Herbstregen von Neronia (Nichts ist für die Ewigkeit (ShikaxIno)) ================================================================================ Kapitel 1: Zeit heilt alle Wunden? ---------------------------------- „Choji, ich bin dann einkaufen!“ Ino verließ die Wohnung und schloss die Türe hinter sich. Ein kühler Wind wehte durch ihre Haare und düsterte Wolken hingen am Himmel. Nachdenklich blickte die Yamanaka auf, während sie durch den Vorgarten zu ihrem Auto ging. Es war Ende Oktober, regnerisch und kalt. Die letzten Wochen war sie etwas melancholisch und niedergeschlagen, wollte Choji damit aber nicht belasten. Fast ein Jahr war es nun her, dass Shikamaru sie verlassen hatte. Seitdem war einiges geschehen. Ino stieg in den Wagen und warf die Einkaufstasche auf den Beifahrersitz. Von Shikamaru hatte sie nach diesem Tag nichts mehr gehört. Choji und Sakura waren es gewesen, die mit ihr zusammen ihre Sachen aus der Wohnung geholt hatten, während Shikamaru arbeiten gewesen war. Sie hatte ihm einen Brief dagelassen, in dem stand, dass sie ihn noch immer liebte und ihn eigentlich nicht verlieren wollte, dass sie ihm das mit Temari hätte verzeihen können – nicht aber, dass er sie so schändlich im Stich ließ. Und als etwas anderes konnte sie es auch nicht sehen. Nie hatte er Choji gegenüber eine andere Erklärung geliefert und wenn, dann hatte Choji es ihr nicht gesagt. Choji. Der gutherzige Baka. Seit Anfang dieses Jahres waren die beiden zusammen. Ino war wieder zu ihrer Mutter gezogen, wobei sie meistens dennoch bei ihm war. Sie konnte schlecht alleine sein, wobei die Therapie Fortschritte machte. Mittlerweile konnte sie wieder lachen und verarbeitete den Tod ihres Vaters und den Verlust ihres Verlobten. Zwar trafen sich Shikamaru und Choji noch immer ab und an, aber ihr Freund hatte es Shikamaru nicht verzeihen können, ihr so wehgetan zu haben. Seine Gründe hatten Choji nicht genügt und so sehr er auch nachgehakt hatte, war nie etwas anderes herausgekommen. Shikamaru hatte wohl nie abgestritten, sie zu lieben, aber umso unverständlicher wurden für sie seine Taten.Und irgendwann hatte Choji aufgehört, ihr davon zu erzählen. Wenn er sich mit Shikamaru traf, hieß es mittlerweile nur noch 'Ich treffe mich mit einem Freund.' Dann wusste Ino wer gemeint war, aber sie zwang sich, nicht nachzufragen. Und mittlerweile schienen die Wunden zu heilen. Es tat ihr gut, ihn nicht mehr gesehen zu haben, das ließ die Gefühle für ihn nach und nach erlöschen und sie war froh darüber. Wenn sie jemand fragte, ob sie Choji liebte, sagte sie ja, als wäre es selbstverständlich. Doch sowohl Sakura, als auch Choji und sie selbst wussten, dass ihre Gefühle an seine nicht herankamen. Aber er lebte damit und scheinbar störte es ihn nicht einmal, so lange er bei ihr sein konnte. Das machte Ino regelmäßig ein schlechtes Gewissen und sie mussten es in der Therapie aufgreifen. Solange es für beide Parteien okay war, war es okay, nicht? Auf dem Weg zum Einkaufszentrum schaltete Ino das Radio ein und lächelte leicht. Alles war gut geworden. Choji hatte Recht. Es kann nicht immer regnen. Der Sommer hatte ihr richtig gut getan, wobei sie den Herbst wegen seiner Triste hasste. Choji hatte mal gesagt, dass eine schöne Blume nur mit Sonnenschein aufgehen konnte, das brachte sie heute noch zum Schmunzeln... Ein Hupen riss Ino aus ihren Gedanken. „Was will der denn?“ sie schaute genervt in den Rückspiegel. Fuhr sie ihm zu langsam oder was?! Angezickt knurrte sie und fuhr gerade aus Prinzip genau 50 h/km. „So!“ Hinter ihr im Wagen saß eine Frau, blonde Haare... Ino schaute auf die Straße, blickte dann aber erschrocken wieder in den Rückspiegel. Nein... nicht sie. Ein knappes Winken und eine Kopfbewegung, rechts ranzufahren. Temari. Was zum Henker machte diese Schnepfe hier?! Jetzt war es ein Jahr so gut gegangen und sie war weder ihr noch Shikamaru über den Weg gelaufen und nun so etwas. Sauer knirschte sie mit den Zähnen und schüttelte den Kopf. Die konnte sie mal kreuzweise. Ino würde nicht mit ihr reden! Und stur nach vorn auf die Straße schauend, bog sie zwei Kreuzungen später zum Parkplatz des Kaufhauses ein. Deutlich ungeduldig suchte sie im Parkhaus nach einem Parkplatz. Alle belegt. Das konnte doch nicht wahr sein! Heute war wirklich nicht ihr Tag. Auf die Uhr blickend, stellte sie fest, dass sie in zwei Stunden im Laden sein musste. „Mist.“ Dann aber fand sie auf dem Deck einen Parkplatz und stellte seufzend den Wagen ab. Entnervt blickte sie in den Spiegel und richtete ihre Haare. Ihr Herz schlug ihr immer noch bis zum Hals. Temari... Temari! Wieso wollte sie bitte, dass sie rechts ranfuhr?! Hatte sie vielleicht 'blöd' auf der Stirn stehen?! Nach der Einkaufstasche und ihrem Geldbeutel greifend, stieg sie aus dem Wagen und klopfte einige Flusen von ihrem dunklen Rock. Und als sie wieder aufblickte, hielt ein Wagen neben ihr – und Temari stieg aus. „Hi.“ Ino fiel fast alles aus dem Gesicht. Okay, jetzt knallt´s! Vernichtend blickte sie ihre ehemalige Freundin an und schlug die Türe ihres Autos zu, schloss ihn ab. „Was... zum Teufel... fällt dir ein!“ Ino drehte sich zu Temari um und stapfte um ihren PKW herum, auf sie zu, die Hände an den Seiten. „Dass du noch die Nerven hast, mich anzusprechen!“, keifte sie, wobei Temari nur die Augen verdrehte und etwas grinste. „Mhmh. Bist du fertig?“ Dabei blickte sie demonstrativ auf ihre lackierten Fingernägel. „Hör zu, ich bin dir nicht-“ „Nein, du hörst mir zu, denn ich sage es nur einmal: Hau ab, ich will nicht mit dir reden!“ Damit wandte sich Ino energisch zum Gehen. „Ganz schön eingebildet zu glauben, ich wäre dir hinterhergefahren, oder?“, fragte Temari etwas arrogant. Ino blieb stehen und funkelte sie über die Schulter hinweg an. „Sorry, dass ich auch hier einkaufe. Aber es ist dennoch gut, dass ich dich erwische-“ „Du bist mir doch hinterhergefahren!“, zickte Ino und knackte nervös mit den Fingern. „Denk was du willst.“ Über die Schulter drückte Temari den Knopf für die Zentralverriegelung und steckte den Schlüssel in ihre Tasche. „Ino, ich muss mit dir reden.“ Die Yamanaka verengte die Augen. „Musst du das?“ Sich aufrecht hinstellend und die Arme verschränkend, schielte sie zu Temari. „Was willst du?“ „Das ist keine Sache, die ich zwischen Tür und Angel klären will, hast du Zeit? Ich lade dich auf einen Kaffee ein.“ Temaris Stimme war ruhig und ungewohnt versöhnlich, doch Ino blieb hart. Die Frau war es nicht wert, zu spät den Laden zu öffnen. Es kam eh nur Müll bei raus, wenn sie redete. „Nein. Ich muss arbeiten. Und ich muss jetzt auch los, ich hab keine Zeit für dich.“ Und damit drehte sie sich erhobenen Hauptes um und machte sich auf den Weg nach drinnen. „Ino!“, brüllte Temari ihr nun genervt nach und stapfte mit den Fuß auf den Boden. „Jetzt warte! Verdammt, Shikamaru liebt dich noch!“ Und obwohl Ino den Eingangsbereich des Kaufhauses schon betreten hatte, hörte sie die Worte und stutzte. Sie blieb einen Moment stehen und blickte zu Temari zurück. Einen kurzen Augenblick wurde sie schwach. Eigentlich wollte sie wissen, was Temari ihr zu sagen hatte. Shikamaru... Und plötzlich kam alles hoch und die Bilder dieses abends verbreiteten sich erbarmungslos in ihrem Kopf, bis ihr Herz zu zerspringen drohte. Sie presste die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Nein, nein, das war vorbei. Sie war mit Choji zusammen und Shikamaru zählte nicht mehr. Selbst wenn Temari Recht hatte und er sie noch liebte – das hätte er sich früher überlegen müssen. Ino wandte sich ab und flüchtete nach drinnen in den Tumult... Zwar hörte sie Temari noch etwas rufen, verstand die Worte aber nicht. Und sie wollte sie auch nicht hören. Sie würde es nicht zulassen, dass einer der beiden noch einmal in ihr Leben trat und es durcheinanderbrachte, nun, wo alles sich geregelt hatte. Sie hatte genug durchgemacht, nicht noch einmal... Am Abend war Ino gerade am Kochen, als es klingelte. Choji würde am nächsten Tag mit seinem Vater für einige Tage wegfahren und kam zum Abendessen, wobei Ino den Rest des Tages damit verbracht hatte, das Treffen mit Temari zu vergessen. Sie überspielte die Erinnerung mit den Sachen, die sie noch regeln musste und war deswegen beim Kochen etwas langsamer als angenommen. Als es klingelte, war sie gerade dabei, den Salat auf den Tisch zu stellen. „Ich komme!“, rief sie in den Flur und stellte die Schüssel ab. Seufzend ging sie zur Türe und öffnete sie. Wie gewohnt strahlte Choji sie regelrecht an, als er ihr einen kurzen Kuss zur Begrüßung gab, den Ino knapp erwiderte. „Hey“, meinte sie lieb lächelnd und trat beiseite, dass er eintreten konnte. „Es riecht gut“, meinte Choji schmunzelnd, als Ino die Türe hinter ihm schloss. „Na was meinst du denn! Ich hab mich auch nicht umsonst bemüht!“ Dabei grinste Ino etwas frech und ging mit Choji in die Küche. „Der Braten ist gleich fertig. Er braucht noch ein paar Minuten.“ Dabei blickte sie kurz in den Ofen, ehe sie sich gegen die Arbeitsplatte lehnte. „Wie war dein Tag?“, fragte Choji ruhig und lächelte sie fröhlich an. Doch in dem Moment stockte Ino. Sollte sie ihm von dem Treffen mit Temari erzählen? Und noch während sie überlegte, wurde Chojis Gesichtsausdruck etwas fragend. „Ähm, ja. Normal, wie immer“, sagte sie dann schnell und sweatdroppte peinlich berührt. Was machte sie hier eigentlich? Gute Miene zum bösen Spiel? Das war nicht fair Choji gegenüber. Doch Ino sah ihm sowieso schon an, dass er ihr das nicht ganz abkaufte und bevor er weiter nachhaken konnte, seufzte sie und nahm sich ein Glas aus dem Schrank, um Choji nicht anschauen zu müssen. „Falsch, es war nicht alles wie immer“, gestand sie ihm und drehte etwas nervös den Wasserhahn auf, um Wasser in ihr Glas zu füllen. „Ich habe Temari getroffen.“ Choji blinzelte und schaute Ino ein wenig besorgt an. „Was hat sie gesagt?“ Doch die Yamanaka zögerte die Antwort heraus und trank einen Schluck, den Blick stur auf den Boden gerichtet, und den Oberkörper etwas nervös hin und her drehend. Dann aber stellte sie das Glas ab und blickte resigniert zu Choji auf. „Dass sie mit mir reden will. Und dass... Shikamaru mich immer noch liebt.“ Dabei presste sie den zweiten Teil deutlich widerstrebend heraus und ihre Stimme wurde immer leiser. Aber anstatt das Chojis Gesicht Verwunderung darüber zeigte, wurde es plötzlich ernst und er wandte den Blick von seiner Freundin ab, setzte sich an den Tisch und schien nachzudenken. Das machte Ino skeptisch und etwas den Kopf schieflegend, ging sie auf ihn zu. „Choji? Sag doch etwas.“ Ihr dämmerte, dass er ihr etwas verschwiegen hatte. „...“ Und trotz dem sie nachhakte, blieb der Akimichi stumm. „Choji! Du verschweigst mir doch etwas.“ Mit den etwas ungehalteneren Worten, zog sie sich einen Stuhl heran und setzte sich vor ihn, berührte seine Hände. „Schon gut, Ino“, meinte er dann auf einmal und lächelte sie an, wobei Ino das Gefühl war, es wäre aufgesetzt. Die Augenbrauen zusammenziehend, machte sie ihm deutlich, dass sie ihm nicht glaubte. „Ich... ich habe nur darüber nachgedacht, ob es nicht besser wäre, sich mit Temari und Shikamaru auseinanderzusetzen.“ Dabei blickte er Ino nachdenklich in die Augen. Die Yamanaka blinzelte bei seinen Worten überrumpelt, ehe ihr Blick wieder ernst wurde und sie aufstand. „Das kannst du vergessen. Ich setze mich nicht mit den beiden zusammen.“ Zum Ofen gehend, schaute sie nach dem Braten, ehe sie ihr Wasserglas leerte. Einen Augenblick schwieg Choji, er wirkte hin- und hergerissen und Ino ahnte, dass er mehr wusste, als er nun sagte. Hatte Shikamaru ihm irgendetwas erzählt? Doch sie schluckte die Frage einfach und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Sie wollte nichts hören, was ihr Leben wieder aus den Fugen warf und wenn sie dafür eben weiter sporadischen Kontakt zur Realität halten und in einer Lüge leben musste, dann bitte. Dann war es so, aber sie wollte nichts mehr von Shikamaru hören. „Und nur mit Shikamaru?“, fragte Choji plötzlich und nahm Ino damit aus ihrem Tagtraum. Ino schielte zu ihm, das Glas fest umklammert. In dem Moment hätte man eine Stecknadel fallen hören können und nur das regelmäßige Ticken des Kurzzeitweckers war zu hören. „Nein. Und das ist das Letzte, was ich dazu sage“, meinte Ino dann entschlossen und stellte ihr Glas auf den schön gedeckten Tisch. Sie zündete die Kerze an und nahm den Rotwein von der Anrichte, drückte ihn Choji in die Hand. „Hier, mach den mal bitte auf.“ Choji schnaufte, was Ino zeigte, dass er nicht weiter versuchen würde, an ihr herumzureden. Der Rest des abends verlief ruhig. Nach dem Essen schauten sie auf dem Sofa zusammen einen Film, wobei Ino sagte, dass sie sich am nächsten Morgen um den Abwasch kümmern würde. In dem Moment suchte sie einfach nur seine Nähe um ihre verwirrenden Gedanken zu überschatten. Sie legte den Kopf auf seinen Schoß und ließ sich von ihrem irgendwie angespannt wirkenden Freund streicheln. Wann sie eingeschlafen war, wusste sie nicht mehr, nur, dass als sie am nächsten Morgen aufwachte, Choji fort war. Das passte überhaupt nicht zu ihm und verwirrt rieb sie sich kurz über die Augen und stand auf. Die Sonne war zwischen den dichten Wolken herausgekommen und sagte ihr, dass sie ziemlich lang geschlafen haben musste. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel, den der Akimichi ihr geschrieben hatte. Nach etwas in der Richtung hatte sie gesucht und ihn deshalb gleich entdeckt. Zaghaft hob sie den Zettel hoch. „Ino, verzeih mir, dass ich nicht mit dir gesprochen habe. Wir reden noch einmal drüber, wenn ich nächste Woche zurückkomme. In Ruhe bei einem Abendessen, dann erzähle ich dir, was ich weiß. Choji“, las Ino murmelnd vor. Dann hörte sie allerdings die Wohnungstüre. Ihre Mutter, die bei Freunden übernachtet hatte, kam nach Hause. Schnell ließ Ino den Zettel in ihrer Tasche verschwinden und blickte sich in der Küche um. Es sah aus, wie auf einem Schlachtfeld... ihre Mutter würde sich nicht gerade darüber freuen. „Oh Mist... Ähm, hallo, Mama.