Finera - Dawn of the Dark von Kalliope ================================================================================ Kapitel 34: Mäh! ---------------- 21. November - Summer - „Ach du meine Güte!“ Die alte Dame aus dem Hofladen, die sich mittlerweile als Clarissa vorgestellt hatte, seufzte in den Telefonhörer hinein. „Gut, dann wissen wir Bescheid. Vielen Dank für den Anruf, Officer Rocky.“ Das braunhaarige Mädchen vom Vorabend legte ein Buch über Zuchtattacken zur Seite und runzelte die Stirn. Sie hieß Sophie, war eine noch junge und weitgehend unerfahrene Pokémonzüchterin und trainierte meistens auf Route 12, weil sie die Meeresluft mochte und ihrem Schwarm Joren, der in der Nähe wohnte und gerne auf der Farm aushalf, nahe sein wollte. Zumindest hatte Summer das während des Abendessens am Vortag aus ihr herausbekommen. Jetzt nahm Sophie einen Schluck von ihrem Kaffee und schaute Clarissa mit großen Augen an. „Und?“ „Ich fürchte, dass sich deine Vermutungen bestätigt haben.“ Mit einem entschuldigenden Lächeln trat Clarissa näher an den Esstisch im Aufenthaltsraum heran. „Der Regen war vergangene Nacht so stark, dass er Schlammlawinen auf Route 12 zwischen unserer Farm und Tempera City ausgelöst hat. Laut Officer Rocky ist der Boden an vielen Stellen vollkommen durchweicht, was eine Weiterreise zu gefährlich macht. Die Route ist von beiden Seiten gesperrt worden und wird erst wieder freigegeben, wenn die Straßen wieder geräumt und befestigt worden sind – was schätzungsweise drei bis vier Tage in Anspruch nehmen wird.“ Summer verschluckte sich beinahe an ihrem heißen Kakao, als sie diese Hiobsbotschaft vernahm. „Also sitzen wir hier fest? Und wenn wir einfach auf eigene Faust losgehen?“ Clarissa schüttelte sachte den Kopf. „Das kann ich nicht verantworten. Officer Rocky hat empfohlen, dass sich alle, die ein Pokémon mit der Attacke Fliegen beherrschen, über den Luftweg nach Yantara oder Tempera City begeben sollen, der Rest von euch bleibt hier. Da es eine Ausnahmesituation ist, werde ich euch solange nichts für eure Unterbringung berechnen, aber ihr werdet meinem Mann und meinen Kindern mit der Versorgung der Mähikel helfen. Einverstanden?“ „Uns bleibt ja wohl nichts anderes übrig“, entgegnete Rocco, der ebenso wenig begeistert war wie Summer. Bryce hingegen nahm alles mit einer ihm eigenen Leichtigkeit und versuchte das Beste daraus zu machen, indem er sich nun bereits die vierte Tasse Kaffee einschenkte und in einem Zug leerte. „Junkie“, kommentierte Summer sein Verhalten und schmierte sich Tamot-Eipfel-Marmelade über das Frischkäsebrötchen, in das sie daraufhin herzhaft hineinbiss. „Die Marmelade ist echt köstlich. Ich glaube, ich könnte den halben Hofladen leerkaufen.“ „Das höre ich gerne.“ Clarissa lächelte zwar, machte aber dennoch einen besorgten Eindruck und verschwand ohne weiteres Aufsehen wieder in der Küche, aus der kurz darauf das Geklapper von Geschirr und das Rauschen des Wasserhahns ertönten. Sophie, die von ihrem Essen bisher kaum einen Bissen genommen hatte, wirkte hingegen entspannter. Wahrscheinlich störte sie sich nicht daran hier offiziell festzusitzen, während ihr Schwarm Joren aktuell mit der Hufpflege der Mähikel beschäftigt war und ihnen bei jeder Mahlzeit Gesellschaft leistete. „Ich werde einen Spaziergang machen“, kündigte sie überflüssigerweise an, nahm ihr Brötchen mit und verschwand über den Flur nach draußen. „Und ich verpisse mich. Keinen Bock hier rumzuhängen.“ Der Junge, mit dem Rocco am Vorabend Karten gespielt hatte, schnitt eine Grimasse und grinste überlegen. „Zahlt sich also doch aus, dass ich meinem Kramshef Fliegen beigebracht habe.“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich und machte den Eindruck, dass er gar nicht schnell genug von der Farm verschwinden konnte. „Und was machen wir?“, erkundigte sich Bryce nun, während er erneut zur Kaffeekanne langte und enttäuscht feststellen musste, dass sie leer war. Rocco ließ sich zu einem schiefen Lächeln hinreißen. „Ein bisschen Unterricht in Sachen Pokémonpflege kann gerade dir nicht schaden.