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Demon Girls & Boys

von

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Entscheidung

  Entscheidung

 

 

 

Dank seiner Geschwindigkeit und seinem schnellen Reaktionsvermögen konnte Benni Laura noch auffangen, bevor sie auf dem Boden aufkam.

Immer noch vor Schreck was gerade passiert war gelähmt, beobachtete Carsten, wie eine finstere Aura seinen besten Freund umgab. Doch als sie wieder verschwand, schüttelte dieser nur den Kopf.

Zögernd ging Carsten zu den beiden rüber und setzte sich zu ihnen auf die Wiese, während die Dunkelheit bereits das Licht der Sonne verdrängte.

„Ihr Körper nimmt die Energie nicht an?“, vermutete Carsten.

Benni nickte wortlos.

„Was?!? Wieso nicht???“, fragte Ariane panisch.

Da sie von Benni keine Antwort bekam, erklärte Carsten: „Höchst wahrscheinlich blockiert der Schwarze Löwe die Verbindung.“

„A-aber… Warum?“ Besorgt betrachtete Janine Laura, die nahezu so blass wie der Tod war.

Carsten seufzte. „Ich weiß es nicht.“

Kritisch musterte Anne ihn. „Wie: ‚Du weißt es nicht‘?“

„Der Schwarze Löwe ist ein Dämon.“, erklärte er betrübt. „Niemand weiß, was in den Köpfen von Dämonen vor sich geht. Selbst diese Geschichte, dass sie sich auf unserer Welt befinden um die Sünder zu beseitigen, ist eigentlich nur ein Märchen.“

„Und… Was machen wir jetzt mit Laura?“ Ariane schaute ihn fragend an.

Beschämt wich Carsten ihrem Blick aus, als sich das Schlagen seines Herzens plötzlich beschleunigte, und schaute stattdessen auf Laura. Sie schien seelenruhig zu schlafen, als wäre alles in Ordnung. Doch Carsten wusste, dass dem nicht so war.

„Vielleicht sollten wir sie erst einmal auf die Krankenstation bringen.“, schlug er vor. „Dort ist eigentlich immer jemand, der uns rufen könnte, falls etwas passiert.“

Ariane schnaubte. „Kann sie nicht wie letztes Mal in unserem Zimmer bleiben?“

„Das geht nicht, Nane.“, widersprach Susanne ihr in einem sanften Ton. „Carsten hat schon Recht, in der Krankenstation ist immer jemand und wir können nicht schon wieder den Unterricht schwänzen, um auf Laura aufzupassen, falls sie vielleicht aufwacht.“

„Ja, aber…“ Frustriert gab Ariane das Diskutieren auf. Sie wusste selbst nur zu gut, dass sie sich unnötiges Fehlen im Unterricht nicht leisten konnten. Schon gar nicht jetzt, denn so langsam aber sicher ging es auf die Halbjahresprüfungen zu.

„Aber wehe Laura wird dort links liegen gelassen!“, drohte Ariane ihm.

„Denkst du wirklich, wir würden so etwas machen?“ Ein wenig verletzt war Carsten durch ihr mangelndes Vertrauen tatsächlich.

Immerhin war Laura seine beste Freundin, nein, mehr noch, sie war für ihn wie eine kleine Schwester. Er würde nie im Leben zulassen, dass man sie ‚links liegen ließ‘!

Ariane schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht, dass ihr so etwas machen würdet. Aber wer weiß, wie die anderen Sanitöter so ticken.“

Anne lachte auf. „Sanitöter?!?“

„Das sind alles ganz nette Leute, Nane.“, versuchte Susanne sie zu beruhigen.

„Und abgesehen davon…“, ergänzte Öznur kichernd, „…Laura ist im Prinzip ein VIP. Niemand würde es wagen, die Freundin des Schulsprechers schlecht zu behandeln. Besonders, da sich jene Sache mit der Bürgermeistertochter-Tussi schon in der ganzen Schule rumgesprochen hat.“

Das schien Ariane nun überzeugt zu haben, die sich wie die meisten anderen Mädchen lachend an die Geschichte mit Lisa Rapuko zurückerinnerte.

Carsten konnte sich jedenfalls ein Lächeln nicht verkneifen, obwohl die gegenwärtige Situation eigentlich nicht zum Lachen war. Folglich verstummte auch jeder, als Benni aufstand und Laura Richtung Kranken- und Bürogebäude trug.

Der Rest der Gruppe warf sich betroffene Blicke zu.

„Ich glaube, Benni nimmt das ganz schön mit…“, wisperte Janine.

„Natürlich… Immerhin war er ja wirklich fest davon überzeugt, dass Laura überleben wird. Aber eben sieht es nicht wirklich danach aus, wenn der Schwarze Löwe sogar eine Energietransfusion verhindert.“, meinte Susanne geknickt.

Carsten schüttelte den Kopf. „Benni ist viel zu stur. Dieser Zwischenfall wird seine Ansicht garantiert nicht ändern. Zum Glück…“

Seufzend richtete Ariane den Blick auf den Boden. „Hoffentlich behält er Recht…“

 

Erschöpft legte sich Carsten auf das Krankenbett neben dem von Laura. Er hatte extra mehrere Schichten von seinen Mitschülern übernommen, um öfter bei ihr zu sein und war eigentlich nur noch zum Duschen und Umziehen in sein Zimmer gegangen, sodass seine Zimmergenossen Adrian und Jan schon belustigt gefragt hatten, wo er die Nächte in letzter Zeit verbrachte. Als er ‚auf der Krankenstation‘ geantwortet hatte, waren sie allerdings sofort still gewesen.

Trotzdem war Laura in den letzten Tagen nur einmal kurz aufgewacht und selbst in dieser Zeit hatte sie beängstigend matt gewirkt. Laura hatte noch nicht einmal geweint, was Carsten um ehrlich zu sein ziemlich überraschte. Sie hatte sich einfach nur an ihre Stoffkatze gekuschelt und gemurmelt: „Ich hab Angst…“

Carsten hatte noch nicht einmal Benni holen können, denn sie war nach diesen Worten sofort wieder eingeschlafen.

Seufzend schaute er auf die Uhr. Es war der zwölfte Mai, kurz vor sechs Uhr morgens.

Carsten war die ganze Nacht aufgeblieben, falls Laura vielleicht doch noch mal aufwachen würde, doch nichts war passiert. Er schaute in dem schwachen Kerzenlicht zu ihr rüber.

Noch atmete sie…

Carstens Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln. „Alles Gute zum Geburtstag, Laura…“

Er betete inständig, dass es nicht der letzte sein würde.

In dem Moment piepste der Wecker und verkündete somit, dass nun sechs Uhr war.

Etwa im selben Augenblick hörte er ein ersticktes Atmen.

„Laura?!?“ Sofort sprang Carsten aus dem Bett und stürzte zu ihr rüber.

Ein grausiger Kälteschauer überkam ihn, als er erfolglos nach Lauras Puls tastete. Sie hatte keinen mehr…

„Laura…“ Schluchzend sackte er in die Knie und vergrub sein Gesicht in ihrer Bettdecke.

War es das? War das ihr Ende?!? Einfach so?!?!?

„Laura, mach die Augen auf! Du darfst nicht sterben!!!“, schrie er verzweifelt.

In diesem Moment erinnerte er sich an jede Sekunde, jeden noch so kurzen Moment, den sie miteinander verbracht hatten. Jeden Moment in dem sie miteinander geweint und gelacht hatten.

Es waren viel zu wenige Momente gewesen…

Carsten spürte eine Hand auf seiner Schulter. Immer noch schluchzend drehte er sich um und schaute in Bennis nachtschwarzes Auge, in dem sich nicht die geringste Gefühlsregung zeigte.

„Sie… Sie ist tot…“, brachte Carsten die grausame Wahrheit mühsam über die Lippen.

Wortlos setzte sich Benni auf die Bettkante und nahm Lauras Hand. Er brauchte noch nicht einmal ihren Puls zu fühlen… Er hatte vermutlich von seinem Zimmer aus die bedrückende Stille bereits hören können.

Eine Stille, die einst von Lauras Herzschlag gefüllt wurde.

