Secrets von Bluey ================================================================================ Autor: Sunny Genre: Drama, Tragödie, Liebesgeschichte, Achtung teilweise brutal &Tod! Rating: P18 – AVL Disclaimer: Copyright liegt bei WEP (Rechteinhaber), Handlung sowie erfundene Charaktere und Orte unterliegen meinem Copyright. Weitergabe – auch in Teilen – nur mit meinem Einverständnis Ein ganz großes Dankeschön geht an Natsukawa, die mir in den letzten Wochen immer wieder mit Rat und Tat zur Seite stand, Dank deren Ideen und Anmerkungen neues „Kopfkino“ entstand und die mit unerschöpflicher Geduld die oft zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehler aus meinen geistigen Ergüssen herausgesucht hat. Ihre Hilfe, ihr Zuspruch und ihre Anregungen haben mir so sehr geholfen, meine Schreibblockade der letzten Jahre zu überwinden und endlich eine Geschichte zu Ende zu bringen. Vielen Lieben Dank! Viel Spaß beim Lesen. – In Erinnerung an Claudi aka „Deed“ – Secrets Der Schuss hallte durch den Raum. Ungerührt wartete der Kommandant der Outrider darauf, dass die schmerzerfüllten Schreie des gefesselten Mannes vor ihm auf dem Stuhl verstummten. Währenddessen musterte er sein Opfer, betrachtete die leicht übergewichtige Gestalt des Mannes in mittleren Jahren. Sein Blick wanderte von der eben von ihm zerschossenen Kniescheibe hinauf über den leichten Fettansatz am Bauch und weiter ins Gesicht. Auf den blutverschmierten Wangen zogen sich Tränenspuren hinab, das linke Auge war zu einer unförmigen Masse verschwollen, das rechte qualvoll zusammengekniffen. All dies berührte ihn nicht, ihm ging es einzig und allein um die Informationen, die er seit Monaten zu finden erhoffte, und von denen dieser Mann seiner Meinung nach Kenntnis haben musste. Endlich erstarben die Schreie und gingen in ein unterdrücktes Keuchen über. Der Mann hob den Kopf und warf ihm flehende Blicke aus seinem noch halbwegs unversehrten Auge zu. „Ich weiß nichts, Jesse Blue, ich schwöre es!“ Die Stimme klang heiser vom Schreien, die Verzweiflung und die nackte Angst ums eigene Leben waren deutlich zu hören. „Das war die falsche Antwort, Doc“, erwiderte Jesse erbarmungslos und entsicherte erneut seinen Blaster. „Laufen kannst du ja schon nicht mehr, aber ich bin großzügig. Wenn du mir jetzt sagst, was ich wissen will, dann werde ich deine Hände verschonen und vielleicht wirst du sogar irgendwann wieder in der Lage sein, deine Beine benutzen zu können.“ Der gepeinigte Mann schluchzte und schüttelte wild mit dem Kopf. „Ich war nur für die Narkose zuständig, mehr nicht. Sie war schlimm verletzt, der Blutverlust enorm. Kaum war sie narkotisiert haben wir begonnen, sie zu operieren, aber ihr Herz blieb mehrmals stehen, es war aussichtslos.“ Seine Stimme nahm einen beschwörenden Unterton an, während neue Tränen sich den Weg über das Gesicht bahnten. „Sie ist uns unter den Händen weggestorben und zu deiner anderen Frage“, er holte tief Luft, „davon weiß ich nichts, mir hat niemand etwas davon gesagt. Ich ahnte nicht einmal, dass diese Möglichkeit bestanden hat. Bei der letzten Reanimation wurde ich aus dem Raum geschickt. Das letzte, was ich hörte war, wie der Chef den Zeitpunkt des Todes verkündete.“ Hoffnungsvoll sah er zu seinem Peiniger auf. „Ich schwöre bei allem, was mir lieb und teuer ist, mehr weiß ich nicht.“ Jesse, der den Worten erwartungsvoll gelauscht hatte, verlor beim letzten Satz die Geduld und das Interesse. „Chance vergeigt!“, erwiderte er eiskalt und wandte sich ab. „Kümmert euch um ihn! Ihr wisst, was ihr zu tun habt“, befahl er den Wachen, ehe er die kleine dunkle Zelle verließ und sich anschickte, den Gefängnistrakt zu verlassen. Den Schuss hinter ihm hörte er, aber er berührte ihn nicht. Seine Gedanken waren bereits auf sein nächstes Opfer ausgerichtet. Irgendjemand würde ihm sagen können, was vor siebzehn Monaten wirklich geschehen war. Egal, was nötig war, an dieses Wissen zu gelangen, er würde es tun. *Flash back* ca. 17 Monate zuvor Außer sich vor Wut hatte er den Angriff auf die Yuma Basisstation des Kavallerie-Oberkommandos abbrechen müssen, nachdem er erkannt hatte, dass es ihnen irgendwie gelungen war, die Sprengsätze rechtzeitig zu entschärfen. Seine Wut hatte ihn beherrscht und ihn unvorsichtig werden lassen. Er hätte Mandarin töten müssen, denn irgendwie war es ihr gelungen, die Kavallerie von seinen Plänen in Kenntnis zu setzen. Wenigstens war er sich sicher, sie verletzt zu haben. Er hatte ihren schmerzhaften Aufschrei noch hören können, ehe die automatischen Türen sich hinter ihr geschlossen hatten und er das elektronische Schloss zerstört hatte. Sein Plan war gewesen, sie zusammen mit der gesamten Yuma-Basis in die Luft zu jagen. Sie hätte noch zwanzig Minuten Zeit gehabt, ihren Verrat an ihm zu überdenken, zu bedauern und sich vor dem Tod zu fürchten. Stattdessen hatte sie ihm ein Schnippchen geschlagen, und das, obwohl er die Zündvorrichtungen der Sprengsätze verändert hatte. Sie hatte es dennoch geschafft und all seine Vorhaben zerstört. Ihr Plan, ihn in die Falle zu locken und ins Gefängnis zu bringen, wäre beinahe aufgegangen, währenddessen seine gesamten Vorbereitungen wieder einmal zu Schall und Rauch geworden waren. Ihm war nur die Genugtuung geblieben, dass sie tot war, noch ehe man zu ihr hatte vordringen können. Dann war er geflohen und hatte den Planeten Yuma sowie die menschliche Dimension so schnell wie möglich verlassen. Dennoch hatten die Outrider empfindliche Verluste hinnehmen müssen. Zurück in seiner eigentlichen Kommandobasis in der Phantomzone schleuderte er seinen Blaster von sich und wischte die Pläne, welche er gemeinsam mit der Rothaarigen ausgeheckt hatte, mit einer Hand vom Schreibtisch. Sie fielen zu Boden. Wütend trat er mit dem Fuß danach, ehe er sie doch packte und in den Papierkorb verfrachten wollte. Dabei fiel sein Blick auf eine kleine Schachtel, die nur darauf zu warten schien, dass er sie bemerkte. „Ein Schwangerschaftstest?“ Ungläubig zog er die Verpackung aus dem Müll, seine Wut wich Irritation und Ungläubigkeit. Er öffnete sie und der Inhalt fiel in seine Hand. Minuten verstrichen, ehe er zu einer Reaktion fähig war. „Dieses Miststück!“ Der Fluch kam über seine Lippen, noch ehe es ihm gelang, seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Seine Glücksgefühle über seine Rache an ihr verschwanden wie Rauch im Wind. Die Genugtuung, sich für ihren Verrat gerächt zu haben, verblasste angesichts des kleinen Testers in seiner Hand. Seine Finger ballten sich zur Faust, gruben sich in das Plastik; er bemerkte es nicht. Seine Gedanken jagten, während er die letzten Tage in seinem Kopf zu rekonstruieren versuchte. An der Frau selbst war ihm nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Sie hatte sich benommen wie immer - frech, vorlaut und hitzig im Bett. Unvermittelt stürmte er aus dem Raum, seine Stimme bellte Befehle über die Comline. „Wer von euch Armleuchtern hat ihr einen Schwangerschaftstest besorgt, ohne mich darüber zu informieren?“ Vor Zorn immer noch weiß im Gesicht musterte er seine vor ihm aufgereihten Agenten, die ihn verwirrt und unwissend anstarrten. Angesichts seiner unverhüllten Aggressionen wagten sie jedoch nicht, ihm irgendwelche Fragen zu stellen. „Also wer?“ Jesse musterte sie nacheinander. Sein Blick fiel auf einen Outrider, den er selbst oft genug zur Bewachung der jungen Frau abgestellt hatte. „Warst du es?“ Dieser erblasste unter seiner grünlichen Haut und schluckte sichtbar, eher er zu einer Antwort ansetzen konnte. „Was genau ist ein Schwangerschaftstest, Kommandant?“ Die Antwort war ein wütendes Brüllen des Blauhaarigen, bei dem alle Anwesenden zusammenzuckten. Jesse überlegte fieberhaft. „War einer von euch in ihrem Auftrag in einer menschlichen Apotheke?“, versuchte er es dann noch einmal. Die Outrider warfen sich untereinander unsichere Blicke zu, ehe einer sich getraute hervorzutreten. „Ich war es, Sir!“, bekannte dieser und senkte den Kopf wie ein Sündenbock. „Sie wollte etwas gegen Kopfschmerzen und Magnesiumtabletten und irgendwas mit prägnant. Ich kannte das Wort nicht und sie hat es mir aufgeschrieben. Danach sollte ich suchen oder das Menschlein hinterm Ladentisch fragen. Was ist prägnant Boss?“ Jesse rang den Drang nieder, den Outrider vor sich niederzuschlagen. „Das war der Schwangerschaftstest, du Idiot!“, fauchte er. „Ist dir nicht in den Sinn gekommen, mich darüber zu informieren?“ „Äh, Sie sagten, bei Kleinigkeiten wollen Sie nicht belästigt werden und solange die Frau nicht versucht abzuhauen, sollten wir ihre Wünsche erfüllen“, stotterte der Outrider und Jesse fluchte erneut. „Hohlbirne! Auf den Gedanken, mal selbst den Kopf einzuschalten und mitzudenken bist du wohl gar nicht gekommen, was? Bin ich denn nur von Armleuchtern und Vollidioten umgeben?“ Dem Outrider schlotterten sichtbar die Knie, aber er wagte es nicht zu antworten. Er hatte doch nur seine Befehle befolgt. „Wann war das?“, bellte der Outriderkommandant. „Wann war was?“ Verständnislos blickte der Unglücksrabe seinen Vorgesetzten an. „Wann warst du die Sachen in der Apotheke besorgen?“ Jesse verlor langsam aber sicher endgültig die Nerven, aber er brauchte Antworten. „Vor drei Tagen, Sir!“ Jesse fuhr herum und begann, im Raum auf und ab zu tigern, während seine Gedanken jagten. Unvermittelt zog er einem der Outrider den Blaster aus dem Halfter und erschoss den Unglücksseeligen, der ihm diese wichtige Tatsache unterschlagen hatte. Tödlich getroffen sackte der Outrider zu Boden; der Rest der Gruppe hätte sich am liebsten vor Angst in ein Mauseloch verkrochen. „Das sollte euch eine Lehre sein, mir Dinge in meiner eigenen Basis zu verheimlichen“, grollte Jesse, ehe er sich an Jean-Claude wandte, welcher die ganze Zeit mit verschränkten Armen im Hintergrund an der Wand gelehnt und die Ereignisse mit unbewegter Miene verfolgt hatte. „Ich muss wissen, was passiert ist, nachdem ich die Basis auf Yuma verlassen habe. Finde es raus! Wie du das anstellst, ist mir gleichgültig, aber ich will Ergebnisse!“ fuhr er ihn an, wartete die Reaktion gar nicht erst ab, sondern stürmte aus dem Raum. Jean- Claude seufzte und entließ dann alle anderen mit einer kurzen Handbewegung. Menschen waren schwierig zu verstehen, und dieser Mensch ganz besonders. *Flash back ende* ***** Gegenwart „Jones ist tot! Seine Frau auch.“ König Jarred nickte bei den Worten seines Hypercomgegenübers. „Ich weiß, und sie sind nicht die Ersten.“ Sorgenfalten durchfurchten die Stirn des Monarchen des Königreiches Jarr. „Fünf der Beteiligten sind bereits verschwunden, erst drei von ihnen haben wir tot gefunden, zwei werden vermutlich noch irgendwo gefangen gehalten. Die Spuren an den Leichen deuten darauf hin, dass sie vor ihrem Tod unter Folter befragt wurden. Irgendwer stellt Vermutungen an und sammelt mögliche Beweise.“ Eagle, der in seinem Büro in Yuma City saß, nickte. „Inzwischen wage ich auch nicht mehr daran zu glauben, dass die jüngsten Ereignisse Zufall sind und nichts miteinander zu tun haben. Letzte Nacht gab es einen Einbruch in die Gerichtsmedizin unseres Krankenhauses. Zum Glück haben die Diebe nichts finden können und stattdessen alles verwüstet. Dennoch, was wir seit Monaten befürchtet haben ist eingetroffen; ich hätte nur nicht erwartet, dass es so schlimm sein wird. Ich dachte wirklich, dass die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen mehr als ausreichend gewesen wären. Alle betroffenen Personen wurden umgesiedelt und bekamen neue Identitäten. Und nun, nach so vielen Monaten, geschieht auf einmal so etwas. Nur, wie sollte er es herausgefunden haben?“ Nachdenklich runzelte er die Stirn, aber auch König Jarred, inzwischen ein enger Vertrauter des Kommandanten der Kavallerie, konnte ihm keine zufriedenstellende Antwort geben. „Ich vermute ja, er hat einen Spitzel oder einen Komplizen im Oberkommando. Aber die Frage ist schon lange nicht mehr, wie er es herausgefunden hat, sondern, wie viel er schon weiß und was er plant“ erwiderte er. Eagle nickte. Dieser Gedanke hatte sich ihm ebenfalls schon aufgedrängt, nur wer es sein könnte, konnte er sich nicht vorstellen. „Wir müssen Vorkehrungen treffen, damit das Geheimnis ein Geheimnis bleibt. Wir müssen vor allem den Rest der damals Beteiligten in Sicherheit bringen und sie erneut umsiedeln, mit allem was dazu gehört. Ich werde dir die Ramrodeinheit schicken.“ Der letzte Satz rief ein Kopfschütteln seitens des Monarchen hervor. „Das halte ich für keine gute Idee. Wir sind sehr wohl in der Lage, die Frau zu schützen, niemand weiß, wer sie ist und nur wenige Leute kennen ihren Aufenthaltsort. Außerdem würdest du damit genau die Falschen auf die Jagd schicken. Die Star Sheriffs sollten nicht involviert werden, wir beide kennen die Gründe dafür sehr gut. Sobald sie hier in Aktion treten, wird es nicht mehr lange dauern, bis Jesse Blue eins und eins zusammengezählt hat.“ Eagle stimmte zu. „Ich weiß, deine Argumente sind genau die gleichen, die mir schon seit Tagen durch den Kopf gehen. Aber die Vier sind die Besten und wir brauchen die Besten, um das Geheimnis zu schützen. Auch wenn dies bedeutet, alte Wunden wieder aufzureißen.“ Der letzte Satz wurde von einem tiefen, sorgenvollen Seufzen begleitet. König Jarred ließ sich Zeit mit seiner Antwort. „Wir haben monatelang verhindern können, dass Fireball zugrunde geht oder die Kavallerie verlässt. Es ging ihm nur sehr langsam besser, aber er wirkt auf mich inzwischen wieder innerlich gefestigt und stabil“ entgegnete er dann. „Ich bin dagegen, das zu riskieren, wenn wir der Aufgabe hier selbst sehr gut gewachsen sind. Der arme Junge hat genug gelitten und die Bedingungen haben sich nicht geändert. Du hast ihn und seine Kollegen seit damals genauso im Auge behalten wie ich und wirst meine Meinung teilen, dass er möglicherweise endgültig zerbricht, wenn er die ganze Wahrheit erfährt. Solange Jesse Blue am Leben ist, oder die Outrider nicht für immer geschlagen sind, müssen gewisse Dinge im Verborgenen bleiben.“ Er überlegte kurz. „Wenn du die Star Sheriffs einsetzen willst, dann gib ihnen den Befehl, den Rest des Teams in Sicherheit zu bringen oder zu versuchen, die beiden Gefangenen zu befreien. Lass dir etwas einfallen, weswegen diese Leute beschützt werden müssen, aber ich würde in jedem Fall davon abraten, die Wahrheit zu sagen. Damit gefährden wir alles, was wir in den letzten Monaten arrangiert haben.“ ***** Eine Woche später „Und, gibt’s endlich was Neues?“, fragte Colt gelangweilt und polierte weiter seinen Blaster, während er Saber Rider, dem Chef des Ramrodteams einen fragenden Blick zu warf. Vor einer Woche hatten sie von Commander Eagle eine Liste mit Namen bekommen. Die darauf genannten Personen sollten sie ausfindig machen und sofort mit ihren Familien nach Yuma City ins Kavallerie-Oberkommando bringen. Aprils Vater hatte nicht viel gesagt, nur dass diese Leute vor einigen Jahren gemeinsam an einem streng geheimen Auftrag gearbeitet hatten und nun in Gefahr schwebten. Eine erneute Umsiedlung sei notwendig und dafür mussten sie gefunden werden. Seitdem waren sie kreuz und quer im Grenzgebiet unterwegs gewesen, um die betreffenden Personen zu suchen; bisher allerdings ohne brauchbare Ergebnisse. „Nein, nichts!“ Aprils Stimme klang genervt. „Obwohl das Oberkommando damals selbst ihre neuen Identitäten und Aufenthaltsorte festgelegt hat sind sie einfach nicht aufspürbar. Unbekannt verzogen, verreist oder verschwunden, ich kann es langsam nicht mehr hören oder lesen.“ „Ja April, ich gebe dir Recht. Diese Suche ist frustrierend“, stimmte Saber aus seiner Satteleinheit zu. „Aber irgendetwas muss passiert sein, dass sie alle beinahe zur selben Zeit umgezogen oder verreist sind, ohne sich vorher mit ihren jeweiligen Marshalls abzusprechen.“ Der blonde Highlander seufzte auf. „Schon wieder eine Fehlanzeige. Ich habe eben eine Antwort vom Einwohnermeldebüro bekommen. Mr. Cain ist vor einigen Wochen mit unbekanntem Ziel verreist und seitdem nicht zurückgekehrt. Sie sind nur aufmerksam geworden, weil die Kinder nicht mehr in der Schule erschienen sind.“ „Ich frage mich, was diese Leute mit dem Oberkommando zu tun gehabt haben“, sinnierte Colt weiter und polierte besonders intensiv ein imaginäres Staubkörnchen weg. „Ich meine, was genau haben Altenpfleger, Therapeuten und Sozialarbeiter mit der Kavallerie zu tun? Bei Ärzten und Wissenschaftlern sehe ich das noch ein, die braucht man ja ab und an.“ „Ja, du ganz besonders“ erwiderte April trocken. „Ich?“ Colt war entrüstet. „Was soll denn das heißen? Amigo, jetzt hilf mir doch mal. Die ärgert mich!.“ Fireball, der mit verschränkten Armen in seiner Satteleinheit saß und bisher gar nichts gesagt hatte, wandte nicht einmal den Kopf. „Da wird schon was dran sein, umsonst sagt April ja so etwas nicht“, entgegnete er ausdruckslos. Sein Tonfall war wie so oft in den letzten Monaten unbeteiligt, bar jeder Emotion. April und Colt warfen sich einen Blick zu, der Bände sprach und die Unterhaltung erstarb. Die Vergangenheit war allgegenwärtig. Mandarins Tod vor über einem Jahr hatte den Rennfahrer verändert. Der fröhliche, temperamentvolle, lebensbejahende Mann, der er einst gewesen war, gehörte der Geschichte an. Nach dem ersten Zusammenbruch im Krankenhaus damals hatten sie ihn nach Hause gebracht, wo er sich tagelang beharrlich weigerte, ihren Tod zu akzeptieren. Die ganze Zeit hatte er die gleichen Sätze vor sich hingemurmelt: „Ich werde erwachen. Das ist nur ein böser Traum. Das ist alles nicht wahr.