Zum Inhalt der Seite

Demon Girls & Boys

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Helau und ach je

  Helau und ach je

 

 

 

„Also ich weiß nicht, warum du Angst vor ihr hast, Laura. Eufelia-Sensei ist gar nicht mal so schlimm, wie ich dachte. Okay, sie ist jetzt vielleicht nicht gerade die Geselligste und recht ernst, aber trotzdem ist sie voll cool.“, meinte Ariane während des Rückweges.

Laura schnaubte. „Sie verunsichert mich halt dadurch total! Und außerdem mag mich Eufelia-Sensei nicht, weil ich so untalentiert im Kämpfen bin. Das macht es nicht gerade einfacher.“

Anne machte dieses coole Augenbrauenheben. „Ich glaube nicht, dass sich so Sympathien entwickeln…“

„Es ist trotzdem so.“, widersprach Laura.

„Hey ihr Süßen, ist ja schön und gut, dass ihr euch über eine alte Frau unterhaltet, aber ich würde sagen, wir haben wichtigeres zu tun: Die Faschingsparty! Klingelt’s da? Wir brauchen alle noch Kostüme.“, platzte Lissi dazwischen.

„Ich glaube nicht, dass das wichtiger ist als die Rettung der Welt.“, korrigierte Anne ihre Prioritäten.

Lissi zuckte amüsiert mit den Schultern. „Wer weiß? Vielleicht ist unser übermächtiger Widersacher ja nur böse geworden, weil man ihn nie auf eine Party eingeladen hat?“

„Du meinst wie Malefiz?“, mischte sich plötzlich auch Janine in das Gespräch ein.

Anne stöhnte auf. „Das ist kein Disney-Film!“

„Und was, wenn wir nun aus heiterem Himmel anfangen zu singen?“, fragte Lissi mit einem verschwörerischen Ton in der Stimme.

„Dann bin ich froh, Leichtathletik als einen der Sportkurse gewählt zu haben.“, konterte Anne.

Ariane lachte auf. „Netter Versuch, aber ich werde trotzdem im Sprint gegen dich gewinnen.“

„Sei dir da nicht so sicher.“, zischte Anne herausfordernd.

Bevor dieses Gespräch in ein Wettrennen -im Schnee- ausarten konnte, platzte Lissi dazwischen. „Ich sagte doch, wir haben wichtigeres zu tun! Faschingsparty! Kostüme!“

Ariane grinste. „Als welche Disney-Prinzessin verkleiden wir Anne?“

„Jasmin aus Aladdin?“, schlug Janine amüsiert vor.

„Auf keinen Fall!“

Während die Mädchen nun über die Kostüme diskutierten und dabei versuchten, Anne einem Disney-Charakter zuzuordnen, gesellte sich Laura zu Benni, der abseits der übrigen lief. Seine schwarzen Boots mit den vielen Schnallen traten sicher auf den vereisten Boden und er drohte in keinster Weise, auszurutschen oder zu stolpern, im Gegensatz zu ihr, die bei jedem Schritt ins Schliddern kam.

Warum ging Laura eigentlich zu ihm? Sie hatten mal wieder eine Weile lang kein Wort miteinander gewechselt und trotzdem sehnte sie sich von Sekunde zu Sekunde mehr nach seiner Nähe.

Natürlich dachte er erst gar nicht daran, seine Schritte für sie zu verlangsamen und erst als Laura über eine schneebedeckte Wurzel stolperte, die sie übersehen hatte, hielt er an. Aber nicht, um ihr auf zu helfen.

Laura klopfte sich den Schnee von ihrem Mantel. Da Benni sie letztens nur wegen ihrer Jacke umarmt hatte, wollte sie nicht, dass das noch einmal passierte. Also… Jedenfalls sollte nicht die Jacke der Grund dafür sein.

„Benni, wie weit ist denn der Friedhof von hier entfernt?“, fragte Laura ihn schließlich, als sie es geschafft hatte, den Schnee immerhin so halbwegs los zu werden.

„Wieso?“, fragte Benni.

Sie kratzte sich am Hinterkopf und bemühte sich, möglichst sarkastisch zu klingen. „Na ja, ich hab ja nur noch so drei Monate, da wollte ich wissen, ob ich wenigstens ein Grab neben Lucia bekommen kann. So reservierungsmäßig, meine ich.“

Bennis Tonfall klang zu ihrer Überraschung nicht so nüchtern wie sonst, eher gereizt. „Wir haben für sowas keine Zeit.“, entgegnete er und beschleunigte seinen Schritt, sodass Laura automatisch zurückfiel.

Etwas verwirrt, warum Benni so schroff reagiert hatte, ging Laura in einem Abstand hinter der Gruppe her, bei dem sie ihre Ruhe hatte.

An der Lichtung angekommen, krabbelte Chip gähnend aus Bennis Kapuze und ließ sich wieder auf dessen Schulter nieder. Er quietschte einige Laute in Bennis Ohr.

Benni schüttelte den Kopf.

Wieder gab Chip einige Laute von sich, doch dieses Mal klangen sie verärgerter.

„Vergiss es, du kommst nicht mit.“, ermahnte Benni ihn schließlich. Chip legte traurig die Öhrchen an und sah flehenden Blickes zu ihm auf.

„Warum denn nicht? Er kann doch in dem Wald bei den anderen Tieren wohnen.“, schlug Janine vor.

Chip quietschte fröhlich und nickte begeistert mit seinem kleinen Kopf.

„Er gehört nicht in eine Schule.“, entgegnete Benni.

„Warum stimmen wir nicht einfach ab?“, schlug Susanne vor, der das Eichhörnchen in dieser kurzen Zeit auch ans Herz gewachsen war. „Wer ist dafür, dass Chip mit uns kommt?“

Janine, Susanne, Öznur und Ariane hoben sofort die Hand. Laura, Lissi und Carsten schlossen sich leicht zögernd an. Auch Chip hob seine beiden kleinen Pfötchen, als könne seine Stimme doppelt zählen.

Susanne lächelte zufrieden. Der Vollständigkeit halber fragte sie noch: „Und wer ist dagegen?“

Sowohl Anne, als auch Benni hoben die Hand, zum ersten Mal ein und derselben Meinung.

Öznur lachte. „Dann ist es wohl beschlossene Sache. Wir haben unser eigenes Maskottchen!“

Chip hüpfte über Bennis Kopf von einer Seite seiner Schulter zur anderen. Immer hin und her, bis er etwas zu weit sprang und wieder von Benni aufgefangen werden musste, damit er nicht in den hohen Schnee plumpste.

„Okay, da das nun geklärt ist, lasst uns von hier verschwinden.“, meinte Carsten, der frierend von einem Fuß auf den anderen trat.