“ Die nächsten Tage ohne Choji waren einsam. Sie unternahm viel mit Sakura, um vor ihren eigenen Schatten und Geistern zu fliehen. Ihre Gedanken liefen in eine Richtung, mit der sie nicht klarkam, vor allem fragte sie sich, was Choji ihr verschwiegen hatte und vor allem wie es weitergehen würde, wenn er wieder nach Hause kam. Immer wieder ging sie mit Sakura mögliche Szenarien durch. Was hatte Shikamaru ihm erzählt, was er ihr verheimlichte? Das Schlimmste war, dass Choji am Telefon keinen Ton davon erzählte und er insgesamt zwei Wochen in Urlaub war – das machte sie wahnsinnig. Und sie hasste diese Jahreszeit so. Ständig war es am Regnen, ständig trist und farblos. Wie sie das nervte und gerade nun ließ Choji sie zwei Wochen alleine. Nicht einmal zu ihrer Therapeutin war sie diese Woche gegangen, dabei hatte sie noch nie geschwänzt. Doch sie hatte den Termin abgesagt, weil sie mit manchen Fragen rechnete, auf die sie noch keine Antwort hatte und sie sich erst einmal durch den Kopf gehen lassen wollte. War es wirklich okay so, wie es war oder machte sie sich seit einem Jahr etwas vor? Liebte sie Choji überhaupt oder war er nicht mehr als nur ein Trostpflaster gewesen? Alleine daran zu denken, war schrecklich. Bisher war sie wenigstens der Meinung gewesen, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Doch nun befürchtete sie, dass er einfach nur ihr letzter Strohhalm gewesen war, an den sie sich geklammert hatte. Der Gedanke machte sie wahnsinnig. Sakura versuchte Ino abzulenken so gut es ging und nachdem Ino nach der ersten Woche ohne Choji freitags abends den Laden schloss, las sie eine Nachricht von Sakura, in der stand, dass sie vor dem Kino auf sie wartete. Ino stutzte und verzog das Gesicht. Hatten sie einen Kinobesuch geplant? Wenn ja, dann hatte Ino es vergessen. Seufzend legte sie den Kopf in den Nacken. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust auf Kino. Das Wetter war mal wieder beschissen und das, nachdem am Morgen noch die Sonne geschienen hatte. Etwas mürrisch schloss sie den Laden ab, nur um wieder festzustellen, dass es nieselte. Ihren Schirm aus der Tasche kramend, wählte sie mit der anderen Hand die Nummer ihrer besten Freundin. Und während sie darauf wartete, dass Sakura abhob, spannte sie ihren Schirm auf und machte sich zu Fuß durch die Altstadt auf den Weg in Richtung Kino. Sie konnte Sakura ja schlecht einfach dort stehen lassen. „Hi, Breitstirn. Sag mal, wann haben wir uns für´s Kino verabredet?“, fragte sie ihre Freundin und schaute im Vorbeigehen zu den Schaufenstern. Die meisten Läden hatten schon geschlossen oder waren gerade dabei. „Gar nicht. Das habe ich spontan beschlossen. Keine Ausreden, Ino.“ Sakura wirkte ziemlich enthusiastisch und trotzdem hob es Inos Laune nicht gerade. Sie war einfach nur froh, wenn Choji zurückkam und ihr endlich sagte, was Sache war. Und noch glücklicher war sie, wenn endlich Frühling war... wobei sie auf den noch lange warten konnte. Es platschte, als Ino in eine Pfütze trat. Fluchend beugte sie sich vor, um die Sauerei auf ihrer Strumpfhose zu begutachten, das Handy zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt. „Shit.“ „Was ist?“, ertönte Sakuras Stimme an ihrem Ohr. „Nichts, schon gut, ich bin nur in eine Pfütze getreten. ...Ist gut, Sakura, ich bin auf dem Weg zum Kino.“ Dabei richtete Ino sich wieder auf. „Welchen Film hast du-“ Doch urplötzlich stoppte sie, die Augen weit aufgerissen. „Shikamaru...“ Geschockt, dass ihr Exfreund ihr gerade entgegenkam, ließ Ino ihr Handy fallen und beendete so unfreiwillig das begonnene Gespräch. Das Scheppern und der herausgefallene Akku machten Ino auf sich aufmerksam und hektisch bückte sie sich, um die Einzelteile aufzuheben. Shikamaru war einige Meter von ihr entfernt stehengeblieben und blickte sie fast schon geschockt an, wobei Ino erst durch ihre Worte auf sich aufmerksam gemacht hatte. Eines war sicher: er hatte sie nicht gesucht, das hier war ein zufälliges Treffen. „Ino“, murmelte Shikamaru ernst, nachdem er sich gefangen hatte und Ino sich wieder aufrichtete und mit zittrigen Händen ihr Handy zusammensetzte. Verdammt... Wieso muss gerade er jetzt auftauchen? Erst Temari und nun das. Haben die sich abgesprochen!? „Hallo.“ Inos Stimme war kühl und streng, als sie zu ihm aufschielte und dann ihr Handy wieder einschaltete. „Und tschüss.“ Sie musste weg, weg von ihm, sofort! Schnellen Schrittes eilte sie an ihm vorbei, doch Shikamaru griff ihr Handgelenk und hielt sie fest. „Warte.“ „Oh bitte, jetzt komm du nicht auch noch!“, zischte Ino genervt über die Schulter zu ihm und blickte ihn an. „Was willst du?“ Shikamaru verengte die Augen und ließ Ino los. „Was meinst du mit 'auch noch'?“ „Erst treffe ich Temari letzte Woche und nun dich.“ „Du hast Temari getroffen?“, fragte Shikamaru deutlich verwundert. Der Regen wurde stärker und Shikamaru achtete darauf, seinen Schirm so zu halten, dass er nicht nass wurde. Seufzend verstaute Ino vorerst ihr Handy in ihrer Tasche. Sie würde Sakura gleich zurückrufen. „Nein, sie ist mir gefolgt und wollte mit mir sprechen. Anscheinend über dich.“ Shikamaru verengte die Augen. „Geez, diese Frau.“ Er wirkte genervt und steckte die freie Hand in seine Hosentasche. „Was willst du, ich bin verabredet“, fragte Ino gespielt kühl, wobei ihr Herz ihr bis zum Hals schlug und sie am ganzen Körper zitterte wie Espenlaub. Der Regen prasselte auf ihre Regenschirme und vermittelte Ino das Gefühl, dass sie schon am Tag ihrer Trennung gehabt hatte. Es riss sie zurück in die Vergangenheit, in dieses Schlafzimmer. Er hatte ihr erzählt, dass er mit Temari geschlafen hatte und hatte gesagt, dass er Schluss machen würde. Und die Verlobung hatte er gecancelt... „Wie geht es dir?“, fragte Shikamaru ruhig, blickte Ino aber nicht an, sondern stur zur Seite. Erst jetzt sah Ino, dass Shikamaru noch immer ihren Ring trug. Die Tatsache verpasste ihr einen solchen Schock, dass sie zwei Schritte vor ihm zurückwich. Welches Spiel spielte er hier? Sie hatte ihren Ring als klar war, dass ihre Beziehung vorbei war, von einer Brücke geworfen! Ino antwortete ihm nicht, schaute stattdessen auf seine Hand mit dem Verlobungsring. Shikamaru blickte Ino aus dem Augenwinkel an und ließ seinen Blick ihrem folgen. Augenblicklich schien er zu verstehen, was ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte und schloss aufgesetzt lächelnd die Augen. „Du fragst dich, wieso ich ihn immer noch trage...?“, fragte er plötzlich, ehe er langsam die Augen öffnete. Ino schüttelte den Kopf. „Ich habe nichts gesagt“, flüsterte sie. Shikamaru legte den Kopf seitlich und blickte in den Himmel. „Aber gedacht.“ „Hör auf so zu tun, als wüsstest du, was ich denke“, knirschte die Yamanaka deutlich unter Anspannung, ihm nicht eine zu verpassen und weinend wegzurennen. Langsam glitt der Blick des Nara wieder zu Inos Gesicht. „Du hast dich nicht verändert. Immer noch die gleiche Nervensäge wie früher... Und du hörst mir immer noch nicht zu.“ Die Worte brachten Ino auf die Palme und am liebsten hätte sie auf ihn eingeprügelt, doch sie zwang sich, den Abstand zwischen sich zu wahren und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr dieses Treffen sie aufbrachte. „Ich habe dir zugehört! Fang ja nicht wieder so an!“ „Dann würdest du meine Frage beantworten – Wie geht es dir?“ „Gut!“, meinte Ino entschloss und setzte ein fast boshaftes Lächeln auf. „Choji trägt mich auf Händen und ich habe endlich die Aufmerksamkeit, die ich in unserer Beziehung vermisst habe.“ Shikamaru schloss halb die Augen. „Choji hat mir erzählt, dass dir die Therapie geholfen hat?“ „Ja, ja das hat sie. Aber was kümmert dich das?“ Shikamaru kratzte sich mit der freien Hand am Hinterkopf. „Ich kann mich nicht dran erinnern, gesagt zu haben, dass du mir egal bist.“ „Ich kann mich sehr gut dran erinnern, was du gesagt hast, danke. Die Worte haben sich auf meinem Herz festgebrannt, Shikamaru!“ Allmählich wurde Inos Stimme vorwurfsvoll und sie merkte, dass alles wieder hochkam. Shikamaru blickte Ino neutral an. „Ich wollte dir helfen, Ino.“ „Indem du mein ganzes Leben ruinierst?!“ Nun schrie sie und fand sich kopfmäßig in der Situation vor einem Jahr wieder, als sie Shikamaru mit Temari auf der Straße getroffen hatte. „Wenn du mich nicht anlügst, habe ich dein Leben weniger ruiniert, als gerettet!“, knirschte Shikamaru nun. „Ja, natürlich, Shikamaru. Du bist der große Held, lässt deine Verlobte zurück und machst dir ein schönes Leben mit Temari. Und erzählst mir dann, du hättest mir geholfen. Nichts hast du getan! Choji war derjenige, der mir geholfen hat, nicht zugrunde zu gehen! Choji, aber n i c h t du!“ In ihren Augen standen Tränen aber Ino zwang sich, sie zurückzuhalten. Ihr Handy klingelte, doch Ino ignorierte es. Shikamaru biss sich auf die Lippe. „Ich bin nicht mit Temari zusammen.“ „Ach ja, natürlich. Und deshalb kommt sie zu mir, um über dich zu sprechen!“ „Ino...“ „Nein, nichts 'Ino'. Du bist für mich gestorben, Shikamaru! Der Mann den ich kannte, gibt es nicht mehr. Der ist mit den Worten, dass er für mein eigenes Wohl mit mir Schluss macht, gestorben!“ Ino hätte sich so treten können. Sie schrie hier rum, dass sämtliche Passanten sie anstarrten und manche sogar stehen blieben und nun liefen ihr auch noch Tränen über die Wangen. Alleine diese Tatsache machte sie aggressiv genug, dass sie am liebsten gegen die nächste Wand geschlagen hatte. Shikamaru wirkte geschockt. Selten hatte sie ihn so sprachlos gesehen. Was sollte dieser Blick? War es vielleicht etwas Neues, dass er sie verletzt hatte? Hatte er das vielleicht bis heute noch nicht kapiert? „Hau einfach ab! Zurück in das Loch, aus dem du nach einem Jahr gekrochen bist!“ Doch Shikamaru blieb noch immer stumm, seine Miene änderte sich, wurde erkennend, fast entschuldigend. Gerade, als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, hörte Ino Sakuras Stimme hinter sich. „Ino!“ Doch ihre Stimme brach sofort ab, als sie Shikamaru sah. „Shikamaru.“ Dieser wandte sich langsam zu der Rosahaarigen. „Sakura...“ Der Nara schien kurz nachzudenken. „Sorry, Ino. Ich habe Mist gebaut.“ Dabei waren seine letzten Worte nicht mehr als ein Flüstern, als er Ino sprichwörtlich im Regen stehen ließ und sich schnellen Schrittes von ihr und Sakura entfernte. „Ino, was war das?!“, fragte Sakura gleichermaßen erschrocken, wie durchdringend. „Du hast hier rumgeschrien wie eine Furie!“ Ino wandte den Blick von Sakura ab und versuchte, die Tränen zu unterdrücken, die über ihre Wangen flossen. Stumm starrte sie auf den Boden, hörte wie Sakura näher trat und spürte die Hand ihrer Freundin an ihrem Oberarm. „Ino!“ „Ich kann nicht“, keuchte Ino geschockt von sich selbst. „Was kannst du nicht?“, hakte Sakura überfahren nach. „Ich kann ohne ihn nicht leben, Sakura! Ich kann es nicht!“ Dabei schaute sie ihrer Freundin nun offen ins Gesicht und ließ ihren Tränen freien Lauf. In ihren blauen Augen stand Schmerz, Verzweiflung... und Erkenntnis, was Sakura verstehen ließ. Langsam ließ sie die Hand von Inos Arm sinken. „Ino...“ Die Yamanaka hielt den Griff ihres Schirmes umklammert und blickte in die Richtung, in die Shikamaru gerade verschwunden war. „Ich liebe diesen Idioten! Ich kann ihn einfach nicht vergessen!“ „Ino, du musst! Denk doch mal an Choji!“ Sakura Stimme klang streng und erbarmungslos, als sie Inos freie Hand nahm und zur nächste Bank zerrte. Sie darauf stoßend, stand Sakura wie ein Dämon vor Ino und blickte auf sie herab. „Weißt du, was du da sagst? Du bist mit Choji zusammen. Choji liebt dich! Und du?“ Sie deutete mit dem Arm die Straße hinab. „Du lässt dich von dem Kerl verwirren, wenn du ihn nur siehst! Was hat er gesagt, dass du auf einmal so am Rad drehst?“ Sakura schüttelte verständnislos den Kopf. Natürlich hatte sie es geahnt, aber Ino durfte nun nicht zusammenbrechen und rückfällig werden. Dann war das ganze letzte Jahr für die Katz gewesen. Sie verstand Ino, besser, als sie es sich vorstellen konnte und das wusste Ino, egal was Sakura sagte. Und dennoch trafen die Worte der Haruno Ino wie Rasierklingen. „Er trägt immer noch den Ring“, murmelte Ino neben sich stehend und auf Sakuras Füße blickend. „Das ist kein Grund, Ino!“ Seufzend setzte sich Sakura neben Ino auf die Bank, ungeachtet dessen, dass ihre Hose nass wurde. „Sieh mich an.“ Ino drehte langsam den Kopf und blickte leer ins Gesicht ihrer Freundin. „Und jetzt sag mir noch mal, dass du Shikamaru liebst und nur ihn.“ „Ich...“ Ino schluckte und schloss kurz die Augen, um sich zu fangen. „Ich liebe Shikamaru. Ich hätte mich nie auf Choji einlassen dürfen.“ Die Erkenntnis tat nicht nur weh, sondern zerriss einen Teil von ihr regelrecht. Von jetzt auf glich war ihr Leben ein Scherbenhaufen. Sie konnte nicht länger in dieser Lüge leben. Sie hatte ihren besten Freund benutzt, um über Shikamaru hinwegzukommen. „Ich bin das Allerletzte“, erkannte Ino panisch. Sakura zog die Augenbrauen zusammen. „Choji liebt mich und ich habe ihn das ganze Jahr über nur als Notlösung angesehen...“, flüsterte Ino weiter, ehe Sakura Ino zu sich zog und ihren Kopf gegen ihre Schulter drückte. Ino ließ den Schirm achtlos auf den Boden sinken und schloss gequält die Augen, wobei Sakura nachdenklich in den Himmel blickte. I know it's hard to keep an open heart when even friends seem out to harm you but if you could heal a broken heart would't time be out to charm you „Ein gebrochenes Herz heilt nicht so einfach.“ Sakura Stimme war leise und mitleidig. „Jetzt sei wenigstens so fair, wenn du dir sicher bist und ruf Choji an. Du musst ihm sagen, was Sache ist, aber erst, wenn du noch mal darüber nachgedacht hast.“ Langsam stand Sakura auf und zog Ino mit auf die Beine. „Wir fahren jetzt zu mir und da legst du dich erst einmal etwas hin...“ An diesem Abend telefonierte Ino nicht mit Choji. Stattdessen hob Sakura ab und sagte ihm, dass es Ino nicht gut ging und sie schlafen würde, was nicht ganz gelogen war, aber auch nicht die volle Wahrheit. Ino lag auf Sakuras Sofa, hatte zwar die Augen geschlossen, schlief aber nicht. Ihr Kopf war gleichzeitig leer und überfüllt. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn wusste sie, was sie wollte. Sie hörte, wie Sakura ins dunkle Wohnzimmer trat und etwas auf den Tisch neben sie stellte. Wortlos verließ sie den Raum wieder und schaltete das Licht in der Küche aus, ehe sie zurück ins Schlafzimmer ging, das gleichzeitig ihr Arbeitszimmer war. Sie hatte gesagt, dass sie noch lernen musste, ja... Sakura studierte Medizin und Ino war sich sicher, dass sie eine gute Ärztin werden würde. Erst als Sakura das Zimmer verlassen hatte, schlug sie die Wolldecke zurück und griff nach der Teetasse, die Sakura ihr hingestellt hatte. Ihr Blick fiel aus dem Fenster. Die Bäume im Vorgarten wogen sich im Wind und ein verirrtes, rötliches Blatt klebte an der Fensterscheibe. Müde stand Ino auf und ging, ihre Tasse in der Hand, zum Fenster. Es war dunkel, doch die Laternen erhellten die Straße. Ein Auto fuhr vorbei und auf der anderen Seite streunte eine Katze um eine umgefallene Mülltonne. Der starke Wind musste sie umgeweht haben. Sakura und Ino waren gerade noch rechtzeitig nach Hause gekommen, bevor das Unwetter richtig losgeprescht war. Glück hatten sie gehabt, der Sturm hätte aus ihren Regenschirmen Sperrmüll gemacht. Langsam nahm Ino einen weiteren Schluck ihres Tees und beobachtete die Blätter, die über die Straße tanzen. Der Winter stand bevor... die Bäume waren kahl und leblos und das Wetter erbarmungslos. Langsam aber sicher keimte in Ino ein Entschluss. Was war eben nur mit ihr los gewesen? Wieso sollte sie eine solch harmonische Beziehung, wie die mit Choji wegwerfen? Wenn sie objektiv darüber nachdachte, würde sie sie nie gegen die mit Shikamaru austauschen. Sie hatte sich doch nur über ihn geärgert, also was sollten die Gedanken? Sie war nur verwirrt, das war alles. Choji war nun der Mann an ihrer Seite und das sollte auch so bleiben. Mit dem Gedanken schlurfte sie barfuß zurück über den PVC zum Sofa. Sie stellte die Tasse ab und legte sich zurück auf die Couch, wo sie nun endlich in Ruhe einschlafen konnte. „Shika, wieso-“ Allerdings stoppte sie, als er ihr einen Finger auf die Lippen legte und fast schüchtern den Kopf schüttelte. Sein Blick fiel aus dem Fenster in die regnerische Nacht, ehe er langsam aus dem Augenwinkel in die fragenden Augen Inos blickte. Mit traurigem Blick beugte er sich zu ihr hinab und küsste sie sanft auf die Lippen. Mit dem Daumen strich er über ihre Wange. In dem Moment vergaß Ino ihre Wut und glaubte, ihm alles verzeihen zu können. Eine Hand in seinen Nacken legend, erwiderte sie den Kuss. Ihr Herz schmerzte und sie wusste, dass es für sie keinen anderen Mann mehr geben konnte. Entweder ihn oder keinen... ...ihn oder keinen... ...ihn oder... ...ihn... Ino schreckte schweißgebadet auf. Orientierungslos blickte sie sich im Zimmer um und brauchte einen Moment um festzustellen, dass die noch bei Sakura war. Stöhnend ließ sich Ino zurück aufs Kissen sinken und strampelte die Wolldecke von sich. Ihr Körper glühte und als sie an ihre Wangen fasste, bemerkte Ino, dass sie wohl auch knallrot im Gesicht sein musste. Ein Blick in den Flur verriet ihr, dass Sakura schon schlafen musste, da aus dem Arbeitszimmer kein Licht mehr in den Flur fiel. Sich langsam aufsetzend, suchten Inos Augen nach einer Uhr. Sakura hatte umgestellt und es dauerte kurz, bis sie das rote Leuchten vom Wandschrank wahrnahm und die Digitaluhr ins Auge fasste. Es war fast Mitternacht. Ino fuhr sich über die Haare, nur um zu bemerken, dass nur noch vereinzelt Haare im Haargummi hingen, woraufhin sie aufstand und die verknoteten Haare aus dem Gummi löste, ehe sie sie mit den Händen sporadisch durchkämmte und aus dem Fenster schaute, während sie sich die Haare wieder hochband. Wieso musste sie von dieser Nacht träumen? Es tat weh, daran zurückzudenken und es erinnerte sie an das, was sie sich damals geschworen hatte – es konnte keinen anderen für sie geben, als Shikamaru. Und Ino wusste, dass da mehr als nur ein Funken Wahrheit hinter stand. Zum Teufel damit, sie hatte sich doch eben erst vorgenommen, alles so zu lassen, wie es war und Shikamaru einfach zu vergessen. Einfach, dass sie nicht lachte. Die Situation und ihre Gefühle waren alles, aber nicht einfach. Einen Entschluss fassend, ging die Yamanka zurück zum Sofa, auf dessen Lehne ihre Weste lag und zog sie an. Möglichst leise schlich sie in den Flur und griff nach ihrer Tasche. Kurz abcheckend, ob ihr Handy und ihr Knirps sich darin befanden, ging sie zur Türe, zog ihre Schuhe an und ging nach draußen. Durchs Treppenhaus huschend, öffnete sie, unten angekommen die Haustüre und trat nach draußen in die kühle Nachluft. Noch immer war es windig und die Luft feucht, aber zumindest stürmte und regnete es nicht mehr. Nun war sie froh darum, doch mit ihrem eigenen Auto zu Sakura gefahren zu sein und das Angebot, von ihr mitgenommen zu werden, abgelehnt zu haben. Die Straße war mit Autos zugestellt und alle paar Meter stand ein Baum in einer kleinen Grasfläche. Die Wege waren gepflastert mit bunten Blättern, von denen Ino sich dachte, dass sie bald mal weggekehrt werden sollten. Am Ende der Straße stand ihr Wagen und als sie die Türe der Fahrerseite öffnete und einstieg, wählte sie Chojis Nummer. Wahrscheinlich würde sie ihn nun wecken, aber damit musste er nun leben. Immerhin war es wichtig. Eine Weile ließ Ino es klingeln und schaltete schon mal die Zündung ein. Ihr fröstelte und gerade deshalb bemerkte sie, dass sie ihre Jacke bei Sakura vergessen hatte. Scheiß drauf, ich fahre danach sowieso wieder zurück hierher. Zumindest hatte sie das vor. Spätestens am Morgen würde sie wieder bei Sakura sein, die sich vermutlich Sorgen machte, wenn Ino einfach verschwunden war. Ino betete nur, dass sie nicht wach wurde und ihre Abwesenheit bemerkte, bevor sie zurück war. Sie kannte Sakura, dann war Telefonterror angesagt und sie würde sie am nächsten Tag dafür schlagen, ihr nicht Bescheid gesagt zu haben. Über zwei Minuten ließ Ino es bei Choji klingeln, doch er hob nicht ab. Also legte sie auf und vermutete, dass er vielleicht noch mit seinem Vater unterwegs war, vielleicht was trinken? Dann hörte er sicherlich sein Handy nicht. Also fuhr Ino los, Choji würde sie sicher zurückrufen. Bis dato war sie dann auch bei Shikamaru. Ino hatte beschlossen, mit ihm zu sprechen... alles andere brachte nichts. Wie es sie ankotzte, dass Choji wieder Recht haben musste. Er kannte sie eben doch besser, als sie sich selbst. Eine halbe Stunde später hielt Ino vor dem Haus, mit dem sie so viele Erinnerungen verband. Sie hatte es im letzten Jahr vermieden, vorbei zu fahren, weil es ihr jedes Mal einen Stich versetzte. Ein Blick in den ersten Stock zeigte ihr, dass Shikamaru noch wach war, da Licht im Esszimmer brannte. Oder hatte er nur wieder vergessen, es auszuschalten? Das wäre irgendwie typisch für ihn. Tief durchatmend fragte sich Ino, wie es ihm überhaupt finanziell möglich gewesen war, die Dreizimmerwohnung zu halten. Immerhin hatte Ino zu einem großen Teil die Miete bezahlt, während er mit seinem Nebenjob nur den Rest dazu beigetragen hatte, dass sie leben konnten. Ino verdiente für das, was sie machte, nicht schlecht, aber auch nicht gut genug, um große Sprünge machen zu können. Vor zwei Jahren hatte sie den Blumenladen von ihrer Mutter übernommen und wegen seiner günstigen Lage, hatte Ino grundsätzlich alle Hände voll zu tun und so viele Aufträge, dass ihre Freundin Hinata noch ab und an aushalf – unter der Hand und ohne Ausbildung natürlich, weil sie selbst auch studierte. Gott, war Ino blöd gewesen, hätte sie sich mal weniger auf Shikamaru verlassen und auch angefangen zu studieren und den blöden Laden nicht übernommen. Aber sie liebte ihren Job, wenn sie ehrlich war und deshalb wollte sie ihn auch nicht missen. Blumen waren die Sprache der Seele und sie liebte diese Metapher. Sich zusammenreißend schloss Ino den Wagen ab und kämpfte sich regelrecht die Treppen zur Klingel hoch – nicht, weil es anstrengend war, sondern weil mit jedem Mal ihre innere Stimme schrie, dass sie umkehren sollte. Dieses Gespräch würde sie nur verletzen. Und dennoch, sie wollte es wissen. Sie musste wissen, was Shikamaru noch für sie empfand. Jetzt! Um halb ein Uhr nachts, immerhin war es Wochenende. Doch in just dem Moment, als Ino die Hand nach der Klingel ausstreckte, klingelte ihr Handy. Wie vom Blitz getroffen hielt sie in der Bewegung inne, biss sich auf die Lippe und kramte ihre Mobiltelefon aus ihrer Tasche. Choji. Tief durchatmend hob sie ab. „Ino, ist was passiert?“, ertönte die besorgte Stimme ihres Freundes am anderen Ende der Leitung. Ino befürchtete, dass Shikamaru sie hören konnte, weshalb sie ihre Stimme senkte und den Rücken gegen die Haustüre lehnte. „...Wo warst du?“ „Mit meinem Vater bei Bekannten, die hier seit einigen Jahren wohnen. Was ist los, ich versteh dich kaum?“ Ino schluckte und schloss die Augen. Jetzt bloß keinen Rückzieher machen. „Choji, ich brauche eine Auszeit. Ich stehe gerade vor Shikamarus Haustüre... ich... i-ich muss mit ihm sprechen. Ich habe ihn in der Stadt getroffen und alles ist hochgekommen“, ratterte sie möglichst leise runter. Stille von Seiten Chojis. „Ich weiß, ich bin eine miese Freundin und eine noch miesere Partnerin“, stöhnte Ino leise. „Aber ich muss mit Shikamaru sprechen, um mir klar zu werden, was damals schief gelaufen ist. Keine Ahnung, wie das weitergeht-“ „Ino.“ „...keine Ahnung, was ich will, ich weiß nur, dass du Recht hattest. Ich muss mich mit ihm-“ „Ino.“ „...auseinandersetzen, sonst-“ „Ino!“ Ihre Stimme war immer lauter und hektischer geworden und somit auch Chojis, wenn er auch nicht sauer, sondern verständnisvoll wirkte. „Hör zu. Setz dich jetzt ins Auto und fahr zu meiner Wohnung. Du hast einen Schlüssel... Geh rein, leg dich hin und ruh dich aus und vor allem: beruhig dich. Alles ist okay. Ich hocke mich jetzt ins Auto und komme zurück. In fünf Stunden bin ich bei dir und erkläre dir alles – und dann überlegen wir zusammen, wie es weitergeht.“ Seine Stimme war ruhig und langsam, gar nicht panisch und hektisch, wie ihre. Inos Atem war unregelmäßig, fast als wäre sie hierher gerannt. „Choji...“ „Mach das bitte. Mach dir einen Tee, du weißt wo alles ist. Ich beeil mich.“ Ino schluckte und ihre Beine drohten nachzugeben, doch sie fing sich. „Okay. Fahr vorsichtig.“ Und mit den Worten legte sie auf und ließ den Arm resigniert sinken. Auf ihr Handy blickend, war sie schon auf halbem Weg die Treppen runter, als sie plötzlich ein Geräusch über sich wahrnahm. „Ino!“ Sofort fuhr Ino herum und wäre fast gestolpert. Doch das, was sie sah, versetzte ihr nicht nur einen Stich, sondern ließ Wut aufwallen. Im ersten Stock war das Fenster geöffnet worden und heraus lehnte sich niemand anderes als Temari. Und nach dem, was Ino sah, trug sie nichts anderes als einen Bademantel, den Ino als Shikamarus einordnete. Doch das war nur die Spitze des Eisberges. Am Fenster neben diesem lehnte Shikamaru, mit dem Rücken zur Scheibe und blickte nicht nach draußen. Von dem, was Ino erkennen konnte, war zumindest sein Oberkörper nackt. Was sollte der Mist? Welches Spiel spielten die beiden hier? Gleichermaßen sauer und enttäuscht wegen ihrer eigenen Blödheit, verengte Ino die Augen und presste die Zähne aufeinander. Den Blick abwendend, ging sie wortlos schnellen Schrittes zu ihrem Auto. Wie dumm war sie gewesen zu glauben, was Temari ihr da gesagt hatte? Von wegen, zwischen den beiden lief nichts! Was ging hier ab, dass Temari ihr sagte, Shikamaru liebte sie noch und nun das?! „Ino, warte! Willst du nicht mit Shikamaru sprechen? Ino!“, hörte sie Temaris Stimme hinter sich, ehe sie in den Wagen einstieg und die Türe hinter sich zuschlug. Ein letzter Blick zum geöffneten Esszimmerfenster, sah Ino, dass Shikamaru mit genervtem Blick über die Schulter zu ihr hinunter blickte, ein Bild, dass sich in ihren Kopf brannte. Dann sah sie noch, wie Temari das Fenster schloss und Shikamaru scheinbar anfuhr und eine Diskussion mit ihm begann. Doch Ino wartete nicht, um herauszufinden, was los war... Vom Zusammenpressen der Zähne tat ihr Kiefer weh und verkrampfte sich, doch der Schmerz war ihr nur recht. Den Wagen startend, rauschte sie mit regelrecht quietschenden Reifen ab. Was fiel Shikamaru eigentlich ein? Was in aller Herrgotts Namen ging hier ab? Doch eines war sicher: scheiß egal, welches Spiel hier gespielt wurde, sie klinkte sich aus. Game over, sie spielte nicht mehr mit. Do you need some time on your own? Ino trat aufs Gas und nahm scharf die nächste Kurve. Schluss damit, Schluss mit den ganzen Lügen. Do you need some time all alone? Ino schaltete den Scheibenwischer ein und ignorierte, wie der hintere Teil des Wagens wegrutschte, als sie die Kurve nahm. Das Radio laut einschaltend, biss sie sich auf die Lippe. Sie hatte alle verloren, die ihr wichtig waren. Und es war ihre eigene Schuld – Ino ertrug die Wahrheit nicht, musste sie sich aber nun eingestehen. Sie hatte es vermasselt. Everybody needs some time on their own Mit quietschenden Reifen und einem Aufjaulen ihres Wagens, bog sie in die Straße ein, in der Choji wohnte. Don't you know you need some time all alone? Ohne Rücksicht auf ihr zehn Jahre altes Auto zu nehmen, ging sie vor Chojis Wohnung in die Eisen, stellte den Wagen ab. Sich ihre Tasche schnappend, kramte sie ihren Schlüssel heraus und fand sich wenige Augenblicke in der geräumigen Wohnung ihres Freundes wieder. Die Türe schließend, warf sie ihre Tasche ungeachtet in eine Ecke. Weniger hastig als zuvor schritt sie durch die Wohnung und blickte sich um. Vor den Bildern, die im Flur an der Wand hingen, blieb sie stehen. Auf keinem war Shikamaru mehr zu sehen. Ino zuliebe hatte Choji sie alle abgehängt... er hatte ihn ihr zuliebe einfach gelöscht. Einfach so. Bilder von ihr und von Choji, von Choji und seinen Eltern, von Ino alleine im Freizeitpark im Sommer, eines von Sakura und ihr... Was hatte Ino das letzte Jahr über getrieben? All das schien ihr in dem Moment so weit weg. Und ihr Körper war vollkommen taub, fühlte sich abgestumpft an, als wäre es nicht ihr eigener. Die Bilder und den Flur hinter sich lassend, trat sie ins Wohnzimmer und schaltete das Licht an. Sie wusste nicht so recht, wonach sie suchte. Vielleicht eine Antwort darauf, wer sie war und wo sie sich verloren hatte... Aber insgeheim wusste Ino, dass sie die Antwort hier nicht finden würde. Erst dann fiel ihr Chojis Terminkalender ins Auge, der auf seinem Schreibtisch lag. Wieso genau sie nun dorthin ging und ihn durchblätterte, war ihr gänzlich unklar. Eigentlich war das Chojis Privatsphäre, die sie bisher immer sehr hoch geschätzt hatte. Mit dem Daumen die Seiten durchblätternd, fiel ihr immer wieder Shikamarus Name ins Auge. Sie hatte nicht gewusst, dass die beiden sich so oft trafen... Fast jede Woche stand ein Treffen mit Shikamaru im Kalender, was Ino zeigte, dass sie gar nichts mitbekommen hatte. Sie wusste, dass Choji sich mit ihm traf, ab und an, aber ab und an hieß für sie nicht fast jede Woche. Was trieben hier alle hinter ihrem Rücken. Ino ließ den Kalender aus ihren Fingern gleiten und mit einem platschenden Geräusch auf den Schreibtisch fallen. Draußen herrschte Finsternis, da die Straßenlaterne ausgefallen war und der Raum wurde von der Energiesparbirne nur spärlich beleuchtet. Mit leerem Kopf ließ sich Ino auf das Sofa sinken und erst dann fiel ihr ein Briefumschlag auf, der im Bücherregal lag. Langsam erhob sich die Yamanaka und schlurfte zu dem Regal, nahm den bereits geöffneten Umschlag und zog eine Postkarte heraus. Auf der Vorderseite war ein Wüste mit einer Oase zu sehen und als Ino die Postkarte herumdrehte und die Nachricht las, begannen ihre Hände zu zittern. 