An Ghealach Docher von SainzDeRouse (Du kannst ihm nicht entkommen!) ================================================================================ Kapitel 16: ------------ Kapitel 16 Der Beginn eines neuen Lebens und seine Hindernisse Tús le saol nua agus constaicí       Weich war es hier und warm. Tief war ich im Traumland versunken, fernab von meinen Sorgen. Im Halbschlaf drehte ich mich herum, kuschelte mich in mein weiches Kissen und vernahm das Zwitschern der frühen Vögel. Ich hätte ewig hier liegen können, doch leider musste ein jeder irgendwann aufstehen und sich seinen Plagen stellen.   Als ich mich noch einmal wohlig geseufzt und die Decke, die mir etwas verrutscht war, bis zum Kinn gezogen hatte, und dachte es könnte nicht mehr schöner sein, war plötzlich andauerndes Getrampfel zu vernehmen. Mit verzogenem Gesicht drückte ich die Decke an mein Ohr, denn ich wollte doch weiter träumen und selig schlafen, doch kaum hatte ich dies getan, öffnete sich die Tür mit einem lautem Rumps und Kayla trat herein.   „Aufgewacht Mädchen, verschlaft nicht den ganzen Tag. Es gibt viel zu tun. In einer Stunde sehe ich jede Einzelne von euch bei ihrer Arbeit“, rief sie befehlend durch den Raum. „Ihr da“, zeigte sie mit den drohenden Finger auf mich und meine zwei Leidensgenossinnen, „euch werde ich noch einteilen, kommt später zu mir. Catriona wird euch zu mir führen.“   So schnell und laut wie sie gekommen war, war sie auch wieder verschwunden.   Es dauerte einige Momente ehe ich begriff wo ich mich befand und was von mir verlangt wurde. Arbeiten. Doch nicht als Hure? Mein Herz pochte laut und meine Finger wurden Feucht. Mackenzie und Deirdre dachten wohl ähnlich und sahen sich in ihre blassen Gesichter.   „Auf auf Mädels, es gibt viel zu tun. Catriona wird sicherlich wieder ein herrliches Frühstück vorbereitet haben“, rief Aileen und sprang voller Tatendrang auf und wusch sich eilig in der Waschschüssel.   Auch die anderen Mädchen sprangen guter Laune auf und drängten sich an das erfrischende Nass. Sie schubsten und plärrten, scherzten und lachten. Worüber waren diese Mädchen eigentlich so glücklich? Sollten sie nicht ebenso entsetzt sein wie wir oder hatten diese Ungeheuer ihnen den Geist verwirrt?   „Allison, Mackenzie, Deirdre, was ist mit euch los? Ihr seht aus als müsstet ihr den Gang zum Galgen antreten“, lachte Aileen.   Mussten wir das nicht? Oder gar schlimmeres?   Aufmunternd lächelnd kam Aileen auf mich zu und setzte sich neben mich auf das Bett.   „Ich weiß wie es dir ergangen ist. Aber denke nicht mehr daran und glaube nicht den Lügen der Menschen. Es wird dir hier an nichts fehlen und es wird dir auch nichts geschehen“, lächelte sie und streichelte mir über den Arm.   Mackenzie und Deirdre nickte sie nur kurz zu und ging hinüber zu ihrer Betttruhe, aus der sie ein frisches Kleid zog. Sie hatte das Gesagte vom vorigen Abend nicht vergessen. Auch wenn es nicht meine Art war, aber die Angst die diese beiden noch immer verspüren mussten gönnte ich ihnen aus tiefstem Herzen. Sie würden früh genug merken das keine Gefahr drohte.   Drohte denn keine Gefahr?   