Fight Me, Kiss Me! von caramel-bonbon ================================================================================ Prolog: Know Me! ---------------- Der Clan ist deine Familie. Vertraue niemandem außer den Mitgliedern deines Clans. Wer sich mit einem Mitglied des verfeindeten Clans anfreundet, wird ohne Ausnahme aus dem Clan ausgeschlossen. Wer Informationen an den feindlichen Clan weitergibt, wird ohne Ausnahme aus dem Clan ausgeschlossen. Sei dir stets bewusst, dass deine Feinde eine Waffe bei sich tragen können – und sie wahrscheinlich gegen dich einsetzen werden. Es ist untersagt, Mitglieder des feindlichen Clans auf neutralem Boden anzugreifen. Aufträge werden ohne zu hinterfragen ausgeführt. Töte nur, wenn es sein muss. Soweit Kai zurückdenken konnte, wurde er auf diesen Kodex getrimmt. Er wurde nicht wie ein Kind erzogen. Seine Ausbildung begann zu früh, als dass er die Vorzüge einer Kindheit hätte genießen können. Schlösser zu knacken lernte er mit vier Jahren, sich zu verteidigen mit sechs, anzugreifen mit acht. Mit zwölf wurde ihm das erste Mal eine Waffe in die Hand gedrückt und er erfuhr mit vierzehn, was es für ein Gefühl war, auf einen Menschen zu schießen. Etwa zur gleichen Zeit lernte er, ein Auto aufzubrechen und kurzzuschließen. Die Menschen, die ihm schon damals begegneten, hatten Angst vor ihm, denn sein Gesicht zierte meist eine Schramme oder ein blaues Auge, es war stets hart und ohne jegliche Emotion und seine Augen waren kälter als der Sibirische Wind. Seine Gefühlswelt bestand schon zu dieser Zeit ausschließlich aus Hass, Abscheu und Verachtung gegen alles, was schwach und wehrlos war. Die pure Freude für seine Erzieher, die nur dazu da waren, ihn zum Anführer auszubilden. Denn nur der Stärkste war in der Lage, diesen Posten zu übernehmen. In den Clans galt das Recht des Stärkeren und ihm wurde schon früh eingebläut, dass er dazu bestimmt war, diesen Platz einzunehmen. Damals hatte er auch das erste Mal den künftigen Anführer des feindlichen Clans getroffen. Ihm war sofort klar, dass er ihn zu hassen hatte, alleine schon, weil er sein größter Feind sein würde, und beim alleinigen Betrachten des anderen spürte er heißen Zorn in sich hochsteigen, der durch die bestätigenden Zusprüche seiner Clanmitglieder geschürt wurde. Er lernte, alles an dem anderen zu hassen. Seinen Namen, sein Gesicht, die Art, wie er sich bewegte oder etwas sagte, und besonders, besonders dieser Blick, mit dem er ihn bei ihrem ersten Treffen mit unschuldigem Schimmer gemustert hatte, ein Blick, der aussagte, dass er keiner Fliege etwas zu Leide tun könnte, ein Blick, der absolute Schwäche verriet. Mit fünfzehn Jahren begann er die Leere in seinem Herzen mit Sex zu ertränken, den er sich in schäbigen Bars bei noch schäbigeren Frauen holte. Doch bereits mit sechszehn bemerkte er, dass weibliche Rundungen und erst recht weibliches Verhalten ihn nicht interessierten. Fortan vergnügte er sich bei hartem Sex mit Männern. Mit zwanzig Jahren war es dann soweit, dass er den derzeitigen Anführer ihres Clans herausfordern musste, da er alle anderen Anwärter im Kampf besiegt hatte. Der Anführer war zwar über die Maße stark und überragte Kai um mehr als einen Kopf. Doch er war plump und nach Kais Erachten nicht besonders intelligent. Aber auch er kam nicht ohne gebrochenes Schlüsselbein und zahlreiche Schrammen und blaue Flecken davon. Seine Lippe war aufgeplatzt. Eine Auge blutrot unterlaufen. Die Rippen geprellt. Und sein ganzer Körper schmerzte. Denn in diesem Kampf gab es nur eine Regel: Der Stärkere gewinnt. Obwohl er nicht der Stärkere war, gelang es ihm, hie und da auszuweichen und selbst einen kräftigen Schlag auszuteilen. Der Kampf war vorbei, als Kai es schaffte, ihn ans Ohr zu boxen. Jaulend kippte der Koloss um. Kai wischte sich keuchend Blut von der Lippe, das sich mit Schweiß vermischt hatte. Sein Auge brannte und seine Muskeln flatterten. Er konnte kaum mehr aufrecht stehen. Doch er hatte es geschafft. Er war der neue Anführer. Siegreich stieß er die Faust in die Luft. Alle schrien. „Kai! Kai! Kai!“ Ein selbstgefälliger Ausdruck erfüllte sein Gesicht. Ja, er war der neue Anführer des Clans des Sibirischen Phönix’. Rei hatte es gewusst. Kai hatte sich verändert, seit sie aus der Schule waren. Er war viel stärker geworden und gleichzeitig ging er überlegter an den Kampf heran. Feixend erinnerte er sich an früher. Sie waren im gleichen Jahrgang, in der gleichen Schule, besuchten allerdings verschiedene Klassen. Rei kam gerade vom Englischunterricht und wollte seine Bücher in den Spind räumen. Mit einem Klassenkamerad schwatzend, öffnete er die schmale Tür und langte hinein, ohne hinzusehen. Dann stieß er mit der Hand gegen etwas Weiches, was da eigentlich nicht sein sollte. „Uhg.“ Eine Freundin wurde sofort auf ihn aufmerksam und warf einen Blick in den Schrank. „Iiiiih, ist das eklig!“ Schnecken, Würmer, Krabbelviecher. Wütend ballte er die Hand zur Faust. Er wusste genau, wer dahintersteckte. Alles stehen und liegen lassend, rannte er durch die Gänge, aus dem Hauptgebäude, hinüber zu Sporttrakt. Ganz nach dem Motto ‚kenne deinen Feind’ kannte er dessen Stundenplan auswendig. „Du!“, brüllte er, als er die Tür zur Umkleidekabine aufgedonnert und seine Zielperson entdeckt hatte. Kai blickte hoch. Ein schäbiges Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. „Hat dir mein Geschenk gefallen?“, fragte er stichelnd. Aufgebracht schritt Rei auf ihn zu und packte ihn am Kragen. Die anderen suchten derweil eiligst ihre Sachen zusammen und flohen aus dem Raum. Sie wussten genau, wie es endete, wenn diese beiden aufeinandertrafen und damit wollten sie eindeutig nichts zu tun haben. „Du Bastard! Wag es nicht noch einmal!“, knurrte Rei und stieß ihn gegen die Wand. Die Wut war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Und auch Kais Grinsen verschwand, während er beide Hände zu Fäusten ballte. „Wie hast du mich genannt?“ Etwas Gefährliches lag in seiner Stimme und jeder, den ihn kannte, wusste, dass er in diesem Moment besser das Weite gesucht hätte. Nicht so Rei. Wütend starrte er ihm ins Gesicht. „Bastard“, spuckte er aus und seine Augen sprühten ebenso gefährliche Funken. Kais Hand schoss blitzschnell hervor und klammerte sich um seinen Hals und er stürzte sich auf ihn, sodass Rei hart auf den Rücken krachte. Kai pinnte ihn am Boden fest, die Hand noch immer an seiner Kehle und starrte ihn schnaubend an. „Sag das nochmal“, knurrte er. Hellbraune Augen blitzten kampflustig auf. „Bastard“, zischte Rei durch die Zähne und keinen Wimpernschlag später flog sein Kopf zur Seite. Er schluckte den Schmerz hinunter und schaffte es, ein Bein so anzuwinkeln, dass er Kai von sich hinunter und er sich über ihn rollen konnte. Nun saß Rei auf Kai und sie rangen miteinander, Hände in Hände, wer die Oberhand gewinnen würde. Doch Kai war zu stark für Rei. Er hatte einfach schon einen ganz anderen Körperbau als der Chinese. Er warf ihn von sich runter und Rei machte eine Seitwärtsrolle, um aus seiner Reichweite zu kommen und mithilfe des Schwungs stand er auf. Kampfbereit ging er in die Knie und kaum stand auch Kai wieder mehr oder weniger aufrecht, kickte er mit seinem Fuß direkt nach Kais Kopf. Überrascht wich er aus, indem er einen Schritt nach hinten machte. Doch da sauste bereits der nächste Fuß auf sein Gesicht zu. Er lehnte zurück und war schnell genug, um Rei an der Fessel festzuhalten. Diesmal machte er einen Schritt nach vorne. Er hatte gehofft, dass dies den Chinesen bereits aus dem Gleichgewicht bringen würde, doch da hatte er sich getäuscht. Stattdessen winkelte dieser lediglich das Bein an und drehte das Knie nach außen. Mit dem Oberkörper lehnte er nach vorne. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt. „Lass mich los, du Hurensohn“, knurrte er und ehe sich Kai versah, hatte sich Rei an seiner Schulter festgehalten, war hochgesprungen und grub ihm das Knie direkt in den Solarplexus. Keuchend ließ er los und krümmte sich. Rei landete stehend neben ihm auf dem Boden und blickte ihn von oben herab voller Abscheu an. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte er sich ab. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass Kai ihn an seinem Zopf zu packen bekam. Grob wurde er zurückgerissen und in die Mangel genommen. „Nicht schlecht für ein Mädchen“, zischte Kai. „Ich geb dir gleich Mädchen!“ Wütend rammte er Kai den Ellbogen in die Magengrube, duckte sich drehend unter der ausholenden Faust durch und mit einer raschen Bewegung schlug er Kai die Füße unter den Beinen weg. „Arschloch“, fauchte Rei und stapfte zitternd davon. Sein Hals schmerzte und war total heiser. Hustend machte er sich auf den Weg zur nächsten Unterrichtsstunde, während Kai auf dem Rücken lag und keuchend lachte. Rei zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. Ihren regelmäßigen Zankereien zu verdanken hatte Kai nicht nur gelernt, brutal zuzuschlagen, sondern auch zu denken, bevor er zuschlug. Immerhin war Rei nicht umsonst Anführer ihres Clans geworden. Seine Qualitäten waren keineswegs mit der Stumpfsinnigkeit der Mitglieder des Clans dieses Halbrussens zu vergleichen. Vorsichtig verließ er sein Versteck, von wo aus er den Kampf beobachtet hatte. Hätte auch nur einer des Clans ihn entdeckt, wäre er gelyncht worden. Hier war feindliches Territorium. Nichts war gefährlicher, als sich alleine in feindliches Territorium zu wagen. Erst recht unbewaffnet. „Und?“, wurde er erwartungsvoll begrüßt. Rei ließ sich auf das Sofa im Wohnzimmer fallen, wo Mao und Lee auseinandergerückt waren, um ihm Platz zu machen. Er zuckte mit den Schultern. „Nun, wie erwartet ist Kai der neue Anführer“, sagte er schlicht. Sofort wurde er mit Fragen überhäuft. Aber er war selbst schuld, schließlich hatte er allen verboten, auch nur in die Nähe der Lagerhalle zu kommen, während der neue Anführer entschieden werden sollte. „Wie hat er sich geschlagen?“ „Hat er ein Paar in die Fresse gekriegt?“, fragte allerdings Mystel, bevor Rei die Frage beantworten konnte. Rei grinste schief. „Ja, ja das könnte man so sagen“, feixte er und seine Freunde grölten und jubelten. Einige klopften sich schadenfreudig auf die Knie. Andere klatschten in die Hände oder bei anderen ein. „Allerdings hat er sich Anbetracht seines Vorgängers wirklich gut geschlagen. Wir müssen aufpassen. Kai ist viel intelligenter als Boris. Er könnte uns noch gefährlich werden oder uns zumindest in die Quere kommen.“ Seine Freunde verstummten. Aufmerksam blickten sie ihn an. Sie vertrauten Rei. Er wusste das. Und genau deshalb sagte er es ihnen, denn er befürchtete, dass sie nun, da Kai der Anführer ihres verfeindeten Clans war, viel vorsichtiger sein mussten. „Das war’s, geht schlafen!“, stichelte Rei und beendete die Versammlung. Auf dem Weg in sein Zimmer blieb sein Blick an dem großen Spiegel in der Eingangshalle hängen. Mao hatte mit einem dicken schwarzen Stift ihren Ehrenkodex darauf geschrieben. So wurde jeder, der daran vorbeilief und einen Blick hinein warf, daran erinnert. Der Clan ist deine Familie. Vertraue keinem Mitglied eines anderen Clans. Wer sich mit einem Mitglied des verfeindeten Clans anfreundet, hat das Recht, angehört zu werden. Wer Informationen an den feindlichen Clan weitergibt, wird vom Clan ausgeschlossen. Sei dir stets bewusst, dass deine Feinde eine Waffe bei sich tragen können – und sie wahrscheinlich gegen dich einsetzen werden. Es ist untersagt, Mitglieder des feindlichen Clans auf neutralem Boden anzugreifen. Töte nur, wenn es sein muss. Kenne deinen Feind. „Kenne deinen Feind“, flüsterte Rei. Er kannte ihn. Kai war gerissen. Und die kleine Gruppe, die ihn immer umgab, bestand aus erlesenen, ihm treu ergebenen und teilweise gefährlichen Leuten. In seinem Zimmer trat er vor die Wand dem Fenster gegenüber, die er gerne auch als ‚Wand des Verderbens’ bezeichnete. Ein riesiges Organigramm bedeckte fast die ganze Fläche. Es bestand hauptsächlich aus Fotos, die die Mitglieder des Clans des sibirischen Phönix’ zeigten. Ohne weiter zu überlegen riss er Boris’ Foto von der Wand und anstelle dessen pinnte er Kais Foto an oberster Stelle. Danach ersetzte er nacheinander die Fotos der Kerngruppe durch die Fotos von Yuriy, Kais rechter Hand, Tyson, Kais linke Hand, Ming-Ming, Garland, Sergei und Otori. Otoris Bild hielt er länger in der Hand. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete er den Jungen im Foto. Er war erst fünfzehn und ihm war es ein Rätsel, wieso Kai ihn in ihren Clan aufgenommen hat. Seine bernsteinfarbenen Augen strahlten die pure Unschuld aus und Rei lief ein kalter Schauer die Wirbelsäule hinunter. Sie erinnerten ihn stark an sich selbst, als er noch klein war. Aber irgendetwas an diesem Jungen musste Kai überzeugt haben, denn er war bekannt dafür, dass er alles Schwache verabscheute. Doch Rei pinnte auch dieses Foto zu den anderen. Seufzend machte er einen Schritt zurück und betrachtete das neu organisierte Netzwerk im gedämpften Licht seiner Stehlampe. Seine Züge verhärteten sich. Das war in der Tat eine gefährliche Mischung. Die neue Kerngruppe war nicht einfach nur sehr talentiert im Umgang mit Waffen, sondern zudem auch intelligenter und hinterlistiger als ihre Vorgänger. Yuriy war korrupt und bedingungslos und wusste nur zu gut mit Schusswaffen umzugehen. Tyson war launisch und nur schlecht durchschaubar, da man nie wusste, was er als nächstes tat. Ming-Ming würde er als eiskalte Killerin betiteln, denn sie wusste zu erreichen, was sie wollte und ging dabei über Leichen. Sergei war wie eine lebende Wand und sein bloßes Erscheinungsbild konnte einen einschüchtern. Garland beherrschte den Kampfsport beinahe perfekt und war selbst bereits eine lebende Waffe. Otori war ihm schlicht ein Rätsel. Er hatte ihn noch nie kämpfen sehen und er vermutete, dass Kai ihn auch nicht ließ. Und Kai, Kai war der Kopf dieser Bande. Gerissen, hitzig, risikofreudig. Seufzend ließ er zwei Finger über Kais Foto geiten. Ja, es würde ihm noch wahre Freuden bereiten, ihn herauszufordern. *~*~*~* Soviel zum Prolog, ich hoffe er hat euch gefallen und ihr habt einen ersten Eindruck von den Clans und ihrer Beziehung zueinander bekommen! :D Ich muss mich noch etwas an den Schreibstil gewöhnen, normalerweise ziehe ich den romantischen Stil vor, aber der passt schlecht zur Story... ^^' Freue mich natürlich über eure Rückmeldungen ^^ *bonbons da lass* Kapitel 1: Watch Me! -------------------- Vier Jahre später Mit zwei seiner besten Leute hatte Kai sich zu dem Dock begeben, wo die geplante Übergabe vonstatten gehen sollte. Er hatte vernommen, dass ein Waffenhändler einer Gruppe von Schmugglern den Auftrag gegeben hatte, höchst illegale Waffen aufzutreiben. Kai war sehr interessiert an diesen Waffen. Schließlich konnte man die nicht einfach im nächsten Geschäft kaufen. Er würde sie an sich nehmen und einige davon auf dem Schwarzmarkt verhökern. Dem Händler würde es eine Lehre sein, dass in seiner Stadt keine illegalen Waffen eingeschmuggelt wurden, sofern es nicht von ihm beauftragt oder bewilligt wurde. Illegale Geschäftchen hinter seinem Rücken wollte er nicht dulden. Denn wer die Kontrolle darüber hatte, besaß auch eine gediegene Menge an Respekt und Macht. Es war pechschwarze Nacht und sie drängten sich im Versteckten an die Wand. Yuriy lugte vorsichtig um die Ecke, während Kai hinter ihm stand und seine Magnum lug. Natürlich hatte er nicht vor, auch nur einen von ihnen zu töten, schließlich konnte er keinen Stress mit dem Gesetz gebrauchen, aber er würde ihnen ein großzügiges Willkommenskomitee abhalten und ihnen einen ordentlichen Schreck einjagen. „Er ist allein. Die Schmuggler sind noch nicht aufgetaucht.“ „Gut“, meinte Kai und ließ den Schaft zurückschnellen. „Denkt daran: keine Toten! Das gilt insbesondere für dich, Tyson!“ „Jaja“, maulte dieser und sicherte seine Pistole unter Kais warnendem Blick. „Ich warne dich, knall einen ab und ich schieß dir ins Bein!“ Tyson war ungeduldig und nicht besonders geschickt mit der Waffe, da konnte es schon mal vorkommen, dass er aus Versehen auf jemanden schoss. Ihre flüsternde Unterhaltung wurde jäh unterbrochen, als sie einen Motor hörten. Sofort warf Yuriy einen erneuten Blick um die Ecke. „Das sollte der Van- shit!“ Zwei weitere Gesichter spähten hinter der Mauer hervor. Im entfernten Schein einer einzelnen Straßenlaterne sahen sie nicht wie erwartet den Lieferwagen. Mit lautem Gedröhne jagte ein schwarzes Motorrad um die Ecke und hielt nur zwei Meter vor dem Auftraggeber, der nervös zurückschreckte. Kai fluchte. Er erkannte sofort, wem dieses Motorrad gehörte und vor allem, wer darauf saß. „Wir müssen-!“ Doch Yuriy streckte einen Arm aus und hielt Tyson zurück. Dabei zeigte er mit dem Lauf seiner Clock nach oben. Tyson folgte mit seinem Blick. Kurz darauf erhellte die Erkenntnis sein Gesicht. Auf dem Dach des Gebäudes, hinter dessen Mauer sie sich versteckt hielten, erkannte er einen Schatten. Der schwarze Stahl eines langen Laufes glänzte gefährlich durch die Dunkelheit. „Und dort“, ergänzte der Russe und zeigte mit dem Lauf weiter nach links. Auf dem nächsten Gebäude lag auch jemand. „Halbautomaten“, erklärte er und Tyson duckte sich hinter die Wand. Kai hingegen ließ den Störenfried nicht ein einziges Mal aus den Augen. Aufmerksam beobachtete er, wie die ganz in Schwarz gekleidete Gestalt vom Motorrad sprang und den Helm vom Kopf zog. „Rei“, knurrte Tyson. Natürlich, dachte Kai und ließ einen abschätzigen Seufzer los. Alleine Reis Haare hatten ihn sofort verraten. Die langen, zum Zopf geflochtenen rabenschwarzen Haare und die Silhouette hätte er überall wiedererkannt. „Sollen wir eingreifen?“, fragte Yuriy flüsternd. „Nein. Warten wir erst mal, was die Mieze macht.“ „Aber wir sind hier auf neutralem Boden“, warf Tyson ein. „Gerade deswegen“, zischte er, mit Gedanken an die beiden Scharfschützen auf den Dächern. Mit zugekniffenen Augen folgte er jeder von Reis Bewegungen. Dieser hatte seinen Helm auf das Motorrad gelegt und war auf den Auftraggeber zugegangen. Ein spöttisches Grinsen zierte sein Gesicht. „Wer bist du?“, fragte der Auftraggeber harsch, doch Rei konnte die Nervosität förmlich riechen. „Hast du jemand anderes erwartet?“ Reis Stimme triefte vor spielerischer Amüsiertheit. „Ich“, begann der Auftraggeber, erinnerte sich dann aber eines Besseren. „Ich habe nichts!“ Lachend lehnte sich Rei mit der Hüfte gegen das Geländer, hinter dem die Brandung ruhig gegen den Stein plätscherte, und verschränkte die Arme. „Nein, du nicht, aber die Leute, die du erwartest.“ Langsam bildete sich Schweiß auf der Stirn des Mannes. Seine Augen huschten über die Pistole an seinem Gürtel und zum Messer, das an seinem Oberschenkel festgemacht war. Er schluckte. „Ich erwarte niemanden!“ Wieder lachte Rei und sein Lachen hallte von den Gebäuden wider. „Nein, natürlich nicht. Aber es wäre doch jammerschade“, und ehe der Auftraggeber sich versehen konnte, fühlte er kalten Stahl an seinem Hals und Reis Gesicht kam seinem ganz nah, „wenn sie dich tot hier auffinden würden.“ Der Auftraggeber schielte auf das scharfe Messer, das Rei ihm an die Kehle hielt und dann in seine Augen. In ihnen spiegelte sich Spott und Überheblichkeit, aber keinerlei Zögern. Er schluckte und die Klinge schabte an seiner Haut. In seinem Kopf ratterten die irrwitzigsten Gedanken, wie er ihm am besten entkommen konnte. „Versuch erst gar nicht zu fliehen. Mach einen Schritt und du bist tot.“ Sein Blick huschte zu einem seiner Männer. Er spürte, wie der Auftraggeber zusammenzuckte und sich dann versteifte, und auch er selbst fühlte den feinen Luftzug, als die Kugel knapp zwischen ihren Gesichtern hindurchflog. Dann ließ er ihn los und stieß ihn angewidert von sich. Nervös blickte der eingeschüchterte Mann auf die Uhr. „Keine Angst, sie hatten lediglich einen Platten, aber sie kommen schon noch.“ Der Auftraggeber wagte nicht, sich zu bewegen. Stocksteif stand er da und betete in Gedanken zum Himmel, dass Rei ihn nicht doch noch töten würde. Er zuckte zusammen, als Rei den Arm hob. Mit der kalten Spitze seines Messers schob er ihm eine schweißdurchtränkte Haarsträhne aus der Stirn. „Hast du Angst?“, fragte er spöttelnd. „N-nein“, log der Mann. „Du bist ein schlechter Lügner“, stellte Rei fest und zog das Messer zurück. Womöglich würde er sonst überhaupt keine Antworten mehr bekommen, bevor der Mann sich in die Hosen schiss. „Ist das dein erster Schmuggel?“ „N-nein.“ „Du hast dir einen schlechten Ort ausgesucht. Hier treibt sich jegliches Gesindel rum“, sagte Rei beinahe schon im Plauderton. „Das war nicht ich“, versuchte der Auftraggeber wenigstens etwas seiner Würde zu wahren, doch Rei ignorierte ihn. „Wird wohl deine letzte derartige Arbeit sein.“ Beiläufig ließ er seine Hand in die Hosentasche des Auftraggebers gleiten und zog einen Geldbeutel hervor. Er nickte anerkennend, als er die Scheine herauszog. „Hast dich wohl ziemlich sicher gefühlt, was? Oh, da kommen sie.“ Er drückte dem Mann die Geldbörse in die Hand und stopfte sich die Geldscheine in die Gesäßtasche. Amüsiert stellte er fest, dass der Auftraggeber erleichtert aufseufzte. Kai sah zu, wie der schwarze Lieferwagen zögerlich auf sie zufuhr. Offensichtlich hatten die Insassen nur eine Person erwartet und er konnte fast vor seinem inneren Auge sehen, wie sie ihre Waffen entsicherten. Was dachte sich Rei dabei? Ein vermummter Mann stürzte vom Beifahrersitz und zielte auf Rei, der lässig an das Geländer gelehnt dastand. Doch der Auftraggeber schritt dazwischen und hob die Hände, schüttelte warnend den Kopf. Ein weiterer Mann in Schwarz trat neben seinen Kollegen. „Was soll das, Jarod?“, blaffte er den Auftraggeber an. „Ich wurde überrascht.“ „Und was will er?“ Er war offenbar verunsichert über ihren Besuch, da dieser alleine war, definitiv nicht zu Jarod gehörte und doch nichts getan hatte. „I-ich weiß nicht“, stellte Jarod fest und drehte sich zu Rei um, der ihn hinterlistig angrinste. „Ich will die Ware“, sagte Rei in einer Selbstverständlichkeit. Der Mann in Schwarz, offenbar der Boss der Schmugglerbande, lachte auf, worauf sein Kollege sofort wieder mit der Pistole auf ihn zielte. Reis amüsierter Gesichtsausdruck verschwand sofort und mit verdunkelten Augen blickte er sie an. „Ich an eurer Stelle würde aufpassen.