Stimme war ruhig, jedoch nicht auf die kühle, reservierte Art, die er sonst von ihr gewohnt war. Stattdessen klang sie eher freundlich, kameradschaftlich. Fast schon besorgt. Und auf einmal begriff Tony. Wieso sie hier war. Und wieso sie auf ihn gewartet hatte. „Du?“, sagte er. „Von allen Personen, die dieses Gespräch mit mir hätten führen können, ist das Los ausgerechnet auf dich gefallen? – Womit verdiene ich diese Ehre?“ Er wusste, wie verletzend und bösartig seine Worte klingen mussten, aber es kümmerte ihn nicht. Der Schmerz in seinem Inneren war immer noch zu groß. Und vielleicht war gerade das der Grund, weshalb sie Natasha gewählt hatten. Weil sie gegen seinen Spott immun war. Und sie ließ sich von seinen Worten in der Tat auch nicht aus der Ruhe bringen, sondern lehnte sich gelassen in ihrem Stuhl zurück und musterte ihn. „Was zwischen dir und Pepper passiert ist, tut mir leid“, sagte sie dann. „Ob du es glaubst oder nicht, ich weiß, wie sehr so etwas wehtun kann. Doch Tag und Nacht zu arbeiten, bis du vor Erschöpfung zusammenbrichst, wird es nicht besser machen. Auch das weiß ich aus Erfahrung.“ „Und?“ Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. Er wollte nicht über seine Gefühle reden, nicht mit ihr und schon gar nicht jetzt. „Es ist mein Leben. Meine Werkstatt. Mein Tower. Ich kann tun und lassen, was ich will.“ Natashas Miene verhärtete sich unmerklich. „Mach dich nicht lächerlich, Stark“, meinte sie nur. „Die Liste an Dingen, die du tun und lassen kannst, ist sehr, sehr kurz geworden, seitdem du zum ersten Mal deine Rüstung angelegt und SHIELDs Aufmerksamkeit auf dich gezogen hast.“ Tony schwieg, während er über die unverhohlene Drohung hinter diesen Worten nachdachte, und Natasha begann mit fast schon gelangweilter Miene ihre Fingernägel zu inspizieren. „So, wie ich das sehe, hast du jetzt genau zwei Möglichkeiten“, fuhr sie fort. „Du kannst dich entweder weiter in deiner Werkstatt verkriechen und warten, bis dich der Schmerz von innen auffrisst, oder du reißt dich zusammen und kehrst zu uns zurück. Zu deinem Team. Deinen Kameraden. Zu den Menschen, die dich wider jegliche Vernunft als Freund betrachten und in absehbarer Zeit auch nicht vorhaben, damit aufzuhören.“ Tony legte den Kopf schief. Die beiläufige Art, mit der sie ihm gerade mitgeteilt hatte, wie sehr sie seine Freundschaft schätzte, brachte ihn etwas aus dem Konzept. Nach kurzem Überlegen fragte er: „Werden Sie mir wehtun, wenn ich mich nicht für die zweite Möglichkeit entscheide, Agent Romanoff?“ „Sie lernen schnell, Mr. Stark.“ Natasha lächelte, und aus irgendeinem Grund musste Tony plötzlich an Haie denken. Er seufzte leise und schloss die Augen. Während er seine Handballen gegen die Augenlider presste, wurde ihm bewusst, dass er tatsächlich keine Wahl hatte. Nicht wirklich. Und das nicht nur, weil Natasha Recht hatte, sondern weil ihm all das, was er momentan hatte – Iron Man, sein Team, sein Leben als Avenger – tatsächlich am Herzen lag und er nicht darauf verzichten wollte. Die Zeiten, in denen er sich wochenlang in seine Werkstatt zurückziehen und den Rest der Welt ausblenden konnte, waren schon lange vorbei. Plötzlich musste er wieder an Pepper denken, und zum ersten Mal, seitdem sie ihn verlassen hatte, begriff er, was sie ihm an jenem Abend hatte sagen wollen. Denn Pepper hatte erkannt, was Tony wirklich wichtig war, lange schon, bevor er selbst es gesehen hatte. Kluge, wundervolle Pepper... nicht zum ersten Mal fragte sich Tony, womit er sie überhaupt jemals verdient hatte. Gott, er vermisste sie so schrecklich... Dann wurde ihm bewusst, dass Natasha immer noch auf eine Antwort wartete, und er ließ die Hände wieder sinken. „Fein“, stieß er schließlich resigniert hervor. „Na schön, ihr habt gewonnen.“ Er lachte kurz auf. „Und wer wäre ich auch, der Welt mein Genie vorzuenthalten...?“ Dann öffnete er die Augen. „Außerdem ha- ... Oh.“ In den wenigen Momenten, in denen er nicht hingesehen hatte, hatte sich die Küche mit Personen gefüllt. Steve, Clint und Bruce standen um ihn und Natasha herum und schauten ihn besorgt an. Tony sah einen Augenblick lang zwischen ihnen und Natasha hin und her, dann warf er ergeben die Arme in die Luft. „Ich hasse euch alle!“, verkündete er, aber es steckte keine wirkliche Schärfe dahinter, und die anderen begannen zu grinsen. Steve war der erste, der auf ihn zutrat, und Tony gab ein leises „Uff!“ von sich, als der andere ihn ohne Vorwarnung in seine Arme zog. Tony spürte die harten Muskeln von Steves Oberkörper an seiner Brust und die großen Hände, die beruhigend über seinen Rücken strichen, und er erlaubte sich einen kurzen Moment der Schwäche und lehnte die Stirn an Steves Schulter. Es kam nicht oft vor, dass er sich in Captain Americas Armen wiederfand, aber es war... angenehm, irgendwie. Warm. Sicher. Allmählich wich die Spannung aus Tonys Körper, und er legte seinerseits zaghaft eine Hand auf Steves Rücken. Sie standen einen Moment lang so da und Tony wusste nicht, wann er sich das letzte Mal so geborgen gefühlt hatte. Als der andere ihn schließlich wieder auf Armeslänge von sich schob, musste er sich beinahe zwingen, sich nicht an ihm festzuklammern, wie ein kleines Kind am Ärmel seiner Mutter. „Schön, dass du wieder da bist“, sagte Steve mit sanfter Stimme. „Ich hielt es für das Beste, dich für ein paar Tage in Ruhe zu lassen.“ „Danke“, murmelte Tony, ohne ihm in die Augen zu sehen. „Das war, uhm... sehr rücksichtsvoll von dir.“ Dann sah er zu Bruce hinüber und sein Blick hellte sich auf. „Hey, seit wann bist du eigentlich wieder im Lande?“ Der andere lächelte. „Seit gestern Abend. Ich hätte Hallo gesagt, aber nachdem die anderen mir erzählt haben, was passiert ist...“ Er hob in einer Geste der Entschuldigung die Schultern. „Tss, also bitte!“ Tony zog beleidigt die Nase kraus. „Sehe ich vielleicht so aus, als würde ich sofort in Tränen ausbrechen, sobald jemand den Namen meiner Ex-Freundin erwähnt?“ Einen Moment lang herrschte Stille in der Küche. „Nun...“, begann Clint, bevor Natasha ihm einen warnenden Klaps auf den Arm gab. Steve schüttelte den Kopf. „Wir hielten es einfach für besser zu warten, bis du von allein aus deiner Werkstatt kommst“, sagte er. „Wir wollten dich nicht drängen.