Wenn deine Meinung nicht zählt von Kekune ================================================================================ Kapitel 3: Ausweg und Annäherungsversuche ----------------------------------------- Ausweg und Annäherungsversuche Ich konnte nicht mehr und ließ mich mit voller Wucht auf mein Bett knallen, welches unter meinem Fliegengewicht trotzdem erzitterte und sachte nachgab. Das Kissen unter meinem Gesicht war schon ganz feucht von den ganzen Tränen, die es in sich aufsaugen musste. In diesem Moment war es mir nämlich total egal, dass ich ein Mann war und Männer eben nicht weinen sollten. Ich ließ meinen Gefühlen einfach freien Lauf. Etliche Taschentuchpackungen und brennende Augen später hatte ich mich wieder ein bisschen beruhigt, doch schlafen würde ich wohl nicht mehr können. Mein Geist war einfach viel zu aufgewühlt, um zur Ruhe kommen zu können. Das letzte, was ich jetzt wollte, war Einsamkeit. Das Alleinsein machte mich wahnsinnig. Aber da meine Mutter die Tür sorgfältig verriegelt hatte, hatte ich keine Chance mich jemandem anvertrauen zu können. Doch plötzlich kam mir eine Idee und ich eilte Richtung Schreibtisch, auf dem ja immer noch mein PC stand und seelenruhig darauf wartete, dass er eingeschaltet wurde. Ich war froh, dass meine Eltern vergessen hatten, mir diesen Draht zur Außenwelt zu nehmen und so ließ ich mich, immer noch mit rasselnder Atmung vor dem Display nieder, um meinen Skypebildschirm aufzurufen. Jetzt würde ich Ninas Angebot annehmen und mit ihr über meine Probleme reden. Offen und ehrlich. Sie war eines dieser Mädchen, die den ganzen Tag online waren und für die der PC quasi die Realität darstellte, aber als ich ihren Benutzernamen anklicken wollte, erschien das kleine weiße Offline-Symbol in der oberen Ecke des Bildschirms. Es blinkte fröhlich vor sich hin, ohne nur die kleinste Veränderung zu zeigen. Konnte ein Mensch alleine so viel Pech haben und das noch an einem einzigen Tag? Ich seufzte laut, ehe mir abermals eine Träne über die Wange kullerte und ich wie ein Bündel Elend auf meinem Stuhl zusammensackte. Kurz bevor ich endgültig aufgeben konnte, schreckte mich ein Ton aus meiner Starre und veranlasste mich, dass ich den Bildschirm genauer unter die Lupe nahm. "Ronin möchte sie als Kontakt hinzufügen", zeigte mir die Inschrift direkt vor meiner Nase, neben der ein grinsendes Bild von Ronin eingeblendet wurde. "Du Arsch!", flüsterte ich leise vor mich hin und wollte gerade den "Ablehnen-Button" betätigen, als ich mir überlegte, ihn doch erst einmal zur Rede zur stellen. So öffnete ich ein Chatfenster und begann nachdenklich mit der ersten Eingabe. Finn betritt den Chat. Finn: Hallo... Ronin: Hey Finn. Schön, dass ich dich gefunden habe! Finn: ...Du weißt gar nicht, was du mir da eingebrockt hast...! Ronin: Ohje, was ist denn los mit dir? Finn: Wie kommst du auf eine so blöde Idee, mir einen Manga mit knutschenden Kerlen zu schenken. Ganz ehrlich. Meine Mutter hat den gefunden und denkt jetzt, ich wäre auch schwul. Was glaubst du, wie bei uns der Haussegen deshalb schief hängt? Ronin: Sorry, echt. Tut mir leid. Das wollte ich nicht. Wirklich. Ich dachte, das würde dir vielleicht gefallen. Finn: Falsch gedacht, Sherlock. Ich bin doch keine Schwuchtel. Ronin: *seufz* Finn: Was zur Hölle? Ronin: Ich dachte, dass du mir