Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 17: Finstere Bedrohung ------------------------------ Finstere Bedrohung   Unruhig wälzte sich Laura in ihrem Bett umher. Sie konnte nicht einschätzen, wie lange sie schon hier lag ohne Schlaf zu finden. Als sie sich schließlich eingestand, dass sie vermutlich gar nicht mehr würde einschlafen können, stieg sie aus dem Bett und verließ das Gästezimmer, das Konrad und Rina ihr und Ariane zur Verfügung gestellt hatten. Leise schlich sie in ihrem Kimono durch den dunklen Flur, der nur von einem schwachen Lichtfunken des Vollmondes beleuchtet wurde. Sich in dem schwachen Licht unwohl fühlend, tastete Laura nach dem Lichtschalter. Doch gerade als ihre Finger endlich auf ihn stießen, zog sie eine starke Hand davon weg. Erschrocken sog Laura die Luft ein. Ehe sie um Hilfe schreien konnte, hielt ihr eine weitere Hand den Mund zu. Panisch und doch erfolglos versuchte sie sich aus dem starken Griff zu befreien. „Beruhige dich, ich bin’s nur.“, flüsterte eine vertraute und doch nur selten zu hörende Stimme ihr ins Ohr und ließ sie kurz darauf wieder los. Schwer atmend versuchte Laura ihren Herzschlag wieder zu beruhigen, bevor sie sich zu ihm umwandte. Zumindest war es in der schwachen Beleuchtung weniger leicht, ihr errötetes Gesicht zu sehen. „Was ist denn los?“, fragte sie im Flüsterton, da es hoffentlich einen guten Grund gab, warum Benni ihr fast einen Herzinfarkt beschert hatte. Dieser wies Richtung Fenster. Laura folgte seinem Blick. Erschrocken wich sie zurück und stieß dadurch gegen ihn. Hätte Benni sie nicht an den Schultern gehalten, wäre es Lauras Knien vermutlich nicht gelungen, sie noch länger tragen zu können. „W-Wie viele von de-denen sind denn d-da?“, stammelte sie. „Mehr als genug.“, kam Bennis Antwort so leise, dass Laura alle Mühe hatte, ihn verstehen zu können. Darauf vorbereitet, was sie zu Gesicht bekommen würde, wagte Laura einen zweiten Blick aus dem Fenster. Vor der Villa versammelten sich alle möglichen Wesen, die die Unterwelt zu bieten hatte. Werwölfe, Vampire, Zombies, … Allesamt Untote, die wie Vorboten des Todes außerhalb ihrer sicheren Mauern auf sie warteten. „Woher kommen die alle? Und was wollen sie hier?! Und-“, fragte Laura immer panischer und wurde folglich auch immer lauter, bis sie auf Bennis Blick hin schließlich still wurde. Da er ihr natürlich auch keine Antwort gab, musste sie sich alles selbst zusammenreimen. „Vermutlich ist es Lukas, der sie sie wegen uns hierher geschickt hat. Und Spirit ist neben Yami die einzige Region mit einem offenen Portal zur Unterwelt.“, erklärte sie es sich selbst mit gesenkter Stimme. Immerhin bestätigte Benni ihre Gedanken mit einem knappen Nicken. Laura holte tief Luft. „Okay und was ist dein Plan?“ Sie wusste, dass Benni einen Plan hatte. Er hatte immer einen. Wieso sollte er gerade jetzt keinen haben? Nein, Benni hatte einen Plan, ganz sicher. „Wecke Ariane auf und komm mit ihr in das Wohnzimmer.“ Willst du mich umbringen?!? , wollte Laura schockiert fragen, hielt sich aber zurück. Dafür brauchte Benni nur noch wenige Monate zu warten, obwohl er anderer Ansicht war als Laura und ihr übriger Freundeskreis. Er hatte sicher einen triftigen Grund, auch wenn man schlafende Arianes nicht wecken sollte. Also beugte sie sich Bennis Anweisung, kehrte ins Gästezimmer zurück und bemühte sich, Ariane aus dem Bett zu bekommen. Die allerdings ganz andere Absichten hatte, als aufzuwachen. „Nane, jetzt komm doch bitte. Wenn nicht, werden wir alle von Lukas‘ Unterweltlern in die Unterwelt entführt!“, bemühte sich Laura, Ariane so leise wie möglich davon zu überzeugen, dass sie nun aufwachen musste. „Solange ich dort schlafen kann, ist’s mir recht.“, murmelte diese im Halbschlaf. „Naaaaaneeeee.“, stöhnte Laura genervt und überfordert zugleich, als ein fester Griff sie an der Schulter packte. Ein zweiter Schock überkam Laura diese Nacht. Waren die Unterweltler etwa schon in der Villa?!? Ohne zu atmen wagte Laura einen vorsichtigen Blick über die Schulter, nur um Annes verärgerten Gesichtsausdruck sehen zu können. „Wollt ihr etwa ohne mich den ganzen Spaß haben?“, zischte sie so leise, dass sie offensichtlich von der Bedrohung vor dem Haus Bescheid wusste. „Benni hat gesagt, ich solle nur Ariane wecken.“, flüsterte Laura zurück und erntete dafür ein schnippisches Zischen von Anne. „Als würde ich die Anweisungen von dem befolgen.“ Seufzend gab Laura nach. „Wie kommt es eigentlich, dass du wach bist?“ Anne tippte sich auf die Stirn. „Ich hab einen sechsten Sinn für Abenteuer die in einer Schlacht enden.“ „Und deswegen weckst du nun Ariane.“, schlug Laura vor. Ariane zu wecken war immerhin ein Abenteuer und endete garantiert in einer Schlacht. Das konnte sie auch genauso gut Anne überlassen, wenn die darauf so scharf war. Missmutig zuckte diese mit den Schultern. „Nichts leichter als das.“ Und mit diesen Worten stieß sie Laura aus dem Weg und packte Ariane mit einer solch gewaltigen Kraft, dass sie sicherlich sogar Benni damit beeindruckt hätte. Mit einem dumpfen Knall ließ sie Ariane rücklings und schmerzhaft auf den Boden aufkommen. In nicht allzu ferner Zukunft trottete diese mürrisch hinter den beiden Mädchen her, verärgert, dass sie jemand aus ihrem heiligen Schlaf gerissen hatte. Der Schuldige würde dafür noch büßen müssen, das wusste Laura. Doch jetzt war dafür keine Zeit. Das kleine Wohnzimmer war wegen der Bedrohung vor der Villa nicht minder gemütlich und hätte Anne Ariane nicht grausam von dem Sofa fern gehalten, wäre diese auf jeden Fall wieder in ihr Schlummerland zurückgekehrt. Benni wartete bereits auf die Mädchen und hatte Carsten mit sich geschleppt, der offensichtlich auch nicht gerade begeistert von dem nächtlichen Besuch schien. Doch zumindest war er deutlich wacher als Ariane. „Na schön, was sollen wir tun?