“ „Ach“, machte Tony nur und hob zweifelnd eine Augenbraue. „Und wie nennst du das, was Natasha vorhin gemacht hat?“ „Ich habe dir lediglich einen Vorschlag unterbreitet“, meinte Natasha gelassen, und er glaubte ihr kein Wort. „Jedenfalls ist es gut, dass wir dich wiederhaben“, sagte Clint und klopfte Tony lächelnd auf die Schulter. „Du meinst, es ist gut, dass endlich wieder jemand da ist, der mit dir über deine dummen Witze lacht“, korrigierte ihn Natasha. Clints Lächeln blieb unverändert. „Das außerdem.“ Tony sah sie der Reihe nach an und ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus. Sie mochten etwas exzentrisch, gefährlich und – zum Teil – schlichtweg durchgeknallt sein, aber sie sorgten sich um ihn und waren für ihn da, wenn er sie brauchte. Das war mehr, als er von seiner eigenen Familie jemals hatte behaupten können. Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und auf seinem Gesicht zeigte sich das erste echte Lächeln seit Tagen. „Danke“, sagte er. Es war das einzige, was ihm in diesem Moment einfiel. Doch als er den zufriedenen Ausdruck auf ihren Gesichtern sah, erkannte er, dass es auch das einzige war, was sie hatten hören wollen. *~*~* An Pepper zu denken, tat noch immer weh, doch Tony erlaubte es dem Schmerz nicht, ihn erneut zu überwältigen. Dafür hatte er viel zu viel zu tun. Bereits zwei Tage später ereilte sie der nächste Notruf – offenbar hatte irgendein Scherzkeks im Central Park zur Unterhaltung seiner Freunde ein paar satanische Beschwörungsformeln aus einem alten Buch vorgelesen und dabei versehentlich das Tor zur Hölle geöffnet (immer diese Studenten) – und die Avengers zogen gemeinsam in den Kampf. Die Ablenkung kam Tony sehr gelegen, und als er in alter Gewohnheit Rücken an Rücken mit Steve kämpfte und gemeinsam mit ihm eine Horde von Succubi abwehrte, fühlte er sich wieder ganz wie er selbst. „Steve!“, rief er nach einer Weile, während er einen Schuss abgab, der eine Gruppe der geflügelten Wesen auseinandertrieb, wie einen Schwarm erschreckter Tauben. „Wenn du ernsthaften Schaden anrichten willst, dann solltest du deine Gegner hin und wieder auch mal ansehen.“ Steve gab ein erstickt klingendes Geräusch von sich, als sein Schild zum wiederholten Male zu ihm zurückkehrte, ohne irgendetwas getroffen zu haben. „Es wäre einfacher“, erwiderte er, „wenn sie nicht... ich meine, wenn sie wenigstens... nun ja...“ Er gab auf. „Etwas anhätten?“, fragte Tony amüsiert. „Tony...“ Steve stöhnte verzweifelt auf, aber der andere fuhr nur mit einem Lachen fort: „Glaub mir, Cap, es gibt weitaus schlimmere Anblicke. Außerdem solltest du dich von ihrem Aussehen nicht täuschen lassen. Ich zweifle nicht daran, dass sie uns die Kehlen aufreißen werden, sobald sie nur nah genug an uns herankommen.“ Ein Pfeil sauste an seinem Kopf vorbei, so dicht, dass die Anzeigen seines Displays kurz in einem zornigen Rot aufblinkten. „Barton!“, rief Tony. „Pass gefälligst auf!“ „Sorry!“, erwiderte Clint fröhlich. „Anders als unser guter Captain weiß ich gar nicht, wo ich zuerst hingucken soll...“ „Clint“, sagte Natasha, und ihre Stimme war so gefährlich leise, dass selbst Tony, dem der warnende Tonfall zur Abwechslung mal nicht galt, unbehaglich schlucken musste. Daraufhin zog der Bogenschütze es für den Rest des Gefechts vor, den Mund zu halten. Obwohl sie dieses Mal Unterstützung vom Hulk hatten, der unermüdlich durch die feindlichen Reihen pflügte und gerade dabei war, mit der Wucht eines Orkans eine Schar von schwertschwingenden Skeletten niederzuwalzen, hätten sie dem Ansturm der Angreifer vielleicht nicht standhalten können, wenn sie nicht unerwartet Hilfe von einem dunkelhaarigen Mann mit Cape bekommen hätten. Der Fremde, der weder Rüstung noch Waffen trug, stellte sich kühn zwischen die Avengers und die angreifenden Bestien und wehrte die Heerscharen der Hölle mit donnernden Worten ab, von denen Tony nach genauerem Hinhören vermutete, dass es sich um Zaubersprüche handelte. Mit feurigen Linien zeichnete er ein Pentagramm in die Luft, das das Tor wieder versiegelte, und mit neuem Mut drängten die Avengers gemeinsam mit dem unbekannten Helfer die Angreifer durch das Portal zurück, das sich schließlich schloss und in Luft auflöste, als hätte es nie existiert. Nur die rauchenden Krater und zerstörten Beete zeugten davon, dass überhaupt eine Schlacht stattgefunden hatte. Während Steve erschöpft die Hände auf die Knie stützte und Tony sein Visier nach oben klappte, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, trat der fremde Mann zu ihnen und verbeugte sich kurz. „Dr. Stephen Strange“, stellte er sich vor und musterte sie aus grauen Augen. „Tut mir Leid für das Chaos, das hätte nicht passieren dürfen. Jemand hat einen sehr mächtigen Spruch auf sehr falsche Weise angewendet, und hätten die Avengers nicht eingegriffen, wäre ich vielleicht nicht rechtzeitig hier gewesen, um eine Katastrophe zu verhindern. Darum vielen Dank für die Hilfe.“ „Schon gut“, winkte Steve nur ab und richtete sich auf. „Es ist ja zum Glück niemand zu Schaden gekommen.“ Tony sah ihn fassungslos an. „Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“, fragte er ungläubig. Dann wandte er sich Strange zu. „Hören Sie, Mister-“ „Doctor“, unterbrach ihn Strange ruhig. „-... dann meinetwegen eben Doctor Strange...“ Er verlor für einen Moment den Faden. „Wow, was für ein passender Nachname. Heißen Sie wirklich so oder ist das Ihr Künstlername?“ „Tony...!“ Steve gab ein Seufzen von sich. Doch Strange schien sich nicht an Tonys Frage zu stören, er wirkte im Gegenteil sogar amüsiert. „Keine Sorge, das kriege ich öfter zu hören... Ja, das ist in der Tat mein Name.“ „Huh, interessant...“, meinte Tony fasziniert. Dann fiel ihm wieder ein, was er eigentlich hatte sagen wollen, und er fuhr fort: „Jedenfalls: Sie, Dr. Strange, scheinen außerordentlich viel Talent und Erfahrung im Umgang mit Magie zu besitzen. Wie kann es sein, dass wir bisher noch nie von Ihnen gehört haben? Insbesondere – ohne Ihnen an dieser Stelle zu nahe treten zu wollen – während des Angriffs von Loki auf New York, bei dem wir Ihre Unterstützung gut hätten gebrauchen können?