“ Er hatte in seinem Bett gelegen, ihr Schlafshirt verzweifelt umklammert und sich eingeredet, dass sie zurückkommen würde, wenn er nur fest genug daran glaubte. Die Ungläubigkeit wich der Wut und der Hoffnungslosigkeit. Hilflos hatte er Mandarins wenige Habseligkeiten umarmt und dabei Jesse verflucht, immer wieder von Tränenausbrüchen unterbrochen. Nichts und niemand hatte ihn trösten oder beruhigen können. Also blieb ihnen nur übrig, Fireball nicht aus den Augen zu lassen und für ihn da zu sein, wann immer er sie brauchte. Er vergaß zu essen, wenn man ihn nicht dazu aufforderte; er schlief nicht mehr, als sein Körper unbedingt an Schlaf benötigte; weil er beinahe jede Nacht von ihr träumte. Vor allem haderte er mit sich, weil er ihr nichts mehr hatte erklären können und weil er sich auch nie von ihr hatte verabschieden dürfen. Und egal wie oft sie ihm einredeten, dass Mandarin gewusst hatte, dass er sie immer liebte, er glaubte es ihnen nicht. Für ihn war das Schlimmste, dass er zu spät gekommen war und er machte sich Vorwürfe, dass er sie nicht noch schneller ins Krankenhaus hatte bringen können. Von jetzt auf gleich mied er seine Wohnung wie die Pest. Er brachte sich einige wenige Sachen mit an Bord des Friedenswächters und zog so mehr oder weniger dort ein, auch wenn sie keinen Auftrag hatten. Stundenlang hatte er dagesessen und gegrübelt und sich, zur großen Beunruhigung seiner Kollegen, im Internet Seiten angesehen, in denen es um Selbstmord aus Liebe oder wegen eines großen Verlustes ging. Seine drei Kollegen waren nach einigen Wochen auch am Ende ihrer emotionalen Kräfte. Ihre eigene Trauer um die verlorene Freundin hatten sie um des Rennfahrers Willen, die ganze Zeit zurückgestellt, aber auch an ihnen war der Verlust nicht spurlos vorüber gegangen. April brach als Erste zusammen, weil auch sie sich einen Großteil der Schuld in die Schuhe schob, weswegen Mandarin diesen gefährlichen Auftrag überhaupt angenommen hatte. Aber die Blondine war auch vernünftig genug, sich Hilfe bei einem Psychologen zu suchen. Nach mehreren Gesprächen, in welche auch Saber und Colt mit einbezogen wurden, wurde ihr bewusst, dass sie nicht schuld an Mandarins Entscheidungen gewesen war. Jeder musste in seinem Leben Rückschläge, Niederlagen und Streits hinnehmen und jeder ging auf seine Weise damit um. Nur der Rennfahrer war nicht zu bewegen, sich ebenfalls in ärztliche Behandlung zu begeben. Als sie ihm dies vorschlugen, hatte er einen Wutanfall bekommen, Ramrods Küche zerlegt und war dann tagelang verschwunden gewesen. Commander Eagle zeigte sich angesichts dieser Entwicklung sehr besorgt, aber auf Drängen der anderen Drei wurde der Rennfahrer nicht vom Dienst suspendiert. Tage später tauchte er wieder auf und seitdem glich er einem gedankenverlorenen, emotionslosen Zombie; innerlich zu Stein erstarrt. Äußerlich strahlte er die angespannte Ruhe eines Jägers aus, welcher genau wusste, wo er seine Beute finden würde und selbst den Zeitpunkt festlegte, wann er auf die Jagd ging. Vorbei waren die Zeiten der Tränen, Wutausbrüche und Selbstvorwürfe, er zeigte einfach gar keine Gefühle mehr. Kein Lachen, kein Zorn, keine Trauer; Fireball nahm einfach alles hin, wie es war. Der Psychologe behielt den Rennfahrer so gut es ging im Auge, indem er auch die anderen drei Star Sheriffs über dessen Verhalten befragte und ihnen Ratschläge zum Umgang mit ihm gab. Nach und nach lernten sie, mit ihrer Trauer umzugehen und sie langsam zu verarbeiten. Ihr Leben ging weiter. Der Arzt war irgendwann der Meinung, dass der Rennfahrer diensttauglich sei, zumal er seine Aufgaben als Pilot der Ramrodeinheit zur vollsten Zufriedenheit des Kavallerie-Oberkommandos erfüllte. Den Rest müsse die Zeit bringen, hatte er versichert. Fireball schien länger als viele andere Menschen zu brauchen, um die Trauerphase der Depression zu überwinden, aber er sah es positiv, dass er seine Arbeit wieder korrekt und pflichtbewusst ausführte. Wochen später jedoch hatte er auf einmal angekündigt, das Kavallerie- Oberkommando verlassen zu wollen, um wieder aktiv ins Renngeschehen einsteigen zu können. Commander Eagle hatte der Kündigung unter der Bedingung zugestimmt, dass Fireball noch solange Pilot des Friedenswächters blieb, bis ein passender Ersatz für ihn gefunden worden war. Das jedoch hatte den Rennfahrer nicht davon abgehalten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Red Fury Racer zu steigen und bei diversen Rennen Kopf und Kragen zu riskieren. Er schonte weder sich noch sein Auto, ging zu viele unnötige Risiken ein, aber er gewann. Dabei machte er nicht den Eindruck, dass ihm die Siege etwas bedeuteten, vielmehr schien er darauf zu warten, dass er eines Tages ein zu hohes Risiko eingegangen war und die Gefahr unterschätzt hatte. Bisher hoffte er, zur Erleichterung seiner Freunde, darauf jedoch vergeblich. Diese hatten probiert, ihn erst mit Worten und dann mit Taten von seinem draufgängerischen Tun abzuhalten. Auf Worte reagierte er gar nicht und als Saber und Colt einmal versucht hatten, ihn praktisch von einem besonders halsbrecherischen Wüstenrennen abzuhalten, hatte er ihnen eiskalt gedroht, dass sie ihn entweder in Ruhe ließen oder er auf der Stelle seine Sachen packen und verschwinden würde. Dieser Streit wäre beinahe soweit eskaliert, dass Colt auch die Nerven und die Geduld mit dem Rennfahrer verloren hätte. Saber und April hatten den Cowboy gerade so davon abhalten können, Fireball eine reinzuhauen. Um zu verhindern, dass der Rennfahrer ihnen ganz entglitt, ließen sie ihn machen. Sie hofften einfach darauf, dass trotz seiner Depressionen sich sein Lebenserhaltungstrieb durchsetzte und er im letzten Moment auf die Bremse trat. Die Fans hingegen bejubelten ihn mehr denn je. Nach dem in den Medien hochgeschaukelten Verrat seiner großen Liebe flogen ihm die Sympathien aller zu. Väter klopften ihm wohlwollend auf die Schultern, nannten ihn Junge und Sohn, die Mütter stellten ihn ihren Kindern als Vorbild vor. Der Mann, der einen tragischen Verlust hinnehmen musste und trotzdem nicht aufgab. Am schlimmsten aber waren die jungen Frauen und Mädchen. Fireball bekam Unmengen an Fanpost; Zuspruch, Trostangebote, Heiratsanträge und jede Menge kleine Geschenke. Das alles interessierte ihn wenig, aber seine gleichgültige Haltung, seine ernsten Augen und seine zurückgezogene Art machten ihn bei den Fans beliebter als je zuvor. Manchmal, sehr selten, kam es dennoch vor, dass er sich ein erzwungenes Lächeln und gespielten Jubel abrang, dann zierte sein Gesicht am darauffolgenden Tag jedes Titelblatt, sogar die Teenagerzeitschriften. Nur seine Freunde sahen, dass diese Lächeln nie seine Augen erreichten. Trotzdem ließen sie ihn jetzt in Ruhe, ließen ihm diese Illusion, sein Leben weiterzuführen. Ihm war es egal. Selbst die Medien fragten sich in ihren Berichterstattungen, ob er den Hype um seine Person überhaupt zu Kenntnis nahm, was ihn antrieb. Je abweisender er sich verhielt, desto interessanter wurde er für die Menschen. Die Pokale verstaubten in der Wohnung, die er einst bewohnt hatte und die jetzt nur noch dazu diente, seine Sachen unterzubringen. Fireball hatte seit damals nur wenige Male dort geschlafen, er hielt die Erinnerungen nicht aus. Mandarins Präsenz war für ihn noch überall spürbar. Obwohl sich nur wenige ihrer Sachen dort befanden, schien sie seinem Zuhause für immer ihren Stempel aufgedrückt zu haben. Seit seiner Kündigung war jedoch nicht mehr viel passiert. Eagle hatte offenbar kein Interesse daran, den Rennfahrer möglichst schnell als Piloten des Friedenswächters zu ersetzen und Fireball war es mehr oder weniger egal, wie er die Tage verbrachte, solange er Rennen fahren konnte und man ihn ansonsten in Ruhe ließ. Seine Kollegen versuchten weiterhin, ihm auf jede mögliche Weise zu helfen, ihn zu unterstützen und ihm Kraft zu geben, über Mandarins Verlust hinweg zu kommen. Er nahm es zur Kenntnis, aber mehr auch nicht. Er zog sich oft zurück und hing seinen Gedanken und Erinnerungen nach. Die einzig andere Zeit, dass so etwas wie Leben in ihn schien, war wenn es zum Kampf mit Outridern kam. Dann funkelte so etwas wie Hass in den braunen Augen und er gab nicht eher auf, bis die Phantomwesen wieder in ihre eigene Dimension zurückgeschickt worden waren. Ihre Tätigkeit der letzten Woche nahm er nur insoweit zur Kenntnis, als dass er sie an die gewünschten Orte im Neuen Grenzgebiet flog und dann darauf wartete, dass ihm Saber sagte, wie es weiterging oder wohin sie als nächstes mussten. Er beteiligte sich weder an den Spekulationen über die Ursachen dieses Massenverschwindens, noch zeigte er sonderliches Interesse daran, April und Saber bei ihren Recherchen zu unterstützen. Colt warf ihm noch einen schnellen Blick zu, seufzte in seiner Satteleinheit mitleiderregend auf und gähnte dann völlig ungeniert. „Wir hatten ja schon einige seltsame Aufträge, aber dieser hier ist mit Abstand der langweiligste von allen“, tat er seine Meinung kund. „Den ganzen Tag nur auf Emails oder Anrufe warten, Anrufe machen oder die Behörden persönlich befragen. Ich finde, dafür sind wir deutlich überqualifiziert.“ „Wobei du mit ,Wir´ sicherlich Saber und mich meinst“ konterte April umgehend. „Du hast noch nicht einmal deinen Hintern aus dem Friedenswächter raus bewegt oder irgendwen zu kontaktieren versucht. Also spiel dich mal nicht so auf.“ „Heißt das, ihr braucht Hilfe?“ Begeistert sprang der Cowboy auf. Fireball beachtete ihn nicht und sein Blaster würde irgendwann vom vielen Polieren noch die Farbe wechseln. „Sag mir, wo ich hin fliegen soll und ich fliege wie ein Adler und befrage, wen auch immer du willst.“ Nach mehr als sieben Tagen Nachforschungen ohne Ergebnisse bekam der Cowboy langsam aber sicher Zustände. Anfangs hatte er verkündet, dass diese niederen Arbeiten nichts für ihn wären, aber mittlerweile war er bereit, dahingehend Zugeständnisse zu machen, solange seine Langeweile endlich ein Ende haben würde. „Langsam Colt“ bremste ihn jedoch der Highlander sofort aus. „Eben kam eine Antwort vom Meldeamt. Die Familie ist gar nicht mehr hier registriert, sie haben sich abgemeldet ohne einen neuen Wohnort anzugeben.“ Er schüttelte frustriert den Kopf und auch April wollte gerade etwas sagen, als sich mit lautem Piepton eine eingehende Hypercomverbindung ankündigte. Er öffnete die Leitung und das Gesicht von Commander Eagle erschien auf den Bildschirmen Ramrods. „Star Sheriffs, wie läuft es?“ „Schlecht, Sir, diese Personen sind wie vom Erdboden verschluckt“, antwortete Saber Rider, woraufhin Commander Eagle besorgt die Stirn in Falten legte. „Das sind inakzeptable Ergebnisse. Ihr müsst sie finden, egal wie.“ „Daddy, was ist denn passiert? Was ist an den Leuten so wichtig, dass ausgerechnet wir nach ihnen suchen sollen?“ April verließ ihre Satteleinheit und trat vor den großen Monitor. Colt positionierte sich direkt daneben. „Ja, Sir, wieso wir?“, wollte nun auch Ramrods Scharfschütze wissen. „Ich meine, ihr habt doch bestimmt auch Leutchen auf der Gehaltsliste, die auf so etwas abgerichtet sind. Ich meine, wir wären doch viel besser da draußen im Weltraum aufgehoben, Outrider jagen oder so.“ „Ich muss meine Befehle nicht begründen“, belehrte Eagle den Cowboy ungehalten. „Und obwohl es euch nichts angeht, diese Personen waren gemeinsam an einem streng geheimen Projekt beteiligt und wir brauchen sie jetzt erneut in genau der gleichen Konstellation. Basta! Ich erwarte Ergebnisse, Herrschaften, und das bald! Eagle Ende!“ Nach dieser Zurechtweisung des Cowboys erlosch der Bildschirm. April sah ratlos zu ihren Kollegen. „So hab ich ihn noch nicht sehr oft erlebt“ bekannte sie. „Er scheint sich große Sorgen zu machen.“ „Hier ist doch irgendetwas oberfaul“, befand Colt, der die eben erteilte Ermahnung nicht sehr gut aufnahm. „Besorgt hin oder her, man wird ja wohl mal fragen dürfen, wieso wir uns mit diesem Unsinn abgeben müssen.“ „Das ist kein Unsinn“ widersprach April sofort energisch und ihre blauen Augen blitzen den Cowboy an. „Er würde uns so eine Aufgabe nicht übertragen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.“ „Das Warum geht uns ja offenbar nichts an“, mischte Fireball sich ein, noch ehe Colt antworten konnte. „Mir ist eigentlich egal, weshalb wir die Herrschaften finden müssen, aber wir sollten sie finden, bevor ihr euch gegenseitig zerfleischt.“ Nach diesem Statement lehnte er sich wieder zurück, verschränkte die Arme und betrachtete die Sache als erledigt. April und Colt sahen ihn sprachlos an, Saber dagegen räusperte sich. „Ihr habt alle Recht. Irgendetwas stimmt hier nicht, aber offenbar sollen wir gar nicht wissen, was genau das für ein Projekt war. Tatsache ist, die Leute müssen herzu und wir müssen sie holen. Mit normalen Mitteln kommen wir hier nicht weiter, also werden wir jetzt unsere private Schnüffelnase auf die Spur schicken.“ Er erntete verständnislose Blicke, aber nach einem bedeutungsschweren Blick zu Colt verstand auch April. „Genau, Colt, du warst doch mal Kopfgeldjäger und solltest doch eigentlich wissen, wie man Personen findet, die sich verstecken“ griff sie den Gedanken des Schotten auf. Colt runzelte kurz die Stirn. „Ja, Verbrecher, die sich in gewissen Kreisen bewegen, wo man sich nach ihnen erkundigen kann“ antwortete er. „Aber ich kann kaum davon ausgehen, dass es sich hier um Schwerverbrecher oder Outrider handelt, die vom legalen Pfad abgekommen sind.“ „Mag sein, versuch es trotzdem. Reaktivier ein paar deiner alten Kontakte, sofern möglich und nötig.“ Colt brauchte nicht länger motiviert zu werden. „Dafür müsste ich mich aber mal ein wenig verdrücken.“ Die Aussicht, die triste Langeweile an Bord Ramrods nur für eine Weile hinter sich zu lassen, ließen die blauen Augen im Gesicht des Scharfschützen erwartungsvoll aufblitzen. „Genehmigt!“, nickte Saber ab. „Aber du meldest dich regelmäßig und berichtest über deine Fortschritte.“ „Klar, Boss! Wird gemacht, Boss! Ich eile, Boss!“ Colt rannte von der Brücke bevor Saber vielleicht noch auf neue Ideen kam und es sich anders überlegte. „Und da war sie wieder, die himmlische Ruhe. Auf die Idee hättet ihr schon viel früher kommen sollen“, kommentierte Fireball und versank wieder in seinen Gedanken. Saber und April sahen sich nur ratlos an, bevor sie selbst auch wieder an ihre Arbeit gingen. ***** Drei Wochen später Colt sah mit einer Mischung aus Ekel, Abscheu und Neugierde auf die Leiche vor sich auf dem Tisch. Der Gerichtsmediziner hatte das Tuch für den Star Sheriff kurz angehoben und so konnte er die vielen Wunden im Gesicht des Mannes sehen. „Es war auf keinen Fall ein schneller Tod. Vermutlich wurde er sogar tagelang gefangen gehalten und befragt.“ Das letzte Wort drückte sehr deutlich seinen Abscheu gegen die auf das Opfer angewandte Folter aus. Der Arzt nickte mit ernstem Gesichtsausdruck. „Er ist dehydriert und hat wahrscheinlich während seiner gesamten Gefangenschaft weder Nahrung noch Wasser bekommen. Wir fanden Spuren von Schlägen und Prellungen im gesamten Bereich des Oberkörpers sowie im Gesicht. Sein Kiefer ist angebrochen, beide Kniescheiben wurden von Blasterschüssen zerstört. Diese Wunden sind jedoch nicht tödlich gewesen, er wurde durch einen gezielten Schuss in Herz ermordet.“ Colt nickte nachdenklich. „Vermutlich, nachdem sie entweder erfahren hatten, was er wusste oder nachdem sie herausfanden, dass er nichts wusste“, mutmaßte er gedankenverloren. „Davon weiß ich nichts und ich muss ehrlich zugeben, dies ist auch das erste Mal in dieser Kleinstadt, dass wir mit so einem Fall zu tun haben. Müssen wir jetzt mit noch mehr solcher Funde rechnen?“ Man merkte ihm an, dass die mögliche Aussicht darauf ihn abstieß, aber Colt schüttelte den Kopf. „Das hier war ein gezielter Mord und soweit ich weiß, hat dieser Mann nie hier gelebt. Er wollte sich hier nur verstecken und möglicherweise neu anfangen.“ Die Leiche des Mannes war zum selben Zeitpunkt gefunden worden, als Colt infolge seiner Nachforschungen in dem kleinen Städtchen San Fortunato eingetroffen war. Der Sheriff, den er nach dem Aufenthaltsort der von ihm gesuchten Familie befragen wollte, war gerade von dem Leichenfund in Kenntnis gesetzt worden und überaus dankbar für die Anwesenheit des Star Sheriffs. Nun stand er hinter Colt und schüttelte immer wieder entsetzt den Kopf. „Also ist dies der Mann, den Sie suchen, Colt?“, wollte er wissen. „Zweifelsfrei. Er sieht seinem früheren Ich nicht mehr allzu ähnlich, aber ja, das ist er“, seufzte der Scharfschütze. „Ich wünschte, ich wäre ein wenig eher da gewesen, vielleicht hätte ich ihm noch helfen können.“ Der Gerichtsmediziner schüttelte den Kopf. „Der Tod ist schon vor einigen Tagen eingetreten. Die Leiche ist nur so gut erhalten, weil die Temperaturen in den letzten Tagen nicht über die Fünf-Grad-Marke hinausgegangen sind“, teilte er mit. „Um diesem Mann zu helfen, hätten Sie vor gut vierzehn Tagen hier eintreffen müssen.“ Colt presste zornig die Lippen zusammen, nickte dann aber zustimmend. „Haben Sie seine Familie gefunden?“, wollte er vom Sheriff wissen, der verneinte. „Keine Spur von der Frau und dem Jungen. Das Hotelzimmer war leer, nicht einmal Sachen haben wir gefunden. Wenn sich der Mitarbeiter vom Empfang nicht sicher gewesen wäre, dass die Leute bei ihm ein Zimmer angemietet hätten, würden keinerlei Spuren darauf hindeuten, dass sie jemals da gewesen sind.“ Colt kannte dies schon. Seit mehreren Wochen war er allein im Grenzland unterwegs, suchte alte Kontakte auf und erkundigte sich bei bekannten Ausweisfälschern oder Schleusern, ob diese etwas wussten. Tatsächlich war er auf mehr als eine heiße Spur gestoßen. Die Leute, die der Commander so dringend suchte, schienen alle darauf bedacht gewesen zu sein, so schnell wie möglich untertauchen zu wollen. Zum vierten Mal deuteten einige Hinweise darauf, dass viel Geld für neue Identitäten für gesamte Familien den Besitzer gewechselt hatte. Allerdings waren die Leute nie an ihrem neuen Wohnort anzutreffen gewesen; sie waren nicht einmal so weit gekommen. Irgendjemand kam ihm wieder und wieder zuvor, aber dafür fand er keine Hinweise, sondern stieß auf eine Mauer des Schweigens. „Ich muss jetzt wieder los“, wandte er sich an den Sheriff. „Mein Boss muss hiervon erfahren. Wegen der Beerdigung wenden Sie sich an das Oberkommando der Kavallerie und nennen Sie ihm den richtigen Namen des Mannes. Er hieß Daniel Davis und war früher Operationsassistent am Yuma-City-Hospital. Das Oberkommando wird seine Überführung veranlassen.“ Der Sheriff nickte dankbar, die Männer reichten sich die Hand, dann verließ der Cowboy das Gebäude der Gerichtsmedizin und ging zurück zu seinem Bronco Buster, der direkt auf der Straße geparkt war. „Ramrod, bitte kommen!“, funkte er seine Kollegen an. „Hier Ramrod!“, kam die Stimme der blonden Navigatorin über Hypercom zurück und wenig später erschien ihr Bild auf seinem kleinen Display. „Gibt’s was Neues, Colt?