'Hey Großer, Grüße aus Ägypten! Das Wetter ist genial und das Hotel spitze. Temari & Shikamaru.' Ino erkannte die Unterschrift ihres ehemaligen Verlobten und sah am Datum, dass die Postkarte von diesem Sommer stammte. In dem Moment brach die Verzweiflung aus ihr heraus, doch anstatt hysterisch zusammenzubrechen ließ sie die Tränen Tränen sein, steckte zittrig die Postkarte zurück in den Umschlag und blickte mit einem ungekannten Wahnsinn in den Augen in den Flur. Ein Augenblick verging, in dem Ino sich nicht rührte, ehe sie plötzlich entschlossen durch den Flur ins Badezimmer rauschte und dort den Medizinschrank aufriss. Sie wollten sie fertig machen... Alle hatten sich gegen sie verschworen. Doch so nicht, nicht mit ihr. Da hatten sie sich die Falsche ausgesucht. Die Medikamente durchkramend, wurde Ino schnell fündig. Nach den Schlaftabletten greifend, machte sie sich nicht einmal die Mühe, die Schranktüre wieder zu schließen. Ino blickte in den Spiegel. Ihre Augen waren rot, sie hatte Augenringe und sah krank aus. Krank, ja. Die machten sie alle krank! Mit einer Hand am Waschbecken abgestützt, hielt sie in der anderen die Glasflasche mit den Tabletten. Ihre Hände kurz verkrampfend, öffnete sie dann die Flasche und kippte sicher die Hälfte des Inhalts in ihre andere, bebende Handfläche. In dem Moment ließ sie ihr halbes Leben Revue passieren... „Ino, kommst du mal runter, wir haben Besuch!“ Inoichis Stimme hallte durchs Haus und Ino, die in ihrem Zimmer gerade mit ihren neuen Puppen spielte, schaute auf. Sie mochte Besuch nicht, wieso sollte sie denn nun runter? Mit etwas verzogenem Gesicht legte sie ihre neuen Spielsachen sorgfältig nebeneinander und betrachtete sie lächelnd, ehe sie aufstand und ihr Kinderzimmer verließ. Immer zwei Stufen nehmend, hüpfte sie die Treppen nach unten. „Hopp.“ Dabei schaute sie auf ihre Füße, doch als sie unten ankam, starrte sie auf zwei unbekannte Fußpaare. Blinzelnd blickte sie auf. Vor ihr stand ein Junge mit dunkelbraunen Haaren und lächelte sie an. „Hallo.“ Hinter ihm stand ein Mann, den Ino als einen alten Freund ihres Vaters identifizierte. „H-hallo.“ Inoichi ging mit einem breiten Grinsen auf seine Tochter zu und legte seiner Tochter eine Hand auf die Schulter. „Ino-hime, das ist Shikamaru, der Sohn von Shikaku, ihn kennst du doch, oder?“ Lieb schmunzelte Shikaku Ino an und stieß seinen Sohn leicht an. „Das ist Ino-chan. Vertragt euch.“ Inos blaue Augen blickten in die skeptischen dunklen Augen ihres Gegenüber. Sie verzog den Mund. „Du guckst so komisch.“ „Mädchen sind nervig.“ Shikamaru gab ein Murren von sich und blickte fast vorwurfsvoll zu seinem Vater auf. Im nächsten Augenblick klingelte es an der Türe. „Das müssen Chouza und Choji sein. Seid lieb zueinander, Kleines.“ Und damit ließ Inoichi die Hand von Inos Schulter sinken und ging zur Türe. „Magst du Wolken?“, fragte Shikamaru plötzlich, wobei Ino ihrem Vater noch hinterhergeblickt hatte, dem Shikaku zur Tür folgte. „Was ist denn an Wolken so toll?“ Die Sechsjährige verschränkte die Arme. „Hey Ino-chan.“ Temari grinste ihre Freundin an, als diese in die Klasse gestürzt kam. Gerade noch rechtzeitig zum Gong. Temari saß mit überschlagenen Beinen auf ihrem Platz und schaute sie keck an. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“ Und mit den Worten entschränkte sie ihre Beine und griff nach ihrer Wasserflasche. Ino schnaubte, strich sich die Bluse ihrer Schuluniform zurecht und ging zu ihrem Platz neben ihrer Freundin. „Das Beste kommt eben immer zum Schluss“, zickte Ino und grinste herausfordernd. Temari hmpfte. „Tze. He, Ino?“, fragte sie dann und drehte ihre Flasche zu. „Hm?“ „Ich bin enttäuscht, dass du mir nicht gesagt hast, dass du verliebt bist.“ Temari schloss die Augen und senkte leicht grinsend den Kopf. Kaum waren die Worte ausgesprochen wurde Inos verdutzter Blick erschrocken. Sie spürte, wie die Wärme in ihre Wangen schoss. „In Sasuke und das schon seit der fünften Klasse. Was willst du eigentlich, dass weißt du-“ „Das meine ich nicht.“ Temari schaute nun etwas ernster auf. Dabei senkte sie ihre Stimme und deutete mit dem Kopf zur hintersten Bankreihe, in der Shikamaru mit Choji saß. Inos Atem stockte. Wie hatte Temari-? „Ino, ich kenne dich. Ich habe jetzt lange genug gewartet, dass du es mir erzählst.“ Temari verschränkte die Arme vor der Brust. Ino biss sich auf die Lippe und schielte ihre Freundin an. „Und? Wo ist das Problem?“ „Das kennst du.“ Temaris Stimme wirkte düster, doch wieder lag ein unergründliches Grinsen auf ihren Lippen. „Das macht uns zu Rivalinnen.“ Ein Faustschlag. Inos Augen weiteten sich in Schock. Genau deshalb hatte sie es ihr nicht erzählt... Nicht schon wieder. „Shikamaru! Choji!“ Ino winkte ihrem langjährigen Freund, der gerade mit Choji auf der Parkbank saß und die Wolken betrachtete. Die beiden Jungen schauten verwirrt auf. „Oi, Ino.“ Choji legte ein Lächeln auf und stand auf, um seine beste Freundin mit einer Umarmung zu begrüßen. Ino grinste von einem Ohr zum anderen und beugte sich nach vorne, die Hände an den Hüften. „Hey, was haltet ihr davon, wenn wir am Wochenende zelten gehen?“ Choji blinzelte, während sich Shikamaru am Hinterkopf kratzte. „Uhm...“ Choji schielte seinen besten Freund von der Seite an. „Können wir das auf nächstes Wochenende verschieben?“, nahm er Shikamaru die Frage ab. „Häää? Wieso? Habt ihr etwas vor?“ Ino legte den Kopf schief und blickte von einem zum anderen. „Ich bin Samstag verabredet, gomene“, murmelte Shikamaru und wurde etwas rot. Inos feixendes Gesicht wurde ernster. „Du bist verabredet?“ „Hai, Temaris Mutter hat mich zum Essen eingeladen. Echt nervig, aber da kann ich schlecht nein sagen, oder? Eine Frau lehnt man nicht einfach so ab...“ Ino verzog den Mund und auch Choji wirkte angespannt. „Öhm, Shikamaru...“ „Du hast mich auch gerade abgelehnt!“, knirschte Ino. Shikamaru schaute perplex auf. „I-Ino... Aber... na ja, du bist was anderes...“ „Ino, lass uns wetten“, meinte Temari plötzlich und blickte von ihrem Bento auf. Ino stockte und blickte aus dem Augenwinkel zu ihrer Freundin. „Wer von uns kriegt Shikamaru rum?“ Die Worte hallten in Inos Kopf wider und die Oberschülerin biss sich auf die Lippe und schwieg einen Moment, ehe es aus ihr herausplatzte: „Mit dir brauche ich nicht zu wetten. Du hast eh keine Chance! Was sollte er mit einer wollen, die zwei Mal sitzen geblieben ist?!“ Temaris Gesichtsausdruck änderte sich, wurde zu einer Maske. Sie stand vor der Holzbank auf und blickte Ino von oben herab an. „Du weißt, dass ich nicht zwei Mal sitzen geblieben bin! Meine Mutter ist gestorben, Ino. Darüber macht man keine so blöden Bemerkungen.“ Ino winkte herausfordernd ab. „Und du bist trotzdem sitzen geblieben“, gluckste sie aufgesetzt und stand ebenfalls auf. Der Wind wehte durch die Haare der Mädchen, als sie sich in Rivalität gegenüberstanden. „Das zweite Mal war ich lange krank und habe freiwillig wiederholt und das weißt du auch!“, keifte Temari gereizt. Nun hatte Ino es auf die Spitze getrieben... „Ino? Wieso bist du hier draußen?“ Ino hockte im Abendkleid auf einer der Holzbänke vor der großen Sporthalle. Es war nicht nur ziemlich frisch, sondern auch noch stockdunkel und nass. Was glaubte Shikamaru denn, wieso sie hier draußen saß? Verletzt blickte sie zu ihm und unterdrückte die aufkommenden Tränen. Sich die Arme etwas reibend, senkte sie den Blick. „Wieso interessiert dich das?“, fragte sie um Fassung bemüht und ballte die Hände in ihrem Schoß nun zu Fäusten. Sie konnte den verwirrten Blick des Nara förmlich spüren und hörte die Schritte, die auf sie zukamen. Ino wandte den Blick ab und kaute auf ihrer Unterlippe herum. Shikamaru seufzte, ließ sich neben sie auf die Bank sinken und zog sein Jacket aus, legte es Ino um die Schultern, was die Yamanaka zu ihm aufsehen ließ. Shikamaru legte die Unterarme auf seine Beine und blickte in den bewölkten Nachthimmel. „Es ist wegen Temari, oder?“, fragte er dann nüchtern und blickte seiner Freundin in das von der Laterne spärlich belichtete Gesicht. Dennoch entgangen ihm nicht die Tränen, die nun über ihre Wangen flossen und etwas überfordert blinzelnd, wischte er ihr mit dem Handrücken die Tränen weg. „Hey, wieso weinst du jetzt?“ „Was läuft zwischen dir und Temari?“, fragte Ino schluchzend und zog das Jacket fester um ihre Schultern. Nicht nur, dass ihr Cocktailkleid gerade mal bis über die Knie reichte, es war auch schulterfrei und nicht gerade die beste Wahl für den Abschlussball gewesen, wenn Ino überlegte, wie kühl es draußen war. Aber sie hatte auch nicht geplant, die Hälfte der Feier hier draußen zu verbringen. Zunächst antwortete der Nara ihr nicht, schnaubte stattdessen, ehe er einen Arm um ihre Schulter legte und sie an seine Brust zog. Dabei waren seine Augen gen Himmel gerichtet. Fast schon erschrocken spannte Ino sich kurz an, ehe ihre geweiteten Augen aber ruhiger wurden und sie sich gegen ihn schmiegte. „Zwischen Temari und mir läuft gar nichts.“ Ino schluckte. Eine Weile herrschte nun absolute Stille, in der Ino gegen seiner Brust lehnte und die Augen schloss. Nur langsam konnte sie den Mut fassen aufzublicken. „Shikamaru?“ Ihre Stimme klang entschlossen und sicherer als zuvor. Der Nara schielte aus dem Augenwinkel zu ihr. „Hm?“ Ino knackte etwas nervös mit ihren Fingern. Am liebsten hätte sie weggesehen, zwang sich aber, ihm in die Augen zu schauen. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, als sie den Mund öffnete. „I-ich liebe dich.“ Und bei den Worten stiegen ihr erneut Tränen in die Augen, als sie seinen zunächst undefinierbaren bis erschrockenen Blick sah. „Ino...“ „Ino-Pig, hier ist Sakura.“ Dabei hörte Ino die Ernsthaftigkeit ihrer Freundin am anderen Ende der Leitung. Die Yamanaka gab ein Murren von sich. „Da wäre ich nie drauf gekommen“, stichelte sie mit müder Stimme und schaltete die Nachttischlampe an. „Was ist denn los, dass du mich mitten in der Nacht anrufst?“ Sakura atmete kurz durch, ehe sie hektisch meinte: „Ino, du musst sofort herkommen... ich bin auf der Landstraße, wo wir letztes Wochenende gepicknickt haben. Bitte beeil dich!“ Sofort war Ino wach und hellauf alarmiert. Sie sprang förmlich aus dem Bett. „Was ist passiert?“, fragte sie sofort. Doch anstatt dass eine Antwort kam, ertönte ein monotones Piepsen. Das Gespräch war abgebrochen. Panisch hatte Ino sich angezogen, ihren Autoschlüssel geschnappt und war im Bademantel und Hausanzug ins Auto gestiegen. Sich das Schlimmste ausmalend, war Ino aus der Stadt gefahren, hatte jegliche Verkehrsregeln gebrochen und hatte sicherlich das Tempolimit innerorts um 20 km/h überschritten. Allerdings konnte sie das schwer sagen, denn dummerweise sponn momentan ihr Tacho. Sobald Shikamaru von seiner Studienfahrt zurückkam, musste er unbedingt mit seinem Bekannten in der Werkstatt sprechen... Ino bog auf die Landstraße ab, sah dann allerdings schon von Weitem Funken. Das Tempo verringernd, schaute sie irritiert zu den näher kommenden Lichtern und hielt ihren Wagen schließlich, einige Meter von Sakuras... und Shikamarus entfernt. Was war hier los? Sie sah Sakura in ihren Wagen steigen, konnte allerdings ihr Gesicht nicht sehen. Dann sah sie ihren Freund aus der Wiese auf sich zukommen und langsam schaltete sie den Motor aus. Die Lichter entpuppten sich als Laternen, die an den Bäumen rundherum aufgehangen worden waren und Kerzen... Kerzen, die im Gras eine Herzform bildeten, wie Ino nun erkannte. Sprachlos hielt sie sich eine Hand vor den Mund. Was zum-? Shikamaru öffnete mit einem warmen Lächeln die Fahrertüre und zitternd schnallte Ino sich ab. Shikamaru reichte ihr stumm eine Hand, die sie nahm, um sich beim Aussteigen helfen zu lassen. Erst jetzt sah sie, dass überall auf dem Weg und um die Kerzen herum rote Rosenblätter verstreut lagen. „Shikamaru, du-“ „Komm mit.“ Mit ruhiger Stimme führte er Ino durch das Gras zu dem Herz aus hohen, roten Kerzen. Allmählich kamen Ino Tränen, sie ahnte schon, was folgen würde, wenn sie auch nie damit gerechnet hätte. Der Himmel war Sternen klar und der Vollmond schien in diesem Moment nur für sie zu strahlen... In der Mitte des Herzens lag eine Decke, auf die Shikamaru sich kniete und als er zu Ino aufblickte, schien er sich beherrschen zu müssen, nicht über ihre plötzlichen Tränen zu erschrecken. Sein Gesicht wurde etwas ernster, regelrecht nervös und Ino schluckte, drückte seine Hand etwas. „Ich bin nicht gut in solchen Sachen“, begann er ruhig und fast schon beschämt, was Ino trotz der Tränen ein Schmunzeln auf die Lippen zauberte. „Aber die letzten Jahre, die wir miteinander verbracht haben, habe ich verstanden, was mein Vater damals meinte, als er mir sagte, dass Frauen, egal wie eigenwillig sie sind, auch ihre süßen Seiten haben. Ich habe erkannt“, setzte er langsam weiter an und zwang sich offensichtlich ihr in die Augen zu blicken, wobei das Kerzenlicht ein Schattenspiel auf sein Gesicht warf. „...dass so anstrengend eine Beziehung auch ist... es lohnt sich. Und... Und mit dir habe ich gelernt, was es heißt, sich immer wieder neu in eine Frau zu verlieben. Ich weiß, ich bin ein Idiot und stinkfaul...“ Ino unterdrückte ein Schluchzen und musste leise glucksen. „Und eigentlich wollte ich nie eine Frau, die so wunderschön und bestimmend ist, wie du es bist – aber heute weiß ich, dass ich keine andere Frau an meiner Seite mehr ertragen könnte und dass ich“, er senkte kurz den Blick, schaute dann aber wieder in Inos blaue und verweinte Augen. „...dass ich den Rest dieses blöden Textes vergessen würde.“ Er kratzte sich an der Wange und Ino musste auflachen. „Aber“, meinte Shikamaru dann entschlossen. „Ich liebe dich über alles, Ino Yamanaka und deshalb...“ Er griff in seine Jackentasche und zog ein Schmuckkästchen heraus, dass er mit der gleichen Hand etwas umständlich öffnete... ... Bei dem Gedanken an jenen Tag rollten unzählige Tränen über Inos Wangen und die Glasflasche entglitt ihrer Hand und fiel auf die Fußmatte, wobei sich der Rest des Inhaltes über den Badezimmerboden verteilte. Die Tabletten in der anderen Hand, rutschte Ino schluchzend am Waschbecken hinab und sank auf den Boden, nach vorne gebeugt, die Arme um sich legend. Verzweifelt schrie sie... „Ino, nun fahr langsamer, wir haben wirklich Zeit.“ Inoichi stöhnte genervt. Seine Tochter gab ein Grummeln von sich und schielte ihren Vater an. „Du wirst nicht zu spät kommen!“ „Ino, du baust noch einen Unfall, es ist nicht tragisch, wenn ich zu spät komme!“ Ihr Vater wirkte allmählich ungehalten. Schon seit sie von zu Hause losgefahren waren, trat Ino das Gaspedal eindeutig zu weit durch, um nicht zu sagen, sie fuhr wie die letzte Sau. In dem Moment wünschte er sich, er hätte seine Frau gefragt und nicht Ino. Aber wo sie schon mal seit Monaten wieder bei ihnen übernachtet hatte, wollte er eben etwas mehr Zeit mit ihr verbringen, bevor sie wieder nach Hause fuhr. „Ich hätte deine Mutter bitten sollen, mich zu fahren.