An Ghealach Docher von SainzDeRouse (Du kannst ihm nicht entkommen!) ================================================================================ Kapitel 20: ------------ Kapitel 20 Unerwartete Rettung Tarrthála gan choinne Alles war gut verlaufen. Ich hatte es geschafft mich in den Frauenturm zu schleichen ohne Kayla zu begegnen. Jedoch blieb es im unserem Schlafsaal nicht unbemerkt. Obgleich der Morgen graute, schnatterten und tuschelten manche noch immer miteinander, lagen zu zweit oder dritt in den Betten und kicherten. Aileen sah mich vielsagend an, war aber in einem Gespräch mit zwei anderen vertieft. Ich wusste das sie hoffte das alles gut verlaufen war und es mir nun besser ergehen würde. Jetzt, wo ich einen geliebten Menschen aus meinem früheren Leben wieder gefunden hatte. Ich lächelte ihr ehrlich entgegen, alles war gut, alles war in bester Ordnung und es konnte nur noch besser werden, wollte ich ihr signalisieren. Noch etwas aufgekratzt, legte ich mein Überkleid ab und schlüpfte unter meine Decke. Ich fühlte mich so aufgeweckt von den letzten Ereignissen das ich mir nicht vorstellen jemals wieder Schlaf zu finden. Doch kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, fiel ich in einen tiefen Schlaf. Catriona weckte uns zur Mittagsstunde, das Mittagessen warte auf uns, rief sie durch den Raum. Es war ein herrliches Gefühl gewesen einmal länger schlafen zu können, wenn auch sehr ungewohnt. Die Vorstellung war verlockend, doch wenn man seit Kindesbein an immer mit den Hühnern aufgestanden war, ganz gleich, wie gut oder schlecht die Nacht verlaufen war, oder wie man sich fühlte, dann hielt man es sein leben lang und es war schwer vorstellbar einmal nur eine Stunde länger liegen zu bleiben. Doch hatte mich die durchzechte Nacht erschöpft und die emotionale Auf- und Talfarht hatte mich genug gefordert und so versuchte ich es zu genießen, wenn es mir auch schwer fiel. Mit einem, vielleicht unverständlichem Gefühl des schlechten Gewissens im Leib, sprang ich auf um mich anzukleiden, mein Bett herzurichten und mich meinen Waschungen hinzugeben. „Die Nacht war also schön?“, erschrak mich Aileen, indem sie plötzlich hinter mir stand während ich mein Gesicht wusch. „Ja, sehr“, sagte ich und trocknete mir das Gesicht mit einem Tuch. Ich öffnete meinen langen Pferdeschwanz, kämmte ihn eilig mit meinen Fingern durch – ich besaß zwar einen Kamm von Sophie, doch war es noch immer ungewohnt ihn zu benutzen – und überließ Aileen die Waschschüssel. „Wer war sie? Eine Aíntin?“, fragte sie, während sie sich den Schlaf aus den Augen wusch. „Die Liebste!“ „Das freut mich für dich und hoffe das ich nie wieder dein trauriges Gesicht sehen werde.“ „Versprochen“, sagte ich grinsend und zusammen machten wir uns auf, das Mittagessen einzunehmen. Der Tag war der Schönste, an dem ich mich erinnern konnte. Ein langer Schlaf, ein warmer Eintopf und das Wissen um das Leben meiner geliebten Aíntin, deren Leben nur einige Häuser weiter stattfand. Nach dem Essen machte ich mich sofort auf den Weg zu ihr. Ich konnte es kaum erwarten sie wieder zu sehen, mich zu vergewissern das es kein Traum war. Kontrolle war nun etwas das mir mehr und mehr entglitt, denn je näher ich dem Haus kam, desto schneller wurde ich, bis ich schon begann zu rennen. Nur noch um diese Ecke, dann könnte ich sie wieder in die Arme nehmen. Ein harter Schlag gab es, als die Ecke erreicht war. Ich fiel nach hinten und stieß mich an einem Fass. Verwünschungen und Gefluche war zu hören, es kam jedoch nicht von mir. Nachdem ich mich aufgerichtet hatte und sah gegen wen und was ich gelaufen war, erblickte ich ihn. Radulf. Diese schönen Augen. Doch sie hatten sich verändert. Grün waren sie, nicht golden, und doch... es waren die selben. Mein Herz beschleunigte sich, ein kribbelndes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Auch er sah mich an, und