“ „Eine sehr berechtigte Frage“, erwiderte Strange und nickte. „Und ich bedaure, dass ich Ihnen damals nicht zur Seite stehen konnte. Doch würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich zu dem Zeitpunkt gerade in einer parallelen Realität gefangen war?“ „Im Ernst?“, fragte Tony, den die Antwort sogar noch weniger überraschte, als er gedacht hätte. Er hatte in den letzten Monaten wahrscheinlich einfach zu viele seltsame Dinge gesehen und erlebt, um am Wahrheitsgehalt dieser Erklärung zu zweifeln. Strange nickte. „Donnerwetter“, meinte Tony. „Nun, ich bin mit einer nordischen Gottheit befreundet, die auf Regenbögen reitet, ich glaube mittlerweile so ziemlich alles.“ Er dachte einen Augenblick lang nach. „Sagen Sie, Sie hätten nicht zufällig Lust, den Avengers beizutreten?“, fragte er dann, und Steve zuckte kurz zusammen, bevor er Tony einen Blick zuwarf, als hätte er den Verstand verloren. Doch Strange lachte nur. „Nicht wirklich, nein“, erwiderte er. „Aber sollten Sie es erneut mit einem Gegner magischer Natur zu tun bekommen, biete ich Ihnen gern meine Unterstützung an.“ „Ich verstehe.“ Tony nickte. „Vielen Dank für das Angebot.“ „Keine Ursache.“ Strange rückte seinen Umhang zurecht. „Wäre das dann alles?“ „Ich glaube schon“, sagte Tony nach kurzem Überlegen. Dann lächelte er. „Freut mich, Sie kennengelernt zu haben, Dr. Strange.“ „Die Freude ist ganz meinerseits, Mr. Stark“, entgegnete Strange, bevor er die Hände hob und ein paar Worte murmelte. Daraufhin begann die Luft um ihn herum zu flimmern und Strange selbst nach und nach an Substanz zu verlieren, bis er schließlich durchscheinend war, wie das flackernde Bild eines Filmprojektors, und dann – verschwunden. „So ein Angeber“, meinte Clint, aber seine Stimme war voll von widerwilligem Respekt. Tony drehte sich um und sah ihn und Natasha nähertreten. Ein Stück entfernt entdeckte er Bruce, der wieder auf seine normale Größe zusammengeschrumpft war und gerade sein Hemd zuknöpfte. „Ich weiß nicht“, erwiderte Tony und zuckte mit den Schultern. „Ich mag ihn irgendwie – er hat Stil. Und ein fesches Cape.“ „Warum überrascht mich das nicht?“, fragte Clint trocken und verschränkte die Arme vor der Brust. Steve war noch weniger begeistert. „Was sollte das eben, Tony?“, fuhr er ihn an, während er seinen Schild zurück auf seinen Rücken schob. „Du kannst nicht einfach wahllos Leute rekrutieren! Fury hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Initiative erst nach Rücksprache mit SHIELD neue Mitglieder aufnimmt! Was, wenn Strange ja gesagt hätte?“ „Mein Gott, Steve, jetzt bleib doch mal locker“, meinte Tony und klopfte ihm auf die Schulter. „Erstens hat er das nicht, und zweitens sind die Avengers immer noch wir, nicht SHIELD – und wir entscheiden, mit wem wir zusammenarbeiten und mit wem nicht.“ „Du meinst, du entscheidest das“, mischte sich nun auch Natasha ein und sah ihn kühl an. „Oder was war das gerade?“ „Das war gar nichts“, entgegnete Tony gelassen. „Und es wäre auch nichts geworden. Ich kenne Leute wie Strange, Eigenbrötler wie er bleiben lieber für sich. – Nein, was ich getan habe, tat ich, weil ich sehen wollte, wie er reagiert. Und es lief sogar besser, als erwartet, denn wie sich herausgestellt hat, können wir ihn von nun an als Verbündeten betrachten.“ „Himmel noch mal, Tony...!“ Steve, der sich bei diesen Worten langsam wieder entspannte, schüttelte den Kopf. „Könntest du mich nächstes Mal vielleicht vorher in deinen Plan einweihen? Oder mich wenigstens kurz warnen?“ „Wo bliebe da der Spaß?“, fragte Tony und wich grinsend einen Schritt zurück, als Steve ihm spielerisch gegen die Schulter boxen wollte. Natasha verdrehte die Augen, bevor sie sich abwandte und zu Bruce hinüberging, der gerade nach seinen Schuhen suchte, die er während seiner Verwandlung verloren hatte. Clint folgte ihr. „Aber mal im Ernst, Steve...“, sagte Tony leise, als die anderen außer Hörweite waren und er die Funkverbindung zwischen ihnen gekappt hatte. „Wenn ich Leuten wie Strange begegne, frage ich mich doch, wie viel mehr potentielle Avengers-Mitglieder es da draußen gibt. Wie viel mehr Leute, die ähnliche Fähigkeiten haben, wie wir, und die tagtäglich versuchen, ihren Mitmenschen zu helfen, es aber nicht immer schaffen, weil sie ganz auf sich allein gestellt sind.“ Steve nickte; die gleiche Frage hatte auch er sich schon mehrmals gestellt. „Die Avengers-Initiative ist noch jung“, meinte er. „Die Welt hat gerade erst angefangen, uns wahrzunehmen. Im Moment ist es noch zu früh für große Erwartungen, aber in ein paar Jahren...?“ Er legte Tony eine Hand auf die Schulter und schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln. „Glaub mir, Tony, sie werden uns bemerken. Und sie werden kommen. Wir müssen nur Geduld haben.“ Tony erwiderte sein Lächeln. Steve war immer so voller Hoffnung und Optimismus, und wenn er ihn auf diese Weise ansah, konnte er ihm fast alles erzählen und Tony würde es ihm glauben. Wollte es ihm auch glauben. „Okay“, sagte er nur. Dann betrachteten sie schweigend die Skyline von Manhattan, die sich hinter den Bäumen erhob, und warteten darauf, dass Fury und die Agenten von SHIELD eintrafen. *~*~* Nach dem Vorfall im Central Park legte Tony auf seinem Computer ein Archiv an, in dem er die Daten von sämtlichen Personen sammelte, die er als „avenger-tauglich“ betrachtete. Noch enthielt es gerade mal ein halbes Dutzend Einträge – ihr Team und Strange – aber er war zuversichtlich, dass es im Laufe der Zeit wachsen würde. Denn Tony wusste, dass eines Tages ein Moment kommen würde, in dem die Avengers auf Hilfe von außerhalb angewiesen sein würden, und es konnte nicht schaden, schon jetzt nach geeigneten Verbündeten Ausschau zu halten. Steve war der einzige, dem er das Projekt zeigte, und er bat ihn, vorerst weder Fury noch dem Rest des Teams davon zu erzählen. Der andere war davon nicht sehr begeistert, aber er sah ein, dass sie umso ungestörter bei ihrer Suche sein würden, je weniger Personen von ihrem kleinen Geheimprojekt erfuhren. *~*~* Die Wochen vergingen. Steve und Tony begannen mehr Zeit miteinander