Carsten hätte jedenfalls in diesem Moment eine Gefühlsregung von Benni erwartet, doch diese blieb aus.

„Noch nicht.“, meinte Benni schließlich.

Ungläubig starrte Carsten ihn an. Laura hatte keinen Herzschlag mehr, wie konnte sie dann noch nicht tot sein? Doch er hoffte von ganzem Herzen, dass Bennis Worte nicht nur ein Wunschdenken waren.

Dieser schloss die Augen und für einen Augenblick war der ganze Raum in tiefste Finsternis getaucht.

Als die Lichtstrahlen der Kerzenflamme und der aufgehenden Sonne sich endlich wieder durchsetzen konnten, bemerkte Carsten erstaunt, dass Benni auf einmal einen Strauß mit insgesamt zwölf pechschwarzen Rosen in der Hand hielt.

Eine dieser Rosen legte er über die Stelle, an der eigentlich Lauras Herz schlagen sollte und verschränkte ihre Hände über ihr, als würde Laura die Rose halten.

Verwirrt musterte Carsten erst Laura, die immer noch reglos dalag, dann die schwarze Rose und schließlich Benni.

„Was hast du gemacht?“

Mit seiner Wasser-Energie füllte Benni die Kristallvase auf Lauras Nachttisch und stellte dort die restlichen Rosen hinein.

„In ihnen befindet sich Finsternis-Energie.“, antwortete er nach verrichteter Arbeit.

Carsten wusste, dass er normalerweise schon alleine aus dieser Erklärung verstanden hätte, was Benni mit den Rosen vorhatte, in denen sich Finsternis-Energie befand. Doch er war immer noch viel zu durcheinander.

Laura war tot!

Und selbst mit dieser Finsternis-Rose in der Hand atmete sie nicht!!!

„Noch hat der Schwarze Löwe nicht entschieden.“, erklärte Benni es ihm ausführlicher. „Vermutlich hat er ihre Seele aus ihrem Körper gezogen und sie in die Zwischenwelt gebracht.“

Nun machte es in Carstens Kopf endlich Klick und er schöpfte Hoffnung.

Die Zwischenwelt, so hieß es, war die Welt zwischen dem Reich der Dämonen, der Lebenden und der Toten. Es war eigentlich logisch, dass der Schwarze Löwe Laura in die Zwischenwelt mitnahm, denn nur dort konnten sie von Angesicht zu Angesicht sprechen.

Die Schreine der Dämonen, in denen die Dämonenbesitzer ihre Prüfungen absolvierten, waren im Prinzip auch nichts weiter als ein Übergang in diese Welt.

Doch da sich Lauras Seele nun in der Zwischenwelt und nicht mehr in ihrem Körper befand, war ihr Körper logischer weise nicht in der Lage zu leben, denn ihm fehlte die Energie, die er eigentlich über die Seele bekam.

Diese Rosen gaben ihm nun die nötige Energie, sich in einem Zustand zwischen Leben und Tod zu befinden, sodass Lauras Seele wieder zurückkehren konnte.

Falls der Schwarze Löwe sich entschied, bei ihr zu bleiben…

„Warum bist du dir eigentlich so sicher, dass der Schwarze Löwe sie nicht verlässt?“, fragte Carsten Benni verwundert.

Benni erwiderte kurz seinen Blick, sagte schließlich aber doch nichts dazu. Stattdessen meinte er: „Die Energie einer Rose hält nur eine Stunde, dann musst du ihr die nächste geben.“

Verwirrt schaute Carsten Benni an. „Du bleibst nicht bei ihr?“

Dieser schaute an sich runter und Carsten bemerkte erst jetzt belustigt, dass er nichts weiter als eine schwarze Jogginghose und ein T-Shirt trug. Noch nicht einmal Schuhe hatte er angezogen. Er war also sofort nachdem er aufgewacht war zu Laura auf die Krankenstation gekommen.

Carsten kicherte. Auch wenn Benni seine Gefühle für Laura nicht verstand… Sie waren mehr als eindeutig.

Benni verdrehte seufzend die Augen und erhob sich vom Bett.

Doch bevor er ging, beugte er sich noch einmal kurz zu Laura herunter, strich ihr sanft ein paar Haare aus dem Gesicht und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

„Grins nicht so.“, meinte Benni, als sein Blick auf Carsten fiel, ehe er sich zum Gehen wandte.

Und Carsten grinste trotzdem, während er beobachtete, wie sein bester Freund den Krankensaal verließ. Er war in gewisser Weise gerührt, wie Benni seine Zuneigung zu Laura zeigte. Er war immer für sie da wenn es ihr schlecht ging und meistens bekam Laura das noch nicht einmal mit. Carsten war sich sicher, dass Benni ohne mit der Wimper zu zucken für sie durch die Hölle gehen würde.

Immer noch lächelnd betrachtete er Laura, die gar nicht wirklich tot wirkte, sondern einfach nur friedlich zu schlafen schien.

Wenn du wüsstest…

 

~*~

 

Ariane hatte fürchterliche Angst, zu Laura und Carsten auf die Krankenstation zu gehen. Sie wollte dort nicht ankommen und erfahren, dass ihre beste Freundin nicht mehr unter ihnen weilte…

Na gut, wenn Laura inzwischen tatsächlich gestorben war, hätte sie vermutlich ziemlich bald davon erfahren, doch noch hatte ihr niemand diese Hiobs-Botschaft überbracht. Einerseits würde Ariane es vermutlich nicht verkraften, bei Lauras letzten Atemzug bei ihr zu sein… Aber andererseits wollte sie die restliche Zeit, die Laura blieb, auch bei ihr verbringen…

Hin und her gerissen hatte Ariane an diesem Sonntag erst um zehn Uhr das Bett verlassen und war frühstücken gegangen, obwohl sie schon seit sieben wach war.

Viel zu früh fürs Wochenende, doch heute war nun mal ein besonderer Tag. Im negativen oder -hoffentlich- positiven Sinne.

Im Mensaturm traf Ariane auf fast alle anderen ihrer Gruppe, nur Susanne, Carsten und Benni fehlten. Susanne war laut Ninie sofort nach dem Essen auf die Krankenstation gegangen und Carsten hatte die letzten Tage sowieso fast nur noch dort verbracht.

Ariane war von Carstens Fürsorge ziemlich beeindruckt. Natürlich wusste sie, dass er mehr als nur sehr hilfsbereit war. Aber so wie er sich in letzter Zeit Tag und Nacht um Laura gekümmert hatte… Er hatte in diesen Tagen kaum etwas gegessen oder geschlafen und sah inzwischen genauso mitgenommen aus, wie damals, als Benni nach diesem schrecklichen Feuer zwei Tage lang im Koma gelegen hatte und er sich um ihn gekümmert hatte.

Ariane seufzte, gab sich einen Ruck und schaute die anderen fragend an. „Wollen wir rübergehen?“

Öznur nickte zögernd.

Obwohl der Krankensaal mit seinen sanften orangenen Wänden, den idyllischen Bildern und der fluffigen Wolkendecke eigentlich ganz gemütlich wirkte, überkam Ariane beim Betreten dieses Raumes ein kalter Schauder.

Irgendetwas stimmte hier nicht, das merkte sie sofort.

Ihr Blick fiel auf das zurzeit einzige belegte Bett. Laura schien zu schlafen, wie die ganzen Tage zuvor…

Schmunzelnd bemerkte Ariane, dass Carsten mit dem Rücken an Lauras Bett gelehnt auf dem Boden saß, den Kopf leicht zur Seite geneigt hatte und friedlich schlummerte. Da niemand ihn aus dem verdienten und bitter nötigen Schlaf reißen wollte, schlichen die Mädchen leise zu den beiden rüber, um Laura aus der Nähe zu betrachten.

Und in genau dem Moment wusste Ariane die Ursache für den Schauder, den sie beim Betreten des Raumes bekommen hatte. Lauras Brustkorb hob und senkte sich nicht, wie es bei einer schlafenden Person eigentlich sein sollte…

Janine schlug die Hände vor den Mund, um ein Aufschluchzen zu verhindern, während Ariane kraftlos in die Knie sackte.

