Unvergesslich von Namaiki (Obliviate) ================================================================================ Kapitel 2: Tag 1, Eine Lehrstunde in allgemeiner Magie und ein kleiner Ausflug in die praktische Anwendung ---------------------------------------------------------------------------------------------------------- Phoebe starrte mittlerweile schon viel zu lange an ihre Schlafzimmerdecke, um das logisch rechtfertigen zu können. Zum Glück war sie aber auch eher gefühlsbetont als logisch. Obwohl sie erst spät geschlafen hatte, war sie früh aufgewacht, befand sich selbst allerdings als unfähig aufzustehen und sich dem Tag zu stellen. Dem ersten Tag einer garantiert sehr gefühlsbetonten Woche. Trotzdem wollten ihre Gedanken sich nicht näher mit dem Problem, das Reece und seine Woche darstellten, beschäftigen. Sie brauchten einen Stups in die richtige Richtung und sie selbst war nicht in der Stimmung, ihn ihnen zu geben. Sie brauchte Hilfe von außerhalb. Mit einigem guten Zureden schaffte sie es, die Beine über die Bettkante zu schwingen und in Nachthemd und auf ihren liebsten Kuschelsocken ins Wohnzimmer zu ihrem Kamin zu schlurfen. Ohne sehr viel länger darüber nachzudenken, nahm sie sich eine Handvoll Flohpulver, stieg in den Kamin, ließ es fallen und rief laut die Adresse ihrer besten Freundin. Das Wohnzimmer in das sie aus dem Kamin stieg, war im Gegensatz zu ihrem eigenen sauber und aufgeräumt, wenn auch eher spartanisch eingerichtet. Am Esstisch saß ihre beste Freundin mit dem Frühstück. „Peasegood?!“, begrüßte Evelyn Milner sie entgeistert. Ihre Freundin trug bereits die vornehmere Ministeriumskleidung, die zusammen mit dem kurzen, braunen, ordentlich am Kopf anliegenden Haaren nicht so ganz zu ihrer breitbeinigen Sitzweise und dem offenen Mund passen wollte. Ihre Hand mit dem Marmeladenbrötchen befand sich gerade auf halbem Weg in Richtung Mund, eine Bewegung die sie fortführte, nachdem sie ihrer Verwunderung Luft gemacht hatte und Phoebe mit der anderen Hand einen Platz an ihrem Frühstückstisch anbot. Nach einem Wink mit dem Zauberstab kam ein weiteres Gedeck angeflogen. „Eve, ich habe ein Problem“, stellte Phoebe fest, als sie ihrer unausgsprochenen Aufforderung nachkam und sich setzte. „Riesen Überraschung, Peasegood“, nuschelte ihre Freundin. Evelyn nannte sie nie Phoebe, weil sie das nach ihrer Aussage zu sehr an den toten Cocker Spaniel ihrer Großmutter erinnerte. „Ich dachte schon, du alte Langschläferin kämst in dieser Herrgottsfrühe nur auf einen netten Plausch vorbei. Worum geht’s denn? Hast du wieder kein heißes Wasser mehr? Von mir aus kannst du hier duschen, du müsstest dich nur ein bisschen beeilen, ich muss bald los zum Dienst.“ Sie gehörte dem Magischen Unfallumkehr-Kommando an, auch wenn sie erst eine Ausbildung als Vergiss-mich begonnen hatte. Dort hatten sie sich auch kennengelernt und ihre Freundschaft hatte den Wechsel zum Glück überlebt. Phoebe wiegte den Kopf. „Nicht ganz. Ich habe einem Muggel, den ich eigentlich verzaubern sollte, versprochen, ihm eine Woche lang die magische Welt zu zeigen. Aber sonst nichts weiter.“ Der letzte Biss blieb Evelyn im Hals stecken und sie begann heftig zu husten. Da Phoebe wusste, dass sie es nicht mochte, wenn man ihr in so einem Fall auf den Rücken schlug, ließ sie es bleiben, bereitete sich aber darauf vor ihr notfalls hilfreich beizuspringen. Das erwies sich allerdings als unnötig, als sie aufhörte und mit Tränen in den Augen krächzte: „Ach, nichts weiter? Dann ist ja gut.“ Sie trank schnell einen Schluck aus ihrer Tasse. „Und was hast du jetzt vor?