“ Ino gab ein deutlich gestresstes Geräusch von sich. „Lässt du mich jetzt mal in Frieden? Ich kann Auto fahren! Und wenn ich geblitzt werde, ist es mein Problem. Das ist mein Auto, also mach keinen-“ … Ein Schrei ihres Vaters, alles ging rasend schnell. Ino sah das Reh auf der Straße zu spät, weil sie zu ihrem Vater geblickt hatte und als er aufschrie, verriss sie reflexartig das Lenkrad. Ein Schleudern, sie schlug sich den Kopf an. Dann wurde alles schwarz. Alles war schwarz geworden, Ino hob ihre bebende Hand an ihren Mund. Noch einmal. Noch ein letztes Mal würde alles schwarz werden. Sie schloss die Augen, die andere Hand in die Badezimmermatte krallend. Choji, vergib mir. Als Choji seine Wohnung betrat und den Autoschlüssel an das Schlüsselboard neben der Türe hängte, kam ein seltsames Gefühl in ihm auf. Inos Auto stand vor der Türe und auch ihre Schuhe und ihre Tasche standen hier. Doch in der Wohnung herrschte Totenstille. Er war sich nicht sicher, wieso ihn das beunruhigte, zumal er ihr gesagt hatte, dass sie sich ausruhen sollte. Dennoch, irgendetwas war seltsam. Er schaltete das Licht im Flur an und sah vom Flur aus, dass Ino im Wohnzimmer auf dem Sofa lag – ohne Decke, mit ihren normalen Klamotten. Verwundert verzog Choji das Gesicht. Das sah Ino gar nicht ähnlich, normalerweise war ihr doch immer kühl. Wieso hatte sie nicht die Wolldecke genommen, die über der Sessellehne lag? Choji schloss die Türe hinter sich und zog möglichst leise seine Schuhe aus. Seine Reisetasche stellte er achtlos neben Inos Handtasche ab, ehe er unerwartet geräuschlos ins Bad ging. Doch als er das Licht einschaltete, erstarrte er in der Bewegung. Auf dem Boden lag die Glasflasche mit Schlaftabletten, die Ino wegen ihrer Schlafstörungen und Depressionen bekommen hatte. Sämtliche Pillen lagen auf dem Boden verstreut... Mit weit aufgerissenen Augen löste Choji sich aus seiner Starre und stürmte panisch aus dem Badezimmer ins Wohnzimmer. „Ino!“ Das durfte nicht sein, das konnte nicht sein... das hatte sie nicht wirklich getan! Sein Herz setzte regelrecht aus, als er sich neben Ino aufs Sofa setzte und ihren Körper, der von ihm abgewandt war, anhob. Ihre Haut war kalt. „Ino!“ Chojis Stimme hallte durch die Wohnung, als er den Oberkörper seiner Freundin in seinen Arm zog. Hektisch suchte er nach ihrem Puls, doch in dem Moment, als seine Hand ihr Handgelenk berührte, zuckten Inos Gesichtszüge. Stöhnend öffnete die Yamanaka die Augen. „Choji~ Schrei hier nicht so rum“, gab sie verschlafen von sich und rieb sich über die Augen, blickte, den Schlaf fortblinzelnd in die Augen ihres Freundes. In dem Moment fiel Choji ein Stein vom Herzen und er schloss die Augen, murmelte etwas, das Ino nur als 'Gott sei Dank' identifizieren konnte und drückte Ino an sich, das Gesicht an ihrer Schulter regelrecht vergrabend. Ino keuchte und brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen. „Choji?“, fragte sie besorgt. „W-was ist los?“ Vorsichtig legte sie die Arme um ihn und strich ihm über den Rücken. Im gleichen Moment jedoch drückte Choji sie von sich, wodurch Ino nun mehr vor ihm saß, als lag. Ihre Schultern greifend, blickte er sie streng an. „Was hast du mit den Tabletten gemacht, Ino?!“ Dabei standen Tränen in seinen Augen, was Ino nur durch das fahle Licht aus dem Flur heraus wahrnahm. Ino blinzelte, als hätte sie seine Frage nicht verstanden, ehe ihr dämmerte, was er da gerade gefragt hatte. Erschrocken starrte sie ihn an. „T-tabletten?“ Chojis Blick durchbohrte Ino regelrecht, als er die Arme von ihren Schultern sinken ließ. „Die Schlaftabletten, die im Bad verstreut liegen. Du weißt genau, was ich meine.“ Inos Gesicht wurde strenger, als sie aufstand. „Nun hör mal! Ich konnte nicht einschlafen und habe eine genommen. Vielleicht ist die Flasche ja heruntergefallen.“ Regelrecht schmollend verschränkte sie die Arme. Sie war eine miserable Schauspielerin und das wusste sie. Und dass Choji ihre Aussage seufzend so stehen ließ, lag wohl nur daran, dass er müde war. Immerhin hatte Ino ihn nicht nur mitten in der Nacht aus dem Bett geholt, sondern ihn auch dazu verleitet, nach Hause zu fahren. „Okay, ich sammle eben die Tabletten auf und koche dann Kaffee“, murmelte er und erhob sich etwas schwerfällig. In dem Moment, in dem Choji in den Flur verschwand, keimten Schuldgefühle in Ino auf. Sie ließ sich aufs Sofa zurück sinken und fuhr sich durch die zerzausten Haare. Scheiße. Sie hatte es ihm einfach nicht antun können, heim zu kommen und sie dann im Bad vorzufinden. Das hatte er nicht verdient. Sie hatte ihm den Urlaub versaut, aber diesen Anblick hatte sie ihm ersparen wollen. Also tat sie gute Miene zum bösen Spiel, wie gewöhnlich. Wie immer. „Choji!“, rief sie dann halblaut ins Badezimmer. Und damit stand sie wieder auf und ging in den Flur, in den auch ihr Freund gerade wieder trat und sie fragend anblickte. Seufzend ging sie zu ihm und streichelte ihm mit traurigem und leeren Blick über die Wange. „Du bist müde, lass uns schlafen.“ Choji blinzelte. „Ino... aber-“ „Nein, nichts aber.“ Weich lächelte sie ihn an. „Das ist nichts, was nicht bis morgen warten kann, ok?“, fragte sie dann leise und ließ die Hand sinken. Der Akimichi schaute Ino überrumpelt und nun etwas aufgebracht an. „Ino! Ich bin gerade wie ein Irrer vier Stunden hierher gefahren, weil du völlig aufgelöst wirktest-“ Dann schien er aber seinen Fehler zu bemerken und wurde sofort ruhiger. Er senkte den Blick. „Nein, schon gut, es ist mein Fehler, dass es so weit gekommen ist. Lass uns etwas schlafen und dann erkläre ich dir alles.“ Dabei schloss er resigniert die Augen. Ino schaute ihn stumm an. Nicht, dass sie nicht wissen wollte, was hier die ganze Zeit hinter ihrem Rücken vorgegangen war, aber eigentlich... eigentlich erlaubte sie sich keine Hoffnungen mehr. Die Traumblase war geplatzt. Das war Realität. Die Realität, vor der sie weggelaufen war. Es war real, dass sie am Tod ihres Vaters Schuld war. Es war real, dass sie ihren Verlobten an Temari verloren hatte. Es war real, dass sie sich etwas vorgemacht hatte und Choji kein bisschen liebte wie einen Partner, sondern nur wie ihren besten Freund. Und es war beschissen real, dass sie sich eben fast umgebracht hatte. So gesehen... war es egal, was Choji ihr sagte. Die Gründe waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn ändern... würde das nichts mehr. Und doch kam alles anders als geplant. Choji wurde drei Stunden später aus dem Bett geklingelt. Seine Mutter war die Treppe heruntergefallen und so war es wohl ein Wink des Schicksals, dass er früher zurückgekommen war. Er sprang aus dem Bett und zog sich an. Ino schaute verschlafen auf, als ihre Wärmequelle verschwunden war und rieb sich die Augen. „Was ist los?“ „Meine Mutter ist gestürzt. Ich muss sie ins Krankenhaus fahren.“ Und mit den Worten warf er ihr ein entschuldigendes und entwaffnendes Lächeln zu. „Gomene, ich beeile mich.“ Stumm sank Ino zurück auf ihr Kissen und blickte aus dem Fenster, als sie die Tür ins Schloss fallen hörte. Zwischen den Wolken der letzten Tages brachen Sonnenstrahlen und ließen den Tag so friedlich beginnen. Es wirkte, als würde der Tag perfekt werden und als gäbe es kein Leid mehr, nur noch angenehme Ruhe und die Wärme der Sonnenstrahlen. Doch der Schein trügte. Als Ino aufstand und das Fenster öffnete, spürte sie nichts als den kalten, beißenden Wind. Sie schaute zu, wie Choji ins Auto stieg und davonfuhr, ehe sie fröstelnd das Fenster wieder schloss. Und gerade, als sie das Bett am machen war, fiel ihr ein, dass sie Sakura vergessen hatte. Auf die Uhr blickend vermutete sie, dass ihre Freundin bald ihre Abwesenheit bemerken musste, weswegen sie schnell nach ihrem Handy griff und sich bei Sakura per SMS entschuldigte, abgehauen zu sein – dass sie aber etwas raus musste und Choji nach Hause gekommen war diese Nacht. Außerdem schrieb sie knapp, dass Choji ihr erklären würde, was er ihr bisher bezüglich Shikamaru verheimlicht hatte. Sie schickte die drei Nachrichten ab und legte ihr Handy auf den Nachttisch, ehe sie die Bettdecken aufzuschütteln begann. Die Depression, die sie letzte Nacht fast in den Selbstmord getrieben hatte, wurde durch Leere ersetzt, ein Gefühl, das aber wenigstens nicht so gefährlich war, wie das, alles falsch gemacht zu haben. Alles falsch gemacht zu haben und ihrerseits nur hintergangen worden zu sein... Als Ino zwanzig Minuten später am Küchentisch saß und ein Toastbrot hinunter zwang, hörte sie ihr Handy. Doch wider erwartend war es nicht Sakura, die ihr geschrieben hatte, sondern eine ihr unbekannte Nummer. Die Augenbrauen zusammenziehend las Ino die Nachricht und ihr wurde ziemlich schnell klar, von wem sie kam. „Temari“, knirschte Ino und spürte ein Brennen in ihrer Brust. Sie wollte sich mit ihr treffen. Gleich, zum Frühstück. Doch als Ino auf die Uhr schaute, stellte sie fest, dass sie in drei Stunden den Laden öffnen musste. Nein, für ein Gespräch hatte sie nun keine Zeit. Und wieso sie überhaupt auch nur darüber nachdachte, darauf einzugehen, war ihr selbst unerklärlich. Deshalb antwortete die Temari zunächst nicht und trank ihren Kaffee aus, ehe sie eine SMS von Sakura bekam, in der sie erst einmal zusammen gefaltet wurde, weil sie einfach abgehauen war. „Typisch Sakura.“ Und erst, als Ino auf dem Weg zum Laden war, entschloss sie sich, Temari zurückzuschreiben. Sie würde sich mit ihr treffen, was hatte sie denn noch zu verlieren? Also schrieb sie noch auf dem Weg in die Stadt Temari zurück, ein Auge auf der Straße. 'Heute Abend, 20 Uhr. Café Kuro in der Innenstadt. Sei pünktlich, ich warte nicht.' Damit ließ sie sich auf ein Gespräch ein, dass sie von vorn herein als einzige Lüge ansah. Was wollte Temari ihr groß erzählen? Wenn sie das Gleiche wusste, wie Choji war es vielleicht die Wahrheit, aber eine Wahrheit, die sie Monate zuvor vielleicht interessiert hatte und jetzt nicht mehr war, als der Hintergrund hinter ihrem Papierblumentraum. Aber sie würde es sich anhören, so, wie sie Choji zuhören würde, wenn er am Abend mit ihr sprechen würde. Ob sie allerdings bis zum Ende zuhören konnte und wollte, würde sich dann zeigen. Gerade als Ino die Türe zum Laden aufschloss rief Choji sie an und sagte ihr, dass seine Mutter sich das Bein gebrochen hatte und er daher erst am Abend nach Hause kommen würde – das traf sich gut und passte in ihren Plan. Jedoch erzählte sie ihm nichts davon, dass sie sich mit Temari treffen würde. Erst wollte sie von ihr wissen, was sie ihr so dringend zu sagen hatte und dann sah sie weiter. Also sagte sie Choji, dass es bei ihr etwas später werden würde, weil sie sich noch mit einer Bekannten treffen wolle... Wenn sie nur gleich geahnt hätte, dass alles, was Temari ihr erzählen würde, ein Haufen Müll und leere Worte waren. Denn als etwas anderes konnte sie das, was die dumme Kuh ihr zu verklickern versuchte, nicht sehen. „...du willst mir ernsthaft – um das noch einmal zusammenzufassen – sagen, dass ich unbedingt mit Shikamaru sprechen muss, weil damals ja ach so viel schief gelaufen ist und er es letzte Nacht nicht fertig gebracht hat, mich zu bitten, reinzukommen?!“, fragte Ino ungläubig und mit deutlich strengem Gesichtsausdruck. Die beiden Frauen saßen in einer ruhigeren Ecke des Cafés auf der Eckbank. Ino hielt mit den Händen ihre Kaffeetasse umklammert und schielte skeptisch zu Temari, die seitlich um die Ecke saß. Auf dem Tisch brannte eine Kerze, was das etwas düstere und eigentlich romantische Flair des Cafés besser zur Geltung brachte. Doch Ino war eher zum Heulen zumute. Mittlerweile wusste sie nicht mehr, ob sie sich mit Shikamaru auseinandersetzen wollte oder nicht. Aber eins war sicher, vorher würde sie mit Choji sprechen. „Ja“, sagte Temari entschlossen und trank einen Schluck ihres Espresso. „Er hat Scheiße gebaut und will mit dir sprechen.“ „Will er nicht, sonst hätte er mich letzte Nacht nicht fahren und in der Stadt nicht stehen lassen“, knirschte Ino daraufhin etwas ungehalten. Temaris Gesichtsausdruck wurde genervt, als sie kurz zu der flackernden Kerze blickte. „Ich kann dir nicht sagen, was seine Beweggründe sind, das soll er dir schön selbst sagen, immerhin bin ich nicht seine Amme.“ „Nein, seine Geliebte.“ Ino funkelte Temari von der Seite her an, ehe sie ihren Löffel nahm und ihren Kaffee umrührte. „Für wie doof haltet ihr mich?“ Temari stockte und wirkte ehrlich irritiert. „Raffst du es eigentlich immer noch nicht?! Wieso sollte ich hier sitzen und dir sagen, dass der Vollidiot dich noch liebt, wenn ich mit ihm zusammen bin?“ „Das wüsste ich auch gerne.“ Eine knappe, aber präzise Antwort. Ino legte den Löffel beiseite. „Du warst mit Shikamaru im Sommer in Urlaub, du standest letzte Nacht in seinem Bademantel am Fenster. Und er hatte kein T-Shirt an“, fasste Ino zusammen. Temari stöhnte auf, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, die Beine übereinanderschlagend, eine typische Pose von ihr, die sich nicht geändert hatte. „Du hast Paranoia, kann das? Shikamaru und ich sind Freunde, das ist alles.“ „Also willst du mir sagen, dass zwischen euch beiden seit der einen Sache in der Oberstufe nichts mehr gelaufen ist?“, hakte Ino nach. Temari öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Und eine kurze Weile herrschte Stille, in der man eine Stecknadel hätte fallen hören. Außer ihnen saß nur ein junges Paar an einem der Tische auf der anderen Seite des Raumes. Inos Augen verengten sich und mit einem Mal kippte sie den Rest ihres Kaffees herunter. „Damit wäre die Frage wohl geklärt.“ Energisch stand sie auf. Sie ließ sich doch nicht verarschen! Wenn Shikamaru sie immer noch liebte, ging er nicht mit Temari ins Bett. Dabei verdrängte sie, dass sie selbst mit Choji ein dreiviertel Jahr lang ein Paar gewesen war – oder immer noch war – und dass sie genauso miteinander geschlafen hatten. Aber das war auch etwas anderes, immerhin behauptete sie nicht das Gegenteil! Temari knurrte und griff Inos Handgelenk. „Setz dich.“ „Wieso sollte ich?“ „...Ja. Ja, zwischen Shikamaru und mir ist mehr gelaufen. Über drei Monate hinweg und er hat sich genauso belogen, wie du es gerade tust! Deshalb hab ich das Trauerspiel beendet.“ „Ach und jetzt seid ihr nur noch Freunde mit Vorzügen oder was?“, zischte Ino und blickte Temari vernichtend an. Das Geständnis hatte ihr einen Schlag versetzt, wenn sie auch damit gerechnet hatte. „Nein! Seit zwei Monaten läuft zwischen uns gar nichts mehr, Ino! Das letzte Nacht hast du einfach nur so gesehen, wie du es sehen wolltest. Und jetzt setz dich hin, ich bin noch nicht fertig. Shikamaru hat es nicht verdient-“ „Er hat es nicht verdient?“ Ino riss ihren Arm los und drohte zu platzen. „Er hat es nicht verdient?“, wiederholte sie erneut ungläubig und lachte theatralisch auf. „Nein, natürlich nicht. Er hat mich auch nicht stehen lassen, als ich ihn am meisten gebraucht habe! Er hat mir nicht verschwiegen, dass er mit dir geschlafen hat, bevor wir zusammen kamen, nicht wahr?!“ Zynisch und abfällig musterte Ino Temari. „Lass mich in Frieden, ich habe genug gehört.“ Temari ließ sich zurück auf die Eckbank sinken. „Du bist die letzte Egozentrikerin, Ino. Aber gut, dann verpiss dich halt, aber gib Shikamaru nicht die Schuld daran, dass du dein Leben gegen die Wand gefahren hast! Du hast nichts, Ino.