Dieses Mal sah der Kreis auch nicht ganz so ausgefallen aus und wenige Sekunden später standen sie wieder in dem Südwald der Coeur-Academy.

Laura aber hielt diese Tortour kein zweites Mal durch. Erschrocken keuchte sie auf, als sie nach Luft schnappen wollte. Ein Hustenanfall überkam sie und die Finsternis versperrte ihr die Sicht.

Kurz bevor sie drohte, den Boden unter den Füßen zu verlieren, stützten sie zwei Armpaare.

„Wir sollten Laura in ihr Zimmer bringen. Die zweite Teleportation war wohl doch zu viel für sie.“, sagte Carsten zu ihrer Rechten.

Ariane, die sich auf ihrer linken Seite befand, schlug vor: „Der eiskalte Engel kann sie ja tragen.“ Laura hörte alles lediglich gedämpft, doch sie bemerkte den schnippischen Ton in Arianes Stimme trotzdem.

Einen kurzen Moment bekam Laura gar nichts mit.

„Benni?!? Wo willst du hin?“, fragte Carsten.

Das schmerzhafte Stechen breitete sich in ihrer Brust aus, was umso schlimmer wurde als ein weiterer Hustenanfall sie schüttelte. Vor ihren Augen flimmerte es und ihr wurde immer schwindeliger.

„Was ist denn los?“, fragte Carsten wieder und seiner Stimme konnte sie Besorgnis entnehmen.

Sie hörte ein schwaches „Nichts.“, das wohl Bennis einzige Antwort war.

Carsten seufzte. Offensichtlich schien sie nicht die einzige zu sein, um die er sich zurzeit Sorgen machte. „Wenn nichts ist, dann kannst du jedenfalls dieses Mal mir den Gefallen tun und sie tragen?“

Der Husten war inzwischen so schlimm, dass Carsten und Ariane sie gar nicht mehr halten konnten, da Laura sich so verkrampft krümmte. Sie hatte das Gefühl, ihre Lunge würde sich von selbst zerfetzen. Ein eisenhaltiger Geschmack schien sie ersticken zu wollen.

Verschwommen sah Laura, wie der Schnee vor ihren Knien von dunkelroten Tropfen gesprenkelt wurde.

Sie hörte ein Quietschen direkt neben ihrem Ohr und spürte etwas Warmes, Flauschiges an ihrer Wange, das sie zu streicheln schien.

Doch obwohl Chip direkt bei ihr war, klang er ganz weit entfernt. Seinen flauschigen Kopf spürte sie kaum. Als würde irgendeine unsichtbare Macht sie von hier wegzerren wollen.

Bis sich schließlich zwei starke Arme um ihren Körper legten, die sie von dem kalten Boden hoben.

Sein warmer Körper war das einzige, was Laura nun mehr an ihrem Rande der Ohnmacht spüren konnte. Er hielt sie sicher im Arm und schien sie vor der Welt und ihren Grausamkeiten zu schützen, sodass sich Lauras Körper allmählich wagte zu entspannen und ihr Kopf sich kraftlos gegen seine Schulter lehnte.

Dabei hatte er sich doch eigentlich geweigert, sie zu tragen, oder?

Seine Schritte gingen regelmäßig und waren kaum spürbar. Laura ließ sich von seinem wohligen Körpergeruch benebeln. Sie war so erschöpft… so müde…

 

Laura konnte die Zeit nicht einschätzen, bis sie schließlich ihre Augen wieder öffnete. Schlaftrunken setzte sie sich auf. Ein unangenehmes Gefühl war in ihrer Brust zu spüren, was auch nach einigen tiefen Atemzügen nicht gänzlich verschwinden wollte.

„Hey Laura! Ein Glück, du bist wach!!! Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Das nächste Mal teleportieren wir uns und du nimmst das Flugzeug.“

Ganz plötzlich wurde Laura von Arianes stürmischer Umarmung überrumpelt.

„H-Hey Nane.“, sagte sie mit zitternder Stimme. Zu ihrem Glück befreite Ariane sie sofort wieder und legte behutsam eine Hand auf ihren Arm.

Laura sah sich überrascht um. Sie war in ihrem Bett und trug ihren Schlafkimono. Ariane hingegen sah… verkleidet aus.

Plüschig süße Häschenohren standen von ihrem Kopf ab und um ihren Hals baumelte eine Kette mit Karottenanhänger. Sie trug eine rote Latzhose und darunter einen flauschig weißen Rollkragenpullover.

In Lauras Gehirn begannen sich die Rädchen zu drehen. „Warum bist du denn verkleidet, ich meine…“

Ariane setzte sich neben sie aufs Bett, was Laura an einen Krankenbesuch erinnerte. So schlimm stand es doch gar nicht um sie, oder? Oder?!

„Wir haben uns ganz schön Sorgen gemacht, du warst so blass wie ein Vampir. Und ich schwör dir, als du dann auch wieder Blut gehustet hattest, hab ich richtig Panik bekommen! Aber als du dann in deinem Bett lagst, hast du prompt mal mindestens zwanzig Stunden durchgeschlafen.“

„Was?!“ Schockiert wollte Laura nach ihrem Handy greifen um Uhrzeit und Datum zu prüfen, doch der sie plötzlich überkommende Schwindel machte ihr dabei einen Strich durch die Rechnung.

„Zwanzig Stunden?“, fragte sie mit schwacher Stimme.

Ariane nickte als Antwort nur.

„Und wie bin ich hierhergekommen? Hat mich wirklich-“

Ariane seufzte. „Du hättest den Blick des eiskalten Engels sehen sollen, als ich ihn gebeten habe, dich zu tragen. Da hab ich das große Zittern gekriegt. Ehrlich! Aber dann hat er dich ja doch genommen. Zum Glück. Du warst kurz vorm Zusammenbrechen. … Beziehungsweise eigentlich bist du sogar schon zusammengebrochen…“

Also hatte Benni sie wirklich getragen… Laura spürte die Hitze in ihrem Gesicht, woraufhin Ariane auflachte. „So schnell wird er dich wohl nicht los, oder?“

Verlegen schüttelte Laura den Kopf.

Ein dumpfes Klopfen drang durch die Tür. „Nane, bist du fertig?“, ertönte Öznurs Stimme. Die Tür öffnete sich und Öznur trat verkleidet als Prinzessin Jasmin aus Aladdin ein, dicht gefolgt von einer Kriegerin, die an Jeanne D’Arc erinnerte und natürlich Anne sein musste.

„Laura, du bist endlich aufgewacht!“, rief Öznur froh. Sofort stürmten Schneewittchen, eine sexy gekleidete Zirkusdirektorin und eine Janine herein.

Susanne -also Schneewittchen- atmete erleichtert auf. „Was für ein Glück. Du hast uns richtig erschreckt, mit deinem plötzlichen Zusammenbruch.“

„Juhu, dann kannst du ja doch mitkommen!“, rief Lissi begeistert.