“ Phoebe runzelte die Stirn. „Willst du gar nicht wissen, warum ich es getan habe?“ Evelyn winkte ab. „Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Du hast dich wahrscheinlich einfach breitschlagen lassen. Und das habe in der Ausbildung ja sogar ich noch mitgekriegt. Lass dich nie breitschlagen!“ Kopfschüttelnd steckte sie sich den Rest ihres Brötchens in den Mund. Phoebe verzog das Gesicht. „Du hast ja keine Ahnung.“ Nun doch neugierig geworden, hob Evelyn fragend eine Augenbraue, während sie sich ein neues Brötchen schmierte. „Der Muggel war Reece Flynt.“ „Wie der Reece Flynt, in den du sieben Jahre dauerverliebt warst?“ Mitleidig reichte sie ihr die Brötchenhälfte, in die sie gerade beißen wollte. Hilflos zuckte Phoebe mit den Schultern und nahm ihr die Hälfte ab. „Mach zwölf Jahre draus. Er hat mich nur angesehen und ich hab wie ein Hündchen alles abgenickt. Und was das weitere Vorgehen angeht... Ich hatte gehofft, du hättest eine Idee.“ „Ist doch ganz einfach“, behauptete Evelyn. „Du gehst da nochmal hin und schießt ihm einen Vergessenszauber in den Rücken, sodass er dich nicht mit seinem Blick bannen kann.“ Zufrieden mit diesem Plan lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. „Das kommt mir irgendwie... falsch vor. Außerdem habe ich es ihm beinahe versprochen. Theoretisch sollte es keinen Unterschied machen, ob ich es jetzt gleich oder in einer Woche tue aber... ich weiß auch nicht.“ Unsicher verschränkte sie die Arme. Evelyn lächelte sie an. „Du und deine hohen moralischen Ansprüche. Aber diesmal nehme ich dir das nicht ab. Du hast doch selbst nichts gegen eine Woche mit deinem Reecey.“ Ihr Tonfall änderte sich schlagartig, als sie zur Abwechslung einmal ernst sagte: „Dir muss aber klar sein, dass du es am Ende sein wirst, die verletzt wird, wenn du so weiter machst. Er wird einfach alles vergessen und sein altes Leben weiterleben, aber du wirst dich immer an diese verdammt magische Woche erinnern.“ Sie zuckte die Schultern und grinste wieder. „Sag mir also Bescheid, wenn ich dir einen Vergessenszauber in den Rücken schießen soll.“ Phoebe lachte und bedankte sich. „Ich bin froh über dein Angebot, aber im Moment bräuchte ich eher einen Rat, wie ich ihm Magie zeigen kann.“ Evelyns Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „Keine Ahnung, lass dir was einfallen. Aber ich würde vorschlagen, du bereitest ihn ein bisschen im Theoretischen vor, bevor du ihm die volle Dröhnung gibst.“ Phoebe nickte zustimmend, als ihr Blick auf die Uhr an der Wand fiel. „Sag mal, wann musst du eigentlich im Ministerium sein?“ Auch Evelyn sah auf die Uhr und fluchte. „Verdammt! Okay, ich muss los.“ Noch während sie sprach, war sie aufgesprungen und hatte den Zauberstab geschwungen, sodass der Tisch begann sich selbst abzuräumen. Sie steckte den Zauberstab weg und drehte sich einmal um die eigene Achse. „Und, sehe ich öffentlichkeitstauglich aus?“ Phoebe nickte bestätigend, obwohl Evelyn es sowieso immer schaffte, öffentlichkeitstauglich auszusehen. „Also gut, benutz' du den Kamin als Erstes, aber beeil' dich, sonst komme ich zu spät. Mein Chef mag mich eh nicht sonderlich“, kommandierte Evelyn. Als Phoebe hastig aufstand, fiel ihr die Brötchenhälfte, die sie die ganze Zeit nicht angerührt hatte, aus der Hand und mit der Marmeladenseite auf den Teppich. Ihr eigener Zauberstab lag noch immer auf ihrem Nachttisch und so zog ihre Freundin ihren erneut. Danach scheuchte sie Phoebe ohne irgendwelche Entschuldigungen gelten zu lassen und mit den Worten „Ist schon gut, ich bin's ja gewohnt. Viel Spaß mit Reecey und eurer Magie“ in den Kamin. Wieder in ihrer eigenen Wohnung beschloss sie, erst einmal zu duschen. Nach einer Dusche war sowieso grundsätzlich alles besser und wenn sie sich nun doch dem ersten Tag dieser sehr gefühlsbetonten Woche stellen musste, dann wollte sie das zumindest sauber tun. Ihre Haare lagen ihr noch nass im Nacken, als sie aus dem Bad kam. Unter der Dusche hatte sie den ultimativen Plan entwickelt. Wenn sie ihm selbst nichts abschlagen konnte, musste er das eben selbst erledigen. Sie setzte sich zusammen mit einer Schüssel Müsli, ihrem Zauberstab und einer Tasse des Zitronentees, den sie tatsächlich liebte, auf ihr altes mit Flickendecken behangenes Sofa. Sie war nie eine große Leserin und deshalb bestand der Großteil ihres Lesefundus aus ihren alten Schulbüchern, die sie nun per Aufrufezauber zu sich holte. Sie musste ihnen etwas unelegant ausweichen, als sie dumpf in ihr liebstes Möbelstück einschlugen. Evelyns Worte hatten sie auf die Idee gebracht: Als Kind hatte Reece sich für alles begeistern können, das er anfassen und erleben konnte. Als sie klein waren, hatte er sich alles so genau angesehen, wie er nur konnte, einschließlich Nacktschnecken oder angeblicher Sumpfmonster, die in regelmäßiger Häufigkeit dank Gerüchte aus der Nachbarschaft im nahegelegenen See auftauchten. Es waren letztendlich meistens nur große Frösche. Die Ausnahme war ein Grindeloh, den sie nur mit Müh' und Not vor ihm verstecken konnte, indem sie sich todesmutig auf ihn – Reece – stürzte, der ins Wasser gesprungen war, und dem Grindeloh die Finger brach. Das war in ihrem zweiten Schuljahr gewesen und sie hatte Glück gehabt, dass sie das bereits im Unterricht durchgenommen hatten. Reece hatte sie erzählt, Schlingpflanzen hätten seine Beine umwickelt, um das Ziehen und Zerren an seinem Bein zu erklären. Sie waren an diesem Tag nass und zitternd nach Hause gekommen. Der Punkt war, er mochte keine Theorie. Wenn sie ihn also überzeugen konnte, dass Magie etwas entsetzlich Langweiliges war – vielleicht wollte er diese Woche gar nicht mehr? Ein verzweifelter Plan, aber ein Plan. Als sie ihre Beute begutachtete, sortierte sie alles, was irgendwie interessant aussah, aus. Dazu gehörten all ihre Bücher über Verteidigung gegen die dunklen Künste, Zauberkunst, Verwandlung und Zaubertränke. Was blieb, waren Astronomie, Geschichte der Zauberei, Kräuterkunde, Muggelkunde und Wahrsagen. Nach kurzem Überlegen schied auch Kräuterkunde aus. Gefährliche Schlingpflanzen und Knollen mit magischen Wirkungen waren auf den zweiten Blick vielleicht doch ganz interessant. Im Nachhinein wünschte sie, sie hätte Arithmantik oder Alte Runen als Wahlfächer gehabt, aber das musste auch gehen. Die Uhr zeigte an, dass es immer noch früh am Morgen war, bis zum Nachmittag, wenn sie wieder zum Dienst antreten musste, blieb ihr also noch ein gewisser Zeitrahmen. Sie ließ die Schultern kreisen und machte sich an die Arbeit, den langweiligsten Unterricht vorzubereiten, den man sich vorstellen konnte. Anderthalb Stunden später war sie ziemlich zufrieden. Sie wollte ihm einen Querschnitt durch sieben Jahre ihrer Ausbildung geben und inzwischen wünschte sie wirklich, die Magie wäre um einiges weniger cool. Aber sie schien einige gute Lösungen gefunden zu haben. Jetzt stand sie nur noch vor einer Entscheidung: Was sollte sie anziehen? Nach einem Blick in ihren Schrank erschien diese Frage beinahe lächerlich. Denn viel außer ihrer Arbeits- und unauffälliger Muggelkleidung befand sich darin nicht. Da waren noch ein paar weitere Umhänge einschließlich ihres Festumhangs, die aber auf Reece wahrscheinlich eh gleich unnormal wirkten und ein Muggelkleid, dass ihre Mutter ihr mal zu irgendeinem Geburtstag geschenkt und das sie noch nie getragen hatte. Schließlich entschied sie sich für einen der grauen Arbeitsumhänge, in denen er sie bereits gesehen hatte. Sie wollte ja sowieso hinterher ins Ministerium und wenn irgendetwas Magie uninteressant erscheinen ließ, dann war es dieses Outfit. „Also gut.