“, gähnte diese schließlich und gab es auf, sich ein gemütliches, zum Schlafen geeignetes Plätzchen zu ergattern. „Wir müssen das Portal verschließen und die Zombies aus unserer Welt vertreiben… Fragt sich nur wie.“, antwortete Carsten. „Schön, dass du das Offensichtliche wiederholt hast, Depp. Dann sag mal dein Wie.“, murrte Anne. Trotz der bevorstehenden Schlacht, auf die sie sich angeblich so freute, konnte sie ihre Aversion gegen Jungs offensichtlich nicht zurückhalten. Abgesehen davon, dass sie das auch nicht gerade beabsichtigte. „Das Portal befindet sich im Gebäude des Senats. Nur wie wir dort hingelangen stellt ein Problem dar…“, meinte Carsten nachdenklich, doch Benni schüttelte den Kopf. „Konrad hat einen unterirdischen Gang dorthin.“ „Kann man den auch so dramatisch öffnen durch das Herausziehen eines Buches oder das Herunterklappen einer Kerze?“, kommentierte Anne spöttisch. Wortlos stand Benni auf, schob den Flügel beiseite und schlug eine Ecke des Teppichs hoch. Zum Vorschein kam eine Falltür. Anne schnaubte. „Ich hatte mir echt mehr erhofft.“ Doch statt auf ihren Kommentar einzugehen, seufzte Carsten nur. „Und ich hatte gehofft, dass du dich als Vampir ‚verkleidest‘ und uns als ‚Gefangene‘ mitnimmst, um zum Portal zu gelangen.“ Seinem Tonfall zu Urteilen hatte dieser Vorschlag sowieso nur das Ziel Benni zu triezen. Auch wenn Laura nicht verstehen konnte, weshalb gerade solche Kommentare bei Benni mehr Wirkung zeigen sollten als andere. Jedenfalls erwiderte dieser tatsächlich etwas und Laura konnte ihren Ohren kaum trauen. „Und was hätte ich erzählen sollen, hätten sie mich gefragt wie und wo ich euch erwischt habe? ‚Sie waren aleatorisch um ein Uhr morgens spazieren‘? Oder eventuell ‚Ich bin auf eigene Faust in das Haus eingebrochen, habe aber nur diese vier mitnehmen können, weil ich die anderen nicht wecken wollte‘?“ Kopfschüttelnd wandte sich Benni ab. Und Laura blieb der Mund offen stehen. Das war mehr als ein Satz!!! „Aleatorisch?“, fragte Ariane die sich wohl der überraschend hohen Wortzahl noch nicht bewusst schien. „Zufällig.“, antwortete Carsten ihr. „Ich wusste gar nicht, dass du so ein ausgedehntes Vokabular hast…“ „Vielleicht, weil der ja sonst kaum mehr als drei Worte sagt?“, vermutete Anne, wie immer in ihrem Tonfall, den Laura einfach nur unhöflich fand. Ariane blinzelte mehrmals. „Oh… stimmt… wow…“ Kurz darauf prustete sie so laut los, dass Anne nun doch wieder hilfreich war und ihr in Sekundenschnelle den Mund zuhielt. Als sich Ariane wieder halbwegs beruhigt hatte, meinte sie: „‘Ich bin auf eigene Faust in das Haus eingebrochen, habe aber nur diese vier mitnehmen können, weil ich die anderen nicht wecken wollte‘? Du hast ja doch Humor!!!“ Und schon lachte sie wieder los… Amüsiert schüttelte Carsten den Kopf. „Wie kannst du müde sein, wenn du von uns allen am meisten geschlafen hast?“ Stutzig hörte Ariane auf zu lachen. „Müde? Ist doch jeder von uns und abgesehen davon, was hat das damit zu tun?“ „Wenn Benni müde ist redet er mehr.“ „Ahaaa…“, überlegte Ariane laut, „Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass der eiskalte Engel nicht ausschlafen kann und schon wird er gesprächiger.“ „Besten Dank.“, bemerkte Benni nüchtern. Irgendwie bin ich auf Nanes Seite… ,überlegte Laura belustigt. „Na gut, zurück zum eigentlichen Problem: Schön und gut wenn das Portal versiegelt wurde, aber was sollen wir mit den gegenwärtig anwesenden Unterweltlern anstellen? Ich hoffe, du lässt uns nicht gegen jeden einzelnen von ihnen kämpfen.“, fragte Carsten betrübt. „Deswegen solltet ihr Ariane wecken.“, antwortete Benni. Ariane schnaubte. „Ach wirklich? Ihr braucht mich tatsächlich? Ich dachte, du wolltest mich nur ärgern.“ „Das auch.“, erwiderte Benni trocken. Die Arme vor der Brust verschränkend setzte sich Ariane beleidigt auf den Boden. „Überraschend, wie du sein kannst, wenn du mal was sagst.“, kommentierte Carsten die Situation, doch Benni entgegnete nichts darauf. „Okay, warum sollte Ariane geweckt werden neben dem Grund, dass du sie ärgern wolltest?“, drängte Anne. „Ach so… Die Unterweltler scheuen Arianes Licht-Energie. Das heißt wenn sie nicht zu Staub verfallen wollen, müssen sie durch das Portal fliehen.“, erklärte Carsten, da Benni wieder schwieg. „Ich vermute, du hast auch schon dafür gesorgt, dass sie bloß nicht woanders hinrennen.“ Dieses Mal nickte Benni als Antwort. Anne schnaubte. „Ich hatte auf mehr Blutvergießen gehofft.“ „Wie gesagt, ich sollte auch nur Ariane wecken.“, meinte Laura, zufrieden über Annes Unzufriedenheit. Sichtlich verstimmt wandte sich Anne ab.  „Aber das sind ganz schön viele… Ich weiß nicht, ob ich das durchhalten werde.“, gab Ariane beschämt zu. „Dann ist Anne doch nicht ganz unnütz.“, sinnierte Carsten. „Ich und unnütz?!? Pass lieber auf, dass ich nicht gleich dafür sorge, dass du zu nichts mehr zu gebrauchen bist!!!“, keifte Anne. „Den Überraschungseffekt können wir vergessen.“, kommentierte Laura genervt. Zwar erntete sie dafür auch einen erzürnten Blick von Anne, erreichte aber immerhin, dass sie still blieb. „Ich wollte dich damit wirklich nicht beleidigen-“, setzte Carsten an. „Das ist dir aber trotzdem gelungen.“, unterbrach Anne ihn gereizt. Carsten seufzte. „Ich meinte damit, dass du Ariane von deiner Energie abgeben kannst, wenn ihr Vorrat aufgebraucht ist.“ „Kann das nicht ihr Dämon machen? Und außerdem geht das doch nur, wenn wir dieselbe Energie haben. Ich hätte eigentlich erwartet, dass du das weißt.“, stichelte Anne, aber da Carsten solche Kommentare bereits von ihr erwartet hatte, konnte er ganz ruhig antworten: „Auf die Laune eines Dämons ist kein Verlass und was die Energie betrifft, habe ich als Dämonengezeichneter auch noch einige Tricks parat. Beispielsweise bin ich etwas in der Art wie ein Energieleiter. Ich kann die Energie von einem aufnehmen und sie an den anderen weitergeben. Falls es nötig sein sollte, bin ich auch dazu in der Lage sie umzuwandeln.