Ariane warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. „Sie ist erst vor ein paar Minuten aufgewacht.“

„Ich hole schnell Carsten.“, meinte Janine und ging aus dem Zimmer.

Öznur kicherte. „Ninie und Carsten sind eine süße Kombination. Ob aus denen was wird?“

„Nein, ich glaube nicht, Özi-dösi. Zwei Schüchterne? Das endet nur in einer Krise.“, meinte Lissi und klang dabei ganz fachmännisch. Laura fragte sich, wie sie es bei der Kälte in diesem knappen Kostüm aushielt. Wobei Lissi aber auch die perfekte Figur dafür hatte. Ihr Zirkusfrack hatte leichte Ähnlichkeit mit einem Turnanzug und mit der Peitsche und dem Zylinder war man sich nicht sicher, ob Lissi nun Dompteurin, Artistin oder die Chefin von allem war.

Kurz darauf betraten Janine und Carsten, der als Pirat verkleidet war, das Zimmer.

„Hey Laura!“ Carsten begrüßte sie sofort mit seinem strahlenden Lächeln, das mehr sagen konnte, als alle Worte zusammen.

Verdammt, warum muss ich mich eigentlich ausgerechnet in den komplizierten Typen verlieben?, ärgerte sich Laura in Gedanken.

Doch das einzige, was sie sagte war: „Hi.“

Carsten schien das nicht weiter zu stören. „Bin ich froh, dass es dir wieder besser geht.“ Das klang so ehrlich und er sprach genau das aus, was seine lila Augen ihr zuvor genauso klar gesagt hatten.

Er macht sich Sorgen um mich, kümmert sich um mich, wenn es mir schlecht geht… Carsten ist so das genaue Gegenteil von Benni und trotzdem bin ich in den kälteren der beiden verliebt… Warum eigentlich?

Lissi zupfte an seiner Piratenjacke, wie ein kleines Mädchen den Rock seiner Mutter packte. „Carsten, Carsten, Caaarsteeen? Kann Laura mitkommen???“

„Lissi!“ Ariane funkelte sie anklagend an. „Da der eiskalte Engel Laura einen… ähm… er nicht vorhat zu kommen, glaube ich nicht, dass sie darauf überhaupt Lust hat.“

Es war süß, wie Ariane sie in Schutz nahm und auch noch versuchte, ihren Korb bei Benni zu umschreiben. Das rührte Laura und sie wollte den Mädchen etwas entgegenkommen.

„Ich kann auch mitkommen, kein Problem.“

Wie vor einigen Tagen musterte Carsten sie kritisch, doch schließlich seufzte er. „Übernimm dich aber bitte nicht.“

Laura nickte begeistert. „Klar.“ Sie wusste gar nicht, warum sie sich überhaupt so freute. Vielleicht, weil sie mit dieser Entscheidung auch den anderen Mädchen eine Freude bereitete.

Lissi wandte sich an Janine. „Aber dann musst du auch mitkommen, Ninie.“

Janine schüttelte traurig den Kopf. „Ich sagte euch doch schon, dass ich kein Geld für ein Kostüm habe. Und ohne Verkleidung würde das doch komisch wirken, wenn ich mitkomme.“

Prinzessin Jasmin stemmte die Fäuste in die sexy Hüften. „Dass einem das Geld den Spaß verbietet…“

„Kannst ihr ja was schenken, eure Hoheit.“, konterte Anne trocken, auf Öznurs Verkleidung anspielend und dass Öznur ansonsten Anne gerne mit solchen Adelstiteln ansprach.

„Man braucht ja nicht wirklich ein Kostüm.“, meinte Carsten.

„Na ja… Eigentlich schon.“, widersprach Ariane, aber sie schien tatsächlich Hoffnung zu schöpfen.

„Ich kann dir eine Verkleidung zaubern. Das Problem ist nur, dass sie nicht für die Ewigkeit hält, im Vergleich zu den echten Kostümen.“, schlug Carsten vor.

„Aber ich bin dann verkleidet?“, fragte Janine und auch in ihr wuchs die Hoffnung.

Carsten nickte. „Soll ich?“

„Jaaa!“, riefen die anderen Mädchen an Janines Stelle. Diese lächelte nur schüchtern.

Carsten erwiderte ihr Lächeln und hob seine Hand auf Schulterhöhe. Er sprach einen Satz in der Sprache der Zauberer und aus seiner Handfläche leuchtete ein in allen Farben schimmerndes Licht. Dieses Licht umspielte Janine von Kopf bis Fuß und als es wieder verschwand, trug Janine ein blaues Kleid mit weißer Schürze und ein schwarzes Haarband.

Ariane war die erste, die die Verkleidung erkannte. „Alice im Wunderland! Coole Idee Carsten, das passt perfekt zu ihr!“

„Wie süß, das steht dir wirklich gut!“, rief Öznur begeistert.

Janine zwirbelte verlegen eine Haarsträne. „Oh, äh… Danke schön…“

Ariane das Häschen sprang zu ihr rüber und legte einen Arm um ihre Schultern. „Dann bin ich dein weißer Hase. Also schön mir hinterherlaufen! … Aber fall bitte in kein Loch.“

Öznur und Laura lachten.

„Soll ich dich auch verwandeln?“, fragte Carsten Laura, die etwas zögernd nickte.

Noch etwas mühsam stieg sie aus ihrem Bett und ihre Beine schienen sich noch nicht sicher zu sein, was sie davon halten sollten plötzlich so viel Last tragen zu müssen.

Wie zuvor auch bei Janine, hob Carsten seine Hand und sprach seinen Zauberspruch.

Laura hätte beinahe überrascht gelacht, als das warme, gemütliche Licht in den vielen Farben sie umgab. Normalerweise mochte sie es ja schlicht und schwarz, aber bei dieser Magie fühlte sie sich irgendwie geborgen.

Als das Licht wieder verschwand, stand sie nicht mehr im Schlafkimono da, sondern war als schwarzes Kätzchen verkleidet, höchst wahrscheinlich hatte sie auch Ohren bekommen.

„Oh, wie süß! Dich will man glatt knuddeln.“, meinte Ariane begeistert.

Carsten lächelte zustimmend. „Aber passt auf, ihr beiden. Mein Zauber wirkt nur für den heutigen Tag. Um Mitternacht löst er sich auf und dann tragt ihr wieder eure eigentliche Kleidung.“

„Das ist ja fast so, wie bei Aschenputtel.“, bemerkte Öznur lachend. „Carsten, du solltest gute Fee sein und nicht Pirat!“

Carsten lachte verlegen auf.

„Also los, Leute! Gehen wir endlich!“, drängte Lissi und schob ihre Schwester mit sich raus.

„Ja, ja.“, entgegnete Anne genervt und folgte ihr zusammen mit Öznur.