Mein Körper hatte sich entspannt und ich fühlte mich auch besser. Aber dennoch blieb ein ungutes Gefühl. Wie eine böse Vorahnung. Doch wollte ich Aileen Glauben schenken und auch Fearghus.... nein, nicht mein Fearghus... Lugus hatte mir sein Wort gegeben. Sein Wort aus diesem lügnerischen Mundwerk. Mein Leben lang hatte ich ihn schon gekannt und mit jedem Wort das er an mich gerichtet hatte, hatte er mich belogen. Doch wenn ich die anderen Mädchen sah, die sich eilig anzogen, musste ich ihm wohl diese Lüge glauben. Mir würde nichts Schlimmes geschehen.   So stand ich denn auf, wusch mich wie die anderen Mädchen, darauf bedacht den Angstschweiß vom Vortag gründlich abzuwaschen und zog eines von Sophies Kleidern aus meiner Truhe. Hübsch waren sie und passten wie angegossen. Sie erschienen mir viel zu schön um für die Arbeit getragen zu werden, doch dieser Blickwinkel würde sich wohl mein Lebtag nicht ändern. Zu meinem Glück war ich nicht die Einzige, die so herausgeputzt herumlief, ich wäre mir vorgekommen, wie ein bunter Hund.   Ich folgte Aileen die unzähligen Stufen des Turmes hinunter, über den Hof ins andere Gebäude, indem uns schon die sanftmütige Catriona geführt hatte. An der langen Tafel, von denen es zwei gab, standen Teller und Besteck bereit, zu meinem Erstaunen aus richtigem Porzellan und Metall. Bestaunend strich ich zart darüber und nahm das Besteck in die Hand als könnte es zu Staub zerfallen.   Sogleich hörte ich Mackenzies schnarrendes Lachen, als sie sich mir gegenüber setzte und mich beobachtete. „Das Bauernmädchen lernt das Speisen im feinen Hause kennen und glotzt wie eine dumme Kuh. Ich kann es nachfühlen, Allison. Aus dem Trog ist es doch leichter...“, lachte sie und konnte sich nur schwer wieder besinnen. Auch Deirdre lachte kurz auf, doch hielt sie sich eine Hand vor dem Mund um an sich zu halten.   „Dann speisen die Schweine bei dir wohl am Tisch vom Teller und umgekehrt, Mackenzie“, gab Aileen feixend zurück, die sich zu meiner Freude neben mich gesetzt hatte.   Mit einem Mal war Mackenzie so totenstill das man glaubte eine Stecknadel fallen hören zu können. Mit einem rot anlaufenden Gesicht sah Mackenzie Aileen an als hoffe sie, sie möge tot umfallen. „Wie kannst du es wagen, du....“   „RUHE!“, rief die sonst so liebliche Catriona aus einem Organ, wie man es ihr niemals zugetraut hätte. „Ich dulde keine Beleidigungen und Streitereien am Tisch. Beim Speisen wünsche ich Ruhe, also esst. Wir haben nicht viel Zeit, die Bestellungen müssen für heute fertig werden.“   Sogleich herrschte Stille im Saal und die Mädchen begannen hungrig und herzhaft zu Essen. Wie aus dem Nichts kamen vier Frauen herein, die aus einer Tür gekommen waren, die ich zuvor nicht bemerkt hatte und brachten auf hölzernen Tabletts das Essen auf den Tisch. Hinter dieser Tür musste sich die Küche befinden, denn aus dieser drangen herrliche Düfte in den Raum, die meinen Magen zum Knurren brachten.   Wie gebannt starrte ich auf das was nun vor mir stand. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so leckeres, zahlreiches Essen gesehen. Eine Armee hätte womöglich damit gesättigt werden können. Frische Brötchen und große Laiber Brote lagen auf den Tisch. Butter, Käse und sogar Wurst war zu finden. Kaum an mich halten könnend, nahm ich mir von allem was und schlang aufs Geratewohl hinein, als wäre es meine Henkersmahlzeit. Zu meinem Erstaunen erging es Mackenzie und Deirdre nicht anders, obgleich sie doch aus gutem Hause kamen und nicht gerade dürr aussahen. Doch die anderen belächelten es nur mit wissendem Blick, scheinbar erging es allen Neuzugängen so. Auch ich wurde gut genährt in den letzten Tagen im Dorf. Doch nach diesen Angstzuständen, die nackte Angst ums eigene Leben war man doch so erschöpft, als hätte man die wochenlang anhaltende Fastenzeit gerade überstanden.   