“ „Dann geht das natürlich…“, meinte Ariane und stellte sich wieder hin, da ihr der Boden wohl doch zu ungemütlich war. „Dann haben wir doch alles, also auf ans Werk.“, sagte Anne, etwas erheiterter da sie vermutlich hoffte, dass irgendetwas schief ging und sie doch noch zu ihrem Kampf kam. „Moment… und was ist mit mir?“ Betrübt stellte Laura fest, dass sie mal wieder nichts zu tun hatte. War sie denn wirklich zu nichts zu gebrauchen? Nur zum Ariane-Wecken? Aber sie hatte ja noch nicht einmal das geschafft. Eufelia-Sensei hat Recht, ich bin ein hoffnungsloser Fall, dachte Laura niedergeschlagen. Carsten warf Benni einen fragenden Blick zu. Offensichtlich hatte sogar er sie vergessen… „Du kommst mit zum Clădire de Senat.”, antwortete Benni und klang dabei überraschend bestimmt, als hätte er das tatsächlich von Anfang an geplant. In Laura entstand ein kleiner Hoffnungsschimmer, besonders, da Benni sie mitnehmen würde. Das müsste doch bedeuten, dass er sie nicht für komplett unfähig hielt. Jedenfalls nicht so unfähig, dass sie ihm im Weg rumstehen würde... Ariane beschäftigte sich eher mit dem Wort, das offensichtlich in einer ihr nicht bekannten Sprache war. „Was ist ein ‚Clădire de Senat’?” „Senatsgebäude auf Rumänisch.”, antwortete Carsten. „Du sprichst Rumänisch? Ich würde nur zu gerne wissen, womit du uns noch überraschst, was deine sprachlichen Fähigkeiten betrifft...”, grübelte Ariane, auf alles gefasst, was Carsten nun antworten könnte. „Na ja... Er ist teilweise bei Vampiren aufgewachsen, da ist das nicht verwunderlich.” „Also schön, der eiskalte Engel kann mit Tieren kommunizieren, ist überraschend wortgewandt und spricht Rumänisch. Gibt es noch andere Sprachen, die wir von dir vielleicht irgendwann mal zu hören bekommen könnten?”, erkundigte sich Anne, entweder aus dem Grund, dass sie etwas suchte, um damit wieder sticheln zu können, oder weil sie... nein, Laura bezweifelte, dass hinter der Frage echtes Interesse steckte. „Na ja... Also Benni spricht fließend Japanisch, Indigonisch, Rumänisch, Spanisch, Italienisch, Englisch, Französisch, Latein, Deutsch und dann noch etwas Russisch und Persisch... Oh und noch etwas Dryadisch.”, zählte Carsten auf. „Das müsste alles sein.” „Alles ist gut... Das sind alle Sprachen, die Damon überhaupt zu bieten hat.”, meinte Anne und war sichtlich enttäuscht, dass sie darauf keinen erniedrigenden Kommentar fallen lassen konnte. „Das würd’ ich zu gerne mal hören.”, meinte Ariane bewundernd. „Aber da kommt man doch garantiert durcheinander oder? Und wie hast du es geschafft, so viele Sprachen überhaupt zu lernen?” „Na ja, einige Kinder werden zweisprachig erzogen, Benni hatte etwas mehr als zwei Sprachen, die man ihm beigebracht hatte. Und ja, manchmal kommt er auch durcheinander was die Worte betrifft.”, antwortete Carsten belustigt. „Falls ihr Glück habt, hört ihr ihn mal auf Russisch fluchen.” „Echt?!? Will ich hören!!!”, rief Ariane begeistert. „Sag mal was auf Russisch!” „Проклято, мы должны наконец начинаться.” „Äh... was?”, fragte Ariane verdutzt. „Das heißt so viel wie: Verdammt, wir müssen endlich beginnen.”, übersetzte Carsten. „Ach so... ja, sollten wir wirklich. Moment... du sprichst auch Russisch?!?” „Mann lasst ihr euch schnell ablenken.”, tadelte Anne und unterbrach damit Carstens Antwort. Laura konnte nicht anders, als empört zu erwidern: „Du hast dich doch genauso ablenken lassen.” „So ein Blödsinn, ich habe nur etwas nachgefragt. Nicht meine Schuld, wenn ihr noch mehr abschweift.” „Apropos: Ihr schweift schon wieder ab.”, versuchte Carsten, die beiden Mädchen wieder zurück zu ihrem Vorhaben zu bringen und einen Streit zu verhindern. „Na gut, dann mal los.”, forderte Ariane die Gruppe auf. Benni hob den Deckel der Falltür und eine alte, steinerne Wendeltreppe war in der Düsternis zu erkennen. Keineswegs begeistert stellte Laura fest, dass dieser Gang vielleicht vor hundert Jahren zuletzt benutzt worden war, da der Staub tatsächlich fast meterhoch lag und sich an allen Ecken die Spinnweben häuften. Sie schluckte schwer. Da sollte sie nun also rein? Etwas ungeschickt verfehlte Laura eine Stufe und fiel die letzten paar Meter hinunter, bis sie unsanft den Boden erreichte. „Auaaa, das musste ja natürlich sein! Warum ist diese verfluchte Falltür wieder zu? Man sieht ja gar nichts! Verdammt, ich hab mir das Knie aufgeschlagen!!!”, beschwerte sie sich und mühte sich auf. Neben ihr leuchtete eine Flamme auf, für Lauras Verhältnisse kam sie allerdings etwas zu spät. Zerknirscht blickte sie an sich runter. Sie sah fast so aus wie Chip, wenn er in den Schnee gefallen war. „Bäh, igitt!” verzweifelt versuchte sich Laura von der Schicht aus Staub und Spinnweben zu befreien, die auf ihr lag und partout nicht abgehen wollte. Missmutig bemerkte sie, dass Benni von ihren Versuchen irgendwie belustigt schien. „Guck nicht so, hilf mir wenigstens. Da sind garantiert Spinnen!!!”, rief Laura panisch. „Die jetzt auf dir herum krabbeln.” Wie von einem Anfall erfasst begann Laura hektisch herum zu zappeln und war kurz des Nervenzusammenbruchs nahe. „Das ist gemein Benni!!! Mach sie weeeeeeeeeeeeeeeeeeg!!!” Doch statt ihrer ‚Bitte’ Folge zu leisten, folgte Benni dem unterirdischen Gang und ließ Laura alleine zurück. Diese versuchte weiterhin fast erfolglos, den Staub und die Spinnweben loszuwerden. Dass Benni schon längst weg war, bemerkte sie erst gar nicht. Selbst dass nun auch ihre Lichtquelle fehlte, wurde ihr nicht wirklich bewusst. Zumindest bis jetzt. Auf einmal hörte sie ein leises Rascheln hinter sich. Ein Rascheln, das sie nicht zu deuten vermochte. Lauras Herzschlag setzte aus. Was war das?! Angestrengt