Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 35: Ein neuer Abschnitt ------------------------------- Ein neuer Abschnitt Laura holte tief Luft und verließ den Bus zusammen mit weiteren Menschen, die entweder in der Kampfkünstler- oder Magier-Uniform der Coeur-Academy steckten und wie sie durch das gewaltige Holztor ihrer Eliteschule gingen. Das letzte Mal, dass Laura das Tor mit so vielen Menschen durchschritten hatte, war zum Schulbeginn nach den Weihnachtsferien gewesen. Dieses Mal war es das Ende Osterferien. Und das waren vermutlich die letzten Ferien, die Laura je gehabt hatte… Seufzend ging sie Richtung Mädchenhaus, während ihre trüben Gedanken sie beherrschten. Heute war der vierzehnte April, es war also nicht mal mehr ein Monat bis zu ihrem Geburtstag. Und bis zu ihrem Todestag… Für sie stand es fest: Der Schwarze Löwe würde sie garantiert verlassen. Laura wäre schleierhaft, wie er sich jetzt noch anders entscheiden könnte. Sie hatte die letzte Ferienwoche viel Zeit gehabt um neben unnötigen Hausaufgaben, die die Lehrer einem aufgaben, weil sie dachten, dass man in den Ferien sowieso nichts Besseres zu tun hätte als zu lernen, auch noch nachzudenken. Nachzudenken über alles, was die letzte Zeit so passiert war. Und dieses Nachdenken hatte ihr offenbart, dass sie sich bei ihrer vermeintlichen Dämonenprüfung echt bescheuert benommen hatte. Verdammt, ich bin wütend und heulend aus dem Schrein des Schwarzen Löwen gestürzt, obwohl er mir auch noch zugerufen hatte, ich solle warten! Laura packte den Griff ihres Koffers so fest, dass ihre Knöchel weiß hervorstachen, während sie ihn die Treppe hochhievte. Diese Reaktion war nicht nur oberpeinlich, sondern auch noch extrem respektlos und kindisch gewesen. Bedrückt holte sie den Schlüssel für das Zimmer heraus, welches sie sich mit Ariane hier an der Akademie teilte, stellte kurz darauf allerdings fest, dass das Zimmer gar nicht verschlossen war. Vorsichtig öffnete Laura die Tür, da sie einen Hinterhalt befürchtete. Anscheinend sprang der Verfolgungswahn ihres Vaters inzwischen auch auf seine Tochter über. Aber nichts dergleichen geschah und Laura konnte sich trotz ihrer depressiven Stimmung ein Kichern nicht verkneifen. Das Zimmer war eigentlich ordentlich und sauber, nur auf Arianes Bett lag ein geöffneter Koffer, dessen Inhalt auf dem ganzen Bett und teils auch auf dem Boden verteilt war und die linke Zimmerhälfte dadurch in das reinste Schlachtfeld verwandelte. „Laura, hi!“, rief jemand begeistert und Lauras Erwartung eines Hinterhalts bestätigte sich schließlich doch noch, als dieser jemand sie von hinten ansprang und in einer erwürgenden Umarmung packte. „Hi…“, keuchte Laura, bis Ariane endlich bemerkte, dass ihre Begrüßung ein bisschen gesundheitsschädigend war und sie befreite. „Hey, Laura!“, grüßte Öznur fröhlich, die gemeinsam mit Susanne, Lissi und Janine aus dem Zimmer gegenüber von Lauras und Arianes kam. Laura versuchte, mit einem Lächeln ihre trüben Gedanken zu verscheuchen. Immerhin wollte sie die gute Laune der anderen nicht vermiesen und ihr selbst täte etwas Lachen sicher auch mal ganz gut. Aber es gelang ihr nur zum Teil. „Wie waren deine restlichen Ferien?