“ Ino biss sich auf die Lippe. „Du-“ Doch Temari unterbrach sie etwas energischer. „Du verarschst seit einem Jahr deinen besten Freund, arbeitest als Floristin, womit du gerade mal über die Runden kommst, bist in psychiatrischer Behandlung... im Ernst. Wie willst du das sonst nennen? Das war´s, Ino.“ Sie leerte ihren Espresso. „Mach dich ruhig weiter kaputt und schieb die Schuld auf Shikamaru, wenn dir kein anderer Sündenbock einfällt.“ Damit stand Temari auf und nahm ihre Handtasche, blickte die bebende Ino von oben herab an. „Und er macht sich auch noch Vorwürfe, während dir nichts Besseres einfällt, als die Schuld bei anderen zu suchen. Du bist das Allerletzte, Ino.“ Die Worte waren leise, aber sie kamen an. Und damit ließ Temari sie stehen, bezahlte an der Theke direkt und verließ das Café. Geräuschvoll atmete Ino aus. Was fiel dieser Tussi eigentlich ein? Ihr Kopf dröhnte, als sie dem Kellner viel zu viel Trinkgeld gab und aus dem Café trat. Der Sonnenschein vom Morgen war hinter dicken Wolken verschwunden, die dicht wie ein Schleier am Abendhimmel hingen und die Sterne verdeckten. Mehr aus Gewohnheit blickte Ino auf ihr Handy und sah dann die Nachricht von Choji, in der er fragte, wie lange sie noch brauche. Doch mehr als 'warte nicht auf mich', antwortete Ino nicht. Sie wollte gar nicht mehr mit Choji sprechen. Was wollte er ihr noch sagen, was sie nicht schon wusste? Und als sie ihr Handy auf lautlos schaltete und es dann wegstecken wollte, sah sie Wassertropfen auf dem Bildschirm, blickte langsam in den Himmel. Es kann nicht immer regnen. Wieso tat es das dann jedes beschissene Mal?! Ino ignorierte, dass sie keinen Schirm dabei hatte, ließ ihr Handy in ihre Handtasche sinken und ging die Straße hinab, den Kopf gesenkt. Temari hatte Recht. Wieso konnte sie nicht einfach zu ihm gehen und mit ihm sprechen? Was war es, wovor sie Angst hatte? Hielt ihr Stolz sie davon ab? Den Schmerz in ihrer Brust überdeckte sie, indem sie ihre Fingernägel in ihre Handflächen bohrte. Sie wollte nicht wieder verletzt werden, das war es. Nicht schon wieder so leiden müssen... Sie war für Shikamaru einfach zu kompliziert. Außerdem passten sie nicht zusammen. Doch eines war sicher – es würde nicht so weiter gehen, wie bisher. Sie würde Choji nicht weiter irgendetwas vorspielen, auch nicht mit seinem Einverständnis. Denn so herzensgut, wie ihr Baka von Freund war, würde er das noch weiter mit sich machen lassen. Zur gleichen Zeit... Temari lehnte mit dem Rücken im Schatten eines Lieferwagens vor dem kleinen Supermarkt in der Innenstadt und blickte Ino nach. Seufzend verdrehte sie die Augen. Was zum Teufel war ihr Problem? Sie liebte Shikamaru, er liebte sie. Und trotzdem schaffte keiner der beiden es, einen Schritt auf den anderen zu zu machen. Eigentlich hätte sie es einfach so stehen lassen und nach Hause fahren sollen. Eigentlich ging sie das gar nichts an, eigentlich... eigentlich liebte sie diesen Deppen ebenfalls und genau deswegen konnte sie es nicht so stehen lassen. Sich selbst verfluchend, weil sie ihr eigenes Glück hinten an stellte, folgte sie Ino. Sie hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Und sehr bald ahnte sie, wieso. Ino verschwand in einem Laden, den Temari als Kneipe oder eher Disco identifizierte. Die Blonde hob die Augenbrauen. Hatte die Idiotin vor, sich zu besaufen? Kurz zögernd überlegte Temari, Ino einfach in Frieden zu lassen, aber jetzt hatte sie das Gefühl, dass etwas wirklich Dummes geschehen könnte, weshalb sie Ino in das Etablissement folgte. Und sie hatte sich nicht geirrt. Es war eine Tanzkneipe, in die Temari sich normalerweise niemals gesetzt hätte. Nicht nur, dass sie von allen Seiten gemustert wurde, als sie mit ihrem schwarzen Rock und dem Blazer den Saal betrat... so hatte sie auch Ino aus den Augen verloren. Genervt knirschte sie mit den Zähnen. Schöne Scheiße. Darauf bedacht, sich unauffällig umzuschauen, ging sie außerhalb der Tanzfläche entlang in Richtung der Theke. So war sie nicht im Rampenlicht und konnte sich in Ruhe nach Ino umsehen. Und es dauerte nicht lange, bis sie fündig wurde. Ino saß an der Theke und blickte desinteressiert bis leer zu der Tanzfläche. Und wenn Temari ehrlich war, sah Ino alles andere als gut aus. Sie wirkte krank. Auch wenn es hart geklungen haben musste, so war sie sich sicher, dass ihre Worte im Café zuvor voll ins Schwarze getroffen hatten. Ino hatte ihr Leben gegen die Wand gefahren. Und damit meinte sie nicht, dass sie die Wand leicht gekratzt hatte oder gerade noch vorher zum Stehen gekommen war – das hier war schon mit Anlauf, Gas und frontal dagegen. Wie sie es hasste. Ino war schon früher stolz gewesen, aber augenscheinlich wurde das eher besser als schlimmer. Dieser Sturkopf. Wenn sie ihn doch liebte, wieso gab sie ihm dann keine zweite Chance. Innerlich trat Temari sich. Wieso gab sie sich keine zweite Chance – immerhin hatte Shikamaru die Scheiße nicht alleine gebaut. Manchmal musste man eben alles verlieren, um zu sehen, was es einem bedeutete. Aber dann musste man verflixt noch mal die Kurve kriegen, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Nur machte Ino alles schlimmer. Temari setzte sich an einen runden Tisch in einer dunkleren Ecke des Raumes. Vielleicht sollte sie Shikamaru anrufen und hierher prügeln? Sie ließ Ino nicht aus den Augen und sah, wie der Mann hinter der Theke ihr ein Glas vor die Nase schob. Limonade war das sicherlich nicht. Temari konnte sich nicht dran erinnern, dass Ino die Säuferin schlechthin gewesen wäre, eigentlich hatte sie selbst auf Partys nie allzu viel getrunken... Die nächste halbe Stunde tat sich nicht viel, außer das Temari Inos Alkoholkonsum etwas besorgt beäugte. Dann allerdings setzte sich ein dunkelhaariger Kerl neben sie und sprach sie an. Temari bekam von dem Gespräch nichts mit, allerdings glaubte sie, vom Glauben abzufallen, als einige Augenblicke später Ino aufstand und mit dem Kerl zur Tanzfläche ging. Sie wirkte nicht einmal glücklich, ihr Lachen war aufgesetzt, das sah ein Blinder mit Krückstock. Temari verengte die Augen, nahm ihr Handy aus ihrer Tasche. Seufzend schaute sie zu ihrem schwarzen Wodka, ehe sie aufstand. Wenn Ino sich besaufen und mit anderen Kerlen tanzen wollte, bitte. Sollte sie das halt tun. Ihr war das zu doof. Temari leerte ihr Glas und sah noch, wie eng Ino mit dem ihr scheinbar unbekannten Kerl tanzte, ehe sie entnervt die Disco verließ. Das musste sie sich nicht geben. An der kühlen Abendluft kam dann allerdings die Retourkutsche. Sie hätte ein Glas weniger trinken sollen. Sich etwas den Kopf haltend, blickte sie auf ihr Handy. Aus. „Shit.“ Der Akku war leer. Das fehlte gerade noch! Fluchend schaltete sie es wieder ein, was zu ihrem Glück noch funktionierte. Erst jetzt sah sie, dass sie vier entgangene Anrufe von Shikamaru hatte. Doch gerade, als sie auf Rückruf klickte, fiel das Mobiltelefon erneut aus. Na klar, wieder typisch. Temari schaute sich um und sah dann eine Telefonzelle an der nächsten Ecke. Sie blickte auf ihre Uhr und eilte zur Telefonzelle, was sich mit den Pumps und den fünf Wodka als etwas schwierig erwies. Zudem war es am Nieseln und sie hatte natürlich ihren Schirm im Auto liegen. Na eines war sicher, sie fuhr mit Sicherheit kein Auto mehr! Also wählte sie, bei der Telefonzelle angekommen, Shikamarus Haustelefonnummer, die einzige, die sie auswendig konnte. Es dauerte eine Weile, bis er abhob, in der Temari zum Eingang der Disco schielte. Das würde sie Shikamaru besser nicht erzählen, aber gut, er wusste nicht einmal, dass sie sich mit Ino getroffen hatte. „...Nara?“ Shikamarus Stimme klang gehetzt. „Shikamaru, hier ist Temari.“ „Temari! Zur Hölle, wo bist du?“ Perplex blinzelte Temari und verengte genervt die Augen. „In der Stadt, wieso? Was ist passiert?“ „Ist Ino bei dir?“, fragte Shikamaru sofort und deutlich besorgt. Alarmiert zog Temari die Augenbrauen zusammen. „Wieso?“ „Choji hat mich angerufen und hat mich gefragt, ob Ino hier wäre. Lange Geschichte, auf jeden Fall mache ich mir Sorgen.“ Temari seufzte. „Sie war bei mir“, meinte sie ruhig. „Auch eine lange Geschichte, aber-“ „Wo ist sie, Temari?“ Die Sabakuno verstand den Aufruhr nicht ganz. „In ´ner Disco, eng umschlungen mit ´nem anderen Kerl?!“, antwortete sie nun ehrlich. Was brachte es, nun noch zu lügen? Plötzlich herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. „Kommst du mich bitte in die Stadt abholen? Dann erzähl ich dir, was los-“ Dann aber stockte Temari. Sie blickte durch die regennasse Scheibe der Telefonzelle und sah, wie Ino mit dem Kerl die Disco verließ, verengte die Augen. „Wo bist du?“, fragte Shikamaru kalt und Temari hörte, dass er seine Gefühle überspielte. Temari sah, wie der Kerl mit Ino in ein Taxi stieg und losfuhr. Das war nun wirklich nicht ihr Ernst. „Temari?“ „Ich ruf zurück.“ Mit den Worten legte Temari sofort auf und riss die Türe der Telefonzelle auf. War Ino von allen guten Geistern verlassen? Nicht, dass sie normal neben dem Kerl gegangen war, er hatte sie eher getragen. So sehr Temari Ino in dem Moment wünschte, richtig auf die Schnauze zu fallen, war das hier nicht lustig, sondern eher bedenklich. Ehe das Taxi losfuhr, sah Temari noch das Kennzeichen, schnappte sich einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche und kritzelte es sich auf den Arm. Im Regen rannte sie zu dem gerade beim Taxistand ankommenden nächsten Taxi und stieg ein. „Folgen Sie bitte Ihrem Kollegen“, sagte sie schnell. Der Taxifahrer schaute sie überfahren an. „Ähm, was?“ „Sie haben mich schon verstanden!“, blaffte sie den begriffsstutzigen älteren Mann an, der dann seinen Wagen in Bewegung setzte und tat, was sie verlangte. Die Arme verschränkend, tippte sie unruhig mit zwei Fingern auf ihren Oberarm. Wenn sie Ino erwischte, würde sie sie verprügeln. Mal abgesehen davon, dass sie mit Choji zusammen war und Shikamaru scheinbar liebte... war ihr klar, dass das, was sie da machte, gefährlich war? Sie konnte doch nicht mit einem wildfremden Kerl abhauen! Dabei kam ihr gar nicht erst der Gedanke, dass sie ihn kannte, danach hatte es vorher nicht ausgesehen. „Ich komme mir vor wie in Hollywood“, lachte der Taxifahrer, während Temari genervt mit den Zähnen knirschte. „Dann legen Sie einen Zahn zu.“ Und es kam, was kommen musste – sie verloren das Taxi aus den Augen. Temari fluchte und fuhr den Fahrer an. „Hören Sie, es geht um Leben und Tod!“ Dass sie den Mann nicht am Kragen packte, als er irgendwo in der Innenstadt rechts heran fuhr, war auch alles. Zum gleichen Zeitpunkt stieg Ino mit dem gutaussehenden, dunkelhaarigen Mann aus dem Taxi. Ihr war schwindlig und mulmig... Der großgewachsene Kerl legte einen Arm um ihre Hüfte und beugte sich zu Ino herab. „Da wären wir“, hauchte er in ihr Ohr, was Ino eine Gänsehaut über die Arme liefen ließ. Sie standen vor einem Hochhaus und Ino hatte Probleme, nicht zu stolpern, als sie nach oben blickte. Sie hasste Hochhäuser, die Wohnungen waren meistens zu klein, zu einheitlich, zu langweilig. Zumindest bei den Hochhäusern in dieser Umgebung. Dennoch, darum ging es hier nicht. Ihre Sinne waren benebelt und das Einzige, an das sie dachte, war: vergessen. Einfach alles vergessen, die Gefühle für Shikamaru betäuben. Sie lehnte sich zu ihrem Begleiter und grinste verführerisch, zog ihn den Weg entlang in Richtung Eingang. „Dann komm, oder kriegst du kalte Füße?“ Dabei blickte sie lasziv in seine Augen. Vergessen... einfach nur vergessen... Temari hatte den Taxifahrer dazu bekommen, seinen Kollegen anzufunken und zu fragen, wo er gerade war. Eine Information, an die sie anders sonst nicht mehr rangekommen wäre, es sei denn, sie hätte die Polizei gerufen, aber was sollte sie denen bitte sagen: Meine Freundin ist mit einem Kerl ins Taxi gestiegen, ich muss sie finden, sie begeht einen folgenschweren Fehler? Sehr witzig. Zu Temaris Glück kannte ihr Fahrer den anderen und fragte, ob sie gleich in ihrer Pause zusammen einen Kaffee trinken gehen würden. Und so erfuhr er, wo sein Kollege gehalten hatte und machte sich auf den Weg dorthin. Temari drückte dem Fahrer einige Geldscheine in die Hand. „Danke, dürfte ich gleich noch kurz Ihr Handy benutzen?“, fragte sie dann etwas entwaffnend grinsend. Und als das Taxi vor dem riesigen Hochhauskomplex hielt, dessen Adresse der Taxifahrer von seinem Kollegen durchgesagt bekommen hatte, nahm Temari dankend das Handy des Taxifahrers entgegen und wählte Shikamarus Nummer. Dieser hob völlig entnervt ab. „Temari? Verdammt noch mal, was ist bei euch los?!“ „Hör zu, ich bin Ino gefolgt, die ist hier mit einem Kerl in ein Hochhaus verschwunden.“ Temari konnte förmlich hören, wie Shikamaru kurz davor stand, sich zu vergessen – und das kam wirklich nicht oft vor. „Diese... - Ich sage Choji Bescheid“, sagte er knapp. „Und komme dich abholen. Gib mir die Adresse durch.“ Er wirkte nicht so, als mache er sich noch große Sorgen um Ino, aber das würden sie klären, wenn er hier war. Also gab Temari ihm die Adresse durch, legte auf, bedankte sich bei dem Taxifahrer, drückte ihm noch einen Geldschein in die Hand für die Fahrt. „Stimmt so.“ Und damit stieg sie aus und blickte zu dem alten Hochhaus. „Diese Idiotin.“ Sie hörte, wie das Taxi losfuhr und blickte nur kurz über die Schulter. Nun hieß es warten, keine Chance, dass sie Ino da drin finden würde. Wenn sie raten musste, waren das sicherlich dreißig Parteien. Dennoch ging sie zur Türe, wo gerade ein Jugendlicher den Müll raus brachte. Das traf sich gut. Er sah, dass sie rein wollte, also hielt er ihr die Türe auf. „Danke“, meinte sie grinsend zu dem Jungen. „Kein Problem.“ Im Hausflur blickte sie sich um. Und bevor der Junge wieder im Aufzug verschwinden konnte, hielt Temari ihn auf. „Ahh, sag mal, kennst du einen Mann in meinem Alter, dunkle Haare, sportliche Figur, recht groß... Er muss gerade eben mit einer blonden Frau hergekommen sein.“ Der Junge schien kurz zu überlegen. „Hmm, ja. Ja, den kenne ich vom Sehen, aber wo der wohnt...“ Er schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, sorry.“ Temari verzog etwas den Mund. „Mist, trotzdem danke.