Janine ging kurz in ihr Zimmer, höchst wahrscheinlich wollte sie wissen, wie sie nach Carstens Zauber überhaupt aussah.

Auch Laura hatte das vor. Neugierig betrachtete sie sich in dem Spiegel in ihrem und Arianes Zimmer.

Ihr Spiegelbild hatte hochgesteckte Haare, die immer noch über ihre Schulter fielen, so wie bei dem Ball letzten Monat. Nur, dass ihre Haare dieses Mal verwuschelter und wilder und nicht elegant aussahen. Tatsächlich hatte sie Katzenohren in ihrer Haarfarbe auf dem Kopf. Sie trug ein eng anliegendes, schwarzes Oberteil und eine schwarze Hose, sowie schwarze Stiefel. Ihre langen Fingernägel waren auch schwarz und sie hatte sogar ein Katzenschwänzchen. Aber was Laura in den Bann zog war das elegante Gesicht, das sie von dem Spiegel aus anblickte. War das wirklich sie? Schwarzer Lidstrich umrundete ihre rehbraunen Augen und gab ihr etwas katzenhaftiges, so wie die Schnurrhaare auf ihrer Wange.

Laura lächelte ihrem Gegenüber traurig zu. Es war eigentlich schade, dass Benni sie so nicht treffen würde, immerhin hatte er sie zum letzten Mal in ihrer Halbohnmacht gesehen.

Carsten drückte kurz sanft ihre Schulter, als habe er ihre Gedanken erraten. Danach verließ auch er das Zimmer und folgte den anderen Mädchen.

Ariane und Laura gingen kurz darauf auch los. Laura tippte Ariane von der Seite an.

„Sag mal… Wer hat mich eigentlich umgezogen?“, fragte sie zögernd.

„Susanne.“ Ariane lachte, da sie Lauras Verlegenheit bemerkt haben musste. „Keine Sorge, niemand hat dich in weniger als diesem Kimono gesehen. Diese Magie hat’s schon drauf. Susi hatte irgendeinen Zauber, bei dem du einfach mal dein Schlafzeug statt deinen Schneesachen anhattest. Stell dir vor, du könntest sowas, wenn du verschläfst!“

Laura atmete erleichtert auf. Der eigentliche Grund ihrer Frage war zwar, ob irgendein Junge sie umgezogen hatte, aber außer Lissi hätte sie da wohl jeder in Schutz genommen, sogar Anne.

 

Der Ballturm war nun bunt geschmückt und leuchtete buchstäblich von innen heraus in bunten Farben. Wer auch immer sich um die Deko gekümmert hatte, er verstand seine Arbeit.

Auch im Inneren des Turms war ein prächtiges Farbenspiel und gelegentlich rieselte Konfetti von der Spitze herab.

Ebenso bunt waren die Gäste der Feier. Janine hatte schon Recht, ohne Verkleidung konnte man hier nicht aufkreuzen.

Janine konnte Laura bei Susanne sehen, die sich mit einigen Mädchen aus ihrer Stufe unterhielten, wenn das bei der Lautstärke überhaupt möglich war.

Auch Lissi war schnell zu finden, da sie in ihrem Zirkus-Outfit mit einem älteren Schüler tanzte, der wohl dieser Kaito sein musste und als Dieb aus der Wüste verkleidet war.

Ariane die eben noch neben ihr stand, war schon längst verschwunden und prügelte sich mit Anne um das Buffet.

Und wen sah sie da, völlig verloren und ängstlich unter den ganzen Schülern?

„Chip, was machst du denn hier?!?“, rief Laura erschrocken und bekam die Panik, dass jemand dieses süße Tierchen unter seinen Latschen zermatschte.

Chip schien erleichtert, sie gesehen zu haben, denn er war in höchstens zwei Sprüngen bei ihr und begann damit, sie voll zu quietschen. Er schien wirklich Angst gehabt zu haben.

Laura wunderte sich, warum Chip ihr so vertraute. Höchst wahrscheinlich wegen Benni, da sie so oft bei ihm war, auch, als er Chip damals gefunden hatte.

Sie seufzte. „Du passt hier genauso gut rein wie ich, hm?“

Sie schaute sich erneut um. Es war wirklich unangenehm laut und an manchen Stellen so gedrängt voll, dass Laura sich extrem unwohl fühlte, obwohl sie eigentlich nicht unter Agoraphobie litt.

Sie verzog das Gesicht. Kein Wunder, dass Benni ihr einen Korb gegeben hatte. Hätte sie gewusst dass es hier so laut und gedrängt voll wäre, wäre sie gar nicht erst auf die Idee gekommen ihn zu fragen. Sie selbst hätte ja überhaupt nicht hingehen wollen.

Laura unterdrückte den Impuls, sich die Ohren zuzuhalten und wippte unruhig auf ihren Fußballen vor und zurück. Hier hielt man ja keine Minute aus!

Wieder quietschte Chip, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, und boxte mit seiner Pfote leicht gegen ihre Nase.

„Was ist denn, Kleiner?“ Laura würde Tiere zu gerne auch so gut verstehen können wie Benni. Doch das schien unmöglich.

Plötzlich hüpfte Chip herunter und sprang in die Menschenmenge. „Hey, warte! Dir könnte noch was passieren!“, rief Laura dem hyperaktiv gewordenen Eichhörnchen zu und hastete hinter ihm her, in der Angst, er könnte sich noch verletzen. Immerhin: Er war auch vom Baum und mehrmals fast von Bennis Schultern gefallen.

Also quetschte sich Laura trotz ihres Widerwillens durch die Gruppen und erntete dafür empörte Beschimpfungen, bis sie endlich eine kleine Lichtung erreichte und dann- blieb sie abrupt stehen.

Das, was sie sah könnte genauso gut ein Film sein. Sie sah, wie sich Benni runter zu dem kleinen Eichhörnchen beugte und ihm die Hand entgegenstreckte, auf die Chip mit einem fröhlichen Quietschen sprang. Er hüpfte mit kleinen Sprüngen Bennis Arm hinauf, kletterte eichhörnchentypisch auf ihm herum, bis er wieder auf Bennis Hand hüpfte und sich von ihm über den kleinen Kopf streicheln ließ.

Laura trat einen Schritt vor und in diesem Moment trafen sich ihre Blicke.

Bennis Aussehen ließ sie schaudern. Seine weißblonden Haare verdeckten nicht mehr sein rechtes Auge, sondern fielen in einzelnen Strähnen ins Gesicht und ließen seine Vampirerscheinung wild und sexy wirken. Vampir, das war seine ‚Verkleidung’. Nicht nur, dass er tatsächlich so erotisch und unheimlich wie solch ein Wesen der Nacht wirkte. Carsten schien mit seiner Magie auch noch bei Bennis linkem, normalerweise schwarzem Auge nachgeholfen zu haben, da es nun genauso blutrot leuchtete, wie sein rechtes.