der Moment kam mir so unendlich lang vor. Nicht unangenehm lang, wie man es hat, wenn man so schnell wie möglich verschwinden wollte, sondern eher das Gegenteil. Und dieser Blick. So warm, so sorgend.... „Pass doch auf wo du hinläufst“, schnarrte er nur, erhob sich, klopfte den Dreck von seinen Kleidern und ging seines Weges. So ein... dummer Esel! Stolz erhob ich mich, den Schmerz in meinem linken Arm und meinem Gesäß verbergend, klopfte den Schmutz von meinem Rock und ging weiter als wäre nie etwas gewesen. „Guten Morgen, Allison“, hörte ich die geliebte Stimme meiner Aíntin, als ich um die Ecke bog. „Der Schönste seit langem“, sagte ich nur und fiel ihr um die Arme. Lachend drückte sie mich an sich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich nehme an das du zu mir wolltest. Aber Tearlach und ich sind auf dem Weg zum Friedhof. Willst du uns begleiten?“, fragte sie und nun bemerkte ich den Korb Blumen an ihrem Arm. Tearlach, ihr kleiner Sohn stand neben ihr, seine Hand in ihren Rock gekrallt und blickte neugierig zu mir hinauf. Es war mir irgendwie peinlich. Mir war nicht bewusst wie ich mich am besten ihm gegenüber verhalten sollte. Natürlich war er im Grunde mein Cousin, wir waren Verwandte, aber dennoch, ein fremdes Kind. In unserem Dorf hatte es nicht viele kleinere Kinder gegeben. Meine Generation hatte noch keine Kinder und unsere Eltern waren zu alt oder hatten die jüngeren an den Hunger oder Krankheit verloren. „Guten Morgen Tearlach“, sagte ich und ich kam mir so peinlich unbeholfen vor. „Morgen...“, flüsterte er nur und blickte mich aus gesenkten Lidern an. „Er ist etwas schüchtern, gib ihm etwas Zeit, er erwärmt sich schnell“, lachte meine Aíntin. Zusammen machten wir uns auf den Weg und begannen den Sparziergang schweigend. Wir mussten nicht reden, es war nicht nötig. In der letzten Nacht wurde genug gesagt, schöne wie scheußliche Dinge und ich genoss einfach nur ihre Nähe. Bald wusste ich nicht mehr wo wir uns genau befanden. Der Friedhof lag abgelegen, das war mir bewusst, doch war es weder in Richtung des Frauenturms, noch der Felder oder Ställe. Es lag mehr im Westen. Die Häuser wurden immer weniger und es wurde zunehmend ländlicher. Bald hatten wir das Tor erreicht, umringt von Mauern. Allein dieses Tor musste unglaublich alt sein. Es war dicht mit Pflanzen bewuchert, verrostet und quietschte, wenn man ihn nur wenige Zentimeter bewegte. Teile von Figuren waren zu sehen, doch sah man nicht mehr welche. Dafür hätte jemand diesen Urwald stutzen müssen. Friedhöfe hatten schon immer etwas unheimliches an sich. Und auch dieser war keine Ausnahme. Es fiel mir nur etwas leichter, da ich die Menschen, die hier lagen nicht kannte und auch nicht wusste woran sie gestorben waren. Bei uns im Dorf war es immer anders gewesen. Als Seanmathair gestorben war und wir sie beerdigten, war es ein unerträgliches Gefühl die Beerdigung abzuwarten. Nicht nur das ich mich wegen dem Verlust am liebsten in meinem Bett verkrochen hätte, der Ort war mehr als erdrückend gewesen. Zwei Spielkameradinnen aus schöneren Zeiten lagen dort und Familienmitglieder von jedem im Dorf, die man ebenfalls einmal gekannt hatte. Hunger und Krankheit waren die Hauptverursacher dieser Trophäensammlung des Todes. Altersschwäche war eine Seltenheit. Geradewegs marschierten wir durch die Reihen aus Steingräbern und blieben vor einem großen Klotz stehen. Hier waren wir angekommen, vor dem Grab des neuen Schwiegervaters meiner Aíntin. Die Blumen, welche sie mitgebracht hatte, pflanzte sie sorgfältig in die Grabeserde. Tearlach half ihr hilfsbereit dabei, wie es bei Kindern nun mal so war. Meine Aíntin Iseabail hatte die lieblichen Blumen zuvor in kleinen Blumenbottichen gezogen, nur um sie hier einpflanzen zu können, erzählte sie. Sie waren sehr schön und ich beneidete sie um ihren grünen Daumen. Früher, als sie noch mit meinem