“ Plötzlich erklang Gebrüll von der Rückseite des Lieferwagens. Gleich darauf war es wieder verstummt. Es klang merkwürdig abgewürgt. Der Boss und sein Kollege tauschten ernste Blicke aus, dann hob er selbst seine geladene Waffe und zielte auf Rei, während er dem anderen per Kopfrucken mitteilte, nachzusehen. Schussbereit schlich er um den Wagen herum. Seine Kollegen lagen auf dem Boden verstreut, ihre Waffen irgendwo neben ihnen. Und da waren Leute, die definitiv nicht zu ihnen gehörten, die die Koffer mit der Waffenlieferung aus der Ladefläche luden. Plötzlich tauchte ein Gesicht direkt vor ihm auf. „Hallo.“ Dann wurde er von der Seite hart am Kopf getroffen. „Was zum-!“ Dem Boss wurde es langsam unangenehm. Wenn er den Chinesen erschießen würde, hätte er nur Probleme, die Leiche irgendwie zu entsorgen. Trotzdem musste er ihn loswerden. Rei lachte und stieß sich vom Geländer ab. „Ihr habt euren Beruf verfehlt“, stellte er unverblümt fest. Der Boss zögerte einen Moment zu lange. Rei nutzte die Gelegenheit, um die Pistole zur Seite zu drücken und ihm hart in den Solarplexus zu boxen. Keuchend ließ er die Hand sinken und Rei schlug ihm die Waffe aus dem gelockerten Griff, dann bückte er sich, um sie aufzuheben. „Schicke Beretta. Die nehm ich an mich“, sagte Rei und steckte sie sich hinten in die Hose. „Ich bin hier fertig.“ Er machte einen Schritt, doch dann wurde er plötzlich an der Jacke gepackt. Mit hochgezogener Augenbraue drehte er sich um. „Warte, lass uns verhandeln.“ Mit abschätzigem Blick wischte er die Hand von seiner schwarzen Lederjacke. „Ich verhandle nicht.“ Wut schäumte im Boss hoch und er stürzte sich mit geballten Fäusten von hinten auf Rei. Dann spritzte Blut. Jaulend hielt der Boss sich die angeschossenen Hände. Er krümmte sich. Helles Blut tropfte auf den Boden, doch in der Nacht glänzte es fast schwarz. „Verfluchtes Pack!“, keifte er und spuckte vor Rei auf den Boden. „Leg dich besser nicht mit uns an“, warnte Rei noch, dann begab er sich zu seinem Motorrad, wo er sich den Helm überstreifte. Kai sah zu, wie er mit einer schwungvollen Bewegung auf seine Maschine stieg und sie mit einem Kick startete. Der Motor heulte auf und mit durchdrehenden Rädern wendete er auf der Stelle. Dann schoss er davon, dicht an das schwarze Ungestüm geschmiegt. Im selben Moment verschwanden die Scharfschützen von den Dächern. Der Rest der Gruppe war schon längst weg. Mitsamt der Ware. Kai sicherte seine Magnum und steckte sie zurück in die Hülle. Auch Yuiry entspannte sich sichtlich. „Gehen wir.“ Kai war nicht allzu sehr enttäuscht. Die Schmuggler waren ohnehin keine großen Fische gewesen. Sie waren unvorsichtig und unerfahren. Doch der Boss hatte sie schlussendlich verraten. In dieser Branche durfte man nicht zögern. Jeder andere hätte Rei sofort erschossen. Rei hatte dies gewusst. Es war ein leichtes Spiel gewesen. „Dieser Dreckskerl“, murmelte er vor sich hin, während er durch die Straßen lief. Tief schob er die Hände in die Taschen. Er ärgerte sich über Rei, weil er ihm ein Schnippchen geschlagen hatte, und er ärgerte sich über sich selbst, weil er dies nicht in Erwägung gezogen hatte. Es war neutraler Boden gewesen, da hätte er erwarten müssen, dass Rei an erster Stelle dabei war. Aber er hatte gedacht, der Chinese würde sich nicht für Waffen interessieren. Da hatte er wohl falsch gedacht. Als sie sich das erste Mal sahen, hatte er allerdings auch nicht damit gerechnet, dass Rei einmal eine solche Konkurrenz darstellen könnte. Er hatte einen spärlichen Jungen mit langen schwarzen Haaren und großen gelben Augen gesehen, der sich hinter den Beinen der Stärkeren versteckte und ihn misstrauisch beäugte. Auf Kai hatte er gewirkt wie ein kleines verängstigtes Mädchen. Dass er in der Schule dann zum Raufbold wurde, hatte er sich damals nicht gedacht. Aber er hatte sich gerne mit ihm geschlagen, es war immer ein Spaß gewesen Rei zu provozieren. Er fuhr halt einfach auch viel zu schnell aus seiner Haut. Kai verzog den Mund beim Gedanken, dass ihn das wohl abgehärtet haben musste. Denn mittlerweile war Rei alles andere als aufbrausend. Das war irgendwie schade. In Gedanken versunken stieg er die wenigen Stufen herab, die zur Tür führten, hinter der sich seine Stammbar erstreckte. Systematisch scannte er jedes Gesicht ab, das er sah. Es war reine Gewohnheit. Aber in seiner Branche war es wichtig, sofort den Überblick zu bekommen, wenn er eine neue Szene betrat. Er schlängelte sich durch die Leute, die wild durcheinander redeten und grölten. Das gelbliche Licht tauchte alles in eine schummrige Atmosphäre. Als er während seinem Gang zur Ausschenke den Blick weiter durch die Leute schweifen ließ, fixierte sich seine Aufmerksamkeit auf eine Person, die ganz zuhinterst in der Ecke am Tresen saß und mit der Barkeeperin flirtete. Einen Augenblick blieb er stehen, dann verengten sich seine Augen zu Schlitzen und er drückte sich durch die Leute. „Was zum Teufel machst du hier?“ Rei drehte sich zu ihm um und sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Trinken“, entgegnete er und hob zur Bestätigung sein Glas, um ihm zuzuprosten. „Das meine ich nicht. Was machst du hier?“, wiederholte er gepresst und betonte jedes einzelne Wort mit Nachdruck. Schalk blitzte in Reis Augen auf, als er erneut das Glas hob und einen großzügigen Schluck trank. Verärgert preschte Kai nach vorne und stieß mit flacher Hand an die Wand hinter Reis Kopf. „Hey, prügeln könnt ihr euch draußen!“, warf eine weibliche Stimme ein. Beide, Kai wie Rei, warfen der Barkeeperin einen Blick zu, der sie sofort zum Verstummen brachte. Dann wandte sich Kai wieder zu Rei und schaute ihn mit blitzenden Augen an. „Du bist hier in meinem Territorium“, zischte er gefährlich. „Du kannst von Glück reden, dass ich alleine unterwegs bin. Wären die anderen da, hätten sie dir jetzt den Kopf abgerissen.“ Rei lehnte sich nach hinten an die Wand und blickte ihn unter halb gesenkten Lidern an. Er ignorierte Kais Worte geflissentlich. „Du warst heute Abend auch da, nicht wahr?“, fragte er stattdessen und grinste ihn an. „Es war nur ein kleiner Fisch. Hatte aber eine hübsche Ladung neuster Berettas dabei.“ Kai blickte ihn schweigend an, die Unzufriedenheit, die trotzdem an ihm nagte, war ihm nicht anzusehen. „Ich dachte mir, die hier würde dir vielleicht gefallen.“ Rei zog die Waffe hinter seinem Rücken aus dem Hosenbund und betrachtete sie, während er sie leicht hin und her drehte. Kai stand so vor ihm, dass er den Blick der anderen Leute auf die Pistole abschirmte. Süffisant schaute Rei ihn an und beobachtete seine Gesichtszüge. „Eine Beretta 92 M9 A1. Neun Millimeter. Griffstück mit Checkering auf Front- und Rückseite, verstärktes Griffstück mit Picatinny MIL-STD-1913 Rail, beschichtete Magazine. Der Wert liegt bei ungefähr tausendeinhundert US-Dollar. Das Baby ist schwierig zu handhaben. Das wäre doch etwas für deinen Rotschopf, nicht?“ Mit gelangweiltem Gesichtsausdruck drückte Kai die Beretta nach unten. „Halt mir die Knarre aus dem Gesicht.“ „Entschuldige“, entgegnete Rei zynisch grinsend. Kai lehnte sich weiter nach vorne und kesselte Rei zwischen sich und der Wand ein. „Du verschwindest jetzt besser, bevor meine Leute doch noch auftauchen. Du bist in meinem Territorium. Hier gilt der Waffenstillstand nicht“, erinnerte Kai den Schwarzhaarigen scharf an seine Situation. Rei lehnte sich ihm ein Stück entgegen. Er neigte den Kopf etwas zur Seite und entblößte seinen Hals. Aufreizend fuhr er mit seinen Lippen nah an Kais Kiefer entlang und flüsterte mit dunkler Stimme in sein Ohr. „Du könntest doch niemals zulassen, dass mir etwas passiert.“ Einen Moment schauten sie sich in die Augen, bevor Rei vom Barhocker rutschte. Dabei streiften sich ihre Körper und als Rei sich an ihm vorbeidrängte, drückte er absichtlich sein Unterleib gegen Kais. Dann war er zwischen den Leuten verschwunden. Kai seufzte und bestellte einen doppelten Vodka, den er sofort hinunterkippte. „Rei, du machst mich noch wahnsinnig“, murmelte er, bevor er den nächsten hinterherschüttete. *~*~*~*~* sooo, kai und rei.... was für spielchen die wohl treiben? hehe vielen dank für die letzten kommis! :* *bonbnos da lass* Kapitel 2: Hire Me! ------------------- Rei wusste, was er mit den Waffen tun würde, die sie in der Nacht zuvor an sich genommen hatten. Ein Teil würde ihre eigenen Modelle ersetzen. Den größeren Teil allerdings würde er verkaufen. Oder besser gesagt, er würde sie verkaufen lassen. Bryan trieb sich hie und da im Untergrund auf, um den Clan auf dem Laufenden über den Schwarzmarkt zu halten. Er war der perfekte Mann dafür. Rei würde ihn darauf ansprechen. Das Geld konnten sie schließlich auch gut gebrauchen. Es gab noch Rechnungen zu bezahlen, dachte Rei grummelnd. Trotzdem würde er einen kleinen Teil der doch ansehnlichen Ladung Waffen vielleicht sogar anonym der Polizei zukommen lassen. Sie wissen lassen, dass es da draußen Leute gab, die sie nicht kontrollieren konnten und Dinge wussten, die ihnen selbst verborgen geblieben waren. Das Modell, das er dem Boss abgenommen hatte, wollte er aber für sich behalten. Nicht, dass er sie einsetzen würde. Er machte zwar Schussübungen, aber er würde sich weigern, jemals auf einen Menschen zu schießen. Aber sie sah gut aus und hatte an seinem Gürtel sicher eine angemessen abschreckende Wirkung. Er würde ihr aber dennoch sein Messer vorziehen. Auf der langen stählernen Klinge war mit feinen Linien ein Tiger eingraviert. Es war ein Geschenk gewesen zu seiner Beförderung. Dem Messer würde er aber immer noch seine Fäuste vorziehen. Beziehungsweise die Kampfkunst. Nicht umsonst hatte er sein ganzes Leben lang trainiert. Er zeigte seinen Gegner einfach zu gerne, was er drauf hatte, ohne ihn erst mit der Knarre einschüchtern zu müssen. Die meiste Zeit war er schließlich unbewaffnet unterwegs. Die Bevölkerung dachte sonst noch, er wäre ein Krimineller. „Rei?“ „Komm rein.“ Mao steckte den Kopf zur Tür hinein. „Da unten ist jemand für dich. Wir wissen nicht genau, wer es ist, er wollte uns nichts sagen. Er will nur mit dir reden.“ Rei schnaubte und rollte sich vom Bett. Es war erst zehn Uhr morgens, wer würde um diese Zeit etwas von ihm wollen? Er zog sich eine weite Hose über und ging seiner Kusine voraus nach unten in den großen Wohnbereich. Dort saß ein ihm unbekannter Mann auf dem Sofa, den Blick zu Boden gerichtet. Er trug einen dunkelgrauen Anzug. Die Haare waren ordentlich zur Seite gekämmt. Er sah nicht aus wie jemand, der Ärger bedeutete. Doch die anderen standen um ihn herum und beobachteten misstrauisch jede seiner Bewegungen. „Wer sind Sie?“, fragte Rei, kaum hatte er den Raum betreten. Der Mann blickte hoch und erhob sich. Förmlich streckte er Rei die Hand entgegen. „Ich bin James Morrison. Sind sie Rei Kon?“ Rei blickte ihn mit hochgezogener Augenbraue an und ignorierte die Hand. „Sind sie ein Cop?“, fragte er geradeheraus und seine Augen verengten sich, als wollten sie sagen ‚ich erkenne, wenn du lügst’. „Ich bin ein Agent.“ Rei war zugegeben überrascht über solche Ehrlichkeit. Gesetzeshüter und Clans waren nicht gerade Freunde. Tatsächlich war es eher so, dass sie Angst hatten, mit den Clans konfrontiert zu werden und sich nicht getrauten, ihnen etwas vorschreiben zu wollen. Im Gegensatz dazu wurden sie von den Clans ignoriert. Soweit er denken konnte, war noch nie einer zu ihnen gekommen. Umso neugieriger war er, was dieser hier von ihm wollte. „Und was wollen Sie ausgerechnet von uns?“, fragte er und setzte sich ihm gegenüber. James Morrison räusperte sich. „Eigentlich wollte ich unter vier Augen mit Ihnen sprechen, wenn das möglich wäre?“ Rei machte eine ausladende Bewegung. „Wir sind eine Familie. Ich vertraue ihnen. Was ich weiß, dürfen auch sie wissen.“ Der Mann schaute sie der Reihe nach kurz an. Die aufmerksamen und argwöhnischen Blicke machten ihn etwas nervös. Und doch wunderte er sich über den jungen, bunt zusammengemischten Haufen. Er hatte zwar so viel, wie es ihm möglich gewesen war, über den Clan in Erfahrung gebracht, aber jetzt vor ihnen zu stehen mutete ihm komisch zu. In ihren Blicken lag so viel Ernsthaftigkeit und Skepsis. Junge Erwachsene wie sie sollten doch ihr Leben genießen, dachte er bedrückt und er fühlte sich plötzlich schlecht. „Nun denn“, begann er und schaute Rei ernst an. „Ich bin hier, weil ich euch um etwas bitten wollte. In letzter Zeit haben wir festgestellt, oder feststellen müssen, dass gewisse Aktivitäten im Untergrund laut wurden. Wir würden dies ja gerne selbst erledigen, aber dafür sind wir nicht ausgebildet und haben keine Erfahrung. Deshalb sind wir nun gezwungenermaßen auf euch angewiesen.“ „Nein.“ Mit verschränkten Armen lehnte sich Kai im Stuhl zurück. Der Agent, der sich als Andrew Korov vorgestellt hatte, zuckte ob dem harten Tonfall zurück. Er richtet seine Brille. „Herr Hiwatari, ich muss sie bitten, mich wenigstens zu Ende anzuhören.“ „Es ist egal, um was es geht, letzten Endes sieht es genau gleich aus. Wir erledigen die Drecksarbeit für euch“, knurre Kai. Es war ihm sichtlich zuwider. „Ich kann nicht abstreiten, dass es sich wohl um eine Art ‚Drecksarbeit’ handelt, aber ihr würdet natürlich gut entschädigt werden.“ Kais Augenbraue schoss in die Höhe. Er war ein Hiwatari. Er erledigte keine Arbeit für andere, auch nicht für Gesetzeshüter. Und erst recht keine Drecksarbeit. „Wieso wir?“, wollte er dennoch wissen. „Ihr seid die Fähigsten.“ Prüfend schaute Kai ihn an. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich die Clans stets zu übertrumpfen versuchten. Korov hatte dieses Wissen zwar geschickt eingesetzt, doch ihn konnte er damit nicht ködern. Trotzdem breitete sich ein abschätziges Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Dann lassen sie hören, worum es geht“, sagte er. Korov räusperte sich. „Wir haben festgestellt, dass seit geraumer Zeit ein illegaler Handel herangewachsen ist, den wir keineswegs dulden können. So etwas haben wir seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt. Es widerspricht sämtlichen Menschenrechten und dem Fortschritt. Unsere Männer haben bereits versucht, Informationen zu sammeln, doch sie sind äußerst geschickt und handeln im Versteckten. Wir kommen einfach nicht an sie heran. Wir wissen nichts über sie. Hier kämt ihr ins Spiel. Beschafft uns Informationen. Mehr verlangen wir nicht.“ „Von welcher Sorte Handel ist hier die Rede?“, fragte Yuriy mit zusammengepressten Augen. Korov blickte zum Rotschopf. Sein Gesichtsausdruck war kalt und hart wie Stahl und seine eisigen Augen blitzten heimtückisch, sodass er kurz den Eindruck hatte, zu frösteln. Er stand rechts neben Kai. Kurz holte er Luft, bevor er antwortete. „Menschenhandel.“ Er sah, wie sich ihre Blicke veränderten. Sie wurden noch härter und kälter. Und in ihnen spiegelte sich etwas, was er bei dieser Sorte Menschen noch nie gesehen hatte. Bestürzung. „Menschenhändler sind die korruptesten Arschlöcher, die es im Untergrund gibt“, knurrte Yuriy. Kai nickte und erhob sich. „Das ist ein schweres Ding, das Sie hier von uns verlangen.“ Korovs Blick traf den seinen. Ernsthaftigkeit lag in seinem Gesicht. „Das ist uns bewusst. Wir würden natürlich auch dafür sorgen, dass ihr entsprechend ausgerüstet seid.“ „Waffen haben wir genug.“ Morrison stutze. Doch er ließ sich nichts anmerken. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass Leute wie sie ohne Probleme an Waffen gelangten. Doch eigentlich mussten diese dann auch angemeldet werden. Er hatte ihre Namen aber in keinem Register gelesen. „Menschenhandel ist eine ernste Angelegenheit. Wir müssen uns besprechen. Wenn auch nur einer von uns dagegen ist, werden wir es nicht tun.“ Morrison nickte. „Selbstverständlich. Das können wir nicht verlangen.“ Er erhob sich und Rei tat es ihm gleich. „Wenn ihr euch entschieden habt, rufen Sie mich bitte an. Es ist meine direkte Nummer.“ Er drückte Rei eine Visitenkarte in die Hand. Als er gegangen war, schauten sie sich nachdenklich an. „Das ist böse“, meinte Mystel und lehnte sich gegen die Sofalehne. „Mit Menschenhändlern ist nicht zu spaßen.“ „Sie schrecken vor nichts zurück. Sie würden uns ohne mit der Wimper zu zucken abknallen, wenn wir sie auch nur schräg anschauten“, stimmte Bryan zu. „Wir können aber auch nicht einfach hier herumsitzen und nichts machen“, warf Mao ein. Abscheu lag in ihrem Gesicht. „Jetzt, wo ich weiß, dass im Untergrund ein Menschenhandel betrieben wird, kann ich unmöglich einfach nichts dagegen unternehmen wollen!“ Rei seufzte und ließ sich auf das Sofa fallen. Mit den flachen Händen fuhr er sich über das Gesicht. „Mir geht es ähnlich. Aber wir hatten noch nie mit Menschenhändlern zu tun. Ehrlich gesagt habe ich großen Respekt davor, mich ihnen in die Quere zu stellen“, sagte Lee. „Rei, lass uns erst die Vor- und Nachteile aufzählen, bevor wir uns entscheiden“, warf Kenny ein und klappte seinen Laptop auf. „Ja, das ist eine gute Idee. Danach wird jeder für sich entscheiden und es mir persönlich sagen, ob er damit einverstanden ist oder nicht. Ich will nicht, dass sich irgendjemand dazu gedrängt fühlt. Und sollte auch nur einer dagegen sein, dann werde ich Morrison absagen. Nehmt euch so viel Zeit, wie ihr braucht.“ Die Hände tief in die Taschen vergraben, stakste Kai zum Polizeipräsidium. Sein Auto hatte er einige hundert Meter weiter vorne abgestellt. Er wollte nicht, dass es irgendjemand an solch einem Ort stehen sah. Es würde nur lästige Fragen geben. Unter heruntergezogener Kapuze spähte er kurz nach links und rechts, bevor er das Gebäude betrat. Unter der Jacke spürte er seine Magnum. Irgendwie war ihm die Sache nicht geheuer. Er hatte Männer, die sich regelmäßig im Untergrund herumtrieben, wie konnte es also sein, dass ihnen eine solche Aktivität nicht aufgefallen war, da es doch offensichtlich bis zur Polizei durchsickern konnte? Hatten sie Spione, von denen sie nichts wussten? Wenn dem so war, dann wussten sie wahrscheinlich mehr über sie und auch andere Clans, als ihm lieb war. Kai wurde bereits erwartet. Korov kam mit großen Schritten auf ihn zu. „Herr Hiwatari, es freut mich sehr, dass Sie gekommen sind. Bitte, kommen Sie hier entlang.“ Er ging ihm voraus und führte ihn in einen Bereich, der nur von bestimmten Personen betreten werden durften. Kai tippte auf Kriminelle und Angestellte. Denn vor der Absperrung stand ein breitschultriger Polizist im blauen Anzug. An seinem Gürtel hing Pistole und Knüppel und er machte ein grimmiges Gesicht. Die Sicherheitsanlage fing schrill an zu schellen, als Kai die Absperrung passierte. Sofort trat der bewaffnete Polizist vor ihn und versperrte ihm den Weg. Seine Hand schnellte zum Knüppel. Kais Augen verengten sich zu Schlitzen. Doch ehe der Sicherheitsmann ihn anfassen konnte, legte Korov ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter. „Es ist in Ordnung“, sagte er nachdrücklich und bat Kai an ihm vorbei. Der Polizist blickte ihnen voller Abscheu hinterher. Kai vermutete, dass er nicht eingeweiht worden war. Allerdings war Kais Gesicht nicht unbekannt. Bestimmt hing irgendwo ein Bild von ihm. Er musste also wissen, wer er war. Und ihn auch noch bewaffnet hereinzuschmuggeln, musste ihm sehr verdächtig vorkommen. Korov führte ihn zu einem Raum ziemlich weit hinten eines Seitenflügels. Hierhin kam man wohl nur, wenn alle anderen Räume besetzt waren. Im Raum standen lediglich ein viereckiger Tisch und vier Stühle. Ein Verhörraum. Doch was ihm als erstes ins Auge stach, war die Person, die bereits auf einem der Stühle saß. Rei sprang auf. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Wütend drehte er sich zu dem Mann um, der neben ihm stand. „Was soll das?“, spuckte er aus. „Bitte, hört uns an.“ Morrison hob beide Hände. Offensichtlich wollte er ihn beruhigen. Doch Rei war stinksauer. „Davon war nie die Rede.“ Seine Hand schnellte nach oben und er zeigte auf Kai. Dieser war im Türrahmen stehen geblieben. Mit zusammengebissenem Kiefer blickte er Korov an. „Ich bin hier weg.“ „Wartet!“, in der hochsteigenden Panik, der Deal könnte platzen, packte er Kai am Arm. Ein Fehler. Ehe er sich versah, war eine Pistole auf ihn gerichtet. Kais Finger lag bereits am Abzug. Korov schluckte und ließ Kai los, hob beide Hände. Kais rote Augen blitzten bedrohlich auf und in ihnen lag pure Kampfbereitschaft und keinerlei Zögern und ihm wurde mit einem Schlag bewusst, wieso die Kollegen einen solchen Heidenrespekt vor ihm hatten. In den Augenwinkeln sah er Morrison, der seine Pistole reflexartig auf Kai gerichtet hatte. Doch der Clananführer hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt. „Entschuldigung“, sagte er etwas heiser. Kai ließ die Waffe sinken und steckte sie wieder zurück in den Hosenbund. Doch er ließ Korov nicht mehr aus den Augen, was diesen etwas nervös machte. „Was soll das?“, wollte auch Kai wissen. Die beiden Agenten tauschten einen kurzen Blick aus, dann sprach Morrison. „Wir hielten es für besser, euch nichts davon zu erzählen. Wir waren uns sicher, dass ihr es euch gar nicht erst überlegen würdet, wenn ihr wüsstet, dass wir auch jemand anderen gefragt haben.“ Rei beugte dich weit über den Tisch. Mit verengten Augen starrte er Morrison an. „Euch ist doch sicherlich bekannt, dass wir verfeindet sind, was habt ihr euch also dabei gedacht?“ Er warf Kai einen bissigen Blick zu, der ihn nicht minder eisig erwiderte. „Um die Wahrheit zu sagen, wir haben gehofft, dass ihr eure Feindseligkeiten für einen Moment zur Seite schieben könntet, wenn ihr erst einmal wisst, worum es geht“, antwortete Korov. „Ich habe genug gehört“, knurrte Kai und wandte sich erneut zur Tür. Doch Korov, der neben ihm stehen geblieben war, zog sie geistesgegenwärtig zu, drehte den Schlüssel und steckte ihn sich in die Hosentasche. Und diesmal war er vorbereitet. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck blickte er am Lauf der Waffe vorbei. Rei war ein Schritt zurück gesprungen und hatte ebenfalls seine Pistole gezückt, richtete sie auf Morrison. Beide Agenten wurden nun mit geladenen und entsicherten Waffen bedroht, in einem Raum, der nicht überwacht wurde. Kais Mundwinkel zuckte. Selbst Rei war bewaffnet. Das musste schon was heißen. „Eine Zusammenarbeit fundiert auf Vertrauen. Wir vertrauen uns nicht. Und wie sollten wir euch vertrauen, wenn ihr uns etwas so Entscheidendes vorenthalten habt?“, fragte Rei rechtfertigenderweise. Morrison seufzte und bat Rei, seine Waffe zu senken. Doch der dachte nicht daran. „Wir sind uns dessen bewusst, aber wir mussten dieses Risiko eingehen.“ „Es gibt noch andere Clans, wieso habt ihr die nicht gefragt? Unsere Gesichter sind bekannt im Untergrund.“ Morrison blickte zu Kai. „Ja, das wissen wir. Und das ist einer der Gründe. Euch würden sie unter keinen Umständen mit uns in Verbindung bringen.“ Damit hatten sie Recht, dachte Kai bissig. Doch etwas stank noch immer bis in den Himmel. „Wie kann es sein, dass ihr davon wisst?“ Korov grinste steif. „Wir haben einige Spitzel im Untergrund eingeschleust. Doch eigentlich war es nur Zufall oder sehr großes Glück.“ „Einer der Kollegen musste mit dem Leben dafür bezahlen“, ergänzte Morrison dumpf. Kai zog eine Augenbraue nach oben. „Und da dachtet ihr, fragen wir doch mal die Clans, was kümmert es uns, wenn die gekillt werden, ein Problem weniger für uns.“ Seine Stimmte triefte vor Spott und Sarkasmus. Doch beide Agenten schüttelten den Kopf. „Natürlich nicht. Wir wollen nicht noch mehr Opfer. Auf keiner Seite. Außerdem wollen wir die Händler unbedingt lebend. Ihr seid geschickt. Ihr könnt Ärger aus dem Weg gehen.“ „Was macht euch da so sicher?“, fragte Rei. „Sonst hätten wir euch schon lange auf frischer Tat ertappen können“, erwiderte Morrison unterdrückt grinsend. „Der Untergrund ist undefiniertes Gebiet. Dort herrscht weder Waffenstillstand, noch kann jemand Anspruch darauf erheben. Zwei verfeindete Clans, die dort zusammenarbeiten müssten, ist keine gute Idee. Wir müssen uns die ganze Zeit im Bewussten sein, dass auf uns geschossen werden könnte. Jederzeit.“ Rei sicherte seine Baretta und steckte sie sich in den Hosenbund. „Außerdem können wir ‚unsere Feindseligkeiten’ nicht einfach so mal ignorieren. Sie halten seit Generationen an. Wir sind damit aufgewachsen. Sie sind Teil unserer Leben. Es ist tief in uns drin. Meine Leute und ich hätten gerne geholfen. Aber unter diesen Umständen ist es uns nicht möglich.“ Mit wenigen langen Schritten ging er zu Korov und streckte die Hand aus. „Schlüssel“, forderte er. Korov seufzte. Sichtlich betrübt warf er einen Blick zu seinem Kollegen. Dann zog er den Schlüssel und öffnete die Tür, hielt sie allerdings fest, sodass Rei nicht durch konnte. Stattdessen drückte sich Morrison an ihm vorbei. Korov folgte ihm und zog die Tür hinter sich zu. Rei und Kai befanden sich nun alleine im Raum. Zwischen ihnen lagen nur zwei Schritte. Rei drehte sich um. Kai starrte ihn an. Sein Gesicht spiegelte absolut keine Emotion wider. Mit verschränkten Armen stand er einfach da. Wie aus einem Impuls heraus machte Rei zwei Schritte nach vorne und packte Kai an der Kapuzenjacke. Kräftig zog er daran und besitzergreifend presste er den Mund auf seinen. „Südstadt, in zwanzig Minuten.“ *~*~*~* haha, das kam jetzt überraschend, was?? gab's einige WTF-gesichter?? XD Kapitel 3: Desire Me! --------------------- ‚Südstadt’ war eher das Codewort einer Lokation als ein echter Begriff eines Stadtteils. Genauer betrachtet bezeichnete ‚Südstadt’ eher ein kleines altes, etwas heruntergekommenes Quartier mit vernachlässigten Blockhäusern. Hier lebten hauptsächlich zwielichtige Gestalten und niemand interessierte sich für die Angelegenheiten anderer. Es war der perfekte Ort, wenn man unerkannt bleiben wollte. Kai stellte seinen schwarzen Mustang in eine kurze Sackgasse. Die Wände waren vollkommen versprayt und der Boden war verdreckt und staubig. Ein Mülleimer lag verbeult und umgekippt in der Ecke, sein Inhalt verstreut. Es hatte angefangen zu regnen und der Regen machte den grauen Ort noch trostloser, als er ohnehin schon gewesen wäre. Eine Katze fauchte und huschte aufgeschreckt durch ein Loch im Zaum, als er die Tür zuschlug. Tief zog er sich die Kapuze ins Gesicht, um sich vor dem Regen zu schützen, doch er peitschte ihm schräg an die Wangen und tropfte ihm vom Kinn. Mit dem Fuß kickte er die lotterige Tür auf. Scheppernd knallte sie an die Wand. Kai trat ein. Das einzige Licht, das die Treppe beleuchtete, kam von einer einzelnen Glühbirne. Sie flackerte, als würde sie demnächst den Geist aufgeben. Im vierten Stock trat Kai an eine Tür und steckte den Schlüssel in das Schlüsselloch. Er musste die Türe ruckartig hochheben, um sie aufzumachen. Er trat in die kleine, spartanisch eingerichtete Wohnung. Breitbeinig ließ er sich auf das alte Sofa fallen. Ohne zu schauen legte er seine Magnum neben sich auf das ausgebleichte Polster und grapschte nach der Fernbedienung des Fernsehers. Der Empfang war schlecht und es lief irgendein öder Film. Er starrte noch nicht lange auf den Bildschirm, als er hörte, wie hinter ihm die Tür auf- und zuging. Er hörte ein paar Schritte, die schließlich hinter ihm verstummten. Und dann fühlte er die Hände, die sich auf seine Schultern legten und langsam über seine Brust nach unten glitten. „Sorry für die Verspätung“, wurde mit summender Stimme in sein Ohr geflüstert. Kurz wurde an seiner Ohrmuschel geknabbert, bevor sich Lippen auf seinen Hals legten. Mit geschlossenen Augen hob Kai die Hand und vergrub sie in den schwarzen Haaren, drückte den Kopf zu sich runter und drängte ihm seine eigenen Lippen auf. Besitzergreifend krallten sich Finger in sein Shirt und zogen es hoch. Er ließ zu, dass es ihm über den Kopf gestreift wurde. Die Hände waren kalt, die sich auf seine Haut legten. Zum ersten Mal schaute er auf. Die bernsteinfarbenen Augen blitzten ihn lustverschleiert an. Die schwarzen Haare hingen ihm wild ins Gesicht. Rei sah einfach sexy aus. Und das hatte einen bemerkenswerten Effekt auf seine untere Region. Erneut zog er Rei am Nacken zu sich und küsste ihn hart. Er packte eine seiner Hände und platzierte sie auf seinem Schritt. „Mmmh, ich glaube, das gefällt mir.“ Rei stöhnte spielerisch in den Kuss hinein. Mit etwas Druck strich er über die Beule, während er Kai leicht in die Unterlippe biss. Es war ein Spiel, aber ebenso war es ein Kampf. Keiner wollte dem anderen die Oberhand lassen. Und keiner von beiden wusste, wieso zwischen ihnen diese Leidenschaft lag. Sie fühlten sich schlicht in diesem Kuss gefangen, der weder sanft, noch grob war. Rei löste sich als erster. Von oben blickte er auf Kai, leckte sich über die Oberlippe. Dann schwang er ein Bein über die Sofalehne und kletterte darüber. Breitbeinig setzte er sich auf Kais Schoss. Er beugte sich über ihn, drückte ihn gegen die Lehne und eroberte seinen Mund. Er spürte Kais große Hände über seine Oberschenkel gleiten, zu seinem Hintern. „Warum ziehst du diese Hosen an, wenn du nicht damit rechnest, mich zu sehen?“, raunte Kai, worauf Rei keck grinste. Herzhaft packte er mit beiden Händen Reis Pobacken. Das dünne schwarze Leder legte sich wie eine zweite Haut auf seinen Körper und sorgte regelmäßig für ziemlich heiße Fantasien. „Du weißt doch, wie scharf ich dich darin finde.“ Ruckartig zog er ihn an den Hüften an sich. Ihre Unterleiber rieben gegeneinander und Rei entglitt ein Keuchen. Angeturnt senkte er seinen Mund erneut auf Kais und verwickelte ihn in einen langen, hitzigen Kuss. Der kalte Reißverschluss von Reis Lederjacke schabte über Kais nackte Haut. Leder stand dem Chinesen einfach verdammt gut, dachte sich Kai, doch nackt gefiel er ihm noch viel besser. Er schob ihm die Lederjacke über die Schultern und ließ sie zu Boden fallen. Das weiße ärmellose Shirt folgte sofort. „Du wirst trotzdem versuchen, Informationen zu sammeln“, murmelte Kai, während er mit den Lippen über Reis Schlüsselbeinknochen glitt. Es war keine Frage. Rei nickte. „Klar. Menschenhandel will und kann ich nicht dulden.“ Rei legte den Kopf etwas zur Seite, um Kai mehr Spielraum zu lassen. Er selbst fingerte an Kais Gürtel rum und zog das Lederband aus der Schnalle. „Das sehe ich genauso“, nuschelte Kai. „Ahaah“, hauchte Rei und öffnete den Knopf von Kais Jeans. „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht in die Quere kommen.“ Rei schob sich von Kai weg. Er erhob sich und zog Kai am Hosenbund mit sich. Im Stehen öffnete er noch die restlichen Knöpfe und ließ eine Hand in die Hose gleiten. Ihm gefiel, was er da spürte. Grinsend blickte er Kai an. „Lust auf Spielen?“, fragte er. „Nein“, raunte Kai aber trocken. „Gut. Ich auch nicht.“ Sie fielen übereinander her wie wilde Tiere. Hungrig pressten sie ihre Münder aufeinander, bissen sich ins Fleisch. Besitzergreifend packten sie sich an den Schultern, Handgelenken, im Nacken, an den Haaren. Atemlos rangen sie nach Luft. Rei machte ein paar Schritte nach hinten und zog Kai mit sich. Er prallte mit dem Rücken an die Wand neben dem Fenster. Kai riss ihm fast die Hose von den Beinen und drückte ihn gegen die kalte Mauer. Rei fühlte die erstickende Lust in sich toben wie ein Sturm. Er wurde mitgerissen, ohne die geringste Chance, sich dagegen wehren zu können. Er konnte nicht sagen, wieso Kai dieses brennende Verlangen in ihm auslöste, er wusste einfach, dass es da war. Er krallte eine Hand in Kais Haare am Hinterkopf und zog daran. Aufreizend leckte er ihm über den Hals. Mit der anderen Hand glitt er in die Jeans und packte seine Männlichkeit. Hart, heiß, pulsierend. Es war nicht nötig, irgendetwas zu sagen. Kai hob ihn hoch. Er pinnte ihn an der Wand fest. Und er nahm ihn. Und Rei ließ sich nehmen. Wild und lustvoll. Schweigend zogen sie sich an. Behutsam vermieden sie den Blickkontakt. Es lag eine merkwürdige Anspannung in der Luft. So nah sie sich zuvor in ihrer brennenden Lust gewesen waren, so weit entfernt fühlten sie sich jetzt. Aber schließlich hatten sie nur Sex. Keine Gefühle, keine Verpflichtungen. Und die Zugabe des neckischen Prickelns von etwas Verbotenem. Kai wusste, dass er es schon längst hätte beenden müssen. Er wusste selbst nicht so genau, wieso er es immer noch aufrecht erhielt, was es auch immer war, was da zwischen ihnen lief. Nur war der Sex mit Rei einfach zu gut, als dass er es ohne gutes darüber Nachdenken einfach hätte wegwerfen können. Und solange Rei mitspielte, sah er keinen Grund dazu. Sich an diesem festen, muskulösen Körper auszutoben befriedigte ihn mehr, als drei andere Männer zusammen, hätten sie sich noch solche Mühe gegeben, es gekonnt hätten. Alleine Reis Existenz war einfach anturnend. Dieser hatte ihm gerade den Rücken zugedreht. Er bückte sich, um den Reißverschluss seiner Biker-Boots zuzuziehen und die Lederhose spannte über seinen Hintern. Die Pose gewährte Kai tiefe Einblicke und er fragte sich, ob Rei wusste, welche Wirkung er damit erzielte. Offensichtlich schon, bemerkte er, als Rei sich mit einem dreckigen Grinsen zu ihm umdrehte und ihn dabei ertappte, wie er auf seinen Hintern starrte. Doch mit eiserner Mine grapschte Kai nach der Lederjacke und warf sie ihm zu. Er schob sich vom Sofa weg, an dem er zuvor mit der Hüfte gelehnt hatte, und wandte sich zum Gehen. Er hielt die Tür auf und wartete. Rei hielt einen kurzen Augenblick inne, als er genau vor dem Halbrussen stand, und blickte ihn scharf an. ‚Ein Wort und du bist tot’, konnte Kai aus den hellbraunen Augen lesen. Als ob er ihn daran erinnern müsste. Sollte irgendjemand herausfinden, was zwischen ihnen lief, wäre er nicht einfach nur tot, sondern gevierteilt und im Meer versenkt. Wahrscheinlich würde man ihm sogar den Schwanz abschneiden. Unglücklich über diesen Gedanken, knallte er die Tür zu und schloss ab. Rei war bereits die halbe Treppe hinuntergegangen. Kaum hatte er das Haus verlassen, zog er sich den schwarzmatten Helm über den Kopf. Es regnete noch immer und er hörte die Regentropfen gegen die Verschalung klatschen. Er entriegelte seine Kawasaki und schwang sich mit einer geübten Bewegung auf das schwarzmatte Raubtier. Kai konnte nur noch einen kurzen Blick darauf erhaschen, wie Reis in Leder gehüllter Körper mit der Maschine verschmolz und er um die Ecke bog. Reis klopfendes Herz beruhigte sich, je weiter er davon fuhr. Er hatte jeden von Kais Blicken auf sich spüren können. Es verwirrte ihn. Er wusste nicht, wo er sie einordnen sollte. Aber eigentlich sollte er sie überhaupt nirgends einordnen wollen. Es war lediglich Kais Interesse an seinem Körper. Fertig. Der Wind sauste an ihm vorbei und tauchte unter dem Helm in seine Jacke ein. Es war nicht unangenehm. Und die Geschwindigkeit trug seine Gedanken davon. Da waren nur noch Farben, Freiheit und nur er selbst. Es war bereits Abend, als er in die Einfahrt einbog. Es hatte aufgehört zu regnen und das Haus, das er nach seiner Ernennung zum Anführer für sich und seine Freunde gekauft hatte, leuchtete Orange in der Dämmerung. Unter der dicken Wolkendecke schien die Sonne hervor, bevor sie sich für die Nacht verabschiedete, die in entgegengesetzter Himmelsrichtung bereits anbrach. „Wie lief’s?“, fragte Lee. Niemand fragte nach, wo er so lange geblieben war. „Kai war da.“ In seiner Stimme lag Ärger. Echter Ärger. Denn auch wenn zwischen Kai und ihm nicht das Verhältnis war, das es eigentlich sein sollte, fühlte er sich hintergangen. „Was?“, wurde sogleich laut protestiert und Rei sah den gleichen Ärger in den Gesichtern seiner engsten Vertrauten. „Sie haben beide Clans unabhängig voneinander angeheuert und gehofft, wir könnten Anbetracht der Situation unsere ‚Feindseligkeiten ignorieren’“, zitierte er höhnisch und erzählte, was auf dem Polizeirevier passiert war. Ungläubig schauten sie ihn an. Einige schüttelten den Kopf. „Verfluchtes Pack. Das werden sie noch bereuen“, knurrte Bryan und Max nickte heftig mit dem Kopf. „Das haben sie schon. Sie denken, dass wir nicht mitmachen. Aber das werden wir.“ Maos Gesicht hellte sich wieder auf. Der Gedanke, einfach nichts zu unternehmen, während sie wussten, dass in der Stadt, in der sie lebten, Menschenhandel betrieben wurde, hätte sie nicht ertragen. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen schaute sie zu, wie die Jungs weiterdiskutierten, bis Rei sich erhob. Mit leisen Worten forderte er Bryan auf, ihm zu folgen. „Kommst du bitte mal kurz?“ Der Russe nickte und trottete hinter ihm her in einen Raum, der als Büro hätte bezeichnet werden können. „Könntest du die hier für mich entsorgen?“ Rei zeigte auf mehrere schwarze Kisten aus dickem Plastik. Darin waren die kleinen Koffer mit den Berettas. Bryan nickte und verschränkte die Arme vor der Brust, während er die Kisten betrachtete. „Alle?“ „Nein, diese Kiste hier stellen wir den Bullen vor die Tür, damit sie was zu beißen haben. Drei Kisten behalten wir. Den Rest kannst du verhökern. Du kannst auch gerne noch tauschen, du kennst dich besser mit Waffen aus als ich. Such dir zwei aus, die kannst du behalten, wenn du willst.“ Bryan nickte und grinste schräg. „Zu gütig, Boss.“ „So bin ich.“ Rei lachte. Sie kannten sich einfach zu gut, als dass er den spielerischen Sarkasmus nicht hätte erkennen können. Er tat so, als würde er dem Russen ins Gesicht boxen. Grimasse schneidend drehte Bryan den Kopf in Schlagrichtung. „Nimm Mystel mit“, sagte Rei, bevor er die Tür öffnete. „Er soll die Ohren offen halten.“ Er hatte die Gedanken so gut verdrängen können, während er unterwegs oder mit den anderen zusammen gewesen war. Aber jetzt, alleine in seinem Zimmer, das von nichts weiterem als der Straßenlaterne von draußen beleuchtet wurde, stürzten sie wieder über ihn herein. Einmal mehr fragte er sich, wie es dazu kam, dass sich die beiden Clans so zu hassen und verachten gelernt hatten. Alles was er wusste, alles, was ihm und seinen Freunden beigebracht wurde, war, dass sie Feinde waren. Dass sie ihnen nicht vertrauen durften. Doch die Fehde lag so weit zurück, dass niemand von denjenigen, die es ihm erzählt hätten, ihm hatte sagen können, was sie ausgelöst hatte. Und die anderen wiesen ihn nur harsch zurück, dass ihn das nicht zu interessieren habe. Er angelte nach dem Glas, das er sich auf den kleinen Nachttisch gestellt hatte. Das Eis schlug gegen die Glasinnenwand und brachte den Jack Daniels darin ins Schwenken. Er wusste, dass er ohne ihn vermutlich kein Auge zugetan hätte. Nicht in der Stimmung, in der er sich gerade befand. Er trank einen Schluck der bräunlich-goldenen Flüssigkeit und schloss die Augen, um sich den brennenden Geschmack einzuprägen. Er überdeckte den süßlich-herben Nachgeschmack von Kais Küssen und seiner Haut. Hastig trank er noch einen großen Schluck, um die aufkommenden Erinnerungen an brennende Berührungen zu unterdrücken. Kais heiße Finger waren das letzte, woran er jetzt denken wollte. *~*~*~*~* das kapitel ist nicht besonders lang, ich hoffe aber, es hat gefallen ;) die beziehung zwischen rei und kai ist ziemlich komisch, nicht wahr? :D haha noch eine kleine info: das nächste kapitel wird vermutlich erst in 2 wochen kommen, da ich im moment ziemlich viel arbeite und kaum zum schreiben komme... >< danke auch noch für euere bisherigen kommis, die haben mich alle unglaublich gefreut! *euch alle abknutsch* bis zum nächsten mal :* Kapitel 4: Remember Me! ----------------------- Kai hatte aus gutem Grund Garland und Ming-Ming in den Untergrund geschickt. Sie waren gute Spione und konnten sich geduldig im Hintergrund halten. Im Gegensatz zu Tyson oder Yuriy war sich insbesondere Ming-Ming zu fein, sich die Hände schmutzig zu machen, wenn es nicht unbedingt sein musste und Garland empfand es als reine Materialverschwendung. Außerdem waren sie ein perfekt eingespieltes Team. Gute Voraussetzungen um Informationen zu sammeln. Doch da sie unentdeckt bleiben mussten, wenn sie sich nicht erschossen auf den staubigen Straßen wiederfinden wollten, suchten sie den Untergrund höchstens zwei- bis dreimal pro Woche auf. Sie kamen nur äußerst schleppend voran. Es war lediglich ein weiteres Indiz dafür, wie gut die Händler sein mussten, mit denen sie es zu tun hatten. Über Wochen kamen Ming-Ming und Garland Tag um Tag mit dem gleichen enttäuschenden Kopfschütteln ins Clanhaus zurück. Und Tag um Tag fragte sich Kai, ob Rei bereits Erfolg gehabt hatte. Schließlich hatte er ihn seit dem regnerischen Tag nicht mehr gesehen. Und es ärgerte ihn, dass er darüber im Unklaren war, ob der gegnerische Clan im Gegensatz zu seinem Fortschritte machte oder nicht. Dieses Konkurrenzdenken ließ sich einfach nicht ausschalten. Allerdings ignorierte er, dass es sich dabei stets gegen den Clan des Silbernen Tigers wendete, nicht jedoch gegen andere Clans. Er konnte es sich nicht erklären. Aber er sah auch keinen Grund darin. Er musste sich vor niemandem rechtfertigen. Seufzend trat er aufs Gas. Der V8-Motor seines Mustangs heulte tief und die schwarze Maschine brachte ihn aus der Stadt hinaus. Er flog über die Straßen, an Feldern vorbei, hinauf in die Hügel. An einem abgelegenen Ort stellte er sein Baby ab. Er ließ sich unter einen Baum fallen und blickte nach oben. Über ihm war es blau. Und um ihn herum war alles grün. Es kam andauernd vor, dass er alleine sein wollte. Er brauchte die Ruhe. Aber er hatte sich nie aus der Stadt geschlichen, um im Gras zu liegen und zu genießen. Das hatte sich in letzter Zeit gehäuft. Immer öfter stahl er sich in den Frieden der Natur zurück. Einfach um nachzudenken. Über den Clan, über seine Freunde. Über sich. Mit einem Grashalm im Mundwinkel schloss er die Augen. Er hörte das Summen und Zirpen von kleinen Fliegen und Grillen. Er hörte das Rauschen der Blätter des Baumes, unter dem er lag. Er hörte den Wind im hohen Gras. Und er fühlte die Haare über sein Gesicht streicheln. Weit weg hörte er einen Vogel zwitschern. Weit, weit weg. Frustriert kickte er gegen einen Stein auf dem Gehsteig. Er prallte gegen das Schienbein eines Herren mittleren Alters. Er trug einen Anzug. Verärgert warf er die Hände in die Luft und beschimpfte die Jugend von heute als unverschämt. Grummelnd zeigte Kai ihm den Mittelfinger und lief ohne Entschuldigung weiter. Er ignorierte das Gezeter hinter ihm. Er war einfach angepisst. Was war es seine Schuld, dass der Anführer ihn nicht hatte anhören wollen? Er hatte ihm vor Tagen schon sagen wollen, dass die Übergabe an einen anderen Ort verlegt werden sollte, doch er hatte ihn ja nicht angehört. Und jetzt mussten sie alle seine Wut ertragen und den Mist ausbaden. „Drecksack“, knurrte er und schob sich die Hände tief in die Hosentaschen. Würde er erst einmal Anführer sein, würde ihm ein solch dämlicher Fehler nicht unterlaufen. Ihm war nach Sex. Oder einer Schlägerei. Oder beidem. Aber er musste einfach irgendwie seine Aggressionen auslassen. Die Bar, die er gerade aufsuchte, bot beides. Er kam oft hierher und holte sich eins von beidem. Oder beides. Als er durch die Tür trat, hatte er sich schon darauf eingestellt, sich einen hübschen Jungen zu schnappen und ihn gleich in einer der Klokabinen zu ficken. In dieser Bar gab es einige davon, die willig waren. Verdammt, er war schon fast hart. Sein Blick fiel auch gleich direkt auf einen äußerst delikaten Hintern. Er war in eine enge schwarze Jeans verpackt und wippte erotisch, als der Junge, der dazu gehörte, sein Gewicht auf das andere Bein verlagerte. Der Körper dieses Jungen war schlank, er war groß und hatte rabenschwarzes, glänzendes Haar. Kai spürte ein Ziehen in der Lendengegend. Er hatte sein potentielles Opfer für diese Nacht auserwählt. Mit wenigen Schritten durchquerte er die Bar und trat hinter den Jungen, der an der Bar stand und sich an die Theke lehnte. Besitzergreifend legte er die Hände zu beiden Seiten auf den Tresen und lehnte sich zu seinem Ohr. „Heute Nacht wirst du mir gehören“, raunte er. Mit dem Glas in der Hand drehte sich der Junge langsam zu ihm um. Die Haare hingen ihm wild ins Gesicht und in seinem Gesicht stand ein freches Grinsen. Doch Kais Herz setzte einen Schlag aus, als er in seine Augen blickte. Tiefes, helles Bernstein. Scheiße, schoss es ihm durch den Kopf und er ließ sofort die Hände sinken. Von all den Menschen, die er hätte treffen können, musste es ausgerechnet er sein. Rei. Er hatte ihn seit Austritt aus der Schule nicht mehr gesehen. Wie hätte er wissen können, dass aus ihm das hier geworden war? Dieser Körper, diese erotischen Bewegungen, dieser verruchte Blick. „Hm... und wie willst du das bewerkstelligen? Kai?