zu verbringen. Anfangs vor allem, um sich über die Personen auszutauschen, die sie bei ihren Nachforschungen entdeckten, und ihre Relevanz für „die Liste“ – wie sie Tonys Archiv nannten – zu besprechen. Nach einer Weile dann auch, weil sie sich einfach in der Gegenwart des jeweils anderen wohlfühlten, selbst wenn sie sich nur zusammen in einem Raum aufhielten und ihren eigenen Beschäftigungen nachgingen, ohne sich dabei zu unterhalten. Ab und zu besuchte Steve Tony in der Werkstatt und setzte sich für ein paar Stunden bei ihm auf die Couch, einen Skizzenblock auf dem Schoß, und malte wahllos Gegenstände ab, die er im Raum entdeckte, um sich an Proportionen und Schattierungen zu üben. Seitdem er in den Quartieren von SHIELD erwacht war, widmete er sich in seiner Freizeit wieder öfter dem Zeichnen, einem Hobby, für das er während des Krieges kaum Zeit gefunden hatte. Hin und wieder malte er Dummy oder einen von Tonys anderen Robotern, die munter vor sich hin zwitscherten, sobald sie merkten, dass sie Steves Aufmerksamkeit hatten, was ihm dann immer einen halb amüsierten, halb genervten Blick von Tony einbrachte. Manchmal malte er die Gesichter seiner Mutter oder der Freunde, die er während des Krieges verloren hatte, oder Landschaften, durch die er während seiner Zeit in Europa gewandert war. Selten, nur ganz selten, malte er auch Tony, während dieser gerade mit konzentrierter Miene an einem hochempfindlichen Schaltkreis arbeitete oder sich erschöpft  gegen seine Werkbank lehnte, während Dummy ihm auf wackeligem Tablett eine Tasse Kaffee brachte. Wenn Steve seinerseits auf dem Balkon vom Penthouse oder im Wohnzimmer saß und ein Buch las oder wichtige Unterlagen von SHIELD durchging, die Fury ihm als Anführer des Teams zum Lesen mitgegeben hatte, geschah es nicht selten, dass Tony sich nach einer Weile mit seinem Holo-PC zu ihm gesellte und an neuen Programmen oder Konstruktionszeichnungen arbeitete. Meist saßen sie dann einfach nur in entspannter Stille beisammen. Doch manchmal kamen sie auch über die jeweiligen Projekte, an denen sie gerade arbeiteten, ihre letzte Mission oder ihren Alltag ins Gespräch, und sie stellten dabei schnell fest, dass sie mehr gemeinsam hatten, als sie gedacht hätten. Tony unterhielt sich gern mit Steve. Der andere mochte in Bezug auf technisches, kulturelles und weltpolitisches Wissen mehrere Jahrzehnte hinterherhinken, aber er war humorvoll, klug und ein guter Beobachter, der nicht zögerte, seine Gedanken frei auszusprechen, und der die Vorgehensweisen und Entscheidungen von SHIELD und der Regierung mitunter schärfer kritisierte, als Tony selbst. Und mit jedem weiteren Tag fragte er sich aufs Neue, wie er ihn jemals hatte hassen können. *~*~* Es war ein Samstagabend am Ende einer relativ ruhigen Woche – es hatte ausnahmsweise einmal keine Zwischenfälle gegeben – als Tony, der am späten Vormittag ins Bett gegangen und erst jetzt wieder aufgewacht war, frisch geduscht und noch mit feuchten Haaren durch die Flure des dunklen Penthouses lief und nach den anderen suchte. Nachdem er an den üblichen Orten jedoch niemanden vorgefunden hatte, befragte er JARVIS. „Mr. Barton und Ms. Romanoff haben sich den Abend frei genommen, Sir“, teilte dieser ihm mit. „Und Dr. Banner besucht ein Symposium in Washington und wird erst morgen wieder zurück sein. Captain Rogers ist allerdings anwesend und hält sich momentan in der Turnhalle auf. Soll ich ihn beachrichtigen?“ „Das ist nicht nötig“, winkte Tony ab. „Ich gehe selbst.“ Da die Trainingsarena mehrere Etagen von den Räumlichkeiten, in denen sich die Avengers für gewöhnlich aufhielten, entfernt war, hatte Tony nicht gleich daran gedacht, auch dort nachzusehen. Doch nachdem Steve ihm vor ein paar Wochen erzählt hatte, dass er nachts manchmal Schwierigkeiten hatte zu schlafen und sich dann oft zum Training in die Sporthalle zurückzog, überraschte es ihn nicht zu hören, dass der andere um diese Uhrzeit noch dort war. Als Tony die Halle betrat, war Steve gerade dabei, Turnübungen am Reck zu machen. Mit Leichtigkeit zog er sich an der Stange hoch und holte mehrmals Schwung, bevor er mit ausgestreckten Armen ein gutes Dutzend Umdrehungen machte, bei denen Tony allein schon vom Zugucken schwindelig wurde. Doch Steve schienen sie kaum mehr Mühe zu machen, als ein gemütlicher Spaziergang. Nach ein paar weiteren Übungen ließ er die Stange schließlich los und landete in perfekt aufrechter Haltung auf der Matte, und lediglich sein sich schnell hebender und senkender Brustkorb zeugte davon, dass er überhaupt Sport gemacht hatte. Tony, der noch immer im Schatten neben dem Eingang stand, überlegte, ob er die Gelegenheit nutzen sollte, den anderen auf sich aufmerksam zu machen, aber aus irgendeinem Grund zögerte er... und dann hatte sich Steve auch schon dem nächsten Turngerät zugewandt. Mit einer Faszination, die er sich selbst nicht so recht erklären konnte, beobachtete Tony ihn bei seinen Turnübungen. Vermutlich waren es die perfekte Körperbeherrschung und die Sicherheit und Eleganz jeder seiner Bewegungen, die ihn so fesselten. Die ihn jedes Mal fesselten, wenn er Steve im Einsatz erlebte. Der Mann war schließlich das Produkt von jahrelangen Forschungen, das Ergebnis eines Regierungsexperimentes, das aus dem lange gehegten Traum resultierte, einen besseren Menschen zu schaffen – und jeder seiner Handgriffe und jedes Spiel seiner Muskeln zeugten von dem Erfolg dieses Versuchs. Davon abgesehen musste Tony zugeben, dass auch Steves bloßer Anblick keinesfalls zu verachten war. Tony hatte es privat zwar bisher fast ausschließlich mit Frauen zu tun gehabt, aber das bedeutete nicht, dass er die Vorzüge des männlichen Körpers nicht auch zu schätzen wusste, insbesondere, wenn es sich um ein Prachtexemplar wie das von Steve Rogers handelte. Doch Tony hatte schon vor einer Weile beschlossen, sich auf stille Bewunderung zu beschränken. Steve war immerhin sein Teamkollege, mehr noch, sein Freund. Selbst wenn Tony nicht mit Pepper zusammen gewesen wäre, hätte er es nie gewagt, einen Schritt in diese Richtung zu unternehmen, denn dafür lag ihm seine Freundschaft mit Steve zu sehr am Herzen. Ein schwaches Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als ihm plötzlich bewusst wurde, wie sehr er sich in den letzten Jahren eigentlich verändert hatte. Früher hätten ihn solche Bedenken nie gekümmert, damals hätte er es riskiert, seine Beziehung zu Steve zu ruinieren, um ein paar abenteuerliche Nächte und vielleicht sogar Wochen mit ihm zu verbringen. Doch am Ende wäre – wie immer – auch diese Beziehung gescheitert, und während es Steve zweifellos das Herz gebrochen hätte, hätte sich Tony einfach der nächsten Person zugewandt. Doch seit seiner Gefangenschaft in Afghanistan – seit ihm klar geworden war, wie kostbar und wertvoll und schrecklich leicht zu zerstören jedes einzelne Menschenleben war – hatte er angefangen, mehr Rücksicht auf die Gefühle seiner Mitmenschen zu nehmen. „Hey, Tony!