“ „Nichts Gutes, fürchte ich. Ich hab diesen Davis- Typen gefunden. Er liegt in San Fortunato in der Gerichtsmedizin, er wurde ermordet“, teilte er ihr das Ergebnis seiner Suche mit. „Das wäre dann die zweite Leiche, die ich entdeckt habe. Sind wir schon bei fünf toten Menschen. Davis' Familie ist wie vom Erdboden verschluckt, es gibt keinerlei verwertbare Spuren mehr.“ April hatte bei seinen Worten erschrocken die Augen aufgerissen. „Komm zurück, Colt!“, mischte sich Saber aus dem Hintergrund ein. „Wir müssen zusammen beraten, wie wir weiter vorgehen.“ „Gib mir noch ein paar Stunden, Saber. Einer meiner Kontaktmänner hat sich gemeldet und gemeint, dass er vielleicht etwas herausgefunden hat. Vielleicht kommen wir ja jetzt ein Stück weiter.“ Sabers Stimme klang zweifelnd, dennoch stimmte er nach kurzem Zögern zu. „Du hast bis morgen Abend Zeit, Colt. Dann will ich dich wieder an Bord sehen.“ „Geht klar, Superschwert!“ Colt unterbrach die Verbindung und startete umgehend. ***** Am selben Abend „Eine der Familien, deren Fotos du mir geschickt hast, war hier. Vor vielleicht zwei Wochen.“ Im Hinterzimmer der schmuddeligen Bar sahen sich der Mann im Anzug und der Star Sheriff die Originalbilder an. „Die hier!“ Colt sah auf die Familie, die glücklich in die Kamera lächelte; Mann, Frau, zwei Kinder und der Hund. „Sie haben versucht, sich optisch zu verändern. Die Frau hat die Haare jetzt wesentlicher länger und ist blond, aber der Mann war es unverkennbar.“ „Was wollten sie, Freddy?“ Er sah den Fälscher an, der ihm schon in der Vergangenheit den einen oder anderen Tipp gegeben hatte. Im Gegenzug vergaß Colt, Freddy in seinen Berichten zu erwähnen oder ihn irgendwie den Behörden zu melden. Offiziell wusste das Oberkommando, wie Freddy Fälscher sein Geld verdiente, aber bisher hatte man ihm nie etwas nachweisen können und Colt schwieg eisern über Kontakte aus seiner Vergangenheit. Vor seiner Zeit bei den Star Sheriffs hatte Colt regelmäßig Informationen von ihm bezogen. Er hatte seinem ehemaligen Kontaktmann zur kriminellen Szene vorab Fotos zukommen lassen und dann gespannt auf dessen Reaktion gewartet, welche jetzt auch erfolgt war. Nun lehnte sich der Fälscher zurück, nippte an seinem Bier und schenkte dem Cowboy ein träges Lächeln. „Was wohl? Ausweise, Pässe, eine neue Vergangenheit, eine neue Zukunft, das Übliche eben. Sie haben mir den geforderten Preis sofort in bar auf den Tisch gelegt. Und die Frau wollte die gleiche Summe noch einmal bezahlen, wenn ich die Ausweise in zehn Tagen fertig gehabt hätte.“ Freddy Fälscher zog die Augenbrauen hoch. „Das wäre vorgestern gewesen, aber niemand ist am vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht. Mir war es egal, mein Geld hatte ich ja bereits. Es wäre aber schon schön gewesen, das Doppelte zu bekommen.“ Er grinste schmierig und Colt verzog abwertend den Mund. „Dass ich dich nicht verpfeife weil du mir von Nutzen bist ist das Eine, aber treib es nicht zu weit“, warnte er ihn ruhig. „Ist dir noch etwas an ihnen aufgefallen?“ „Der Mann war ein Idiot.“ Freddy stützte die Unterarme auf den Tisch und faltete die Hände, während er Colt ansah. „Ich meine, die Frau war außer sich vor Angst, so richtig mit Tränchen in den Augen und zitterndem Kinn und so. Er dagegen war ein Arschloch. Noch während wir verhandelt haben, hatte er nur Vorwürfe für sie übrig. Es sei alles ihre Schuld, weswegen hätte sie sich auch in diese Geschichte verstricken lassen. Und überhaupt, er sei damals schon dagegen gewesen, sich auf das Kavallerie- Oberkommando zu verlassen. Man hätte genug Geld verlangen sollen und sich dann selbst um die Zukunft sorgen.“ Freddy verdrehte die Augen. „Das Geleier ging noch eine Weile so weiter. Er fing dann sogar an, ihr damit zu drohen, sie zusammen mit den Kindern zu verlassen, sobald sie wieder in Sicherheit wären.“ Fragend sah er den Star Sheriff an. „Gestern fing doch tatsächlich jemand an, die gleichen Fragen wie du zu stellen. Ich war gar nicht anwesend und sonst konnte niemand hier etwas wissen, dennoch, jetzt sind sie verschwunden, allesamt. Wozu seid ihr hinter ihnen her?“ Colt rieb sich die Stirn. Kopfschmerzen kündigten sich an, seine Schläfen pochten inzwischen unangenehm. „Sind wir gar nicht. Im Gegenteil, ich will sie finden, damit wir sie in Sicherheit bringen können. Aber ich fürchte, dafür ist es schon zu spät.“ Er hieb mit der Faust auf den Tisch. „ Es ist für alle zu spät. Kannst du mir irgendetwas über denjenigen sagen, der sich ebenfalls nach ihnen erkundigt hat?“ Es war das erste Mal in den letzten Wochen, dass jemand ihm etwas über die geheimnisvolle Person berichtete, die offenbar das gleiche Ziel wie die Star Sheriffs verfolgte. Jedoch mit wesentlich mehr Erfolg, wenn man die Zahl der Leichen betrachtete. Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. „Nicht viel fürchte ich. Groß, geheimnisvoll, männlich. Das Gesicht unter einem Hut versteckt, er hat absichtlich sehr leise geredet. Ansonsten normale Kleidung, er wäre meinen Freunden hier gar nicht weiter aufgefallen, wenn nicht deine Anwesenheit vor zwei Tagen sie aufgerüttelt hätte. Seitdem sind sie wieder ein wenig wachsamer. Dennoch, sie haben ihm nichts gesagt.“ Freddy runzelte nachdenklich die Stirn. „Das hilft dir nicht wirklich weiter oder?“ Der Cowboy schüttelte den Kopf und sah auf die glücklich lächelnden Gesichter auf dem Foto. Er hasste den Gedanken, aber irgendjemand kam ihm beständig zuvor und er konnte nicht herausfinden, wer es war oder wer die Hintermänner waren. Diese Person oder Personen hielten sich beständig im Hintergrund und schlugen dann dennoch blitzschnell zu. ‚Wo seid ihr da nur hinein geraten?`, fragte er sich in Gedanken. ***** In der Nacht des gleichen Tages Mitleidlos blickte Jesse auf die blonde Frau vor sich. Ihr Ehemann lag schon leblos neben ihr auf dem Boden. Vorher war er unter der Folter total zusammengebrochen und hatte seine Frau abwechselnd angefleht oder bedroht, den Mund aufzumachen und ihm endlich zu sagen, was er wissen wolle. „Du wirst schon noch mit mir reden!“, drohte der Blauhaarige jetzt ihr. Tränen liefen ihr übers Gesicht, aber sie presste nur widerspenstig die Lippen aufeinander. „Oder sollte ich vielleicht deine Kinder fragen?“ Ein böses Grinsen stahl sich auf die Lippen des Outriderkommandanten, als er sah, wie sie erschrocken zusammenzuckte. Er wandte sich ab und schickte sich an, den Raum zu verlassen. Ihr gellendes „Nein!“ verhallte ungehört hinter der zuschlagenden Tür. Im Nebenraum warteten die Kinder. Völlig verschreckt hockten sie auf einer schmalen Pritsche und sahen ängstlich zu Jesse auf. Dennoch, die flehenden Kinderaugen ließen ihn völlig kalt. Jesse wies die Wache an, das Mädchen herauszubringen. Sie brach in Tränen aus und versuchte, sich an ihrem Bruder festzuklammern, aber der Outrider zog sie gnadenlos weg und brachte sie aus dem Zimmer. Zurück blieben Jesse und der Junge. „So Samuel, du heißt doch Samuel nicht wahr?“ Sein Tonfall war drohend, sein Blick eiskalt. Der vielleicht achtjährige Junge zuckte zusammen und erwiderte den Blick voller Angst. „Du hast doch sicherlich deine Eltern da drüben schreien hören, oder?“ Ein zaghaftes Nicken war die Antwort. „Wenn du nicht tust, was ich sage, dann wird es nicht lange dauern und deine Schwester wird auch so schön schreien und danach bist du dran. Vorher werde ich dir allerdings noch in allen Einzelheiten aufzählen, auf was genau du dich vorbereiten musst. Was sagst du dazu? Wirst du tun, was ich dir sage? Oder willst du lieber noch ein wenig warten, während ich mich mit deinem süßen, kleinen Schwesterchen befasse?“ Der Junge namens Samuel brauchte nicht lange zum Überlegen. „Was willst du? Was ist mit meiner Mummy und mit Daddy und wohin habt ihr meine Schwester gebracht?“, fragte er mit zitterndem Stimmchen. „Immer schön der Reihe nach.“ Jesse unterdrückte ein zufriedenes Grinsen. „Von dir will ich jetzt erst einmal, dass du schön laut brüllst, so, als hättest du sehr große Schmerzen. Kannst du das?“ Das Kind sah ihn verunsichert an und Jesse beugte sich drohend nach vorn. „Denn wenn du es nicht kannst, dann wirst du bald sehr viel Gelegenheit haben, es zu üben und das nicht nur so, sondern du wirst schreien, weil du einfach nichts anderes tun können wirst, so weh werden meine Leute dir tun. Und jetzt los!“ Der Kleine schniefte noch einmal, holte tief Luft und begann aus Leibeskräften zu brüllen. Jesse lehnte sich an die Wand und beobachtete zufrieden, wie der Kleine vor Anstrengung krebsrot im Gesicht anlief. „Pause!“, sagte er dann halblaut und sofort kehrte wohltuende Ruhe ein. Jesse ließ dem Jungen eine Minute zum Durchatmen und sah ihn dann auffordernd an. „Weiter!“ Samuel brüllte weiter, was seine Lungen hergaben und Jesse ließ ihn immer mal wieder kurze Pausen machen. Eine Viertelstunde später hatte sich das Kind völlig verausgabt und der Blauhaarige war sehr zufrieden. Er holte die Wache mitsamt dem kleinen Mädchen wieder herein. Sofort klammerten sich die Kinder aneinander. Jesse ließ sie in der Obhut der Outriderwachen zurück und begab sich wieder in den Raum, in dem die Frau gefangen gehalten wurde. Mit gebrochenem Blick sah sie ihn eintreten, das Geschrei des Jungen war durch die Wände ausgezeichnet zu hören gewesen, wie dem Blauhaarigen sehr wohl bewusst war. „Was hast du mit meinem Sohn gemacht?“, schluchzte sie, kaum dass er die Tür geöffnet hatte. „Ich?“, fragte Jesse gedehnt zurück. „Du hattest die Wahl. Hättest du mir gesagt, was ich wissen will, dann hätten weder dein Mann noch dein Sohn sterben müssen. So jedoch … ich dachte nur, ich frage noch einmal nach, ob du deine Meinung möglicherweise geändert hast, ehe ich das kleine Mädchen frage, ob sie nicht ihre Eltern vielleicht einmal heimlich belauscht hat.“ „Sie weiß rein gar nichts!“, weinte die Frau laut auf. „Genau wie mein Sohn nichts gewusst hat. Es waren doch nur unschuldige Kinder…“ Ihr ganzer Körper wurde vom Schluchzen erschüttert und sie rang verzweifelt nach Atem. „Nun, ein Kind bleibt dir ja vielleicht noch“ Jesse beugte sich leicht über sie. „Wenn du mir endlich sagst, was vor siebzehn Monaten im Krankenhaus passiert ist!“ Bei seinem letzten Satz klang seine Stimme so drohend, dass sie zurückwich, so weit es die Fesseln zuließen. „Oh Gott es tut mir so leid.“, jammerte sie heiser und rang sichtbar mit ihrem Gewissen, ehe sie den Blick wieder auf Jesse richtete. „In Ordnung, aber bitte, tu meinem kleinen Mädchen nichts.“ Er wiegte unbestimmt mit dem Kopf. „Wie es der Kleinen ergeht, kommt ganz auf deine Informationen an.“ „Ich war OP- Schwester, als die Frau gebracht wurde. Sie war schlimm verletzt und es sah einige Zeit nicht gut aus. Sie wurde stundenlang operiert, aber ihr Zustand stabilisierte sich wieder. Die Ärzte konnten meines Wissens nach alle inneren Blutungen stoppen. Auf einmal wurden alle Personen aus dem Raum geschickt, die nicht unmittelbar benötigt wurden. Noch während die anderen draußen von bereits wartenden Kavalleristen empfangen wurden, stellte der leitende Arzt die lebenserhaltenden Geräte ab und erklärte ihren Tod. Keiner von uns konnte sich erklären, was vor sich ging, aber man brachte sie umgehend hinaus, nachdem sie in einen Leichensack gehüllt worden war. Später wurden wir alle von Commander Eagle zur Geheimhaltung verpflichtet. Man hat uns viel Geld dafür gezahlt und uns außerdem umgesiedelt. Wir mussten unser ganzes Leben hinter uns lassen und von vorn anfangen.“ „Also lebt sie noch?“ Gespannt beugte Jesse sich nach vorn. „Sie ist nicht auf dem Operationstisch verblutet?“ Erneut begann die Frau zu weinen, aber sie schüttelte den Kopf. „Als sie den Operationssaal verließ, war sie am Leben.“, versicherte sie Jesse. „Später habe ich in einer Zeitung gelesen, dass sie beerdigt worden ist. Ich konnte es mir damals schon nicht erklären, wie das noch hat passieren können, aber ich durfte ja mit niemandem mehr darüber sprechen, auch mit meiner Familie nicht.“ Sie verstummte. „Bitte, Mr. Blue! Mehr weiß ich nicht. Ich schwöre es! Die Leute aus der Gerichtsmedizin können bestimmt mehr dazu sagen. Die wissen bestimmt, was dann geschah.“ Jesse hob ihr vom Weinen und von den Schlägen geschwollenes Gesicht, indem er ihr den Finger unters Kinn legte. „Sehr gut, Mrs. Masterson“, lobte er. „Der Gerichtsmediziner befindet sich bereits in meiner Gastfreundschaft, sein Assistent dürfte bald auf dem Weg hierher sein. Aber Sie haben mir schon sehr viel weiter geholfen. Nur noch eine letzte Frage.“ Er packte ihr Kinn energisch mit der ganzen Hand und drückte ihren Kiefer so fest, dass sie schmerzerfüllt aufstöhnte. „War sie schwanger?“ „Ich weiß es nicht!“ Nach allem was geschehen war, zweifelte Jesse nicht am Wahrheitsgehalt ihrer Worte. Er ließ ihr Kinn los, zog den Blaster aus dem Halfter, zielte auf ihren Brustkorb und drückte ab. „Bringt die Kinder in irgendein Gefangenenlager oder setzt sie irgendwo aus. Das ist mir gleichgültig.“, wandte er sich an die Wachen. „Und entsorgt den Müll.“ Angewidert deutete er auf die beiden Leichen und verließ den Raum. Auf dem Weg in seine eigenen Räume, wo er sich umzuziehen und zu duschen gedachte, sann er über das eben Gehörte nach. Nach allem, was er bisher herausgefunden hatte, hatte Mandarin damals überlebt. Es war sehr clever vom Oberkommando gewesen, sie offiziell sterben zu lassen. Clever, aber nicht clever genug. Es war immer noch nützlich, einige der Kontakte aus früherer Kadettenzeit zu unterhalten, auch wenn diese nicht ganz freiwillig mitspielten. Jimmy, einer der beiden Affen, die damals seine schmähliche letzte Begegnung mit April gesehen hatte, war heute Offizier und er saß genau an der richtigen Stelle, um ihm die Informationen über das damalige Ärzteteam und die beteiligten Schwestern und Hilfskräfte besorgen zu können. Und er, Jesse Blue, hatte die nötigen Druckmittel, um ihn zur Kooperation zu überreden. Jimmy hatte ihm eine lange Liste mit Namen und Aufenthaltsorten besorgt. Allerdings schien er die Leute auch irgendwie gewarnt zu haben, aber darum würde er sich später kümmern. Jean- Claude war effizient und schnell, er fand diese Menschen, auch wenn sie zu flüchten versuchten und brachte sie ihm. Jetzt musste er nur noch herausfinden, wo Mandarin sich gegenwärtig befand und das würde er nur, wenn er direkt die angriff, die damals das Sagen hatten. Über sie würde er Mandarin aufspüren und dann würde er sich sein Kind holen. Er stellte sich vor, wie er ihr den Jungen aus den Armen riss und dann endlich zu Ende führen würde, was er damals begonnen hatte. Ein Kind brauchte seine Eltern, aber das hieß ja nicht zwangsläufig, dass es beide Elternteile benötigte und er würde schon dafür sorgen, dass er seine Mutter bald vergessen hatte. Oder aber, er würde Mandarin am Leben lassen. Sollte sie doch als seine Gefangene zusehen, wie das Kind sich mehr und mehr von ihr abwandte. Sie sollte leiden, so wie er die letzten Monate gelitten hatte. Bei diesem Gedanken lachte er schadenfroh auf. ‚Oh ja, Rache ist süß und meine Rache wird besonders süß sein.‘ Nun brauchte er sich nur noch zu entspannen und auf die Nachricht warten, dass der nächste Punkt auf seiner Planung abgehakt werden konnte. Er sah auf die Uhr. Lange würde es nicht mehr dauern. Da konnte er sich in Ruhe noch einige Stunden Schlaf gönnen. ***** Einen Tag später, abends „Gute Nacht, Sir!“ Elise, Commander Eagles Sekretärin, winkte ihrem Chef, bevor er den Fahrstuhl betrat. „Gute Nacht und arbeiten Sie nicht mehr so lange, Elise. Ich bekomme ja direkt ein schlechtes Gewissen, weil ich vor Ihnen gehe“, erwiderte er, ehe sich die Fahrstuhltüren hinter ihm schlossen. Die Sekretärin begann, ihren Schreibtisch zu ordnen und ihre Sachen zusammen zu packen, als ein lauter Knall den Abend erschütterte. Die Fensterscheiben ihres Büros klirrten leise. Sie eilte zum Fenster und sah auf das Bild der Verwüstung, das sich ihr bot. Das Auto ihres Chefs stand nach einer Explosion lichterloh in Flammen, den Commander selbst konnte sie nirgendwo sehen. „Oh mein Gott…“ Als sie zum Telefon greifen wollte, verschlossen sich die automatischen Sicherheitstüren mit einem Klick und sie war im Bürotrakt eingeschlossen. Elise ließ die Hand wieder sinken. Sie wusste, die Werkschutzposten hatten diese von ihrer Kommandozentrale aus versperrt. Diese Sicherheitsmaßnahme war nach dem Angriff der Outrider auf die Yuma-Basis vor über einem Jahr eingeführt worden, als beinahe die gesamte Basis in die Luft geflogen wäre. Zum Glück war Saber Rider in letzter Sekunde die Entschärfung der Bomben gelungen. Der gesamte Komplex wurde in Einzelteile aufgesplittet, welche alle separat angesteuert werden konnten. Im Notfall wurden betroffene Bereiche evakuiert und andere gesichert, so dass, bis die Lage unter Kontrolle gebracht war, niemand die Sicherheitszentralen betreten oder verlassen konnten. Elise wollte hinausrennen und sehen, was passiert war, wollte helfen. Sie konnte jedoch nur zusehen, wie Ersthelfer mit Feuerlöschern in der Hand auf den brennenden Dienstwagen zu rannten. Vom Fenster aus verfolgte sie, wie die Helfer gegen die Flammen kämpften, bis die Feuerwehreinheiten eintrafen. Auf einmal kam noch mehr Bewegung in die Rettungskräfte da unten an der Straße. Hektisch beugten sie sich über irgendetwas, was sie von ihrem Aussichtsplatz im Büro nicht sehen konnte. Es sah aus wie … ja, es war ein Mensch. Sie brach in Tränen aus. „Nein, Commander Eagle, nein, bitte nicht…“ Sie wollte nur runter auf die Straße zu ihrem Chef, aber die automatischen Türen würden nicht eher wieder deaktiviert werden, bis die Gefahr vorbei wäre. Sie zuckte zusammen, als das Telefon klingelte. Es war der Torposten, der sich nach ihrer und der Gesundheit des Commanders erkundigen wollte. „Commander Eagle ist nicht hier!“, erwiderte sie. „Er ist vor fünf Minuten gegangen. Ist er…“ Sie musste schlucken. „Ich meine, ist es Commander Eagle, der da verletzt wurde?“ Der Sicherheitsposten konnte ihr jedoch keine Antwort geben. ***** Am selben Abend „Es ist zum Verzweifeln.