nochmal Nachhilfe geben könntest, ich habe da etwas noch nicht ganz so verstanden. Dann kann ich dir auch genaueres sagen und auch eventuell "zeigen", was es damit auf sich hat, ja? Finn: Keine Ahnung, ob ich das will. Ich bin mir ehrlich nicht sicher. Ronin: Bitte. Finn: Aber das geht nicht bei mir zu Hause, jetzt wo meine Eltern sicher glauben, dass du mein Freund wärst. Ronin: In der Schule vielleicht? Montag. Nach der sechsten. Raum E211, für den habe ich einen Schlüssel. Finn: Sechste Stunde ist schlecht, da habe ich noch Unterricht. Aber in der siebten könnte ich es eventuell einrichten. Ich will das so schnell wie nur möglich geklärt und aus der Welt geschafft haben. Ronin: In Ordnung. Dann in der siebten Stunde. Finn: Ja, okay, ich gehe mal schlafen. Ronin: Gute Nacht! Und träum was Schönes! Finn verlässt den Chat. Ich biss zerknirscht auf meiner Lippe herum und erblickte gerade noch das Herzchen, welches mich in einen angenehmen Schlaf leiten sollte. Hatte dieser Typ denn einen Knall? Mittlerweile war ich mir ziemlich sicher, dass er mich verarschen wollte und deshalb hatte ich vor, ihm jetzt ganz genau zu sagen, dass er mich in Ruhe lassen sollte. Persönlich. Sollte er doch lieber Nachhilfe bei Eli nehmen, der war doch sowieso überall beliebt und Mister Besserwisser Nummer Eins. Das passte doch zu unserem Schulschwarm. Die beiden würden bestimmt gute Freunde werden und konnten mich dann zusammen ausbeuten, daran würden sie sicherlich ihren Spaß haben. Langsam zog ich mich um und zog die Decke über meinen Kopf, um für heute mit der Welt abschließen zu können. Das war Aufregung genug für einen Tag. Jetzt musste ich mir eher über das Gespräch Sorgen machen, um das mich mein Vater "gebeten" hatte. Ich selbst hielt mich nicht für schwul, was wollte er also mit mir besprechen? Wollte er mich von einem hübschen Mädchen überzeugen? Ich erinnerte mich vage daran, dass er mir letztes Jahr die Tochter eines Arbeitskollegen vorgestellt hatte. Blond, schlau, weiblich. Das war alles, was er sich für mich wünschte. Etwas fürs Auge, nichts mit dem ich glücklich werden konnte. Wie ich also im Bett lag und versuchte, dass sich die letzten Stunden langsam aus meinem Verstand verzogen, kam mir eine Idee. Eine Idee, die durchaus zu gebrauchen war, um dieser dämlichen Klosterschulsache entgehen zu können. Endgültig. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief ich ein. Am nächsten Morgen wollte ich nicht aufstehen, denn ich hatte wirklich keine Lust meinem Vater unter die Augen treten zu müssen, doch ich konnte es nicht ändern. Vorsichtig drückte ich die Türklinke herunter und stellte fest, dass die Türe aufsprang. Scheinbar hatte meine Mutter aufgeschlossen. Mit einer unendlichen Langsamkeit machte ich mich fertig und griff sogar nach normalen Klamotten, um die Laune meiner Eltern besänftigen zu können. Als ich dann zwei Stunden später die Küche betrat, um eine Kleinigkeit zu essen, erwartete mein Vater mich bereits und zeigte auf einen Stuhl neben sich, auf dem ich mich niederlassen sollte. Von meiner Mutter fehlte jegliche Spur. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das nun als gut oder schlecht abstempeln sollte. "Finn.", begann mein Vater mit unserem Gespräch, während ich wieder einmal laut aufseufzte. "Ich wollte mit dir reden. Ich kann einfach nicht verstehen, was du an anderen Jungen so toll findest.", setzte er fort. "Nichts, Papa. nichts! Ich bin nicht schwul. Ich mag keine Kerle.", dachte ich unruhig vor mich hin. Nervös kaute ich auf meinem Fingernagel, der langsam ein ziemlich erbärmliches Aussehen annahm. "Es bringt doch auch nichts, wenn du es verleugnest. Sonst können wir das Problem nicht angehen. Was fasziniert dich denn an Männern? Ist es ihr Körper oder ihre Stärk?. Fühlst du dich aufgrund deiner Größe zu schmächtig und suchst deshalb nach einem Beschützer?" Frage um Frage. Ich konnte kaum noch klar denken, da mein Erziehungsberechtigter mich gehörig in die Mangel nahm. Mir kam es vor wie eine Ewigkeit, wie er da vor mir saß und mich mit seinem wütenden Blick und der verzweifelten Ausstrahlung volltextete. Es war genug. Definitiv. "Kerle haben nichts, was ich nicht auch habe.", schrie ich dann wütend und riss vor meiner Nase die Tür auf. "Finn. So war das doch gar nicht gemeint.", wollte mein Vater mir hinterherrufen, doch ich vernahm es nur noch als leises Flüstern. Jetzt musste mein Masterplan in Kraft treten. Ich konnte nur hoffen, dass Nina, das auch wirklich ernst gemeint hatte. Ohne sie war ich nun endgültig aufgeschmissen. Keuchend kam ich vor ihrer Haustür zu stehen und drückte energisch den Klingelknopf. Etwas später öffnete das schwarzhaarige Mädchen und musterte mich mit entsetztem Blick. "Finn, was machst du denn hier?" Ich lächelte sie kurz an. "Hör mal, Nina. Ich brauche deine Hilfe. So dringend wie nie zuvor. Und leider Gottes meine ich das ernst.", sagte ich laut und stand schon mit einem Bein in der Türschwelle. "Ja, klar. Beruhige dich doch erstmal. Komm rein.", entgegnete sie fragend, während sie die Tür komplett aufschob und mich in ihr Zimmer führte, welches vollkommen schwarz gestrichen war. Völlig außer Atem setzte ich mich auf ihrem Bett nieder und verschränkte die Beine übereinander. "Schieß los!", sprach sie neugierig und setzte sich bequem hin, schließlich rechnete sie mit einem längeren Gespräch. Ich erzählte alles, jedes kleine bisschen. Nicht einmal meine Erregung beim Lesen des Mangas ließ ich aus. "Bist du jetzt schwul, oder nicht?", fragte sie mich danach grinsend und versuchte irgendetwas aus meinem Gesichtsausdruck zu entnehmen. "Wenn ich das nur selbst wüsste...", war alles, was ich darauf antworten konnte. Das war die Wahrheit. Nina hatte meinen Plan verstanden und sie hatte sofort eingewilligt, ohne zu zögern. Ich war ihr so unendlich dankbar dafür. Etwas später stellten wir ihren gesamten Kleiderschrank auf den Kopf, bis ich ein zartrosanes T-Shirt mit weißer Inschrift herausgezogen hatte und dieses Teil mit einer hellen Hotpants kombinierte. "Das ist perfekt!", sagte ich glücklich und hielt ihr meine Fundstücke entgegen. Sie seufzte laut, doch schlüpfte wortlos in die ausgewählten Kleidungsstücke. Obwohl ich ihr beim Ausziehen zusah, spürte ich keine Regung in mir, was mir deutlich Angst machte. Aber ich hatte jetzt weitaus wichtigere Probleme. "Oh. Mein. Gott. Ich habe noch nie so furchtbar ausgesehen.", stieß Nina hervor, als sie sich im Spiegel betrachtete. "Ich sehe aus wie eine dieser Zimtzicken aus der Schule." Erschrocken schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen und sah mich kopfschüttelnd an. "Bist du dir ganz sicher, dass ich