„Nein Laura… Du darfst nicht tot sein…“, murmelte sie während ihr die Tränen über das Gesicht rannen.

„Warum hat Carsten uns nicht geholt?“, beschwerte sich Öznur schluchzend, aber dennoch mit gedämpfter Stimme.

„Vielleicht hat er schon geschlafen, als sie…“, vermutete Anne, hörte aber mitten im Satz auf, um die furchtbare Wahrheit nicht aussprechen zu müssen.

Weinend nahm Ariane Lauras Hand, die eiskalt war… So kalt wie der Tod…

Dabei fiel eine schwarze Rose neben ihr auf die Bettdecke. Verwirrt stellte Öznur sie in eine Vase, in der sich weitere dieser Rosen befanden und entfernte drei welke Blütenblätter, die auf Laura lagen.

 

~*~

 

„Verdammt noch mal, hör mir endlich zu Benni!“, fuhr Sarah ihn vorwurfsvoll an.

Benni richtete seinen Blick auf sie, der zuvor in unbestimmte Ferne abgeschweift war.

Die braunen Augen der Schulsprecherin hatten sich zu verärgerten Schlitzen verengt. „Also, was ist nun mit der Schuluniformen-Reform? Haben du und der Direktor endlich auch unterschrieben?“

„Her Bôss unterzeichnet nur unter der Bedingung, dass auch die männlichen Schüler die Wahl zwischen Rock und Hose bekommen.“

Maximilian, der ehemalige Schulsprecher, schaute Benni verwirrt an. „Ich dachte, das hätte er nur zum Scherz gesagt…“

„Das ist ja…“ Coralin, die ehemalige Schulsprecherin verzog das Gesicht.

Der Vertrauensschüler lachte auf. „Ach was, er nimmt nur die Geschichte mit der Gleichberechtigung etwas zu ernst.“

Nadja, die Vertrauensschülerin schnaubte. „So ein Unsinn, ich finde, der Direktor hat Recht. Warum sollten nur wir Mädchen wählen dürfen? Das wäre doch unfair.“

Sarah nickte nachdenklich. „Es ist zwar echt… seltsam, aber im Prinzip stimmt es schon.“

Lachend schlug Christoph vor: „Ergänze den Teil doch einfach. Ich bezweifle sowieso, dass irgendein Junge diese Möglichkeit nutzen wird.“

„Außer um seine Mitschüler oder die Lehrer zu ärgern.“, ergänzte die ehemalige Vertrauensschülerin belustigt.

Seufzend gab sich Sarah geschlagen. „Mir soll’s Recht sein. Hauptsache, wir können endlich Hosen tragen.“

Sie schob Benni das Formular entgegen, doch just in dem Moment, in dem er es an sich nehmen wollte, fuhr ein qualvoll stechender Schmerz durch sein rechtes Auge. Benni zuckte zusammen und presste die Hand darauf, als er spürte, dass eine warme Flüssigkeit über seine Wange lief.

Eine ähnliche Situation hatte er bisher erst einmal vor knapp zwölf Jahren erfahren müssen, doch er erinnerte sich nur zu gut, wie schmerzhaft und entkräftend sie war.

Allerdings wusste er auch instinktiv die Ursache.

So mühte er sich mit aller Macht, die er noch hatte, auf die Beine, wäre allerdings sofort in die Knie gesackt, hätte Christoph nicht reagiert und ihn gestützt.

„Benni?! Was hast du?!?“ Trotz ihrer Lautstärke hörte Benni Janas Stimme nur gedämpft.

Ein Rauschen betäubte seine Ohren und blutroter Nebel behinderte seine Sicht, während die Qualen in seinem Auge ihn in die Besinnungslosigkeit reißen wollten.

„Was ist hier los?“ In dem Bruchteil eines Atemzugs hatte der Direktor das Zimmer durchquert.

„Die Rose… Ohne sie stirbt Laura.“, keuchte Benni mit der letzten Kraft, die ihm blieb, ehe der Schmerz die Oberhand gewann und ihn in einen dunklen Abgrund riss.

 

~*~

 

„Was zum Teufel habt ihr gemacht?!?“

Der lautstarke Fluch des Direktors riss Carsten aus dem Schlaf und brachte fast sein Herz zum Stillstand.

Ihm fiel auf, dass inzwischen die anderen Mädchen gekommen waren, die bei dem scharfen Ton von Herr Bôss erschrocken zusammenzuckten.

„Wir… Gar nichts!“, widersprach Öznur und Carsten bemerkte, dass Tränen über ihre Wangen liefen.

Eine furchtbare Erkenntnis überkam ihn und trotz des aufkommenden Schwindels fuhr er zu Laura herum.

Die Rose war nicht mehr dort, wo sie sein sollte.

Eilig fischte er eine der Energie-Rosen aus der Blumenvase, legte sie Laura über die Stelle ihres Herzens und verschränkte ihre Hände über ihr, sowie Benni es vor einigen Stunden gemacht hatte.

Carsten überkam eine schreckliche Angst. Wie lange war Lauras Körper nun schon ohne Energie gewesen?!?

„W-was… Was ist denn los?“, fragte Ariane verwirrt und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.

„Laura ist nicht tot!“, erklärte Carsten aufgebracht und hoffte, dass die Rose erst vor kurzem entfernt worden war. „Ihre Seele befindet sich nur in der Zwischenwelt und die Rosen liefern ihrem Körper die nötige Energie, um nach dieser Übergangszeit wieder in der Lage zu sein, leben zu können!“

„Oh Gott… Das wusste ich nicht!“, rief Öznur verzweifelt aus.

Susanne betrat aus einem Nebenzimmer den Raum und schaute die Gruppe verwirrt an. „Was habt ihr denn?“

Anne schnaubte. „Öznur hat vermutlich die Rückkehr von Lauras Seele vereitelt, falls sich der Schwarze Löwe dazu entscheidet, bei ihr zu bleiben.“

„Ich hatte doch keine Ahnung!!!“

Susanne seufzte. „Man kann euch ja echt nicht eine Sekunde alleine lassen.“

„Genau! Wo warst du? Du hättest uns die Sache mit der Rose erklären können!!!“, schrie Ariane sie vorwurfsvoll unter Tränen an.

„Auf dem WC. Ich bin auch nur ein Mensch.“, meinte Susanne ruhig.

„Nein, du bist ein Halbdämon!!!“, schrie Ariane verzweifelt.

„Mädels, jetzt seid ruhig. Von eurem Gekreische bekommt man ja Kopfschmerzen.“ Enerviert massierte sich Herr Bôss die Schläfen. „Diese paar Sekunden ohne Energie verkraftet ihr Körper vermutlich noch.“

Carsten atmete erleichtert auf. Ein Glück, dass der Direktor anscheinend rechtzeitig gekommen war…

Diese Tatsache verwirrte ihn jedoch etwas. „Danke für Ihre Hilfe, aber… woher wussten Sie, dass Laura fast gestorben wäre? Und dass sie die Rose zum Überleben braucht?“

Der Direktor deutete mit dem Daumen hinter sich, wo in genau diesem Moment der ehemalige Vertrauensschüler in den Krankensaal kam. Er stützte Benni, was Carsten dazu veranlasste, sofort zu ihm zu hasten.

„Benni?“ Voller Sorge musterte er seinen besten Freund. Benni atmete schwer und war genauso leichenblass wie Laura. Eine Hand hatte er auf sein rechtes Auge gepresst und Carsten stellte geschockt fest, dass eine dünne Blutlinie bis zu seinem Kinn lief und von dort auf den Boden tropfte.

Christoph half Benni, sich auf das nächstgelegene Bett zu setzen und erklärte Carsten schließlich: „Er ist plötzlich zusammengebrochen und hat nur noch was gesagt von wegen das Laura ohne die Rose stirbt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, was er damit gemeint hat, aber Herr Bôss hat’s anscheinend sofort kapiert.“

Jetzt verstand Carsten, wie der Direktor so schnell eingreifen konnte.

Doch warum war Benni zusammengebrochen? Und warum blutete er?!? Gab es da mit Lauras Lage irgendeinen Zusammenhang?