“ Colt war wieder an Bord von Ramrod angekommen und die vier Star Sheriffs beratschlagten ihr Vorgehen und werteten ihre bisherigen Ergebnisse aus. „Zusammengefasst wir bisher nur in Erfahrung bringen können, dass alle Leute auf der Liste versucht haben, sich abzusetzen und das ging so ziemlich nach hinten los. Also stehen wir noch am Anfang und wissen eigentlich gar nichts“, stellte der Cowboy missmutig fest. „Sind sie wirklich alle tot?“, wollte April entsetzt und besorgt wissen und Colt nickte. „Wir können davon ausgehen. Bisher wurden zwar nicht alle wiedergefunden, aber diejenigen, die wieder aufgetaucht sind, sind ohne jeden Zweifel ermordet worden.“ April schüttelte fassungslos den Kopf. „Aber was ist mit ihren Familien und vor allem mit den Kindern?“ „Es waren keine Kinderleichen dabei, also sollten wir davon ausgehen, dass sie noch leben.“ Sabers Stimme sollte beruhigend klingen, aber auch er konnte sein Entsetzen über Colts Bericht nicht verbergen. „Jesse Blue ist ein Drecksack und dass er über Leichen geht, um an seine Ziele zu kommen, wissen wir schon länger. Spätestens seit er Mandy erschossen hat“, mischte sich Fireball grimmig ein, der bisher beharrlich geschwiegen hatte. „Die Frage ist nur immer noch, was genau hat er vor? Was will er wissen und weswegen geht er mit so einer gründlichen Genauigkeit vor? Im Lebenslauf dieser Leute geht nicht hervor, was sie mit dem Oberkommando oder den Outridern zu tun hatten und dass sie hochqualifizierte Wissenschaftler sind, glaub ich auch nicht wirklich.“ Ratlos sahen sich die Vier an. „Daddy wird das gar nicht gefallen“, mutmaßte April, als eine Hypercomverbindung einging. „Gibt’s hier irgendwo Wanzen, dass dein Vater immer wie durch Gedankenleserei den Zeitpunkt erwischt, an dem man ihn gar nicht brauchen kann?“, brummte der Cowboy und sah sich misstrauisch im Raum um. „Scht!“ April warf Colt einen amüsierten Blick zu, ehe sie die Verbindung zum Oberkommando öffnete. Aber nicht das Gesicht ihres Vaters erschien auf dem Monitor, sondern das General White Hawks. „Sir!“ Die vier Star Sheriffs warfen sich überraschte Blicke zu, während Saber das Wort ergriff. „Saber Rider! Wir haben uns lange Zeit nicht gesehen.“ White Hawk rang sich ein Lächeln ab, ehe er wieder ernst wurde. „Ich fürchte, ich habe keine guten Neuigkeiten für euch.“ „Das scheint heute der Tag der schlechten Nachrichten zu werden“, grummelte Fireball in seinen nicht vorhandenen Bart, aber der General beachtete ihn gar nicht, sondern sah stattdessen April an. „Es gab einen Anschlag auf Yuma. April, das Auto deines Vaters wurde durch eine Bombe zerstört.“ Die Blondine schrie entsetzt auf und klammerte sich schwankend an den Rennfahrer, weil dieser zufällig neben ihr saß. Dieser legte ohne nachzudenken den Arm um ihre Schultern, was ihm einen kurzen, aber intensiven Blick von Saber Rider einbrachte. „Was ist passiert? Wie geht es meinem Vater?“ April war kurz davor, in Tränen auszubrechen. „Er ist soweit unverletzt“, beruhigte der General sie sofort und nicht nur die Blondine atmete erleichtert auf. „Nur kleine Prellungen. Dennoch, solange die Geschichte nicht aufgeklärt wurde, haben wir entschieden, ihn in Sicherheit zu bringen.“ „Wohin?“, wollte April aufgeregt wissen, aber General White Hawk schüttelte mit dem Kopf. „Tut mir leid April, aber das darf ich nicht sagen. Für euch habe ich auf seinen Befehl hin jedoch einen neuen Auftrag. Ihr begebt euch so schnell wie möglich ins glorreiche Königreich Jarr, ihr werdet bereits erwartet.“ Angesichts der fragenden und ratlosen Gesichter versuchte er, einen beruhigenden und aufmunternden Eindruck zu machen. „Dort bekommt ihr weitere Informationen.“ Der Bildschirm erlosch. „So langsam habe ich es wirklich satt, von Hinz zu Kunz und zurück nach Hinz geschickt zu werden, ohne irgendeine Angabe von Gründen.“, explodierte Colt zornig. „Seit Wochen geht das so und keiner sagt uns, was los ist! Wir dürfen nur Jesses Dreck aufräumen und uns um die Beerdigungen kümmern, während die Leute weiter reihenweise verschwinden. Ich kann euch sagen, dass ich in nächster Zeit keine Leichen mehr sehen kann.“ „Colt, beruhige dich!“, mahnte Saber ihn, obwohl ihm selbst gerade ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen waren. „Wir sind nun mal Soldaten und demzufolge Befehlsempfänger.“ Aus seiner Stimme klang nicht hervor, was er davon hielt. „Manche Befehle sollte man vielleicht besser nicht beachten“, murrte der Cowboy weiter. „Gib mir nur ein paar Tage und ich finde heraus, was hier los ist!“ „Wenn du meutern willst, dann warte, bis diese Krise ausgestanden ist und nimm ein bisschen Rücksicht auf April!“, wies Saber den Scharfschützen zurecht. Colt zog den Kopf ein und warf einen entschuldigenden Blick auf die Blondine, die immer noch ganz blass, aber gefasst neben Fireball auf der Eckbank hockte. „Entschuldige, Prinzessin! Ich wollte nicht…“ Fireball unterbrach ihn. „Unhöflich sein? Ungehobelt? Unbedacht?“ Der Rennfahrer stand auf und wandte sich in Richtung Tür. „Wir sollten machen, was man uns gesagt hat. So kommen wir ja doch nicht weiter. Vielleicht bekommen wir ja beim König und der Prinzessin ein paar Antworten“, schlug er vor und ging aus dem Raum. Wenig später heulten Ramrods Triebwerke auf und der riesige Friedenswächter verließ den Planeten und steuerte in Richtung Jarr. ***** „Charles! Ich habe schon das Schlimmste befürchtet, als ich von dem Bombenanschlag gehört habe.“ Eagle erwiderte die freundliche Umarmung von König Jarred, ehe sich beide Männer im Salon des Königs an einen kleinen Tisch setzten, wo bereits eine Kanne Kaffee und zwei Tassen auf sie warteten. „Die Zündung erfolgte noch, bevor ich in den Wagen gestiegen bin. Ich wurde nur beiseite geschleudert“, erwiderte der Commander der Kavallerie und der Monarch nickte. „Ich habe davon gehört. Ich gehe davon aus, dass die Bombe dich nicht töten sollte, sondern einzig dem Zweck diente, dich aufzuschrecken.“ Sorgenvoll runzelte Commander Eagle die Stirn. „Das hat sie auch. Und ich habe lange überlegt, ob ich hierher kommen soll oder nicht. Aber ich gehe davon aus, dass es nicht mehr lange dauern wird, ehe Jesse Blue auch im Königreich Jarr sein Unwesen treiben wird. Gestern wurden noch zwei Leichen aus einem See auf Yuma gezogen, dieses Mal die der Operationsassistentin und ihres Ehemannes. Taucher haben den See bis auf den Grund abgesucht, aber die Kinder nicht gefunden.“ „Noch nicht“, murmelte der Monarch finster in seinen Bart. „Blue geht zu weit. Er hinterlässt eine Spur von Leichen, ihm muss das Handwerk gelegt werden. Ich hätte auch nie erwartet, dass er so heftig reagieren würde, selbst wenn er herausgefunden hat, was damals passiert ist.“ „Deswegen bin ich hier“, stimmte Eagle zu. „Dass ich den Anschlag nahezu unverletzt überlebt habe, weiß kaum jemand und auch die Morde konnten wir aus der Presse heraushalten. Aber ich weiß nicht, wie lange uns das noch gelingen wird. Zum Glück haben wir endlich den Verräter in unseren eigenen Reihen aufgespürt und dingfest machen können. Jesse und er kannten sich von früher und der Überläufer hat ihn erpresst. Aus Angst, seine Karriere wäre ruiniert, wenn sein Geheimnis ans Licht kommt, hat Offizier James Nelson ihm Informationen besorgt. Er wartet nun im Gefängnis auf seinen Prozess wegen Hochverrates. Trotzdem müssen wir Jesse stoppen und dabei schnell überlegen und handeln.“ „Du hast einen Plan?“ König Jarred sah fragend auf, aber Eagle schüttelte den Kopf. „Plan kann man dazu noch nicht sagen. Wir müssen sorgsam überlegen, wie wir ihn in eine Falle locken können. So kann es auf keinen Fall weitergehen. Je mehr er herausfindet, desto mehr Menschen werden in Gefahr geraten, auch hier im Königreich. Auf jeden Fall habe ich die Star Sheriffs herbeordert. Wir können sie nicht länger heraushalten!“ Der Satz hing wie ein Donnerschlag im Raum. König Jarred schwieg lange und nickte dann aber. „Vielleicht kommen wir wirklich nicht umhin. Mir wäre es zwar lieber gewesen, es wäre ohne die Vier abgelaufen, aber ich sehe inzwischen die Notwendigkeiten ihrer Anwesenheit ein“, stimmte er dann nachdenklich zu. „Ich habe die Frau zu ihrer eigenen Sicherheit inzwischen auch herbringen lassen. Die Frage ist nur, wie werden alle Beteiligten reagieren und vor allem, was tun wir, wenn wir wieder erfolglos sind? Die Wahrheit wird jetzt heraus kommen und noch einmal so handeln können wir nicht.“ Darauf wusste auch Commander Eagle keine Antwort. Beide waren in Gedanken bei den möglichen Konsequenzen, wenn die Star Sheriffs und besonders Fireball die Wahrheit erfuhren. Eine lange Stille folgte. „Wir dürfen nicht noch einmal versagen“, sagte Aprils Vater schließlich mit grimmiger Stimme. ***** Spät in der Nacht erreichte Ramrod schließlich die Hauptstadt von Jarr. Die Star Sheriffs wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft sofort zum König eskortiert, welcher, anders als sonst, in seinen privaten Räumlichkeiten auf sie wartete. Als die Vier die privaten Gemächer des Monarchen betraten, war zu ihrer Überraschung nicht nur dieser, sondern auch Commander Eagle anwesend. „Daddy!“ April lief auf ihren Vater zu und umarmte ihn stürmisch. “Geht es dir gut?” Sie musterte ihn von oben bis unten, aber der Commander war am Leben und nur ein Pflaster an der Schläfe zeugte von dem Anschlag auf sein Leben. Liebevoll umarmte er sie, ehe er sich von ihr löste und auch ihre drei Kollegen begrüßte, die bei diesem unverhofften Wiedersehen unwillkürlich erleichtert aufgeatmet hatten. „Was ist hier los?“, wollte April dann auch sofort wissen. „Alle Leute auf der Liste sind spurlos verschwunden oder tot, auf dich wurde ein Anschlag verübt und alles deutet darauf hin, dass Jesse Blue seine Finger im Spiel hat. Was genau war das für ein Projekt, um das es hier geht? Welches Geheimnis verbirgt sich dahinter?“ Drängend sah sie von ihrem Vater zu König Jarred. „Sirs, ich denke wirklich, dass es nun an der Zeit ist, uns einzuweihen“, mischte sich nun auch Saber Rider in höflichstem Edelmanntonfall ein, aber in seiner Stimme war ein Hauch von Missbilligung herauszuhören. Wochenlang waren sie durch das Neue Grenzland geschickt worden, nur um immer wieder festzustellen, dass sie nur noch Tod und Verwüstung fanden. Nun waren sie alle mit ihrer Geduld am Ende und wollten Antworten und Erklärungen. König Jarred räusperte sich. „Das wissen wir und aus diesem Grund seid ihr hier. Trotzdem müssen wir euch im Folgenden einige Dinge sagen, die für euch“, er sah bedeutungsvoll und besorgt in Fireballs Richtung. „sehr unerwartet und schockierend sein werden, die ihr aber wissen müsst. In einigen Minuten werdet ihr verstehen, warum das alles geschieht und es wird euch und besonders dich, Fireball, vermutlich auch verletzen.“ Er seufzte tief auf. „Im Vorfeld muss gesagt werden, dass wir seinerzeit aus Sicherheitsgründen nicht anders handeln konnten. Was gleich passieren wird hätten wir gern unter anderen Bedingungen und in anderem Rahmen erklärt.“ Die kurze Ansprache des Monarchen verwirrte die Star Sheriffs nur noch mehr. Sie konnten mit seinen Aussagen gar nichts anfangen, einzig der ungewöhnlich besorgte Blick auf Fireball war keinem entgangen. „Sie machen es aber auch wieder spannend, Hoheit!“ Colts Stimme klang sehr verkrampft, obwohl er versuchte, seine Worte locker klingen zu lassen. „Worum geht’s hier eigentlich wirklich? Sie wissen doch, was der Überläufer vorhat, oder?“ „Jesse ist auf der Jagd und er sucht nach mir“, mischte sich überraschend eine weibliche Stimme aus dem Hintergrund ein. Bisher hatten die Star Sheriffs der zweiten Tür, welche im Halbdunkel lag, keine Beachtung geschenkt. Bei dem unverhofften Wiedersehen war auch keinem der Vier aufgefallen, wie sich diese geöffnet hatte und eine Frau leise und zögerlich eingetreten war. Beim Klang dieser Stimme fuhren die Star Sheriffs wie vom Donner gerührt zusammen, König Jarred ließ die Augen nicht vom Rennfahrer. Dieser erblasste und schien zu schwanken. Colt trat unwillkürlich einen Schritt näher an seinen Teamkollegen heran, während er genauso ungläubig die schwarz gekleidete Gestalt anstarrte, die sich ihnen langsam näherte. Mandarin hatte sich äußerlich sehr verändert. Die ehemals roten Locken waren schwarz gefärbt, eine dunkle Sonnenbrille war über die Stirn geschoben. Außerdem war sie blass und wirkte noch zerbrechlicher als früher. „Ich bin das Geheimnis, dass alle hier zu beschützen versuchen und für das unschuldige Familien der Reihe nach umgebracht werden.“ Fireball glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. „Du lebst?“ Ungläubig sah er sie an. „Wie? Warum? Was ist passiert?“ Er wusste nicht, was er sagen sollte, was er fragen sollte. Er wollte sie in den Arm nehmen, nur um zu sehen, ob sie wirklich da war, ob sie sich real anfühlte, gleichzeitig wollte er auf Abstand gehen, sich herum drehen und gehen. Er wollte wissen, was passiert war, ebenso wollte er jedoch Augen und Ohren verschließen. Saber, Colt und April fehlten die Worte, April fasste sich jedoch als erste und trat einige Schritte auf Mandarin zu. Als diese jedoch unwillkürlich zurück wich, blieb sie verunsichert stehen und sah hilflos zu ihren Vater und König Jarred. „Caitlyn, ich meine Mandarin, hatte ich Sie nicht darum gebeten zu warten, bis wir die Vier einweihen konnten?“ Seine Stimme klang sehr missbilligend, aber Mandarin beachtete ihn gar nicht weiter. „Und ich hatte das Warten satt“, erwiderte sie stattdessen ungerührt. Ihre Stimme klang verbittert. Viel zu viele ungesagte Worte hingen im Raum und für einige Momente herrschte Schweigen. Fireball merkte erst jetzt, dass er die Luft angehalten hatte. Unwillkürlich atmete er tief durch und trat einige Schritte zurück. „Ich glaube, ich brauche frische Luft“, brachte er heraus, aber Commander Eagle schüttelte den Kopf. „Wir verstehen, dass es ein Schock für euch sein muss und wir haben auch nicht geplant, dass das alles so passiert. Sicher habt ihr viele Fragen und werdet viel zu wenige Antworten bekommen. Ich bin mir auch bewusst, dass ihr Zeit bräuchtet, dies zu verarbeiten und um über alles zu sprechen. Aber genau diese Zeit haben wir leider nicht. Ihr sollt den Planeten so schnell wie möglich wieder verlassen.“ Er deutete in unmissverständlicher Aufforderung auf die Sitzgelegenheiten im Raum. Als alle Platz genommen hatten, fing Eagle an zu sprechen. „Es wird Zeit für einige kurze Erklärungen. Wie ihr sehen könnt, Captain Yamato hat ihren Auftrag vor beinahe zwei Jahren überlebt. Es war knapp, aber inzwischen geht es ihr körperlich wieder gut.“ Die vier Star Sheriffs musterten die junge Frau, aber bis auf das sie die Augenlider senkte, um diesen Blicken auszuweichen, kam keine Reaktion von ihr. „Ihr Auftrag damals bestand, wie ihr bereits wisst, darin, Jesses Basis zu infiltrieren, sein Vertrauen zu gewinnen und seine Pläne auszuspionieren. Dabei sollte Jesse Blue nach Möglichkeit gefasst oder eliminiert werden. Aber der Plan ist schief gegangen.“ „Offensichtlich!“ Fireballs Tonfall war ätzend, seine Augen funkelten plötzlich vor Wut. „Jesse rennt weiter frei draußen rum und Mandarin wurde getötet. Ach nein, stimmt ja nicht, sie lebt ja noch. Wann in den letzten zwei Jahren hat uns irgendjemand einmal die Wahrheit gesagt?“ Dem Rennfahrer war anzumerken, dass er angesichts der Tatsache, plötzlich seiner tot geglaubten Freundin gegenüber zu stehen, kurz davor war, die Fassung zu verlieren. „Um ihr Leben zu retten und zu schützen mussten wir so handeln“, mischte sich König Jarred ein. „Sie wussten es die ganze Zeit?“ Ungläubig sah Fireball den besten Freund seines Vaters an, jenen Mann, der zwar König war, aber auch die letzte Bindung an seinen verstorbenen Vater. Misstrauisch blickte er von einem zum anderen. „Ich war über diesen Auftrag informiert, da sowohl das Oberkommando, als auch das Königreich Jarr den Captain unterstützt haben. Ihr Verbindungsoffizier war einer unserer Leute, jeder vom Oberkommando wäre von Jesse Blue sofort durchschaut worden“, bestätigte der Monarch die Frage. „Aber es ging schief.“ Eagle übernahm erneut das Wort. „Jesse hat irgendwie herausgefunden, dass wir jemanden eingeschleust hatten und hat den Spieß herumgedreht. Sein Ziel war es, das Kavallerie-Oberkommando in die Luft zu sprengen und Captain Yamato zu töten; glücklicherweise ging dieser Plan ebenfalls nicht auf. Aber zum Schutz des Captains haben wir entschieden, dass es besser ist, die Öffentlichkeit von genau dieser Tatsache zu überzeugen. Ihr erinnert euch alle, was seinerzeit die Presse schrieb und wie ihr Ruf gelitten hatte. Wir haben damals beschlossen, genau diesen Medienrummel auszunutzen. Solange Mandarin als tot galt, war ihr Leben vor Jesses Rache sicher.“ „Aber erneut ging etwas daneben.“ König Jarreds Stimme klang mehr als besorgt. „Aus bisher nicht vollkommen geklärten Gründen hat er begonnen, Nachforschungen anzustellen. Durch einen Verräter im Oberkommando hat Jesse Blue herausgefunden, dass Mandarin noch am Leben ist und seither versucht er, sie zu finden. Er hat sämtliche Leute von damals aus dem Krankenhaus suchen lassen. Was aus ihnen geworden ist, ist euch bekannt. Der Anschlag auf Commander Eagle war ein weiterer seiner Versuche, Mandarin zu finden und gleichzeitig eine Warnung an uns, wie ernst es ihm damit ist. Auch wenn wir seinen Informanten festsetzen konnten, dürfte Jesse inzwischen wissen, dass Eagle den Anschlag überlebt hat und sich hier im Königreich befindet. Dass Mandarin noch lebt, wusste er zu dem Zeitpunkt schon, sein letztes Opfer war mit einer Nachricht an das Kavallerie-Oberkommando ausstaffiert, aus welcher hervorging, dass er sein böses Tun zum Ende bringen würde.“ Fassungslosigkeit spiegelte sich auf den Gesichtern der Star Sheriffs. „Wieso hat man uns das nicht eher gesagt, statt uns auf eine Schnitzeljagd durch das halbe Grenzland zu schicken?“, brachte der Cowboy es auf den Punkt. „Es hätte möglicherweise bedeutend weniger Menschenleben gekostet.“ „Es ging nicht.“ König Jarred sah bezeichnend von Mandarin zu Fireball und zurück. „Es gab Absprachen und wir mussten Mandarin so lange wie möglich schützen. Den Verdacht, dass sich in den Reihen des Oberkommandos ein Verräter befindet, hatten wir schon länger, aber er konnte erst vor kurzer Zeit enttarnt werden und solange durften wir es nicht riskieren, weitere Personen einzuweihen.