Uncail verheiratet war, hatte man niemals solche Blumen gesehen. Zwischendurch hatte sie sich immer wieder vorgenommen den Garten etwas zu verschönern, doch blieb vor lauter Arbeit keine Zeit dafür und später vor lauter Kummer um ihren toten Sohn. Neugierig betrachtete ich Tearlach, er war wirklich sehr süß. Während er so eifrig in der Erde mit seinen kleinen Händen schaufelte betrachtete ich ihn und erkannte ein wenig Ähnlichkeit zu seinem Halbbruder. Auf dem langen Weg zum Friedhof hatten wir uns etwas angefreundet und er hatte sogar meine Hand gehalten. Iseabail ließen ihn zwischen uns fliegen, was ihn zum Lachen brachte und auch ich hatte seit langem wieder lauthals gelacht. Auf dem Rückweg bemerkte ich eine Bewegung aus dem Augenwinkeln. Kayla. Das Herz wurde mir schwer und ich hoffte das sie uns nicht bemerkte. Ich versuchte mich mehr oder minder hinter Iseabail zu verstecken, doch bemerkte sie uns nicht. Starr stand sie vor einer Statue, der weißen Statue eine jungen Frau. Das Weiß war über die Jahre verschmutzt und es war mehr ein grün als ein weiß. Ob es ihre Schwester war? Oder vielleicht ihre Mutter? Ich wollte nichts sagen, ich befürchtete das Kayla es hören könnte, obgleich es eine unsinnige Befürchtung war, schließlich war sie einige Gräber entfernt. Aber dennoch, ich wollte nichts riskieren, nur schnell weg von hier. Wieder bei Iseabeil im Wirtshaus angekommen, verabschiedete ich mich zunächst von ihr. Tearlach sollte ein Mittagsschlaf abhalten und auch sie hatte noch einiges zu tun. Sie nahm mir das Versprechen ab, so bald wie möglich wieder zu kommen und das ich auch einmal zum Abendessen bleiben solle. Es war erst Nachmittag, die Sonne stand noch immer hoch am Himmel und ich beschloss einmal bei den Ställen vorbei zu schauen. Nicht das ich vorhatte meinen freien Tag mit meiner täglichen Arbeit zu verschwenden, aber es zog mich einfach dort hin. Die Stände auf dem Markt hatte ich mir bereits angesehen und ich bekam für meine Arbeit zwar ein wenig Geld, so das wir uns Mädchen auch etwas kaufen konnten - meist für Süßigkeiten und Schmuck, wie mir aufgefallen war – aber nun hatte ich von dem regen Treiben genug. Ich wollte etwas Abgeschiedenheit, ein wenig Ruhe. Ich genoss den langen Sparziergang durch die weiten Blumenwiesen, den Feldern. Vielleicht war auch Kendall in den Ställen, dann könnte ich vielleicht heraus bekommen weswegen Kayla auf dem Friedhof war. Es ging mich ja nichts an, aber eine rührselige Kayla, die vor einem Grabe stand, das war für mich eine verkehrte Welt. Obgleich mir bewusst war das ich ihr eine Gefühlswelt nicht absprechen konnte, egal wie hart sie erscheinen mochte. Im Stall der Schafe angekommen, hörte ich bereits reges treiben und aufgeregtes Geblöke. Kendall arbeitete also doch. Schwungvoll öffnete ich die Tür, ging hinein und musste mich zunächst erst einmal an die Dunkelheit des Stalles gewöhnen. Das laute Getrampel der Schafe über mir. Doch die Luke war nicht geöffnet, denn sonst wäre es hier heller. „KENDALL?“, rief ich und hielt inne. Hier war jemand, ich hörte das Schnaufen, das Jaulen, das... Knurren. Mit drei Schritten hatte ich die Stalltür im Rücken und hatte mir den Kopf hart angestoßen. Meine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit und dort war etwas. An der großen Leiter, die zu den Schafen führte. Dort war etwas sehr Großes. Innerhalb weniger Sekunden war ich einige Meter vom Stall entfernt, ein spitzer Schrei aus meiner Kehle tretend. Mein Herz raste wie noch nie in meinem Leben, mein Brustkorb tat mir weh, ich glaubte ich würde platzen. Es rauschte in meinen Ohren, als stünde ich direkt am Meer und ich hatte das Gefühl das mir etwas die Luft abschnitt. Was war das? Ich unterdrückte den Impuls wegzulaufen, denn was auch immer dort im Stall war, wenn es mich hätte anfallen wollen, wäre es längst geschehen. Hastig sah ich mich um, niemand