“, fragte Susanne freundlich. Laura war froh, dass sich Susanne anscheinend wieder etwas von ihrem traumatisierenden Erlebnis bei ihrer Dämonenprüfung erholt hatte. Doch sie bemerkte, dass Susannes Lächeln ebenso erzwungen wirkte wie Lauras. „Na ja… Eigentlich tot langweilig.“, antwortete sie wahrheitsgetreu. „Hausaufgaben, malen und gammeln, wie immer eigentlich.“ Ariane zuckte mit den Schultern. „Ich war eigentlich ganz froh, etwas Ruhe zu haben, nach der ganzen Aufregung in der ersten Woche.“ „Du hattest trotz deiner Stiefmutter noch Ruhe?“, fragte Öznur bewundernd und erinnerte dadurch alle Anwesenden an die fürchterliche, eingebildete Frau, die sich einfach so in Arianes Familie gedrängt hatte. Ariane seufzte bedrückt aber eine konkretere Antwort bekamen sie nicht von ihr, nur ein: „Können wir jetzt endlich was zu Abend essen?“ Öznur zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?“ Gemeinsam gingen sie wieder die sechzig Stufen runter, über die sich Öznur immer noch beschwerte und verließen das Mädchenhaus, um zur Mensa zu gehen. Auf dem Weg dorthin kamen sie an dem Springbrunnen vorbei, der fröhlich vor sich hin plätscherte und auf dessen Rand seelenruhig Carsten saß und einen fetten Wälzer las, bis er bei Lissis gequietschtem „Cärstchen!“ aufschaute. „Hi, endlich seid ihr auch wieder hier.“, begrüßte Carsten sie erfreut. „Was heißt denn hier endlich?“, fragte Öznur empört. „Ich glaube, du bist der einzige, der sich über Schule freut…“, stellte sie kopfschüttelnd fest. Carsten zuckte mit den Schultern. „Schule ist weitaus angenehmer als… als andere Sachen, die ich kenne. Aber eigentlich meinte ich damit, dass es die letzten Tage hier so bedrückend einsam war…“ Ariane schaute ihn irritiert an. „Natürlich war es hier einsam, immerhin war keiner hier. Hallo, Damon an Carsten, es waren Ferien, falls du das noch nicht bemerkt hast.“ Seufzend legte Carsten das Buch zur Seite und malte Spiralen ins Wasser, die zu kleinen Strudeln wurden, als er fertig war. „Ich weiß.“, erwiderte er schließlich. „Aber wo hätte ich sonst hingehen sollen? Ich will nicht nach Indigo…“ Lauras Herz zog sich bei seinem Ton zusammen. So fröhlich er sie vorhin begrüßt hatte, so traurig klang er nun. Sie setzte sich neben ihn auf den Brunnen und versuchte dasselbe mit den Strudeln, stellte aber fest, dass das wohl Magiersache war. Am Tag nach Eufelia-Senseis Beerdigung und dem Treffen mit Herr und Frau Yoru hatte sich die Gruppe gespalten und alle waren nach Hause gefahren, um Ostern und die zweite Ferienwoche bei ihren Familien zu verbringen. Alle, nur Carsten offensichtlich nicht. „Du hättest doch bei mir und meinen Eltern bleiben können.“, meinte Laura. „Es war ohnehin total ätzend, plötzlich so ganz alleine zu sein.“ Carsten schüttelte den Kopf. „Ich wollte ihnen nicht zur Last fallen.“ Laura schnaubte. „So wie ich O-Too-Sama kenne, hätte er dich mit Freuden aufgenommen… Jedenfalls im Gegensatz zu Benni.“ „Ach so, wie läuft es eigentlich zwischen dir und Benni?“, erkundigte sich Öznur neugierig und ergänzte mit einem schelmischen Lächeln: „Immerhin seid ihr ja jetzt offiziell zusammen.“ „Weil du das ganz plötzlich so beschlossen hast.“, erwiderte Laura, während sie schon gar nicht mehr beachtete, dass ihr Gesicht bei diesem Thema knallrot wurde. „Ach komm schon, du- nein, ihr beide wolltet das doch auch. Ihr habt nur etwas Starthilfe gebraucht.