Carsten setzte sich neben Benni auf das Bett und berührte vorsichtig seine Schulter. Susanne brachte ihm einige Tücher, während der Rest neugierig nähergekommen war und gar nichts mehr zu kapieren schien. Carsten ging es zwar nicht wirklich anders, doch die Sorge um seinen besten Freund behielt die Oberhand.

„Geht’s?“, erkundigte er sich und nahm eins der Tücher.

Benni deutete ein Nicken an, entfernte die Hand aber trotzdem nicht von seinem Auge.

Öznur seufzte. „Jungs, ihr schafft es echt immer wieder, uns zu verwirren. Jetzt haben wir endlich gecheckt, was es mit dieser Rose auf sich hat, da kommst du halbtot zu uns ins Krankenzimmer!“

„Was kann ich dafür, wenn ihr Laura fast umbringt?“, erwiderte Benni ungewohnt bissig, klang aber so kraftlos, dass er gar nicht wirklich bissig wirkte.

Also hing sein besorgniserregender Zustand wirklich mit Lauras Situation zusammen.

„Aber warum brichst du deswegen zusammen?“, fragte Carsten irritiert.

Endlich entfernte Benni die zitternde Hand von seinem Auge, behielt es aber geschlossen.

„Das ist das Los eines Dämonengesegneten.“, antwortete er nur, strich sich die zum Teil blutverschmierten Haare aus dem Gesicht und öffnete sein rechtes Auge.

Carsten fiel ein, dass die anderen dieses Auge noch nie gesehen hatten und es nun interessiert betrachteten. Doch es sah anders aus, als sonst.

Mehrere Blutlinien liefen von dem Auge aus über Bennis feines Gesicht, als wären sie Tränen. Das Auge selbst pulsierte blutrot, als bestünde seine Iris aus reiner Energie und der Schlitz der Katzenartigen Pupille verlieh Bennis mattem Blick eine angsteinflößende Wirkung. Der Augapfel war gerötet und die kleinen Adern waren geschwollen und deutlich zu sehen.

„Deshalb habe ich gespürt, dass Laura stirbt.“, sprach Benni mit seiner tonlosen Stimme in das betroffene Schweigen.

Es sah nämlich wirklich unerträglich schmerzhaft aus.

Anne verzog das Gesicht. „Keine angenehme Nachrichtenübermittlung.“

„Also stimmt es tatsächlich, dass die primären Dämonengesegneten ihre Macht verlieren, wenn der entsprechende Dämon den Besitzer verlässt.“, stellte Susanne fest.

Benni nickte nur.

„Der Schwarze Löwe hat Laura verlassen?!?!“, schrie Ariane panisch auf.

„Nein, nein.“, versuchte Susanne sie zu beruhigen. „Der Dämon verlässt seinen Besitzer für gewöhnlich dann, wenn der Körper nicht mehr überlebensfähig ist. Das wäre der Fall gewesen, wenn Laura noch länger ohne eine Energiezufuhr gewesen wäre. Aber da Bennis Auge immer noch rot ist, konnte es anscheinend noch rechtzeitig verhindert werden.“

Erleichtert atmete Ariane auf, während Susanne eines der Tücher befeuchtete und es dann Benni reichte. Dieser wischte sich damit einen groben Teil des Blutes aus dem Gesicht und von der Hand, sah aber immer noch besorgniserregend erschöpft aus.

„Am besten, du legst dich etwas hin und ruhst dich aus…“, riet Carsten ihm besorgt und war erstaunt, dass sich Benni tatsächlich ohne Widerworte in das Bett legte.

Der ehemalige Vertrauensschüler seufzte. „Ich geh lieber mal zurück zu den anderen und sage ihnen, dass alles in Ordnung ist.“

Er ging zur Tür, kam aber nach kurzer Zeit noch mal zurück. „Ihr habt übrigens Besuch.“

Hinter Christoph betrat niemand anderes als Eagle den Krankensaal. „Hi, Leute.“

Während Carsten unverzüglich zusammenzuckte, als er seinen Bruder erblickte, rannten Öznur und Lissi sofort zu ihm.

„Eagle, was machst du hier?!“, fragte Öznur lachend und gab ihm zur Begrüßung eine kurze Umarmung, wie sie es gerne bei einem ihrer guten Freunde tat. Auch Lissi warf sich für einen Moment um seinen Hals.

Schließlich antwortete Eagle: „Ich wollte mal sehen, wie es Laura so geht.“

Susanne seufzte. „Noch hat der Schwarze Löwe keine Entscheidung getroffen… Jedenfalls scheint sich ihre Seele in der Zwischenwelt zu befinden.“

Eagle nickte nur.

„Wie bist du eigentlich hierher gekommen?“ Ariane schaute ihn verwundert an.

„Bei diesem schönen Wetter hatte ich Lust auf einen Rundflug.“, scherzte er und wurde von einem Bellen an der Tür bestätigt.

Mit wenigen Schritten hatte Wolf das Bett erreicht, in dem sich Benni hingelegt hatte und schleckte ihm über die rechte Wange, offensichtlich erfreut, ihn zu sehen. Wobei es auch sein könnte, dass Wolf ihm lediglich einige übriggebliebenen Bluttropfen wegwischen wollte.

Benni drehte sich auf die Seite, um Wolf den Kopf zu kraulen, als Raven zu ihm aufs Bett hopste und sich an Bennis Brust schmiegte. Dicht gefolgt von Chip, der anscheinend endlich ins Gebäude kommen konnte und sich nun zufrieden über Bennis Kopf zusammenkugelte.

Amüsiert beobachteten die anderen, wie sich die ganzen Tiere um Benni versammelten und sich an ihn kuschelten.

Sie schienen ihn wirklich gern zu haben… und er sie.

Schließlich fiel Öznur auf: „Moment… Hast du Wolf und Raven mitgebracht?“

Eagle nickte seufzend. „Der Köter hat sich an mein Hosenbein gebissen, bis ich ihn und die Katze endlich mitgenommen habe.“ Verärgert funkelte er Wolf an. „Woher zum Teufel wusstest du eigentlich, dass ich zur Coeur-Academy wollte?!“

Wolf antwortete mit einem Bellen, was natürlich bis auf eine Person niemand verstehen konnte.

„Benni, kannst du bitte mal dolmetschen?“, forderte Ariane ihn auf.

„Ich habe so meine Kontakte.“, übersetzte Benni, immer noch mit einer besorgniserregend matten Stimme.

Verwirrt musterte Eagle die anderen. „Was ist denn passiert?“

Also berichteten die Mädchen ihm von der Sache, dass Lauras Seele fast nicht mehr in ihren Körper hätte zurückkehren können, hätte Benni durch das Los eines Dämonengesegneten nicht gespürt, dass sie sterben würde.

Anne zuckte mit den Schultern. „Hätte Öznur die Rose nicht in die Vase gestellt, wäre das alles nicht passiert.“

„Hey, sie ist von alleine runtergefallen!“, verteidigte sich Öznur empört. „Und abgesehen davon wusste ich davon halt nichts!!!“

„Hauptsache ist doch, dass sie noch lebt.“, beruhigte Eagle sie.

Janine nickte erleichtert. „Ja, zum Glück hat Benni es bemerkt.“ Sie warf ein dankbares und mitleidiges Lächeln in Bennis Richtung, hielt aber inne. „Benni?“

Von Benni kam keine Antwort.

Susanne kicherte. „Ich glaube, er ist eingeschlafen.“

„Er kann sonst nie in Anwesenheit anderer Menschen schlafen.“, stellte Carsten besorgt fest. „Dieser Vorfall muss ihn wirklich ganz schön entkräftet haben…“

 

~*~

 

Laura hatte sich schon lange nicht mehr so stark gefühlt.

Moment… So stark? Sie lag doch schon seit einer Woche total entkräftet im Bett, warum fühlte sie sich auf einmal stark???

Verwirrt schlug Laura die Augen auf, allerdings änderte das trotzdem nichts an ihrer Umgebung. Um sie herum war pure Dunkelheit, wie wenn sie die Augen geschlossen hielt.

„Na? Endlich aufgewacht?“, bemerkte eine zwar freundliche, aber dennoch sarkastische Stimme.