“ Sie atmete noch einmal tief durch und bevor sie es sich anders überlegen konnte, schnappte sie sich ihre Handvoll Bücher und apparierte. Ihr kam erst, als sie mit dem üblichen Schwindelgefühl in seinem Wohnzimmer auftauchte, der Gedanke, dass vorher an die Tür zu klopfen, möglicherweise höflicher gewesen wäre. Das bestätigte ein überraschtes Aufkeuchen hinter ihr. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie ihren alten Freund in Jogginghose. Nur in Jogginghose. Wo zum Teufel war der Rest seiner Kleidung? „Pheebs!“, rief er freudiger aus, als sie erwartet hatte. „Ich habe schon fast geglaubt, ich hätte alles nur geträumt.“ Er kam mit der offensichtlichen Absicht auf sie zu sie zu umarmen. Wie schützend hielt sie die Bücher vor ihre Brust und streckte sie ihm entgegen. Jetzt in eine seiner innigen Umarmungen gerissen und an seine entblößte Brust gedrückt zu werden, würde auch den Rest ihrer Selbstbeherrschung hinwegspülen. „Ich habe meine alten Schulbücher mitgebracht. Wir fangen mit Theorie an, dachte ich.“ Erster Fehler: Sie hätte nicht erwähnen sollen, dass es noch etwas anderes als Theorie geben konnte. Er beachtete, das was sie sagte aber kaum und deutete stattdessen auf das Sofa. „Ähm...“, machte er, einen kurzen Moment unsicher. „Ich geh mir schnell was anziehen... tu mir bitte den Gefallen und verschwinde nicht einfach, okay? Das geht bei dir irgendwie immer so schnell.“ Sie nickte und versuchte ein Lächeln, während er eilig aus dem Raum verschwand. Sie setzte sich mit ihren Büchern auf das Sofa, hinter dem sich gestern noch Reece versteckt hatte. Die Bücher in ihrem Schoß brachten sie in die Realität zurück. Womit hatte sie nun wieder beginnen wollen? Sie war immer noch auf der Suche nach ihrem Faden, als er in Jeans und T-shirt zurück kam. Bevor sie zum Sprechen ansetzen konnte – obwohl sie auch nicht gewusst hätte, was sie hätte sagen wollen – setzte er sich und fragte: „Da ist was, das schwirrt mir schon den ganzen Tag im Kopf herum. Also mal abgesehen von der ganzen Magie. Du hast gesagt, du seist hier, damit ich mich nicht mehr daran erinnere, was passiert ist. Warum genau...?“ „Na ja...“ Phoebe zuckte mit den Schultern. „Ich arbeite im Ministerium als Vergiss-mich. Wir sind dafür zuständig, dass Muggel nichts von uns erfahren und wenden dazu Vergessenszauber an und äh, ja, das war's eigentlich im Groben.“ Reece schien hin und her gerissen. Schließlich fragte er: „Es gibt ein Ministerium? Und was sind Muggel?“ „Ja, gibt es. Und du bist ein Muggel. Zum Beispiel. Muggel sind Menschen ohne magische Begabung.“ „Aha... und Hoquartz?“ „Wie bitte?“ Sie blinzelte verwirrt. Einen Moment später dämmerte es ihr. „Du meinst Hogwarts? Was ist damit?“ Er lehnte sich zurück. „Wie ist so eine Schule für Hexerei und Zauberei?“ Ohne noch weiter auf ihren grandiosen Plan zu achten, lachte sie: „Hogwarts ist toll.