“, fragte Rei sichtlich amüsiert. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Theke und musterte ihn von oben bis unten. Ein schiefes Grinsen verzog seine Lippen. Seine Augen blitzten herausfordernd auf. Doch Kais verengten sich zu Schlitzen. Er biss sich auf die Zähne. Das war ganz und gar nicht gut. Doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Also blieb er genau dort stehen, wo er war. Er grinste herablassend. „Hast du dich verlaufen, Miezekatze?“ Aber Rei ließ sich von Kais plötzlichem Stimmungsumschwung nicht beirren. „Und bist du aus dem Nest gefallen?“, erwiderte er und blickte Kai geradeheraus in die Augen. „Raubvögel fressen kleine Kätzchen zum Nachtisch. Was willst du tun? Deine Krallen ausfahren?“ Süffisant lächelnd lehnte sich Rei nach vorne. „Möchtest du eine Kostprobe?“, hauchte er in Kais Ohr. Mit einer zu Krallen geformten Hand grub er ihm die Nägel in den nackten Oberarm. Kai schnaubte abschätzig. „Ich hab besseres zu tun als Wollknäuel zu spielen.“ Er wandte sich ab. Jetzt wollte er sich endlich holen, weswegen er hier war. Er gab es nicht gerne zu, aber der kleine Machtaustausch mit Rei hatte ihn heiß gemacht. Sex war genau die richtige Art, die überschüssige Hitze loszuwerden. Doch auch wenn er versuchte, sich einem süßen Jungen zuzuwenden, konnte er nicht verhindern, dass sein Blick immer wieder zur Bar flatterte. Rei flirtete seit geraumer Zeit mit einem gutaussehenden Mann, etwa vier Jahre älter als er selbst. Irgendwie passte es ihm gar nicht. Und er fragte sich wieso. Und das ärgerte ihn. „Hey, willst du dich nicht wieder auf mich konzentrieren?“ Der Junge, der neben ihm auf dem Sofa hockte, drehte seinen Kopf wieder zu sich. Seine großen blauen Augen blickten ihn etwas verärgert an, aber in ihnen stand auch der absolute Wille, sich Kai hinzugeben. Eigentlich genau das, weswegen er hierher gekommen war. Aber auf einmal fehlte ihm das herausfordernde, kampfbereite, temperamentvolle Funkeln, das er in Reis Augen gesehen hatte. Das Wissen, dass er kämpfen musste, um etwas zu bekommen. Jagen und spielen. Sein Blick zuckte zur Bar. Doch er war nicht mehr da. Rei war weg. Den Mann, mit dem er zuvor geschäkert hatte, stand nur wenige Schritte weiter und sprach bereits mit jemand anderem. Aber Rei war nirgendwo mehr zu sehen. Kai schob den Jungen von sich weg und erhob sich wortlos vom Sofa. Ihm war die Lust vergangen. Dass Rei sich in seinen Kopf eingeschlichen hatte, pisste ihn gewaltig an. Er brauchte frische Luft. Er trat durch die Hintertür und sog die kühle Nachtluft ein. Doch seine Aufmerksamkeit wurde sogleich auf etwas ganz anderes gelenkt. Nur wenige Meter entfernt prügelten sich mehrere Typen. Perfekt, dachte er sich und ballte die Hand zur Faust. Das würde Rei vorerst aus seinem Kopf vertreiben. Während er auf die Gruppe zuging, checkte er die Lage. So wie es aussah, gingen vier auf einen los. Ganz klar, wen er unterstützen würde. Er tippte einem auf die Schulter. „Hey“, sagte er und kaum drehte der Typ seinen Kopf ihm zu, verpasste er ihm einen kräftigen Schlag mitten in die Fresse. Es tat unglaublich gut. Auch wenn es nicht gerade die feine Art war, aber hier konnte er seinen Kopf ausschalten und seine angestauten Aggressionen loswerden. Hatte sich der kleine Ausflug also doch gelohnt. Kai sah im Augenwinkel, wie der Einzelgänger von zweien festgehalten wurde, während der dritte ihm mit geballter Faust den Kiefer wegschlug. Doch der Rückschlag kam sofort. Er nutzte die beiden, die ihn festhielten, als Stütze und kickte ihm mit beiden Füssen mit voller Wucht gegen die Brust. Er flog nach hinten und landete hart auf dem Rücken. Und da erkannte Kai den Kampfstil, die geschmeidigen Bewegungen. Und tatsächlich. Es war Rei, der sich hier mit vieren gleichzeitig prügelte, zwar einiges einsteckte, aber noch viel mehr austeilte. Für einen Moment zögerte Kai. Wenn er sich gegen die vier stellte, war er dann auf Reis Seite? Das hieß ja, dass er sich sozusagen mit Rei verbündete. Aber das ging nicht. Sie waren Mitglieder zweier verfeindeter Clans. Sich mit dem Feind zu verbünden kam einem Verrat gleich. Allerdings gab er noch nie wirklich viel auf Regeln. Und ihr Anführer hatte ihm gerade bewiesen, dass er nicht viel Wert auf seine Mitglieder legte. Er war gerade mindestens so sauer auf seinen Clan, wie er Reis Clan hassen gelernt hatte. Eine pubertäre Rebellion machte sich in seinem Kopf breit. Während Kai überlegte, was richtig oder falsch war, duckte sich Rei unter einem weiteren Faustschlag weg. Mit dem Schwung, den er aus der Bewegung mitnahm, schlug er dem Angreifer die Füße weg. Krachend schlug er auf dem Asphalt auf. Heftig atmend wischte sich Rei mit dem Handrücken über den Mund. Die Lippe war nur leicht aufgeplatzt, doch das Blut verschmierte auf seiner Wange. Und sein Kiefer schmerzte tierisch vom Schlag zuvor. „Shit“, murmelte er, als er bemerkte, dass alle vier erneut auf ihn zukamen. Sie waren echt hart im Nehmen. Doch zu seinem Glück griffen ihn nicht alle zugleich an. Es wäre klüger für sie gewesen, dachte er sich und rammte dem Typen den Ellbogen in den Solarplexus. Es knockte ihn sofort aus. Einer erledigt, blieben noch drei. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich die Haare aus dem Gesicht. Da bemerkte er, dass statt den dreien nur noch einer auf ihn zukam. Der andere hatte sich zum Dritten gesellt, der gerade von einem anderen auf den Rücken gelegt wurde. Rei war so konzentriert gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass sie Zuwachs bekommen hatten. Er musterte ihn, nachdem er kurz einem Faustschlag auswich. Sein Gesicht verzog sich verärgert. Was dachte sich Kai eigentlich dabei? Dachte er, er wurde nicht alleine damit fertig? Unsanft erteilte er seinem Gegner den letzten heftigen Schlag. Stöhnend wich er zurück und suchte das Weite. Es sah ganz so, aus, als hätte er genug gespielt. Rei drehte sich zu Kai um und stemmte die Hände energisch auf die Hüfte. Er wartete, bis auch Kai seinen Gegner erledigt hatte und sich zu ihm umdrehte. Sein Gesicht verriet nichts von seinen Beweggründen. „Was zur Hölle sollte das?“, fragte Rei hitzig. Kai ließ die Knochen seiner Rechten knacken. „Mir war nach einer Schlägerei.“ „Such dir das nächste Mal gefälligst deine eigene!“ Er war jetzt ziemlich mies gelaunt. Dass Kai sich eingemischte hatte, passte ihm gar nicht. „Oder denkst du etwa, ich hätte sie nicht fertig gemacht? Du wärst der strahlende Held, der mir zu Hilfe geeilt ist?“ Kai grinste und erwiderte nichts. Es war zu amüsant mit anzusehen, wie Rei sich aufregte. „Misch dich das nächste Mal gefälligst nicht ein. Es ist mir egal, ob du deine überschüssige Energie nicht abreagieren konntest, aber misch dich nicht ein!“ Er trat einen Schritt nach vorne und zeigte wütend mit dem Finger auf ihn. Seine Augen blitzten herausfordernd auf und vielleicht kam es auch vom Kampf vorhin, aber Kai sah ein hitziges Verlangen in ihnen. Es war genau das, was er bei dem Jungen vermisst hatte. Dieses lodernde Temperament. Aus einem Impuls heraus packte er Reis Handgelenk und zog daran. Überrascht wurde er einen Schritt nach vorne gezogen, ehe er realisierte, was geschehen war. Er hatte einfach nicht damit gerechnet. „Was soll das?“, fauchte er. „Erwarte nicht, dass ich dir dafür dan-“. Doch weiter kam er nicht. Überrumpelt riss er die Augen auf und blieb für einen Augenblick wie eingefroren stehen, als Kai ihm einfach seinen Mund aufdrängte. Ein Schwall voller Fragen explodierte in seinem Kopf. Sie brachten ihn wieder zu Bewusstsein. Mit einer raschen Bewegung stieß er Kai von sich und trat einen Schritt zurück. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Ärger stand in seinem Gesicht. Aber auch viele Fragen, die er nicht aussprach. Und doch. Irgendetwas regte sich in seinem Magen. Als Kai abermals einen Schritt auf ihn zuging, heulte es auf. Reflexartig schlug er nach ihm, doch Kai wehrte seine Faust ab und hielt sie mit eisernem Griff fest. Seine roten Augen blitzten gefährlich. Aber Rei hatte keineswegs vor, den Schwanz einzuziehen und wegzulaufen. Er riss seine Arme zurück und zog Kai damit dicht an ihn. Er blickte ihm direkt in die Augen. Zwar musste er etwas hoch schauen, aber er fühle sich keineswegs unterlegen. Er kannte Kais drohende Blicke. Davon würde er sich nicht einschüchtern lassen. Aber da lag noch etwas anderes tief darin. Hunger. Und Verlangen. Rei wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Langsam ließ Kai Reis Handgelenk und Faust los. Er verlor nicht gerne die Kontrolle, aber Reis provokative Art, mit ihm umzugehen, war ungewohnt und erotisch zugleich. Es machte ihn an. Er brauchte das. Er brauchte jemanden, der ihm Kontra geben konnte und nicht einfach schwach und hilflos alles tat, was er verlangte. Ein dunkles Grinsen verzog seine Lippen. „Ich habe doch gesagt, dass du heute Nacht mir gehören wirst“, flüsterte er heiser. Rei schnaubte und wandte den Kopf zur Seite. „Du solltest dringend an deinem übersteigerten Ego arbeiten“, knurrte er. „Jetzt lass mich in Ruhe, verdammt nochmal.“ Rei drehte sich um. Mechanisch warf er sich den langen Zopf über die Schulter. Er war so vertieft in seine Gedanken, dass er vergaß, dass Kai sich dies schon früher gerne zu Nutzen gemacht hatte. Unsanft wurde er daran zurückgezogen. Kai zog daran, bis Reis Kopf nach hinten fiel und er seinen Rücken etwas durchbiegen musste. Mit einem überlegenen Funkeln in den Augen bückte Kai sich über ihn. Mit zusammengebissenen Zähnen fluchte Rei widerspenstig. Seine Augen sandten Blitze und Kai konnte förmlich den tosenden Sturm dahinter sehen. Der Sturm, der ihn mitten hinein sog in einen betörenden Rausch hitziger Atemlosigkeit. Es senkte die Lippen auf Reis Mund und augenblicklich spürte er, wie sich eine Hand in seine Haare krallte. Rei konnte es nicht fassen. Wieso küsste dieser Idiot ihn? Eigentlich sollte er ihn meiden, verachten, wenn nicht sogar ebenfalls verprügeln. Also wieso küsste er ihn dann so stürmisch? Ihre ganze Kindheit und Jugend hatten sie damit verbracht, sich gegenseitig zu hänseln und Streiche zu spielen, sich zu prügeln, zu provozieren, zu beleidigen. Aber noch viel schlimmer, wieso wollte er sich nicht dagegen wehren? Es war falsch! Absolut falsch! Mit aller Kraft, die Rei aufbringen konnte, stieß er Kai von sich. „Was für ein kranker Scherz ist das?“, zischte er. Aufgewühlt strich er sich die Haare aus dem Gesicht. Er versuchte, aus Kais Gesichtsausdruck schlau zu werden, doch das hatte schließlich noch nie geklappt. Kais Augen verdunkelten sich. „Ich mache niemals Scherze.“ Einen Augenblick standen sie reglos da und starrten sich in die Augen. Dann drehte sich Rei abrupt um und ließ Kai stehen. Energischen Schrittes ging er davon. Und Kai blickte ihm hinterher, ein merkwürdiges Gefühl im Bauch. Kai öffnete die Augen. Eine Wolke hatte einen kühlen Schatten auf sein Gesicht geworfen. Grummelnd setzte er sich auf. Es war wohl ohnehin Zeit, zurückzukehren. Sein Mundwinkel verzog sich ironisch, als er die Autotür öffnete. Dass er auch ausgerechnet an diese Begegnung hatte denken müssen. Sie hatte alles verändert. Sie hatte seine Welt zugegebenermaßen auf den Kopf gestellt. *~*~*~*~*~* Kais und Reis erstes Aufeinandertreffen. Ich hoffe es hat euch gefallen und ich hoffe, Kais postpubertäre Rebellion ist einigermassen realistisch rübergekommen... ^^'' Was denkt ihr, wie alt die beiden hier waren? Meine Lieben, ich danke euch für all euere Unterstützung, ihr seid echt klasse! Ich liebe euch! Als Dankeschön, habe ich ein kleines Bildchen gezeichnet, schaut doch mal vorbei :* Voraussichtlich wird auch das nächste Kapitel erst in 2 Wochen kommen. Ich schreibe nämlich parallel gerade an "What happens in Vegas..." weiter ;) Zumindest zwei von euch sollten sich darüber freuen XD Viel Liebe und eine schöne Woche wünsch ich euch! :* *bonbons da lass* Kapitel 5: Antagonize Me! ------------------------- „Wir haben was gefunden!“ Rei blickte von seinen Unterlagen auf. Er hatte mal wieder über Rechnungen gesessen und hatte an einem solch verregneten Tag eigentlich überhaupt nicht mit so einer Nachricht gerechnet. Bryan schloss gerade die Tür hinter sich und Mystel. Gespannt schaute Rei sie an. „Es wird dir nicht gefallen“, ergänzte Mystel leise und warf Bryan einen unsicheren Blick zu. Dieser kratze sich am Hinterkopf und stieß scharf die Luft durch die Zähne aus. „Spuck’s schon aus“, forderte Rei. Er konnte spüren, dass ihnen nicht wohl war. Die Information, die sie gefunden hatten, musste sehr übel sein. Rei wollte es sich gar nicht ausmalen. „Wir haben einen verdächtigen Mann verfolgt. Leider ist er dann aber in einem Gebäude verschwunden und wir haben ihn verloren. Wir wollten nicht auffallen“, erklärte Mystel. Rei nickte. Sie hatten schließlich damit den Befehl ausgeführt, den er selbst gegeben hatte: Um keinen Preis auffliegen. „Allerdings sind wir um das Gebäude herum gegangen um zu sehen, ob wir was Auffälliges entdecken und naja.“ Er stockte und warf Bryan einen verheißenden Blick zu. „Wir vermuten, dass er uns direkt zu einer Art Knotenpunkt der Händler geführt hat. Wir konnten uns in das Gebäude stehlen und“, Bryan sah Reis Blick, der düster geworden war. „Sag jetzt nichts, wir waren ja auch gleich wieder weg.“ Rei schnaufte. „Habt ihr daran gedacht, dass sie eventuell Überwachungskameras angebracht haben? Was, wenn ihr da reingelaufen seid?“ „Wir haben unsere Gesichter verdeckt, auch wenn, hätten sie uns nicht erkennen können“, erklärte Mystel und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. „Natürlich“, räusperte sich Rei. „Habt ihr was gefunden?“ „Wir haben uns nur in einem Zimmer kurz umgeblickt. Es ist besser, wenn wir das ganze zuerst gut planen und noch mit Unterstützung dorthin zurückgehen.“ „Habt ihr was gefunden?“, wiederholte Rei ungeduldig. „Nichts.“ Rei verstand sofort. Leere Zimmer, keinerlei Zeichen irgendwelchen Treibens, keine verschlossenen Aktenschränke in einem Gebäude, das offensichtlich genutzt wurde. Das war schon verdächtig. Er räusperte sich und fuhr sich mit der Hand über den Mund. „Sagt den anderen erst mal nichts. Ich will nicht, dass sie sich an einer Vermutung festbeißen. Ihr zwei müsst das Gebäude erst mal observieren. Schauen, wer reingeht, wer rauskommt, wann, wie oft und so weiter. Ihr wisst ja, wie das geht. In zwei Wochen schauen wir, was ihr für Informationen gesammelt habt und wie wir weiter vorgehen.“ Bryan und Mystel nickten synchron und wandten sich zur Tür. „Keine Egotouren!“, warf Rei nach, doch seine Mundwinkel zuckten. „Aye, Chef“, salutierte Mystel gespielt ernst und ließ sich dann lachend von einem schmunzelnden Bryan aus dem Zimmer kicken. Lächelnd beugte sich Rei wieder über den Stapel Rechnungen. Auch in Situationen wie solchen schafften es seine Freunde locker zu bleiben. Es tat ihm gut, ansonsten hätte er sich wahrscheinlich selbst in der Sache festgebissen. Und das hätte ihn hinuntergezogen, das wusste er. Was er allerdings nicht wusste, war, ob er Morrison erzählen sollte, dass sie etwas gefunden hatten. Da es aber nichts Handfestes gab, entschied er sich dagegen. Es verging beinahe ein Monat, während dem Bryan und Mystel das verdächtige Gebäude observierten. Sie mussten höllisch aufpassen, nicht selbst entdeckt zu werden, denn jetzt, wo sie diesem Ort vermehrte Aufmerksamkeit schenkten, entdeckten sie in jeder Ecke der oberen Stockwerke Aufpasser. Männer, die die Umgebung im Auge behielten und denen fast nichts entging. Selbst in der Nacht waren sie unterwegs. Aber die Leute, die wirklich wichtig erschienen, zwei Männer und eine Frau, kamen und gingen unvorhersehbar unregelmäßig. Besonders auffällig war der unscheinbare Van, der ebenfalls hin und wieder weg fuhr und zurückkam. Ihnen blieb eigentlich nur übrig, sich vorzubereiten und hinzugehen und darauf zu hoffen, dass sich ihnen spontan eine Chance bot. Komplett in Schwarz gekleidet stellten sich Rei und seine engsten Vertrauten auf die zuvor abgesprochenen Positionen. Bryan und Mystel hatten eine genaue Karte der Gebäudeaußenmauern erstellt, mit den Standpunkten der Aufpasser und den Wegen, die sie gingen. Jetzt galt es, unbemerkt in das Gebäude einzudringen und das Unbekannte zu erforschen. Rei kauerte auf dem Dach des gegenüberliegenden Gebäudes. Mit zusammengekniffenen Augen spähte er durch die Fenster und versuchte, etwas zu erkennen. Alles ruhig. Er gab Mystel ein Zeichen und sah aus den Augenwinkeln, wie er sich über die kleine Dachrinne in ein offenes Fenster schwang. Sämtliche Fenster in den unteren Etagen waren geschlossen und es war die einzige Möglichkeit, hineinzukommen. Rei betete, dass er nicht entdeckt werden würde. Er blickte kurz zu Kenny, der hinter ihm am Boden kniete und gerade vom Laptop aufblickte. Er nickte unmerklich und Rei schwang sich dann seinerseits vom Dach. Einer der Aufpasser blickte aus dem Fenster, im Glauben, etwas habe sich bewegt. Er übersah den schwarzen Zopf, der in der Finsternis der Nacht am Fenster vorbeiflog. Und er übersah den Schatten, der lautlos hinter ihm vorbeihuschte. Angespannt kauerte Lee hinter der Ecke und wartete. Es schienen Stunden zu vergehen, bis er endlich ein Klicken hörte und die Tür einen kleinen Spalt aufgestoßen wurde. „Mensch Alter, was hast du da drin gemacht?“, fluchte Lee leise und huschte hinein. „Ich hätte ja dich sehen wollen, da sind verdammt viele Aufpasser drin!“, knurrte Mystel zurück und zog sich die schwarze Maske vom Gesicht. „Trödelt nicht rum! Macht schon!“, zischte ihnen plötzlich Kenny in die Ohren. Sie waren per Headset miteinander verbunden. Rei hatte es so gewollt. So konnten sie sich im Falle der Fälle zu Hilfe eilen und sich stets auf dem Laufenden halten. „Mystel! Ist die Luft rein?“, fragte Rei in sein Ohr. Mystel bestätigte und sofort traten Max und Mao an ihre Seite. „Gut. Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Seid vorsichtig. Und Mystel“, fügte Rei noch hinzu, „zieh dir die Maske wieder über.“ „Aye, Boss.“ Rei konnte das unterdrückte Kichern in seinem Ohr hören. Kopfschüttelnd wandte er sich Bryan zu, der neben ihm hinter einem Container kauerte. „Ich hoffe Lee tritt ihn an meiner Stelle in den Arsch“, grummelte er und bekam sofort eine Antwort. „Hey, das hab ich gehört! Lee! Lass das!“ Reis Augenbraue schoss in die Höhe. Er musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht laut los zu prusten. „Das hab ich auch gehört, Rei!“ „Seid leise!“, zischte Rei ins kleine Mikrophon. Er schaute zu Bryan, der ihm zunickte. Während die Vierergruppe in das Gebäude eindrang, schlichen sich Rei und Bryan nach Hinten. Die Feuerleiter war hoch, doch Bryan und Rei waren ein eingespieltes Team. Bryan ging in die Hocke und bildete mit seinen Händen eine Räuberleiter. Rei trat hinein und mit viel Kraft und Schwund spickte Bryan ihn in die Höhe. Während Bryan mit wenigen Schritten die Wand hochrannte und sich abstieß, ließ sich Rei kopfüber von der untersten Sprosse hängen. Mit eingespieltem Timing fassten sie sich am Handgelenk und mit dem zusätzlich gewonnenen Schwung zog Rei seinen Kumpanen hoch. Es ging schnell und lautlos. Sie stürmten die Feuerleiter hoch auf das Dach, wo vorhin schon Mystel gestanden hatte und schwangen sich ebenfalls durch das offene Fenster. Sie würden die oberen Stockwerke durchsuchen. Mystel drückte ein Ohr an eine Tür. Es war bereits die elfte. Und er hörte nichts. Und als sie die Türe öffneten und eintraten, sahen sie, was sie bis jetzt immer gesehen hatten. Nichts. Entmutigt ließ Max seine Waffe sinken. Er seufzte. „Hier ist auch nichts. Kann es sein, dass hier überhaupt nichts ist?“ „Nein“, antwortete Mystel flüsternd. „Hier ist was, wir haben’s ja selbst gesehen. Irgendwas geht in diesem Gebäude vor sich. Wir müssen einfach weitersuchen.“ Max nickte. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Zimmer um Zimmer abzuklappern. Es durfte nicht der kleinste Hinweis übersehen werden. Es war alles andere als spannend. Über eine Stunde lang schlichen sie durch die Gänge und wichen hie und da einem Aufpasser aus. Aber es geschah nichts und sie fanden auch nichts. Und doch mussten sie stets in Alarmbereitschaft sein. Es war das, was hauptsächlich an ihren Nerven zehrte. Die Anspannung, die Ungewissheit. Sie durchsuchten das wohl hundertste Zimmer, als sie von draußen ein Klacken hörten. Lee hob einen Finger an den Mund und spähte durch einen schmalen Spalt durch die Tür. Doch er konnte nichts sehen. Lediglich das Klacken kam stets näher. Dann passierte das Klacken die Tür und Lee konnte es endlich erkennen. Es war die Frau, die mit ihren Stöckelschuhen durch den unbeleuchteten Gang schritt. Lee konnte ihr Gesicht nicht sehen. Doch offenbar hatte sie es eilig. „Rei“, flüsterte er ins Headset, „die Frau kam gerade hier vorbei. Kenny, kannst du sie sehen?“ „Nein. Ich geb euch Bescheid.“ „In welchem Stock seid ihr?“, fragte Rei. „Im vierten.“ „Macht so weiter wie bisher. Seid auf der Hut“, wies sie Rei nach einer kurzen Pause an. Doch dann. „Wartet! Wir haben was gehört. Es kommt aus einem Zimmer hier in der Nähe. Ich geb euch Bescheid, macht weiter!