Erschrocken drehte sich Laura um und schaute in pechschwarze Augen. Im ersten Moment hatte sie sich Benni erhofft, doch kurz darauf stellte sie schaudernd fest, dass diese Augen zu einem gewaltigen schwarzen Löwen gehörten.

Dem Schwarzen Löwen.

Der Schwarze Löwe hatte seine Tiergestalt und lag zufrieden auf einer Seite, während er belustigt beobachtete, wie Laura aufstand und überrascht feststellte, dass sie den Boden nicht von dem Rest unterscheiden konnte, weil einfach alles schwarz war. Laura fragte sich, wie sie bei dieser Schwärze überhaupt den Schwarzen Löwen sehen konnte, doch sie sah ihn nun mal.

Als Laura sich schließlich eingestand, dass sie in diesem Nichts vermutlich gefangen war, richtete sich der Schwarze Löwe auf und nahm sein menschliches Aussehen an, in dem Laura ihn bei ihrem letzten peinlichen Treffen bereits kennen gelernt hatte. Jenes peinliche Treffen, bei dem sie peinlich heulend aus dem Schrein gerannt war.

‚Leo‘ fuhr sich mit der Hand durch das verwuschelte schwarze Haar. „Laura, Laura… Was mach ich nur mit dir?“

Laura biss sich auf die Unterlippe. Das fing ja schon mal prima an…

Leo setzte sich im Schneidersitz auf den nicht vorhandenen Boden und nach einem kurzen Zögern tat Laura es ihm gleich.

Nach einer Weile bemerkte sie, dass das anscheinend keine rhetorische Frage gewesen ist. „Ich… Keine Ahnung.“, antwortete sie geistreich.

Leo seufzte. „Sei ehrlich. Würdest du, wenn du der Dämon wärst, jemanden wie dich verlassen?“

Na toll, eine ehrliche Antwort.

Verbissen senkte Laura den Blick und nickte. Ja, sie würde so jemanden wie sich verlassen, wenn sie der Dämon wäre. Immerhin war dieser Jemand seit Lebzeiten total peinlich, zu nichts in der Lage, außer sich in Schwierigkeiten zu bringen und heulte ständig herum.

Laura hasste diese Eigenschaften an sich.

„So, so.“ Leo kicherte. Schließlich meinte er: „Du hast Recht, ich sollte dich wirklich verlassen.“

Laura stockte der Atem.

Das war es? Das war seine Entscheidung?!? Einfach so?!?!?!?

„A-aber…“ Sie wusste gar nicht, warum sie es überhaupt versuchte, ihm zu widersprechen. Sie hatte keine ausschlaggebenden Eigenschaften, mit denen sie ihn würde überzeugen können.

Schluchzend rieb sich Laura die Tränen aus den Augen. Sie war verloren…

Leo stöhnte auf. „Du musst doch nicht gleich losheulen.“

Nicht?!? Was würde dann bitteschön ein normaler Mensch machen, wenn er erfährt, dass er nie wieder zu den Lebenden zurückkehren konnte?

Laura würde die anderen nun nie wiedersehen!

Sie war endlich mit Benni zusammengekommen und jetzt war es schon wieder aus!!!

„Hey, ich hab nur gesagt: ‚Ich sollte dich wirklich verlassen‘!“, widerholte Leo seine Aussage.

Hoffnungsvoll schaute Laura ihn an, während immer noch die Tränen über ihre Wangen rannen.

Leo zuckte mit den Schultern. „Aber wenn ich dich so sehe, fällt mir die Entscheidung nicht schwer, tut mir leid.“

Das konnte doch nicht wahr sein!!!

Er war sich noch nicht sicher gewesen und jetzt veranlasste Lauras peinliche Heulerei ihn dazu, sie zu verlassen?!? Warum konnte sie sich nicht ein einziges Mal zusammenreißen?! Frustriert rieb sich Laura die Tränen aus dem Gesicht, denen immer und immer wieder neue folgten.

Sie wollte noch nicht sterben!!!

Nun brach Laura endgültig in Tränen aus.

„Nee, oder?“, kommentierte Leo ihren Heulanfall.

„Was kann ich dafür, dass du mir einfach mein Leben wegnimmst?!“, brüllte Laura ihn verzweifelt an.

„Ich nehme dir dein Leben nicht weg, ich habe es dir überhaupt erst ermöglicht.“, erwiderte er leicht gereizt, „Wäre ich nicht gewesen, hättest du noch nicht einmal mehr ein Jahr gehabt.“ Auf Lauras Schluchzen hin meinte er: „Und ich habe kein Wort davon gesagt, dass ich vorhabe es dir wegzunehmen.“

„Aber das tust du automatisch, wenn du mich verlässt!!!“, schrie Laura ihn verzweifelt an.

„Was ich auch kein einziges Mal erwähnt habe.“

Laura hielt einen Moment inne. „W-wie… Wie meinst du das?“

Seufzend verschränkte Leo die Arme vor der Brust. „Ich meine damit, dass ich nie vorhatte, dich zu verlassen.“

„A-aber… Aber du hast gesagt, dass du dich bis zu meinem sechzehnten Geburtstag entscheiden wirst, ob du mich verlässt, oder nicht.“, erinnerte Laura ihn verwirrt.

„Das war ein Bluff.“ Leo grinste sie frech an.

„Was?!?“ Laura sprang auf. „Du hast mich nur verar- reingelegt?!?“

„Jupp.“

Entgeistert starrte sie den menschlichen Schwarzen Löwen an.

Er hatte sich nur einen Scherz mit ihr erlaubt?

Sie hatte ihr ganzes Leben lang in Verzweiflung und Angst gelebt, nur, weil ein Löwe sich einen Scherz mit ihr erlaubt hatte?!?

„Warum?!?“

Leo zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?“

„Aber du musst doch wenigstens einen Grund gehabt haben! Du hast damit mein Leben ruiniert!!!“, empörte sich Laura lautstark.

„Ich habe es dir damals gerettet, nicht ruiniert.“, berichtigte er sie amüsiert. „Und abgesehen davon: Warum sollte ich einen Grund brauchen?“

„Weil… Keine Ahnung, weil Dämonen so etwas nicht machen!“

Leo lachte auf. „Woher willst du wissen, was für uns Dämonen richtig ist und was falsch?“

„Ihr handelt im Auftrag Gottes! Oder so…“

Kichernd musterte Leo sie. „Ihr Menschen habt keine Ahnung von uns. Wir haben ganz andere ‚Moralvorstellungen‘ als ihr. Wir handeln, wie es uns beliebt.“

Laura fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Dann waren alle Geschichten über die Dämonen, die die Sünder für das Wohl der Menschheit beseitigten, wirklich nur ein Märchen?!?

Dann töteten sie einfach nur aus Lust und Laune?!?

„Dann hast du meine Geschwister wirklich grundlos ermordet?!?!?“, schrie Laura entgeistert.

Leo schüttelte den Kopf und klang endlich mal ganz ernst, als er meinte: „Wenn ich sie nicht erlöst hätte, wären sie für immer verloren gewesen.“

Laura blieb das Herz stehen. „Wie- Wie meinst du das?“

„Du hast es wirklich nicht bemerkt? Wobei… zu dir waren sie ja auch ganz freundlich.“, überlegte er laut.

„Sie waren die freundlichsten Menschen, die ich je kannte!!!“, kommentierte Laura verärgert.

Wollte der Schwarze Löwe Lucia und Luciano unterstellen, böse gewesen zu sein?!?

„Frag Benedict.“, erwiderte er darauf nur achselzuckend. „Ihre Herzen waren von klein auf vergiftet. Lukas hatte sie im Prinzip zu seinen Marionetten gemacht. So war ihm die Herrschaft über Yami gesichert, selbst wenn er den Vorsitz des Siebener Rats nicht geerbt hätte.“

Entkräftetet sackte Laura in die Knie.

Lucia und Luciano waren nicht die gewesen, für die sie sich ausgegeben hatten?

Ihre eigenen Geschwister hatten sie getäuscht und hintergangen?!?

„Aber zu Benni waren sie auch immer total nett…“, widersprach Laura Leo verzweifelt.