Er trug ein schwarzes Hemd mit einem Sensenmann, dessen teils blutige Sense auf den Hals zeigte. Die obersten Knöpfe waren offen gelassen, sodass man Bennis Kette mit dem Kreuzanhänger sehen konnte und auch einen leichten Ansatz seiner trainierten Brust, was ihn noch attraktiver aussehen ließ als er ohnehin schon war.

Laura schüttelte sich als wolle sie sich aus seinem Bann befreien.

„W-Was machst du denn hier?!“, rief sie über die laute Musik hinweg. Es war das erste, was sie zustande brachte. Zwar keine Begrüßung, aber noch das normalste, was man von ihr erwarten konnte. Hatte er ihr nicht vor einigen Tagen eine Abfuhr erteilt, weil er auf die Party keine Lust hatte? Und was hatte er dann bitte schön auf der Party zu suchen?

„Der Direktor wollte, dass ich beim Überwachungsdienst helfe.“, antwortete er und kraulte Chip eines der kleinen Öhrchen. Chip schloss genüsslich die Augen und gab einen Laut von sich, der einem Schnurren ähnelte. Was für ein Tier war der Kleine nochmal?

Laura schnaubte. „Ach so.“ Verärgert verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Es ist ja nicht so, dass du mir bei meinem kurzen Leben mal einen Gefallen tun willst. Nein, du bist nur hier, weil es ein Befehl einer Respektsperson war. Danke schön!“

„Oh je, die Zeichen bei euch stehen ja schon wieder auf Sturm.“ Carsten kam dazu.

„Ja, klar! Du weißt doch selbst, wie egoistisch Benni ist.“, entgegnete Laura und gab dabei ihr katzenartiges Fauchen von sich. Erst jetzt merkte sie, wie passend die Verkleidung für sie war.

Carsten seufzte und legte Laura eine Hand auf die Schulter. Benni ignorierte er vorerst. „Du bist nicht gerade besser. Als Benni mir erzählt hatte, dass du dir ‚ein Grab reservieren wolltest’, hatte ich das erst mal für einen schlechten Witz gehalten.“

Laura runzelte die Stirn. „Das war natürlich ernst gemeint. Du hast doch gesehen, was gestern passiert ist. Wenn ich nicht sterben werde, dann wird Eagle dein bester Freund.“

Carsten zuckte zusammen, als habe man ihn geschlagen. „Klärt das unter euch. Bitte. Ich wollte dir nur sagen, dass du Benni damit wirklich schwer getroffen hattest. Er sorgt sich ohnehin schon genug um dich.“

Überrascht schaute Laura ihren besten Freund an. … Wirklich? Also… im ernst?

„Du weißt schon, dass ich dich höre.“, meinte Benni tonlos.

Carsten schnaubte. „Du solltest mich ja auch hören. So teilt man nämlich einer Person mit, dass man von einem Kommentar verletzt worden ist und man sich eigentlich Sorgen macht.“

Benni hob eine Augenbraue, als Carsten davon stapfte. Verdammt noch mal, selbst der eiskalte Engel konnte das! Und warum sie nicht?!?

Kopfschüttelnd verschränkte Benni wieder die Arme vor der muskulösen Brust und lehnte sich gegen die Säule, um durch die Schülermengen zu blicken. Man sah, dass dieser Blick geschult war. Dass es nicht das erste Mal war, wie er Leute beobachtete und nach potenziellen Gefahren Ausschau hielt.

Doch gleichzeitig konnte man auch seine Anspannung wahrnehmen. Diese Lautstärke, der volle, gedrängte Raum…

Benni mied solche Situationen nicht grundlos. Für einen normalen Menschen wirkte er vermutlich gerade einfach nur wie ein sehr ernster Typ, der seiner Pflicht nachging.

Doch Laura sah, wie sehr er eigentlich damit zu kämpfen hatte. Wie seine helle Haut noch ein bisschen blasser war, der Blick etwas angestrengter, der Atem gezwungen beherrscht.

Besorgt trat sie einen Schritt auf ihn zu. Je mehr sie Benni beobachtete desto mehr bekam sie den Eindruck, dass eigentlich er derjenige war, der hier jeden Moment zusammenbrechen könnte und nicht das todkranke Mädchen. „Geht es? Oder soll ich doch lieber Carsten zurückholen?“

Doch Benni antwortete ihr nicht und ließ seinen Blick stattdessen weiter durch die Schülergruppen schweifen.

Laura ging noch einen Schritt auf ihn zu. „Bist du sauer?“

Als Antwort zuckte Benni nur mit den Schultern.

„Ich meine… Du hast doch gesehen, wie schwach mein Körper geworden ist. Da liegt es doch auf der Hand, dass der Schwarze Löwe mich verlassen wird.“

Bennis Augen verengten sich nur ein kleines bisschen, dennoch ließ der resultierende Blick Laura beinahe zurückweichen. Er schien wirklich verärgert…

Nervös fummelte sie an der Kette herum, die er ihr am Valentinstag geschenkt hatte. „Mir kommt es halt so unmöglich vor, dass ich überleben werde… Da fände ich es nett, wenn ich noch eine schöne Zeit habe und mich nicht mit so etwas wie… Na ja, wie mit einem Streit herumschlagen muss. Aber falls… falls dich meine Aussage wirklich so sehr getroffen hat wie Carsten eben meinte, dann… dann tut mir das leid.“

Gleichgültig zuckte Benni erneut mit den Schultern.

Frustriert von seinen noch nicht einmal einsilbigen Antworten biss sich Laura auf die Unterlippe. „Ich will doch nur endlich wissen, ob ich dir egal bin, oder nicht!“, rief sie verzweifelt aus. „Bei deinem Verhalten blick ich nicht durch! Bitte! Sag es mir doch einfach: Bin ich dir egal?!“

Laura ballte die Hände zu Fäusten. Sie zitterte am ganzen Körper. Hoffentlich hatte Carsten daran gedacht, dass ihre Schminke wasserfest sein musste, so nah, wie sie am Wasser gebaut war. Denn heute Abend würde sie sicherlich noch heulen müssen.

Benni schwieg einen Augenblick. Schließlich antwortete er: „Nein.“

Tatsächlich schossen nun Tränen in Lauras Augen, aber sie wirkten nicht so, als würden sie sofort los dreschen.

„Also warum machst du dir dann keine Sorgen? Warum verhältst du dich so unmenschlich?!“

Benni fuhr sich mit der Hand durch das platinblonde Haar und kniff die Augen zusammen. „Müssen wir ausgerechnet jetzt darüber reden?“

„Wann denn sonst?! Du gehst mir ja dauernd aus dem Weg! Ich möchte jedenfalls wissen, warum du dich so unmenschlich verhältst!“, drängte sie.