Die restliche Zeit im Speisesaal verging recht ereignislos. Es wurde ruhig gespeist und auch Mackenzie fand keine Zeit oder Lust Aileen und mir böse Blicke zuzuwerfen. Danach schickte Catriona die Mädchen in die Schneiderei und führte die anderen Beiden und mich in einen Raum, der sich direkt im Nebengebäude, neben dem Saal mit den bald Gebärenden. Dort hatte Kayla sich eine Art Arbeitszimmer eingerichtet und auf ihrem Tisch lagen einige Dokumente und Formulare, vor allem Notizen vor sich. Aileens ausgesprochene Worte des Glücks halfen mir nur wenig, bei dem aufsteigenden, unguten Gefühl das sich nun mehr und mehr in mir aufbaute.   Das Arbeitszimmer hatte etwas Düsteres und Beengendes an sich. Es war klein und wirkte wie ein Loch, eine Höhle. Ein großes Bücherregal stand an einer Wand, vollgestopft mit dicken Wälzern, deren Inhalte ich leider nicht von den Buchrücken herauslesen konnte, da ich des Lesens nicht mächtig war. Die Wände waren nackt, nichts beschmückte sie. Nur große graue Steine waren zu sehen, der Schreibtisch war groß und schwer und hatte auch nur das Nötigste vorzuweisen. Keine Stoffe, keine Blumen, keine Bilder. Dunkel und trostlos. Nur eines schmückte diesen Ort des Elends. Eine große Karte von einem Land, einer Insel. Ich wusste nicht was es war und erlesen konnte ich es auch nicht. Doch einige Felder waren durchgestrichen. Ob es unser geliebtes Schottland war? Und die verschiedenen Felder die Ländereien der Clans? Ich wusste nicht wieso, aber die Karte hatte etwas besänftigendes an sich und der Raum erschien mir weniger elendig. Vielleicht kam das ungute Gefühl einzig und allein von der Person hinter dem Schreibtisch, die gebeugt über ihre Blätter saß.   „Da seit ihr ja endlich. Wir brauchen Kräfte überall, in die Schneiderei kann ich keine Mädchen mehr einsetzen“, sagte sie sogleich missmutig ohne aufzusehen.   „Das wäre auch zu schade, aber Allison wäre sicherlich gut im Stall aufgehoben“, flüsterte Mackenzie hinter meinem Rücken zu Deirdre.   Auf der Stelle erschien ein boshaftes Lächeln auf Kaylas Gesicht und sah Mackenzie an. „Du hast Recht, Mädchen. Da wäre sie sehr gut aufgehoben. Also ist es beschlossen, Catriona, führe sie dort hin und ihr Mädchen“, sagte sie und sah bestimmt auf Mackenzie, „ihr werdet auf dem Feld arbeiten. Die Erntezeit fällt bald an und es werden viele Helfer gebraucht.“   Das aufkommende Lachen hinunter zu schlucken war eine weit weniger einfache Aufgabe als ich gedacht hätte. Die Gesichter der beiden waren göttlich zu einer ungläubigen Fratze verzerrt und raubte den schönen Gesichtern allen Liebreiz. Ich musste die Arbeit im stinkenden Stall verrichten, doch das tat ich schon mein halbes Leben, doch diese beiden rohen Eier sollten auf einmal auf dem Felde stehen, sich den Rücken krumm buckeln und in der Hitze der sengenden Sonne dahinsiechen.   „WAS? Aber...“, rief Mackenzie sogleich empört aus, doch wurde sie sogleich zurückgehalten.   „DU WAGST ES UNGEFRAGT DAS WORT AN MIR ZU RICHTEN?“, schrie Kayla und war so ruckartig aufgestanden das ihr Stuhl mit einem lauten Poltern hinten über gefallen war.   „Beruhige dich Kayla, es war nicht böse gemeint. Kommt Mädchen, ich werde euch zu euren Arbeitsstätten hinführen“, sagte Catriona besänftigend und schob uns zugleich hinaus.   Noch einmal sah ich mich um und bereute ich es zutiefst, als ich Kaylas hasserfüllten Blick in die meinen starren sah. Im Halbdunkel ihres Arbeitszimmers, welches nur von einem kleinen Fenster, welches sich auf der Schattenseite des Schlosses befand, erhellt wurde, glaubte ich ein drohendes aufleuchten in ihren Augen gesehen zu haben, doch drehte ich mich schnell wieder um und folgte Catriona hinaus. Noch lange hatte sich dieser Augenblick in meine Erinnerung gebrannt und es brauchte noch einige Minuten an der frischen Luft um wieder zur Besinnung zu kommen.   Catriona führte uns hinaus aus dem Reich in der die Frauen die Macht besaßen und lief mit uns unter dem großen Tor mit den großen Eisernen Flügeltüren hinaus, in die Straßen des großen Dorfes... nein Stadt.   Es wirkte so idyllisch. Die Steinhäuser, mit richtigen Ziegeln auf den Dächern, den steinernen Wegen, auf denen man ungehindert mit einem Wagen fahren konnte, mit dem man nicht im Schlamm stecken blieb. Es gab viele kleine Geschäfte mit einem schönen Schild , welches über der Tür hing. Bäckereien, allerlei Lebensmittelgeschäfte, ja sogar wenige Modegeschäfte, sogar Barbiere und auch Wirtshäuser.   „Wie können sie es nur wagen. Ich hoffe das der Chief oder der König eine starke Armee schicken um diese Missgeburten abzumetzeln. Auf dem Feld arbeiten. Ich. Soweit kommt es noch“, schimpfte Mackenzie missmutig leise vor sich hin. „Das haben sie doch, aber es nützte doch nichts. Nichts und Niemand kann uns retten“, klagte Deirdre wehleidig.   In den breiten und auch engeren Gassen liefen kreuz und quer, tüchtige und geschäftige Menschen hin und her. Es wirkte wie in jeder anderen Stadt auf der Welt. Niemand hätte geglaubt das es das Reich der Barbaren war, welches das halbe Land terrorisierte. Hier jedoch liefen Menschen eilig umeinander herum, begrüßten sich und quatschten, lachten und verabschiedeten sich.   Es dauerte eine Zeitlang ehe wir am Rande der Grenze angelangt waren, welches von einer hohen Mauer umgeben war. Es gab viele Hunde hier auf dem Schloss, fiel mir auf. Alle mussten Mischlinge sein, denn sie sahen den Wölfen im Wald doch sehr ähnlich. Aber hier in den Bergen, mitten im Nirgendwo konnten sich Hunde wohl nur mit den Bestien des Waldes vermischen, wo sie doch sonst ihre Geschwister begatten müssten.   Es standen zunehmend weniger Häuser hier am Rande. Die Steinwege waren Erdpfade gewichen und es wurde ländlicher. Von weitem sah ich bereits die flachen Häuser aus robusten, dicken Holz, doch je näher wir kamen desto mehr fiel mir Ungereimtheiten auf. Unter dem flachen Dach, schien es keine wirklichen Mauern zu geben und runde Dinge waren immer zu sehen. Aber manchmal sanken sie wieder nach unten und hoben sich dann wieder. Verwirrt ging ich hinter Catriona laufend weiter und als wir nur noch einige Meter entfernt waren, sah ich diese ungewöhnliche Art von Stall.   Als ich dort angekommen waren, stand ich mit offenen Mund da und wusste nichts darauf zu sagen.   „Zu Anfang habe ich ebenso geguckt wie du, Allison“, lächelte Catriona.   Beschämt senkte ich meinen Blick und schloss meinen Mund.   „Was ist das denn? Weiß man hier nicht wie man Ställe baut?“, schimpfte Mackenzie von überheblich. „Wie weit ist es denn noch?