“ Tony fuhr überrascht zusammen. Er war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, dass Steve seine Anwesenheit mittlerweile bemerkt hatte und auf ihn zukam. Tony blinzelte, als der andere zu ihm trat und ihn mit einem Nicken begrüßte. „Uhm, hi“, entgegnete er mit unsicherem Lächeln und fuhr sich durch die Haare. Obwohl sie nicht mal sehr dicht beieinander standen, spürte Tony deutlich die Wärme, die von Steves Körper ausging, und es war ein Gefühl, das gleichzeitig wunderbar war und ihm Angst macht. Unwillkürlich machte er einen kleinen Schritt zurück. Steve hob fragend die Augenbrauen, während er sich mit einem Handtuch über Stirn und Wangen rieb. „Was ist los? Du siehst mich so seltsam an...“ Tony atmete tief durch und zählte innerlich langsam bis drei. Dann versuchte er erneut ein Lächeln, und dieses Mal gelang es ihm auf Anhieb. „Tut mir leid“, sagte er, und seine Stimme klang schon wesentlich selbstsicherer, als noch einen Moment zuvor. „Ich war gerade mit den Gedanken ganz woanders...“ Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und sah Steve in die Augen. „Ich bin nur eben erst aufgestanden und es war sonst niemand da, und da ich Hunger bekommen habe, dachte ich, ich frage einfach mal, ob du Lust hast, mit mir was essen zu gehen.“ Steve ließ wortlos sein Handtuch sinken. „Ich weiß, es ist schon spät“, fuhr Tony schnell fort. „Aber allein zu gehen ist wirklich furchtbar langweilig und ich fange dabei immer an, Selbstgespräche zu führen und die Speisekarte mit Gleichungen vollzuschreiben und die Kellner zu terrorisieren und-“ „Gerne“, unterbrach ihn Steve mit einem warmen Lächeln und Tony sah ihn einen Moment lang überrascht an. Mit einer so schnellen Zustimmung hatte er nicht gerechnet. „Oh, uhm... das freut mich“, beeilte er sich zu sagen. „Wollen wir gleich los...?“ Der andere lachte leise. „Gib mir zehn Minuten Zeit zum Duschen und Umziehen, dann bin ich bei dir, okay?“ Tony erwiderte das Lächeln offen. „Okay.“ Er kehrte zum Wohnzimmer zurück und setzte sich auf die Couch, um dort auf Steve zu warten, sprang jedoch keine Minute später wieder auf und lief ruhelos durch das Zimmer. „Herrgott noch mal, Stark, reiß dich zusammen...“, murmelte er, doch die Nervosität wollte nicht nachlassen. Was in Tonys Augen keinen Sinn ergab, schließlich wollte er nur mit seinem besten Freund essen gehen. Kein Grund also, sich ins Hemd zu machen. Nachdem Steve knappe zehn Minuten später zu ihm gestoßen war, machten sie sich auf den Weg. Da sie beide eher leger gekleidet waren und auch nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollten, mieden sie die teuren Clubs, die Tony sonst immer bevorzugte, und machten es sich stattdessen wenige Blocks entfernt in einem thailändischen Restaurant gemütlich. Tony erkannte schnell, dass dies die richtige Entscheidung gewesen war, denn Steve fühlte sich dort sichtlich wohl, anders als in den edlen und sündhaft teuren Etablissements, in die Tony ihn und die anderen ab und zu zum Essen einlud. Sie setzten sich an einen Tisch in die hinterste Ecke, wo sie weitestgehend ungestört waren, und gaben ihre Bestellung auf. Dann schwiegen sie für eine Weile, bis die zierliche, asiatische Kellnerin zurückgekehrt war und ihnen die Getränke brachte. Während Tony gelangweilt an dem Strohhalm seiner Cola zu nuckeln begann, warf Steve ihm einen amüsierten Blick zu. Tony hob eine Augenbraue. „Was?“ „Nichts“, erwiderte Steve nur und schüttelte den Kopf. Dann faltete er seine Hände vor sich auf dem Tisch. „Ich habe heute jemanden getroffen“, begann er. Tony musste grinsen. „Aha...? Interessant. Wie heißt sie?“ Steve verdrehte die Augen. „Keine ‚sie‘. Sondern ein kostümierter Held, der seit kurzem in New York aktiv ist“, fuhr er fort, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. „Nennt sich selbst Spider-Man.“ Tony nickte. Er hatte auch schon ein paar Male von ihm gehört, war ihm aber selbst noch nicht begegnet. „Er ist mir mehrere Blocks lang gefolgt, hat aber nicht versucht, an mich heranzutreten. Erst, als ich in eine Seitenstraße abgebogen bin und dort auf ihn gewartet habe, ist er vom Dach runtergekommen und hat mich angesprochen.“ Die Vorstellung, dass der andere von einem Fanboy mit Superkräften verfolgt worden war, ließ Tony grinsen. Aber es überraschte ihn auch nicht sehr. Steve hatte nun mal einfach diesen Effekt auf andere Leute. „Was hat er gesagt?“, fragte er neugierig. Steve zuckte mit den Schultern. „Nicht viel“, meinte er. „Nur, dass sein Name Spider-Man wäre, dass er von den Avengers gehört hätte und unsere Arbeit bewunderte. Er war so aufgeregt, dass er kaum stillstehen konnte.“ Tony lachte leise. „Das glaube ich gern.“ „Und er war noch so jung, Tony.“ Steve seufzte. „Ich habe sein Gesicht zwar nicht gesehen, aber seine Statur und seine Stimme...? Er konnte nicht sehr viel älter als sechzehn gewesen sein.“ „Ich habe Videos von ihm im Internet gesehen“, erwiderte Tony nur. „Lass dich von seinem Äußeren nicht täuschen, er hält eine ganze Menge aus.“ „Trotzdem“, beharrte Steve. „Wollen wir wirklich Kinder in unseren Kampf mit hineinziehen?“ „Wollen? – Nein.“ Tony nahm einen Schluck von seiner Cola. „Aber vielleicht werden wir eines Tages keine andere Wahl haben.“ Er stützte das Kinn in die Hand. „Hast du ihm das gesagt, was wir auch den anderen schon gesagt haben?