schaute sie in der Dunkelheit umher, doch Bennis Feuer war schon zu weit weg, als dass sie noch irgendetwas hätte erkennen können. Sie wusste nicht, wie weit er von ihr entfernt war, oder wie nah das schaurige Wesen bereits war, dass das Rascheln verursachte. Doch eines wusste sie: Es wurde lauter. Dieses Ding kam näher. Zu nah. Lauras Nerven brannten mit ihr durch. Sie musste weg! Sie musste sofort weg von hier!!! Von Panik und Schreck übermannt hastete sie blind den Gang entlang, watete durch den hohen Staub und rannte durch haufenweise Spinnweben, die sich mitten im Gang ausbreiteten. „Beeenniii!!!”, schrie Laura aus voller Kehle und hetzte weiter voraus. Der Gang schien endlos zu sein und Benni noch weiter von ihr entfernt. Außer Puste hielt Laura an und bemühte sich, ihre Lungen mit Luft zu füllen, während sie ebenso Staub einatmete. Schluchzend und hustend sackte Laura auf den Boden und versuchte sich, am ganzen Körper zitternd, wieder zu beruhigen. Wie weit war sie gekommen? Und wie weit war Benni noch von ihr entfernt? Und das Wesen, dass das Rascheln verursachte?!? Sicher handelte es sich um eine menschengroße Spinne, eine Art Wächter dieses Tunnels. Und diese Spinne hatte Hunger. Großen Hunger. Hunger auf wehrlose, erschöpfte Mädchen. „Nein!!! Benni!!! Ich will nicht von einer Spinne gefressen werden!!!!!”, krisch Laura, sodass von der Wand bereits der Staub auf sie herabrieselte. Oder waren es die Kinder der Mutterspinne, die nun auf ihr saßen? Laura konnte es nicht sehen! „Neeeeeeeeeeiiiiiiiiiiin!!! Lasst mich! Lasst mich in Ruhe!!! Ich schmecke doch gar nicht!!!” Und da war es, das riesige Monster, dass sie am Arm packte und hochzog. „Lass mich los!!!”, schrie Laura verzweifelt und versuchte, sich mit Händen und Füßen zu retten. „Afurisitele, Laura mach die Augen auf.”, forderte Benni sie ruhig auf. Blinzelnd öffnete Laura die Augen und schaute von Benni zu der kleinen Flamme, die auf seiner Hand tanzte, und wieder zurück. „W-Was war das gerade? Und... was ist passiert? Und... was hast du gesagt?”, schluchzte Laura verzweifelt, in der Angst, sie könnte schon halluzinieren. „Du hast überreagiert.”, bekam sie als Antwort. „Und ich sagte ‚verdammt’.” „A-ach s-s-so…” „Komm endlich.”, drängte Benni, zwar immer noch ruhig aber auch zugleich etwas genervt. Er war zwei Schritte vorausgegangen, als er bemerkte, dass Laura ihm wieder nicht folgen würde. „Laura...” seufzend drehte er sich zu ihr um. Laura hatte allerdings das Gesicht hinter den Händen vergraben und fand immer noch keine Ruhe. Ihre Schultern bebten und hinter den Händen war ein leises Schluchzen zu hören. „Ich kann nicht mehr... Das ist mir zu gruselig. Ich will zurück!” „Noch eine viertel Meile.”, meinte Benni beschwichtigend, doch Laura schüttelte den Kopf. „Nein! Ich will zurück!” „Das wäre drei Mal so weit entfernt.” „Mir egal, ich will zu Carsten! Carsten sorgt sich immerhin um mich. Er hat mich lieb und kümmert sich um mich!”, rief Laura aufgebracht. Ich will nicht mehr! Ich stehe tatsächlich nur im Weg herum! Ich-  „Это не может быть верно.” Unsanft packte Benni Laura am Handgelenk und zog sie mit sich. „Hör auf! Lass mich los!!!”, zeterte Laura und versuchte vergebens, sich aus Bennis festem Griff zu winden. „Benni!!! Ich will zurück!!!” Doch von Benni kam keine Antwort mehr. Was hätte Laura auch anderes erwartet? ~*~ Gelangweilt lehnte sich Ariane im Sessel zurück, den sie kurz darauf wieder wegen Anne verlassen musste, die sie zu Arianes Verdruss erfolgreich vom Schlaf fern hielt. „Es war keine gute Idee, dass Laura mit dem eiskalten Engel geht.”, bemerkte Anne mürrisch. „Wie kommst du denn darauf?”, erkundigte sich Ariane. Inzwischen hatte sie es schmerzlichst eingesehen, dass sie noch nicht schlafen durfte. „Weiß Gott, was der mit ihr anstellt.” „Das nennt man mal Vertrauen.”, murmelte Carsten vor sich hin, während er das Bücherregal im Wohnzimmer untersuchte und hin und wieder eins herausnahm, um den Rückentext zu lesen. „Ich hab ihm nie vertraut.”, erwiderte Anne. „Was denkst du denn, stellt er mit ihr an?”, fragte Ariane und tat es Carsten gleich, indem auch sie die Bücher zu untersuchen begann. Irgendwie machte das mehr Spaß als abwarten. Anne zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Nichts Gutes auf jeden Fall. Warum hätte er sie sonst mitgenommen?” „Woher sollen wir das wissen? Lass das doch einfach Bennis Entscheidung sein. Er hat sicher gute Gründe, weshalb er sie mitnimmt.”, meinte Carsten und klang in Arianes Ohren erstaunlich gereizt. Auch Anne schien sein Ton nicht entgangen zu sein. „Hey beruhig dich. Musst ja nicht gleich loszicken.” „Wer zickt hier?”, konterte Carsten, dieses Mal wieder in einem ruhigeren Tonfall. „Die ganze Zeit bist du nur am Meckern. Über Benni, über mich, wieder über Benni und wenn nicht speziell über einen von uns, dann über Jungs allgemein. Was ist dein Problem?” „Das geht dich rein gar nichts an!”, dieses Mal war es Anne, die lauter wurde. „Dann halt mich bitte auch da raus, wenn es mich nichts angeht.” „Okay, okay, beruhigt euch beide! Nicht streiten!”, kam Ariane dazwischen. „Gerade jetzt, wo wir zusammenarbeiten müssen, könnt ihr euch doch mal vertragen, oder?” Wie erwartet erwiderte keiner der beiden etwas, nur Anne wandte sich zischend der gegenüberliegenden Wand zu. Ein kleines bisschen tat es Ariane Leid, dass sie auch Carsten mit angemeckert hatte. Immerhin hatte er ja keinen Streit beabsichtigt, im Gegenteil. Aber irgendwie führte alles, was ein Junge tat, zu einer Meinungsverschiedenheit mit Anne. Ariane würde es auch gerne wissen. Was ist bitteschön Annes Problem, dass sie bei Jungs so überreagiert? Noch nicht einmal bei Lissi ist sie so gereizt und das soll was heißen... Carsten schaute zur Tür. „Es müsste bald so weit sein...”, dachte er laut. „Und woran