“ Lee blickte den Rest seiner kleinen Gruppe an. Jetzt wurde es spannend. Er konnte dasselbe in den Gesichtern seiner Freunde sehen, wie er fühlte. Er ruckte mit dem Kopf und gemeinsam schlichen sie zum nächsten Zimmer, noch achtsamer. Rei und Bryan waren zu zweit nicht sehr weit gekommen. Hier in den oberen Stockwerken waren praktisch alle Zimmer abgeschlossen und sie mussten erst die Schlösser knacken, bevor sie hineingelangen konnten. Plötzlich musste Rei an Kai denken. Ob er schon etwas herausgefunden hatte? Sie hatten sich seit dem regnerischen Tag nicht mehr gesehen. Das war schon eine ganze Weile her. Über zwei Monate. Doch es war auch einfach viel zu riskant, sich öfter mit ihm zu treffen. Und was verband sie schon außer dem Sex? Gutem, heißem Sex? Rei biss sich auf die Unterlippe. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich über so was Gedanken zu machen. Er folgte den dumpfen Geräuschen, die immer lauter wurden, je näher sie der verschlossenen Tür kam und die Geräusche entpuppten sich als Stimmen. Zu den Stimmen mischte sich plötzlich auch ein anderes Geräusch. Ein Klacken, weiter unten im Gang, um die Ecke. „Das ist die Frau“, flüsterte Bryan und Kenny bestätigte, dass auch er sie nun sehen konnte. Rasch und lautlos zogen sie sich zurück um die nächste Ecke, während das Klacken der Absätze immer näher kam. Rei konnte förmlich spüren, wie Adrenalin in seine Adern gepumpt wurde, während er wartete, dass das Klacken verstummte. Er hörte die Tür auf und zu gehen. Die Stimmen wurden kurz lauter und verstummten dann unmittelbar. Rei blickte zu Bryan. „Leute, fünfter Stock. Da sind Männer in einem Zimmer und die Frau ist soeben dazu gestoßen“, klärte Rei die andere Gruppe auf. „Bleibt unten. Und versteckt euch. Wir warten, bis sie weg sind und gehen dann ins Zimmer.“ Das Warten forderte ihre Geduld gewaltig heraus. Rei wurde langsam aber sicher nervös. Je länger sie hier waren, desto höher wurde das Risiko, dass sie entdeckt wurden. Aber eine solche Chance wollte er nicht einfach vorbeistreichen lassen. Also kauerte er neben Bryan um die Ecke auf dem Boden, in ständiger Alarmbereitschaft aufzuspringen und Schutz im nächstliegenden Zimmer zu suchen. Doch das war nicht nötig. „Was ist eigentlich mit Kai und seinem Clan?“ Überrascht schaute Rei zu Bryan. Er hielt das Mikrophon mit der Hand verdeckt. „Wieso, was soll mit ihm sein?“, fragte Rei flüsternd. „Naja, wie ich Kai so erlebt habe, wird er das ganz sicher nicht auf sich sitzen lassen.“ Rei blickte ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Meinst du nicht, dass er ebenfalls nach Informationen sucht? Er würde eine solche Chance für Anerkennung doch nicht einfach sausen lassen.“ Rei grinste schnaubend. „Nein, wahrscheinlich nicht.“ Natürlich nicht, dachte er sich. Kai war der letzte, der eine solche Chance nicht nutzen würde. Und er hatte ja auch dazu gestanden, hatte ihm gesagt, dass auch er das nicht ruhen lassen konnte. Menschenhändler in einer Stadt, die er sein Eigen nannte, das akzeptierte er niemals. Aber das konnte er Bryan nicht sagen. Schließlich hatte er offiziell ja keinen Kontakt zum Anführer ihres verfeindeten Clans. „Du weißt es also nicht?“, bohrte Bryan weiter. Rei schaute ihn argwöhnisch an. „Wieso sollte ich?“ Doch Bryan zuckte lediglich mit den Schultern. „Hätte ja sein können, dass er was gesagt hat.“ Rei schnaufte spottend. „Ja klar, als ob er ausgerechnet mir so was sagen würde.“ „Er hätte ja damit prahlen können“, meinte Bryan. „Keine Ahnung, was in diesem Kopf vor sich geht.“ Nein, das hatte er wirklich nicht. Er verstand so vieles nicht, was Kai tat. Am allerwenigsten verstand er, dass er sich heimlich mit ihm traf. Doch in dieser Hinsicht verstand er auch sich selbst nicht und es war ein zu verzwicktes Thema, um sich in solch einer Situation den Kopf darüber zu zerbrechen. Nach beinahe einer Stunde trat die Frau in Begleitung mit ihren beiden männlichen Partnern aus dem Raum, zwei weitere Männer folgten. Rei und Bryan tauschten Blicke aus. Sie hatten den gleichen Gedanken. Es mussten Kunden sein. Sollten sie irgendetwas in diesem Raum zurückgelassen haben, dann würde es sie verraten. Allerdings zweifelte Rei etwas daran, dass die sonst so pingeligen Händler jemals irgendwelche Spuren hinterlassen würden. So leise und vorsichtig sie konnten, knackten sie das Schloss auf und quetschten sich durch die Tür. Was sie fanden, ließ eine gewaltige Verzweiflung in ihnen aufkeimen. Denn im Raum war nichts. „Kenny, haben alle fünf Personen das Gebäude verlassen?“, fragte Rei ins Headset. Kenny bestätigte und seufzend sagte Rei der anderen Gruppe Bescheid, dass sie nachkommen konnten. Er hörte das leise Traben der Gummisohlen vierer Fußpaare. Die Tür wurde aufgestoßen und Lee, Mystel, Max und Mao betraten das Zimmer. „Oh“, meinte Mao und Lee kommentierte mit einem Pfeifen. „Nicht gerade, was wir sehen wollten, was?“ Rei sah zu Mystel. „Es ist ja nicht so, dass wir mehr hätten erwarten können.“ Die anderen nickten, doch sie waren enttäuscht und versteckten es auch nicht. Natürlich hatten sie gehofft, irgendetwas zu finden, eine Liste, eine Akte, ein Name. Irgendwas. Aber war es nicht umso verdächtiger, dass die vermeinten Menschenhändler ungemein akkurat darauf achteten, absolut gar kein Fitzelchen zu hinterlassen, das als Beweis hätte dienen können? „Scheiße, Leute, fünf Personen schnell im Anmarsch! Schwarz gekleidet. Sie sehen nicht aus wie Aufpasser“, warnte Kenny plötzlich durch das Headset. Eingekesselt. Erschüttert blickten sie sich kurz an, dann pressten sie sich hastig gegen die Wand neben der Tür, die Waffen geladen und schussbereit. Jemand knipste das Licht aus. Wie auf glühenden Kohlen warteten sie im Dunkeln. Von draußen war nicht das leiseste Geräusch zu hören. Wie konnte es sein, dass Kenny sie nicht schon eher entdeckt hatte? Rei konnte sein Herz aufgeregt gegen seine Rippen schlagen spüren. Was auch immer jetzt geschah, er hoffte, dass niemand zu Schaden kam. Der bloße Gedanke daran ließ seine Lunge zusammendrücken. Mit geschlossenen Augen wartete er, die Hand am Griff seines Messers. Er hatte keine Schusswaffe dabei. Hoffentlich war das kein Fehler gewesen. Als die Klinke heruntergedrückt wurde, hielten alle ihren Atem an. Sie waren ihm Vorteil, versuchten sie sich einzureden. Sie waren in der Überzahl und im Gegenteil zu ihnen wussten sie, dass sie nicht alleine waren. Das Licht ging an und sofort flogen die ersten Kugeln. Drei schwarze Gestalten rollten sich über den Boden durch den Raum und schossen gleichzeitig auf sie. Rei hörte ein unterdrücktes Stöhnen. Und er fühlte ein grausam brennendes Reißen in seinem rechten Oberschenkel. Kaum standen die vermummten Gestalten, richteten sie ihre entsicherten Knarren auf sie, die Finger an den Abzügen. Die zwei anderen standen hinter ihnen, die Läufe ihrer Pistolen auf ihre Köpfe gerichtet und Rei und seinen Freunden durchzuckte es mit eiskalter Erkenntnis. Sie waren ihnen nicht überlegen. Sechs Läufe und zwei Wurfmesser waren auf sie gerichtet. Sie hatten lediglich vier Pistolen und drei Messer. Gespannt warteten sie, dass etwas geschah. Rei biss die Zähne zusammen. Offenbar warteten sie auf ein Zeichen. Doch derjenige, der gleich zwei Pistolen auf sie richtete, ließ die, die auf Bryan zeigte, sinken und hob sie zum Gesicht. Er zog die schwarze Maske herunter. Rei erkannte das fiese Grinsen. Und die eiskalten, blauen Augen. „Yuriy“, zischte er. „Na sieh mal an, wen wir da haben“, sagte der rothaarige Russe gehässig. „Dir ist bewusst, wo ihr euch befindet?“ Reis Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Der Untergrund war undefiniertes Gebiet. „Sag mir einen Grund, warum ich euch nicht alle erschiessen lassen soll.“ Er richtete seine zweite Pistole wieder auf Bryan. Etwas in Reis Bauch zog sich zusammen. Er konnte ihm keinen Grund nennen. Alles, was sie gelernt und gelebt hatten, sprach dafür. „Was sollte es dir bringen?“, fragte er dennoch. Sein Bein schmerzte. Doch er musste es so gut es ging ignorieren. Er durfte jetzt keine Schwäche zeigen. „Wäre es nicht ein gewaltiger Vorteil für uns, euch endlich los zu sein?“, stellte Yuriy jedoch die Gegenfrage und in seinen Augen funkelte die Angriffslust. Seine erhobene Pistole zielte noch immer direkt auf Reis Gesicht. Ebenso wie eines der Wurfmesser, das, wie er jetzt erkennen konnte, von Ming-Ming gehalten wurde, deren Augen ihn ebenso eisig ansahen wie Yuriys. „Wahrscheinlich“, entgegnete er schnaubend. „Aber wir werden es euch nicht einfach machen.“ Rei ließ sich fallen. Er konnte nur noch hören, wie die Kugeln über seinen Kopf hinwegflogen. Er musste darauf vertrauen, dass seine Freunde auf sich selbst aufpassen konnten. Er musste sich jetzt auf sich selbst konzentrieren. Und auf Yuriy. Er wollte ihm die Beine wegschlagen, doch der gerissene Russe sprang einfach darüber hinweg. Mit der Pistole schlug er ihm ins Gesicht. Heißer Schmerz durchzuckte seinen Wangenknochen. Doch Yuriy hatte Reis Widerstandskraft und Geschwindigkeit unterschätzt. Seine Faust traf ihn mitten im Solarplexus. Yuriy zuckte zusammen und in einem winzigen Moment der Unachtsamkeit kickte Reis Fuß ihm eine der Knarren aus der Hand. Sofort schoss Yuriy mit der anderen auf ihn. Er konnte Blut spritzen sehen. Und dann zeigte der Lauf seiner eigenen Waffe auf sein Gesicht. Hellbraun starrte in Eisblau. „Zurück“, brüllte Rei und ignorierte die blutenden Verletzungen. Unter Beschuss flohen sie Richtung Tür. Sie schossen zurück. Und ein plötzlicher grässlicher Schrei ließ alle kurz innehalten. Eine der vermummten Personen fiel zu Boden und krümmte sich zuckend. Dunkelrotes Blut sickerte auf den Boden. „Tsubasa!“ Eine andere stürzte sich auf ihn. Erschrocken blickte Rei in Yuriys stählerne Augen. Dann wurde er von irgendjemandem aus dem Zimmer gezogen. *~*~*~*~* Und weiter ging's, diesmal etwas früher, etwas länger, mit der Hauptstory und etwas mehr Action. Ich hoffe, es hat euch gefallen! ^^ Und ja, so in etwa sieht's aus, wenn die beiden Clans auf undefiniertem Boden aufeinandertreffen... Übrigens habe ich, zusammen mit dem Rest der Schweiz, am Mittwoch Nationalfeiertag gefeiert! ^^ Ich hatte einen super Tag am See und einen tollen Abend auf einer Dachterasse mitten in der Stadt mit freier Sicht auf das riesige Feuerwerk. Aber das Geilste: links der Vollmond hoch am Himmel, in der Mitte das Feuerwerk und rechts ein Wetterleuchten, wie ich es noch nie gesehen habe, mit riesigen Blitzen, die den ganzen Himmel erhellten. Echt der absolute Wahnsinn!! *o* Wenn ihr das gesehen hättet... Und genau jetzt hat jemand einen Vulkan angezündet, den ich von hier aus sehe ^^ So, das war's erst mal wieder von mir. Ich weiss noch nicht genau, wann ihr das nächste Kapitel erwarten könnt, ob erst wieder in zwei Wochen, oder vielleicht doch schon in einer Woche... Aber im Moment arbeite ich einfach so viel, dass ich neben dem Bewerbungen schreiben nicht auch gross dazu komme, weiter zu schreiben... Lasst euch einfach überraschen und seid mir nicht böse, ja? In dem Sinne wünsch ich euch ein schönes Wochenende und bis bald! :* *bonbons da lass* Kapitel 6: Blame Me! -------------------- „Es war Rei.“ Wutentbrannt blickte Tyson auf den von Ohnmacht gelähmten Körper. Seine zu Fäusten geballten Hände zitterten. Garland rollte stumm das Verbandszeug zusammen und verstaute es in ihrem Notfallkoffer. Ming-Ming stand am Fenster, in der Hand ein Glas Rotwein, und starrte hinaus in die Dämmerung. Die anderen standen oder saßen um Otoris Bett versammelt. Ihnen entging nicht die geringste Regung. Doch Otori erwachte nicht aus seiner Bewusstlosigkeit. Er lag einfach da, blass, mit kaltem Schweiß bedeckt. Eine Kompresse und eine dicke Bandage um den Brustkorb. Er hatte viel Blut verloren. Die Kugel hatte ihn in der Brust getroffen. Sie wussten nicht, wie folgenschwer die Verletzung war. Ob er in Lebensgefahr schwebte. „Er muss in ein Krankenhaus.“ „Und was sollen wir denen sagen?“, kläffte Tyson Sergei wütend an. „Wie willst du erklären, wieso ein Fünfzehnjähriger bei einer Schießerei dabei war?“ „Es war ein Unfall“, knurrte der große Russe. „Außerdem geht es sie einen Scheißdreck an.“ Kai sagte nichts. Er saß in seinem Stuhl, die Ellbogen auf den Knien aufgestützt. Stumm ließ er über sich ergehen, wie sich seine Freunde ankeiften. Er hätte Otori nicht mitgehen lassen dürfen. Doch er hatte ihn so lange bedrängt und angebettelt, dass er schließlich eingewilligt hatte. Er hatte damit gerechnet, dass sie lediglich ein wenig rumschnüffeln würden. Dass Reis Clan ebenfalls dort war, war ein schrecklicher Zufall gewesen. Rei. Ob es ihn auch erwischt hatte? Ob er verletzt war? Der Clan des Sibirischen Phönix’ war bekannt dafür, dass sie skrupellos sein konnten. Bestimmt wurde auch auf ihn geschossen. Und er hatte zurückgeschossen. Wortlos stand Kai auf. Er hatte genug gehört. Wut kochte in ihm hoch. Wut auf Rei, weil er es offenbar gewagt hatte, eines seiner Mitglieder anzuschießen. Wut auf seine Freunde, weil sie es wagten, Rei zu beschuldigen. Wütend auf sich selbst, weil er es dem Jungen nicht geschafft hatte auszureden, mitzugehen. Sollte er ihn womöglich noch in den Tod geschickt haben? Was, wenn Otori starb? Er trug die Verantwortung für ihn. Seit er ihn damals auf der Straße aufgelesen hatte, dreckig, verkümmert und halb verhungert. Er hatte sich selbst in diesen Augen gesehen, die ihn skeptisch anblickten, ohne Angst, weil er nichts mehr zu verlieren gehabt hatte. Gebrochen. So hatte er sich gefühlt, sein ganzes Leben lang, bis er es endlich geschafft hatte, aus dem unterdrückenden Schatten herauszutreten, den der ehemalige Clanführer auf ihn und sein Leben geworfen hatte. „Bringt ihn ins Krankenhaus.“ „Aber was sollen wir ihnen denn sagen?“, rief Tyson genervt ein. Die Wut in Kai brodelte. „Euch fällt schon was ein!“ Kai erhob nie seine Stimme. Nicht seinen Freunden gegenüber. Aber in diesem Moment war er kurz davor gewesen, sie allesamt anzubrüllen, seine Stimme hatte bereits einen gefährlich giftigen Ton angenommen. Es machte ihn einfach rasend. Das alles, die ganze beschissene Situation durfte einfach nicht sein! Er schluckte die Flüche, die in seiner Brust rebellierten, herunter. Mit der Hand zur Faust geballt verließ er das Zimmer. Besorgt blickte Garland ihm nach. „Hoffentlich tut er nichts Dummes.“ Ming-Ming sah stumm in das tiefe Rot des Weines, den sie im bauchigen Glas umherwirbelte. Dann trank sie einen ausgiebigen Schluck. „Du kennst Kai. Was auch immer er macht, er macht es nie ohne Grund“, seufze sie. „Das ist es ja, was mich beunruhigt.“ Durch das Fenster sah er Kais schwarzen Wagen in der Morgendämmerung vorbeirasen. Der Motor heulte wehklagend auf. „Na mach schon!“, knurrte er durch die Zähne. Die Kugel, die noch in Reis Oberschenkel steckte, musste unbedingt entfernt werden. Die Wunde blutete heftig, doch bei ihrer Flucht aus dem Gebäude hatte er sie glatt ignorieren können. Aber die Anstrengung hatte alles noch schlimmer gemacht. Mystel schluckte und blickte ihn zögernd an. Es war zwar nicht das erste Mal, dass er eine Kugel entfernen musste, aber noch nie war eine so tief eingedrungen und noch nie hatte sich der Angeschossene geweigert, sich lokal betäuben zu lassen oder wenigstens Schmerzmittel zu nehmen. Mao tupfte erneut mit einer Gase um die offene Wunde, um sie vom Blut zu befreien, das ihm die Sicht nahm. „Bist du endlich soweit?“, fragte Bryan murrend. Mystel nickte und ohne einen weiteren Blick auf die anderen schob Bryan zwei Klammern in die Wunde, um sie zu öffnen. Rei biss sich fest auf die Zähne, um vor Schmerz nicht aufzustöhnen, als Fleisch, Sehnen und Muskeln auseinander geschoben wurden. Seine eine Hand klammerte sich an den Rand des Waschbeckens, die andere ballte sich zu einer zitternden Faust und die Nägel gruben sich tief ins Fleisch. Sein ganzer Körper verkrampfte sich und er musste mit ganzem Willen gegen den Reflex ankämpfen, der sein Bein normalerweise sofort hätte zurückzucken lassen. Doch der richtige Schock kam erst. Tausend glühende Nadeln durchschossen sein Bein, durchzuckten seinen gesamten Körper bis in die letzte Faser, als Mystel die Pinzette in die Wunde führte, an der Desinfektionsmittel heruntertropfte. Etwas Gutes hatte es: das Blut, das sich in der Wunde sammelte, zog sich sofort zurück und erleichterte ihm die Sicht. Mao unterdrückte ein Wimmern, als sie sah, wie Rei Schweißperlen auf die Stirn traten. Mystel beachtete sie nicht. Konzentriert führte er die Pinzette mit ruhiger Hand tief in die Wunde, bis er zur Kugel gelangte. Vorsichtig klammerte er sie um die Patrone und zog daran. Ein übles Ziehen ließ Rei beinahe den Magen umdrehen. Er schloss die Augen und stellte sich vor, auf eine Wolke zu fallen, die ihn von den Schmerzen wegtrug. „Geht das auch etwas schneller?“, presste er zwischen den Zähnen hindurch. Mystel murmelte grummelnd vor sich hin, er solle doch still sein, dann zog er die blutverschmierte Patrone hinaus und ließ sie in das Waschbecken fallen. Bryan entfernte die Klammern und schmiss sie zur Kugel. Kaum wurde die Wunde nicht mehr aufgezogen, entspannte sich Rei etwas. Erschöpft sank er in sich zusammen. Die kleinen Piekser der Nadel waren kein Vergleich zu der Folter, die er zuvor ausgehalten hatte. Mystel zwackte den Faden der Naht ab. Er warf ihn in den Mülleimer und machte Mao Platz, die Rei einen festen Verband umlegte. Zuerst um den Oberschenkel, danach um die Schulter. Kaum hatte sie den Verband fest verknotet, erhob sich Rei vom breiten Badewannenrand und trat ans Waschbecken. Großzügig schaufelte er sich kaltes Wasser ins Gesicht. Das Wasser spülte nicht nur seinen Schweiß hinunter, sondern auch sein Blut löste sich von Kugel und Werkzeug, wurde mitgetragen und verfärbte das Wasser hellrot. Dort, wo Yuriy ihn mit der Pistole geschlagen hatte, kühlte es wohltuend die Blessur. Er wollte nicht in den Spiegel sehen. Er wusste auch so, dass sich der Wangenknochen bereits dunkel zu verfärben begann. Mit einem gemurmelten Danke verließ er das Badezimmer. Die schwarze Hose, die er getragen hatte, pfefferte er wütend in eine Ecke. Sie hatte ein Loch und war getränkt mit Blut. Seinem Blut. Ebenso wie der schwarze Pullover. Ruiniert. Die Verletzung, die Yuriy ihm zugefügt hatte, war wenigstens nur ein Streifschuss. Umständlich hangelte er sich in eine weite Trainerhose und ein ärmelloses Shirt. Aus den Augenwinkeln sah er seine taumelnden Bewegungen im Spiegel. Er war direkt vor Yuriy in der Hocke gewesen. Er hätte ihn viel schwerwiegender verletzen können. Yuriy war berüchtigt für seinen Umgang mit Waffen. Hatte er womöglich absichtlich nur auf die Schulter gezielt? Aber aus welchem Grund hätte er das tun sollen? Rei schüttelte den Kopf. Wieso auch immer, es brachte nichts, sich hier das Hirn darüber zu zermartern. Er verstand im Moment sowieso nicht wirklich viel, was in den Köpfen dieses Clans vor sich ging. Außerdem fiel ihm das Denken an sich gerade ziemlich schwer. Er war müde und körperlich erschöpft. Er schwankte leicht nach vorne, während er sich ein Glas Whisky einschenkte, und aus Versehen schüttete er sich einen großen Schluck mehr ein, als er eigentlich wollte. Halb so schlimm. Mit dem Glas in der Hand humpelte er die Treppe hinunter in das große Wohnzimmer. Er wusste, dass seine Freunde dort auf ihn warteten und von ihm hören wollten, dass es ihm gut ginge. Zumindest mehr oder weniger. Das war er ihnen schuldig. Und einen kleinen Fazit der vergangenen Nacht. Es dämmerte bereits und er sah ihnen an, dass auch sie erschöpft waren und sich in ihre Betten sehnten. Humpelnd betrat er den Raum. Leises Geflüster schwebte zu ihm herüber. Allesamt starren sie aus den Fenstern auf die Straße. „Was gibt’s da zu sehen?“, fragte Rei neugierig. Max blickte ihn stirnrunzelnd an. In der Hand hielt er eine Tasse heißen Kakao, doch er schien ihn vorübergehend vergessen zu haben. Auch Kenny drehte sich ihm entgegen. „Da draußen steht ein Wagen“, sagte er vorsichtig und sein Blick huschte besorgt durch die Fensterscheibe hindurch auf die Straße. „Vorsichtig!“, knurrte Sergej. Warnend funkelte er Tyson an. „Ich mach doch gar nichts!“ „Du stehst im Weg.“ Der Japaner stöhnte genervt auf und drängte sich an die Wand, um Sergej vorbei zu lassen. Er trug den bewusstlosen Körper Otoris, als wäre er aus Glas. Garland war bereits vorgegangen und fuhr den Wagen rückwärts vor das Haus. Ming-Ming eilte voraus und riss die Wagentür auf, damit Sergei Otoris Körper vorsichtig hineinlegen konnte. Dann lief er um den Wagen herum und öffnete die Wagentür dieser Seite. Vorsichtig hob er Otoris Oberkörper an, setzt sich und bettete den weißhaarigen Kopf auf seinem Schoss. Ming-Ming setzte sich auf den Beifahrersitz. Und Tyson stand unentschlossen daneben und wusste nicht recht, wohin. „Bleibst du hier, oder was?“, keifte ihn Ming-Ming durch einen Spalt der Tür an. „Aber- ich- wo soll ich denn sitzen?“ „Kauer halt hinter meinen Sitz!“ Genervt schob Ming-Ming ihren Sitz etwas nach vorne, damit Tyson sich dahinter quetschen konnte. Kaum hatte er die Wagentür hinter sich zugeknallt, fuhr Garland los. Er fuhr vorsichtig, um ein zu starkes Abbremsen zu vermeiden. Während der Fahrt zum Krankenhaus sagte niemand ein Wort. Auch als sie Otori ausluden und in das Krankenhaus eilten, schwiegen sie. Garland eilte voraus an den Empfangsschalter. „Wir brauchen dringend einen Arzt!“, platzte er heraus. Die Frau, die gerade einige Unterlagen durchblätterte, blickte ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Unbeeindruckt blinzelte sie zweimal, bevor sie die Unterlagen beiseite legte. „Was kann ich denn für sie tun?“ Garlands Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Wie ich schon sagte, wir brauchen dringend einen Arzt.“ Es mutete schon sehr provokativ an, als sie sich wortlos zur Seite lehnte, um an ihm vorbei zu blicken. „Wo brennt’s denn?“ Garland war ein ruhiger, überlegter Mensch, rief er sich ins Gedächtnis. Er handelte stets rational. Aber es gab auch Situationen, da warf er seine Prinzipien in hohem Bogen über Bord. Er stemmte sich mit beiden Händen auf den hohen Tisch zwischen ihnen und lehnte sich darüber. Mit blitzenden Augen funkelte er sie an. „Ein Kind wurde angeschossen!