“ Und damit ging sie zur Haustüre und blieb im Eingangsbereich stehen. Es regnete noch immer, wie ihr jetzt wieder auffiel. An sich hinabblickend, sah Temari, dass sie ziemlich durchnässt war. Kein Wunder, aus dem Nieseln war der reinste Sturzbach geworden. Seufzend lehnte trat sie nach draußen, blieb unter dem Vordach stehen und klemmte die Matte in die Haustüre, dass sie nicht zufallen konnte. Innerlich unruhig blickte sie auf die Uhr. Verdammt noch mal, hoffentlich passierte Ino nichts, man hörte ja genug... Ino lag auf dem Rücken in einem dunklen Schlafzimmer. Sie wusste nicht, was in sie gefahren war, aber in dem Moment, als der männliche Körper sich über sie beugte, vergaß sie ihre kurz aufkeimenden Zweifel. Auf wen sollte sie Rücksicht nehmen? Im letzten Jahr war alles hinter ihrem Rücken abgelaufen. Die spürte Bisse und Küsse an ihrem Hals, Hände fuhren unter ihr T-Shirt. Sie schlang die Beine um das Becken des Mannes, vergrub ihre Hände in seinen halblangen Haaren und keuchte, als seine Hand unsanft ihre Brust griff. Ihre Hände wanderten über seine Schultern nach unten und zogen ihm ohne viel Aufsehens das Shirt über den Kopf, ehe der Kerl ihre Lippen verlangend mit seinen verschloss und sich gegen sie drückte. Ihre Nägel kratzten über seine Haut, als er ihr T-Shirt hochschob. Sie über sie kniend, erkannte sie im fahlen Licht des hereinscheinenden Mondes ein breites, verzerrtes Grinsen. Und als die Hände des ihr unbekannten Mannes unter ihren Rock strichen, wachte sie auf. Was tat sie hier eigentlich?! Panisch keuchte sie auf und war binnen Sekunden nüchtern. Sofort entzog sie sich ihm, rutschte nach hinten weg und zog sich ihr Shirt wieder über die entblößten Brüste und ihren Bauch. Sie bekam keinen Ton heraus, sah nur das fragende Gesicht ihres Gegenüber, das im nächsten Augenblick ziemlich ungehalten wurde. „Was ist?!“ Ino schluckte und versuchte, sich zusammenzureißen. „Sorry, das war ein Fehler.“ Sofort sprang sie auf und zog ihren Rock zurecht. Sie musste hier weg. Doch noch bevor sie zwei Schritte tun konnte, spürte sie eine Hand, die sich fest um ihren Arm schloss und sie zurück aufs Bett riss. „Schlampe!“ Ein Schrei... Temari stand nervös und mit verschränkten Armen vor der Haustüre und blickte immer wieder zur Türe, in der Hoffnung, dass Ino herauskommen würde, auch wenn das nach zwanzig Minuten denkbar unwahrscheinlich war. „Wo bleiben Choji und Shikamaru?“, sprach sie genervt mit sich selbst und trat in den Regen, um, durch das heruntergefallene Laub zurück zur Straße zu gehen. Der Regen durchnässte sofort ihre klamme Kleidung, was Temari in den Himmel blicken ließ. „Ino... du Idiotin.“ Sie wandte den Blick zu dem hohen Gebäude und suchte die Fenster nach einer Regung ab. Vereinzelt brannten Lichter und sie konnte das Flackern einiger Fernseher in den unteren Stockwerken wahrnehmen. Langsam verengte sie die Augen und strich sich ihr Pony aus den Augen. Es schien fast, als würde der Himmel mit Ino weinen. Sie war so verdammt kaputt. Damals hätte Temari die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass sie sich nicht sinnlos betrinken und mit dem Erstbesten nach Hause fahren würde. Die Minuten vergingen, in denen Temari allmählich fröstelnd am Straßenrand stand. Was würde Choji sagen? Das hatte er wirklich nicht verdient... Eine ungehaltene Männerstimme hallte durch das Treppenhaus und aus der geöffneten Wohnungstüre fiel Licht in den Hausflur. „Verpiss dich bloß, billige Hure.“ Dabei stieß der dunkelhaarige Mann, bloß mit einer Boxershort bekleidet, die verstörte Ino aus seiner Wohnung und knallte ihr die Türe vor der Nase zu, nachdem er ihr ihre Tasche nachgepfeffert hatte. Durch den stoß stolperte Ino und stürzte. Sich den Kopf am Geländer stoßend, sank sie zu Boden. Das Haargummi hatte sich aus ihren Haaren gelöst und die langen blonden Haare fielen ihr übers Gesicht. Sich langsam aufrappelnd, hielt sich Ino mit einer zitternden Hand die schmerzende Stelle an ihrem Kopf. Tränen tropften auf den Boden des Hausflures und bibbernd wie Espenlaub zwang sich Ino auf ihre Beine, sich mit der freien Hand am Geländer festhaltend. Ihr entwich ein Schluchzen, als sich ihre Hand um das Geländer klammerte. Langsam ließ sie die andere von ihrem Kopf sinken und als sie daraufblickte, sah sie Blut. In Schmerz schloss sie die Augen. „Scheiße!“ Ihr Körper schwankte, als sie sich bückte, um ihre Tasche aufzuheben. Mit dem Handrücken berührte sie ihre Wange, die fühlbar geschwollen war. Dieses Arschloch... Eine Wohnungstüre öffnete sich und heraus blickte eine Frau mittleren Alters. „Gott, wie sehen Sie denn aus, kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie sofort erschrocken und schaltete das Licht ein. Erst jetzt sah Ino, wie viel Blut wirklich an ihrer Hand klebte. Sie war mit dem Kopf genau auf eine Kante gefallen. Aufsehend schaute Ino die Frau an, rieb sich mit der anderen Hand über den Arm und schüttelte den Kopf, die Augen schließend, wobei weitere Tränen über ihre Wangen flossen. „Sie bluten ja! Ich rufe einen Krankenwagen.“ „Nein!“, schluchzte Ino zitternd. „Das ist nicht nötig.“ Und mit den Worten wandte sie sich ab und blickte zu den Treppen, die hinauf in die nächste Etage führten. Verzweifelt ging sie schnellen Schrittes zur Treppe, wobei sie Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Geistig war sie wieder komplett nüchtern, aber ihr Körper machte ihr Probleme. Und so ließ sie die besorgte Frau einfach stehen und eilte, mehr stolpernd als rennend, die Treppenstufen nach oben. Don't you think that you need somebody don't you think that you need someone everybody needs somebody you're not the only one you're not the only one Es ist genug. Es ist endgültig genug. Temari hatte Recht, ich bin das Allerletzte. Ich habe nicht nur mich selbst verraten, sondern fast auch Choji... Choji, oh Gott, bitte vergib mir... Ino rannte, immer weiter nach oben, Etage um Etage, mied es, den Aufzug zu nehmen. Ihr Gesicht war tränenverschmiert. Vom Mascara schwarz gefärbte Tränen tropften auf ihr Oberteil, ihre Arme. Vergib mir... aber ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr! Mama... Papa... Immer weiter nach oben. Wäre sie doch bloß letzte Nacht nicht so feige gewesen! Shikamaru... In dem Moment kamen Choji und Shikamaru an. Offensichtlich war Shikamaru Choji nachgefahren, weil dieser sein Navi im Auto installiert hatte. Sie hielten vor dem Haus und stiegen sofort aus. Temari rannte direkt zu ihnen. „Choji, Shikamaru!“ „Temari.“ Noch nie hatte sie Choji so aggressiv und besorgt gesehen, wie in diesem Moment. „...Es tut mir leid, Choji, ich hätte sie aufhalten müssen...“ Sie war durchnässt bis auf die Knochen. Shikamaru ging sofort zu ihr und musterte sie, legte ihr seine Jacke um die Schultern. Entschuldigend blickte er zu seinem Freund, wusste offensichtlich nicht ganz, was er sagen sollte. „Wo ist sie?“, fragte Choji sofort, schon auf halbem Weg zum Haus. Temari schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht! Ich bin zu spät angekommen“, meinte sie gequält. Shikamaru biss sich auf die Lippe, wobei sich Choji zu Shikamaru herumdrehte. „Findest du nicht, dass du genauso Schuld an der Situation hast? Du bist lange genug weggelaufen.“ In dem Moment weitete Shikamaru die Augen. Der kalte Wind peitschte Choji die langen Haare ins Gesicht, als er seinen Freund streng anblickte. Shikamaru wandte den Blick ab, musste dann erkennend grinsen. „Das ist kein Grund, dich so zu verletzen, indem sie mit einem wildfremden Typen mitgeht. Geez, Baka...“ Dabei war letzteres eindeutig auf Ino bezogen. Temari spannte sich an. „Shikamaru!“ Dabei klang ihre Stimme vorwurfsvoll. Er seufzte, blickte Temari über die Schulter hinweg an. „Wir reden noch über dein eigensinniges Handeln“, sagte er ungewohnt herrisch zu der Sabakuno. „Warte im Auto.“ Und damit wollte er gerade Choji folgen, als Temari ein Schrei entwich. Mit weit aufgerissenen Augen, legte sie panisch eine Hand an den Mund. Sofort drehten sich die Männer zu ihr um, sahen dann, dass ihre freie Hand zum Dach deutete. Und noch bevor ihre Blicke zum Dach des Hochhauses schweifen konnten, blieb Shikamaru das Herz stehen. Er brauchte es nicht zu sehen, um es zu ahnen. „Ino!“, brüllte Temari und rannte in Richtung des Gebäudes, dicht gefolgt von Choji und Shikamaru. „Ich wusste es!“, fluchte Choji. „Temari, bleib hier!“, schrie Shikamaru hellauf in Panik und rannte mit Choji zur Türe. „Die Tür ist offen!“, schrie Temari ihnen nach. Shit, ihr Handy war leer! Sie konnte nicht einmal die Feuerwehr rufen! Die beiden Männer stürzten nach drinnen und Shikamarus Gedanken überschlugen sich. Er hatte es nicht glauben können, als Choji ihm erzählt hatte, dass er glaubte, dass Ino sich umbringen wollte. Das war nicht Ino! Und jetzt? Scheiße, das durfte nicht passieren! Hektisch hämmerte er auf dem Knopf des Fahrstuhls herum. „Das dauert zu lange! Ich nehm die Treppen.“ Und sofort war er beim Treppenhaus, stürzte regelrecht nach oben, immer zwei Stufen nehmend, während Choji auf den Fahrstuhl wartete, für den Fall, dass er doch schneller war. Die Anzeige des Stockwerks sank allmählich, wobei Choji fast die Nerven verlor. Wieso tat Ino das? Wenn sie so gelitten hatte, wieso hatte sie nicht mit ihm gesprochen? Er gab sich selbst die Schuld dafür. Er hätte gleich wissen müssen, dass sie in ihrer Beziehung nicht glücklich war. Natürlich nicht, wie sollte sie auch, wo sie Shikamaru so abgöttisch liebte? Er hätte sie am Morgen mitnehmen sollen, zur Hölle damit! Verzweifelt schlug er gegen die massive Metalltüre des Aufzugs. Shikamaru sprintete die Stockwerke nach oben, eins ums andere. Keuchend bekam er fast die Kurve nicht. Ino... Ino! Ach verdammt! Ich kann es mir nicht verzeihen, wenn du jetzt springst. Warte, bitte warte... warte auf mich, ich komme dich holen. Dieses Mal lasse ich dich nicht mehr los, wenn du bloß auf mich wartest! Ino schaute in den Himmel, als sie Millimeter um Millimeter näher an den erlösenden Abgrund rückte. Der Regen prasselte erbarmungslos auf ihr Gesicht und vermischte sich mit ihren Tränen. Die langen Haare klebten strähnenweise in ihrem Gesicht. Dann hörte sie Temaris Stimme, sah Choji und Shikamaru, wie sie zum Eingang rannten. Sie sah sie, doch sie nahm sie nicht wahr. Nach unten blickend rückte ihr rechter Fuß an die Kante, wobei sie mit den Armen das Gleichgewicht hielt. Zehn Stockwerke über dem Boden. Es war bitterkalt und die Kälte und Nässe kroch ihr in die Glieder. Doch sie spürte es nicht mehr. Was machte das bisschen Unwohlsein noch aus, bei einer Seele voller Narben und einem zerrissenen Herzen? Choji hatte ihr gesagt, es konnte nicht immer regnen. Dieser Lügner. Winter has come for me, can't carry on. The chains to my life are strong but soon they'll be gone. I'll spread my wings one more time. Ino schloss langsam ihre Augen, ignorierte die Schreie von Temari, die sich hilflos die Seele aus dem Leib schrie. Nur ein Schritt trennte sie noch von dem Asphalt. Nur noch einen Schritt, dann war es vorbei. Sie hörte Stimmen, Rufe... war das real? Oder wieder nur ein Traum? Is it a dream? All the ones I have loved calling out my name. All the days of my life, I see them passing me by. Langsam rutschte ihr linker Fuß einige Millimeter weiter, bis zur Kante, wobei sie kurz mit den Armen ihr Gleichgewicht wieder fangen musste. Ino öffnete die Augen und ihr Herz begann zu rasen, fast, als wolle es aus ihrem Brustkorb springen und sich vor dem sicheren Tod retten. Doch es war zu spät. Sie war gebrochen. In my heart I know I can let go. In the end I will find some peace inside. New wings are growing tonight. Ob ihr Vater sie abholen würde? Oder würde sie nach all dem, was sie getan hatte, nicht in den Himmel kommen? Gab es den Himmel überhaupt? Ihr Shirt wickelte sich um Inos Körper und ihre halbhohen Schuhe rutschten auf dem regennassen Dach . Langsam ließ Ino die ausgebreiteten Arme an ihren Körper sinken und erhob den Kopf, legte ihn in den Nacken. Papa... As I am soaring I'm one with the wind. I am longing to see you again, it's been so long. We will be together again. Erneute Schreie, die immer lauter wurden. Ino presste die Augen zusammen, presste die Hände auf die Ohren. „Ino!“ Nein... Nein... NEIN! Sie spürte, wie sie das Gleichgewicht verlor, öffnete schlagartig die Augen. Alles begann sich zu drehen und sie kam zu sich. Sie schrie, merkte, dass sie den Halt unter den Füßen verlor. In dem Moment war sie sich sicher, dass es vorbei war. Gleich würde sie unten aufkommen und alles wäre vorbei! Sie wartete auf den Schmerz und darauf, dass alles schwarz wurde, wie damals, nur dieses Mal endgültig. Doch nichts geschah. Langsam ließ sie die Hände von den Ohren sinken und wurde so abrupt zurück in die Realität gerissen, dass sie die Augen aufriss. Sie war nicht gefallen. Stattdessen war sie gegen einen Körper gedrückt. Und als sie aufblickte, erkannte sie, dass er es war, der sie im Arm hielt. Zu ihr hinabblickend, schloss Shikamaru die Augen, in denen sich Tränen gesammelt hatten – oder war es nur der Regen? Sie fester an sich drückend, trat er mit ihr im Arm einen halben Schritt zurück, ehe seine Beine nachzugeben schienen und er auf den Boden sank. Ino erkannte, was sie gerade im Inbegriff zu tun gewesen war und unter Schock starrte sie ins Leere, nahm Shikamarus unruhiges Atmen wahr, den den Kopf auf ihrer Schulter ruhen hatte. Regelrecht in Zeitlupe wandte sie den Kopf zur Seite, nur um panisch festzustellen, dass der Abgrund keinen Meter von ihr entfernt war. Panisch kreischte sie auf, kämpfte sich aus Shikamarus Armen und krabbelte rückwärts weiter von der Kante weg. Ihre Stimme hallte auf dem Dach wider und sofort griff Shikamaru sie am Arm. „Ino! Ganz ruhig.“ Seine Stimme war durchdringend, beruhigend, aber noch immer außer Atem. Keuchend starrte Ino ihn an, als er langsam aufstand und sie an den Armen hochzog. Wieso war er hier? Wieso war er so außer Atem? „Steh auf...“ Mit seiner Hilfe gelang es Ino zitternd, sich aufzuraffen, wobei sie regelrecht phobisch weiter von der Kante zurückwich, an der sie einige Augenblicke zuvor noch gestanden hatte. Shikamaru hielt die völlig verstörte Ino fest und griff ihre Schultern, zwang sie, ihn anzusehen, indem er sie leicht schüttelte. „Ino! Bist du von allen guten Geistern verlassen?!“, fragte er sie energisch. Doch Ino konnte nicht mehr, als ihn anzustarren. Was war da in sie gefahren?! „Shikamaru.“ Erst jetzt bemerkte Ino Choji, der nun auf sie zukam. Shikamaru blickte ihn nicht an. „Ich weiß, verdammt“, knirschte der Nara und schloss kurz gequält die Augen, ließ Ino los und wich ein Stück von ihr zurück. Inos Blick schweifte zu Choji, der durch die Pfützen auf sie zueilte und sie in den Arm nahm, zunächst wortlos. In dem Moment brach Ino hysterisch in Tränen aus. „Es tut mir so leid!“ Sie schluchzte, wobei Choji ein ruhiges Seufzen von sich gab, ehe er sie sanft von sich drückte und ihr ins Gesicht sah. Traurig zog er seine Jacke aus und warf sie ihr über die Schultern. „Mach so etwas nie wieder!“ Dann blickte er zu Shikamaru, eine Hand an Inos Rücken. „Shikamaru... Es ist genug“, sagte Choji ein wenig streng zu ihm. Sich scheinbar zusammenreißend, seufzte Shikamaru und rieb sich über den Nacken, ehe er zu Ino aufblickte. „Ino... ich habe totalen Mist gebaut“, begann der Nara ruhig und ging auf Ino zu, während Choji etwas von ihr zurücktrat, was Ino mit einem knappen Blick über die Schulter zur Kenntnis nahm, ehe sie wieder zu ihrem ehemaligen Verlobten blickte. Die Hände in den Hosentaschen verzog er etwas den Mund. „Aber erst sollten wir vom Dach runter. Hier draußen holen wir uns den Tod.