“ „Dass die Avengers sich über eine Zusammenarbeit mit ihm freuen würden und er jederzeit zu uns kommen kann, wenn er Hilfe braucht? – Ja, habe ich. Und ich hoffe, er macht davon auch Gebrauch.“ Tony lächelte. „Du machst dir wirklich Sorgen um ihn, was?“ „Ich weiß nicht.“ Steve sah auf seine gefalteten Hände hinab. „Ich habe einfach kein gutes Gefühl bei dieser Sache.“ „Umso besser, dass du mit ihm gesprochen hast“, erwiderte Tony. „Ich hoffe, er ist nicht zu stolz, unser Hilfsangebot auch anzunehmen, sollte er es wirklich einmal brauchen.“ „Er hat nichts dazu gesagt“, meinte Steve. „Ich glaube, er war in dem Moment einfach nur völlig sprachlos. Er hat mich einen Moment lang angestarrt, dann hat er sich umgedreht und war weg. Ich hoffe, ich habe ihm keine Angst eingejagt...“ Er seufzte erneut. „Unsinn, du doch nicht“, widersprach Tony belustigt. „Ich glaube eher, es war alles ein bisschen zu viel für ihn in dem Augenblick. Mach dir keine Sorgen, er kommt schon drüber hinweg.“ Steve schenkte ihm ein unsicheres Lächeln. „Wenn du meinst...“ Tony legte seine Hand auf Steves verschlungene Finger und sah ihm in die Augen. „Ganz sicher“, sagte er. „Du machst das gut, Steve, glaub mir; diese Rekrutierungssache liegt dir einfach. Die Leute haben Respekt vor dir und schätzen deine Meinung. – Genauso, wie wir es tun.“ Sie sahen sich an und Tony konnte fühlen, wie die Anspannung langsam von dem anderen wich. Dann kam ihre Bestellung und er zog seine Hand wieder zurück, als sein Teller vor ihm platziert wurde. Schweigend begannen sie zu essen. Doch schon nach wenigen Minuten fuhr Tony kauend fort: „Okay, damit hätten wir dann auch Spider-Man...“ Steve nickte. „Das wären dann insgesamt... siebzehn? Achtzehn?“, überlegte Tony. „Achtzehn“, meinte Steve. „Uns fünf eingeschlossen. Bzw. sechs, wenn Thor wieder aus Asgard zurück ist.“ „Also sechs“, erwiderte Tony und zählte an seiner freien Hand weiter ab. „Dann die vier vom Baxter Building, die sich vor kurzem in der Öffentlichkeit als Superhelden geoutet haben. Dann Strange. Dann Spider-Man. Dann dieses kuriose Pärchen mit dem Größenfetisch... wie hießen die zwei doch noch gleich...“ „Hank Pym und Janet van Dyne “, half Steve nach. „Genau! Die beiden. – Dann dieser Typ im Lederanzug aus Hell’s Kitchen, der dir fast die Nase gebrochen hätte...“ „Daredevil“, meinte Steve grimmig. „... und der Kerl mit den Flügeln, der mich immer an den einen Hitchcock-Film erinnert...“ „Falcon. Und er hat mir erzählt, dass er nicht wirklich mit den Vögeln reden kann, sondern er... wie nannte er das noch... ‚beeinflusst lediglich ihre Instinkte‘.“ „... was auch immer.“ Tony stocherte einen Moment lang in seinem Essen herum. „Bist du Namor nach dem Desaster letztens unten im Hafen noch mal begegnet?“, fragte er dann. „Nein.“ Steve schüttelte den Kopf. „Und ich bin auch nicht wirklich scharf darauf. Namor ist aggressiv und arrogant, und ich traue ihm nicht. Ich will ihn nicht in diesem Team haben.“ Tony nickte verstehend. „Gut, dann können wir ihn wohl vorerst streichen. Bleiben noch Power Man und Iron Fist, denen ich übrigens nicht weiter traue, als ich sie werfen kann. Und das ist ohne Rüstung nicht sehr weit.“ Steve schmunzelte. „Ich mochte sie irgendwie, sie haben mich ein bisschen an meine Kameraden von früher erinnert. Sie mögen es vielleicht bevorzugen, für sich zu bleiben, aber es schien ihnen ehrlich daran zu liegen, das Richtige zu tun und mit ihren Kräften den Leuten zu helfen.“ „Und vorher Geld dafür zu verlangen?“ Tony runzelte die Stirn. „Nicht jeder ist Multimilliardär, Tony“, entgegnete Steve ruhig. „Aber ich stimme dir zu, ich finde ihre Motivation auch etwas... zweifelhaft. – Allerdings habe ich sie beobachtet, und sie helfen auch dann, wenn sie dafür nicht bezahlt werden. Also sollten wir vielleicht nicht vorschnell über sie urteilen.“ „Hrm“, machte Tony nur, der immer noch nicht so recht überzeugt war. Doch Steve schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, den beiden Männern eine Chance zu geben, und er traute Steves Instinkten. „Na gut“, sagte er dann. „Damit wären wir dann bei achtzehn. Kein schlechter Start, was?“ „Das wird sich noch zeigen“, meinte Steve. „Immerhin haben wir keine Ahnung, ob und wie gut sie zusammenarbeiten werden...“ „Ach, komm schon“, erwiderte Tony und grinste. „Ein Team, das von uns beiden handverlesen wurde, kann so schlecht nicht sein.“ Der andere schüttelte lächelnd den Kopf. „Du bist heute wirklich optimistisch, Tony, habe ich das schon mal gesagt?“ „Nein, aber danke.“ Tonys Augen leuchteten. „Es ist nur... Ich finde all das nur unglaublich spannend. Wenn alles so klappt, wie wir uns das vorstellen – wenn wir es tatsächlich schaffen, all diese Leute zur Zusammenarbeit zu bringen – könnten wir so unglaublich vieles bewirken, Steve. Sag nicht, du findest den Gedanken nicht auch aufregend...!“ Sie lächelten sich an und Steve wollte gerade etwas erwidern, als die Stille plötzlich vom Klingeln ihrer Handys unterbrochen wurde. Tony seufzte, als er Clints Namen auf dem Display sah. Dann schob er seinen Stuhl zurück und erhob sich. „Wieso immer beim Essen...“ „Immerhin waren wir fast fertig“, erwiderte Steve und stand ebenfalls auf. „Wahr“, meinte Tony und grinste ihn an. „Also dann, lass uns nachsehen, wer dieses Mal wieder die Welt erobern will.“ *~*~* Tony atmete schwer, während er sich aus dem Schutthaufen wühlte, unter dem er begraben worden war, als er die Wand des Einkaufszentrums durchschlagen hatte. „Stark, alles in Ordnung?“, hörte er Natashas besorgte Stimme in der Leitung. „Das Ding hat dich weggefegt wie einen Tennisball.“ „Mir geht’s gut“, erwiderte Tony und biss die Zähne zusammen. „Sag mir, ob ich es erwischt habe und ob mein Angriff ihm wenigstens irgendeine Art von Schaden zugefügt hat!“ „Warte“, erwiderte sie. „Ich kann es gerade nicht sehen... – Verdammt!“ Sie fluchte leise auf Russisch. „Okay, ich habe wieder Sichtkontakt“, sagte sie dann. „Und es scheint weiterhin unbeschädigt zu sein. Was zur Hölle ist das für ein Ding?“ „Keine Ahnung“, keuchte Tony. „Aber bleib ihm um Himmelswillen fern, hast du gehört?