“ Öznur lachte. Laura seufzte. Das war das zweite Thema, dass sie neben ihrem bevorstehenden Tod so belastete. „Nichts läuft zwischen uns.“ Auf den irritierten Blick der Mädchen hin antwortete Carsten schließlich: „Benni ist zu Konrad und Rina gegangen.“ Er schaute Laura aufmunternd an. „Und das braucht dich nicht im Geringsten zu frustrieren. Vielleicht kann Benni seine Gefühle noch nicht verstehen aber ich weiß ganz sicher, dass er dich sehr mag.“ Carsten seufzte und ließ das Wasser dieses Mal in kleinen Spiralen nach oben schweben. „Aber denkt dran, dass Benni immer noch sein Zuhause und seine Pflegemutter verloren hat… Selbst ihr konntet sehen, dass ihn das mitnimmt! Das war einfach alles zu viel für ihn…“ Betroffen senkten die Mädchen die Köpfe. Jeder konnte nur zu gut verstehen, dass Benni etwas Zeit für sich brauchte. Diese Zeit hätte er als Gast bei Laura garantiert nicht haben können… In einem Haus, in welchem der Hausherr ihn hasste und Laura vermutlich wie eine Klette an ihm gehangen hätte… Selbst Laura fiel auf, dass Benni zu dem Vampirpaar ein sehr vertrautes Verhältnis hatte. Er wäre also nirgends besser aufgehoben, als bei ihnen. „Stimmt Laura. Was Bennis Gefühle für dich betrifft… Da brauchst du dir überhaupt keine Sorgen mehr zu machen.“, meinte Janine aufmunternd. „Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du ausgerechnet zur Schule zurückkehren musstest.“, wandte sich Öznur immer noch geschockt an Carsten. „Was machst du denn sonst so in den Ferien?“ Mit einem lauten Platsch fiel die Wasserspirale in sich zusammen. Carsten funkelte Öznur aus seinen lila Augen so wütend an, wie Laura ihn nur selten sah. „Falls ihr das vergessen habt: Meine letzten Ferien waren vor über sechs Jahren.“ Öznur schien wie der ganze Rest der Mädchen zu erstarren. Carsten war ein gesunder, fröhlicher und liebevoller Mensch, ein sorgenvoller und gutmütiger Freund, ein intelligenter Schüler und ein talentierter Magier, der seine Kräfte allerdings nur einsetzte, um die, die ihm wichtig waren zu verteidigen und zu retten. Er war jemand, den man nie im Leben auf das FESJ schicken würde. Und ja, Carsten hatte Recht. Sie hatten inzwischen vergessen, dass man ihn einst dorthin geschickt hatte. Carsten wandte sich bedrückt ab und wollte aufstehen und gehen, aber Laura hielt ihn an der Hand zurück. „T-tut mir leid. Es- es war wirklich nicht meine Absicht, dass…“, stotterte Öznur unsicher. „Ich dachte, ihr wolltet was essen gehen.“, meinte Carsten immer noch abgewandt. Laura biss sich auf die Unterlippe. Sie hatten ihn verletzt… Nicht nur Öznur, sie alle. Immerhin hatte keiner von ihnen mehr daran gedacht, was er vor einigen Monaten noch hatte durchstehen müssen. „Seitdem sind gerade mal zweieinhalb Monate vergangen…“murmelte Susanne befangen, während sie die Mensa betraten. Laura wollte schon fragen, hielt sich aber zurück, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass Carsten leicht lächelte und nur „Stimmt.“ darauf erwiderte. Um Lauras besten Freund nicht vielleicht noch mehr zu verletzen, flüsterte sie zu Susanne: „Seit was sind gerade mal zweieinhalb Monate vergangen?