war in der Nähe, dem ich um Hilfe hätte bitten können. Und doch... ich hätte weglaufen können, aber... ich konnte nicht, etwas hielt mich zurück. Langsam ging ich wieder zu den Stalltüren, die noch immer etwas offen standen. Mit zittrigen Fingern stieß ich die Stalltüren auf und linste ängstlich hinein. Tatsächlich, dort war ein großer, großer Wolf. Ein Wolf! Er war riesig. Was tat diese Bestie hier? Nach meinen unzähligen Sparziergängen durch diesen merkwürdigen Ort, in der ich noch nicht alles gesehen hatte, wusste ich, das er komplett ummauert war, und diese Mauern waren keine kleinen Wallen. Niemand könnte hier so einfach rein oder raus kommen, schon gar nicht ein Wolf. Es sei denn er könnte durch Wände gehen oder Mauern emporsteigen, doch das war unsinnig. Vielleicht gehörte er aber auch zu den Hunden, die hier überall herum streiften. Obgleich er wirklich, wirklich groß war. Er war... das war kein Hund, das war ein Highlandpony. Ein Monstrum, doch schien er nicht gefährlich. Schließlich knurrte er mich nicht an oder betrachtete mich wie ein Frühstück, eher war er wütend. Wütend auf seine Situation. Und nun sah ich es. Die Leiter, war wohl unter seinem Gewicht zusammengebrochen und eines der Pfosten hatte sich in seinen Schenkeln gebohrt. Das Blut lief sickernd heraus und bald würde er seiner Wunde erliegen, wenn ich ihm nicht half. Was sollte ich nur tun? Wenn ich ihm zu nahe kam, konnte es sein das er nach mir schnappte oder mich fraß, sobald er befreit war. Ich sah mich noch einmal kurz um, niemand war in unserer Nähe. Seine einzige Hoffnung war also ich. Die Luft sog ich stark in meine Lungen, versuchte mir Mut einzuatmen und ging langsam auf ihn zu. Der Wolf, der Hund, wie auch immer, wurde ganz ruhig und beobachtete mich misstrauisch. Er besaß schöne goldene Augen und sie zogen mich magisch an. Neugierig schnüffelte er in meine Richtung wurde zusehends ruhiger. War sein Fell schwarz oder braun, ich wusste es nicht, es war zu dunkel. Doch seine Augen, die leuchteten in die Dunkelheit. „Ganz ruhig, mein Großer. Ich tue dir nichts“, flüsterte ich ängstlich. Ich versuchte mehr mich zu beruhigen als ihn. Der Pfosten hatte sich tief in sein Fleisch gebohrt, ich konnte mir nicht vorstellen das er jemals wieder laufen können würde, wenn er es denn überhaupt überlebte. Ich bückte mich etwas um das näher zu untersuchen um abzuwägen, wie ich den Pfosten am besten herauszog. Ich musste ihn möglichst gerade herausziehen, um die Wunde nicht weiter aufzureißen und ihm nicht unnötig Holzsplitter rein zu jagen. Der Wolf verspannte sich und sog scharf die Luft ein. Ich stellte mich breitbeinig hin um einen guten Halt zu haben, griff nach dem Pfosten, zählte innerlich bis drei und zog kräftig daran. Er war schwerer als gedacht, ich hatte große Mühe ihn nur für ein paar Sekunden anzuheben. Der Wolf jaulte auf, was in ein lautes Knurren endete. Meine Hände wurden schwitzig und das nicht nur vor Anstrengung. Ich hatte Angst, nackte Angst. Dieses laute Knurren, dieses riesige Tier, das mich mit Leichtigkeit verschlingen könnte, wenn er es wollte. Ich gab mir noch einmal einen Ruck, und schaffte es tatsächlich, das sich der Pfosten vollends aus der Wunde ziehen ließ. Der Wolf robbte sich vorwärts um nicht noch einmal aufgespießt zu werden und brach in einem naheliegenden Heuhaufen zusammen. Erschöpft ließ ich den Pfosten fallen und fiel nach hinten, landete aber jedoch weich. Der obere Teil der Leiter schaukelte an den Befestigungen unter der Falltür, fiel aber mit einem lauten Krachen herunter und ich zuckte erschrocken zusammen. Als sich mein Herz beruhigt hatte, erhob ich mich und lief auf zittrigen Beinen zu dem Wolf hinüber. Er schnaufte angestrengt, versuchte die Wunde zu lecken, doch tat es ihm sehr weh. Der Pfosten hatte sich tief ins Fleisch geschnitten und ich glaubte mich erbrechen zu müssen bei dem metallenen