“ Er humpelte zum Loch in der Wand hinüber und sah in die Nacht hinaus. Das Ding, was auch immer es war, leuchtete in einem schwachen Blau und hatte etwa die Größe und Gestalt eines Menschen, war aber stärker als alles, was ihnen jemals begegnet war. Und egal, womit sie es auch angriffen, nichts schien zu helfen. Momentan schwebte es über den Dächern von Manhattan und schoss seelenruhig Energiestrahlen auf die verschiedenen Gebäude ab. Mehrere Hochhäuser standen bereits in Flammen und in den Straßen herrschte das pure Chaos. „Wie geht es Steve?“, fragte Tony, als sich sein Atem wieder etwas beruhigt hatte. „Er scheint größtenteils unverletzt zu sein, aber er ist immer noch bewusstlos“, berichtete Natasha. „Clint ist gerade bei ihm und passt auf ihn auf. Er hat ihn nicht weit von hier in eine U-Bahn-Station gebracht, darum habe ich gerade keinen Kontakt zu ihnen...“ „Das ist schon okay.“ Tony war sogar ein bisschen erleichtert. Wenigstens würde den beiden vorerst nichts passieren. „Und Bruce?“, fragte er dann. „Ich habe ihn angerufen, aber er meinte, es wird noch mindestens zwei Stunden dauern, bis er hier ist.“ „Zwei Stunden“, murmelte Tony. Ob er das Ding zwei Stunden lang aufhalten konnte...? „Okay“, sagte er schließlich. „Bleib auf deiner Position, Natasha, und halte mich weiter auf dem Laufenden. Ich versuche...“ ... ich versuche mir schnell einen unheimlich cleveren Plan auszudenken, der das Mistding außer Gefecht setzt. Zumindest hätte er das gerne gesagt, aber Fakt war, dass Tony keine Ahnung hatte, was er machen sollte. „Ich versuche es irgendwie aufzuhalten“, beendete er den Satz mit schwacher Stimme. Der Energiepegel seiner Rüstung lag nur noch bei knapp vierzig Prozent. Mit der Leistung konnte er entweder einen letzten Großangriff starten, oder zwei Stunden lang Fangen mit ihrem Gegner spielen. Tony dachte fieberhaft nach. Dies war der geeignete Zeitpunkt, die Personen der „Liste“ zu benachrichtigen und um Hilfe zu bitten. Nur – wie lange würden sie gegen einen Gegner bestehen, dem selbst die Avengers keinen einzigen Kratzer hatten zufügen können? Würde Tony damit nicht eher ihr Todesurteil unterschreiben? Andererseits – wenn sie nichts taten, war New York unwiderruflich verloren. Wenn sie also nicht jetzt eingriffen, wann dann? Tony legte die Arme eng an den Körper und hob ab. Er flog an der Hauswand entlang nach oben, und schwebte weiter und immer weiter hinauf, bis die meisten der höheren Gebäude Manhattans unter ihm lagen. Dann klinkte er sich in die Frequenz ein, die für gewöhnlich dem Polizeifunk vorbehalten war, holte tief Luft und begann zu sprechen: „Hier ist Iron Man. Wie die meisten von euch sicher schon bemerkt haben, wird New York gerade von einem unbekannten, sehr mächtigen Feind angegriffen. Die Avengers versuchen, ihn aufzuhalten, doch wir hatten bisher keinen Erfolg, und mehrere von uns sind bereits kampfunfähig. Darum appelliere ich an all unsere Verbündeten – und ich weiß, dass ihr mich hören könnt – ihr und all diejenigen, mit denen wir in den letzten Wochen Kontakt aufgenommen haben: Bitte helft uns! Ihr seid unsere letzte Hoffnung.“ Er hielt einen Moment lang inne und dachte nach, bevor er fortfuhr: „Ob ihr an unserer Seite kämpft oder lieber euch und eure Familien in Sicherheit bringt, ist eine Entscheidung, die ich nicht für euch treffen kann. Aber ich werde bis zu meinem letzten Atemzug alles geben, um diesem Scheißding in den Hintern zu treten. Wünscht mir Glück. – Iron Man aus.“ Tony atmete tief durch. Jetzt hieß es abwarten und hoffen. „Was sind das für Verbündete, die du eben erwähnt hast?“, fragte Natasha. Tony seufzte leise. Er wusste, dass sie eine Erklärung verdient hatte, aber er hatte gerade wirklich nicht den Nerv für dieses Gespräch. „Niemand, der weiter von Interesse wäre, wenn er jetzt nichts unternimmt“, antwortete er darum bloß. Dann wandte er den Kopf und ließ JARVIS den Luftraum über Manhattan scannen. Schon nach wenigen Sekunden ertönte ein leises Piepen, als die Software in seinem Helm den fremden Angreifer wiederfand und ins Visier nahm. „Also dann“, flüsterte Tony. „Auf geht’s...!“ Er kippte in der Luft leicht nach vorn und aktivierte gleichzeitig die Repulsor-Schubdüsen in seinen Stiefeln und Handschuhen. Schneller und immer schneller flog er auf das Ding zu, das die Stadt unter ihm weiter unter Beschuss nahm. „Stark! ... Tony, nein!“, rief Natasha, die mehrere Blocks entfernt auf dem Dach eines Hochhauses stand und hilflos mit ansah, wie Tony unaufhaltsam auf ihren Gegner zuraste. Doch Tony hatte die Verbindung schon längst gekappt und hörte sie nicht mehr. *~*~* „...richten sich auf das Spektakel über den Dächern New Yorks“, plärrte eine leise Stimme und Steve öffnete die Augen. Es dauerte einen Moment, bis seine Sicht allmählich wieder scharf wurde. Doch schließlich erblickte er über sich eine niedrige Betondecke, an der Rohre und Kabel entlangliefen, sowie ein besorgt dreinschauendes Gesicht, das sich langsam in sein Blickfeld schob. „Hey, Cap“, sagte Clint. „Alles in Ordnung?“ Steve setzte sich vorsichtig auf, gestützt von dem kräftigen Arm des Bogenschützen, und sah sich um. Er saß auf einer Holzbank in einem langgestreckten, zugigen Raum mit Gleisen, bei dem es sich zweifellos um eine U-Bahn-Station handelte. Überall um ihn herum saßen Menschen, die sich leise unterhielten, sich gegenseitig an den Händen hielten oder einfach nur starr vor Schreck am Boden kauerten. Irgendwo schluchzte jemand leise. Hin und wieder ertönte über ihren Köpfen ein dumpfes Krachen und die ganze Station vibrierte, und sofort hoben alle den Blick zur Decke empor, als rechneten sie damit, dass sie jeden Moment einstürzte. „Was ist passiert?“, murmelte Steve und wollte aufstehen, doch ein Schwindelgefühl erfasste ihn und er sank leise stöhnend zurück auf die Bank. „Sachte, Captain“, sagte Clint. „Das Ding hat dich mit einem seiner Energiestrahlen erwischt und durch mehrere Wände befördert. Ohne deinen Schild, der die Wucht gedämpft hat, wärst du jetzt tot.“ „Mein Kopf...“, ächzte Steve und hob eine Hand zu seinem Hinterkopf. Als er sie vor sein Gesicht hielt, klebte Blut an seinen Fingern. „Nur eine oberflächliche Verletzung, keine Sorge“, beruhigte ihn Clint. „Du hast allerdings mit ziemlicher Sicherheit eine Gehirnerschütterung, du solltest liegenbleiben.