“ Die Worte waren wohl überlegt. Er konnte förmlich zusehen, wie sie von Entsetzen gepackt wurde. Ihre Augen weiteten sich. Die Pupillen zogen sich zusammen. Er konnte sehen, wie ihr Atem kurz stockte. Geschockt sprang sie von ihrem Bürostuhl hoch. Sie wollte etwas sagen, als sie hinter ihm etwas erblickte, was sie sofort verstummen ließ. Ein großer Mann, der einen Jungen auf den Armen trug. Der Junge hatte das Bewusstsein verloren, sein Arm baumelte schlaff herunter. Er war kreidebleich. Ohne noch weitere Fragen zu stellen, griff sie hastig zum Telefon. „Einen Notarzt, schnell!“, quiekte sie in den Hörer. „Ein Junge wurde angeschossen!“ Ihre Stimme war fest, es gehörte zu ihrem Job, niemals die Fassung zu verlieren, aber im Inneren zitterte sie. Wut und Verachtung stiegen in ihr hoch, erfüllten sie mit Trauer und Schmerz. Wie konnte man so etwas nur tun? Oder zulassen, dass es geschah? Er war noch ein Kind, noch nicht einmal volljährig. Sie konnte nicht verhindern, dass sie die kleine Gruppe junger Erwachsener mit Abscheu im Blick ansah. „Wie konnte das passieren?“, fragte sie. „Wo sind seine Eltern?“ Alle drehten sie sich zu ihr um. Sie musste schlucken und war auf einmal unsäglich froh, dass zwischen ihr und ihnen ein Tresen stand. Noch nie wurde sie so angesehen, wie von diesen vieren. Ihr Kopf sagte ihr, dass sie selbst doch noch so jung waren, mehrere Jahre jünger als sie, aber ihr Herz zog sich unter ihren Blicken zusammen. Diese Härte, die darin lag, ließ sie in sich zusammensinken. Ihr Blick zuckte zwischen ihnen hin und her und blieb schließlich an Sergej hängen, dem gerade der Junge aus den Armen genommen geworden wurde. Vorsichtig wurde er auf ein Bett gelegt und unter hastigen Worten in den nächsten freien Operationssaal geschoben. Doch sie konnte ihre Aufmerksamkeit nicht von diesem harten, geprägten Gesicht wenden. Dieser Blick, mit dem er dem Jungen hinterher sah. Er war so voller Wärme, so voller Liebe und Hoffnung, dass sie gegen die Tränen ankämpfen musste, die ihr unmittelbar in die Augen stiegen. Dann drehte er sich plötzlich zu ihr um und ihre Blicke verhakten sich einen Moment. „Wir sind seine Familie.“ In einer anderen Ecke der Stadt blickte Rei an seinen Freunden vorbei aus dem Fenster. In der langsam heller werdenden Dämmerung erkannte er das Auto, das vor dem Haus stand. Seine Augen verengten sich zögernd. Was wollte er? Kai saß alleine in seinem Mustang und starrte zu ihnen herüber. Er sah wütend aus. Rei wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er wenige Meter neben sich das klackende Geräusch einer Waffe vernahm, die gerade geladen wurde. Bryan hatte nicht lange gezögert, hatte sich den Halbautomaten geschnappt, der an der Wand lehnte. Rei seufzte und wandte sich ab. Er blickte in die klare, goldbraune Flüssigkeit in seinem Glas. Um sie dann mit einem Schluck auszutrinken. Er starrte nochmal kurz in das Glas, bevor er es mit ruhiger Hand auf den Salontisch stellte. Unter den aufmerksamen Blicken von Kenny und Mao begab er sich auf die andere Seite des Raumes, wo sein Messer auf einer Kommode lag. Erst wenige Stunden davor hatte er sich vom Bein gerissen, um es auf das Sofa zu pfeffern. Max hatte es sorgfältig geputzt und auf die Kommode gelegt, um sich von den Geschehnissen der vergangenen Stunden abzulenken. Er lockerte die Gurte und hängte es sich um die Schulter. „Was hast du vor?“, hörte er Max hinter sich angespannt fragen. Doch er antwortete nicht. Er drehte sich auch nicht zu ihm um. Stattdessen hob er seine dunkelblaue Trainerjacke von der Sofalehne und schlüpfte hinein. „Rei, du wirst doch nicht-!“ Mit einem Satz stand Max neben ihm und hielt ihn am Arm fest. Seine aufrichtigen, blauen Augen funkelten ihn erschüttert an. Reis Mundwinkel zuckten und als er die Hand hob, um durch den blonden Schopf zu wuscheln, musste er lächeln. „Mir passiert schon nichts.“ Der Reihe nach blickte er Mystel, Kenny, Mao und Lee an und verharrte schließlich etwas länger bei Bryan, der am Fenster stand und ihn mit dem Halbautomaten in der Hand und wilder Entschlossenheit ansah. Er nickte unmerklich und öffnete das Fenster. Er würde ihm Rückendeckung geben, solange es ihm möglich sein würde. Er ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Niemand versuchte, ihn aufzuhalten. Als er die Hand auf die Türklinke legte, hielt er einen Augenblick inne. Er war von Herzen dankbar, Freunde wie die seine zu haben. Kalte Luft empfing ihn, als er nach draußen trat. Kalte Luft und der Lauf von Kais Magnum. Rei schnaubte, grub die Hände tief in seine Taschen und ging auf den schwarzen Wagen zu. Er konnte die Blicke auf seinem Rücken spüren, die jeden seiner Schritte aufmerksam beobachteten. Und beinahe konnte er sie die Luft anhalten hören, als er die Tür von Kais Mustang öffnete und einstieg. *~*~*~*~*~* Aaah, ist das jetzt ein fieser Cliffhanger? XD Ich entschuldige mich, dass das Kapitel erst jetzt kommt... Ich hatte einfach gerade so viel zu tun! >< Ich hoffe aber, das Warten hat sich gelohnt! Mir gefällt dieses Kapitel ehrlich gesagt nämlich ganz besonders gut! :B Irgendwie passiert nicht so viel und gleichzeitig eine ganze Menge, findet ihr nicht auch? Zumindest in meiner Idee hörte sich das ganze ziemlich nach Gänsehaut an; ob es mir gelungen ist, diese Spannung auch schriftlich festzuhalten, das müsst ihr mir sagen! Ö_Ö Ich hoffe es doch sehr! =3 Nun, meine Lieben, ich wünsche euch ein wunderschönes Wochenende! :* Und dir, liebe , schöne Ferien! ^^ *bonbons da lass* EDIT: booah, seit wann dauert's denn einen ganzen Tag (24h), dass ein Kapitel hochgeladen wird? War doch früher nicht so... ôo Kapitel 7: Mistrust Me! ----------------------- Mit einer zuckenden Bewegung mit dem Lauf seiner Magnum wies Kai Rei an, sich auf den Beifahrersitz zu setzen. So konnte er ihn im Auge behalten, während er fuhr und brauchte nicht damit zu rechnen, dass ihm von hinten ein Messer an die Gurgel gehalten wurde. Unter gegebenen Umständen hätte er dieses Risiko nicht eingehen wollen. Auch wenn er wusste, dass Rei das nicht getan hätte. Wobei, rief er sich ins Gedächtnis, so sicher konnte er sich darüber auch nicht mehr sein. Rei setzte sich mit steifen Bewegungen in den tief liegenden Sitz. Er konnte den missmutigen Blick auf sich spüren, den Kai ihm aus den Augenwinkeln zuwarf. Trotzig funkelte er zurück. Ihre Blicke trafen sich in einer Mischung aus Missmut, Ärger, Verwunderung, Unsicherheit. Es erschwerte die Luft zwischen ihnen. So etwas hatte noch nie zwischen ihnen gelegen. Es war deutlich, dass sich ihr Verhältnis geändert hatte. Radikal. Kai steckte die Pistole weg und trat auf das Gas. Stillschweigend fuhren sie über die noch leblosen Straßen. Rei starrte geradeaus. Einfach so dazusitzen und nichts zu tun, machte ihn fertig. Es lenkte seine Aufmerksamkeit unweigerlich auf seinen pochenden Oberschenkel. Die Wunde schmerzte mittlerweile höllisch und die Schmerzen dehnten sich bis in den Magen aus. Ihm war schlecht. Und schwindelig. Immer wieder verschwammen Straßen und Häuser in ein dunkles, undefinierbares Farbgeflecht. Er spürte sein Herz rasen, seine Lunge sich zusammenziehen. Er musste sich stark zusammenreißen, um nicht atemlos vor sich hin zu keuchen. Ohne zu fragen ließ Rei das Fenster auf seiner Seite runter. Er brauchte frische Luft, die ihm kühl und wohltuend um die Nase blies. Anscheinend hatte er geschwitzt, denn vereinzelte Schweißtröpfchen trockneten auf seinen Schläfen. Er setzte den Ellbogen an das Fenster und stützte den Kopf auf die Hand. Seine Finger krallten sich sofort verkrampft in sein Haar. Auch seine andere Hand war zu einer Faust geballt. Es half ihm, gegen das aufkommende Ohnmachtsgefühl anzukämpfen. Es war wohl wirklich eine selten dumme Idee gewesen, sich nicht einmal Schmerzmittel geben, geschweige dann sich lokal betäuben zu lassen. Aber wer hätte auch damit gerechnet, dass keine Stunde später Kai auftauchen würde? Und dann auch noch dieses Theater aufführte. Rei hatte eine dunkle Ahnung, weswegen er und Kai hier waren. Otori. Das war die einzige Erklärung. Kein anderer Grund wäre strak genug gewesen, dass Kai ein solches Risiko eingegangen und in ihr Territorium eingedrungen wäre. Er war wütend. Und Rei konnte das absolut nachvollziehen. Hätte er etwa anders reagiert, wäre einer seiner Freunde an Otoris Stelle gewesen? Sein Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Er konnte es noch so deutlich vor sich sehen, wie Otori plötzlich zur Seite kippte. Aus seiner Wunde spritzte Blut. Er versuchte zwanghaft, an etwas anderes zu denken. Doch es fiel ihm schwer, hatten die pochenden Schmerzen mittlerweile ohnehin Überhand gewonnen. Rei war so konzentriert, dass er nicht bemerkte, dass Kai angehalten hatte. Erst der heftige Knall der Wagentür auf der Fahrerseite, die kraftvoll zugeschlagen wurde, riss ihn zurück in die Realität. Benommen beobachtete er, wie Kai sich stapfend vom Auto entfernte. Er blickte sich um. Grün. Kai war aus der Stadt hinausgefahren. Das Auto stand auf einem flachen Hügel, zu dessen Füssen sich die dunkelgraue Stadt erstreckte. Einige Lichter brannten in den Häusern, verblassten aber langsam im heller werdenden Tageslicht. Weit hinter der großflächigen Stadt glitzerte sanft die glatte Oberfläche des schwarzen Meeres. Und dahinter, weit hinten am Horizont, kroch die Sonne gemächlich aus ihrer nächtlichen Ruhe. Kais Silhouette zeichnete sich schwarz und hart dagegen ab. Rei biss sich auf die Unterlippe und kletterte umständlich aus dem Wagen. Er versuchte, sein verwundetes Bein nicht zu belasten und gleichzeitig sich nichts anmerken zu lassen. Auch wenn er sich fühlte, als ob ein hungriges Loch in seinem Bauch ihn verzehren wollte, er erlaubte es sich selber schlicht nicht, vor Kai eine Schwäche zu zeigen. Tief atmete er durch. Die frische Morgenluft erweckte seine Lebensgeister und war zugleich getränkt von einer unruhigen Anspannung. Rei stellte sich neben Kai, die Arme verschränkt. Er spürte das Messer, wie es ihm gegen die Rippen drückte. Unter anderen Umständen hätte es romantisch anmuten können, wie sie hier oben auf dem Hügel standen, Schulter an Schulter, und in den Sonnenaufgang starrten. Aber es war nicht romantisch. Ganz und gar nicht. Mit zusammengezogenen Brauen wandte Rei den Blick zu Kai. Doch dieser stierte nur weiterhin stur geradeaus und strafte ihn mit Schweigen. Rei wusste nicht, ob er verärgert oder doch eher vorsichtig reagieren sollte. Er seufzte und ließ den Blick über den Horizont gleiten. Die Sonne würde jederzeit aufgehen. „Wie geht es Tsubasa?“, fragte er, darauf vorbereitet, dass ihm Kai vermutlich sogleich die Fresse polieren würde. Wie ging es einem denn schon, wenn einem mitten in die Brust geschossen wurde? Kai schnaubte. Etwas in ihm wollte dem Chinesen anschreien, was denkst du denn, wie’s ihm geht!? Stattdessen schluckte er die schäumende Wut hinunter. „Er sollte sich bereits im Spital befinden.“ Rei nickte. „Das ist gut“, sagte er vorsichtig. Mit gleichermaßen Glück wie Durchhaltewillen, würde er vielleicht sogar tatsächlich überlegen. Vorausgesetzt natürlich, es wurden keine lebenswichtigen Organe getroffen. Rei hoffte es. Nein, er wünschte es sich. Nicht nur für den Jungen, oder für Kai. Oder für sich selbst, weil er es mit seinen Gewissen niemals hätte übereinbringen können, wenn ein Kind durch seine Hand umgebracht worden wäre. Und sein Clan war schließlich gleichbedeutend mit ihm selbst. Er war der Clan, und er musste für alles geradestehen, was der Clan anrichtete. Kai hatte ihn noch kein einziges Mal angesehen, seit er ihn abgeholt hatte. Auch jetzt starrte er weiterhin gerade aus. „Sie beschuldigen alle dich, Rei.“ Was bliebt ihnen schon anderes übrig, als rastlos auf und ab zu gehen, angespannt auf einem der Plastikstühle zu sitzen, oder in einen Becher mit wässrigem Automatenkaffee zu starren? Der kahle Flur bot nur wenig Trost oder Ablenkung. Sie konnten nichts tun. Außer warten. Warten, bis einer der Ärzte aus dem Operationssaal trat und ihnen mitteilte, dass Otori es geschafft hatte. Oder nicht. Sie redeten nicht miteinander. Es traf sie alle gleichermaßen. Natürlich war Otori nicht der erste, der angeschossen wurde und im Spital landete, dem ewig währenden Krieg der Clans waren schon viele zum Opfer gefallen. Aber Otori gegenüber hatten sie, Sergej, Tyson, Garland und Ming-Ming, ohne es wirklich mitbekommen zu haben, einen starken Beschützerinstinkt entwickelt. Es war ihr Nesthäkchen, der es Wert war, dass man auf ihn am meisten aufpasste und ihn beschützte. Sie hatten alle versagt. Sergej blickte den Gang hinunter, in seiner Brust tobte ein Sturm der Leere. Irgendwo stand eine Tür zu einem Zimmer offen und der Boden davor begann sich langsam zu verfärben. Vereinzelte Sonnenstrahlen reflektierten auf dem polierten Boden. Die Sonne ging auf. Ob sie Hoffnung brachte? Die ersten Strahlen der frühen Morgensonne blendeten nicht. Noch tanzten sie sanft auf seinem Gesicht. Erst wenn die Sonne zu einem Drittel über den Horizont geklettert war, hätte Rei nicht mehr hinsehen können. Allerdings hatte er seine Aufmerksamkeit dem Naturspektakel gerade abgewandt. Sie galt nun vollkommen dem jungen Mann, der neben ihm stand, die Arme verschränkt und den Blick grimmig nach vorne gerichtet. Sie beschuldigen alle dich, hatte er gesagt. Rei lächelte dünn. „Natürlich“, sagte er kehlig. Was hatte er denn erwartet? „Hattest du überhaupt eine Pistole?“ „Würde das was ändern?“ Rei schnaubte. Nein, antwortete er sich selbst, es würde rein gar nichts ändern. Abrupt drehte Kai sich zu ihm um, die Hände zu Fäusten geballt. „Hattest du?“, brüllte er und sein Blick traf Rei wie giftige Nadeln. „Ich hatte eine Pistole.“ Kai musste sich mit der Halbwahrheit zufrieden geben. Rei hatte den Schlag schon kommen sehen. Doch er wich nicht aus. Die Wucht ließ seinen Kopf zur Seite fliegen. Hatte zuvor schon sein Wangenknochen von Yuriys Schlag geschmerzt, schmerzte nun auch sein Kiefer. Für einen Moment sah er Sterne, doch dann wandte er sich erneut zu Kai. Seine Fransen hingen ihm zerzaust ins Gesicht und verdeckten die dunkel verfärbte Wange. Kai starrte ihn an, sein Gesicht wutverzerrt. „Und hast du auch geschossen?“, presste er durch die zusammengebissenen Zähne. „Wo ist denn der Unterschied, ob ich geschossen habe oder nicht?“, fauchte Rei. „Antworte mir!“ „Was bringt’s denn?“ „Antworte!“ „Wärst du selbst da gewesen, müsstest du jetzt nicht so dumm fragen!“ Dieser Schlag hatte Rei nicht kommen sehen. Er war so kräftig, dass er ihn von den Füssen riss. Sein Bein gab sofort nach und Rei knickte seitlich zu Boden. Als Rei hoch blickte, sah er noch etwas anderes ihn Kais Augen aufblitzen als Wut. War es Schuld? Fühlte er sich etwa schuldig? Er baute sich über Rei auf, packte ihn an der Trainerjacke und zog ihn dicht an sein Gesicht. „Ich war unten und habe diesen Arschlöchern aufgelauert, um sie verfolgen zu können“, zischte er. „Also hast du nun geschossen oder nicht?“ Rei grinste schnaubend und wandte das Gesicht ab. „Und wenn schon.“ Wütend stieß ihn Kai hart auf den Boden zurück. Ein heftiger Stich durchfuhr Reis Schulter und er presste die Augen zusammen. Er wartete auf den nächsten Schlag. Doch er kam nicht. „Du sagst nicht die Wahrheit“, hörte er stattdessen knurrende Worte und verwirrt und verwundert blickte er hoch. „Weil es nicht maßgebend ist. Wieso willst du das so unbedingt wissen? Was macht es denn schon für einen Unterschied? Wieso sollte es wichtig sein, wer geschossen hat?“ Kai schluckte. Ja, wieso eigentlich war es ihm so wichtig? Wollte er etwa, dass Rei es nicht gewesen war? Nein, soweit durfte es nicht kommen. Der Clan ist deine Familie. Traue niemandem außer den Mitgliedern deines Clans. Er biss sich auf die Zähne. Der Schlag, den er als nächstes ausführte, war Resultat eines tief in ihm schlummernden Reflexes. Auch wenn niemand, schon am wenigsten Kai, hätten sagen können, woher es kam, hatte er instinktiv seine jahrelang verwurzelten Abwehrmechanismen in Gang gesetzt. Seit nunmehr über drei Jahren hatte er sich nie mehr mit Rei geprügelt. Vielleicht hin und wieder gerauft, aber es war nie ein ernstzunehmender Streit gewesen. Nicht so wie früher, als sie noch praktisch täglich einen Grund suchten, sich gegenseitig vermöbeln zu können. Aber jetzt, in diesem Moment, stürzte er sich mit geballter Faust auf ihn. Und auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, so geschah es doch aus tiefer Verzweiflung. Kai hatte nie gelernt, mit Verzweiflung umzugehen. Hatte ihm eine Situation nicht gepasst, hatte er einfach seine Fäuste spielen lassen. Rei stöhnte, als Kai sich über ihn warf und ihn zu Boden drückte. Als ob er nicht schon genug Schmerzen hätte. Sein Kopf drehte sich auf alle Seiten und sein Bein würde demnächst wohl einfach abfallen. Er hoffte, dass Kai nicht einfach draufsitzen würde. Doch der war anscheinend dermaßen fixiert, dass er nur auf Reis Oberkörper achtete. Mit einer Hand pinnte er Reis rechten Arm ins Gras, die andere hatte er um seinen Hals gelegt. Ein kleiner Stich durchfuhr seinen Brustkorb, als Reis schwarze Haare ihm aus dem Gesicht fielen und die dunkel verfärbte Wange entblößten. Er ignorierte es. Rei wand sich unter Kai. Wenn er mit seiner freien Hand doch nur das Messer erreichen würde! Seine Finger berührten doch schon fast den Griff, er musste sie nur noch unter die Trainerjacke schieben und das Messer zu fassen bekommen. Kai war nicht mehr wirklich er selbst. Er war gefangen in Hass, Wut, Verzweiflung. Er wusste, dass er seinen Clan rächen musste, aber etwas in ihm sträubte sich dagegen, Rei weh zu tun. Er zögerte zu lange. Plötzlich spürte er kalten Stahl an seiner Kehle. Verdutzt blinzelnd erblickte er Reis zu Schlitzen verengte Augen. Einen Moment wollte er zurück zucken und eben dieser Moment nutzte Rei aus, um all seine übrig gebliebene Kraft zusammenzukratzen und ihn von sich runterzustoßen. In der gleichen Bewegung drehte er sich auf ihn, das Messer noch immer an Kais nackter Kehle. Die Aktion hatte ihn viel Kraft gekostet. Rei atmete heftig, Kais Hand noch immer an der Gurgel. Er spürte, wie seine linke Hand zitterte, die Wunde an seiner Schulter schmerzte höllisch. Das Messer kratzte minimal an Kais Haut und sie verfärbte sich an dieser Stelle leicht rot. Ein dröhnend pochender Schmerz ließ ihn wetten, dass seine Wunde im rechten Bein wieder aufgeplatzt war. Kai zog seine Hände zurück. Er erkannte, wenn er in einer unterlegenen Situation war. Das hieß aber noch lange nicht, dass er es sich gefallen ließ. Mit emotionslosem Gesicht lag er unter Rei und wartete auf das winzige Zeitfenster, während dem er zurückschlagen konnte. Es kam. Kai merkte nicht, dass Rei leicht taumelte, einzig nahm er seine Chance wahr, und er packte Rei mit rechts an der verletzten Schulter, warf ihn von sich runter und drehte sich erneut auf ihn. Rei biss sich auf die Unterlippe und verkniff sich ein Stöhnen. Seine Finger klammerten sich um den Griff des Messers. Er konnte nur noch versuchen, wenigstens sein Bein so zu drehen, dass Kai nur auf das Linke zu sitzen kam. Doch es war ein Fehler. Kai war sich Reis außergewöhnlichen Kampfkünsten und dessen Flexibilität durchaus bewusst und Reis Bewegung ließ ihn im Glauben, er wolle ihm den Kopf weg kicken. Automatisch schoss seine linke Hand nach unten. Seine kräftigen Finger gruben sich fest in Muskeln und Fleisch. Rei schrie. Seine Augäpfel drehten sich nach hinten und er fühlte eine eiserne Schwärze nach ihm greifen. Sein Körper krümmte sich unkontrolliert unter Kai. Erschrocken über Reis heftige Reaktion, ließ er seine linke Schulter los und setzte sich etwas auf. Bestürzt betrachtete er Reis schmerzverzerrtes Gesicht. So hatte er ihn noch nie gesehen. Mit einer kraftlosen Bewegung ließ Rei das Messer neben sich ins Gras fallen. „Nimm... deine... scheiß Hand... weg!“, presste er durch die Zähne. Kai realisierte nicht sofort, was Rei damit meinte, zu sehr verwirrte ihn der völlig unbekannte Zustand des Chinesen. Rei sah sich gezwungen, trotz seiner entsetzlichen Schmerzen Maßnahmen zu ergreifen und ballte die Hand zu einer laschen Faust. Er schlug nach Kai. Viel zu langsam für seine Verhältnisse. Kai wich mühelos aus. Doch wenigstens löste er dabei seine Hand von Reis Oberschenkel. Ächzend ließ er sich zurück ins Gras sinken. Reis Zustand verunsicherte Kai zunehmend. Was war nur los mit dem ansonsten immerzu fitten Anführer des Clans des silbernen Tigers? Dann fühlte er es. Klebrig haftete es an seiner linken Handinnenfläche und färbte sie rot. Sein Blick glitt zu Reis Oberschenkel. Das Schwarz der Trainerhose verbarg es perfekt, doch der Stoff war getränkt mit Blut. „Scheiße!“, entfuhr es ihm. Ihm war plötzlich alles andere als wohl in seiner Haut. Rei war in einem furchterregenden Zustand. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und kalter Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper. Kai schluckte hart. Warum war ihm das nicht eher aufgefallen? Plötzlich wurde ihm bewusst, was er in seiner Wut zuvor alles nicht bemerkt oder schlicht ignoriert hatte. Reis linke Wange war vom Wangenknochen bis zum Kiefer violett angelaufen. Er hatte unterdrückt gehumpelt, weil er am rechten Bein verletzt war, und so wie es den Anschein machte, war die Verletzung frisch. Als er ihn an der linken Schulter gepackt hatte, hatte Rei sich verspannt und sich zusammenreißen müssen, um nicht aufzustöhnen. Mit hastigen Bewegungen zog er den Reißverschluss von Reis Trainerjacke hinunter und riss sie auf. Das ärmellose Shirt entblößte einen Schulterverband. Er hatte sich mit Blut aufgesogen. „Verdammt“, fluchte er, ließ die Trainerjacke los, griff nach dem Messer, das neben Rei im Gras lag, steckte es sich ein und erhob sich mit Rei auf den Armen. Hastig lief er zu seinem Wagen, riss die Tür auf, legte Rei auf den Rücksitz. Er fühlte, wie es ihm die Brust zuschnürte. Er hasste dieses Gefühl. Warum war es ausgerechnet bei Rei so stark? Es war noch viel stärker als es bei Otori gewesen war. Er raste fluchend über die Straßen, hinein in die Stadt. Er kannte nur einen Zufluchtsort, wo er jetzt hingehen konnte. Südstadt. Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis Kai seinen Mustang in der kleinen Sackgasse parkte. Immer wieder warf er nervöse Blicke in den Rückspiegel. Rei hin und wieder leise ächzen zu hören, machte ihn wahnsinnig. Mit zusammengebissenen Zähnen trug er Rei in die kleine Wohnung und legte ihn auf das Bett im kleinen Nebenzimmer. Dann eilte er ins alte Bad und holte einen Notfallkasten, den sie vorsorglich eingerichtet hatten, und einen kalten Waschlappen. Er zog Rei die Kleider aus und entledigte ihn der blutdurchtränkten Verbände. Er biss sich auf die Zähne, sodass sein Kiefer knackte, als er die Wunden sah. Sie stammten eindeutig von Schusswaffen. Von letzter Nacht. Seine eigenen Leute hatten ihm sie zugefügt. Kai atmete einmal tief durch. Es brachte jetzt nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Er musste Reis Wunden neu verbinden. Mit sicheren Handbewegungen wusch er zuerst den Schweiß auf seiner Stirn und dann das Blut weg, legte ein dickes Bündel Gasen direkt auf die Wunden und verband sie schließlich neu. Dann ging er zurück ins Bad, warf den von Wasser und Blut durchtränkten Waschlappen ins Waschbecken und schnappte sich ein Glas, das er randvoll füllte. Er brachte es zurück zu Rei und stellte es auf den klapprigen Nachttisch. Schweigend setzte er sich neben ihm aufs Bett und langte nach dem Packen mit Medikamentenschachteln. Nach kurzem Suchen und Lesen drückte er schließlich eine 600 Milligramm Ibuprofen-Filmtablette aus der Packung. Jetzt musste er nur noch Rei wach bekommen. Es wäre um einiges einfacher gewesen, hätte er ihm eine Infusion verpassen können, aber so gut waren sie hier leider nicht eingerichtet. Vorsichtig rüttelte er an Reis unverletzter Schulter. Ein leises Ächzen zeigte ihm wenigstens an, dass er nicht vollkommen weggetreten war. „Verdammt, wach schon auf Rei!“, murrte er. Es vergingen Minuten, und für Kai fühlten sie sich an wie Stunden, bis Rei endlich die Augen einen kleinen Spalt öffnete und sich etwas aufrappelte. „Nimm die“, sagte er ohne zu zögern und hielt ihm die weiße Tablette direkt an die Lippen. Rei wich etwas zurück, um die Tablette zu beäugen. Doch dann ließ er sich das Glas in die rechte Hand drücken. Sein linker Arm fühlte sich vor Schmerzen an wie gelähmt. Er hatte keine Chance, ihn anzuheben. Wohl oder Übel ließ er sich die Tablette von Kai in den Mund schieben. Mit einem großen Schluck spülte er sie hinunter. Träge ausatmend blieb er sitzen. „Danke“, brummte er. „Hn.“ Einige Augenblicke vergingen, in denen beide ins Leere starrten. Dann wandte sich Kai erneut zu Rei. Sein Gesicht war in leichtem Ärger verzogen. „Wieso hast du es mir nicht gesagt?“ Rei blickte ihn direkt an. Seine Augen waren etwas zusammengezogen und betrachteten ihn skeptisch hinter rabenschwarzem Haar. Diese Augen, die Kai schon immer fasziniert hatten, die stets wach und kritisch schauten. Sie erinnerten ihn an flüssigen Honig. Und an eine Szene, die mittlerweile schon über drei Jahre her war. An eine dunkle Gasse, in der eine Gestalt kauerte und mit bernsteinfarbenen Augen skeptisch zu ihm aufblickte. Dieselben Augen. Und plötzlich wurde ihm klar, warum er Otori damals mit sich genommen hatte. Es waren diese Augen gewesen. *~*~*~*~*~*~*~* Es tut mir leid, Leute, aber seit ich diese Schule angefangen habe, komm ich kaum mehr zum Schreiben! ~_~ Aber ich gebe mir trotzdem weiterhin Mühe, regelmässig was hochzuladen. Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!? Ehrlich gesagt, weiss ich nicht recht, wie die FF bei euch so ankommt... Ist nicht gerade prickelnd. nja. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende. Haut rein, Leute! :* Kapitel 8: Reveal Me! --------------------- Stumm saß er auf dem schwarzen Ledersessel und starrte auf das Glas Whisky in seiner Rechten. Er sah es, und doch sah er es nicht wirklich. Die drei Eiswürfel darin waren beinahe vollkommen geschmolzen. Der Whisky selbst nahezu unberührt. Kai hatte sich seit über einer Stunde nicht gerührt. Er dachte. Gedanken kreisten durch seinen Schädel und brachten seinen Kopf zum Pochen. Er dachte nicht wirklich nach. Er ließ seinen Gedanken einfach freien Lauf. Elendes, ewiges Kreisen, keine Schlussfolgerung, kein abgeschlossener Gedankengang, nur ewiges, elendes Kreisen. Nicht fassbar. Er hatte es aufgegeben, einen Gedanken halten zu wollen. „Willst du nicht wissen, ob Otori überlebt hat?“ Yuriy trat an den Sessel und lehnte sich mit der Hüfte dagegen. In der Hand hielt er ein Telefon. Mit verschränkten Armen wartete er auf eine Antwort. Sie kam nicht. Seufzend zog er einen Stuhl heran und ließ sich darauf fallen, direkt Kai gegenüber. Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Ich weiß, was du denkst.“ Yuriy sprach leise und ruhig. Aber mit einem Nachdruck in der Stimme, die keine Ausflüchte zuließ. Kai bedachte ihn eines kurzen Blicks. Doch er sagte nichts. „Du glaubst nicht, dass es Rei war.“ Kai schnaufte und endlich kam wieder etwas Leben in den versteinerten Körper. Vor Yuriy konnte er es zeigen, er kannte ihn besser als alle anderen, er war sein bester Freund, sein engster Vertrauter. Unwohl, wie er sich fühlte, rutschte er auf dem Sessel hin und her. „Hatte er eine Pistole dabei?“, fragte er. „Nein.“ Yuriys Gesicht blieb regungslos. Auch, als Kai leise schnaubte. Hatte der Chinese ihn tatsächlich so dreist angelogen? Wieso? „Er hat mir aber meine abgenommen“, knurrte Yuriy, sichtlich angepisst. Überrascht hob Kai den Kopf und blickte ihn zum ersten Mal richtig an. „Die Mieze hat mehr drauf, als ich dachte“, grummelte der Rotschopf und presste missmutig die Lippen aufeinander. Kai senkte den Blick wieder auf sein Whiskeyglas. Sein Mundwinkel zuckte minimal. Das musste man ihm nicht erst noch sagen. Aber es war die erste direkte Konfrontation zwischen Yuriy und ihm und während der Chinese gerne mit Händen und Füssen kämpfte, bevorzugte der kühle Russe die Distanz, die nur seine Schusswaffen ihm bieten konnten. Und obwohl Kai Rei im Stillen Respekt zollen musste, nagte an ihm die Tatsache, dass er offenbar doch eine Pistole zur Hand hatte. Er bemerkte nicht, wie Yuriy ihn aufmerksam beobachtete. Bis er plötzlich das Wort wieder erhob. „Er hat nicht geschossen. Er hat nur auf mich gezielt, und er hat nicht ein einziges Mal abgedrückt.“ Kais Kopf schnellte hoch und seine roten Augen bohrten sich zusammengekniffen in Yuriys. Er versuchte gar nicht, dem eindringlichen Blick auszuweichen. Er kannte die Wahrheit. Und er würde sie niemals vor Kai verstecken. Und die Wahrheit, auch wenn sie ihm nicht wirklich gefiel, war nun mal, dass Rei zwar seine eigene Pistole schussbereit auf ihn gerichtet, jedoch nicht abgedrückt hatte. Weder hatte er auf ihn, noch auf jemand anderen geschossen. Und so einfach würde er auch nicht Reis geschockten Blick vergessen, als Otori plötzlich schreiend zusammengebrochen war. Rei mochte zwar der Anführer ihres am meisten verachteten Clans sein, aber er setzte niemals Waffen ein, wenn es sich vermeiden ließ. So viel Ehrgefühl besaß Yuriy, dass er das zugeben konnte. „Erspar es dir, das den anderen zu erzählen. Du kannst deinen größten Feind nicht vor deinen eigenen Leuten in Schutz nehmen. Wie glaubst du, sieht das aus? Sie glauben sowieso nur, was sie denken wollen, gesehen zu haben.“ Kai war ihm dankbar. Auch wenn es nichts nützen würde, wenigstens konnte er mit dem Wissen schlafen gehen, dass Rei nicht der mutmaßliche Mörder eines seiner Clanmitglieder war. Aber hatte er das jemals wirklich geglaubt? Und auch wenn, ändern würde es nichts. Sein ganzer Körper pochte dumpf, als er langsam wieder zu Bewusstsein gelangte. Er fühlte sich wie von einer Betonwalze überfahren und so schwer wie aus Stein. Seine Augen brauchten eine Weile, bis sie etwas anfokussieren konnten. Stöhnend rappelte er sich auf seine Ellbogen auf und sah sich um. Er war in der kleinen, heruntergekommenen Wohnung in Südstadt. Zäh rieselten die Erinnerungen in sein Gedächtnis zurück. Kai hatte ihn hierher gebracht und ihm auch eine Tablette gegeben. Das Päckchen lag noch immer auf dem Nachttisch. Er versuchte aufzustehen und biss sich auf die Lippen, um nicht aufzujaulen. Sein Bein schmerzte wie Hölle. Doch er musste es ignorieren. Er musste aufstehen! Humpelnd und sich bei jeder Gelegenheit festhaltend, schleppte er sich durch die Wohnung. Doch von Kai keine Spur. Er war alleine. Seither war ein ganzer Monat vergangen. Rei stand mit einigen Metern Entfernung vor dem Eingang einer Bar. Er starrte auf die Tür. Sämtliche Mitglieder waren seither dem jeweils anderen Clan aus dem Weg gegangen; für die Silbernen Tiger eine Vorsichtsmaßnahme, für die Sibirischen Phönixe eine Kontrolle, die anderen nicht einfach über den Haufen zu schießen. Sie waren wütend und verstanden nicht, wieso Kai ihnen verboten hatte, ohne seinen ausdrücklichen Befehl eine Waffe mitzunehmen, oder auch nur in ihre Nähe zu kommen. Er hatte sie gewarnt, nichts Dummes anzustellen, wenn sie ihre Schwänze behalten wollten. Ihre Nachforschungen bezüglich der Menschenhändler waren soweit stagniert. Kenny, sowie auch Garland und Sergej suchten zwar an ihren Computern weiterhin nach Hinweisen, doch nicht vor Ort zu sein, ließ dieses Unterfangen schier zur Unmöglichkeit werden. Das einzig Positive in diesen vergangenen Wochen war, dass Otori erfolgreich operiert werden konnte. Kai musste sich zwar vom Arzt, der ebenfalls Mitglied in ihrem Clan war, eine Standpauke anhören, doch es störte ihn nicht wirklich. Es war ja nicht so, dass er sich darüber nicht selbst schon lange Gedanken gemacht hatte. Was ihn zu seinem Ärger mehr interessierte, war, wie es Rei ging. Seit er ihn in Südstadt zurückgelassen hatte, hatte er nichts mehr von ihm gehört. Das einzig Beruhigende daran war, dass er es gehört hätte, wenn er gestorben wäre. Kai hatte sich abgeschottet. Die ständigen Fragen, was er denn gedachte zu tun, gingen ihm gewaltig auf die Nerven. Und er wollte sich einfach nicht eingestehen, dass er nichts unternehmen wollte. Er floh regelrecht vor dieser Erkenntnis. Und Rei selbst wurde von ihrem Clan-Arzt zu mindestens zwei Wochen Bettruhe verdonnert. Er hielt sich zehn Tage daran, danach zog es ihn öfters hinaus aus der Stadt, wo er ins Gras oder an das Flussufer saß und nachdachte, während er die Ruhe und das Alleinsein genoss. Seine Wunden heilten allmählich und übrig blieben helle, frische Narben. Er seufzte und betrat die Bar. Warme, stickige Luft und angetrunkenes Gelächter quoll ihm entgegen. Ohne eine Mine zu verziehen, trat er ein. Er sah die Gesichter, Tische, Getränke, in gelblich-oranges Licht getaucht. Aber er nahm sie nur am Rande wahr. Seine Aufmerksamkeit galt nur einer einzigen Person, die alleine in der Ecke saß und das Glas in der Hand schwenkte. Die grauen Haare waren länger geworden und fielen Kai tief in die Augen. Mit langsamen Schritten ging Rei auf ihn zu und blieb schräg hinter ihm stehen. Niemand hier drin achtete auf sie. Niemand bemerkte, wie Rei beide Hände hob und sie Kai auf den Rücken legte, wie er langsam darüber fuhr, nach vorne, wie er die Arme um ihn schlang und sich zu seinem Ohr lehnte. „Danke“, flüsterte er und schmiegte das Gesicht in seine Haare. Etwas in Kais Brust löste sich. Eine Anspannung, von der er nicht mal gewusst hatte, dass sie da war. Er schloss die Augen und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. „Woher wusstest du, dass ich hier bin?“, fragte Kai. „Ich hatte da so eine Ahnung“, antwortete Rei und schmunzelte. In dieser Bar hatte alles angefangen. Hier hatte Kai Rei damals unbeabsichtigt angebaggert. Und hier hatten sie sich viele Male danach getroffen. Immer und immer wieder, bis sie übereinander her gefallen waren, betrunken von Alkohol und Lust und dem Rausch einer guten Prügelei. “Verpiss dich Kai, das hier ist mein Kampf“, murrte Rei, doch es klang nicht halb so drohend, wie es sollte. Es war viel Alkohol geflossen an diesem Abend und Rei lallte. Außerdem schwankte er verdächtig, wenn auch nur für geübte Augen bemerkbar. Kai lachte höhnisch und ließ die Knöchel knacken. Als ob er einer Prügelei den Rücken kehren würde. Es waren nicht viele, und Kai war sich sicher, dass Rei auch alleine mit ihnen fertig geworden wäre, doch seine Faust hatte sich schon zu lange nicht mehr in eine Bauchhöhle gebohrt. Ihn dürstete nach Blut. Mit einem erwartungsfreudigen Grinsen wartete er, dass sie Rei und ihn einkreisten. Es waren nicht viele. Fünf gegen zwei, das würden sie locker schaffen. Sie kamen immer näher und kesselten sie ein, in Gedanken sahen sie die beiden schon blutend am Boden liegen. „Ihr Schwuchteln!“, spuckte einer aus und stürzte sich auf Rei. Alles ging viel zu schnell. Ehe er registrieren konnte, was geschah, lag er mit dem Rücken auf dem Boden. Reis Fuß ruhte auf seinem Brustkorb. Erschrocken blickte er nach oben und direkt in Reis gefährlich blitzende Augen. „Ihr habt euch die Falschen ausgesucht“, knurrte er. Und diesmal ließ seine Stimme es ihm kalt den Rücken runter fahren. Der Augenblick währte kurz, bis sich die anderen wieder gefasst hatten und außer sich vor Zorn stürmten sie auf ihn und Kai zu, die Hände geballt, die Gesichter verzerrt. Fäuste begannen von allen Seiten auf sie einzudreschen, doch die meisten waren leicht vorherzusehen und so wichen sie ihnen ohne Mühen aus. Nur wenige ließen sie durch, nur die, die nicht schmerzten oder sie ernsthaft verletzen konnten. Der fünfte, der am Boden lag, hatte sich mittlerweile aufgerappelt und mischte ebenfalls wieder mit, versuchte, einen kräftigen Schlag zu landen, doch er hatte keine Chance. Zu langsam waren seine kraftvollen Schläge. Immer und immer wieder versuchte er zu treffen, doch der Chinese war zu flink. Ärger und Frust stieg in ihm hoch und blind schlug er weiter auf ihn ein, bis er plötzlich spürte, wie sein Handgelenk gepackt und er in die Luft geschleudert wurde, er sah das asiatische Gesicht, zu einem Grinsen verzogen, an sich vorbeifliegen, dann landete er hart auf dem Boden. Die Luft wurde aus seiner Lunge gepresst. Er sah Sternchen. Wer ist dieser Kerl bloß?, fragte er sich. Außer Atem und mit brennenden Lungen stützte er sich auf einen Unterarm und blickte röchelnd hoch. Rei bewegte sich blitzschnell zwischen den anderen, es brauchte eine ordentliche Portion Aufmerksamkeit um ihm folgen zu können, doch dann sah er, wie er die Schläge mit einfachen Bewegungen einfach umleitete. Er nutzte die Kraft der anderen, verwandelte sie in Geschwindigkeit und nutzte sie zu seinem Vorteil. Sein Blick switchte zu Kai. Er war komplett anders. Er blockte ab, schlug direkt mit geballter Kraft zurück. Er kämpfte den schlichten, rüden Straßenkampf. Und doch kamen sie auch gegen ihn nicht an. Rückzug. Wenn sie nicht noch mehr aufs Maul bekommen wollten, mussten sie sich ihre Unterlegenheit eingestehen. Er war nicht blöd. Er hatte Bock gehabt, jemanden zu verprügeln, nicht verprügelt zu werden. Schon zum zweiten Mal in den letzten paar Minuten rappelte er sich auf und rief den anderen etwas zu. Dann suchte er das Weite. „He!“ Verwirrt grapschte Kai nach dem Pullover des einen, den er gerade anvisiert hatte. Doch er entwischte ihm, so eilig hatte er es, abzuhauen. „Du verfickter Schisser! Kommt zurück!“, brüllte er. Verärgert blieb er an Ort und Stelle stehen und fluchte laut. Dann flatterte sein Blick zu Rei. Er schob sich die Ärmel über die Ellbogen und folgte ihnen mit großen Schritten, sein Gesicht wutverzerrt. Kai überlegte nicht. Hastig sprintete er ihm nach, packte ihn an der Schulter, riss ihn herum. „Lass mich!“, knurrte Rei und schlug seine Hand weg. Seine Augen funkelten gefährlich. „Der Wichser hat mich Schwuchtel genannt.“ Es kostete Kai einiges an Kraft, Rei aufzuhalten. Er tobte und riss sich aus seinem festen Griff, die Zähne gefletscht. Als er ihn ansah, lag ein trotziger, betrunkener Schimmer in seinen Augen. Ehe sich Kai versah, hatte sich Rei umgedreht. Er erwischte gerade noch seinen Zopf, an dem er ihn zurückhielt. „Au, lass los du Arsch!“ Doch Kai dachte nicht daran. Er zog an Reis Haaren und als der genervt versuchte, ihm eine zu boxen, packte er ihn am Handgelenk. „Komm runter, Mann!“, zischte er. Rei grummelte und versuchte, Kais Hand von seinem Handgelenk zu schälen, doch der Griff war einfach zu fest. „Kai, lass los, du nervst!“ Es war eine unüberlegte Handlung, als er Kai wegstieß. Kai machte zwar einen Schritt zurück, doch er ließ nicht los. Rei stolperte nach vorne und fand sich ganz nah an Kais Gesicht wieder. Eigentlich hätte er das ja kommen sehen können. Mit den Augen zu Schlitzen verengt, funkelte er ihn an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst“, knurrte er. „Ich hab jetzt echt grad keinen Bock auf deine Spielchen. Lass mich in Ruhe!“ Mit aller Kraft riss er sich los und drehte sich einmal um die eigene Achse, holte mit dem Fuß aus. Doch Kai duckte sich und hechtete nach vorne. Reis Fuß sauste über seinem Kopf hinweg. Zu Kais Glück hatte seine Geschwindigkeit wegen des Alkohols eingebüßt. Nicht viel, doch Kai war nun schnell genug, um eine Hand in Reis Kniekehle zu legen und dann dicht vor ihm aufzutauchen. Rei fühlte, wie ihm der Boden unter dem Fuß weggerissen wurde und er nach hinten kippte. Da hob Kai den anderen Arm und Reis Bein hakte an seiner Schulter ein. Ehe er sich versah, machte Kai ein paar Schritte nach vorne und Rei wurde hart gegen die kalte Ziegelsteinmauer gepresst, seine Beine gezwungenermaßen um Kai geschlungen, der sich an ihn drückte und mit seinem Gesicht gefährlich nah an Reis heran kam. Er konnte seinen Atem spüren, der heiß über seine abgekühlte Haut strich. Und seine roten Augen bohrten sich tief in seine. Reis Puls ging ungewollt schneller. Nur zu gut erinnerte er sich an die letzten Male, als sie alleine gewesen waren. An die Anspannung, die zwischen ihnen lag. Das Knistern. Ihm stockte der Atem, als er etwas Hartes spürte, das gegen seinen Hintern drückte. Hitze stieg in ihm auf, die durch den Alkohol noch geschürt wurde, und vernebelte seinen Verstand. „Kai, du Bastard, lass los!“, knurrte Rei und versuchte, Kai irgendwie von sich weg zu schieben. Das durfte einfach nicht sein. Doch er hatte keine Chance. Kai presste ihn mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die Mauer. Seine Haut war heiß und die Muskeln angespannt. Und dann diese Erektion, die sich in seinen Schritt presste und ihm seinen letzten klaren Gedanken aus dem Kopf fegte. „Fick dich Kai“, fluchte Rei durch die Zähne gepresst, doch es klang nicht ganz so zischend, wie er es geplant hatte. „Oh nein“, erwiderte Kai grinsend und raunte in Reis Ohr, „heute ficke ich dich.“ „Lass uns verschwinden“, flüsterte Rei und trat einen Schritt zurück. Kai kippte sich den letzten Schluck Whiskey in den Rachen, bevor er aufstand und Rei stumm folgte. Hindurch durch die Menschenmenge, die sich dicht aneinandergepresst bewegte, klebrig vor Schweiß und benebelt von Alkohol. Hinaus in die kühle Frische der Nachtluft. Rei wartete nicht auf ihn. Er lief geradewegs auf seine Maschine zu, entriegelte die Sicherung, mit welcher der Helm am Motorrad befestigt war und zog ihn sich über den Kopf. Kai beobachtete, wie Rei sich auf die schwarze Maschine schwang und sich dabei seine Lederhose um seinen Hintern spannte. Ein schelmisches Grinsen zog seinen Mundwinkel nach oben und er klaubte den Schlüssel aus der Hosentasche, um seinen Wagen aufzuschließen. Das laute Dröhnen von Reis Motorrad drang an seine Ohren und er sah, wie Rei wie ein schwarzes Raubtier in die Nacht davonschoss. Er drehte den Schlüssel und startete. Leise schnurrte der V8-Motor unter ihm, während er Rei über die von Laternen beleuchteten Straßen folgte. Kai hatte keine Ahnung, wo Rei ihn hinführte. Erst als sie die Stadt hinter sich ließen und die geschwungenen kurvenreichen Straßen folgten, die in die Hügel hinaufführten, ahnte er, was sein Ziel war. Seine Ahnung bestätigte sich, als sie von der geteerten Straße abbogen und auf Gras hielten. Hier waren sie vor kurzer Zeit gewesen. Doch da hatte Kai sie hierher geführt. Mit einer Absicht und einem Resultat, an die er nicht gerne zurückdachte. Kai spürte ein schwaches Rucken durch den Wagen zucken und stieg aus. Es war schwärzeste Nacht. Kein Mond stand am Himmel und einige Wolken verdeckten das Leuchten der Sterne. Rei war schwer auszumachen in der Dunkelheit. Die schwarzen Haare und das schwarze Leder, das seinen Körper umhüllte, schmiegten ihn perfekt in die samtige Nacht. Und wie er so reglos an der Motorhaube seines Mustangs lehnte, war er beinahe unsichtbar. „Wie geht es Otori?“, fragte Rei und blickte ihn von der Seite her an. Mit verschränkten Armen lehnte sich Kai neben ihn. „Er hat’s überlebt.“ Rei lächelte und schaute gen Himmel. „Das freut mich.“ Sie schwiegen sich an, während Rei die Sterne und Kai die Lichter der Stadt zu ihren Füssen betrachteten. Die Stille war angenehm. Und doch lag etwas zwischen ihnen, eine Anspannung, die Kai nicht richtig deuten konnte. „Meine Leute sind immer noch sauer auf dich“, sagte Kai plötzlich, die Stimme ruhig und gedämpft. „Sie verstehen nicht, warum ich ihnen verboten habe, Waffen bei sich zu tragen.“ Rei seufzte und nickte, auch wenn Kai es nicht sehen konnte. Bei ihnen war die Stimmung seither auf einem Tiefpunkt. Als Rei in dieser Nacht nicht zurückgekommen war, waren sie fast durchgedreht. Doch sie hatten ja nicht einmal gewusst, wo Kai mit ihm hingefahren war. Sie hätten nichts tun können. Und so warteten sie, auf glühenden Kohlen sitzend, bis Rei am nächsten Nachmittag angeschlichen kam, humpelnd und total fertig. Mao hatte geweint und ihn unter Tränen sofort ins Bett geschickt. Sie war mit den Nerven komplett am Ende gewesen. “Tu das nie, nie wieder, hörst du?“, hatte sie gesagt, die Stimme zittrig vor Wut, Angst und Erleichterung. In dieser Situation hätten seine Leute weiß Gott was mit ihren Feinden angerichtet. „Das Waffenverbot kommt nicht gut an“, schmunzelte Rei. Kai schnaubte. „Ihr wärt bereits alle tot“, erwiderte er und schief grinsend wandte auch er seinen Blick Rei zu. „Träum weiter!“, knurrte Rei spöttelnd und stieß ihm den Ellbogen in die Seite. „Wir wissen uns durchaus zu wehren.