“ „Und nun sollen wir mal wieder den Karren aus dem Dreck ziehen, Blue aufhalten und durften wie nebenbei noch erfahren, dass ein Mensch, der uns wirklich was bedeutet hat und um den wir lange getrauert haben, plötzlich wieder auferstanden ist?“ Fireball schüttelte ungläubig den Kopf. „Haben Sie sich das alles so vorgestellt?“ Keiner achtete im Moment auf sie und so bemerkte niemand, dass Mandarin zusammengezuckt war, sich aber sofort wieder zusammenriss und ihre Maske der Ausdruckslosigkeit aufsetzte. Sie hatte seine Formulierung sehr wohl bemerkt. Fireball hatte in der Vergangenheit gesprochen und das war sie für ihn – seine Vergangenheit. Dabei hatte sie die letzten Monate vor Sehnsucht nach ihm beinahe täglich geweint. Sie vermisste ihn so sehr, jede wache Minute dachte sie an ihn und beinahe täglich schlich er sich in ihre Träume. Jetzt im Nachhinein würde sie viele Dinge anders machen. Damals war ihr nicht klar gewesen, was sie sich mit dieser Mission eingehandelt hatte. Trotz allem, was Eagle, die anderen Kommandanten und auch König Jarred ihr im Vorfeld erklärt hatten, trotz all der möglichen und nun eingetroffenen Konsequenzen, so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Vorhin hatte sie warten sollen, bis Eagle und Jarred den Vieren alles erklärt hatten und sie auf dieses Wiedersehen vorbereiten konnten. Seit sie wusste, dass die Star Sheriffs kommen würden, dass sie Shinji endlich, nach so langer Zeit wiedersehen konnte, schienen die Minuten zu kriechen. Ungeduldig hatte sie die ganze Zeit am Fenster gestanden und nach dem riesigen Friedenswächter Ausschau gehalten. Sie hatte sich ausgemalt, wie das Wiedersehen wohl verlaufen würde. Würde er sich freuen? Sicher, erst mal wäre er wütend, aber dann würde er sich freuen. Dann jedoch, als Ramrod endlich zum Landeanflug ansetzte, wäre sie am liebsten weggelaufen. Vorbei waren Vorfreude und Aufregung, die Angst war ihr durch Mark und Bein gekrochen. Dennoch, sie hatte es nicht abwarten können, bis Jarred und Eagle die Vier eingeweiht hatten, hatte nur einen kurzen Blick auf den geliebten Mann werfen wollen. Heimlich und vorschnell hatte sie die Tür geöffnet, beobachtet und gelauscht. Bei den Worten des Monarchen jedoch konnte sie sich nicht mehr bremsen. Dieser hatte ihrer Meinung nach die Kurve über Rom geholt, war zu weit abgeschweift und hatte sich schon im Vorfeld in zu viele Erklärungen verstrickt. Geduld war noch nie ihre große Stärke gewesen und nach all den langen Monaten war ihr das letzte bisschen davon nun auch noch abhanden gekommen. Deswegen war sie auch vorhin in den Raum geplatzt. Im Nachhinein wäre es vielleicht wirklich besser gewesen, auf den König und den Commander zu hören. Sie hätte wieder weinen können, aber dafür war jetzt keine Zeit, also riss sie sich zusammen, auch wenn es beinahe übermenschliche Kraft zu kosten schien. „Lassen Sie mich die Sache auf meine Weise lösen“, mischte sie sich in die Unterhaltung ein. „Diese Option wurde bereits abgelehnt.“ Eagle sah die Schwarzhaarige ernst an. „Keine Chance!“ „Jesse jagt mich, soll er mich doch finden. Ich locke ihn in eine Falle und ihr übernehmt den Rest. So brutal, wie er im Moment vorgeht, wird er nicht groß überlegen, sondern zuschlagen.“ Mandarin war anzumerken, dass sie diesen Vorschlag nicht das erste Mal unterbreitete und dass dieser auch nicht zum ersten Mal abgelehnt worden war. „Das ist die schnellste und effektivste Variante.“ „Und auch die Riskanteste.“ Saber Rider sah sie an. „Er wird den gleichen Fehler nicht zum zweiten Mal begehen. Er hat einmal versucht, dich zu töten und beim nächsten Versuch wird er es richtig machen. Und wir werden alles tun, um Menschenleben zu retten, deines eingeschlossen.“ Frustriert sah Mandarin den blonden Schotten an, ehe sie sich wieder brüsk zum Fenster um wandte. „Es ist mein Leben, zumindest das, was davon übrig ist“, maulte sie zornig vor sich hin. „Genau, und für dieses Leben sind schon eine Menge Menschen gestorben. Bist du nicht auch der Meinung, sie sollten dieses Opfer nicht umsonst gebracht haben?“ Saber Rider ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Der Schock, sie lebend anzutreffen, saß noch tief in seinen Gliedern und er wagte sich nicht vorzustellen, wie es Fireball ging, aber jetzt übernahm sein taktisch analytischer Verstand die Oberhand, seine Ausbildung zum Soldaten half ihm, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Wie sollen wir vorgehen?“ fragte er den Kommandanten der Kavallerie sowie den König. Commander Eagle nickte zufrieden. Keine andere Reaktion hatte er vom Chef seines besten Teams erwartet. „Wir hatten tatsächlich überlegt, Jesse Blue Glauben zu machen, dass Mandarin sich an einem von uns ausgewählten Ort befindet. Unser Plan sieht allerdings nicht vor, dass sie sich tatsächlich dort befinden wird, stattdessen werdet ihr auf sie Acht geben. Nirgendwo ist sie im Moment besser aufgehoben als an Bord von Ramrod.“ Bei seinen Worten war Mandarin herumgefahren und ihre Gestalt bebte vor Zorn. „Davon war nie die Rede!“, fauchte sie, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass sie sowohl einen Vorgesetzten, als auch einen König vor sich hatte. „Ich werde mich nicht wie ein Paket verfrachten lassen, nur um dann wieder warten zu müssen. Ich will endlich, dass dies ein Ende hat!“ „Das wollen wir alle, umsonst sind wir nicht hier“, rügte der Monarch sie auch sofort und sie wurde sich bewusst, wen sie soeben angefaucht hatte. „Es tut mir leid, aber die ganze Situation ist unerträglich.“ Jarred nickte nur, wandte sich aber wieder an die Star Sheriffs. „Wir werden ihm eine Spur auslegen, ihr werdet euch in Bereitschaft halten, auf Mandarin aufpassen, euch ansonsten aber nicht einmischen. Jesse Blue wird entweder gefasst werden, oder aber…“ Er machte eine kurze Pause. „So oder so, diese Sache wird ein Ende finden.“ ***** Inzwischen graute der Morgen und Mandarin stand auf Ramrods Brücke, die Arme um den Oberkörper geschlungen und starrte nach draußen. Sofort nach Ende der Unterredung hatte der Friedenswächter das Königreich Jarr wieder verlassen und im Moment befanden sie sich auf einem kleinen, nahezu unbewohnten Urwaldplaneten. Hier gab es nur eine winzige Außenbasis des Kavallerie-Oberkommandos, ansonsten lebten hier keine Menschen. Fireball hatte sich sofort nach ihrer Ankunft zurückgezogen, Colt war ihm wortlos gefolgt. Saber und April standen hinter ihr, Mandarin konnte ihre fragenden Blicke im Rücken fast körperlich spüren. Dennoch verspürte sie nicht den Wunsch, einen Anfang zu machen, also schwieg sie und hing weiter ihren Gedanken nach. Sie hatte sich bis zuletzt geweigert, die Star Sheriffs einzuweihen, aber sowohl der König als auch Commander Eagle hatten darauf bestanden. Und jetzt stand sie hier und wusste nicht, wo sie nach all der Zeit anknüpfen sollte, wie sie ihren ehemaligen Freunden gegenübertreten sollte. Zu viele Dinge waren passiert, Dinge, die sie den Vieren und vor allem Fireball nicht würde erklären können. Die Frage, was damals mit Jesse gewesen war, würde kommen, vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann würden sie mehr wissen wollen und davor hatte sie Angst. Seinerzeit war ihr nicht klar gewesen, dass sie vielleicht irgendwann alles würde erklären müssen. Wie erklärt man auch, dass man eine Affäre mit dem Feind anfing? Gebrochenes Herz hin und her, man hatte ihr nicht befohlen, mit dem Outriderkommandanten ins Bett zu gehen. Das war allein ihre Schuld gewesen. „Tun Sie, was nötig ist, um glaubhaft sein Vertrauen zu gewinnen.“ Sie hörte die Worte Eagles im Kopf. Ja, sie hatte vieles getan, um diesen Eindruck zu erwecken und das Schlimmste war, sie hatte es freiwillig getan. Nicht für das Oberkommando, nicht für Eagle oder ihren Auftrag, sondern einzig und allein aus Wut und wegen ihrer verletzten Gefühle. Nur, wie sollte sie ihm das vermitteln? Wie sollte Fireball ihr das jemals verzeihen? Sie konnte sich ja noch nicht einmal selbst verzeihen. Und vergessen würde sie es auch niemals können, denn die Folgen würden sie ein ganzes Leben lang begleiten. Sie hatte erwogen, sich einfach zu verdrücken, aber König Jarred hatte ohne ihr Wissen schon vor Monaten ihre Bewacher mindestens verdoppelt. Nachdem dann noch der Anschlag auf Commander Eagle verübt worden war, wurde sie, ohne gefragt zu werden, von ihrem vermeintlich sicheren Quartier in den Palast umgesiedelt. Damit hatte der Monarch ihrem heimlichen Verschwinden von Anfang an einen Riegel vorgeschoben. „Mandarin?“ Aprils ruhige Stimme erklang hinter ihr und sie wandte sich langsam um. Der Klang ihres richtigen Namens war immer noch ungewohnt, aber es fühlte sich fantastisch an. Endlich war sie wieder sie selbst und konnte die neue Identität ablegen. Sie hatte sich sowieso nie daran gewöhnen können, dass ihr Name jetzt Caitlyn lautete. Die beiden blonden Star Sheriffs beobachteten sie immer noch mit einer Mischung aus Unglauben, Fassungslosigkeit, aber auch Faszination. „Gestern und letzte Nacht ist soviel passiert, dass wir uns unmöglich jetzt gleich schlafen legen können. Also, möchtest du auch einen Kaffee?“, wollte die Blondine wissen. Mandarin nickte langsam. Sie würde einem Gespräch nicht ewig ausweichen können, warum also die ganze Sache nicht gleich hinter sich bringen? Sie folgte den beiden in die Bordküche und lehnte sich neben der Tür an die Wand. So konnte sie immer noch jederzeit verschwinden. „Geht es dir wirklich wieder gut?“, begann Ramrods Navigatorin leise, während sie die Kaffeemaschine vorbereitete. „Es ist alles in Ordnung“, erwiderte die Schwarzhaarige. „Ähm, Mandy, ich weiß ja nicht, ob du darüber reden willst, aber was ist passiert?“ April sah sie mit hochroten Wangen verlegen an. „Ich meine, unsere letzte Begegnung ist nun wirklich alles andere als friedlich verlaufen und danach warst du wie vom Erdboden verschluckt. Trotzdem, ich bin unheimlich froh, dass du doch überlebt hast. Auch wenn sich das gerade anfühlt, als würde man sich mit einem Geist unterhalten.“ Sie begann, nervös drauflos zu plappern, vor allem, um endlich die angespannte Stille zu durchbrechen. „Setzen wir uns doch“, mischte sich Saber ein, als auf einmal eine kleine rote Lampe direkt über der Tür aufleuchtete. „Die Rampe ist offen.“ Verwirrt sah April zu ihrem Lebensgefährten und Chef. „Das war Fire, er dreht ein paar Runden mit dem Red Fury Racer.“, mischte sich Colt ein. Unbemerkt war er dazu gekommen. „Der Gute ist ein wenig durch den Wind, was ja auch kein Wunder ist.“ Er lümmelte sich auf die Eckbank und sah Mandarin auffordernd an. „Und, wie ist es dir in den letzten Monaten ergangen, während wir deinen Freund getröstet haben?“, wollte er provozierend wissen. Fireball war total fertig gewesen. Jetzt, nachdem er sich monatelang eingegraben und getrauert hatte und nur langsam wieder etwas mehr am Leben teilnahm, da tauchte sie unvermittelt und unverhofft wieder auf, während nebenbei noch ein Haufen Leute auf schmerzhafte Art und Weise zu Tode kamen. „Colt, bitte!“, mahnte Saber ihn. „Ist schon gut.“ Mandarin sah ihn fest an. „Was glaubst du denn, Colt? Stellst du dir vor, wie ich freudestrahlend mit neuem Namen, neuem Aussehen und neuem Job einfach mal eben von vorn angefangen habe, ja? Wie ich die Vergangenheit und alles was passiert ist einfach abhakt habe? Fireball hatte wenigstens seine Freunde um sich, ich hatte niemanden mehr, weil ja niemand wissen durfte, dass Mandarin Yamato noch am Leben ist.“ Ihr war anzumerken, dass sie ihr Temperament nur mühsam im Zaum halten konnte. Ihre Augen funkelten wütend und vorwurfsvoll zugleich angesichts seines unverschämten Tonfalles. Der Cowboy konnte ja noch nicht einmal annähernd nachvollziehen, wie es ihr in den vergangenen, einsamen Monaten ergangen war. Die ersten Wochen waren ihr wie die Hölle auf Erden vorgekommen. Eine neue Umgebung, den ganzen Tag von Ärzten, Pflegekräften und Betreuern umgeben, welche auf ihre Psyche achteten und ständig wissen wollten, wie sie sich denn fühlte. Und es war kein vertrautes Gesicht darunter gewesen, niemand, mit dem sie über ihre Einsamkeit oder über die Veränderungen in ihrem Leben wirklich hätte reden wollen. Es war weder die Zeit gewesen, um ihr altes Leben und alles, was sie aufgegeben hatte zu trauern, noch hatte sie in dieser kleinen Privatklinik neue Freunde finden können. Sie erinnerte sich nur an Einsamkeit und das Gefühl der Leere und des Verlustes. Der Cowboy besaß nun doch den Anstand, beschämt auszusehen, dennoch hob er nur unbehaglich die Schultern. „Es war eine Freude, jeden Tag in der Zeitung lesen zu müssen, was man alles angestellt habe und dass die Welt doch besser ohne einen sei“, schoss Mandarin, einmal in Fahrt gekommen, weiter ihre Worte wie Pfeile auf ihn ab. „Zu wissen, dass selbst Menschen, die Freunde waren, einem nur noch das Schlimmste zutrauen. Glaubst du das, Colt? Meinst du das damit, was ich in den letzten fast zwei Jahren gemacht habe, Zeitung lesen und ein schönes Leben auf Kosten der Trauer von Menschen, die ich liebe?“ Nun hob der Cowboy doch beide Hände. „Schon gut, vielleicht habe ich das falsch angefangen. Aber du hast Fireball in den letzten Wochen und Monaten nicht erlebt und auf einmal stehst du da, putzmunter“, versuchte er sich an einer Erklärung für sein schroffes Verhalten. „Wir beruhigen uns jetzt alle erst einmal wieder“, mahnte Saber Rider die beiden und April nickte bekräftigend und stellte jedem eine Tasse Kaffee vor die Nase. „Wo ist Fireball hin?“ „Nur raus, den Kopf freibekommen“, antwortete Colt. „Wenigstens brauchen wir uns ab heute keine Gedanken mehr machen, dass er sich möglicherweise doch irgendwann noch das Leben nehmen möchte.“ Mandarin riss erschrocken die Augen auf, aber Colt winkte ab. „Keine Panik, du lebst ja wieder. Seine Gründe dafür haben sich ja heute in Luft aufgelöst“, meinte er. „Jetzt ist er zwar durch den Wind, aber ich schätze, bevor er sich was antut, wird er erst Antworten fordern wollen. Danach können wir uns immer noch wieder neue Sorgen machen.“ Mandarin sah dermaßen verdutzt aus, dass Saber Rider sich ein kurzes Kräuseln der Mundwinkel nicht verkneifen konnte, auch wenn die Situation nicht gerade zum Lachen war. „Entschuldige nochmal, Mandy. Manchmal kann ich mich einfach nicht zurückhalten. Ich habe einfach zu wenig Umgang mit lebenden Toten.“ Colt schnappte sich seine Tasse und nippte an dem heißen Gebräu, während die Schwarzhaarige unbehaglich mit den Schultern zuckte und nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte. Es war mit Sicherheit für alle Beteiligten nicht einfach, dass sie wieder auferstanden war. ***** Spät in der Nacht „Shinji!“ Beim Klang der leisen, weiblichen Stimme fuhr der Rennfahrer zusammen „Ich wusste, dass ich dich hier finden würde. Ich habe den Red Fury gehört.“ Bis eben hatte er noch in Gedanken versunken durch die Verglasung von Ramrods Brücke auf den dunklen Wald gestarrt. Er wollte sich nicht herumdrehen und sie ansehen. Nicht umsonst hatte er den gesamten Tag den Friedenswächter gemieden wie die Pest, obwohl all sein Denken auf Mandarin ausgerichtet gewesen war. Er hatte gehofft, dass bei seiner Rückkehr an Bord bereits alle schlafen würden, denn ihm war nicht nach Gesellschaft. Gedankenverloren durchlebte er gerade Erinnerungen an Zeiten, als zwischen ihnen alles in Ordnung war und ihre Stimme genau in diesem sanften Tonfall mit ihm gesprochen hatte. Und sie benutzte so selten seinen richtigen Namen, damals schon. „Es tut mir leid.“ Er spürte, dass sie langsam näher kam und fuhr zu ihr herum. Er war allerdings nicht darauf gefasst gewesen, dass sie schon fast vor ihm stand. „Was tut dir leid?“ Er konnte nicht verhindern, dass sein Zorn in seiner Stimme zu hören war. Er wollte unbeteiligt klingen, aber ihr gegenüber konnte er noch nie gut schauspielern. Im Gegensatz zu ihr. Er musterte ihr Gesicht, aber sie gab keine Gefühle preis. Dies war früher anders gewesen. Sie hatte jeder ihrer Stimmungen sofort Ausdruck verliehen. „Ich wollte dir nicht wehtun. Keiner wollte dir wehtun, erst recht nicht so.“ Mandarin trat an ihm vorbei und blickte nun ihrerseits zum Fenster hinaus. Er ahnte nicht, wie viel Kraft es sie gekostet hatte, ihm gegenüber zu treten. Sie hatte minutenlang im Bett gelegen und mit sich gerungen, ob sie es wagen durfte, mit ihm zu sprechen. Dann jedoch siegte der Wunsch, ihn sehen zu wollen, egal, wie er reagieren würde. „Weh tun? Wie kommst du denn darauf“, höhnte er. „Erst haust du einfach ab ohne mir die Gelegenheit gegeben zu haben, alles zu erklären, dann finde ich dich wieder, nur damit du erneut gehst, unabänderlich für immer, dachte ich zumindest. Und jetzt stehst du wieder vor mir, dieses Mal kerngesund. Ich halte das nicht aus, Mandarin. Ich bin fertig, ich will das alles nicht mehr und im Moment wünsche ich mir gerade am meisten, dass ich mich niemals in dich verliebt hätte.“ Bei jedem seiner Worte zuckte sie innerlich zusammen. „Es war ein Auftrag, Fireball! Ich habe ihn vielleicht aus den falschen Gründen angenommen, aber danach gab es kein Zurück. Und es gehörte zum Auftrag, dass meine Identität geändert wird, sofern Jesse überlebt und ich auch. Die Bedingungen im Vorfeld erklärt zu bekommen und es auch wirklich durchzuziehen, sind zwei so verschiedene Dinge.“ Sie warf ihm einen unendlich traurigen Blick zu, den er aber nicht bemerkte, weil er angestrengt in die aufgehende Sonne starrte. „Aber bei der jetzigen Situation war es vielleicht auch richtig so. Ich hätte nie Ruhe bekommen, wenn Jesse gewusst hätte, dass ich lebe. Du weißt doch selbst, was er gerade alles anrichtet. Das wollte ich alles nicht und deswegen habe ich mich auch darauf eingelassen, damit ihr in Sicherheit seid. Ich wollte niemanden in Gefahr bringen, meine Freunde und vor allem dich nicht.“ Beinahe trotzig sah sie ihn an. „Ich kann alleine auf mich aufpassen“, schnappte er. „Du vielleicht, aber was ist mit meinen Eltern und allen die nie gelernt haben, sich gegen Feinde zu verteidigen?“, fragte sie bitter zurück. „Meinst du, mir ist die Entscheidung leicht gefallen, alles aufzugeben, keinen Blick zurückwerfen zu dürfen?