Dieser seufzte. „Nur, wenn du dabei warst. In Wahrheit hat es ihnen jedoch genauso wenig gepasst, dass du dich mit diesem ‚Waldläufer ohne Identität‘ abgegeben hast, wie Leon oder Lukas.“

Das war zu viel für Laura, sie konnte einfach nur noch ungläubig den Kopf schütteln.

„Nein, das kann nicht sein…“

„Wie gesagt, frag Benni. So langsam müsstest du doch gelernt haben ihm zu glauben.“ Letzteres sagte der Schwarze Löwe mit einem leichten Schmunzeln.

Lauras Wangen färbten sich knallrot. „Woher weißt du- Bekommst du alles mit, was wir machen?“

Auch die Dinge, die eigentlich sonst niemanden etwas angingen?!?

Na gut, bisher hatte Benni sie höchstens auf die Wange geküsst, aber… Das bekam der Schwarze Löwe mit?

Und er würde auch noch mehr mitbekommen?!?

Leo kicherte. „Natürlich.“

Vor Scham verbarg Laura ihr Gesicht hinter ihren Händen. „Du bist ein Stalker?!?“

Nun konnte sich Leo vor Lachen nicht mehr halten. „So ein Unsinn! Wie schon gesagt, uns Dämonen sind eure moralischen Vorstellungen herzlichst egal. Und du brauchst dir auch keine Sorgen zu machen, wir stehen solchen Liebeleien völlig gleichgültig gegenüber.“ Kichernd ergänzte er: „Falls es dir aber zu peinlich ist, kann ich auch ‚wegschauen‘.“

Laura nickte einfach nur noch mit ihrem hochroten Kopf. Das alles war ihr echt zu peinlich.

„Du wirst sowieso vergessen, dass ich auch noch da bin.“, kommentierte Leo ihren Scham schulterzuckend.

Doch Laura fiel noch etwas Anderes auf. „Du hast gemeint, langsam müsste ich Benni doch glauben. Hatte er mit seiner… Vermutung recht?“

Wenn der Schwarze Löwe wirklich alles mitbekam, dann wusste er auch garantiert, was Benni vermutet hatte. Irgendeine Vermutung, warum er sich so sicher war, dass der Schwarze Löwe sie nicht verlassen würde.

Leo grinste sie belustigt an. „Benedict hat einen ziemlich guten Instinkt.“

Laura schlug sich mit der Hand auf die Stirn. Er hatte es gewusst.

Er hatte es gewusst und sie hatte ihm nicht geglaubt!

„Aus Fehlern lernt man.“, bemerkte Leo lachend, hielt kurz darauf aber inne. „Oh, apropos Benedict, du solltest langsam zurück. Die Zeit bei den Menschen vergeht schneller als hier.“

Laura konnte es nicht fassen. Er ließ sie einfach so gehen?!?

Er hatte sich ihr Leben lang einen fiesen Scherz mit ihr erlaubt und nun ließ er sie gehen, als wäre nichts passiert?!

Doch Laura wollte sich nicht beschweren. Auch sie wollte endlich zurück. Zurück in die Welt der Lebenden; zurück zu Benni, Carsten, Ariane und all den anderen.

Ein Lächeln stahl sich von Lauras Lippen.

Ob gemeiner Scherz oder nicht, jetzt war endlich alles vorbei.

Sie würde nicht sterben.

 

Träge öffnete Laura ihre Augen.

Verwundert fragte sie sich, ob sie im Freien lag, doch kurz darauf bemerkte sie, dass der Wolkenhimmel nur auf die Decke gemalt war.

„L-Laura?“, hörte sie eine verunsicherte Stimme in ihrer Nähe fragen.

Kurz darauf wurde sie auch schon von Ariane mit einer überschwänglichen Umarmung überfallen. „Du bist wach! Ich kann es nicht fassen, du lebst! Du bleibst am Leben!!!“

Lachend drückte Ariane Laura an sich, die die Umarmung überglücklich erwiderte.

Ja, sie war am Leben und sie würde auch noch eine Weile am Leben bleiben können.

Erst jetzt, da sie sich wieder in der Welt der Lebenden befand, spürte Laura, wie eine Last von ihr abzufallen schien. Eine schwere Last, die sie nahezu ihr gesamtes Leben hatte mit sich schleppen müssen.

Erst jetzt spürte sie die Erleichterung.

Sie spürte, dass sie am Leben war.

„Nane, lass uns auch noch was von ihr übrig!“, forderte Öznur sie kichernd auf und schob Ariane soweit es ihr möglich war zur Seite, um Laura auch noch umarmen zu können.

Eine Weile war Laura das Knuddel-Ziel fast aller Mädchen, bis auf Anne, die ihr einfach nur lächelnd auf die Schulter klopfte.

„Okay Mädels, jetzt reicht‘s aber mal. Nun bringt ihr sie ja fast um!“, bemerkte Eagle belustigt.

Laura war gar nicht aufgefallen, dass auch er da war.

Eagle packte ganz sanft ihren Unterarm, jene Begrüßungsgeste, die in Indigo unter guten Freunden verbreitet war.

Ehe sie sich versah, lag sie dann auch schon in den Armen von Carsten.

„Jag mir nie wieder so eine Angst ein!“, forderte er sie lachend auf, doch an seinem festen, fast schon verkrampften Griff konnte Laura merken, dass er das ernst gemeint hatte. Für einen kurzen Moment vergrub Laura ihr Gesicht in seiner Brust und atmete Carstens Duft ein.

„Ich kann nichts versprechen.“, witzelte sie schließlich, als Carsten die Umarmung wieder löste und ihr daraufhin einen leichten Klapps auf den Hinterkopf verpasste. Lachend wollte Laura ihm gegen den Arm boxen, doch sie hielt in der Bewegung inne, als ihr Blick auf Benni fiel. Dieser saß auf einem der Betten neben ihr und hatte bisher keine Anstalten gemacht, sich bemerkbar zu machen, sondern nur schweigend die gut gelaunte und herumalbernde Gruppe beobachtet.

Nahezu automatisch wandelte sich Lauras Ausdruck von Verwunderung zu einem Lächeln.

„Na komm schon Benni, du bist dran.“, meinte Carsten amüsiert und stand auf, um Benni Platz zu machen.

Doch dieser reagierte nicht darauf.

Traurig senkte Laura den Blick. Gerade auf ihr Wiedersehen mit ihm hatte sie sich am meisten gefreut…

Laura hörte ein Knurren, was vermutlich von Wolf kam, und bemerkte, dass Benni daraufhin tatsächlich zögernd aufstand, zu ihr rüber kam und sich auf die Bettkante setzte.

Eine Zeit lang schauten sie sich einfach nur in die Augen, bis Öznur plötzlich rief: „Herrje, das ist ja schrecklich mit euch! Küss sie doch endlich!!!“

„Was?!?“ Verlegen schreckte Laura hoch und hörte endlich damit auf, Benni anzuhimmeln.

„Stimmt ihr Süßen, langsam wird es mal Zeit!“, meinte Lissi kichernd.

„Wie jetzt? Ihr habt euch noch nie geküsst?“, bemerkte Eagle belustigt. „Ich dachte ihr wärt zusammen.“

„Und ab wann ist man deiner Meinung nach ‚zusammen‘?“, fragte Ariane Eagle kritisch.

„Keine Ahnung, aber man sollte sich auf jeden Fall schon mal geküsst haben.“, antwortete dieser schulterzuckend.

Öznur nickte. „Eigentlich schon, aber bei Laura und Benni müssen wir da eine Ausnahme machen, sonst kommen die nie in die Gänge.“

Laura war natürlich wie immer bei diesem Thema knallrot geworden, doch niemand nahm davon auch nur Notiz. Die Gruppe diskutierte ungestört weiter, ab wann man nun eigentlich als offiziell zusammen galt. Benni verdrehte die Augen, sodass nur Laura seine Meinung von der Diskussion der anderen mitbekam und gab ihr dann einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Während Laura noch roter wurde als zuvor, hatte der Rest diesen Kuss zum Teil aus den Augenwinkeln mitbekommen können.