“ „Seit er das FESJ verlassen hat.“, flüsterte sie zurück. „Echt?!“, rief Laura erschrocken auf. Das konnten doch nicht ernsthaft unter drei Monate gewesen sein! Sie hatte das Gefühl, dass Carsten schon ewig bei ihnen war! Er war Ende Januar zu ihnen gekommen… Immer wieder zählte Laura an ihren Fingern ab, wie viele Monate dazwischenlagen, aber sie kam immer nur auf zweieinhalb. Sie konnte einfach nicht glauben, dass so wenig Zeit vergangen war… „Hör auf damit.“, wies Carsten sie zurecht, als Laura nur noch auf ihre Finger und nicht mehr auf die Treppenstufen geachtet hatte und auch prompt über eine der Stufen gestolpert war. Er half ihr hoch und kurz darauf setzten sie sich an einen Tisch, an dem sich Ariane ziemlich bald wie immer mit einer Elfe streiten musste, weil es um irgendetwas zu essen ging, dass sie der Elfe zufolge nicht haben sollte. „Wie waren sonst eure Ferien?“, erkundigte sie sich, nachdem sie der Elfe endlich die Wurst abgeluchst hatte. Lissi zuckte mit den Schultern. „So wie immer, Süße.“ Öznur nickte. „Ja, bei mir war’s auch so… Endlich mal entspannen, mit den großen Schwestern shoppen, mit der kleinen Schwester spielen, sich mit dem Nachbarn streiten…“ Ariane lachte auf. „Du kannst ihm aber auch einfach nicht aus dem Weg gehen, oder?“
„Nein, wirklich nicht!“, entrüstete sich Öznur. „Der taucht einfach immer wieder auf! Ich habe ihn im Shoppingcenter getroffen. Im Shoppingcenter!“ Öznur fand das zwar nicht so witzig, wie der ganze Rest, aber immerhin hatte sie es geschafft, Carsten wieder aufzuheitern, wie Laura erleichtert feststellte.
„Warst du eigentlich bei deiner Mutter in Mur?“, fragte Susanne Janine. Diese nickte. „Übrigens danke für die Nachhilfe Carsten. Der Zauber hat problemlos funktioniert.“ Carsten schenkte ihr das für ihn typische, liebevolle Lächeln. „Kein Problem.“ „Uuuuuh, Nachhilfe? In was denn, Ninie?“ Natürlich hatte Lissi das irgendwie zweideutig verstanden. Lissi verstand so ziemlich alles irgendwie zweideutig. „Carsten hat mir beigebracht, wie man sich teleportiert.“, erklärte Janine. „Und sie lernt viel schneller, als manch andere Leute, die sich noch nicht einmal einen einzigen Zauber merken können.“, lobte Carsten sie, aber Laura wusste, dass das auch ein kleiner Seitenhieb war. „Autsch, das war gemein.“, bemerkte Öznur, gespielt beleidigt. „Jetzt sind wir quitt, oder?“ Carsten lächelte sie mit Unschuldsmiene an. „Tut mir leid, das Bedürfnis war zu groß.“ Öznur winkte ab. „Ja, klar. Aber ich hätte echt nicht gedacht, dass du auch so sein kannst.“ Carsten lachte auf. „Eagle ist mein großer Bruder, Benni mein bester Freund und inzwischen habe ich mich sogar mit Anne vertragen. Nicht zu vergessen meine vorherige Schule. Ich bin von gemeinen und sarkastischen Leuten umgeben und wundere mich um ehrlich zu sein, warum ich immer noch ein gutmütiger Trottel bin.“ „Du bist schon allein aus dem Grund ein gutmütiger Trottel, weil du dich selbst als ein solcher bezeichnest.“, kommentierte Ariane und biss von ihrem Wurstbrot ab. Laura schaute sie überrascht an. „Du musstest einfach Annes Part übernehmen, oder?