“ Ihre Stimme war lauter geworden und als ihr das auffiel, versuchte sie, sich zu zügeln. Sie atmete einige Male tief durch, ehe sie fortfuhr. „Damals war keine Rede davon, dass ich sterben solle, nur, dass ich weggehen müsse. Irgendwo neu anfangen, ohne die Chance, mein altes Leben zurückzubekommen. Meiner Meinung nach gab es da auch nicht viel, was ich hätte zurückhaben wollen. Ich war jung und dumm und wusste kein bisschen zu schätzen, was ich hatte. Ich wollte einfach immer nur mehr sein als lausiger Captain der Kavallerie. Nachdem ich dann auch noch überzeugt war, dich an April verloren zu haben, war mir mein Leben auf Yuma nichts mehr wert. Und auf einmal war es so, es gab kein Zurück. Es gab nichts mehr, was ich hätte tun können, aber um euch alle in Sicherheit zu wissen, bin ich auf Eagles Vorschlag eingegangen. Noch vor der Operation war der Commander damals im Krankenhaus. Ich habe zugestimmt, dabei wollte ich nichts lieber, als dir zu sagen, dass ich lebe.“ Ihre Stimme klang erstickt und sie zog tief Luft durch die Nase ein, bevor sie sich langsam wieder fing. Fireball schwieg und versuchte, das Gehörte zu verdauen. „Du hast mir so gefehlt“, gestand er ihr dann ein. „Ich habe dich gesucht, damals, als du einfach abgehauen bist. Ich war bei deinen Eltern, denn das war alles ein Missverständnis. Ich wollte es dir erklären, aber ich habe nie die Chance dazu bekommen. Stattdessen haben wir dich beerdigt.“ „Ich weiß. Der Commander hat mir damals gesagt, dass April ihm alles erzählt hat. Dennoch, was hätte es dann noch geändert? Was passiert war konnte nicht mehr ungeschehen gemacht werden.“ Fireball biss die Zähne zusammen. Er wusste, wovon sie sprach und dennoch hatte er keine Ahnung, um was es eigentlich ging. Wieder und wieder hatte er sich den Kopf zerbrochen, was in den über zwei Monaten auf Jesses Basis zwischen den beiden vorgefallen war, sich alles Mögliche vorgestellt. Umsonst veranstaltete der Blauhaarige nicht so einen Rachefeldzug. Nicht einmal damals, als April noch das Objekt seiner Begierde gewesen war, war so viel Schlimmes passiert. Nun hatte er die Gelegenheit nachzufragen, dennoch hielt er den Mund. Er wollte es nicht wissen, hatte Angst vor ihren Antworten. „Richtig, es hätte nichts mehr geändert“, bestätigte er ihr stattdessen heiser. „Wir alle haben irgendwie weitergelebt.“ Mandarin nickte wortlos. So wie Colt heute Morgen reagiert hatte, war der Rennfahrer in den letzten Monaten, genau wie sie, durch seine persönliche Hölle gegangen. Die Minuten vergingen, beide wussten nicht weiter und als das Schweigen ungemütlich zu werden begann, wollte Mandarin sich abwenden und die Brücke verlassen. Sie fand sich Nase an Nase mit Fireball wieder, weil dieser hinter ihr gestanden hatte. Sie spürte seine Präsenz beinahe körperlich; fühlte die Wärme, die von ihm ausging. Sie wusste, dass nur er die Leere und Kälte in ihr hätte vertreiben können. Langsam hob sie den Kopf und sah ihm in die Augen. Sie las Sehnsucht, Hoffnung, aber vor allem Zorn und Enttäuschung in ihnen. Mandarin atmete schneller, genau wie Fireball plötzlich die Luft tiefer in die Lungen sog. Sie hätte nur die Hand heben müssen, um ihn zu berühren. Nach nichts sehnte sie sich mehr und vor nichts hatte sie jemals soviel Angst gehabt. „Es tut mir so leid. Das wollte ich alles so nicht“, flüsterte sie. „Und jetzt ist es zu spät.“ Seine Stimme klang endgültiger, als er sich fühlte und Fireball wandte sich schnell ab und verließ die Brücke. Nicht mehr lange und er hätte dem Drang nachgegeben, sie entweder in die Arme zu nehmen und zu küssen oder durchzuschütteln. Er war vollkommen durcheinander und brauchte jetzt Zeit für sich. Dass Mandarin sich hinter ihm zu Boden sinken ließ und in leises Weinen ausbrach, bemerkte er nicht mehr. Dafür sah April es. Da die Blondine für die nächsten Tage ihr Zimmer mit Mandarin teilte, hatte sie bemerkt, dass die Schwarzhaarige nicht in ihrem Bett lag. Sie hatte sich auf die Suche gemacht und konnte sich gerade noch so in eine Nische verdrücken, ehe der Rennfahrer an ihr vorbei stürmte. Langsam betrat sie die Brücke, hockte sich neben Mandarin und nahm sie einfach nur fest in den Arm. Diese sträubte sich auch nur kurz, ehe sie den Tränen freien Lauf ließ. ***** Die darauf folgenden Tage verliefen in angespannter Atmosphäre. Sie hörten weder von König Jarred noch von Commander Eagle und auch das Oberkommando hielt sich mit Informationen im Bezug auf Jesse Blue zurück. Fireball hielt sich von seinen Kollegen und vor allem von Mandarin fern, wanderte oft ziellos herum und die anderen ließen ihm seine Ruhe, auch wenn es ihnen schwer fiel. Zu sehr hatten sie sich in den letzten Monaten daran gewöhnt, immer ein Auge auf ihn zu haben und auf ihn aufzupassen. Ganz besonders Mandarin litt unter der Zurückhaltung des Rennfahrers. Es kam schon vor, dass er so schnell es ging den Raum verließ, wenn sie ihn betrat. Sie fühlte sich trotz des Schutzes durch die Star Sheriffs und trotz ihrer Bemühungen, sie mit einzubeziehen, wie ein Eindringling auf dem Friedenswächter und blieb daher die meiste Zeit für sich. Es dauerte nicht lange, bis Jesse die Überfälle auf das Königreich Jarr ausdehnte. Seine Outrider auf ihren Hyperjumpern erschienen aus dem Nichts, griffen Außenposten an und verschwanden, noch ehe die royalen Streitkräfte den Ort des Geschehens erreichen konnten. Sie richteten größtmöglichen Schaden an und hinterließen eine Schneise der Verwüstung. König Jarred tobte angesichts der Hilflosigkeit seiner Armee. Bis sich eines Tages der Kommandant der Outrider über Hypercom beim Monarchen meldete. „König Jarred, ich würde ja sagen, dass es mir eine Freude ist, Sie zu sehen, aber dem ist nicht so. Sie wissen, was ich will“, kam Jesse auch sofort zur Sache. „Niemals!“, donnerte Jarred zurück. „und wenn du noch so viel Schaden anrichtest, wir werden deine Forderungen nie erfüllen und dir Captain Yamato überlassen.“ „Nun“, Der Blauhaarige zog gedehnt die Augenbrauen hoch. „es ist natürlich Ihre Entscheidung, aber rechnen Sie besser nicht damit, dass ich aufgeben werde.“ „Das führt doch zu nichts, Jesse“, mischte sich Commander Eagle aus dem Hintergrund ein. „Der Palast ist uneinnehmbar.“ Dieser zog überrascht die Augenbrauen hoch, dann grinste er. „Commander Eagle, Sie sind wohlauf. Ich hatte zumindest gehofft, Sie für einige Wochen außer Gefecht gesetzt zu haben.“ „Spar dir das!“, fuhr Eagle auf. „Ich warne dich! Du kannst nicht gewinnen und wir werden dir nie das geben, was du willst. Wieso ergibst du dich also nicht einfach?“, schlug er vor. Jesse lachte schallend auf. „Sie waren schon immer ein lustiger Kauz, aber manchmal übertreiben Sie es wirklich. Ich bekomme ja Bauchschmerzen vor Lachen.“ Urplötzlich jedoch wurde er wieder ernst und seine kalten Augen musterten abwechselnd die beiden Oberhäupter vor sich. „Wo ist sie? Ist sie sogar zu feige, mir über Hypercom gegenüber zu treten?“ Eagle und Jarred tauschten einen schnellen Blick, den Jesse sofort bemerkte. Er runzelte kurz die Stirn, dann aber kam ihm die Erleuchtung. „Sie ist gar nicht mehr da!“ Der Blick, den Jarred und Eagle daraufhin wechselten, gab ihm seine Antwort. „Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, Ramrod flog gen Königreich, aber die Blechsterne sind in den letzten Tagen nicht einmal in Aktion getreten. Und ich wette, Mandarin ist bei ihnen und feiert eine rührende Wiederauferstehung von den Toten.“ Er grinste bösartig. „Das hätten Sie mir doch gleich sagen können, dann hätten wir uns das Geplänkel hier sparen können. Also, wo sind die Blechsterne?“ „Du irrst dich, Jesse, wie üblich“, erwiderte König Jarred, aber der Blauhaarige schüttelte den Kopf. „Nein, ich weiß, dass ich Recht habe, aber ich finde sie auch allein.“ Er unterbrach die Funkverbindung. König Jarred und Commander Eagle sahen sich an. „Wir müssen sie warnen. Sie müssen da verschwinden“, mahnte Eagle, aber der Monarch schüttelte den Kopf. „Sie sind im Moment sicherer als hier. Wir legen ihm eine falsche Spur aus und locken ihn in eine Falle.“ ***** Einige Stunden später Fireball war wieder allein auf dem Urwaldplaneten unterwegs. Auf Sabers Anweisung hin entfernte er sich nie weit vom Friedenswächter, aber er brauchte im Moment keine Gesellschaft; wollte sie auch nicht. Er hörte das Knacken des Zweiges hinter sich und wandte sich blitzschnell herum, um zu sehen, wer ihn denn da wieder einmal zu nerven gedachte. Das Letzte, was er sah, war ein Wrangler, dann spürte er einen dumpfen, sehr schmerzhaften Schlag gegen den Kopf und es wurde dunkel um ihn herum. Sein Kommunikator fiel zu Boden und blieb als einziger Hinweis auf seine Anwesenheit zurück. „Sollte Fireball nicht langsam wieder zurück sein?“ Mandarin sah auf die Uhr. Zwar ging der Rennfahrer sehr oft seine eigenen Wege, aber zum Essen war er gewöhnlich da, zumal Saber Rider nach dem Abendessen eine tägliche Lagebesprechung angeordnet hatte, zu der sich alle einzufinden hatten. „Wer weiß, wo der sich schon wieder hin verirrt hat“, meinte Colt und warf den Steaks in der Pfanne heißhungrige Blicke zu. „Auch gut, bleibt mehr für mich.“ „Zum Essen war er aber bisher immer wieder da.“ Aprils berechtigter Einwand machte die Sache auch nicht besser. „Funken wir ihn doch einfach an.“ Sabers Vorschlag fand vor allem weibliche Zustimmung und sie begaben sich auf die Brücke. Mehrere vergebliche Versuche später, waren auch Colt und Saber davon überzeugt, dass etwas nicht stimmte. Der Highlander wies April und Mandarin an, im Schiff zu bleiben, während Colt und er damit begannen, die Umgebung systematisch nach ihrem vermissten Teammitglied zu durchsuchen. Aber es wurde beinahe dunkel, ehe Saber selbst das Funkgerät des Rennfahrers entdeckte. „Colt, wir haben ein Problem!“ Nur Minuten später landeten sowohl der Broncobuster, als auch Ramrod in der Nähe und sie begannen gemeinsam, den Ort nach Hinweisen abzusuchen. „Sie haben ihn in einen Hinterhalt gelockt“, stellte Colt grimmig fest und zeigte den anderen Spuren von mindestens zwei kleinen Raumschiffen, welche gut im Gebüsch versteckt worden waren. „Und wir haben nichts davon mitbekommen.“ „Ja, und sie waren mindestens zu viert.“ Saber untersuchte die Fußspuren am Boden. „Und es waren eindeutig Wrangler.“ Der Cowboy hockte sich neben den Schotten und nickte bestätigend. „Jesse Blue! Wenn ich den in die Finger bekomme, dann kann er was erleben. Wie hat er uns nur gefunden?“, knurrte er. „Zufall! Diese neuen Outriderschiffe sind zu klein für Ramrods Langstreckensensoren.“, erklärte die Blondine. „Ich habe die gesamte Atmosphäre dieses kleinen Planeten in die Überwachung geschalten, aber so kleine Schiffe findet Ramrod da nicht, besonders wenn sie dann auch noch so wenig sind.“ April sah besorgt zu Mandarin, aber diese beachtete sie gar nicht. „Er hat einfach eine systematische Suche gestartet, würde ich mal sagen. Viele kleine Schiffe losgeschickt und auf sein Glück gehofft und davon hatte er ja bisher immer reichlich. Und jetzt hat er das richtige Druckmittel“, murmelte sie vor sich hin. „Egal was er wieder für einen Plan ausheckt, jetzt müssen wir reagieren und vorbereitet sein, denn er wird sich bald melden. Und dieses Mal werde ich mich mit Sicherheit nicht raushalten. Ich bin Jesses Ziel und ihr braucht mich jetzt!“ Sie sah beinahe drohend von einem zum anderen, aber keiner hatte einen Grund zu widersprechen. „Richtig!“, stimmte Saber ihr daher zu. „Herrschaften, die erholsamen Tage sind vorbei. Colt, April, Kampfanzüge anziehen von jetzt an befinden wir uns in Alarmbereitschaft. Ich werde Commander Eagle und den König informieren.“ Sie begaben sich zurück an Bord des Friedenswächters und meldeten das Verschwinden des Rennfahrers. Wieder war Jesse Blue ihren Plänen irgendwie zuvor gekommen. Danach blieb ihnen nicht anderes übrig als auszuharren. Ratlos und zornig warteten die Star Sheriffs und Mandarin an Bord von Ramrod auf Jesses Forderungen. Da sie sich immer noch im Königreich Jarrd befanden, mussten sie dem Befehl des Monarchen Folge leisten und sich in Geduld üben, bis es etwas Neues gab. Zum Glück brauchten sie nicht lange untätig zu bleiben, denn Jesse sah sich fast am Ziel seiner Träume und wollte seine Pläne zu Ende führen, noch ehe man sich eine Gegentaktik überlegen konnte. Eine Hypercomverbindung kündigte sich an. „Star Sheriffs!“ April öffnete die Verbindung und Jesse erschien auf den Bildschirmen. „Überläufer! Was hast du mit Fireball gemacht?“ Colt ballte zornig die Fäuste. „Oh, keine Sorge, dem geht es gut, noch!“ Auf dem Monitor erschien ein Bild des Rennfahrers. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen wurde er in einer Art Kommandozentrale von zwei Wranglern bewacht, im Hintergrund war ein Nachthimmel zu sehen. „Ihr seht, er lebt noch.“ Jesse erschien wieder auf dem Monitor. „Ich tausche ihn gegen Mandarin samt Anhang ein. In zwei Stunden! Und bitte, ohne Blechsterneskorte, sonst ist er tot! Ich schicke euch die Koordinaten in einer Stunde.“ Der Bildschirm erlosch. „Anhang?“ Drei Augenpaare wandten sich der Schwarzhaarigen zu, welche dem Blickkontakt ausdruckslos begegnete. „Wovon faselt der?“, wollte Colt misstrauisch wissen. „Unwichtig, Jesse hat keine Ahnung, wovon er eigentlich redet“, wich sie aus, während ihre Gedanken rasten. Er wusste es! Sie hatte es die ganze Zeit gefürchtet und ihre Hoffnung, dass er doch nicht hinter ihr Geheimnis gekommen war, war mit jedem Tag, an dem nichts passierte, gestiegen. Dabei hatte man sie nur nicht informiert und Jesse trieb schon seit damals sein Unwesen. Sie musste es klären und sie musste es allein tun. Das war sie ihrer Familie, ihren Freunden und vor allem den Menschen schuldig, die deswegen schon ihr Leben verloren hatten. „Ich weiß wo er ist.“ Dieser Satz lenkte die Aufmerksamkeit der Star Sheriffs sofort von ihrer vorherigen Frage ab. „Woher?“, wollte Saber wissen. „Es gab doch keinerlei Anhaltspunkte.“ „Ich kenne diesen Ort. Ein ehemaliger Außenposten der Outrider, inzwischen haben sie ihn aufgegeben und teilweise zerstört, aber diese Art von Technik war nur dort im Einsatz, auch wenn sie sich nicht so bewährt hat, wie Nemesis seinerzeit gehofft hatte. Ich hab es an den Konsolen erkannt, Jesse hat sie mir einmal erklärt gehabt.“ „Du scheinst mit Blue ganz schön rum gekommen zu sein“, rutschte Colt spontan heraus, aber sie ignorierte diesen Satz. „Und du bist dir sicher?“ Zweifel klangen aus der Stimme des Cowboys hervor, aber Mandarin nickte energisch. „Ganz sicher!“ „Gut, informieren wir den König und dann düsen wir“, entschied Saber Rider und schwang sich in seine Satteleinheit. „April, du übernimmst die Steuerung!“ „Wenn du das machst, kannst du Fire genauso gut selbst den Blaster an den Kopf halten“, versetzte Mandarin angespannt. „Wenn Eagle und Jarred dort mit ihren Kämpfern einfallen wie eine Horde Heuschrecken, ist Fireball tot und Jesse wird auf seine nächste Gelegenheit warten. Das garantiere ich euch.“ Saber, der eben eine Verbindung zum königlichen Palast aufnehmen wollte, hielt inne. „Was meinst du?“ „Ihr habt doch seine Bedingungen gehört. Wenn ich nicht allein da auftauche, ist Fireballs Leben keinen Pfifferling mehr wert. Jesse scherzt nicht, das hat er doch in den letzten Monaten ausreichend unter Beweis gestellt.“ Sie schwieg kurz. „Ich denke, ich habe einen Alternativplan. Es ist riskant, aber machbar. Wirst du mir kurz zuhören?“ Saber rang sichtlich mit seinem Gewissen, dann jedoch nickte er. „Ich kenne die Basis, das sagte ich ja schon. Ich kann euch ganz genau beschreiben, wir ihr reinkommt, ohne das ihr von außen gesehen werdet. Es gibt da einen Abwasserkanal, da könntet ihr durch, die Sicherheitsanlagen darin kann ich leicht ausschalten. Ich gehe unterdes allein zur Vordertür hinein. Jesse wird denken, dass wir seinem Plan zustimmen und Fireball vielleicht lange genug am Leben lassen, dass ihr ihn retten könntet. Er ist so überzeugt von dem was er tut, dass er davon ausgehen wird, dass ich seine Forderungen einfach so erfüllen werde, schon allein, um euch nicht in Gefahr zu bringen. Er ist nicht blöd und so wird er auf jeden Fall noch Wachen positioniert haben, aber das dürfte nicht unbedingt das Riesenproblem werden, solange ihr keinen Mist baut und einer von denen Alarm schlagen kann, bevor ihr Fireball erreicht habt.“ „Mist bauen, wer baut denn hier Mist?“, grummelte Colt. „Wer von uns steckt den dauernd in Schwierigkeiten?“ „Du!“, kam es synchron aus Sabers und Aprils Mund, ehe der Anführer der Ramrodeinheit sich wieder auf Mandarin konzentrierte. „Was, wenn er auf dich schießt? Wir können dich nicht beschützen, wenn wir im Abwasserkanal stecken. Das ist zu riskant“, entschied er dann und schüttelte den Kopf. „Jesse wird mir solange nichts tun, bis er seine Fragen beantwortet bekommen hat“, gab Mandarin sich absichtlich zuversichtlich. „Ich denke, ich kann ihn lange genug hinhalten.“ Hundertprozentig sicher sein konnte man sich bei dem Kommandanten der Outrider nie. „Was will Jesse von dir?“, fragte Colt nun trotzdem nach. Sein Gefühl sagte ihm, dass hier noch mehr dahinter steckte und dass sie noch nicht alles wussten. Mandarin zuckte die Achseln und wandte sich dem Cowboy zu. „Jesse hat mir damals geschworen, dass er mich umbringt, sollte ich ihn je hintergehen. Und er hat es sehr ernst gemeint. Bei dem Überfall auf die Yuma-Basis hat er beinahe Sack und Perücke eingebüßt und ich habe den Tag überlebt. Er hat auf ganzer Linie versagt und das hält er nicht aus. Er wird nicht eher Ruhe geben, als bis er mich für den Verrat an ihm bestraft hat. Zufrieden?“ Colt nickte, nicht hundert prozentig überzeugt, aber ihre Erklärung klang zufriedenstellend; zumindest für den Moment. Sie nickte und wandte sich dann wieder an Saber. Dass es da noch so eine Kleinigkeit gab, die Jesse unbedingt herausfinden wollte und um die sich alles drehte, davon sagte sie jedoch nichts. Das ging nur den Blauhaarigen und sie etwas an. Die Starsheriffs würden vermutlich sowieso davon erfahren, aber für weitere Erklärungen hatten sie jetzt keine Zeit. „Also, was ist nun?“ Saber sah fragend zu seinen Teamkollegen. „April? Colt?