“ Dabei deutete er mit dem Kopf zur Türe zum Treppenhaus. Ino betrachte die Situation mit undefinierbaren Gedanken, noch immer geschockt über sich selbst. „Genau das wollte ich auch gerade sagen.“ Eine weibliche Stimme ertönte hinter Ino und sie hörte Schritte. „Temari“, flüsterte Ino heiser und erinnerte sich dann erst wieder daran, dass sie es war, die zuvor unten vor dem Gebäude gestanden und sich die Seele aus dem Leib geschrien hatte. Ino zog frierend die Jacke um ihre Schultern und blickte mit halb geöffneten Augen müde und entschuldigend zu der Blonden, die auf sie zuging und den Arm um sie legte. „Komm...“ Ino widersprach nicht, ließ sich von ihrer einstigen Freundin zurück ins Gebäude führen, dicht gefolgt von Shikamaru und Choji. Shikamaru ging ins Badezimmer und kam mit vier Handtüchern zurück. Eines hängte er sich selbst über die Schulter, zwei davon drückte er Choji und Temari in die Hand, die im Wohnzimmer standen und stumm zu Ino blickten, die wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa saß, wo Shikamaru sie hingelotst hatte. „Hier...“ Knapp bedankten sich die beiden und begannen, sich Haare, Gesicht und Arme abzutrocknen. Temaris Blazer und Chojis Pullover hingen über dem Wäscheständer. Shikamaru ging zu der noch immer verstörten Ino, setzte sich neben sie und reichte ihr das Handtuch. Mit einem kurzen Seitenblick zu seiner Hand nahm Ino es entgegen, machte aber keine Anstalten, sich abzutrocknen, was Shikamaru schnauben ließ. „Oh Mann.“ Temari räusperte sich und hob ihre Stimme. „Also, wenn ihr mich fragt – ich würde gerne nach Hause, weil ich bin nass bis auf die Unterhose“, sagte sie halblaut, eine Hand an der Hüfte und sich mit dem Handtuch über den Hals reibend. Choji bedachte dies mit einem Nicken. „Mh. Ich fahre dich nach Hause.“ Unsicher blickte Ino auf und schaute zu ihrem Freund... oder... Exfreund? „Choji.“ Dieser hatte sich schon abgewandt, drehte sich dann aber mitleidig lächelnd zu Ino um. „Schon gut, Ino. Ich wusste von Anfang an, dass das passieren würde. Es war eine schöne Zeit, aber... ich nehme deine Aussage am Telefon, dass du eine Auszeit brauchst, als Beendung des Ganzen.“ Ino schaute Choji geschockt an. „Choji, ich... Es tut mir so leid“, stammelte sie verwirrt. „Was? Dass ich eine schöne Zeit mit dir hatte?“, fragte der Akimichi nun lieb lächelnd. „Ich wusste die ganze Zeit, dass du Shikamaru liebst und ich habe eigentlich nur darauf gewartet, dass du irgendwann einsiehst, dass ich ihn nicht ersetzen kann.“ „Ich wollte dir nicht wehtun.“ „Das weiß ich doch. Wieder Geschwister, okay?“ Ino schloss halb die Augen und schluckte, stand dann aber auf und rannte zu ihm. Choji schloss sie leise lachend in den Arm und streichelte kurz ihren Rücken. „H-hai“, sagte Ino mit unterdrückten Tränen. Sie hatte genug geweint. Ino wusste nicht, wie es nun weiter gehen würde, aber das würde sich wohl in den nächsten Stunden zeigen. Langsam löste Choji die Umarmung und strahlte Ino regelrecht ins Gesicht, wobei sie kaum sagen konnte, ob das ernst gemeint oder aufgesetzt war. Sie hatte ihn verletzt, mehr als einmal und mehr als nur etwas, dem war sie sich sicher. Aber das würde nun aufhören. Die Wahrheit war immer noch besser, als ewig in einer Lüge zu leben. „Wir fahren dann. Shikamaru...“ Damit blickte Choji zu seinem Freund, der verstehend nickte. Und damit gingen Temari und Choji zur Haustüre. Doch bevor sie die Wohnung verlassen konnten, rief Ino: „Temari, warte!“ Temari blickte irritiert über die Schulter zu Ino. „Hm?“ „...Danke.“ Die Sabakuno grinste. „Tze. Wofür? Dass ich dich mit meinen Worten auf dieses Hochhausdach getrieben habe? Lass stecken.“ „Nein. Dafür, dass du mir die Augen geöffnet und mich von dem Dach runtergeholt hast.“ „Das war genau genommen Shikamaru.“ Und damit winkte sie Ino knapp zu, ehe sie die Türe öffnete und mit Choji in den Hausflur verschwand. Als die Türe hinter ihnen ins Schloss fiel, flüsterte Ino: „Ja, aber du hast ihn angerufen...“ Langsam wandte sie den Kopf zum Sofa, auf dem Shikamaru hockte. Langsam stand er auf. „Komm, ich geb dir etwas Trockenes zum Anziehen. Nasse Unterwäsche ist lästig.“ Und damit deutete er ihr, ihm ins Schlafzimmer zu folgen, was Ino auch tat. Sie betrachtete die Wohnung mit einer Mischung aus Nostalgie und unterdrückten Gefühlen. Vor allem, als sie ins Schlafzimmer trat, musste sie heftig schlucken. Hier hatte vor einem Jahr alles sein Ende gefunden. Außer, dass ihre Sachen aus der Wohnung verschwunden waren, hatte sich nicht viel geändert. Im Kleiderschrank kramend, warf Shikamaru ihr ein langes Shirt und eine Boxershort zu. „Das muss es erst einmal tun.“ Ino fing die Sachen auf und nickte. „Arigatou...“ Er selbst nahm sich eine Jogginghose und ein T-Shirt heraus, ebenso neue Unterwäsche. Und nun standen sie da, ein Jahr später... „Uhm, ich gehe ins Bad“, meinte Shikamaru direkt etwas beschämt und ging mit den Klamotten an Ino vorbei, die ihr nur kurz nachblickte. Ja, es wäre irgendwie komisch gewesen, sich nun voreinander umzuziehen. Also lehnte sie die Türe an, zog ihre nassen Klamotten aus und hängte sie über die Heizung. Zu den Sachen schielend, die Shikamaru ihr zugeworfen hatte, seufzte sie. Es fühlte sich komisch an, hier zu sein, seine Kleidung anzuziehen... nachdem sie vor einer Stunde noch auf diesem Hausdach gestanden hatte und sich vor Tagen noch sicher gewesen war, dass es mit Choji so war, wie es sein sollte. Fertig angezogen, ging Ino zurück ins Wohnzimmer, wo Shikamaru schon auf sie wartete. Er saß auf dem Sofa, nach vorne gebeugt, die Arme auf den Oberschenkeln ruhend. Als Ino den Raum betrat, blickte er auf und Ino spürte, dass er sie musterte. Shikamaru wirkte unsicher, deutete ihr aber, zu ihm zu kommen und sich neben sie zu setzen, was Ino auch stumm tat. Die Beine an den Körper ziehend und die Arme darum legend, schaute sie auf den Boden. „Und jetzt sitzen wir hier“, murmelte sie leise. In ruhiger Zustimmung blickte er sie von der Seite her an. Dann stockte er allerdings und die Art, wie er ausatmete, ließ Ino aufblicken. Noch bevor sie fragen konnte, war seine Hand an ihrer Wange. „Ino, deine Wange-“ Ino blinzelte kurz und hob eine Hand an die Stelle, biss sich dann auf die Lippe. „...Nicht wichtig“, sagte sie schnell und senkte hektisch ihren Blick. Dann fiel ihr auch ein, dass ihr Kopf geblutet hatte und mehr aus Reflex griff sie mit der anderen Hand an die Stelle. Shikamaru zog streng die Augenbrauen zusammen und sein Blick folgte ihrer Hand. Sofort stand er auf, nahm vorsichtig ihre Hand beiseite und erkannte dann die blutige Stelle an ihrem Kopf, die vorher von den zerwehten Haaren verdeckt worden war. Ino bemerkte, wie Shikamaru sich anspannte. Er hockte sich vor sie, schaute sie fast schon böse an. „War das der Kerl, bei dem du eben gewesen bist?“ Ino hätte sich fast auf die Zunge gebissen und schaute nun etwas hilfesuchend in seine Augen. „...Ja.“ Und bei den Worten fiel Shikamaru aus allen Wolken. Er stand auf. „Was hat er noch getan?“ „Nichts“, sagte Ino schnell. „Er ist durchgedreht, weil ich nicht mit ihm schlafen wollte.“ Nervös blickte sie auf seine Füße, die Arme wieder um ihre Beine legend. „Ich habe... ihn weggestoßen und da hat er mich geschlagen... und aus seiner Wohnung geworfen. Dabei ist das am Kopf passiert“, erklärte sie leise. Sie musste sich zusammenreißen, die Bilder nicht wieder an die Oberfläche zu holen. „Ich fahr dich jetzt ins Krankenhaus und dann zeigen wir dieses Arschloch an.“ Shikamarus Stimme war ernst, als er sich herumdrehte und in Richtung der Küche verschwand. „Nein!“, rief Ino ihm nach und sprang auf. Sie rannte ihm hinterher, blieb in der Küchentüre stehen, sah, wie er einen Kühlbeutel aus dem Eisfach nahm und ein Geschirrtuch darum wickelte. Er blickte auf, hielt in seiner Bewegung inne. „Ino, der Kerl hat dich geschlagen!“ „Das was du gemacht hast, tat tausend mal mehr weh, als diese idiotische Ohrfeige!“, platzte es nun aus Ino heraus. Geschockt schaute ihr Ex-Verlobter sie an. Dann aber wurde sein Blick erkennend. Sie würden hier eines nach dem anderen klären und das ging eindeutig vor. Die geschwollene Wange würde sie auch am nächsten Morgen noch haben und das Loch im Kopf mit Sicherheit auch. Shikamaru seufzte. „Ja.“ Er ging zu ihr und hielt ihr den Kühlbeutel auf die Wange, sah sie versöhnlich und entschuldigend an. „Es tut mir leid, Ino. Ich war ein totaler Idiot... Ich war mit deiner Situation – mit dir – überfordert und als mir klar wurde, wie sehr Choji dich liebt, habe ich gehofft, dass er dir mehr Halt geben kann, als ich.“ Dabei hatte er zunächst in ihre blauen glänzenden Augen gesehen, ehe er den Blick gesenkt hatte. Kurz knirschte er mit den Zähnen. „Ich kam nicht damit klar, wie viel Aufmerksamkeit du brauchst und war deshalb dumm genug zu glauben, dass du und Choji – nein, falsch.“ Etwas beschämt grinsend, blickte er auf. „Ich habe nicht geglaubt, dass du dich in ihn verlieben würdest, aber ich hatte es gehofft.“ Ino kaute bei seinen Worten auf ihrer Unterlippe und allmählich wandelte sich ihre Wut in... Verständnis? „Es ist komisch von dir zu hören, dass du 'dumm' warst“, meinte sie leise. „Außerdem...“ Nun nahm sie ihm den Kühlbeutel ab und warf ihn ihm an den Kopf, die Hände an die Hüfte stemmend. „Außerdem warst du nicht nur 'dumm', sondern ein totaler Vollidiot!“ Angezickt verschränkte sie die Arme. „Und du hattest nichts Besseres zu tun, als mit Temari eine Beziehung einzugehen. Ich wüsste nicht, wie man das anders nennen sollte, als 'idiotisch'?!“ Shikamaru fing den Beutel nicht auf, verzog etwas das Gesicht, als er ihn am Kopf traf. „Ich liebe Temari nicht und das weiß sie auch. Sie hat mich abgelenkt, während Choji immer nur von dir gesprochen hat. Er wusste von Anfang an, dass er mitunter ein Grund für meine Entscheidung war, deshalb... hat er mir regelmäßig auf die Nase gebunden, dass du dir einredest, glücklich zu sein.“ Shikamaru kratzte sich an der Schulter, blickte zu dem Kühlbeutel am Boden. „Ich wusste, dass das eigentlich nicht okay war, aber ich hatte gehofft, dass es sich ändern würde.“ „Choji kennt mich! Du hättest wissen müssen, dass das, was er sagt, stimmt!“ „Man, Ino. Ja, natürlich wusste ich es, aber ich habe... damals wegen meiner eigenen Faulheit mein Studium fast in den Sand gesetzt, das war ein weiterer Grund, weshalb ich mich von dir getrennt habe. In dem Status hätte ich dir gar nichts bieten können! Schlimm genug, dass du mehr Einnahmen hattest, als ich. Und Temari hat mich im letzten Jahr dazu geprügelt, das wieder auf die Reihe zu kriegen. Die Frau hat mich fertig gemacht, dass ich mein Studium weitermachen kann... und ich wollte mich mit dir nicht auseinandersetzen, bevor ich mein eigenes Leben wieder in geregelten Bahnen hab.“ Ino stutzte. „Wieso hast du damals nicht mit mir geredet?!“, fragte sie deutlich ungehalten. „Du hattest genug andere Probleme“, sagte Shikamaru ernst. „Glaubst du, das hätte die Situation besser gemacht?“ Nun musste Ino doch stocken. Nein, das hätte es wohl nicht, Shikamaru hatte Recht. Sie schnaubte und schloss die Augen, ehe sie sich bückte und den Kühlbeutel aufhob, um sich ihn wieder an die Wange zu halten. Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, streckte Shikamaru eine Hand nach ihrer anderen Wange aus. „Es tut mir leid, Ino.“ „Das sollte es auch. Weißt du, was du damit Choji und mir angetan hast? Und wahrscheinlich auch noch Temari?“ Shikamaru seufzte. „Von Choji habe ich mein Fett schon weg“, murmelte er und ließ den Arm sinken, die Hände in die Hosentaschen steckend. Ino blickte Shikamaru fragend an, doch mehr sagte er dazu nicht. „Kannst du... mir noch mal verzeihen?“, fragte er leise und blickte sie von der Seite her mit etwas verzogenem Mund an. Ino sah schmollend zu ihm. „Nur, wenn du diesen unheilbringenden Ring ausziehst“, sagte sie trocken, wobei Shikamaru verwirrt auf seine Hand blickte, an der ihr alter Verlobungsring glänzte. Dann zeigte sich auf seinem Gesicht ein Grinsen und er zog den Silberring vom Finger, hielt ihn ihr hin. Ino nahm ihn entgegen und meinte dann lächelnd: „Auf ein Neues?“ Er nickte, noch immer das Grinsen auf den Lippen. „Auf ein Neues.“ Damit ging Ino zum Fenster, öffnete es und warf den Ring einfach nach draußen, was Shikamaru mit großen Augen betrachtete. „Tze, das wäre nun wirklich nicht nötig gewesen.“ „Ich will einen Neuen“, meinte sie provokant und drehte sich zu ihm um, schloss das Fenster. Shikamaru stöhnte und fuhr sich durch die Haare. „Genauso lästig, wie immer.“ Daraufhin musste Ino lachen, ging schnellen Schrittes zu ihm und fiel ihm in den Arm. Der Nara schloss die Arme um ihren Rücken und drückte sie an sich. Ihr einen Kuss auf die Stirn gebend, meinte er dann: „Versprich mir, dass du nie wieder so einen Mist machst, wie eben. Ich liebe dich und will dich nicht verlieren. Weißt du, welche Angst ich eben um dich hatte?“ Ino merkte, dass er ein wenig Schwierigkeiten hatte, seine Gefühle auszudrücken, aber das war okay, das war nichts Neues. Ein erfrischender Gegensatz zu Choji. Nicht, dass es sie bei Choji gestört hatte... „Ich versprech´s“, sagte sie leise und vergrub das Gesicht an seiner Brust. Und damit hob Shikamaru sie hoch, als wäre sie federleicht und brachte sie ins Schlafzimmer, legte sie aufs Bett. „Déjà-Vu“, flüsterte Ino, was Shikamaru mit einem Lächeln bedachte. „Nein, den Fehler mache ich nicht zwei Mal.“ Und damit deckte er sie zu und küsste sie zögerlich auf die Lippen, sich zu ihr hinabbeugend. „Du solltest dich ausruhen.“ Liebevoll strich er ihr über die Haare. „Und du?“, fragte Ino dann, fast schon skeptisch. Shikamaru richtete sich auf und lächelte etwas. „Nervig, aber ich muss noch etwas Schadensbegrenzung betreiben. Ich rufe gleich noch Temari und Choji an.“ „...Mitten in der Nacht?“, fragte Ino skeptisch, wobei ihr einfiel, dass sie sich gar nicht mehr bei Sakura gemeldet hatte. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was los war, wenn Sakura hörte, was geschehen war. Egal, sie würde sie jetzt nicht anrufen. „Ich bin in einer halben Stunde bei dir.“ Und damit verließ er den Raum, was Ino so eine Vorahnung gab. Schmunzelnd blickte sie ihm nach. „Er wollte doch nur, dass die Nacht der vor einem Jahr nicht wieder nahe kommt.“ Ino sweatdroppte, musste aber lächeln. Doch dieses Mal wusste sie, dass es nicht so enden würde und seufzend ließ sie sich zurück ins Kissen sinken. Binnen Minuten übermannte sie ein ruhiger Schlaf... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)