“ Ariane prustete los und schaffte es bewundernswerter Weise, ihr Essen im Mund zu behalten. „Sorry, ich konnte nicht widerstehen. Aber irgendwie scheinen wir uns alle heute an die Kehle gehen zu wollen… Ich meine, selbst unser gutmütiger Trottel gab einen bissigen Kommentar von sich.“ Öznur boxte Carsten gegen die Schulter. „Ach was, wir haben uns in dieser langen Woche doch alle nur total vermisst und müssen unsere Neckereien nachholen.“ Janine schaute sich irritiert um. „Apropos Anne… Wo steckt sie eigentlich?“ Aus irgendeinem Grund bekam nun Öznur einen Lachanfall. „Stimmt, vermutlich ist das ein weiterer Grund, warum wir das Bedürfnis haben, uns gegenseitig zu ärgern. Weil Anne fehlt, die das eigentlich so gerne macht.“ Nachdem sie sich beruhigt hatte erklärte sie: „Eigentlich wollte ich in Dessert umsteigen, um Anne von ihrem hohen Ross zu zerren und sie Holzklasse fliegen zu lassen, aber ironischer Weise musste die Maschine nonstop nach Cor weiterfliegen, weil der Flughafen unter den sandigen Wetterbedingungen ein paar Probleme hatte. Sie kommt nach, wenn sie unbemerkt das ganze geregelt-“ Ein Vogelzwitschern unterbrach Öznur, die verwundert auf ihr Handy schaute. „Oh, wenn man vom Teufel spricht. Annes Maschine ist gelandet.“ „Was ist das denn für ein Klingelton?“, bemerkte Ariane irritiert, doch sie bekam keine Antwort darauf. Stattdessen fragte Janine: „Aber Benni ist noch nicht wieder da, oder?“ Carsten schüttelte den Kopf. „Benni meidet Transportmittel so gut es geht. So wie ich ihn kenne ist er entweder so stur und läuft von Spirit nach Cor oder Konrad spielt den großen Bruder und bringt ihn per Teleportation hier her und dann ist er unter Garantie erst nach Sonnenuntergang hier.“ Laura betrachtete das Licht der untergehenden Sonne durch die farbigen Mosaikfenster, während sich Janine besorgt erkundigte, warum Benni so eine Transportmittel-Abneigung besaß. Carsten lachte auf. „Ob ihr’s glaubt oder nicht, er wird halt sehr schnell reisekrank.“ Die Mädchen kicherten, nur Laura vergrub ihren Kopf in den verschränkten Armen, die sie auf den Tisch gelegt hatte. Diese Geste schien die anderen auf sie aufmerksam gemacht zu haben.
„Laura, geht’s dir gut? Du hast noch gar nichts gegessen.“, erkundigte sich Susanne fürsorglich. „Ja, ja, alles in Ordnung, ich hab nur keinen Hunger.“, log sie. Sie war in gerade mal einem Monat tot, natürlich war nichts in Ordnung! Selbstverständlich war der größte Teil ihrer Freunde feinfühlig genug, um die Lüge zu bemerken. Dennoch besaßen sie ausreichend Taktgefühl, Laura nicht zu einer ehrlichen Antwort zu drängen und schwiegen stattdessen. Während sich das Gespräch der anderen um die Ferienerlebnisse drehte, beobachtete Laura, wie sich der Mensaturm nach und nach mit den Schülern füllte, die erst jetzt von den Ferien zurückkamen. Laura bemerkte eine größere Gruppe dunkelhäutiger Schüler die in die Mensa strömten und anscheinend alle mit dem vor etwa einer halben Stunde gelandeten Flugzeug aus Dessert kamen, denn unter diesen Schülern befand sich auch Anne, die sich kurz darauf zu ihnen gesellte. „Schönen Flug in der ersten Klasse gehabt, Prinzessin?“, zog Öznur sie neckisch auf. „Ha, ha.