werden wir merken, dass es so weit ist?”, fragte Ariane nach. „Wenn die Zombies das Haus stürmen? Dann ist’s vermutlich etwas zu spät.” Carsten schüttelte den Kopf. „Nein, kurz davor. Wir werden den Zombies die Balkontür öffnen und spätestens wenn sie angreifen blüht ihnen das Verderben.” „Das klingt aber ziemlich sadistisch.”, kommentierte Anne misstrauisch. Sie kann es nicht lassen... Verlegen kratzte sich Carsten am Hinterkopf. „Na ja... Immerhin bin ich mit Eagle verwandt... Etwas Ähnlichkeit müssen wir ja haben...” Ariane schüttelte den Kopf. „Unsinn, vom Charakter her könnt ihr so verschieden sein wie Sonne und Mond... Oder Lissi und Susanne. Ist mir auch Recht so, ich kann Eagle nicht leiden.” „Na dann bin ich ja froh...” Carsten lachte beschämt. Anne verdrehte die Augen. „Echt jetzt... Jungs...” ~*~ Schluchzend sackte Laura auf dem nächst gelegenen Stuhl zusammen. Den letzten Teil der Strecke ist sie eigentlich nur von Benni gezogen worden. Erst als sie die Stufen nach oben bemerkte, hatte sie wieder angefangen, von selbst zu laufen. „Beruhige dich.”, meinte Benni tonlos und klang daher auch nicht wirklich tröstend. Laura verstand ja, dass sie besser die Klappe halten sollte, da hinter der nächsten Tür der große Saal des Senatsgebäudes war und sich dort die ganzen Unterweltler versammelten. Da war es etwas unpraktisch, wenn sie sich in dem benachbarten Raum die Augen ausheulte. Aber trotzdem... Laura war mit ihren Nerven am Ende. „Ich kann nicht mehr...”, bemühte sie sich zwischen den Schluchzern hervorzubringen. Allerdings schien Benni ihre Gefühlslage kaltzulassen. Er stieg auf den steinernen Tisch, der zu dem Stuhl gehörte, auf dem Laura zusammengesunken wie ein Häuflein Elend saß. Überrascht bemerkte Laura, dass er eine Steinplatte entfernte und dadurch den Lüftungsschacht freigab. „Ein Lüftungsschacht in einem Senatsgebäude?”, fragte Laura leicht erheitert. Irgendwie gab das für sie keinen Sinn, besonders, da der Lüftungsschacht völlig unbrauchbar war, da eine Steinplatte ihn verdeckte. „Nicht ganz.”, erwiderte Benni. „Die Senatoren steckten mich damals bei Themen, die nicht für meine Ohren bestimmt waren, in diesen schalldichten Raum.” Laura unterdrückte ein Kichern. „Und dir hat das nicht gepasst, weshalb du dir den Gang zurecht gelegt hast, um sie belauschen zu können?” Zur Antwort nickte Benni. „Okay und wann haben sie dich erwischt?”, stocherte Laura weiter, inzwischen wieder vollkommen beruhigt. „Nie.”, antwortete Benni auf Japanisch. „Ach so. Also haben sogar Vampire keine Chance gegen dich.” Vermutlich wollte Laura Benni damit nur etwas necken, aber sie wusste nicht, was er davon hielt, da er sich bereits in den ‚Lüftungsschacht’ gehievt hatte. Na toll, lässt er mich jetzt doch alleine zurück?, fragte sich Laura enttäuscht und rätselte bereits, wie sie zurück kommen sollte. Auf jeden Fall nicht durch den Tunnel! „Wo bleibst du?” Ein Stein fiel Laura vom Herzen und in ihrem Kopf jauchzte ein Freudenschrei, als er sie aufforderte, ihr zu folgen. Also wollte Benni sie doch mitnehmen! Sie stieg auf den Tisch und sprang hoch, um den Rand des Schachtes zu erreichen. Aber sie kam nicht ran! „So hoch komm ich nicht.”, beschwerte sich Laura. Beschämt stellte sie fest, dass das hieß, dass Benni bereits als kleiner Junge viel höher springen konnte als sie heute. Und sie war nicht sooo untalentiert. Die Decke war halt viel zu hoch! Einen einzigen Versuch würde sie noch wagen. Laura ging in die Knie und stieß sich mit aller Kraft vom Steintisch ab, während sie die Arme nach oben streckte, um den Rand erwischen zu können. Doch ihr fehlten noch zwanzig Zentimeter, als sie ihren höchsten Punkt erreichte. Deprimiert setzte sich Laura auf den Tisch. „Das bringt nichts...” Enttäuscht blickte sie hoch zum Lüftungsschacht und überredete sich zu noch einem Versuch. Dieses Mal sollte es der letzte sein. Kaum fehlten ihr wieder die zwanzig Zentimeter, packte Benni sie am Handgelenk und zog sie den fehlenden Abstand rauf zur Luke des Schachtes. „Danke...” Verlegen wich Laura seinem Blick aus. Irgendwann würde sicher auch Bennis Geduldsfaden bei ihrem Geschick reißen. Außerdem war es für sie immer noch sehr deprimierend... Gleichzeitig war sie von der Voraussicht beeindruckt, die Benni bereits als kleiner Junge hatte. Denn der Schacht war hoch genug, sodass sie auch in ihrem Alter noch problemlos stehen konnten. Dieses Mal folgte Laura Benni sofort. Denn auch wenn der Schacht nicht so lange unbenutzt und nicht so lang war wie der Tunnel, vermutete Laura einen Wegwächter. Der natürlich nichts anderes als eine Spinne sein konnte. Ärgerlicher weise spendierte Benni ihr dieses Mal aber überhaupt kein Licht, weshalb sie sich widerwillig an der Wand vortastete, um nicht komplett bedeppert den Gang entlang zu stolpern und damit die unerwünschte Aufmerksamkeit der Unterweltler auf sich zu ziehen. Schließlich ging Benni in die Knie und ließ kleine Löcher im Boden des Schachtes entstehen, die ihnen ein kleines bisschen Licht schenkten und perfekt zum Beobachten und Belauschen waren. Auch Laura kniete sich hin und linste durch eins der kleinen Löcher. Der Saal war in der Tat riesig und sowohl Boden als auch Wände und Decke bestanden aus geschliffenem schwarzem Stein. Direkt unter ihr befand sich eine runde Tafel aus strahlend weißem Marmor, die von vielen schwer wirkenden Holzstühlen umrundet war. Die Säulen und Kerzenleuchter an der Wand erinnerten Laura an das Bild, das bei Rina und Konrad auf dem Ofen stand. Jenes Bild mit dem Schmetterling. Wahrscheinlich wurde es in diesem Saal gemacht, während einer Senatssitzung, wenn Lauras Vermutungen sich als richtig erwiesen. Hinter dem Tisch führten zwei Stufen auf eine leicht erhöhte Empore. Überrascht bestaunte Laura das Portal zur Unterwelt. Das in Yami hatte sie nie