“ Beide nickten nur leicht. Sicher konnten sie nicht sein, aber Mandarins Plan klang ganz plausibel. „Fliegen wir hin und sehen uns die Sache mal an. Ändern können wir unsere Meinung ja immer noch“, schlug die Blondine vor und ein zustimmendes Nicken verriet, dass dies auch in Colts Sinn war. April flog das Schlachtschiff auf einen kleinen, aber für Menschen betretbaren Mond. Dort befand sich Nemesis ehemalige Basis, in der Jesse gerade ihr Teammitglied als Geisel gefangen hielt. Mandarin erklärte auf dem Flug dahin den beiden Männern anhand einer schnell gezeichneten Skizze, wo sich was befand und wie sie ins Innere gelangten. Außerdem entwickelten sie gemeinsam eine Idee, wie sie Jesse gegenüber treten konnten. ***** Neunzig Minuten später Während April auf Ramrod die Stellung hielt und Colt und Saber sich mit ihren Jetpacks durch das Tunnelsystem einen Weg in die Basis bahnten, ging Mandarin zu Fuß direkt auf den Haupteingang zu. Zwei Wrangler nahmen sie in Empfang und wollten sie ihres Blasters entledigen. Ihre Antwort auf diese Forderung war, den eigenen Blaster zu ziehen und beide in die Phantomzone zurück zu befördern. Dann schaltete sie schnell von einem Steuerpult einige Schalter aus und hoffte, dass dies nicht bemerkt wurde. Aufgeschreckt durch die Schüsse tauchten kurz darauf neue Outriderwachen auf. „Gib die Waffe her, Menschenfrau!“, wurde sie aufgefordert, aber sie schüttelte den Kopf. „Oder wir schießen!“ „Ich glaube nicht.“ Äußerlich blieb sie gelassen, innerlich hoffte sie, dass sie richtig lag. „Ihr habt den Befehl, mich unversehrt zu Jesse zu bringen, also los, gehen wir! Sonst dreh ich mich rum, verschwinde und Jesse kann sehen wo er bleibt.“ Sie behielt demonstrativ die Waffe in der Hand und wartete ab. Die Wachen beratschlagten sich kurz, nahmen über Hypercom Rücksprache und winkten sie dann anstandslos durch. Vier Wrangler begleiteten sie ins Innere der Basis. Mandarin hatte nur kurz Gelegenheit sich umzusehen, aber sie war umgeben von Schutt und Staub. Einzig die Stromversorgung war wieder hergerichtet worden, offenbar zur Aktivierung der Sicherheitsvorrichtungen. Sie wurde durch mehrere Korridore geführt und kurz vorm Ziel eröffnete Mandarin unvermittelt das Feuer. „Was zum…“ Die Wachen waren zwar aufmerksam gewesen, aber reagierten hilflos und zögerlich, da sie auch die deutlichen Befehle ihres Kommandanten noch im Ohr hatten. Die Frau durfte nicht verletzt werden, aber wie sie aufhalten, ohne zurück zu feuern. Noch ehe sie sich besinnen konnten, hatte Mandarin alle vier in ihre eigene Dimension zurück geschickt. Bevor noch weitere Outrider hinzukommen konnten, stürzte sie in den Raum und fand sich Jesse gegenüber, der sich hinter dem gefesselten Rennfahrer in Deckung gebracht hatte. Fireball wehrte sich gegen dessen Griff, so dass der Outriderkommandant ihm kurzerhand den Blaster an die Schläge schlug. Das machte den Rennfahrer so benommen, dass er sich nicht weiter zur Wehr setzte, während aus einer Platzwunde das Blut dünn über seine Schläfe floss. „Wie nett, dass du meiner Einladung gefolgt bist.“ Die Stimme des Blauhaarigen troff vor Hohn. „Ja, die Gelegenheit, dich endlich hinter Schloss und Riegel zu bringen, konnte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.“ Mandarin stand ihm in nichts nach. „Außerdem hast du dir doch so viel Mühe gegeben, um mich aufzuspüren.“ Beim Gedanken an all die Opfer, die Jesses Rachefeldzug zum Opfer gefallen waren, funkelten ihre Augen vor Wut. „Ach was, ich bin am Ziel und, auch wenn der Weg dorthin,- sagen wir mal - blutig war, ich denke, es wird sich wohl gelohnt haben. Wo sind die Blechsterne?“ „Warten mit dem Friedenswächter direkt vor der Tür. Sollte Fireball irgendwas passieren, dann legen sie hier alles in Schutt und Asche.“, drohte sie ihm, aber Jesse lachte nur auf. „Das kann ich mir jetzt so nicht vorstellen, aber dies sei mal dahin gestellt. So, genug Zeit vergeudet, kommen wir endlich zur Sache. Fireball kann gehen, sobald du mir gesagt hast, was ich wissen will.“ „Und in der Hölle können sie demnächst Schneemänner bauen!“ Mandarin hob den Blaster und zielte in Jesses Richtung. „Er wird jetzt gehen, eher wirst du gar nichts erfahren.“ Unterdessen waren auch Saber und Colt ins Gebäude gelangt und arbeiteten sich vom Untergeschoss in Richtung Kommandozentrale vor. Mandarin hatte es offenbar geschafft, die elektronischen Überwachungssensoren des Abwasserkanals auszuschalten. Außerdem wussten sie von ihr, dass es sie nur an dessen Ende gab, weil Nemesis damals die unangenehme Erfahrung machen musste, dass Spinnen, Ratten und anderes Ungeziefer sehr oft Alarm auslösen konnten. Er war irgendwann so genervt gewesen, dass er die meisten Sensoren wieder zurückbauen lassen hatte. Die beiden Star Sheriffs flogen so schnell wie möglich durch den Kanal und schlichen sich dann durch das Untergeschoss auf der Suche nach einer Treppe oder einem Aufzug. „Pst!“ Colt stand an einer Weggabelung und hatte vorsichtig um die Ecke geschaut. Er gab Saber Zeichen, dass sie als nächstes noch auf zwei Wachen treffen würden, welche den Aufzug absicherten. Saber nickte kurz, dann warf er eine Münze. Als die Wachen, durch das Geräusch aufgeschreckt, näher kamen, sprangen beide aus dem Gang und schlugen sie nieder. „So, der Weg nach oben ist bereitet.“ Wenigstens waren sie so effizient, dass keiner der eliminierten Wrangler Alarm schlagen hatte schlagen können. Die Aufzugstüren öffneten sich und die beiden verdutzten Wachen blickten in einen leeren Raum. „Offenbar hat die Technik auf diesem Schrotthaufen von einer Basis doch Schaden genommen“, brummte einer und sie betraten die Kabine. Den Tritt von oben merkten sie noch, dann dematerialisierten sie sich, noch bevor Colt und Saber auf dem Boden landeten. Sie warfen noch einen kurzen Blick auf Mandarins Plan, dann schlichen sie weiter. Vor der Kommandozentrale trafen sie auf rund ein halbes Dutzend Outrider, aufgescheucht durch Schüsse, welche diese gerade stürmen wollten. „Wir sind da, also was soll’s! Kuckuck!“ Colt trat hervor und eröffnete sofort das Feuer. Die Wrangler konnten sich noch zu den Neuankömmlingen herumdrehen, ehe auch Saber in den Schusswechsel mit einfiel. Den beiden Star Sheriffs fiel es nicht schwer, sich gegen die Wachen zu behaupten. „Mandarin sagte etwas von anschleichen“, kommentierte Saber trocken. „Haben wir doch!“ Colt zuckte die Achseln. „Wir sind da und wir waren leise. Nun wird’s Zeit, damit Blue merkt, dass die Luft um ihn herum immer dünner wird.“ Nicht unbedingt die schlüssigste Argumentation, aber das war eben Colt. Saber wusste nichts zu erwidern, also nickte er nur ergeben, bevor er den Schließmechanismus der Tür kurz schloss. Colt stand mit feuerbereitem Blaster und wartete, die Tür öffnete sich und beide stürzten in Nemesis‘ ehemalige Kommandozentrale. Sie fanden sich Jesse gegenüber, der mit Fireball als lebenden Schutzschild mitten im Raum stand und den Blaster an dessen Schläfe drückte. Mandarin stand ihm mit ebenfalls gezogener Waffe gegenüber. Beide musterten sich mit unerbittlichen Blicken. „Das war ja klar, dass du nicht den Mumm hattest, allein zu kommen. Trotzdem hat sich nichts geändert. Ich will jetzt die Antworten, du Miststück!“, knurrte Jesse sie an, ohne die Neuankömmlinge zu beachten. „Stell dich hinten an. Ich will meinen Frieden und das geht nur, wenn du im Knast sitzt!“, konterte sie. „Was meinst du, wer hat bessere Karten?“ „Ich werde dein Herzblatt erschießen, wenn du mir nicht endlich sagst, was ich wissen will.“ Mandarin lachte ironisch auf. „Meinst du, damit kannst du mich erpressen? Weit gefehlt, Jesse! Es war doch klar, dass du auf der Suche bist und ich dir nicht ein Leben lang ausweichen konnte. Fireball ist Star Sheriff, er sollte selbst clever genug sein, nicht in deine billigen Fallen zu laufen. Wenn er es nicht ist und lieber schmollt, Pech für ihn. Ich für meinen Teil bin nur daran interessiert, dich ins Gefängnis zu bringen.“ „Und ich will und werde mich nicht dahin begeben, sondern verlange zu wissen, was du mit meinem Sohn gemacht hast. Wo ist er?“ Jesses Worte ließen die Star Sheriffs zu Statuen erstarren, Fireballs Blick irrte zu Mandarin, die ihn jedoch nicht beachtete, sondern weiter Jesse in die Augen sah. „Darum ging es also die ganze Zeit?“ Mandarins Stimme klang höhnisch. „Deswegen mussten diese armen Leute sterben?“ „Sie waren bedeutungslos angesichts der Möglichkeiten, die sich dank ihres Todes für mich jetzt bieten. Ich will mein Kind und ich werde alles dafür tun!“ „Von welchem Kind redet ihr hier, zum Kuckuck? Seit wann hat Jesse einen Sohn und was hast du damit zu tun, Mandarin?“ Colt hatte, genau wie Saber Rider, den Blaster ebenfalls auf Jesse gerichtet. Solange dieser sich hinter Fireball verbarg, würde keiner von ihnen die Chance bekommen, einen Schuss abzufeuern. Der Rennfahrer selbst machte keine Anstalten, sich zu bewegen, er war viel zu geschockt von dem Gespräch zwischen Mandarin und Jesse, die ihrerseits nur Augen füreinander hatten und ihre Umgebung völlig ignorierten. „Ach, hat man euch Blechsternchen nicht alles gesagt, nein?“ Jesses Augen bohrten sich in Mandarins. „Sie wissen wohl nicht, dass wir damals zusammen waren, dass wir Nacht für Nacht das Bett geteilt haben und dass ich dir ein Kind gemacht habe, noch bevor ich von deinem Verrat erfuhr?“ „Lügner!“ Nun zuckte Fireball doch zurück und Jesse lachte spöttisch. „Nein, sie haben es tatsächlich nicht gewusst. Nicht ich bin hier der Lügner, sondern die tragische Heldin Mandarin. Tja, Rennsemmel, da musste eben erst ein richtiger Mann her. Und nun sag mir, wo mein Sohn ist!“ Er presste den Blaster fester an Fireballs Schläfe. „Lass ihn gehen und du bekommst deine Antworten.“ Mandarin konzentrierte sich weiterhin nur auf Jesse und wagte nicht eine Sekunde lang, die Augen von ihm zu nehmen. „Das ist eine Sache zwischen dir und mir. Klären wir es jetzt, ein für allemal.“ Der Blauhaarige lachte spöttisch auf. „So ganz egal ist dir der Gute hier offenbar doch nicht, was?“ Er packte in Fireballs Haare und zog ihm brutal den Kopf zurück, obwohl der Rennfahrer keine Anstalten machte, sich zu wehren. „Nein, ich will es jetzt wissen.“ „Dann kommen wir keinen Schritt weiter. Ich werde dir nichts sagen, auch nicht wenn du deine Drohung, erst ihn und dann die anderen zu erschießen, versuchst, wahr zu machen. Drück ab, und Saber, sowie Colt werden feuern, genau wie ich. Dann wirst du nie erfahren, was du wissen willst.“ Jesse musterte seine Exfreundin und überdachte seine Möglichkeiten. „Raus hier, Blechsterne, dann kann Fireball verschwinden“, knurrte er dann. „Kommt gar nicht in Frage, Blue. Ergib dich, du hast keine Chance!“, kam Colts prompte Erwiderung. „Tut was er sagt.“ Mandarin wandte nun doch kurz den Blick vom Outriderkommandanten. „Bitte, Saber. So oder so, Jesse wird diesen Raum nicht als freier Mann verlassen. Es wird hier ein Ende haben.“ „Wir lassen dich nicht mit diesem Mörder allein.“ Colt trat noch einen Schritt näher. Jesse lachte spöttisch auf. „Ihr habt mich doch zu dem gemacht, was ich bin. Erst April und dann Mandarin, es ist deren Schuld.“ Mandarin schüttelte den Kopf. „Das führt zu nichts. Macht, dass ihr raus kommt und lasst uns das klären. Bitte!“ Sie warf Saber einen flehenden Blick zu. „Mandarin…“ Der Blonde wusste nicht, wie er reagieren sollte. „Du kennst unsere Befehle.“ „Trotzdem!“ Saber rang mit sich, man konnte den Zwiespalt in seinem Gesicht ablesen wie in einem offenen Buch. „Bitte, Saber Rider, das ist nicht euer Kampf.“ Sekunden verronnen, dann endlich nickte der Highlander. „Colt, Rückzug!“, befahl er in einem Ton, der keine Widerrede duldete. Diesem fiel es schwer, diese Anweisung zu befolgen, dennoch zog er sich widerstrebend zurück. „So, Jesse, du bist dran.“ Saber sah den Blauhaarigen auffordernd an. „Lass Fireball gehen!“ „Sobald du draußen bist.“ „Jetzt!“ Mandarin veränderte ihre Position so, dass sie zwischen Saber und Jesse stand, den Blaster immer noch die ganze Zeit auf den Blauhaarigen gerichtet. „So, nun kannst du ihn gehen lassen.“ Saber kniff die Augen zusammen. Mandarin stand in der Schusslinie, so würde er Jesse nicht erwischen können. Clever von ihr gemacht. Dieser überdachte die Lage, nickte kurz und stieß den gefesselten Rennfahrer dann mit einem Ruck von sich, ehe er seinen Blaster auf Mandarin richtete, ohne die beiden Star Sheriffs aus den Augen zu lassen. „Raus jetzt!“ Fireball sah aus, als würde er widersprechen wollen, aber Saber schüttelte den Kopf und zog ihn mit sich. „So, endlich allein! Und nun raus mit der Sprache!“ Feindselig maßen sich beide mit finsteren Blicken. „Es gibt kein Kind. Deine ganzen Aktionen waren für nichts und wieder nichts.“ Mandarins Stimme klang ganz ruhig, zu ruhig. „Ich glaub dir kein Wort, ich habe den Test gefunden“, erwiderte er zornig. „Deswegen hast du diese Leute alle getötet? Und trotzdem ist es eine Tatsache, dass das Baby die Notoperation seinerzeit nicht überlebt hat. Was hast du denn erwartet, nachdem du mir den halben Bauch weg geschossen hast?“ „Du lügst! Wieso dann dieses ganze Versteckspiel hier?“, fauchte er, sämtlicher Träume bezüglich seines Sohnes beraubt. Er hatte sich vorgestellt, wie er das Baby finden und großziehen würde. Ihr Schmerz, wenn er es ihr weggenommen hätte, wäre seine schönste Rache gewesen. Und nun zerstörte sie schon wieder all seine Pläne. „Weil mein Ruf ruiniert war und obwohl ich nur einen Auftrag erfüllt habe, hätte mich diese Geschichte ewig verfolgt. Außerdem konntest du entkommen und du kannst den Gedanken nicht ertragen, dass dich jemand an der Nase herumgeführt hat und das auch noch überlebt. Hab ich nicht Recht, Jesse? Dein Ego ist dir mal wieder zum Verhängnis geworden, denn hier kommst du nicht raus. Dieses Mal nicht und heute ist meine Waffe geladen.“ Draußen packte Fireball den Blonden heftig am Arm. „Sag mal, bist du verrückt geworden, Mandy mit diesem Irren allein zu lassen?“, fauchte er. „Mit Sicherheit nicht und jetzt komm!“ Saber zog Fireball einfach mit sich und sprintete die von Trümmern übersäten Korridore entlang. „Es war alles ihre Idee. Mandarin kannte diese Basis von früher. Der Raum, wo sich die beiden gerade aufhalten, ist die ehemalige Kommandozentrale. Dort befanden sich viele elektrische Geräte, demzufolge gibt es auch jede Menge Entlüftungsschächte. Sie hat uns vorher erklärt, wie wir diese finden und dass wir von da aus die besten Chancen haben, Jesse zu überrumpeln. Vorher mussten wir ihm aber glaubhaft machen, dass wir uns ebenfalls im Gebäude befinden und dass wir uns zurückziehen. Das gehörte alles zum Plan. Wäre ich allein da drin aufgetaucht, wäre er sofort misstrauisch geworden und hätte sich gefragt, wo Colt ist. Wir sind nur da drin gewesen, um ihn in Sicherheit zu wiegen, damit er dich laufen lässt. April hat in der Zwischenzeit ihren Vater und den König informiert. Wir hatten keine große Zeit, uns etwas anderes Großartiges auszudenken oder auf die Kavallerie zu warten.“ Während Saber dies berichtete, hasteten sie die Korridore entlang. Jedes ihrer Worte traf Jesse wie ein Pfeil. Dennoch, trotz seiner aufsteigenden Wut kam er nicht umhin, ihr verändertes Wesen festzustellen. „Du bist wie ausgewechselt.“, stellte er mit leichter Nostalgie fest. „Wenn ich dich so ansehe, dann könnte ich glatt bedauern, dass du damals nicht doch die Seiten gewechselt hast. Du hattest unglaubliches Potential, wir beide zusammen hätten wirklich Großartiges vollbringen können.“ „Mein einziges Ziel damals war es, dich ins Gefängnis zu bringen. Heute würde ich dich am liebsten tot sehen. Also mach, gib mir nur einen Grund und ich drück ab. Dieses Mal ist mein Blaster geladen.“ „Mag sein, aber dafür wirst auch du den heutigen Tag nicht überleben“, versprach er ihr eiskalt, all seiner Träume beraubt. „Darum mache ich mir keine Gedanken mehr“, konterte sie. „Mein Leben war sowieso verpfuscht seit dem Tag, als ich diese Mission angenommen hatte. Du glaubst gar nicht, wie gleichgültig es mir ist, ob ich lebend hier raus komme oder nicht. Was ich dir garantieren kann ist, dass du nie wieder Gelegenheit haben wirst, irgendjemandes Leben zu zerstören oder zu beenden. Die Zeit der Abrechnung ist gekommen.“ Colt hatte die Tür zum Steuerungsraum für sie offen gelassen. Saber befreite den Rennfahrer von seinen Fesseln und gab ihm seinen Blaster, den der Cowboy für ihn bereit gelegt hatte. Fireball, der vorher keinen Blick für seine Umgebung gehabt hatte und jetzt die von Colt geöffneten Klimaschächte sah, begriff. „Deswegen hast du gezögert, um Colt genug Zeit herauszuschinden. Genau, Jesse sollte nicht einen Moment allein länger als nötig mit ihr allein sein.“ Saber Rider nickte. „Genau. Colt hat in der Zwischenzeit schon Stellung bezogen und greift ein, sobald irgendwas sich da drin was tut. Wenn wir beide drin sind und ich das Kommando gebe, kümmerst du dich um Mandarin. Der Cowboy und ich nehmen uns Jesse vor.“ „Was ist das Zeichen?“, wollte der Rennfahrer wissen und Saber grinste leicht. „Das wirst du schon merken. Zweimal links, dreißig Meter geradeaus und das Ganze sehr, sehr leise Fireball“, wies er den Rennfahrer an und half ihm dann mit Räuberleiter hinein. Anschließend machte Saber sich auch auf den Weg. Fireball folgte, obwohl er noch viele Fragen gehabt hätte, den Worten seines Vorgesetzten und kroch leise den schmalen Schacht entlang. Bereits kurz darauf hörte er Mandarins und Jesses Stimme. Sie redeten also noch und sie waren am Diskutieren. Er krabbelte so schnell es ging und erreichte kurz darauf das Ende des Luftschachtes. Durch die Lamellen der Verkleidung konnte er Mandarin direkt vor sich sehen, Jesse jedoch befand sich außerhalb seines Sichtbereiches. Da blitzte etwas hinter der Abdeckung an der Wand gegenüber auf und der Rennfahrer wusste, auch Colt und Saber hatten ihre Posten bezogen. Auf einmal fiel ein Schuss und Jesse schrie schmerzerfüllt auf. Gleichzeitig fiel die Waffe aus seinen Händen. Fireball zerschoss die Halterung vor sich, stieß sie mit der Faust nach vorn und sprang behände aus dem Lüftungsschacht heraus. Er packte Mandarin und rollte sich mit ihr auf dem Boden hinter einer Konsole in Deckung, während Saber und Colt das Feuer auf die hereinstürmenden Outrider eröffneten. „Pass auf Jesse auf!