“, jammerte nun auch Deirdre. Es war ihr anzusehen das sie es nicht gewohnt war weite Wege zu laufen.   „Wir werden noch ein Stück laufen müssen, die Felder befinden sich außerhalb“, sagte Catriona und sah sich bereits um. „KENDALL“, rief Catriona plötzlich aus vollem Hals.   Gespannt blickten wir uns um, schließlich wussten wir nicht was uns erwartete und hofften auf einen netten Menschen zu treffen und nicht einen von diesen … Barbaren. Noch einmal holte Catriona Luft um noch einmal laut nach diesem Kendall zu rufen, doch wie aus dem Nichts fiel etwas wie ein Sack zu Boden, landete vor mir elegant auf allen vieren und stand auf.   „AAAAHHHH“, rief ich erschrocken aus und trat einen Schritt zurück. Ein junger Mann, mit markanten Zügen stand vor mir und überragte mich um eineinhalb Köpfe. Er war sehr stramm und muskulös, wie auch braungebrannt. Der dichte dunkelblonde Haarwuchs lag verstrubbelt und ein Strohhalm hatte sich darin verfangen. Seine braunen Augen zogen mich direkt in seinem Bann, wie auch der anderen Ungeheuer war die Farbe so hell und strahlend und er begrüßte mich mit einem neckischen Lächeln.   „Wen bringst du mir denn hier Hübsches, Catriona?“, lächelte er und lies mich nicht aus den Augen. Sein Blick verursachte ein flaues Gefühl in meiner Magengegend. Ob gut oder schlecht konnte ich zu der Zeit nicht sagen. „Das ist Allison....“ „Ein schöner Name“, sagte er, während er mich noch immer eingehend betrachtete. „Sie ist gestern Früh angekommen und kennt sich noch nicht aus. Kayla hat sie für die Ställe eingeteilt, zeige ihr bitte alles und sei ihr ein guter Begleiter. Allison kennt sich nicht aus und fühlt sich noch sehr einsam. Bringe sie heute Abend bitte wieder zurück. So, aber nun gehen wir drei weiter, die beiden werden gebraucht. Kommt Mädchen“, sagte Catriona, verabschiedete sich von uns und strich mir noch einmal aufmunternd über den Arm.   Mürrisch zogen Mackenzie und Deirdre hinter Catriona her und sahen immer wieder zurück. Auch sie hatten Kendall eingehend betrachtet und bildeten sich ihre Meinung. Wie immer gab Mackenzie den Weg vor, während Deirdre mehr oder weniger alles nachahmte. Mir schien es als gestehe Deirdre sich keine eigene Persönlichkeit zu.   „Du bist also gestern angekommen“, begann Kendall ein Gespräch. „Ja“, sagte ich und sah ihn unsicher an. Ich musste gestehen das er sehr sympathisch wirkte und gar nicht gefährlich. Aber dennoch nahm ich mir vor ihm nicht zu nahe zu kommen. Wer wusste schon was passierte wenn wir für einen Moment unbeobachtet blieben.   „Ich zeige dir erst mal alles. In diesem Stall haben wir die Schafe, da drüben die Ziegen und daneben Schweine. Es gibt auch einige Gänse. Weiter da hinten haben wir noch Hühner und Kühe. Im Schloss haben wir auch Stallungen, indem die Pferde stehen.“   „Ihr seit gut bestückt.“   „Ja, aber jetzt erst mal zu den Schafen. Geschoren wurden sie bereits, also müssen wir das nicht mehr erledigen. Bei euch in der Schneiderei wurde bereits Garn daraus gemacht. Wir müssen aber den Stall jeden Tag von dem Mist, den sie produzieren befreien....“   „Warum sind eure Ställe so komisch gebaut? Normalerweise ist unten das Vieh und das frische Heu auf dem Heuboden.“   „.... nun ja....“, sagte er und trat von einem Fuß auf den anderen. „Wir machen das, damit dem Vieh nichts passiert.“   Verwirrt blickte ich ihn an.   „Was sollte denn passieren?“   „Ganz einfach. Unser Vieh ist für manche Tiere nichts weiter als Beute und wir wollen nicht, das es gerissen wird.“   „Ja, aber.... hier sind doch keine. Ich meine, es ist doch alles ummauert oder nicht?“   „Doch schon... aber die Mauer ist noch gar nicht so alt und aus Gewohnheit lassen wir die Ställe nun so wie sie früher erbaut wurden“, sagte er und somit war die Sache für ihn beendet.   Verwirrt erblickte ich die Mauer die zum großen Teil mit Efeu überwuchert war, sagte jedoch nichts.   Ich folgte ihm in den Stall, lief an den Bergen von Heu entlang, bis er mir eine Heugabel und eine Schaufel in die Hand drückte und mich auf einer Leiter hinaufführte. Dort war der Stall gar nicht so klein wie es von außen aussah. Auf jedem Meter befand sich ein Balken an der Brüstung, und auch innerhalb des Raumes, so dass das Dach gehalten werden konnte. Die sogenannten Fenster konnte man auch verschließen und jedes zweite war tatsächlich sogar verglast, so das immer Licht hinein fiel. Nur jetzt waren sie alle, auch die aus blosem Holz nach außen geöffnet, so das die Tiere die Sonne genießen konnten. Der Stall war groß und hier fanden viele von den Schafen Platz. Ich kam nicht umhin mit offenen Mund zu staunen. Es war ein prächtiger Stall. Nicht wie diese Scheune zu Haus, die sicherlich bald den Witterungen der harten Winter erliegen wird.   Zu Haus, dachte ich bitter. Das war nicht mehr mein zu Hause, und egal was mich hier noch erwarten sollte, dort hin wollte ich nie wieder zurückkehren. Dort gab es nichts was mich dazu bewegen könnte.   „Wie viele Schafe habt ihr“, fragte ich um von den bedrückenden Gedanken los zu kommen.   „Vier Dutzend“, sagte Kendall stolz. „Doch es werden jedes Jahr mehr, da sie immer wieder Junge erwarten. Aber nun zu den wichtigen Dingen. Die Fläche um die Luke hier herum lässt sich aufklappen, so kannst du ungehindert Heu hinauf werfen. Zunächst musst du aber die Viecher da drüben hin scheuchen. Zuvor tust du aber ihren Mist hier“, sagte er und führte mich auf die Fenster auf der hinteren Seite, „und schmeißt es da hinunter. Das wird dann wiederum von den Goldgräbern regelmäßig entfernt.“   Also mussten wir es nicht tun, dachte ich erleichtert. Durch meine Arbeit hier wird es nicht leichter mit den Mädchen zusammen zu leben, da sie sich wieder über meinen Geruch beschweren werden, doch so würde es erträglich werden. So lange ich mich nicht mit ihren Fäkalien beschmutzen musste. Die Goldgräber aber konnten mir nur leid tun. Selbst der Titel dieser Arbeit höhnte voller Spott, wie auch die Menschen immer für diese Arbeiter zur Genüge übrig hatten. Wäre es doch echtes Gold, so wären sie Helden, aber so gehörten sie zu der untersten Schicht einer Gesellschaft, und es geschah nicht selten das einer dabei sein Leben lassen muss, wenn in eines dieser großen Brunnen fällt, wenn sie es ausschöpfen oder entsorgen wollen.   „So, genug gequatscht, wir sollten anfangen, aber dafür musst du dich erst einmal umziehen.“   „Umziehen?“, fragte ich erstaunt.   „Natürlich oder willst der Dorftrottel für die anderen sein?“   „Nein“, rief ich sofort aus.   „Na also. Neben dem Schweinestall haben wir eine kleine Kammer gebaut, dort gibt es Schürzen aus Leder und auch alte Lumpen die du für die Arbeit anziehen kannst. Wir stellen uns auch immer ein Eimer Wasser zum Waschen hin, hier in der Nähe ist ein Brunnen. Auch haben wir Stiefel, du musst nicht in deinen feinen Schuhen arbeiten“, lächelte er.   