sehen dürfen, ein striktes Verbot ihrer Eltern... Daher hatte sie auch keine Vorstellung davon gehabt, wie so ein Portal eigentlich aussah. Das Portal war ein petrol-schwarzer Strudel und schien wie ein schwarzes Loch zu wirken. Es saugte Sachen ein, gab sie aber nie mehr raus. Wobei sich Laura eingestehen musste, dass das nicht wirklich stimmen konnte. Die Portale sahen vermutlich alle gleich oder zumindest sehr ähnlich aus und Benni war schon einmal durch so einen Strudel in die Unterwelt gekommen. Laura warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Er war wieder hinausgekommen, sowie Johannes. Zerknirscht sog Laura die Luft durch die Zähne ein, als sie die Stimme einer ihr vertrauten und verhassten Person vernahm. Vor dem niedrigen Geländer der Empore stand Lukas. „Meine Herren Unterweltler! Wir haben uns hier im Namen des Unzerstörbaren versammelt, um ihm unsere Opfer darzubringen. Unser Herr wird in nicht allzu ferner Zukunft diese Welt unterjochen und dazu braucht er die in diesem Reich tätigen Dämonen. Vor uns, in nur knapper Entfernung, befindet sich eine beträchtliche Anzahl von ihnen. So wie wir, versammeln sie sich und denken, sie könnten uns Einhalt gebieten.” Alle Unterweltler fingen an zu lachen. Es war so laut und unangenehm, dass sich Laura bei diesem grässlichen Geräusch die Ohren zuhalten musste. „Zeigen wir ihnen, wie sehr sie im Unrecht sind, wie stark sie sich unterschätzt haben! Entzündet das Kriegsfeuer und demonstriert ihnen unsere Macht!” Laura fiel ein Zombie ins Auge, der eine Fackel in seiner knochigen Hand hielt. Er näherte sie einer Flüssigkeit, die auf dem Boden ausgeschüttet wurde und vermutlich zu Konrads Villa führte. Wollen die uns verbrennen?!? Kurz bevor die Fackel das Benzin zum brennen brachte, spürte Laura, wie neben ihr Energie zum Einsatz kam und das Feuer zu lodern begann. Unverzüglich bahnte sich ein mächtiges Flammenmeer den ihm vorgeschütteten Weg nach draußen in die schwarze Nacht. Kampflustig jubelten die Unterweltler. Niemandem, noch nicht einmal dem Zombie mit der Fackel, schien aufgefallen zu sein, wer das Benzin eigentlich zum Brennen gebracht hatte. Doch Laura konnte die nur allzu vertraute Dämonenenergie spüren, die vom Feuer ausging. Nicht nur sie, auch die Dämonenverbundenen in der Villa würden sie bemerken. ~*~ Als das Feuer am Horizont auftauchte, wussten Carsten, Anne und Ariane, dass es sich hierbei um ein Zeichen handelte. Ein Zeichen sowohl für sie, als auch für die Unterweltler. Und zwar zum Angriff. „Endlich.”, kommentierte Anne das eintreffende Geschehen, während sie ihr Versteck unter einem Fenster neben der Balkontür verließ und ins Freie trat. Ariane und Carsten taten es ihr gleich und betraten ebenfalls den Balkon. Mit seinem schwarzen, verschnörkelten Metallgeländer und glänzenden schwarzen Fliesen war er eigentlich kein Platz für einen Kampf... Zur selben Zeit begannen auch die Unterweltler ihren Sturm auf die Villa, blieben aber abrupt stehen, als sie bemerkten, dass ihr Überraschungseffekt keine Überraschung mehr darstellte. Dennoch hatte Ariane alle Farbe verloren, die sie trotz des Mondlichts noch hatte. „Alles in Ordnung?”, fragte Carsten besorgt. „Ich habe noch nie jemanden angegriffen... Oder gar getötet... Nichts ist in Ordnung!”, meinte sie von Panik erfasst. Kopfschüttelnd kommentierte Anne nicht gerade hilfreich: „Das fällt dir erst jetzt ein? Na prima!” Carsten legte seine Hand auf Arianes Schulter. Ariane konnte sich den Grund nicht erklären, dennoch hatte diese Geste eine beruhigende Wirkung. „Du brauchst keine Angst zu haben, außer Benni und Konrad hat vermutlich keiner von uns jemals jemanden getötet. Aber jetzt gibt es keinen Ausweg mehr.” „Das hilft mir nicht, dass ich mich besser fühle!”, rief Ariane verzweifelt. Carsten seufzte. „Tut mir Leid... Ich habe nun mal auch keine Ahnung. Am besten, du denkst nicht darüber nach.” „Vielleicht können sie noch nicht einmal was dafür, dass sie jetzt hier sind!” „Deshalb sollst du ja nicht drüber nachdenken!” Hilfesuchend wandte sich Carsten Anne zu. „Wie wäre es, wenn du ihr auch mal irgendwie Mut zusprichst?!” „Ach, du machst das doch gar nicht mal gut.”, bemerkte Anne spöttisch. „Aber Ariane, du solltest wirklich das Nachdenken lassen. Und zwar sofort, denn die haben deine Skrupel schon längst bemerkt.” Mit diesen Worten stieß Anne mehrere der Unterweltler von dem Balkon. Ariane kniff die Augen zusammen und tat das, was ihr als erstes in den Sinn kam. Sie ließ ihre gesamte Energie frei. Bisher hatte sie nur einmal in ihrem Leben so etwas in der Art gemacht, aber in weitaus kleinerem Ausmaß. Daher spürte Ariane nur wenige Sekunden später bereits eine entkräftende Schwäche, wie als würde nicht sie die Energie freisetzen, sondern als würde jemand oder etwas ihre Energie absaugen. Hoffentlich hatte es jedenfalls die erwünschte Wirkung... Neben sich hörte Ariane eine Diskussion, vermutlich zwischen Anne und Carsten, aber sie wusste, dass sie ihre Aufmerksamkeit nicht von ihrer Macht entfernen durfte. So sehr sie es sich auch wünschte, um der vollkommenen Entkräftung zu entfliehen. Es war so anstrengend. Selbst das Atmen begann ihr schwer zu fallen. Etwa so in der Art müsste sich Laura vermutlich fühlen... Ein unerwarteter Energieschub setzte auf einmal ein und Ariane fühlte sich wieder vollkommen bei Kräften. Ein letztes Mal ließ sie ihre Macht mit aller Kraft erstrahlen, ehe jemand sie ablenkte, indem er an ihrer Schulter rüttelte. „Hör auf Ariane, du hast es geschafft.”, brachte Carsten sie zurück in die Welt außerhalb ihrer Gedanken. Erschöpft sackte sie auf die Knie. „Ich kann nicht mehr.” „Kein Wunder, du hast deine Kraft völlig überschätzt. Die dunkelste Region Damons wurde eben die hellste, die es je gab.”, meinte Anne belehrend. Immer noch kraftlos mühte