„Laura…“, brachte Benni mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

Sie stockte. Hab ich ihn etwa tatsächlich verletzt?!?

„H-Hab ich irgendwas Falsches gesagt?“

Vorsichtig ging Laura wieder einige Schritte auf ihn zu, bis sie direkt vor ihm stand. Bennis gesamter Körper war so angespannt, dass sogar die Adern auf seinen Unterarmen hervortraten.

„… Benni? Alles okay?“

Sanft wollte sie ihre Hand auf seinen Unterarm legen, doch selbst bei der ersten federleichten Berührung zog Benni seinen Arm weg.

Was Laura umso mehr verunsicherte und somit überforderte. Was ist denn los?!

„Hey Laura!“

Überrascht drehte sich Laura um, aus der Richtung aus der die Stimme ihren Namen gerufen hatte. Ariane kam mit mehreren Pizzabrötchen auf einem Teller beladen angelaufen.

„Du bist so plötzlich verschwunden, da wollte ich mal schauen wo du steckst und dass du ja nicht die Fliege gemacht hast.“

„Du bist doch sofort zum Buffet gestürmt und hast mich alleine gelassen.“, widersprach Laura leicht gereizt. Natürlich mochte sie Ariane, aber gerade war sie so überladen von Sinneseindrücken und der ganzen Situation mit Benni, dass sie es einfach nicht schaffte freundlich zu bleiben.

Ariane seufzte und musterte Benni, der scheinbar nach wie vor sein Pokerface aufgesetzt hatte. „Du bist ja doch noch gekommen, du… Vampir…“ Ariane schauderte und wich einen Schritt zurück, obwohl sie eben noch recht anfeindend geklungen hatte. „Lebensechte Verkleidung… Respekt… Hätte ich nicht erwartet.“

Sie hielt den beiden den Teller hin. „Wollt ihr auch eins?“

Gleichzeitig schüttelten sie den Kopf. Ariane zuckte mit den Schultern. „Okaaaay, diese ‚lass uns allein‘-Vibes sind mehr als eindeutig. Aber bitte lieb zueinander sein, okay?“

Mit diesen Worten verschwand sie wieder in dem Knäuel aus verkleideten Schülern.

Laura seufzte. Eigentlich wäre es ihr sogar ganz lieb gewesen, wenn Ariane geblieben wäre.

Verunsichert schaute sie wieder zu Benni. Dieser hatte den Kopf gegen die Säule gelehnt und die Augen geschlossen. Etwas, was überhaupt nicht zu seinem ansonsten so wachsamen Charakter passte, der irgendwie immer für jede drohende Gefahr gewappnet schien.

Besorgt musterte Laura ihn. Ihm schien es wirklich deutlich schlechter hier zu gehen als er es sich anmerken lassen wollte.

Ihre Vermutung bestätigte sich, als Chip ihm auf seiner Schulter ins Ohr quietschte und sein Köpfchen mehrfach an seiner Wange streifte, bis Benni ihn schließlich in die Hand nahm und wieder zu streicheln begann.

Geräuschvoll atmete Laura aus. „Du kannst machen was du willst, aber ich hole jetzt Carsten. Dir geht es richtig schlecht und ich will nicht, dass du hier tatsächlich zusammenbrichst.“

Noch während sich Laura suchend nach Carsten umschaute, überkam sie plötzlich ein heftiger Husten. Sie kannte dieses Gefühl. Und es löste sofort eine grausige Angst in ihr aus.

Vor Schmerz krümmte sich Laura, versuchte irgendwie den Husten zu unterdrücken ohne dabei den Atem anhalten zu müssen.

„B-Benni-“, brachte sie wimmernd hervor und presste ihre Hand auf den Mund, als ein weiterer heftiger Husten sie überkam und sie begann Blut zu schmecken.

Sie spürte, wie sich eine warme Hand auf ihre überhitzte Wange legte. Instinktiv griff Laura mit ihrer freien Hand nach ihr und klammerte sich daran fest, als würde ihr das den einzigen Halt in dieser Finsternis des Schmerzes geben.

Keuchend rang sie um jeden Atemzug. Und jeder Atemzug war eine Qual.

Behutsam hob Benni ihren Kopf etwas an, sodass sie ihm in die Augen schaute als sie ihre öffnete. Sein linkes Auge war wieder nachtschwarz, doch dieses Mal hielt sein rotes, dämonisches Auge sie in seinem Bann.

Die Pupille hatte eine schmale katzenartige Form bekommen und die blutrote Iris loderte und schien von sich aus zu leuchten.

Eine unbeschreibliche Macht ging von Benni aus und Lauras Körper fühlte sich wie davon gerufen. Als wäre sie ein Teil dieser Macht, ein Teil von ihm.

Noch währenddessen spürte Laura, wie ihr Körper wieder an Kraft gewann. Sogar der Husten ebbte ab, bis das Lodern der Energie in Bennis Auge verschwand und seine Haare, die zuvor wie geladen abstanden hatten, sich wieder darüber legten um es zu verdecken.

Ungläubig, nicht dazu in der Lage auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen, starrte Laura Benni an. Einen Augenblick verharrten beide in dieser Position, bis Benni schließlich wieder aufstand und ihr die Hand hinhielt.

Laura nahm sie und mühte sich mit seiner Hilfe auf die Beine, wobei sie sich weitaus stärker fühlte als sonst nach einem ihrer Anfälle.

„W-Was hast du…“ gemacht?

„Ich habe dir meine Energie gegeben.“, antwortete Benni bloß.

Lauras Wangen färbten sich rot. „Was?“

„Da wir dieselbe Energie beherrschen, kann ich dir welche von meiner abgeben.“

Laura überlegte. „So etwas wie eine Bluttransfusion?“

Benni zuckte nur mit den Schultern. „Du solltest besser gehen.“

Seufzend schaute Laura auf ihre Hand, sah das Blut. „Okay…“

Besorgt musterte sie ihn. Er wirkte immer noch ziemlich erschöpft durch diese einzige Reizüberflutung um sie herum. „Und… du?“

Benni warf einen kurzen Seitenblick auf Chip, woraufhin das Eichhörnchen quietschend von seiner Schulter sprang und in der Schülermenge verschwand. Vermutlich um Carsten zu holen.

Erleichtert atmete Laura auf. „Okay, dann… pass auf dich auf.“

Benni gab keine Antwort mehr, auch kein ‚Tschüss’ oder ‚Gute Nacht’ kam über seine Lippen. Aber nach alldem konnte sie es ihm wohl kaum übelnehmen. Und Carsten war wohl ohnehin gerade eine deutlich bessere Gesellschaft als sie…

Betrübt senkte Laura den Blick. Dabei würde so gerne auch sie sich um Benni kümmern, wenn es ihm nicht gut ging! Aber man sah ja, worauf das hinaus lief… Am Ende schien wohl doch immer sie diejenige zu sein, die Hilfe brauchte.