„Ohoooooo.“, kommentierte Öznur das Geschehene lachend. „Das ist doch immerhin ein Anfang.“

Ariane grinste Laura belustigt an. „Na komm Laura, wir haben was zu feiern! Alles Gute zum Geburtstag!!!“

Und schon wurde Laura wieder von Ariane mit ihrer erwürgenden Umarmung überfallen.

Nachdem fast jeder -bis natürlich Benni- Laura zum Geburtstag gratuliert hatte, meinte Lissi plötzlich: „Dann lasst uns endlich feiern!“

Sie zerrte Laura aus dem Bett und kurz darauf hatte sie dank Carstens Magie auch schon ihre normale Kleidung an. Allerdings etwas feiner als sonst.

Laura konnte noch nicht einmal fragen, was die Mädchen eigentlich mit ‚feiern‘ gemeint hatten. Doch kaum waren sie im hinteren Teil des Schulcampus bei den Sportplätzen und dem Ball-Turm angekommen, konnte sie sich die Antwort schon denken.

Oder eher, sie konnte sie bereits sehen.

Links neben dem Ball-Turm am Waldrand schwebten unzählig viele japanische Lampions in der Luft und erhellten die gerade angebrochene indigoblaue Nacht wie orangene Sterne, die mit den eigentlichen Sternen um die Wette leuchteten. Unter ihnen standen einige Tische und Bänke und auf einem separaten Tisch waren Kuchen und sonstige Süßigkeiten.

„Woooooooow.“, staunte Laura.

Sie freute sich riesig. Die anderen schienen tatsächlich damit gerechnet zu haben, dass sie überleben würde. Diese Einkaufstour vor etwa einer Woche war nicht nur ein Bluff gewesen.

„Ich…“ Laura fehlten die Worte.

Gerührt wischte sie sich eine Träne aus den Augen. Dass die anderen tatsächlich an sie geglaubt hatten war das schönste Geschenk, was Laura je bekommen hatte…

„Danke… Vielen Dank…“, schniefte sie.

Lachend klopfte Carsten ihr auf die Schultern.

Laura stutzte. „Moment… Wann habt ihr das alles gemacht?“, fragte sie verwirrt.

„Heute Nachmittag.“, antwortete Susanne. „Beziehungsweise die Kuchen hatten wir über die Woche verteilt gebacken und mit einem Frische-Zauber belegt.“

Eagle lachte auf. „Ernsthaft? Das ist praktisch.“

Laura bemerkte eine kleine Gruppe, die auf sie zukam.

Die Spitze des Zuges bildete… ihr Vater. „Alles Gute zum Geburtstag, meine Liebe.“

Laura hatte das Gefühl, sie würde träumen, als ihr Vater sie doch tatsächlich für einen kurzen Moment in die Arme nahm. Wann hatte er das das letzte Mal gemacht? Laura wusste es schon gar nicht mehr.

Auch ihre Mutter zog sie ganz fest in die Arme. „Alles Gute, mein Liebling.“

„D-danke…“ Laura war vollkommen überfordert mit dieser Situation.

„Was macht ihr eigentlich hier?“, fragte sie verwirrt.

„Wir wollten doch nicht deinen Geburtstag verpassen.“, antwortete O-Kaa-Sama in ihrem liebevollsten Ton. Laura wusste zwar, dass ihre Mutter seit dem Tod von Lucia und Luciano schon immer unter Depressionen litt und ihre Fröhlichkeit daher meist nur aufgesetzt hatte, doch dieses Mal klang es echt. Vermutlich, weil sie heute fast ihr drittes Kind verloren hätte, hätte sich der Schwarze Löwe nicht nur einen Scherz erlaubt.

Was Laura zwar immer noch ärgerte, weil sie ihr ganzes Leben lang wegen dieses dämlichen Scherzes in Angst und Verzweiflung gelebt hatte, aber immerhin war es endlich vorbei.

Einfach nur vorbei.

Rebecca war die nächste, die Laura um den Hals fiel. „Alles, alles Gute! Ich hab dir doch gesagt, dass du dir wegen diesem Kätzchen keine Sorgen zu machen brauchst.“

„Wie jetzt? Hast du auch gewusst, dass er nie vorhatte, mich zu verlassen?“, entfuhr es Laura.

Rebecca legte den Kopf schief. „Echt? Nein, ich hab mir nur gedacht, wenn er unseren allseits geliebten Grummelbär Benni zum Dämonengesegneten macht und sich dieser anscheinend sehr gut mit dir versteht, warum sollte er dich dann noch verlassen?“

Laura konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als Rebecca Benni als Grummelbär bezeichnete. Genauso wenig, wie ein großer Teil der restlichen Geburtstagsgäste.

Ariane hielt inne. „Moment… Wie meinst du das, dass er nie vorhatte, dich zu verlassen?“

Laura seufzte. „Er hat sich nur einen Spaß erlaubt…“

„Was?!? Das ist ja total bescheuert!“, empörte sich ihre beste Freundin. „Du machst dich hier verrückt und bekommst mehrmals einen Nervenzusammenbruch und das alles nur, weil sich der Schwarze Löwe einen Spaß erlaubt hat?!?“

„E- es ist schon okay.“, versuchte Laura sie zu beruhigen.

„Nichts ist okay! Hast du vergessen, wie dich das fertiggemacht hat?!“

Beruhigend legte Janine Ariane eine Hand auf die Schulter. „Nane, wenn Laura meint, es ist okay, dann lass es doch einfach gut sein. Hauptsache es ist vorbei.“

Florian, der überraschender Weise auch gekommen war, nickte. „Wir sollten uns einfach glücklich schätzen, dass der Schwarze Löwe Laura nicht verlassen hat.“

„Beziehungsweise, dass er nie vorhatte, sie zu verlassen.“, berichtigte Konrad kichernd. „Du bist echt gemein Benni, warum hast du ihr das nicht gesagt?“

Das würde Laura auch gerne wissen. Vorwurfsvoll funkelte sie ihren ‚Freund‘ an.

Doch dieser zuckte lediglich mit den Schultern. „Sie hätte mir sowieso nicht geglaubt.“

Geknickt senkte Laura den Kopf. Er hatte auch noch Recht, das war das schlimmste daran.

Ehe sie sich weiter darüber Vorwürfe machen konnte, schob Ariane sie auch schon zum Kuchenbüffet. „Na los, halte deine Rede und eröffne endlich das Büffet!“

Laura schrak hoch. „Rede?!?“

Grinsend verdrehte Anne die Augen. „Als Prinzessin solltest du so was eigentlich aus dem Stehgreif können, aber egal.“

„Kannst du das denn?“, fragte Laura beschämt.

„Klar.“, war Annes nicht allzu motivierende Antwort.

Na prima. Sie schaffte es gerade, sich direkt vor ihren Eltern zu blamieren.

„Sag doch einfach ‚danke, dass ihr alle gekommen seid, das Büffet ist nun eröffnet‘, oder so ähnlich.“, schlug Carsten freundlich vor.

„Ä-ähm… Also… Hallo alle zusammen und danke, dass ihr alle gekommen seid und… öh… ihr… also… ihr könnt jetzt essen.“ Und wieder mal wurde Laura knallrot. Sie hasste es, vor Menschenmengen zu reden… Eine tolle Prinzessin war sie. Es wäre nur verständlich gewesen, wenn der Schwarze Löwe tatsächlich vorgehabt hatte sie zu verlassen.

Die anderen schienen von Lauras Ansage ziemlich amüsiert, stürzten sich aber sofort auf das Büffet, mit Ariane und Anne an der Spitze.

Als endlich jeder etwas zu Essen hatte, saßen sie alle an den Tischen unter dem Sterne- und Lampion-Himmel. Die Stimmung war ausgelassen und obwohl es keinen Alkohol gab, häufig auch ziemlich albern. So, wie wenn man bei guten Freunden saß, bei denen man keine Hemmungen hatte, auch mal seine ‚bescheuerte‘ Seite zu zeigen. Na gut, nicht jeder hatte so eine lustige Seite. Die Direktorin, Lauras Eltern und auch Benni waren so ernst wie immer.

