Perfekt - bis er kam. von Soullesskiss ================================================================================ Kapitel 1: Aufstehen -------------------- Sanfte Klänge einer Symphonie erfüllen den Raum. Langsam öffne ich die Augen, schaue auf den Wecker. Es ist 6:30 Uhr. Voll Enthusiasmus erhebe ich mich aus meinem kuscheligen Bett. „Du schaffst das“, sage ich mir, bevor ich unter die Dusche schlüpfe, um richtig wach zu werden. Das heiße Wasser fließt meinen schlanken Körper hinab - 55 Kilo bei 1,72 Metern Körpergröße. Meine Mutter sagt mir immer, ich sei zu dünn. Dabei mache ich weder übermäßig viel Sport oder achte besonders darauf, was ich esse. Ich weiß, dass mich viele Mädchen um meinen gut funktionierenden Stoffwechsel beneiden, doch es ist mir egal. Auf solche natürlichen Umstände kann und sollte man sich nichts einbilden. Das Einzige, womit man sich brüsten kann, sind eigens erbrachte Leistungen! Nach kurzem Überlegen greife ich zum Fruchtshampoo. Ein leichter Duft von Orangen steigt mir in die Nase, während ich es in meine schulterlangen, strohblonden Haare einmassiere. „Bitte lass mich heute ordentlich auf dem Kopf aussehen“, schicke ich ein Stoßgebet an Gott. Während ich das Wasser durch mein Haar laufen lasse, um die letzten Reste des Shampoos auszuspülen, gehe ich noch einmal die wichtigsten Punkte meines heutigen Tagesplans durch. Heute ist Donnerstag, also habe ich gleich im ersten Block mein Lieblingsfach – Biologie. Doch heute freue ich mich nicht nur aus Spaß an diesem Fach auf den Unterricht. Diese Stunde könnte ganz entscheidend für meinen weiteren Lebensweg sein. Es ist von höchster Priorität, dass heute alles klappt. Kurz vor Ende des Schuljahres werden noch mal Referate verteilt, um uns Schülern kurz vor den Zeugnissen noch die Möglichkeit zu geben, ein paar Punkte zu sammeln. Für mich ist es unglaublich wichtig, ein Referatsthema zu bekommen, am besten allein. Ich möchte schließlich keinen Deppen ans Bein gebunden bekommen, der schon mit allem oberhalb der acht Punkte zufrieden ist. Momentan stehe ich auf 13 Punkten, eine eins minus. Da ich aber all meine Biologienoten ins Abiturzeugnis einbringen möchte, muss ich mindestens die 14-Punkte-Marke knacken, sonst sehe ich meine Chancen auf ein Stipendium an einer guten Universität ernstlich gefährdet. Das darf auf keinen Fall passieren! Ich greife nach dem Handtuch auf dem Haken rechts von mir und trockne mich ab. „Du schaffst das schon, du hast es immer geschafft“, sage ich mir noch mal. Worüber mache ich mir überhaupt Sorgen? Die Leute in meiner Klasse kennen mich mittlerweile bereits gut genug, um sich nicht für ein Referat mit mir zu melden. Sie wissen, dass sie meinen Ansprüchen niemals gerecht werden könnten. Als ich meine Haare trockenföhne, muss ich genervt seufzen. Zumindest das werde ich nie schaffen. Obwohl mein Haar noch reichlich feucht ist, kann ich schon erkennen, dass sich die Spitzen der einzelnen Strähnen wieder in alle möglichen Richtungen biegen. Ok, also sehe ich halt wieder wie der Struwwelpeter aus, ist ja nichts Neues. Unten in der Küche überlege ich kurz und entscheide mich dann für mein Rosinenmüsli. Da auch die anderen Unterrichtsstunden heute meine volle Aufmerksamkeit erfordern werden, kann es nicht schaden, gesund in den Tag zu starten. In Französisch steht ein Vokabeltest an und im Sportunterricht muss ich unbedingt für meine Kür im Kunstturnen üben. Danach kommt noch Mathematik, die wie alle Naturwissenschaften sehr wichtig für mich ist. Vielleicht sollte ich noch mal einen kurzen Blick auf die Regeln der Kurvendiskussion werfen? Im Bus werde ich hoffentlich einen Sitzplatz kriegen und genügend Zeit dafür haben. Gerade noch rechtzeitig verlasse ich das Haus, als ich schon sehe, wie der Bus auf die Haltestelle zufährt. Schnellen Schrittes trabe ich dieser entgegen, mein Leben wäre zu Ende, wenn ich heute zu spät käme. Ein Clarissa Bourno kommt nicht zu spät, schon gar nicht zu Biologie. Doch als der Bus weiter in meine Richtung rauscht, muss ich erkennen, dass es sich gar nicht um meinen Bus handelt. Mit einem erleichterten Seufzen lasse ich mich auf die Sitzbank fallen. Ich darf mich von solchen Kleinigkeiten nicht verrückt machen lassen, das wirkt sich nur negativ auf meine Leistungen aus. Stress ist ein absoluter Leistungskiller! Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich noch zehn Minuten Zeit habe, bis der Bus kommt, diese Zeit sollte ich effektiv nutzen. Also ziehe ich meinen Mathehefter aus der Tasche und suche den Zettel mit den Regeln zur Kurvendiskussion. Leise murmelnd gehe ich sie immer wieder durch, bis mich ein Geräusch neben mir aufschrecken lässt. Ich blicke nach links und sehe ein bleiches Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem eigenen entfernt. Angewidert weiche ich zurück, dem da möchte ich keinen Zentimeter zu nahe kommen. Der blonde Langhaarige grinst mich selbstgefällig an, ich muss meinen Blick abwenden, um nicht auf seine gelben Zähne zu starren. Wie kann man nur so wenig Wert auf Körperpflege legen? „Was willst du denn hier“, frage ich ihn genervt. Sein Name ist Sebastian, doch alle nennen ihn Basti. Ihn kann man gut und gerne als versetzungsgefährdetes Subjekt abtun, das wohl nie etwas aus seinem Leben machen wird. Er schwänzt dauernd, besonders die ersten Stunden, und Hausaufgaben hat dieser Junge wohl noch nie gemacht. Sein einziges Talent siedelt sich passenderweise im Bereich des Störens durch obszöne Witze an. „Ich fahre mit dem Bus zur Schule, genau wie du“, antwortet er und ignoriert dabei vollkommen, dass ich immer weiter von ihm abrücke. Meine Konzentration auf Mathe ist dahin, doch ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Dämliche Witze, besonders von ihm, kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Als der Bus endlich kommt, bin ich bereits auf den letzten Sitzplatz der Haltestelle vor Sebastian geflüchtet. Erleichtert springe ich auf und husche durch die hintere Tür ins Innere des Busses. Endlich bin ich diesen dämlichen Typen los und kann in Ruhe Mathe lernen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)