“ „War ja klar, dass ausgerechnet du dir so einen Kommentar nicht verkneifen kannst.“ Summer aß die Reste ihres Brötchens auf, trank den Kakao aus und begab sich eine halbe Stunde später mit Bryce und Rocco zu den Stallungen. Der sintflutartige Regen hatte auch auf den Weiden der Farm seine Spuren hinterlassen. Clarissas Mann und Sohn besserten den aufgeschwemmten Holzzaun aus, während ihre Tochter die Mähikel auf die schlammige Wiese trieb. Als sie die drei Trainer näher kommen sah, winkte sie ihnen zu. „Die Mähikel brauchen das ungefilterte Sonnenlicht, um sich optimal entwickeln zu können. Deshalb lassen wir sie auch heute raus, obwohl sie knietief im Schlamm versinken. Das wird eine Arbeit, die kleinen Racker heute Nachmittag wieder sauber zu bekommen. Habt ihr zufällig ein paar Wasserpokémon?“ Summer nickte, musste aber im nächsten Augenblick ihre Zusage zurückziehen, weil ihr Jurob noch keine Wasserattacke beherrschte. „War ja klar“, murmelte Rocco genervt. „Macht nichts.“ Clarissas Tochter musste um die dreißig sein und war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, nur die grauen Haare waren bei ihr durch ein strahlendes Blond ersetzt. „Dann hat mein Octillery einfach etwas mehr zu tun.“ Gemeinsam trieben sie die letzten Mähikel aus dem Stall ins Freie. Während sich die Herde auf dem Gelände verteilte, erklärte Clarissas Tochter – sie hieß Clara – ihnen die Grundregeln der Mähikel-Pflege. Am Ende zeigte sie ihnen einige preisgekrönte Mähikel, die bereits kurz nach dem Schlüpfen oder zu späteren Zeitpunkten vom Züchterverband prämiert worden waren. „Zweimal im Jahr gibt es ein Treffen für alle Farmer in Kalos. Jeder bringt einige seiner besten Exemplare mit und die, die Preise gewinne, erzielen später höhere Preise im Verkauf und bei der Zucht. Sehr ihr das große Mähikel dort hinten? Wir haben ihn Bull’s Eye genannt und er hat sämtliche Preise gewonnen, die es gibt. Für ein Mähikel ist er ziemlich groß und kräftig, sehr ihr? Eigentlich wollten wir ihn als Zuchtbock einsetzen, aber es hat sich herausgestellt, dass er steril ist.“ Clara wirkte sichtlich enttäuscht. „Schade, er hätte uns viel Geld einbringen können. Jetzt grast er die meiste Zeit, aber wir merken, dass er nicht glücklich ist. Irgendwann wird er wohl ein neues Zuhause bekommen.“ „Bull’s Eye.“ Summer betrachtete das Mähikel, dessen kräftige Muskulatur trotz des dichten Fells gut zu erkennen war. „Wow. Ein Prachtexemplar.“ „In der Tat.“ „Was werdet ihr mit ihm machen? Wenn er steril ist, wird ihn kaum eine andere Farm oder ein Züchter haben wollen oder?“ Clara nickte. „Da er einen sehr robusten Körperbau hat, nehmen wir an, dass er früher oder später an einen Trainer abgegeben wird, der ihn weiter aufzieht. Ich glaube, dass das genau das Richtige für ihn wäre.“ Noch bevor Summer ihren Gedanken aussprechen konnte, warfen sich Rocco und Bryce gleichzeitig einen Bitte-nicht-Blick zu, doch da war es auch schon zu spät. „Ich liebäugel sowieso mit einem Mähikel, weil es später zu Chevrumm wird. Was soll Bull’s Eye denn kosten?“ Clara blinzelte überrascht, dann lachte sie. „Na so ein Zufall aber auch. Das musst du mit meiner Mutter klären, sie macht die Geschäfte.“ Summer strahlte ganz begeistert, warf dem Mähikel einen letzten Blick zu und eilte zurück zum Hofladen, in dem sie Clarissa um diese Uhrzeit vermutete. Sie wollte Bull’s Eye unbedingt haben und ehe sie sich versah, waren die nötigen Papiere unterschrieben, ein Kaufvertrag aufgesetzt und Clarissa um sämtliches Restvermögen von Summer reicher. Mit einem ihrer eigenen Pokébälle kehrte Summer zur Herde zurück und stellte sich dem kräftigen, muskulösen, absolut hinreißenden Mähikel gegenüber … das sich auf wackeligen Beinen zu ihr umdrehte und ihr im nächsten Augenblick direkt vor die Füße kotzte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)