Dabei würde sie so gerne für ihn da sein…

Laura verließ den dröhnend lauten Ballturm und ging an den Sportplätzen vorbei in Richtung des Mädchenwohnheims. Sie hatte schon fast das Hauptgebäude erreicht, als Ariane sie einholte. „Da bist du ja! Ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht die Fliege machen!“

Laura schüttelte den Kopf. „Glaub mir, ich muss gehen.“

Ariane sah sie besorgt an. „Warum denn? Es ist doch erst elf… Ist etwas passiert?“

Laura nickte. „So in etwa.“

„Dann komm ich mit. Im Endeffekt brichst du mir noch zusammen.“

Laura schüttelte den Kopf, als Ariane sich bei ihr unterhakte. „Zweimal direkt hintereinander breche ich hoffentlich nicht zusammen…“

Erschrocken sah Ariane sie an. „Wann?!? Eben gerade?!?!?“

Laura nickte seufzend und zeigte ihr im Laternenschein die Blutflecken auf ihrer rechten Hand.

Ariane musterte sie kritisch und besorgt zugleich. „Dafür, dass du eben erst zusammengebrochen bist, kannst du aber ganz schön normal gehen, wenn man bedenkt, wie es dir die letzten Male danach ergangen ist. Und warum hast du niemanden von uns gerufen?!“

Laura seufzte verlegen. „Ich war nicht alleine, Benni war bei mir.“

Ungläubigen Blickes starrte Ariane sie an, als hätte Laura ihr gerade erzählt, sie wäre von den Toten auferstanden. „Der eiskalte Engel? Das ist doch ein Witz! Du Arme! Er hätte ja wenigstens jemanden holen können!“

Laura schüttelte den Kopf. „Es ist alles okay, Benni hat sich um mich gekümmert.“

… Obwohl es ihm selbst eigentlich total schlecht ging…

Arianes unstillbare Neugier war nun geweckt. „Wie hat der das denn auf die Reihe gekriegt?“

Inzwischen waren sie im Mädchenwohnheim angekommen. Er war verlassen und wirkte einsam, da jeder Bewohner wohl auf der Feier oder im Bett war.

Laura starrte auf das kunstvolle Geländer aus Elfenbein an der Treppe, als sie antwortete: „Er hat mir Energie gegeben. Deswegen geht es mir jetzt auch recht okay.“

„Was soll er gemacht haben?“

„Ich weiß auch nicht so genau, wie er das gemacht hat… Aber sein rotes Auge, also das

rechte, hat auf einmal so geglüht und ich habe mich vom einen Moment auf den nächsten viel besser gefühlt. Benni meinte, das wäre die Energie.“, erklärte Laura ihr, „Keine Ahnung, ich weiß auch nicht so genau, wie das geht oder was das ist.“

Ariane schüttelte den Kopf. „Das war jetzt nicht das, was ich wissen wollte, aber da können wir ja Susanne fragen. Ich meine, er hat was gemacht?!? Er hat gehandelt? Das glaub ich nicht.“

Laura lachte verlegen auf. „Ich weiß nicht was ihr alle habt, Benni ist total hilfsbereit.“

„Ich würde dir ja wirklich gerne glauben, aber sonderlich überzeugen konnte er damit bisher nicht gerade.“ Seufzend streckte sie sich. „Na ja, jetzt wo wir schon hier sind, können wir auch genauso gut ins Bett gehen. Morgen wollten wir uns ja endlich auf die Suche nach den anderen Dämonenbesitzern machen, soweit ich weiß…“

Genervt stöhnte Laura auf. „Nein, bitte nicht. Ich hab keine Lust, Eagle zu besuchen!“

Ariane lachte. „Komm schon, so schlimm ist der doch auch nun wieder nicht, oder? Bei Eufelia-Sensei hattest du doch auch schon so ein Drama gemacht.“

Laura schnaubte. „Ob du mein ‚Drama‘ bei Eufelia-Sensei als gerechtfertigt sehen willst oder nicht, bleibt dir überlassen. Aber Eagle ist eine andere Hausnummer, das musst du mir glauben. Wenn er nicht wäre, wäre Carsten nicht auf dem FESJ gewesen.“

„Du meinst diese komische Besserungsanstalt?“

Laura nickte.

Ariane seufzte und schien sich allmählich dessen bewusst zu werden, was da auf sie zu kam. „Na super …“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  totalwarANGEL
2021-08-09T15:46:56+00:00 09.08.2021 17:46
> „Na ja, ich hab ja nur noch so drei Monate, da wollte ich wissen, ob ich
> wenigstens ein Grab neben Lucia bekommen kann. So reservierungs-
> mäßig, meine ich.“
Autsch! Was ein Galgenhumor!

> Auch Chip hob seine beiden kleinen Pfötchen, als könne seine Stimme
> doppelt zählen.
Oohhh! Hilfe, Diabetisschock!

> Laura fragte sich, wie sie diese Kälte in diesem knappen… Outfit… aus-
> hielt. Wobei das Mädchen zwar klein war, aber auch eine atemberau-
> bende Figur hatte.
Eingebaute Heizung. Stauraum hat sie ja genug.

> Dieses Licht umspielte Janine von Kopf bis Fuß und als es wieder in
> Carstens Hand verschwand, trug Janine ein blaues Kleid mit weißer
> Schürze und ein schwarzes Haarband.
Hoffentlich ist sie dann nicht nackt, wenn die Uhr abläuft...

> [...] stand sie nicht mehr im Schlafkimono da, sondern war als Kätzchen
> verkleidet, höchst wahrscheinlich hatte sie auch Ohren bekommen.
Ich hatte irgend wie mit einer Verkleidung als Sensenmann gerechnet...

> [... Lauras verkleidung]
Na bitte, ist doch schwarz genug für ihren Geschmack.

> Stell dir vor, du könntest so was, wenn du verschläfst!
Das wäre in der Tat sehr praktisch. Wenn es noch Dusche und Deo mit
einschließt, dann will ich auch auf die Schule und das lernen. :D

> [...], ob irgendein Junge sie umgezogen hatte
Benni würde das nullkommanichts interessieren (mein Eindruck bis zu
diesem Punkt) und Carsten ist so artig, der macht die ganze Zeit die
Augen dabei zu.

> der wohl dieser Kaito sein musste und als Dieb [...] verkleidet war.
Lass das mit "aus der Wüste" weg und du hast eine perfekte Anspielung. ;)

> Er war auch vom Baum [...] gefallen.
Irgend wie schon doof das Vieh. XD

> Vampir, das war seine ‚Verkleidung’.
Ja klar. Der Düstere grimmige Typ, der sich für niemanden interessiert.
Der Prototyp des Mädchenschwarms.
Ich hab das nie verstanden...