Wobei O-Too-Sama immerhin mit keiner Moralpredigt anfing, obwohl Benni direkt neben Laura saß. Laura würde gerne wissen, ob Carsten oder sonst jemand der Magier ihm irgendeinen Zaubertrank ins Getränk geschüttet hatte, denn O-Too-Sama war heute irgendwie so… anders. Fast so wie ein ganz normaler Vater!

Verwirrt fiel Laura auf, dass Bennis Teller bisher vollkommen unbenutzt war, während ihr eigener sich vor Schokokuchen kaum retten konnte. Immerhin hatte Laura seit Tagen nicht mehr richtig gegessen!

„…Hast du keinen Hunger?“, fragte sie Benni verschüchtert.

Anne schnaubte. „Garantiert mag unser eiskalter Engel keinen Kuchen.“

„So ein Unsinn.“, widersprach Carsten amüsiert. „Benni isst gerne Kuchen, besonders, wenn er Schokolade oder Früchte enthält. Am besten beides zusammen.“

Ariane lachte auf. „Echt?! Wie cool! Aber… Warum isst du dann nichts? Der Kuchen ist total lecker!“

„Keinen Appetit.“ Ohne ein weiteres Wort stand Benni auf und verließ die Geburtstagsgesellschaft.

Geknickt senkte Laura den Kopf. Hatte sie irgendetwas falsch gemacht?!?

Jedenfalls sparte sich O-Too-Sama einen seiner Kommentare.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Laura, dass Susanne und Carsten einen besorgten Blick austauschten.

„Denkst du, das sind immer noch die Nachwirkungen seines Schwächeanfalls?“, fragte Lissis schlauer Zwilling beklommen.

Nach einem kurzen Zögern nickte Carsten schließlich. „Vermutlich… Und seit der Sache mit Eufelia hat er sowieso schon viel weniger gegessen als sonst.“

„Schwächeanfall?!?“ Panisch schaute Laura die beiden an.

Benni hatte einen Schwächeanfall?

Wie konnte das sein?!?

Benni hatte noch nie einen Schwächeanfall!!!

„Beruhig dich Laura, es ist halb so schlimm, wie du denkst.“, meinte Ariane beschwichtigend.

„Na ja, eigentlich ist es nicht halb so schlimm, wenn man bedenkt, dass sie fast gestorben wäre…“, überlegte der Direktor laut.

Öznur stöhnte auf. „Na toll, geht das jetzt schon wieder los? Ich hab doch gesagt, ich wusste nichts davon! Keiner von uns wusste was davon!!!“

„Ja, und genau das hätte Laura fast das Leben gekostet.“, kommentierte der Direktor nüchtern.

„Hä?“ Laura verstand nicht, wovon die anderen da gerade redeten.

„Susanne und Carsten hätten ja auch anwesend sein können und es uns erklären können.“, beschwerte sich Ariane empört.

„Ich war anwesend!“, verteidigte sich Carsten.

„Allerdings nur körperlich. Geistig warst du in deiner Traumwelt.“, präzisierte Anne grinsend.

„Wovon redet ihr?!?“ Laura hatte echt keinen Plan.

Wann war sie denn bitteschön fast gestorben? Der Schwarze Löwe hatte sich doch im Endeffekt nur einen Scherz mit ihr erlaubt. Und das noch nicht einmal am ersten April, was jedenfalls eine Rechtfertigung gewesen wäre…

Endlich schenkten die anderen ihr Beachtung.

„Deine Seele hat sich während der Zeit, die du beim Schwarzen Löwen verbracht hast, in der Zwischenwelt befunden.“, erklärte Carsten, „Damit dein Körper lebensfähig bleibt, hat Benni Rosen aus Finsternis-Energie geschaffen.“

„Aber dummerweise kamen einige intelligente Leute auf die wunderbare Idee, die Rose, die du gehalten hast, zurück in die Vase zu stellen.“, fuhr Anne sarkastisch fort.

„Wie schon tausendmal gesagt: Ich konnte doch nicht wissen, dass Laura ohne die Rose sterben würde!“, widersprach Öznur verzweifelt.

„Ihr müsst echt die ganze Zeit darauf herumhacken, oder?“, stellte Eagle nüchtern fest.

„Sagt derjenige, der die ganze Zeit grundlos seinen kleinen Bruder schikaniert.“, konterte Anne gekonnt.

Eagle schnaubte. „Das geht euch ‘nen Dreck an.“

Bevor mal wieder ein Streit ausbrechen konnte, wechselte Laura das Gespräch zurück zum ursprünglichen Thema. „Aber warum hatte Benni einen Schwächeanfall?!? Nur, weil ich nicht mehr diese Rose gehalten habe? Und warum musste das ausgerechnet eine Rose sein?!?“ Um zu überspielen, dass Laura bei dieser Frage wieder mal rot wurde, ergänzte sie noch: „Und es ist doch jetzt egal, wer die Rose entfernt hat, immerhin lebe ich ja noch.“

Carsten kicherte. „Benni weiß halt, dass Rosen deine Lieblingsblumen sind.“

„Und den Schwächeanfall hat er bekommen, als die Rose entfernt wurde. Denn wenn du tatsächlich gestorben wärst und der Schwarze Löwe dich dadurch automatisch verlassen hätte, hätte er seine Kräfte als Dämonengesegneter verloren.“, erklärte Susanne.

Laura hielt den Atem an. „Also war es in etwa so, wie damals, als ich die Besitzerin des Schwarzen Löwen geworden bin?!“

Sie konnte sich zwar nicht mehr genau daran erinnern, weil sie damals noch so klein war, aber Florian hatte vor einigen Wochen ja erwähnt, dass das wohl ziemlich schlimm gewesen sein musste. Immerhin war Benni etwa zwei Wochen lang bewusstlos gewesen!

Erleichtert atmete Laura aus, als Carsten den Kopf schüttelte. „Der Schwarze Löwe hat dich ja nicht verlassen.“

„Aber es schien trotzdem nicht ohne gewesen zu sein.“, bemerkte Janine betrübt.

Laura gab sich einen Ruck und stand auf. „Ich geh nachsehen, wie es ihm geht.“

„Viel Spaß.“, kommentierte Öznur ihr Vorhaben kichernd, was dafür sorgte, dass Lauras Gesicht abermals knallrot anlief und sie fluchtartig das Weite suchte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Regina_Regenbogen
2020-08-15T22:36:43+00:00 16.08.2020 00:36
Das war spannend!
Ich kann es nicht fassen, dass dieser blöde Löwe sich einen Scherz erlaubt hat! Ich frage mich, ob das echt die ganze Wahrheit ist. Der ist doch irre! Außerdem hat er extra mit Lauras Angst gespielt. Aber gut, der Herrscher der Finsternis ist nunmal kein so netter Typ. Und wieso hat er nicht auch gleich Lukas gekillt? Lauras Geschwister waren doch noch Kinder. Gut, ich bin jetzt einfach mal geduldig. :'D
Antwort von:  RukaHimenoshi
16.08.2020 18:13
Teils wird das noch aufgelöst, aber teils wird man einfach nie verstehen, was in Leos Kopf vor sich geht. XD Mir war wichtig, dass irgendwie durchkommt, dass die Dämonen keine Moralvorstellungen haben und über alles und jedem stehen. Entsprechend hat er auch kein Problem damit, mit Lauras Gefühlen so zu spielen. (Wie auch in Susannes Prüfung. Auch wenn die Beweggründe des Pinken Bärs nachvollziehbar sind, ist das selbst für so eine wichtige Prüfung moralisch einfach nicht vertretbar. Oder bei Lissi, wo der Blaue Wolf einfach mal das Leben aller aufs Spiel setzt, oder bei der Gelben Tarantel mit Janine und Susanne -na gut, die hat zumindest noch geholfen- ... Wenn man es so sieht, sind die Dämonen eigentlich allesamt A***löcher. X'D)
Antwort von:  Regina_Regenbogen
18.08.2020 20:56
Bei den anderen Dämonen merkt man, dass sie bereit sind, Menschen für ihre eigenen Ziele zu opfern. Bei Leo denkt man dagegen, dass er einfach ein ziemlicher Sadist ist. :'D
Aber es passt auch in diese Welt, dass die Dämonen keine Ersatzeltern sind, zumindest keine netten.


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