“, erwiderte Anne nur. Sie klang ziemlich gereizt, was vermutlich daran lag, dass es der doch recht verwöhnten Sultanstochter gar nicht passte, wenn ausgerechnet ihr Flugzeug Startschwierigkeiten hatte. Bis sich alle, bis auf Laura, den Bauch vollgeschlagen hatten und die Mensa wieder verließen, war die Sonne bereits untergegangen und der Himmel bekam eine dunkle Blaufärbung. Erst jetzt fiel Laura auf, dass sie vorhin, als sie die Schüler beobachtet hatte, eigentlich nur nach einer einzigen Person Ausschau gehalten hatte. Seufzend stellte sie fest, dass Benni immer noch nicht gekommen war und sie machte sich Sorgen, dass irgendwas passiert sein könnte. Carsten schien den Grund ihrer jetzigen trüben Gedanken erraten zu haben, denn er klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter und wies mit einer knappen Kopfbewegung zum Eingangstor. Laura folgte seinem Blick und bestaunte das Trio, das den hellen Steinweg auf sie zukam, während die Laternen am Rand des Weges die drei in eine nahezu unheimliche und doch schöne Beleuchtung tauchten. In der Mitte ging Konrad, der mit seinen roten, stacheligen Haaren und den roten Vampiraugen noch am meisten Farbe an sich hatte und sonst vampirtypisch edel in einem weißen Hemd, schwarzer Hose und schwarzen Lackschuhen gekleidet war. Er unterhielt sich freundlich mit dem Vampir zu seiner Linken, der nur noch die roten Augen hatte und durch seine grau-schwarzen Haare und dem Anzug mit der roten Krawatte um einiges älter und respektabler wirkte. Benni ging auf der anderen Seite von Konrad und auch, wenn man sein rotes Auge durch die hellblonden Haare nicht sehen konnte, wirkte er genauso vampirmäßig wie die anderen beiden. Natürlich war kein Tag in den restlichen Ferien vergangen, an dem Laura nicht an Benni gedacht hatte, an dem sie mal nicht sein engelsgleiches Gesicht vor Augen hatte, aber dennoch raubte sein Anblick ihr immer wieder aufs Neue den Atem. „Glotz nicht so dämlich.“, ermahnte Ariane sie und Laura konnte sich noch rechtzeitig wieder fangen, bevor sie sich mal wieder zum Deppen gemacht hätte. Sie warf Ariane einen knappen, dankbaren Blick zu, bevor die Vampire -und Benni- sie erreicht hatten. „Hey Leute, ich bring euch nur schnell den Nachzügler vorbei.“, grüßte Konrad sie gut gelaunt. „Und unseren Geschichtslehrer.“, ergänzte Ariane, konnte ein Schaudern allerdings nicht unterdrücken. Laura wusste inzwischen zu gut, dass alle magischen Wesen ihrer Schule aus irgendeinem Grund Ariane auf dem Kieker hatten. Herr Norito zum Beispiel erwischte Ariane immer, wenn sie mit ihren Gedanken abdriftete und ließ sie dann gerne zur Strafe eine Seite Geschichtsdaten auswendig lernen, von denen er sie dann die darauffolgende Stunde immer fünf abfragte. „Hätte ich ihn lieber in einen Sarg sperren und zunageln sollen?“, alberte Konrad. Wenn der wüsste, wie sich Ariane gefreut hätte…, überlegte Laura und war froh, dass Ariane darauf nichts erwiderte. Ansonsten hätte sie vermutlich schon gleich für morgen die nächste Seite zum Auswendiglernen aufgebrummt bekommen. „Nun, ich hoffe doch, dass du mich dann spätestens bei deiner und Rinas Vermählung wieder rausgelassen hättest.“, kommentierte Herr Norito überraschend humorvoll. Trotz seiner eigentlichen Vampirblässe wurde Konrad lustiger weise rot und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Nun, da wärst du dann allerdings noch einige Jahrzehnte eingesperrt… So eilig haben Rina und ich es gar nicht.