“, rief Mandarin ihm zu und wand sich wie eine Schlange in seinen Armen. „Er darf nicht entkommen! Dieses Mal nicht!“ „Wird er nicht“, versprach Fireball ihr grimmig und richtete sich halb auf, ohne den Griff um sie zu lockern. Er nahm den sich auf dem Rückzug befindlichen Überläufer ins Visier und feuerte. Getroffen sank Jesse zu Boden. Unterdessen erledigten Colt und Saber die restlichen Outrider. April hatte über Hypercom mitgehört und wusste außerdem, dass die Truppen von König Jarred unmittelbar vor der Landung standen. Nach Fireballs Befreiung hatte sie den Friedenswächter verlassen und nahm die Wachen nun von hinten unter Beschuss. Der Blauhaarige kroch verletzt über den Boden auf seinen Blaster zu, aber Colt war schneller und trat die Waffe weg, noch ehe Jesse sie erreichen konnte. „Das war’s, Überläufer!“, stellte er fest und zielte mit seinem Blaster genau auf dessen Kopf. „Jesse Blue, du bist verhaftet. Im Namen des Oberkommandos und des Königreiches Jarr nehmen wir dich wegen Hochverrates, Mordes, Entführung, Erpressung und etlicher anderer Delikte in Gewahrsam.“ Saber Rider, ganz der Soldat und Anführer der Ramrodeinheit, trat neben den Cowboy. Jesse lachte gequält auf, ein Schwall Blut rann aus seinem Mund, während der Blauhaarige sich mühsam auf den Rücken rollte. „Ich sterbe, ihr Pappnasen, mich bekommt ihr in kein Gefängnis mehr.“ Seine Stimme war nur noch ein raues Krächzen, immer wieder von ruckartigen Atemzügen unterbrochen. Alle Anwesenden erkannten beim Anblick der Blutlache, die sich unter Jesse bildete, dass der Kommandant der Phantomwesen die Wahrheit sprach. Er würde den Tag nicht überleben. Mandarin befreite sich aus Fireballs schützendem Griff, stand auf und ging stattdessen zu den am Boden liegenden Kommandanten der Outrider. „Du hast deine letzte Schlacht verloren, Jesse.“ Dieser hustete, Blut lief ihm übers Kinn. „Die Wahrheit…“ Sein Atem kam rasselnd, weil seine Lungen voll Blut liefen und ihn langsam aber sicher erstickten. „Das Kind, hast du mir die Wahrheit gesagt?“ „Ich weiß es nicht!“, erwiderte sie rätselhaft und mit kalter Stimme. „Vielleicht bekommst du ja in der Hölle deine Antwort.“ Sie stand auf und verließ an den Star Sheriffs vorbei den Raum, während Jesse noch ein letztes Mal versuchte, Luft zu holen, bevor seine blauen Augen brachen. Zurück blieben vier Star Sheriffs, welche zwischen der Tür und Jesse Blues Leiche hin und her blickten und immer noch versuchten, das eben Gehörte zu verarbeiten. „Ein Baby?“ Colt konnte es immer noch nicht fassen. „Nein, das kann ich nicht glauben. Mandarin würde nicht… Nein, würde sie auf keinen Fall.“ Fireball gab erst gar keine Antwort, sondern stürmte ebenfalls aus dem Zimmer, während April, Colt und Saber sich einfach nur ratlos ansahen. Mittlerweile waren auch die königlichen Streitkräfte angekommen, außerdem diverse Einheiten der Kavallerie auf Befehl von Commander Eagle. Man brachte Mandarin zu einer Sanitätseinheit, obwohl diese nicht verletzt zu sein schien. Außerdem mussten alle vier Star Sheriffs dem König, dem Commander sowie einigen hochrangigen Offizieren zu den Geschehnissen Rede und Antwort stehen. Man ließ sie nicht eher in Ruhe, als bis die Vorfälle, die zum Tod Jesse Blues geführt hatten, lückenlos dokumentiert und aufgeklärt waren. Als die Vier müde und vom vielen Reden geschlaucht endlich in Ruhe nach Mandarin Ausschau hielten, war diese bereits weggebracht worden. Es war ihnen nicht möglich gewesen, die Ereignisse in der Basis mit ihr zu besprechen, obwohl alle, ganz besonders Fireball, jede Menge Fragen hatten. Commander Eagle jedoch versicherte ihnen, dass ihr Zeugenschutz nun nicht mehr notwendig sei und sie in absehbarer Zeit nach Yuma und ins Kavallerie-Oberkommando zurückkehren werde. Im Moment musste sie sich noch einigen vorgeschriebenen psychologischen Behandlungen und Beratungen unterziehen. Damit mussten sie sich für den Moment zufrieden geben. ***** Drei Wochen später Inzwischen hatte das Kavallerie-Oberkommando den Tod von Jesse Blue offiziell bestätigt und die Geschichte für die Öffentlichkeit ein wenig abgeändert. Es wurden keine Einzelheiten über die von den Outridern verübten Morde genannt und auch die Hintergründe, die zum Kampf mit Jesse geführt hatten, blieben unerwähnt. Des Weiteren wurde, wie angekündigt, Mandarins Zeugenschutz aufgehoben und sie wieder voll rehabilitiert. Ihre Eltern hatten sie mit überschäumender Wiedersehensfreude in die Arme geschlossen und nachdem sämtliche anfallenden Formalitäten erledigt worden waren, hatte Mandarin sich zu ihrer Familie zurückgezogen, um gemeinsam mit ihr die vergangenen Monate zu verarbeiten. Ihre überraschende Rückkehr von den Toten hatte in der Presse viel Wirbel ausgelöst. Auf einmal wurde sie von der Verräterin zur gefeierten Heldin erklärt und trotz vieler enttäuschter weiblicher Verehrerinnen wünschten sich die Menschen ein Happy End für sie und den Rennfahrer, welcher so lange unter ihrem Tod gelitten hatte. „Fahr zu ihr!“ Colt ließ sich schwungvoll auf die Haube des Red Fury Racers fallen, eine Handlung, die normalerweise unter Androhung der Todesstrafe verboten war. Fireball brummelte etwas Unverständliches und schraubte unter dem Auto weiter intensiv an der Einstellung seiner Zündung herum. „Waren wir nicht schon einmal an so einem Punkt?“ Colt ließ nicht locker. Die letzten zwei Wochen hatten er, sowie Saber und April zugesehen, wie Fireball versuchte, das Geschehene zu verstehen und einsam und allein für sich zu verarbeiten. „Du hast Fragen und ich finde, du hast jedes Recht auf Antworten.“ „Beweg deinen Hintern von meiner Motorhaube!“ „Mach ich, sobald du den Motor startest und es endlich hinter dich bringst, statt dich hier zu verkriechen, um trotzdem nicht zur Ruhe zu kommen“, erwiderte der Cowboy ungerührt und wippte demonstrativ ein wenig herum. Schwungvoll kam der Rennfahrer unter dem Auto hervor gerollt und funkelte seinen Freund an. „Was soll ich denn da?“, fauchte er. „Sie hat ihre Eltern Ewigkeiten nicht gesehen und bestimmt genießen sie jede Minute zusammen nach all den Monaten. Da störe ich doch nur.“ Colt holte tief Luft. „Ich habe dich ja schon viel Mist reden hören, aber das ist mit Abstand das Dämlichste, was du von dir gegeben hast. Ich an deiner Stelle wäre schon lange da. Mensch, Turbo, ich versteh dich nicht. Ich dachte, du reichst jetzt, wo sie wieder da ist, gleich deinen gesamten Jahresurlaub ein und verschwindest für die nächste Zeit. Stattdessen gammelst du hier rum und nervst uns mit deiner ewigen Grübelei. Wieso macht ihr euch das Leben denn immer schwerer, als eigentlich nötig?“ Ratlos schüttelte der Scharfschütze den Kopf, während der Rennfahrer ihn trotzig anstarrte und dann zur Gegenargumentation ausholte. „Für sie ist die Sache zwischen uns so oder so beendet.“ Nach diesem Statement verschränkte er die Arme und lehnte sich unbewusst neben den Cowboy an sein Auto. Colt, der gerade neue Argumente suchte, um Fireball zu überzeugen, starrte ihn verblüfft an. „Und wie zum Geier kommst du auf die Idee, Amigo?“ Fireballs angespannte Haltung fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. „Du hast sie doch gehört, Colt. Ihr war es doch mehr oder weniger egal, ob Jesse mir die Birne weg pustet. Ich war ja selbst schuld daran, dass er mich geschnappt hat, aber das Mandarin so eiskalt ignoriert, hätte ich nie erwartet.“ Colt schnippte Fireball mit dem Zeigefinger gegen den Kopf, noch ehe der Rennfahrer ausweichen konnte. „Halloho?“ Demonstrativ brüllte der Cowboy ihm ins Ohr. „Jemand Zuhause?“ Fireball rückte unwillig von ihm ab. „Hey, lass den Quatsch. Was soll das werden?“, fauchte er. „Ich ruf nur deine grauen Zellen, oder sind die alle verduftet?“ Colt schüttelte den Kopf. „Den Mist glaubst du doch wohl selbst nicht, oder?“ Der Rennfahrer zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, was ich glauben soll oder nicht“, erwiderte er. „Ich meine, ich habe sie in den letzten zwei Jahren jeden Tag vermisst und euer Gerede, dass es irgendwann besser und einfach wird, hat da auch nichts geholfen. Und jetzt ist sie wieder da und trotzdem ist sie nicht mehr die Gleiche. Ich weiß einfach nicht, was ich will oder was ich ihr sagen soll oder was ich fragen soll. Und ich weiß auch nicht, ob sie mir jetzt endlich die Wahrheit über Jesse und dieses angebliche Baby sagt.“ Beide schwiegen eine Weile und hingen ihren jeweiligen Gedanken nach. „Sie hat geweint. Wegen dir!“, platzte Colt dann auf einmal heraus und grinste triumphierend. „Das würde keine Frau tun, die keine Gefühle mehr hat.“ Der Rennfahrer war völlig konfus und blinzelte verwirrt. „Hä? Bitte was faselst du da schon wieder für ein Zeug?“ „Kein Zeug, April hat es uns erzählt.“ Colt nickte heftig. „Neulich nachts an Bord von Ramrod. April hat sie gesucht, Mandarin saß neben deiner Satteleinheit. Und sie hat sie getröstet. Mandarin hat zwar nicht viel gesagt, aber April hat dich vorher vorbei düsen sehen und konnte sich den Rest zusammen reimen.“ Fireballs Augen begannen zunehmend interessierter zu blitzen. „Das war nach unserem Gespräch“, murmelte er leise. Colt boxte ihn in die Seite. „Na also, sag ich doch! Du bist ihr noch wichtig und wegen Jesse würde ich mir keinen Kopf machen. Das hat sie doch nur gesagt, damit der dich nicht länger als Druckmittel einsetzt.“ „Hmmm! Und was ist mit dem Baby?“ Fireball war sehr nachdenklich geworden und Colt stieß ihn erneut an „Du musst sie fragen. April hat ihren Vater schon gelöchert, aber der weiß auch nichts darüber oder aber er zieht mal wieder die große Verschweigenummer mit uns ab. Los fahr endlich! Sonst wirst du nie Sicherheit bekommen.“ Colt stieß sich vom Red Fury ab, dann sah er Fireball noch einmal aufmunternd an und schlenderte in Richtung Ramrods Brücke davon. „Ich sag dem Superschwert, dass du Urlaub nimmst!“, rief er noch und weg war er. Der Rennfahrer grübelte noch einige Minuten, während er sein Werkzeug zusammenpackte. Dann heulte der Motor des Rennwagens auf und nur Sekunden später düste der rote Blitz die Rampe herunter. Einige Stunden später erfuhr er von ihrem überglücklichen Vater, dass sie sich im Stadtpark in der Nähe des örtlichen Kindergartens aufhielt. Genau da fand er sie auch vor, an einen bunt gestrichenen Holzzaun gelehnt. Langsam trat er hinter sie. Mandarin, inzwischen wieder rothaarig, beobachtete mit unergründlicher Miene die kleinen Kinder auf dem Spielplatz, die unter Aufsicht einer Frau mittleren Alters auf dem Klettergerüst herumturnten. „Sagst du mir jetzt die ganze Wahrheit?“, wollte er ruhig wissen. Mandarin wandte sich zu ihm herum und nickte. „Du hast ein Recht darauf und ich habe auch bei Commander Eagle durchgesetzt, dass ich dich nicht weiter belügen werde. Einzige Bedingung seinerseits ist, dass du alles, was du gleich noch hören wirst, für dich behältst.“, bestätigte sie und ließ den Kinderspielplatz hinter sich. Er nickte zustimmend. Jetzt wollte er die Wahrheit hören, egal was dies für die Zukunft oder für ihn bedeuten würde. Gemeinsam gingen sie langsam die Allee durch den Park, beide darauf bedacht, sich möglichst nicht zu berühren. „Damals, in den Monaten auf der Outriderbasis, ging es mir auf einmal nicht mehr so besonders. Anfangs dachte ich, es wäre eine Grippe, aber irgendwann ging mir ein Licht auf.“ Sie sprach sehr leise, dennoch, im Park war es ruhig und er verstand jedes Wort. „Ich habe einen Test gemacht und er war positiv. Anfangs hatte ich gehofft, es wäre dein Baby gewesen, die Möglichkeit bestand immerhin auch und ich habe mich an den Gedanken geklammert und die ganze Zeit darauf gehofft. Deswegen habe ich Jesse nichts davon gesagt. Außerdem stand die gesamte Aktion kurz vor dem Ende, die Falle, die wir Jesse gestellt haben, war kurz vorm Zuschnappen und dann wäre mein Auftrag beendet gewesen. Ich hätte zurückkommen können und vielleicht hätten wir reden können.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber es kam alles anders als gedacht“, ergänzte Fireball leise. „Richtig, man sollte nie planen. Mein ursprünglicher Plan war ja auch, dass ich mit dir alt und grau werde“, bestätigte sie und er hielt unwillkürlich die Luft an. „Und ich bin sicher, du hättest mir das auch irgendwann mitgeteilt.“ Mandarin lächelte wehmütig und nickte. „Ich wollte dir an jenem Abend sagen, dass ich einen wichtigen, geheimen Auftrag abgelehnt hatte und lieber Captain auf Yuma und bei dir bleiben wollte als vom Oberkommando quer durch die Galaxie geschickt zu werden.“ Sie schwieg einige Minuten gedankenverloren und Fireball unterbrach sie nicht. Er wusste genau, welchen Abend sie meinte und hatte die Ereignisse bildlich im Kopf. „Ich war so wütend!“, nahm sie dann den Faden wieder auf. „Ich wollte dir meine Zukunft schenken und sehe dann, wie du April küsst. In dem Moment war ich froh, dass mein Blaster im Oberkommando hing. Wie dem auch sei, ich bin raus da und weg, einfach nur rum gefahren und stand dann wieder vor Commander Eagles Büro. Er hat akzeptiert, dass ich meine Meinung geändert hatte, ohne Fragen zu stellen. Ich bin noch in derselben Nacht weg von Yuma. Es gab einen Zwischenstopp in Jarr und nachdem dann alles geklärt war, ging es dann auch direkt los.“ „Temperamentsbolzen. Wenn du doch nur einfach nicht weggelaufen wärst“, meinte der Rennfahrer leise und Mandarin nickte. So hatte er sie früher auch schon immer genannt. „Nachdem du mich dann in dieser verhängnisvollen Nacht ins Krankenhaus gebracht hattest, war ich dort noch einmal kurz wach. Commander Eagle hat mir da gesagt, dass Jesse entwischen konnte und dass das Oberkommando nun plante, mich in Sicherheit zu bringen, indem sie mich offiziell für tot erklären lassen. Es war die beste Entscheidung, besonders nach allem, was passiert war. Ich konnte dir nicht mehr gegenübertreten und der Commander hat versprochen, auf dich Acht zu geben, genau wie der König. Ich wurde dann einige Monate in einer privaten Einrichtung untergebracht, damit die Schussverletzung ausheilen konnte.“ Sie schlang die Arme um den Oberkörper und Fireball wollte es nicht, aber die Frage kam einfach so über seine Lippen. „Und was war das mit dem Baby?“ „Ich war schwanger und es war Jesses Kind.“ Dieser Satz hing mit unabwendbarer Endgültigkeit zwischen ihnen. „Die Untersuchungen haben es eindeutig bestätigt.“ Mandarin schwieg nach diesem Satz und Fireball rang nach Worten. Er brauchte mehrere Anläufe, ehe ihm die nächste Frage über die Lippen kam. „Wo ist das Baby jetzt?“ Sie seufzte tief auf und zuckte dann die Schultern. „Ich weiß es nicht. Das Kind wurde per Kaiserschnitt geholt und ich habe es nie gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob ich einen Sohn oder eine Tochter habe. Während der ganzen Schwangerschaft wurde ich von Ärzten betreut und von Psychologen beraten, da ich nicht wusste, wie es weitergehen soll. Ich wollte das Baby nicht, aber abtreiben konnte ich auch nicht. Das Kind konnte ja nichts dafür, dass ich so dumm war, mich von einem Verräter und Mörder schwängern zu lassen. Also habe ich einer Adoption zugestimmt und weiß nur, dass es ein Ehepaar zu sich genommen hat, das selbst keine Kinder bekommen kann. Sie sind mit ihm weit weg gezogen. Für das Baby war es das Beste und für mich auch. Das Kind wird nie erfahren, wer seine wirklichen Eltern sind. Und auch, wenn ich manchmal versucht bin, nachzuforschen, dieses Kind darf offiziell nicht existieren. Sein ganzes Leben wäre zerstört, noch bevor es angefangen hätte. Niemand will den Sohn oder die Tochter von Jesse Blue um sich haben und niemand würde ihn oder sie akzeptieren.“ Wieder machte sie eine Pause. „Auch wenn es weh tut, ich denke, ich habe das Richtige für mich und vor allem für das Baby entschieden.“ Schweigen senkte sich über die ehemaligen Liebenden. Fireball wusste nicht, wie er mit der Tatsache umgehen sollte, dass irgendwo im Neuen Grenzland ein Kind von Mandarin und Jesse existierte. Sie war unwiderruflich Mutter, auch wenn sie das Baby weggegeben hatte. Und sie war nicht mehr die Frau, die ihn vor zwei Jahren in der Wohnung stehen lassen hatte. „Würdest du bitte irgendwas sagen?“, drängte sie ihn schließlich. Fireball schüttelte gedankenverloren den Kopf. „Ich weiß nicht was“, bekannte er leise. „In meinem Kopf geht gerade alles drunter und drüber. Ich dachte, ich kenne dich. Und jetzt erfahre ich Dinge, die ich nie erwartet oder dir zugetraut hätte. Das verändert einiges, eigentlich alles. Schon zu erfahren, dass du lebst war gelinde gesagt ein Riesenschock, den ich immer noch verarbeite.“ „Du solltest es auch nie erfahren. Ich hatte mich gerade damit abgefunden, dass du nie wissen würdest, dass ich noch am Leben bin“, gestand sie ihm. „Irgendwie habe ich einen Weg gefunden, jeden Tag aufzustehen und weiterzumachen, ohne dich und ohne meine Familie, dabei habt ihr mir so sehr gefehlt. Und dann geschah das alles. Die vielen Opfer, das wäre alles nicht nötig gewesen, wenn der Commander mir von Anfang an davon erzählt hätte. Ich hätte das viel eher beenden können. Und du hättest mich auch nie wieder gesehen und von vorn anfangen können.“ „Sag das nicht!“ Fireball blieb stehen und umfasste sie an den Armen. „Ich war in den letzten zwei Jahren ein Wrack. Da war nichts von wegen von vorn anfangen. Mir war alles egal. Jeder hat mir gesagt, dass es mit der Zeit besser und einfacher wird, aber dem war nicht so. Und jetzt? Du stehst vor mir und ich bin froh, dass du lebst. Aber ich kann dir im Moment nicht sagen, was das genau für mein Leben bedeutet oder noch bedeuten wird. Ich weiß es selbst nicht. Dennoch, der Gedanke, dass du hier bist, lebst, atmest und nicht in dieser kalten, dunklen Erde auf dem Friedhof liegst, dieser Gedanke tut mir sehr gut.“ Er sah ihr tief in die Augen und sein Blick war liebevoll, fast so wie früher. „Gib mir Zeit, nur eine Weile. Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben.“ Mandarin nickte. Sie wusste, dass er Recht hatte und sie beide Zeit für sich brauchten. Vielleicht fanden sie in Zukunft einen gemeinsamen Weg, aber dies würde sich zeigen. Sie hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange, dann wandte sie sich ab und beide gingen in entgegensetzte Richtungen davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)