Geruch des Blutes und dem Anblick des zerfetzten Muskelgewebes. Ohne weiter darüber nachzudenken, öffnete ich meine Schürze, die ich immerzu über meinem Kleid trug um es vor dem alltäglichen Schmutz zu schützen. Ohne darauf zu achten ob der Wolf es zulassen oder mich fressen würde, legte ich es auf seine Wunde und wickelte es fest darum, um das Blut zu stoppen. Die Schnüren wickelte ich ebenfalls fest darum und knotete sie zusammen. Außer ein elendiges Jaulen war nichts aus seiner Kehle gewichen und dieser Ton war unerträglich für mich. Es war markerschütternd und ich wollte das er aufhörte. Eilig holte ich ein Eimer und füllte es mit Wasser aus dem nahe gelegenen Brunnen. Ich hielt es ihm vor sein Maul und gierig begann er zu trinken, es würde ihm guttun. Es würde etwas gegen den Blutverlust helfen und er würde sich erholen können. Aber ob er jemals wieder richtig laufen können würde, das bezweifelte ich. Wie lange ich noch so bei ihm saß, wusste ich nicht. Doch plötzlich hörte ich eine Stimme. „Hallo, ist da jemand?“ Es war Kendall. Nervös sprang ich auf, was sollte ich nur tun? Ich lief hinaus aus dem Stall und kam Kendall entgegen, ich musste ihm vom Stall ablenken. „Hey, ich bin es nur. Ich bin gekommen um dich zu besuchen, aber du warst nicht da. Da saß ich eben eine Weile im Heu herum, und … die Leiter, sie ist runter gefallen. Also nicht wegen mir, oder sonst wem. Ich weiß nicht wer das war... aber ich schätze mal das sie altersschwach ist. Den Schafen geht es gut. Und dir? Wie geht es dir so?“, fragte ich und plapperte vor ich hin als wäre der Leibhaftige hinter mir her. Ich wusste nicht warum ich es tat, aber ich wollte nicht das dem Wolf jemand etwas zur Leide tat. Zwar wusste ich nicht wie die Leute hierzulande auf so etwas reagierten und mir war nun klar, weshalb die Ställe weiter oben gebaut waren, als bei uns, doch wollte ich nicht riskieren das ihm etwas passierte. Auch wenn ich selbst nicht hätte sagen können, weshalb, schließlich war es nur eine Bestie, deren Seinesgleichen uns schon unzählige Male das Leben zur Hölle gemacht hatten, indem sie in den harten Wintern unsere Nutztiere als Beute ansahen. Bei uns im Dorf war es ein Todesurteil, selbst wenn es unser eigener Hund verbrochen hatte. „Warum redest du so komisch? Ist jemand im Stall?“, fragte er misstrauisch. „NEIN!... ich meine, nein“, sagte ich und versuchte ruhig zu wirken. Sogleich lief Kendall an mir vorbei, geradewegs auf den Stall zu. Mein Herz klopfte wild in meiner Brust und ich lief hinter ihm her. „Ich hab dir doch gesagt, das da nichts ist. Warum hörst du mir nicht zu. Da. Ist. …“ Kendall stieß aufgebracht die Stalltüren auf und überblickte die Heuhaufen. „...Niemand.“, beendete ich den Satz verblüfft. Denn da war tatsächlich nichts und niemanden zu finden. Da war die kaputte Leiter und auch den Eimer den ich rein getragen hatte. Aber der große Wolf war verschwunden. „Warst du die ganze Zeit allein?“ „Ja.“ Er beruhigte sich und seine Schultern entspannten sich merklich. Was war nur mit ihm los? Kendall lief in den Stall, untersuchte die Leiter und zog ein schwarzes Büschel Fell vom gesplitterten Holz. „Hier war jemand“, sagte er bedrohlich und sog scharf die Luft ein. Hastig drehte er sich zu mir um. „Hast du wirklich niemanden gesehen?“, fragte er eindringlich und sah mir tief in die Augen. „Nein“, sagte ich entschlossen. Ich wollte ihn nicht anlügen, er war ein Freund. Doch konnte ich mich auch nicht dagegen wehren. Es ging nicht anders. Noch immer sah er mir tief in die Augen und ich befürchtete das er merkte das ich lügte, doch ergab er sich. „Einverstanden, lass uns gehen. Die Leiter repariere ich morgen. Komm, ich bring dich wieder zurück“, sagte er ergeben und verriegelte hinter uns den Stall. Noch einmal sah ich mich um, doch von dem Wolf war nichts zu sehen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)