sich Ariane auf die Beine und war dankbar, dass Carsten sie immerhin stützte, auch wenn Anne verstimmt die Augen verdrehte. Vor ihnen erstreckte sich eine gähnende Leere, eingerahmt von dem lodernden Feuer. Die Unterweltler waren alle verschwunden, noch nicht einmal Leichen konnte Ariane zu ihrer Erleichterung entdecken. „Wo sind sie hin?” „Entweder durch deine Energie zu Asche und Staub geworden, auf ihrer Flucht in die Flammen geraten und dort zu Asche und Staub zerfallen oder rechtzeitig in das Senatsgebäude gekommen, um durch das Portal wieder in die Unterwelt zu entkommen.”, berichtete Carsten sachlich und klang dabei nahezu genauso tonlos wie der eiskalte Engel im Normalfall. Daher dauerte es auch eine Weile, bis Ariane seine Worte auch wirklich verstanden hatte. Als dies schließlich der Fall war, konnte sie ihren Ohren kaum trauen. Was hatte er da- Wie in Trance wagte sie einen weiteren Blick auf das Schlachtfeld. Normalerweise hätten die Flammen den Schnee rot gefärbt. Wäre dieser zu sehen gewesen. Stattdessen wurde er komplett von einer dunklen Schicht verdeckt. Übelkeit stieg in Ariane auf und schnell wandte sie den Blick von dem meilenweiten Friedhof ab. „All die hab ich...” Betroffen rieb sie sich die Augen. „Das kann nicht sein...” Ariane spürte, wie Carsten sie an sich drückte. Sie wusste nicht wieso, dennoch hatte er eine beruhigende Ausstrahlung. Seine sichere Umarmung und sein gleichmäßiger Herzschlag war wie ein Trost für sie. Die Flammen verloren schnell an Kraft und waren kurz darauf niedergebrannt. „Da seid ihr ja! Was ist passiert?”, hörte Ariane Öznur von der Balkontür aus fragen. Auch der Rest der Gruppe schien wach geworden zu sein. Doch Ariane schaffte es nicht, ihnen Beachtung zu schenken. Viel zu tief saß der Schock. Viel zu schmerzhaft die Erkenntnis. Sie war eine Mörderin… ~*~ Begeistert beobachtete Laura, wie die Unterweltler panisch durch das Portal zurück in die Unterwelt flohen. Zurück an den Ort, an den sie gehörten. „Super, Nane!!!”, rief Laura begeistert, als auch der letzte von ihnen verschwunden war. Enthusiastisch sprang sie in die Höhe, stieß dabei allerdings mit dem Kopf gegen die Decke des Lüftungsschachtes. „Na super.”, meckerte sie, als ihr auffiel, dass Benni ihr Versteck bereits verlassen hatte. Dort, wo vor kurzem noch die Löcher waren, befand sich nun dieselbe Luke, durch die Laura auch mit aller Mühe in den Schacht gekommen war. Überrascht stellte sie fest, dass an der Stelle, an der Benni vor wenigen Sekunden noch war, nun die Demon Blade lag. Das bedeutet nichts Gutes..., dachte Laura bedrückt und schnappte sich das Schwert. Mit einem hoffentlich anmutigen Satz sprang auch sie aus dem sicheren Örtchen, das sie lieber nicht verlassen hätte. „Hallo Cousinchen, lang ist’s her!”, wurde sie auch schon von Lukas’ schleimiger Stimme auf Japanisch begrüßt. „Was hast du hier zu suchen?”, fauchte Laura anfeindend. Natürlich war er nicht durch das Portal geflohen. Auch wenn er in letzter Zeit angeblich verdächtig häufig in der Unterwelt war hieß das noch lange nicht, dass Ariane ihn hätte verscheuchen können. „Also Cousinchen, das was ihr mit meinem geliebten Gefolge angestellt habt, finde ich gar nicht schön. Du bist ein böses Mädchen. Was wird Papi wohl sagen, wenn er davon Wind bekommt?” Gespielt wischte sich Lukas eine Träne aus den Augen. „Du hast rein gar nichts gegen mich in der Hand.”, erwiderte Laura und war selbst von ihrem ruhigen Tonfall überrascht. „Gegen dich vielleicht nichts.” Lukas’ Blick wanderte rüber zu einer Säule, an der Benni mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte. „Aber was wird wohl passieren, wenn ich... Nein, das wäre ja gemein. Dennoch ist der Gedanke sehr verlockend.” Verwirrt und ratlos zugleich schaute Laura zwischen Benni und Lukas hin und her, als sie sich eingestand, dass Benni irgendwie vor hatte, überhaupt nicht zu handeln. Auch Lukas schien das aufzufallen. „Na gut, halt dich da einfach raus. Ist vermutlich auch besser so, sich nicht in Familienangelegenheiten einzumischen. Ist es nicht so, Cousinchen?” Deshalb hatte er ihr die Demon Blade gelassen. Sie sollte alleine mit Lukas fertig werden. Benniiiii!!!, schrie es in Lauras Kopf. Das schaff ich doch nie! Verkniffen biss Laura die Zähne zusammen und wich ein paar Schritte zurück, während sie Benni einen vorwurfsvollen Blick zuwarf, in der Hoffnung, er würde unwahrscheinlicherweise jedenfalls ein schlechtes Gewissen bekommen. Denn zu ihrem Ärgernis war Lukas auch jemand mit der antiken Begabung für Kampfkunst und sogar ehemaliger Schüler der Coeur-Academy. Das hieß, dass Laura ihm haushoch unterlegen war. Und schon stürzte er sich angriffsbereit auf sie. Anstatt das Schwert zu benutzen, kniff Laura aus Reflex die Augen zusammen und schlug mit bloßer Hand zu. Der Schlag schien ein Treffer, denn Lukas schreckte zurück und wischte sich Blut von der Wange. Laura hatte ihn mit ihren Nägeln erwischt und der Menge des Blutes zu urteilen war die Wunde sogar recht enorm. Viel Zeit blieb Laura nicht, sich über ihren Treffer zu freuen, denn Lukas startete einen weiteren Angriff. Doch dieses Mal zog Laura sofort das Schwert und schlug schwungvoll zu. Als sie jemand am Arm packte und sie im Polizeigriff zur Tatenlosigkeit zwang. Klirrend fiel das Schwert aus Lauras Hand, der Echo im Saal verlieh ihm eine besondere Dramatik. Lauras Herzschlag setzte aus, als sie die kalte Mündung einer Pistole an ihrer Schläfe spürte. Das war’s. Sie hatte verloren. Ein Rauschen schoss durch den ganzen Saal und richtete Lauras und Lukas’ Aufmerksamkeit auf das Portal. Es loderte in seinen schwarzen Flammen noch einmal kurz auf, ehe es gleich einer Kerze erlisch. „Ich war nichts weiter als die Ablenkung?”, bemerkte Laura, als Benni sich ihr und Lukas zuwandte. Ihr Arm, den Lukas immer noch