Hab ich schon mal erwähnt wie süß der kleine Racker ist?
Ähm... Chip natürlich.

> Und warum sie nicht?!?
Ich kann das übrigens auch. :P

> und ließ das Eichhörnchen, [...], da drauf plumpsen.
Ich würde echt mal mit ihm zum Tierarzt gehen...

> Laura schauderte. Hieß das, sie hatte Bennis Energie in ihrem Körper?!?
Wäre ihr etwas anderes lieber?
Okay... das war jetzt zu viel, oder? :D


Und damit wären wir auch wieder beim letzten dummen Spruch des Abends.
Stellenweise konnte sogar ich das Blut schmecken...
Das schlimmste daran ist, dass Laura praktisch schon aufgegeben hat. Sie
glaubt ja nicht mal mehr, dass der schwarze Löwe ihr hilft.
Mich hat überrascht, wie nett Benni zu Chip ist. Wahrscheinlich sind Tiere
einfach die besseren Menschen.
Antwort von:  RukaHimenoshi
09.08.2021 21:51
>Autsch! Was ein Galgenhumor!
Wenn es selbst für die mit Galgenhumor too much wird... XD

>Eingebaute Heizung. Stauraum hat sie ja genug.
🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣 Lissi würde deine Kommentare lieben 🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣

>Hoffentlich ist sie dann nicht nackt, wenn die Uhr abläuft...
Ich dachte, dass sie dann wieder ihre ursprünglichen Sachen trägt, aber als Drama-Liebhaber... Hmmmmmmm... 🤭

>Ich hatte irgend wie mit einer Verkleidung als Sensenmann gerechnet...
Laura und Benni haben den Galgenhumor, nicht der liebe, unschuldige Carsten! XD (Normalerweise)

>Das wäre in der Tat sehr praktisch. Wenn es noch Dusche und Deo mit
>einschließt, dann will ich auch auf die Schule und das lernen. :D
Ooooh jaaa, das wäre wahrlich ein Traum! 🤩 Und man würde trotzdem immer zu spät kommen... 😅

>Der Prototyp des Mädchenschwarms.
>Ich hab das nie verstanden...
Es ist wahrlich eine gute Frage... 🤔 Vielleicht, weil er eben so geheimnisvoll ist? Das regt die Fantasie an und schwärmenden Mädchen stellen sich dann eine im Herzen liebevolle, sanfte Persönlichkeit vor, also ganz nach dem Motto harte Schale weicher Kern. ... Moment mal... Da war doch was. 😆

>Hab ich schon mal erwähnt wie süß der kleine Racker ist?
>Ähm... Chip natürlich.
Aaaaw, es freut mich, dass der Kleine deinen Zucker-Haushalt sprengt 🥰

>Ich kann das übrigens auch. :P
Ich auch... Keine Ahnung, von wem Laura das hat. XD

>Ich würde echt mal mit ihm zum Tierarzt gehen...
Irgendwie befürchte ich, der würde da dran verzweifeln. XD

>Wäre ihr etwas anderes lieber?
>Okay... das war jetzt zu viel, oder? :D
🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣 So provokativ wie das schon geschrieben wurde, hab ich eigentlich nur darauf gewartet! 🤣 (Also für meine innere Laura -und meinen inneren Carsten- wär das definitiv zu viel, aber die innere Lissi feiert den Kommentar extrem. 🤣🤣🤣)

>Das schlimmste daran ist, dass Laura praktisch schon aufgegeben hat. Sie
>glaubt ja nicht mal mehr, dass der schwarze Löwe ihr hilft.

Oh ja, das hast du so schön gesagt. 😥 Lustigerweise ging es ausgerechnet in meinem letzten Blog-Eintrag um genau dieses Thema, wie arg Laura eigentlich mit Selbstzweifeln zu kämpfen hat, dass sie noch nicht einmal ansatzweise glaubt eine würdige Dämonenbesitzerin zu sein. - Ich frage mich ehrlich, wie sehr sie dich in Zukunft mit diesen Zweifeln und ihrem Geheule noch nerven wird. 😂 (Ich war ne Zeit lang extrem genervt von ihr... als Autorin!!! 😅)

>Mich hat überrascht, wie nett Benni zu Chip ist. Wahrscheinlich sind Tiere
>einfach die besseren Menschen.

Haha, absolut! Also wenn Benni eine Statistik mit Arschloch-Menschen vs Arschloch-Tiere machen würde, wäre der Ausgang eindeutig 😆 (Er kennt nicht viele Chihuahuas 😉 ... War dieser Kommentar nun eigentlich rassistisch? ô.O Oh Gott, lieber nicht weiter darüber nachdenken. 😅 )
Von:  Regina_Regenbogen
2020-08-02T10:18:55+00:00 02.08.2020 12:18
Carsten als gute Fee ist ja eine süße Idee!
Oh cool, dass Chip jetzt zur Truppe gehört! So niedlich! ❤
War auch interessant zu erfahren, als was wer sich verkleidet.
Benni tut mir manchmal leid. Laura ist so unsicher, dass sie gar nicht bemerkt, was in ihm vorgeht, wobei das natürlich auch verdammt schwer ist. 😂 Aber sein Umgang mit Chip ist so niedlich!
Antwort von:  RukaHimenoshi
02.08.2020 12:44
Stimmt, Carsten als gute Fee sollte eigentlich auf meine Liste der Sachen, die unbedingt mal gezeichnet werden müssen. :'D (Ich will nicht wissen, wie lang die inzwischen schon ist. ^^")
Hahaha, Tiere haben halt den niedlichen-Tier-Bonus, gegen den niemand etwas ausrichten kann. Selbst der coole Typ nicht. ;)
Antwort von:  Regina_Regenbogen
02.08.2020 14:59
Ich kenne das Problem. 😂 Warum gibt es keinen 3D Drucker oder zumindest 2D Drucker, den man an sein Hirn anschließen kann?
Antwort von:  RukaHimenoshi
03.08.2020 20:28
Das wäre toll!!! *-*
Andererseits ist ja gerade beim Zeichnen "der Weg das Ziel". (Gegen ein hübsches Resultat ist trotzdem nichts einzuwenden. :3 ) Gibt nur leider viel zu viele Wege. ^^"
Antwort von:  totalwarANGEL
09.08.2021 17:48
> Warum gibt es keinen 3D Drucker [...], den man an sein Hirn anschließen kann?
Als freiberufliche faule Sau würde ich das begrüßen.
Antwort von:  Regina_Regenbogen
09.08.2021 22:12
>Als freiberufliche faule Sau würde ich das begrüßen.
Wer nicht, totalwarANGEL, wer nicht? XD


Zurück