“ Sie hatte an dieser Schule weder großartige Freunde noch großartige Talente gefunden, aber das nahm dem Ort nur wenig seiner ganz eigenen Magie. „Hogwarts wurde von vier Zauberern gegründet. Das waren Godric Gryffindor, Helga Hufflepuff, Rowena Ravenclaw und Salazar Slytherin. Nach ihnen sind die Häuser benannt worden. Die Häuser sind sozusagen Gruppen innerhalb der Schule, die miteinander in Wettstreit treten. Jedes Haus hat einen eigenen Gemeinschaftsraum und Schlafsäle und so weiter. Wer in welches Haus kommt wird zu Beginn das ersten Schuljahrs vor der ganzen Schule vom sprechenden Hut entschieden und... Was denn?“ Reece grinste sie an. „Nichts weiter“, lächelte er. Sie wurde rot und merkte erst jetzt, dass sie ins Plaudern gekommen war. „Naja, ist ja auch egal...“, nuschelte sie. „Nein, ist es nicht! Red' bitte weiter“, beeilte er sich zu sagen. „In welchem Haus warst du?“ „Hufflepuff.“ „Und dieser-... sprechende Hut...?“ Er verstummte hilflos. „Man setzt ihn auf und er guckt dir sozusagen in den Kopf, um festzustellen, wo du am Besten hinpasst.“ Er runzelte die Stirn. „Das ist ziemlich cool. Und irgendwie gruselig, wenn man's mal recht bedenkt.“ Sie konnte nicht anders, als zu lächeln. „Ja, stimmt wohl...“ Sie hatte nicht aufgehört zu reden. Sie hatte ihm von den bewegten Bildern und Treppen erzählt, von dem Kraken im Teich und dem Poltergeist im Schloss, von den Quidditchmeisterschaften und dem Hauspokal. Von Hagrid und Fang und den Geschöpfen im Verbotenen Wald, auch wenn sie sie selbst nur aus Erzählungen kannte. Sie erzählte so viel, dass sie beinahe befürchtete heiser zu werden. Als sie sich also anschickte aufzustehen, um ihren Dienst anzutreten, wusste Reece nahezu alles (Interessante) über Hogwarts und seine Umgebung und die Bücher lagen immer noch nutzlos und unbeobachtet in ihrem Schoß. Phoebe streckte sich und gähnte herzhaft. Sie war gestern und die Tage davor viel zu spät ins Bett gekommen und jetzt rächte es sich, dass sie den Schlaf nicht am Tag nachgeholt hatte. „Pheebs?“, meldete Reece sich zu Wort. „Ja?“ Er sah ihr von unten in die Augen und griff nach ihrer Hand. „Danke, dass du das alles machst. Das ist wirklich toll von dir.“ Sie brachte nur ein Fiepsen zustande und war im nächsten Moment disappariert. Sie spürte, wie sie scheinbar durch ein enges Rohr gepresst wurde, ein Empfinden, das sie kannte. Was sie irritierte, war vielmehr die Einbildung, sie halte immer noch Reece' Hand in ihrer... „Oh Gott, was war das?!“ Reece stand mit vorgebeugtem Oberkörper da und keuchte leise. „Oh Verdammt!“, flüsterte sie entsetzt. Sie riss sich hektisch von ihm los, nur um ihn gleich darauf wieder zu packen und weg zu ziehen, da ihr mit Schrecken bewusst geworden war, dass sie zwar im Ministerium aber nicht im richtigen Stockwerk gelandet waren. Und ein Muggel, der deutliche Post-Apparier-Symptome zeigte und alles um ihn herum mit großen Augen musterte, war definitiv nicht die unauffällige Begleitung, die sich in einem solchen Fall gewünscht hätte. Wo genau waren sie eigentlich? Sie beschloss, dass das egal war, solange sie nur den Aufzug und ihre Abteilung fand. Erst ein Räuspern erinnerte sie noch daran, dass Reece immer noch da war und noch weniger von der momentanen Situation verstand als sie. „Das ist nur so ein Bauchgefühl, aber ich vermute, das sollte nicht passieren? Und wo wir gerade dabei sind... was ist eigentlich passiert?“ Immer noch hektisch, sah Phoebe sich nach den Aufzügen um. Sie waren mitten in einem breiten Gang voller nichtssagender Ministeriumsangestellter gelandet. Sie zog Reece aus dem Strom an den Rand des Ganges. „Ich bin gerade mit dir mitten ins Ministerium Seit-an-Seit-appariert. Nein, das sollte ganz sicher nicht passieren!