“ „Kann nicht... anderen brauchen mich...“, entgegnete Steve und machte erneut Anstalten aufzustehen. Sofort wurde ihm wieder schwindelig und er fluchte leise. „Lass es besser bleiben“, meinte Clint und schüttelte den Kopf. „Tut mir wirklich leid, Cap, aber dein Kampf ist für heute vorbei. In deinem Zustand bist du niemandem eine Hilfe.“ „Und was ist mit dir?“, fragte Steve und deutete auf den blutenden Arm des anderen. „Glassplitter bei einer Explosion“, erklärte Clint knapp. „Haben mir den halben Arm aufgerissen. Die meisten habe ich schon rausgepflückt, aber Schießen kann ich trotzdem vergessen.“ Er seufzte leise. „Und wo ist Natasha?“, fragte Steve dann. Und mit etwas mehr Nachdruck: „Und Tony?“ Clint sah ihn nicht an, aber dem anderen entging der gequälte Ausdruck nicht, der über sein Gesicht huschte, als er Natasha erwähnte. „Tasha ist mutig, aber nicht dumm“, erwiderte Clint. „Sie weiß, dass sie nichts gegen diesen Gegner ausrichten kann, und wird sich in Sicherheit gebracht haben. Tony hingegen... nun ja...“ Er machte eine Kopfbewegung zu dem Bildschirm hinüber, der ein paar Meter entfernt in die Betonwand eingelassen war. Für gewöhnlich spielt er Werbung ab, doch im Moment waren darauf die Nachrichten zu sehen. „... Experten sind ratlos“, sagte der Sprecher gerade, der selbst ziemlich nervös wirkte. „Auch die Mitglieder der sogenannten Avengers-Initiative scheinen gegen den unbekannten Angreifer nichts ausrichten zu können. Viele Gebäude stehen mittlerweile in Flammen, und in den Straßen New Yorks herrscht Panik. Wer kann jetzt noch helfen...?“ „Das wüsste ich auch gerne, Kumpel“, kommentierte Clint die Neuigkeiten mit düsterer Miene. Plötzlich hörten sie ganz in ihrer Nähe ein Knistern, und eine Stimme begann zu sprechen, die sie nur allzu gut kannten. „...ist Iron Man. Wie die meisten von euch...“ „Was ist das?“, stieß Steve hervor. „Wo kommt das her?“ Ein Streifenpolizist, der nur wenige Meter von ihnen entfernt auf dem Boden hockte, hob schüchtern seine Hand und hielt ihnen sein Funkgerät hin. „Mein guter Mann! Ich danke Ihnen!“, rief Clint begeistert und stand auf, um es entgegenzunehmen. Eine weitere Explosion brachte die Station zum Erbeben und hätte ihn fast von den Füßen gerissen, als er zu Steve zurückkehrte. Zu zweit beugten sie sich über das Gerät. Die Übertragung wurde immer wieder von leisem Rauschen gestört, aber sie verstanden Tony dennoch klar und deutlich. „...weiß, dass ihr mich hören könnt – ihr und all diejenigen, mit denen wir in den letzten Wochen Kontakt aufgenommen haben: Bitte helft uns! Ihr seid unsere letzte Hoffnung.“ „Ich fasse es nicht“, murmelte Clint. „Zitiert er gerade wirklich Star Wars...?“ Steve bedeutete ihm ungeduldig, still zu sein. „Ob ihr an unserer Seite kämpft oder lieber euch und eure Familien in Sicherheit bringt, ist eine Entscheidung, die ich nicht für euch treffen kann. Aber ich werde bis zu meinem letzten Atemzug alles geben, um diesem Scheißding in den Hintern zu treten. Wünscht mir Glück. – Iron Man aus.“ Sie starrten das Funkgerät an, aber Tony meldete sich nicht noch mal zu Wort. „Was bedeutet das?“, fragte Clint schließlich leise. „Was hat er vor?“ Steve antwortete nicht, sondern deutete nur stumm zu dem Bildschirm hinüber, auf dem mit wackeliger Kamera, aber dennoch deutlich erkennbar Iron Man zu sehen war, der auf den unbekannten Gegner zuraste und gleichzeitig alles auf ihn abfeuerte, was seine Rüstung hergab. Ein gewaltiger Feuerball, der an eine nukleare Explosion erinnerte, tauchte das nächtliche New York in helles Licht. Anschließend folgte ein Schlagabtausch der Sonderklasse; während der Unbekannte Energiestrahlen auf Tony abschoss, der ihnen geschickt auswich, konterte dieser unentwegt mit Schüssen aus seinen Repulsor-Blastern. Dies ging für eine gute Viertelstunde so, und sowohl Clint als auch Steve starrten auf den Bildschirm und wagten kaum zu blinzeln. Dann wurde Tony mehrmals nacheinander von seinem Gegner getroffen, und es war deutlich zu sehen, dass seine Rüstung für einen Moment aussetzte, denn er stürzte Dutzende von Metern in die Tiefe, bevor er sich wieder fangen konnte. Einen Moment lang hing er in der Luft, ohne irgendetwas zu tun, während sich sein Gegner wieder der Zerstörung der Stadt widmete, als wäre nichts passiert. Dann begann der ARC-Reaktor in Tonys Brust plötzlich in einem gleißenden Licht zu erstrahlen, und ein blendend heller Energieblitz schoss daraus hervor, der den fremden Angreifer direkt traf. Steve wusste, dass es sich dabei um Tonys mächtigsten Angriff handelte. Wenn die entfesselte Energie des ARC-Reaktors nichts ausrichten konnte, dann würde auch nichts anderes mehr helfen können. Für einen Moment war es zu hell, um etwas zu erkennen, und Steve hoffte bereits, dass Tony seinen Gegner ein für alle Mal vernichtet hatte. Doch dann konterte dieser plötzlich mit einem nicht minder starken Energiestrahl, der Tony genau in der Brust traf. Entsetzt mussten Steve und Clint mit ansehen, wie ihr Freund einer Rakete gleich in ein gut fünfzig Etagen hohes Gebäude einschlug. Und als würde das noch nicht genügen, feuerte der unbekannte Angreifer noch mehrere Energiestrahlen hinterher, die die ganze Konstruktion schließlich zum Einsturz brachten. Wie in Zeitlupe stürzte das Hochhaus mit ohrenbetäubendem Donnern in sich zusammen und begrub die Straße und Tony und alle Leute, die sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnten, unter einer Lawine aus Betonbrocken, Stahl, Glassplittern und Staub. „Tony“, flüsterte Steve mit weit aufgerissenen Augen, und auch Clint war auf einmal sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. „Nein...!“ Ein Schrei hallte durch die Station und die Menschen fuhren erschrocken zusammen. Steves Herz schien einen Moment lang auszusetzen und er konnte nicht atmen. Erst, als er Clints Hand spürte, die sich auf seinen Unterarm gelegt hatte und ihn beruhigend drückte, holte er rasselnd wieder Luft. Und ihm wurde plötzlich klar, dass er selbst es war, der geschrien hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)