festhielt, fing langsam an taub zu werden. Zähneknirschend entsicherte Lukas die Pistole, mit der er Laura bedrohte. „Stell jetzt nichts Dummes an, Freundchen. Oder ich puste der Kleinen das Hirn aus dem Schädel.” Lauras Beine bekamen die Konsistenz von Pudding. Er will mich töten! Er wird mich töten! Tränen schossen in ihre Augen. Sie hatte noch nicht einmal mehr die Gelegenheit, sich dem Schwarzen Löwen zu beweisen. Lukas würde sie hier und jetzt hinrichten. Hoffnungslos flehte Laura Benni mit ihrem Blick an, ihr zu helfen. Ich will nicht sterben!!! Jedenfalls machte Benni nichts Dummes. Genauer gesagt machte er gar nichts. Er wird die Gelegenheit ausnutzen und mich so oder so töten..., erkannte Laura und auch der letzte Hoffnungsfunken erlosch. Und da war es wieder: Das Rascheln. Es kam aus dem Lüftungsschacht. Laura bekam eine Gänsehaut und hoffte, dass die Spinne doch eher Appetit auf Lukas hätte. Schließlich war er viel größer als sie. Da war viel mehr leckeres, saftiges Fleisch dran, im Vergleich zu diesem leicht untergewichtigen Mädchen. Genau, komm her! Lecker Futter!, forderte Laura die Spinne trotz ihrer Phobie hoffnungsvoll auf.  Auch Lukas schien das Rascheln zu hören, denn er schaute erwartungsvoll hinauf zur Luke, auf alles gefasst, was kommen würde. Oder auch nicht. Ein Fellknäul schoss auf Lukas hinab, biss ihm zuerst in die Nase und dann in die Hand, in der er die Pistole hielt. Erschrocken schrie Lukas auf und ließ die Pistole fallen, um das Etwas von seiner Hand abzuschütteln. So schnell sie konnte befreite sich Laura aus seinem Griff und schnappte sich die Pistole und die Demon Blade, um dann so schnell es ging Abstand zwischen sich und Lukas zu gewinnen. Dieser riss das Etwas von sich los und warf es Benni entgegen. „Vielen Dank.”, meinte er sarkastisch, als er das kleine Eichhörnchen gefangen hatte, welches sich nun selbstzufrieden in seine Hand kugelte. „Du hast Chip mitgenommen?”, fragte Laura atemlos. „Ich sagte doch, du hast überreagiert.”, erwiderte Benni nur. In atemberaubender Geschwindigkeit sprang er über die kleine Mauer, riss Laura die Demon Blade aus der Hand und verpasste Lukas mit einem gezielten Schlag einen tiefen Schnitt senkrecht über das linke Auge. Schreiend stürzte Lukas rückwärts auf den Boden und versuchte die starke Blutung zu stillen, indem er die Hand auf sein Auge presste. Ein paar Meter entfernt zersprang seine Brille in kleine Scherben. „Benni, hör auf!!!”, schrie Laura. „Du darfst Lukas nicht töten!” Doch er beachtete sie sicht, sondern packte Lukas am Kragen und schmetterte ihn gegen die Wand des steinernen Saales. Ehe Lukas zusammensacken konnte, war Benni auch schon zur Stelle und packte ihn an der Kehle. „Stop!!!” Laura hatte sich Lukas’ Pistole geschnappt und zielte nun, am ganzen Leib zitternd, mit ihr auf Benni. Immerhin gewann sie damit seine Aufmerksamkeit, doch der kalte Abgrund seines schwarzen Auges zeigte bedingungslose Erbarmungslosigkeit. „Wer weiß, was O-Too-Sama machen wird, wenn du ihn tötest! Lass ihn gehen!” Doch Benni lockerte seinen Griff kein bisschen. „Es reicht mir. Er hat genug Schaden verursacht.” „Lass ihn los, oder ich schieße!!!” „Das wirst du nicht.”, erwiderte Benni und Laura wusste, dass er Recht behalten würde. Sie konnte nicht schießen. Sie brachte es kaum übers Herz, zu wissen, dass sie Benni überhaupt treffen könnte. Sie hatte Angst. Sie hielt dieses Todeswerkzeug in den Händen und hatte einfach nur noch Angst davor. Ihr Atem wurde immer hektischer. Sie wollte das blöde Ding einfach nur loslassen, doch sie war viel zu angespannt. Sie konnte nicht! Sie war nicht dazu in der Lage, ihren Körper zu kontrollieren! „Laura, leg die Pistole weg.”, forderte Benni sie ruhig auf. Lauras Finger zitterten immer noch stark, als sie den Abzug loslassen wollte. Sie zitterten zu stark. Bei dem Knall ließ Laura erschrocken die Pistole fallen und kniff schreiend die Augen zusammen. Doch sie musste wissen, wen oder was sie getroffen hatte. Sie konnte nicht ertragen, dass sie jemanden verletzt haben könnte! Diese Ungewissheit machte sie verrückt! Blinzelnd beobachtete sie die Folgen ihres versehentlichen Schusses. Chip quietschte erschreckt und verängstigt zugleich, während er sich nicht mehr in Bennis Hand zusammenkugelte, sondern sich verkrampft um seinen Daumen wickelte. Mit seiner anderen Hand hatte Benni von Lukas abgelassen und sie nun zur Faust geballt. Er warf einen kleinen Gegenstand vor Lauras Füße. „Du hättest Chip getroffen.” Seine Stimme war bedrohlich tief und einschüchternd. Betroffen sackte Laura in die Knie. Sie hätte drei Anwesende töten können. Und ausgerechnet den Kleinsten von ihnen hätte sie getroffen. Der, der für Benni zu den engsten und bedeutensten Freunden überhaupt zählte. „Ich- es tut mir...” Laura verbarg die Augen hinter ihren Händen. Den Händen, die ein unschuldiges, kleines, liebenswertes Eichhörnchen getötet hätten, dass ihr zuvor sogar das Leben gerettet hatte. „Es tut mir Leid, Benni! Es tut mir so Leid!!!” Aber sie wusste, eine Entschuldigung hatte keinen Sinn. Nie wieder würde Benni auch nur ein Wort mit ihr wechseln, oder einen Blick auf sie werfen. Sie konnte sich selbst ja kaum mehr ertragen! Ein Rauschen sorgte dafür, dass Laura die Hände wieder von den Augen nehmen musste. Grundlos tauchte ein orange-schwarzer Strudel auf, durch den zwei Männer traten. Beide trugen schwarze, wehende Umhänge mit Kapuzen, die ihre Gesichter verbargen. Lukas schien noch halbwegs bei Bewusstsein zu sein, da er nun umso verstörter fragte: „W-Was macht ihr hier?” Einer der beiden antwortete mit einer relativ tiefen, rauen Stimme: „Der Unzerstörbare schickt uns. Er kann deine erbärmliche Lage nicht mehr mit ansehen und ist verärgert, dass du erneut versagt hast.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)