das in dieser Aufmachung durchziehen soll?" Meine beste Freundin maß mich mit unsicheren Blicken. Als Antwort ergriff ich ihren Arm und zog sie hinter mir her, bis wir endlich vor der Tür meiner Eltern standen. Entschlossen drückte ich die Klingel und wartete. Die Zeit kam mir endlos vor, bis endlich jemand öffnete. Mein Vater stand im Rahmen und seufzte laut. Kurz erwiderte ich seinen Blick und griff nach Ninas Schultern, die sich direkt vor mir befanden. Behutsam zog ich sie an mich und drückte ihre einen Kuss auf die Lippen. Zaghaft bloß. Ich öffnete nicht mal den Mund. Als es vorbei war, fragte ich mich, ob ich etwas hätte spüren sollen. Da war nichts, nicht einmal ein einziger Schmetterling hatte in meinem Bauch sein Unwesen getrieben. Irgendwie machte es mich auch traurig, dass dies mein allererster Kuss gewesen sein sollte. Nina dagegen war doch leicht rot geworden. Mein Vater besah mich mit fassungslosen Blicken. "Ich dachte, du seist schwul", gab er kleinlaut von sich, ehe er endgültig verstummte. "Nein, Papa, das bin ich nicht. Das ist meine Freundin und ich war bei ihr an den letzten Abenden, deshalb kam ich zu spät. Und der Manga ist von einem Freund. Hat er bei mir vergessen. Aber das erwähnte ich bereits.", erklärte ich jetzt ernst und hoffte, dass mein Vater die Lügen nicht bemerkte. Nach einer Weile verabschiedete sich Nina mit einer kräftigen Umarmung und ließ mich und meinen Vater alleine zurück. "Tut mir leid. Deine Mutter und ich waren nur etwas geschockt, nachdem wir dieses Heftchen in deinem Zimmer gefunden haben.", erwiderte dieser mit kläglicher Stimme. "Schon in Ordnung.", antwortete ich und verzog mich in mein Zimmer. Das war knapp. Sehr sogar. Montagmorgen war ich schon fast zu nervös, um laufen zu können, was mir an der Bushaltestelle einen vernichtenden Blick von Eli einbrachte, der mich sofort wieder über den Schulausflug ausquetschte. Zelten mit der ganzen Oberstufe, was war unsere Schule doch für ein Kindergarten. Sollte Eli mich doch einfach in Ruhe lassen, schließlich hatte ich ihm den Ausflug schon bezahlt. Denn Geld leihen hieß bei meinem besten Freund so viel wie Geld schenken. Manchmal war das echt ärgerlich. Aber mit meinen Gedanken war ich sowieso nur bei Ronin, der mir heute hoffentlich eine plausible Erklärung für sein Geschenk abgeben würde. Sechs Stunden voller Warten vergingen. Im Matheunterricht versagte ich heute noch kläglicher als sonst und selbst mein Deutschlehrer schaute mich mit merkwürdig verklärtem Blick an, als ich seine Frage nicht beantworten konnte. In Latein sah es nicht viel anders aus. Als ich dann in der siebten Stunden meine Materialen zusammenpackte, um ihn jetzt endlich wiederzusehen, war ich sogar seltsam erleichtert, obwohl diese Unterhaltung sicherlich nicht angenehm werden würde. "Finn, beeil dich, der Bus wartet nicht auf uns!", rief mir Eli zu und sah mich aufgebracht an. "Ich bleibe heute noch eine Stunde länger. Geh schon mal alleine.", entgegnete ich, während ich zu Boden starrte. Hinter mir hörte ich, wie sich schnelle Schritte entfernten. Jetzt war ich der letzte im Raum und packte meinen Rucksack, um E211 ansteuern zu können. Kurz vor der Tür blieb ich aber stehen und atmete tief durch, bevor ich die Klinke endgültig herunterdrückte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)