“, zischte sie so leise sie konnte. Mehr durch Zufall sah sie nach oben und entdeckte ihre Rettung. Die Memos. Die meisten von ihnen flogen von einer Tür des Ganges zu einer anderen aber trotzdem flog ein nicht unwesentlicher Teil in eine Richtung, ohne irgendwann abzubiegen. Sie riss Reece fast den Arm aus, als sie ihn in diese Richtung zog. Er folgte ihr allerdings, ohne sich zu beschweren. Sie fanden auf diesem Weg tatsächlich die Aufzüge und Phoebe rettete sich völlig erleichtert in einen von ihnen. Nun war es nicht mehr weit bis zu ihrem Büro, wo sie Reece auf dem Weg zu ihrem ersten Auftrag unauffällig zurück bringen konnte. Ihre Erleichterung verflüchtigte sich allerdings, als sie bemerkte, wer der Mitinsasse in ihrem Fahrstuhl war. Der Leiter der Aurorenzentrale, Harry Potter. Sie befürchtete beinahe ohnmächtig zu werden, als er sie grüßte und vor allem Reece' Muggelkleidung musterte. Er wusste es! Ihr Herz raste und ihr Blut rauschte zu laut in ihren Ohren. Reece grüßte zurück, als wäre es das Normalste der Welt, Harry Potter zu grüßen, der wahrscheinlich genug Autorität besaß, ihren Zauberstab noch im Aufzug zu zerbrechen. Was, wenn er sie nach Reece fragte? Sie konnte doch Harry Potter nicht anlügen! Sie konnte sowieso niemanden anlügen. Wie dann den Retter der Zaubererwelt? Ihre Sorgen blieben unbegründet, als der Aufzug auf ihrer Etage hielt. Sie stiegen aus, der Lift fuhr weiter und endlich war ihr Arbeitsplatz in Sichtweite. Und nicht nur ihr Arbeitsplatz kam mit jedem Schritt näher, sondern auch Evelyn, deren Schicht offensichtlich gerade zu Ende ging. „Harry Potter“, japste Phoebe „Hinter mir.“ „Dir auch Hallo, Peasegood. Und wovon redest du, da steht nur ein Typ in Muggelkleidung... – Peasegood!“ Evelyn sah sie anklagend an. „Ja, ich weiß, es war ein Versehen. Eve, kannst du ihn mitnehmen? Bitte, bitte?“, bettelte sie. „Mein Puls explodiert gleich, wenn er noch länger hier ist.“ Evelyn zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Kann ich schon, aber wie ist er denn-...“ Phoebe schnitt ihr das Wort ab. „Lass dir das von ihm erklären, in Ordnung. Und danke, danke, das werde ich dir nie vergessen. Reece, geh' mit ihr mit, sie weiß Bescheid.“ Im nächsten Moment hetzte sie weiter, wurde aber mit jedem Schritt ruhiger. Reece war versorgt, niemand hatte anscheinend etwas gemerkt und sie musste sich nur noch bei der Verteilungsstelle melden und hatte anschließend einen normalen Arbeitstag. Bevor sie allerdings die Verteilungsstelle betreten konnte, öffnete sich die Tür von innen und Joseph Hawkins kam heraus. Bei ihrem Anblick zog er die buschigen Augenbrauen zusammen und musterte sie kritisch. „Sie haben sich gestern nicht abgemeldet, um ihren Erfolg zu melden. Weder bei mir noch hier. Warum?“ Sie starrte ihn an und sagte dann das Erste, was ihr einfiel und sie in ihrem Leben schon so oft gesagt hatte, dass es ihr leicht von den Lippen kam. „Vergessen.“ Er musterte sie erneut und sie hatte Glück, dass der unsichere, schuldbewusste Ausdruck, mit dem sie seinen Blick erwiderte zu ihrer Antwort passte, denn er schien ihr zu glauben und verließ sie, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Den Rest des Tages brachte sie mechanisch wie ein Inferius hinter sich. Sie vergaß kein Passwort, hielt sich genau ans Protokoll und die Muggel kamen nicht einmal dazu Pieps zu sagen, bevor sie vergaßen. Zuhause marschierte sie ohne Umwege oder sich umzuziehen geistig völlig erschöpft ins Bett. Sie war eine schlechte Lügnerin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)