“ Herr Norito klopfte Konrad lachend auf die Schulter. „Das ist aber Schade. Dein Vater hatte bei meiner Schwester damals nichts anbrennen lassen.“ Die Mädchen stutzten und Susanne war die erste, die den Stammbaum vervollständigen konnte. „Sie sind Konrads Onkel?“, stellte sie überrascht fest. Herr Norito nickte. Zwar immer noch freundlich, aber dennoch streng. Anscheinend war seine Vertrautheit nur Konrad vorbehalten. „Nun, ich verabschiede mich auch hiermit. Die meisten von euch sehe ich ja morgen im Unterricht. Gute Nacht.“ Die Mädchen und Carsten murmelten nahezu im Chor ein ‚Gute Nacht‘, während sich ihr Lehrer noch einmal speziell von seinem Neffen und Benni auf Rumänisch verabschiedete und kurz darauf in Richtung Lehrergebäude davonschritt. Konrad schüttelte lächelnd den Kopf, während einige der Mädchen ihn immer noch entgeistert anstarrten. „Unser Geschichtslehrer ist dein Onkel?“, wiederholte Ariane Susannes Erkenntnis, als wolle sie wirklich sichergehen. „Mein Beileid.“ „Oh, ich hätte ihn also wirklich in einen Sarg sperren und diesen zunageln sollen.“, bemerkte Konrad amüsiert. Öznur zuckte mit den Schultern. „Schaden könnte es jedenfalls nicht.“ Konrad kicherte. „Ihr wisst schon, dass mein Onkel genauso vampirische Sinne hat, wie jeder andere normale Vampir?“ Laura bemerkte, wie Ariane sich auf die Unterlippe biss und konnte sich jedenfalls ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Na dann geh ich auch mal wieder.“, meinte Konrad, wandte sich an Benni und wuschelte ihm durch die hellblonden Haare. „Also dann, sein brav, mach deine Hausaufgaben, iss ordentlich und so weiter und so fort.“ Er winkte der Gruppe noch einmal kurz zu, ehe er wieder zu dem Eingangstor ging und die Coeur-Academy verließ. Kaum war Konrad in der Nacht verschwunden, fingen alle Mädchen plus Carsten an, lauthals loszulachen. „Genau Benni, sein schön brav.“, ermahnte Ariane ihn zwischen zwei Lachanfällen. „Und fleißig!“, fügte Carsten mahnend hinzu. „Jetzt hört schon auf.“, meinte Janine, die aber selbst kichern musste. „Das ist doch total rührend, Konrad ist wie ein Vater.“ „Oh ja…“ Lachend klopfte Öznur Benni auf die Schulter. „Keine Sorge, das ist normal, auch wenn man sich dafür schämt.“ „Wieso sollte ich mich dafür schämen?“, fragte Benni ruhig. Die Gruppe hielt mit dem Lachen inne und schaute ihn verwirrt an. „Na ja, es gibt viele überfürsorgliche Eltern und normalerweise ist es einem dann peinlich, wenn sie in aller Öffentlichkeit so… halt so überfürsorglich sind.“, erklärte Öznur. Benni schüttelte seufzend den Kopf, als teile er die Ansicht der anderen nicht wirklich. Carsten verdrehte grinsend die Augen. „Schön, dass du auch wieder da bist.“ „Oh mein Gott, wir haben dich ja noch gar nicht richtig begrüßt!“, stellte Ariane übertrieben geschockt fest. Anne zuckte mit den Schultern. „Ach was, es ist doch ein schöner Willkommensgruß, wenn man sofort ausgelacht wird.“ „Wir haben ihn nicht ausgelacht.“, widersprach Laura wütend. „Ihr vielleicht nicht.“ Laura wollte auf Annes gemeine Andeutung irgendetwas genauso Gemeines erwidern, doch bevor ihr überhaupt etwas einfallen konnte, hielt Öznur sie zurück. „Süß, dass du deinen Freund verteidigen willst, aber bei Anne kannst du dir deine Kräfte auch gleich sparen, das weißt du.