“ „Bei dir als Anführer wundert mich das auch gar nicht. Du kannst echt eine verfickt hartnäckige Kratzbürste sein.“ „Ach, und dabei stehst du doch so drauf, wenn ich dir den Rücken zerkratze“, flüsterte Rei mit dunkler Stimme und lehnte sich näher zu Kai. „Mmmh“, summte Kai und sein rechter Mundwinkel zuckte nach oben, „fast so, wie wenn du dein Stöhnen nicht zurückhalten kannst.“ Rei drehte sich zur Seite und streifte mit seinen Lippen Kais Kiefer. „So hart wie du mich fickst, wie soll ich mich da zurückhalten können?“, raunte er in sein Ohr. Er spürte, wie Kais Körper sich anspannte. Amüsiert grinste er. „Du magst es hart, Rei.“ „Mhm.“ Er schob sich von der Motorhaube weg und drehte sich vor Kai. Mit einem frechen Grinsen räkelte er sich an den Körper vor ihm. „Oh ja“, hauchte er in Kais Ohr. „Ich steh drauf, wenn du mich mit deinem Schwanz so richtig hart fickst.“ Rei betonte jedes einzelne Wort mit Nachdruck. Kais Atem stockte und er musste schlucken, um nicht wie ein wildes Tier über Rei herzufallen. Immerhin hatten sie sich eine Weile nicht mehr gesehen und in ihm staute sich eine Menge Energie. Dazu kam, dass Rei seinen Körper einfach perfekt einzusetzen wusste. Mit beiden Händen packte er Reis in Leder gehüllten Hintern und zog ihn mit einem Ruck an sich. Ihre Beine schoben sich ineinander und Kai fuhr mit einer Hand von hinten zwischen Reis Schenkel, um seine Hüfte an seinen eigenen Unterleib zu pressen, was Rei ein entzücktes Raunen entlockte. „Du Bastard hast deinen Körper einfach zu gut im Griff“, knurrte Kai, als Rei sich einmal kurz und lasziv an ihm räkelte. Ein süffisantes Grinsen zogen seine Mundwinkel nach oben. „Das kommt vom Kampfsport. Und meiner eisernen Disziplin, von der du dir eine Scheibe abschneiden könntest“, bemerkte er, als er eine Hand zwischen sie schob und über Kais Schritt strich. Eine deutliche Beule hob sich unter der Jeans. „Ich kann jederzeit aufhören“, bluffte Kai. „Sagte der Süchtige.“ „Scheiße ja, ich bin verdammt nochmal süchtig nach dir“, raunte Kai und krallte eine Hand in Reis Haare, um ihn bestimmend an sich zu ziehen. Hart presste er seinen Mund auf Reis. Mist, dachte er, als Rei ohne zu zögern darauf einging und mit ihm nun um die Oberhand kämpfte. Warum nur konnte er die Finger nicht von ihm lassen? Er war doch sonst nicht der Typ, der gegen seine eigenen Regeln verstieß. Aber es war Rei, den er hier an sich presste. Rei, mit dem er in einen heißen, kämpferisch verspielten Kuss verwickelt war. Rei, der ihm jegliche Sinne raubte. Er hatte ihm noch nie widerstehen können. Nicht, seit er ihn das erste Mal nach Jahren wieder in dieser Bar gesehen hatte. Mist, dachte er sich erneut. Abrupt stieß Rei ihn plötzlich von sich und hielt ihm eine Hand vor den Mund. Mit einem Finger an den Lippen veranlasste er ihm, ruhig zu sein, während er aufmerksam in die Dunkelheit starrte, die Ohren gespitzt. „Ein Auto“, zischte er und stellte sich so vor Kai, dass er über seine Schulter hinweg die Kurve beobachten konnte. Kai rührte sich nicht. Falls tatsächlich jemand aus einem ihrer Clans hier vorbei fahren und sie bemerkten würde, waren sie geliefert. Es musste zwar ein verdammt großer Zufall sein, denn die meisten verließen die Stadt so gut wie nie, aber es gab natürlich auch einige, die regen Kontakt nach außen pflegten. Sollte ausgerechnet heute so jemand unterwegs sein? Kai fluchte innerlich, dass er daran nicht gedacht hatte. Er hörte den dunkel dröhnenden Motor, kurz bevor gleißendes Licht die Straße nach der engen Kurve erhellte. Kai hielt den Atem an und zwang sich, weiterhin geradeaus zu schauen. Das Scheinwerferlicht blendete ihre an die Dunkelheit gewöhnte Augen, als das Auto an ihnen vorbei fuhr. Kai wollte schon beruhigt ausatmen, als er hörte, wie es jäh abbremste und zurückfuhr. „Shit!“, stieß Rei fluchend aus und duckte sich rasch hinter die Motorhaube. Kai schluckte und fasste sich am Riemen. Jetzt war Beherrschung gefragt. Erst als er die Schritte über vereinzelte Steine knirschen hörte, drehte er sich um. Seine Augen hatten sich noch nicht wieder an die plötzliche Dunkelheit gewöhnt, nachdem die Scheinwerfer ausgemacht wurden und so erkannte er lediglich eine schwarze Silhouette. Breit und groß. „Kai!“, sagte sie mit tiefer, rauer Stimme und blieb neben ihm stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. „Boris“, knurrte Kai und stieß sich von der Motorhaube ab, um ihm gegenüberzustehen. *-*-*-*-*-* aah Leute, so lange ist es her, es tut mir leid! Und das ausgerechnet an einer so fiesen Stelle! Und in diesem Kapitel ist es auch nicht gerade besser! hahah Dafür ist das Kapitel etwas länger ;) Naja, falls tatsächlich noch jemand hier sein sollte, dann würde ich mich riesig über ein Feedback freuen! In dem Sinne: *euch alle drück* Kapitel 9: Leave Me! -------------------- „Fuck“, formten Reis Lippen zu einem lautlosen Wort, als er sich tiefer unter die Motorhaube duckte. Wie konnte er nur so dumm sein? Wie konnten sie nur so dumm sein? Zwei Feinde, die sich regelmäßig trafen war schon dämlich genug, aber was hatten sie sich nur dabei gedacht, dies unter freiem Himmel zu tun? Und dass sie dann ausgerechnet Boris begegneten. Er würde keinen Wimpernschlag vergeuden, bevor er ihn eigenhändig umbrachte. Der Wagen ruckelte, als Kai sich von der Motorhaube abstieß und mit vor der Brust verschränkten Armen vor den ehemaligen Clanführer trat. „Was willst du, Boris?“, knurrte er und blickte ihm abschätzig entgegen. Aus Boris Mund kam etwas wie ein Grunzen. Er spuckte auf den Boden und baute sich vor ihm auf. „Ich hab mich nur gewundert, warum der Karren unseres neuen ach so tollen Anführers um diese Uhrzeit an einem abgelegenen Ort wie diesem herumsteht.“ Boris gab sich keine Mühe, seine Verachtung ihm gegenüber zu verbergen. Er hasste ihn abgrundtief. „Ich denke nach“, antwortete Kai brüsk. „Hier draußen?“, hakte Boris jedoch nach und beäugte ihn skeptisch. „Das geht dich nichts an, Boris. Verschwinde.“ Der ehemalige Anführer lachte laut los. Spucke spritzte aus seinem Mund. „Ach Kai, kleiner Junge, ich habe gehört, dass du einige Probleme hast. Schießereien mit dem Pussyclan, einer deiner Jungs wurde schwer verwundet, nicht wahr?“ Mit einem schadenfreudigen Grinsen näherte er sich Kais Gesicht. „Warum schießt ihr nicht einfach alle über den Haufen?“ Etwas schnitt Rei die Luft ab. Vielleicht war es der deutliche Hass in Boris’ Stimme, vielleicht aber auch die klare Ansage hinter seinen Worten, dass Kai und er eigentlich Feinde zu sein hatten. Sie sollten sich hassen, sich verachten, nach ihrem Blut lechzen. Rei schloss die Augen und atmete tief durch. Was tat er hier eigentlich? Wieso tat er das? Er und Kai. Das war doch nahezu schon lächerlich. Nichts verband sie, absolut gar nichts. Sie hatten Sex, von Zeit zu Zeit. Und den konnten sie sich eigentlich genauso gut woanders holen. Aber ansonsten? Sie hatten nur selbstsüchtig alles aus den Fugen gebracht. War es nicht besser, wenn... Doch plötzlich drängte sich ein komplett anderer Gedanke in den Vordergrund. Sein Motorrad! Es stand noch immer da! Mit heftigem Herzpochen drehte er den Kopf. Boris’ Schuhe zeigten in die andere Richtung. Aber war es möglich, dass er es bereits gesehen und deshalb angehalten hatte? „Verschwinde, Boris“, zischte Kai und seine Augen verengten sich bedrohlich zu funkensprühenden Schlitzen. „Ich bin nicht du.“ „Pass auf, mit wem du dich anlegst, Bürschchen! Oder willst du etwa, dass die anderen dein kleines Geheimnis erfahren?“ Für einen Augenblick stockte etwas in Kai, doch seine Mine blieb eisern. Wusste er es etwa? Wie viel wusste er? „Was auch immer, Boris. Und jetzt verpisst dich.“ Kai drehte ihm den Rücken zu und entfernte sich einen Schritt, um in die Ferne zu sehen. Es war immer noch stockdunkel, doch die Sterne und die Lichter der Stadt legten einen gold-silbernen Umhang auf die Silhouetten von Bäumen und Grashalmen. „Ich werde dich im Auge behalten Bürschchen! Keinen Schritt wirst du tun, ohne dass ich davon weiß.“ Mit einem schäbigen, drohenden Lachen schritt Boris zu seinem Wagen zurück und stieg ein. Die Schweinwerfer überfluteten den Rasen mit grellem Licht und ließen die Sterne verblassen. Heulend zerschnitt der Motor die Stille, als der Wagen rückwärts fuhr. Kai schloss die Augen, bis das Dröhnen weit entfernt endlich verstummte. Rei rührte sich nicht. Er lag unter dem Wagen und starrte an die schwarze Unterseite. Was sollte er nur tun? Kai und er. Das machte überhaupt keinen Sinn. Über kurz oder lang würde es sie nur ins Verderben stürzen. Er konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, als er sich mit steifen Gliedern unter dem Auto hervorrollte. Lautlos erhob er sich, zog seine Klamotten zurecht. Stellte sich neben Kai, ohne ihn anzusehen. Die Worte, die er gleich sprechen wollte, steckten ihm wie ein dicker Kloss im Hals. Aber ihm blieb keine andere Wahl. „Lass uns das hier beenden, Kai. Es macht keinen Sinn. Hat es noch nie. Wird es nie.“ Kai sagte nichts. Er blickte ihn auch nicht an, machte keinen Wank. Rei hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Und doch hatte er sich still erhofft, dass er ihm widersprechen würde. Wie gerne wüsste er jetzt, was in Kai vor sich ging. Er seufzte leise und wandte sich ab. Was sollte er auch noch länger bleiben? Sie hatten sich nichts mehr zu sagen. Gerade hatte er einen Schritt gemacht, als Kais Hand sich um seinen Arm schloss. Rei zögerte. Er wusste, dass er weitergehen musste. Jetzt Kai in die Augen zu sehen... Nein, fasste er den endgültigen Entschluss. Nein, es war vorbei. Zu Kais und seinem eigenen Wohl. Und vor allem zum Wohle seines Clans. Er drehte sich um und blickte Kai entschlossen in die Augen. Er kannte Kai lange genug, um so etwas wie Enttäuschung in seinen Augen glitzern zu sehen. „Du hast Boris gehört. Er wird dich auf Schritt und Tritt verfolgen, dir hinterherspionieren. Das Risiko ist zu groß, Kai.“ Kai presste die Luft durch die Zähne und ließ Reis Arm los. „Du hast recht“, raunte er und wand den Blick nun ab, den Mund zu einem ironischen Grinsen verzogen. „Außerdem werden wir wohl den Waffenstillstand auflösen müssen, um glaubwürdig zu erscheinen.“ Rei biss sich auf die Unterlippe. „Ja... ja, das werden wir müssen.“ Sein Blick ruhte auf Kai, wie er mit verschränkten Armen an der Kühlerhaube seines Wagens lehnte und in den Horizont starrte, und ein letztes Mal gab er seinem Verlangen nach. Er beugte sich nach vorne, krallte die Hände in seine Jacke und zog ihn an sich, presste seine Lippen auf Kais. Er wusste, dass er das hätte sein lassen müssen, aber irgendwie konnte er einfach nicht widerstehen. Ein bittersüßer Abschied, so wie ihre Beziehung es war. Dann ging er, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen, schwang sich auf sein Motorrad, streifte sich den Helm über den Kopf und fuhr davon, mit nichts außer Kais Geschmack auf den Lippen. * Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze streifte er durch die dreckigen Gassen des Untergrunds. Schwarzhändler, Drogendealer, gesuchte Verbrecher und anderes Gesindel trieben hier ihr Unwesen, streckten ihre verseuchten Hände nach ihm aus, um ihm etwas anzudrehen oder ihn zu beklauen. Doch er spürte die Blicke seiner Komplizen im Rücken und die Pistolen unter seiner Jacke, was ihm ein gewisses Maß an Sicherheit vermittelte. Im Abstand von mehreren Metern schlichen sie in Richtung des Hauses, das sie das letzte Mal inspiziert hatten. Es waren viele Wochen vergangen, seit dem Schusswechsel mit dem anderen Clan, doch sie alle erinnerten sich daran, als wäre es gestern gewesen. Rei spürte die Narbe an seinem Bein kribbeln. Unschöner Zwischenfall. Und er hoffte inständig, dass sie Kai und seinem Clan von tollwütigen Idioten nicht über den Weg laufen würden. Einmal hatte absolut gereicht. Aber die letzten Tage, während denen sie herumschlichen und nach Informationen suchten, hatten sie nichts von ihnen mitbekommen. „Pst“, zischte es von der Seite und er blickte zu Mystel, der kaum merklich mit dem Kopf in eine Seitengasse nickte. Rei folgte seinem Zeichen und entdeckte eine Frau, die mit strammen Schritten durch die dunkle Gasse stapfte. Sie war auffällig gut gekleidet, absolut unpassend für diesen Teil der Stadt, der Anzug schien ihr auf den Leib geschneidert worden zu sein, sie trug hohe Schuhe, und Sonnenbrille und Kopftuch verhüllten ihr Gesicht fast komplett. Doch es war eindeutig. Es war die gleiche Frau, die damals im Haus gewesen war. Sie gehörte zum Händlerring. Hastig schlüpfte Rei in den Schatten und tat so, als würde er sich etwas anschauen, nur um ihr dann in sicherem Abstand zu folgen, stets darauf bedacht, das Gesicht unter der Kapuze verborgen zu halten. Mit geheimen Fingerzeichen gab er den anderen zu verstehen, dass sie in großem Abstand hinterherkommen sollten. In jeder Nische versteckte er sich, um ihr hinterher zu blicken und ihr Verhalten zu beobachten. Sie war zielstrebig unterwegs, wusste offenbar genau, wohin sie wollte. Die kleine Handtasche hielt sie fest umklammert in einer Hand und Rei vermutete, dass sich darin eine Pistole befand, die sie sofort zücken konnte, falls nötig. Ein kurzer Griff an ihr Ohr ließ ihn ein In-Ear-Headset erahnen, das er aber wegen dem Kopftuch nicht erkennen konnte. Sie mussten aber vorsichtig sein, da sie wahrscheinlich mit ihren beiden männlichen Komplizen in Verbindung stand. Bei der nächsten Möglichkeit, die sich bot, kletterte Rei auf die Dächer der Häuser, um sie so weiter zu verfolgen. „Wo will sie hin?“, hörte er in seinem linken Ohr. „Ich weiß nicht, das Lagerhaus liegt in einer anderen Richtung. Warte! Da sind die beiden Kerle! Sie steigen in ein Auto. Mercedes, schwarz, mit getönten Scheiben. Verfolgung aufnehmen“, flüsterte Rei in sein Headset. Hin und wieder verloren sie das Auto beinahe aus dem Blickfeld, doch sie waren so weit verstreut unterwegs, dass es immer jemand wieder entdeckte. Über Dächer und durch Gassen schleichend, verfolgten sie den Mercedes und die 3 Insassen, die sie für Menschenhändler hielten. „Sie fahren in Richtung Hafen, auf den Stadtrand zu“, verkündete Mao durch das Headset und Rei tauschte einen vielsagenden Blick mit Mystel, der aufgeholt hatte und nun dicht neben im über die Dächer huschte. „Ist das nicht ein bisschen offensichtlich?“, flüsterte Mystel und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Handelsschiffe, Hafen... Wenn sie wirklich mit Menschen handeln, würden sie diese dann nicht an einem Ort holen, der nicht ganz so... für Handelsübergaben bekannt ist?“ „Vielleicht“, knurrte Rei, „vielleicht auch nicht. Was wissen wir schon, was in den Köpfen solcher Bastarde vor sich geht.“ Mystel nickte. Ja, was wussten sie schon. Wenn man es genau nahm, wussten sie gar nichts. Auch nicht, ob es sich bei diesen drei Personen tatsächlich um Menschenhändler handelte. Sie folgten den Hinweisen in ihren Ohren, bis sie am Hafen auf dem Dach eines der Lagerhäuser in Deckung gingen und hinunter spähten. Der Mercedes hielt und alle drei stiegen aus. Ein Mann mit Mütze kam auf sie zu und schüttelte ihnen der Reihe nach die Hände, zeigte dann auf den nahestehenden Lieferwagen, der bereits von seinen Männern mit großen Holzkisten beladen wurde. „Passen Menschen in diese Kisten?“, fragte Rei flüsternd. „Kleine Menschen, Kinder vielleicht“, mutmaßte Mystel und verzog das Gesicht vor Ekel. Sie konnten sein Gesicht nicht erkennen, aber er war ein großer, braungebrannter Muskelberg. Die Frau machte sich ein paar Notizen auf ihren Block, den sie aus ihrer Tasche geholt hatte. Normalerweise wurden bei einem Handel Papiere getauscht, ein Sicherheitsblick wurde in eine Kiste geworfen, um zu überprüfen, ob die Ware oberflächlich in Ordnung war. Doch nichts. Einer der beiden Männer stieg bereits in den Lieferwagen und die Frau setzte sich auf den Beifahrersitz. Der andere Mann ging zurück zum Auto. Der Händler fasste sich kurz an den Schirm seiner Mütze und drehte sich dann zu seinem Schiff um, bellte seinen Männern irgendetwas zu. Doch Rei und Mystel waren bereits verschwunden. Auf dem schnellstmöglichen Weg quer über die Dächer machten sie sich auf den Weg zum Haus. In ihren Ohren hörten sie die anderen, die sich an verschiedenen Punkten auf dem Weg zu Haus befanden und ihnen stets die aktuelle Position des Wagens mitteilten. Als Rei und Mystel endlich auf das Dach gegenüber sprangen, verschwand der Lieferwagen gerade hinter dem unscheinbaren Garagentor. Skeptisch sahen sie sich an. Die Erinnerungen an das letzte Mal, als sie hier gewesen waren, brannten ihnen im Hinterkopf. „Hinterher?“, hörte Rei Mystel neben ihm flüstern. Rei Nickte. Ja, hinterher. Sie mussten herausfinden, was in diesem Lieferwagen transportiert wurde. Vorsichtig drückten sie sich an die Wand neben dem Garagentor. Doch sie fanden nirgendwo ein Schlüsselloch oder etwas dergleichen, mit dem sie das Tor öffnen konnten. „Kenny, kannst du dich irgendwie einhacken und das Tor öffnen?“, fragte Rei mürrisch und schaute gleichzeitig ungeduldig auf die Straße. Es könnte jeder Zeit jemand vorbeikommen und das beunruhigte ihn. Sie waren schon viel zu lange hinter dem Lieferwagen her. Je kürzer, desto besser. „Ich versuche gerade, mich in das System einzuschleusen. Moment, gleich hab ich’s.“ „Rei, ist es wirklich schlau, da rein zu gehen, wenn die noch drin sind? Diese Leute sind gemeingefährlich und wahrscheinlich werden sie keine Sekunde zögern, um auf uns zu schießen!“ Rei atmete schwer die Luft aus. Mao hatte Recht. Verdammt. Er wollte doch endlich, dass sie Fortschritte machten! Aber wo waren sie? Was hatten sie schon herausgefunden? Nichts! Rein gar nichts, außer, dass dieses verfickte Gebäude leer stand und die drei offenbar etwas in diesen Holzkisten schmuggelten! Was, wenn genau in diesem Moment irgendwelche armen Seelen in diesen Kisten hockten und sie ihnen wahrscheinlich hätten helfen können? „Scheiße, verdammt!“, knurrte Rei, die Hände zu Fäusten geballt. „Rückzug. Wir schauen ein anderes Mal.“ Doch noch in derselben Nacht schlich sich Rei zurück. Vom Dach aus beobachtete er das Garagentor und das leere Gebäude auf Tätigkeiten. Es rührte sich nichts und er hatte auch keine große Hoffnung, dass sich in dieser Nacht überhaupt etwas rühren würde, und doch hatte er aus irgendeinem Grund das Bedürfnis, dieses blöde Garagentor zu beobachten. Er seufzte leise, als er hinter sich eine Bewegung wahrnahm. Er drehte sich um und spähte durch die Dunkelheit, doch er sah nichts. Argwöhnisch verengte er die Augen zu Schlitzen, seine Hand lag auf seiner Pistole. Ein Rascheln zu seiner Linken ließ ihn herumfahren und ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er die Waffe entsichert und in die Dunkelheit gerichtet. Er atmete langsam ein und wieder aus, sein Hand war total ruhig, als er ein leises Schnauben vernahm. „Schon mal was von die Neugier ist der Katze Tod gehört?“ Der Stahl einer Pistole blitzte in der Dunkelheit auf und ein in Schwarz gehüllter Mann trat hinter der Ecke hervor. „Yuriy“, knurrte Rei und zog seine Augenbrauen zusammen. „Rei“, grüßte der Rotschopf hämisch zurück. „Sieh an, die Mieze läuft zur Abwechslung mal bewaffnet rum. Schicke Beretta.“ „Hm, ich wusste, dass sie dir gefallen würde. Ihr seid hoffentlich nicht sauer, dass wir euch das kleine Geschäft vermasselt haben“, erwiderte Rei im Plauderton, ohne jedoch die Waffe einen Millimeter zu bewegen. „War eine hübsche Ladung.“ Yuriy blickte ihn nur unentwegt aus seinen stählernen Augen an. „Was soll ich jetzt nur mit dir machen, Mieze?“, schnaufte er und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. „Abschießen ist nicht, wir wissen beide, dass auch du schneller abdrückst als du fauchen kannst. Allerdings ich hab grad keine Lust auf eine Schusswunde.“ Reis Mundwinkel zogen sich hämisch nach oben. „Keine Sorge, Yuriy, ich hab besseres zu tun, als deine Leiche verschwinden zu lassen.“ „Autsch!“, grinste der Rotschopf. Er hatte sowieso nicht vorgehabt, auf Rei zu schießen. Kai hätte ihn wahrscheinlich gelyncht. Er wusste nicht genau wieso, aber irgendetwas schien seinem Anführer und Freund an dieser schwarzhaarigen Miezekatze zu liegen. Und das kam schließlich selten genug vor. Warum es aber ausgerechnet ihr größter Feind sein musste, blieb selbst dem schlauen Kopf Yuriys ein Rätsel. Schnaufend verdrehte er die Augen. „Nimm schon die Knarre runter“, deutete er mit einem Schwenker seiner Clock. Reis Mundwinkel hörte nicht auf zu zucken, doch dann sicherte er seine Beretta und ließ sie in ihre Halterung zurückgleiten. „Ich habe auch noch ein Messer, weißt du“, erinnerte er den Rotschopf schelmisch. „Und deine Krallen“, schnaubte Yuriy. Rei wollte gerade weitersticheln, als sie von unten ein Geräusch hörten. Yuriy duckte sich rasch hinter die kleine Dachmauer, die Clock gezückt. „Das Tor öffnet sich“, flüsterte Rei. Der Gedanke, was hinter dem Tor sein könnte, gruselte ihn bereits, doch wenn er daran dachte, dass Yuriy, sein Feind, direkt neben ihm auf dem Boden kauerte, schauderte es ihn. Schließlich könnte er ihm jederzeit in den Rücken schießen. Es war verrückt. Doch er blickte Yuriy an und musterte ihn eindringlich. „Waffenstillstand.“ Yuriys Blick wanderte von Reis ausgestreckter Hand zu seinen Augen. Er zögerte, suchte im ihnen nach etwas Verräterischem, doch er fand es nicht. Kaum merklich nickend schlug er ein. Unter ihnen fuhr ein schwarzer Lieferwagen aus der Garage. „Na dann, auf geht’s“, schnaufte Rei und sprang hinunter, um vom Schatten geschützt in die Garage zu schleichen. Yuriy verdrehte die Augen, doch dann folgte er dem Anführer seines verfeindeten Clans in die Dunkelheit. ***** Endlich endlich habe ich weitergeschrieben! Habt ihr das erwartet? Irgendwie kommt plötzlich alles anders, als gedacht, oder? Was haltet ihr von der Rei-Yuriy-Kombi? ^^ Daanke noch für all die tollen, tollen Kommentare zum letzten Kapitel, ihr seid so toll! Fühlt euch alle gedrückt! Euer Bonbon Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)