Eilig führte er mich dort hin und schob mich direkt hinein und schloss hinter mir die Tür.   „Beeile dich bitte, wir sind schon genug aufgehalten worden.“   Ich sah mich um. Es war wirklich sehr klein. An einer Wand hingen Kleidungsstücke, die sicher bereits von vielen verschiedenen Menschen getragen wurden und hier und dort geflickt worden waren. Auf der Gegenüberliegenden Wand hinten die Mistgabeln, wie auch die Schaufeln und auch eine Bank stand darin, unter der Stiefeln in den verschiedensten Größen standen. Ich legte mein Kleid ab und legte es ordentlich zusammen auf die Bank, zog mir eines dieser Lumpen über, wie auch eine von den Schürzen von denen Kendall gesprochen hatte. Meinen langen Zopf knotete ich mir geschickt zusammen, so das er nicht herum baumelte und Gefahr lief mit dem Mist in Berührung zu geraten. Ich nahm mir auch die kleinsten Stiefel, die mir aber immer noch ein wenig zu groß waren, aber so lange ich nicht damit rennen musste, passten sie. Neu ausgestattet ging ich hinaus.   „Reizend“, lächelte Kendall belustigt.   Eiligen Schrittes liefen wir zurück, und kümmerten uns um die Schafe. Kendall hatte die Luken geöffnet und warf das Heu mit seiner Heugabel hinauf, während ich sie verteilte. Zu zweit ging es schnell voran und so konnten wir bald weiter zu den Schweinen gehen. Bei ihnen war der Mist natürlich noch nicht hinunter geworfen worden und so öffnete er die Fenster, damit wir beginnen konnten.   So ging es den ganzen Tag. Wir liefen von einem Stall in den nächsten. Als wir bei den Kühen ankamen sahen wir von weitem wie einen Karren mit zwei Pferden davon traben. Zwei Männer konnte ich auf der Kutsche erkennen, mit einer unbekannten Fracht die unter einer Decke verhüllt war.   „Das sind die zwei Melker“ sagte Kendall und beantwortete somit gleich meine unausgesprochene Frage. „Wir haben nicht gerade wenig Kühe und es braucht seine Zeit alle zu melken.“ „Aber wird die Milch nicht schlecht wenn sie den ganzen Tag hier herumsteht?“   „Nein. Wir schütten sie in metallenen Behältern um und nicht in Holzeimern wie ihr vom Lande. Diese werden auch in einer Kammer im Keller gelagert, so das sie schön kühl sind und nicht so schnell warm werden. Das funktioniert ganz gut. Aber es wird am Tage so viel Milch versoffen das nichts übrig bleibt um schlecht werden zu können“, lachte er.   Nachdem wir auch mit den Kühen fertig waren, fuhren wir mit einem Einspanner zurück zum Schweinestall, so das ich mich umziehen und waschen konnte. Mich wieder sauber und frisch fühlend setzte ich mich wieder zu ihm auf den Karren und so fuhren wir über einen anderen Weg, als ich mit Catriona hierher gelaufen war, zurück.   Vor uns sahen wir bald einen Zweispanner, der sich auf den Weg eingereiht hatte. Darauf waren sämtliche Feldarbeiter und auch Mackenzie und Deirdre konnte ich erkennen. Sie waren von oben bis unten schmutzig, sicherlich hatten sie sich ganz ungeschickt angestellt oder waren sogar in den Dreck gestürzt. Belustigt lächelte ich sie an, da ich es mir einfach nicht verkneifen konnte. Auch Kendall erging es nicht anders und rief dem anderen Männern lachend zu: „Hübsche Mädels habt ihr an Bord.“   Die anderen stimmten auf der Stelle mit ein. „Ja wenn sie auch so anpacken könnten, wie sie heut morgen noch hübsch waren“, rief einer belustigt.   „Tja Schönheit ist eben nicht alles“, entgegnete Kendall.   Ich konnte nicht umhin loszuprusten und mir die Hand vor dem Mund zu halten.   „Hast du schon einmal eine Kutsche gelenkt?“, fragte Kendall und sah mich neugierig ein.   „Nein“, sagte ich ehrlich. Ich war noch klein als wir unsere einzige Kutsche verkauft hatten um etwas Essen kaufen zu können.   „Versuch es mal“, sagte er und drückte mir sogleich die Zügel in die Hand.   Ich war so überrascht das ich mich nicht so recht traute sie zu ergreifen, so legte er seine Hände über meine und lenkte.   „Siehst du, es geht ganz einfach. Wenn du nach links lenken willst, musst du nur den linken Zügel anziehen und umgekehrt.“   Für einen Moment durch seine Berührung seiner warmen Hände aus der Fassung gebracht, ergriff ich mutig die Zügel, schüttelte seine Hände ab und lenkte den Karren selbst. Es bereitete mir riesigen Spaß einmal die Pferde selbst zu lenken, statt immer nur neben her zu laufen oder auf dem Karren zu sitzen und so ergriff mich der Übermut und ließ mich die Pferde sogar im Trab laufen.   „Dir scheint es zu gefallen“, lachte Kendall und nahm mir erst kurz bevor wir die kleine Stadt erreicht hatten, die Zügel ab. „Durch die engen Straßen will ich dich jedoch nicht fahren lassen, sonst passieren noch Unfälle“, stichelte er. Darauf erwiderte ich nichts. Verwirrt saß ich da, dachte über den Tag nach und wusste nicht was ich fühlen sollte. Hatte Aileen mir nicht gesagt, das ich nichts zu befürchten hätte? Und doch konnte ich diesen Barbaren nicht trauen, diesen Ungeheuern, die meiner Familie und das Land in Armut und Angst leben lassen. Und doch fühlte ich mich ungewollt gut in seiner Nähe, was ich ihm aber nicht zeigen wollte und die zur Seite tretenden Menschen beobachtete. Im Licht der untergehenden Sonne hatten die Augen dieser Barbaren ein sehr schönes Glühen in sich, doch barg sie eine monströse Gefährlichkeit in sich. Als ich an all die Jahre zurückdachte, die wir in Kummer und Armut wegen ihnen leben musste, gelobte ich mir, mich niemals mit einem anzufreunden. Mir würde nichts übrig bleiben als hier zu leben, doch Freundschaft sollten sie von mir niemals erhalten und schon gar nicht mehr.   In den Ställen des Schlosses angekommen, stiegen wir ab und übergaben den Stallknechten die Pferde, die sie ab sattelten. Bei näherem hinsehen konnte ich feststellen das es zwei Menschen waren. Kendall begleitete mich bis vor das Frauentor, wie ich es gedanklich schon nannte, hinter der sich unser neues zu Hause befand.   „Morgen früh hole ich dich direkt mit dem Karren ab, sie zu das du um fünf hier bist. Wenn du auf dein Frühstück nicht verzichten willst, kannst du eure Köchinnen fragen, sie werden dir etwas herrichten“, sagte Kendall und sah mich eindringlich an.   Ich blickte ihm nur kurz entgegen und senkte meinen Blick, so schön und anziehend diese Augen auch waren, doch ansehen konnte ich sie nicht. Sie bargen so schmerzvolle Erinnerungen, das auch die Schönheit sie einem nicht vergessen ließ.   „Na dann bis morgen“, sagte Kendall etwas bedrückt und ging seiner Wege. Ohne ihm noch eines Blickes zu würdigen ging ich hinein und wollte die kurze Zeit noch genießen, bevor Mackenzie und Deirdre kamen und ihre Wut an mir auslassen würden.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)