“ Sie schob Laura direkt vor Benni. „Stattdessen solltest du endlich mal deinen Freund begrüßen.“ Natürlich bemerkte Laura, dass Öznur unnötig häufig das Wort ‚dein Freund‘ verwendete, aber kaum stand sie vor Benni, war sie sowieso nicht mehr in der Lage, über irgendetwas anderes nachzudenken, außer sich panisch zu fragen: Wie soll ich ihn denn jetzt begrüßen?!? Laura hatte von Beziehungen nicht den geringsten Schimmer. Na gut, in der Schule sah sie des Öfteren, wie sich Paare mit einem Kuss begrüßten, aber sie hatten sich noch nie geküsst! Und an sich war ihr dieses Herumgeküsse in der Öffentlichkeit sowieso total peinlich. „Ähm… hi?“, brachte Laura das einzig ihr mögliche und trotzdem total bescheuerte zustande. „Hi.“, grüßte Benni zurück. Öznur stöhnte auf. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Sie packte jeweils Laura und Benni an einem Arm und versuchte, die beiden noch näher zusammen zu zerren. Zwar war Öznurs Versuch bei Benni vollkommen erfolglos, aber Laura überraschte sie damit so sehr, dass sie unbeholfen gegen Benni stolperte. Mit hochrotem Kopf funkelte Laura Öznur wütend an. „Hey, ihr braucht euch ja nicht gleich zu küssen.“, versuchte diese Laura zu beschwichtigen. „Eine Umarmung reicht am Anfang völlig. Man, seid ihr verschüchtert.“ „Wir können uns auch umdrehen, wenn euch das lieber ist.“, schlug Anne mit einem schadenfrohen Lachen vor. „Leute, es reicht. Das ist ja nicht auszuhalten.“, schritt Carsten schlichtend ein. Lissi schmollte. „Du bist so ein Spielverderber, Cärstchen.“ Öznur brachte einen beeindruckenden Laut hervor, welcher ein Mix aus seufzen und kichern war. „Ja gut, du hast Recht. Für heute bring ich die beiden nicht noch mehr in Verlegenheit. Na dann, gute Nacht.“ Sie ging demonstrativ an Laura vorbei und schob Lissi mit sich Richtung Mädchengebäude, während die anderen ihr folgten. Vorwurfsvoll schaute Laura ihnen nach, bis Carsten amüsiert meinte: „Bis morgen.“ Und in die entgegengesetzte Richtung davonging. Nur noch Laura und Benni blieben zurück. Natürlich. Frustriert stöhnte sie auf. „Geht das ab jetzt jeden Tag so?“ „Vermutlich.“, erwiderte Benni nur. Zögernd legte Laura schließlich den Kopf in den Nacken, um Benni ins Gesicht sehen zu können, da sie sich nach Öznurs Kupplungsversuch immer noch kein bisschen von ihm wegbewegt hatte. Auch aus dem Grund, weil sie sich gar nicht von Benni wegbewegen wollte, wie Laura beschämt feststellte. Zwar hatte sie hin und wieder das mulmige Gefühl, dass die Schüler, die an ihnen vorbei kamen sie verwundert musterten und dann tuschelnd weitergingen, aber das einzige auf das Laura gerade achtete war Benni. Sie konnte die Zeit nicht einschätzen, wie lange sie sich nun einfach gegenseitig in die Augen schauten, bis Laura seinem Blick schließlich nicht mehr standhalten konnte. Verlegen ging sie einen Schritt zurück und schaute auf den Boden, auch wenn sich selbst dieser geringe Abstand auf einmal unerträglich schmerzhaft anfühlte. „U-und… was machen wir jetzt?“, fragte sie und kam sich total bescheuert dabei vor. Laura hatte keine Ahnung, was für eine Antwort sie bei dieser komischen Frage überhaupt von Benni erwarten sollte. Vermutlich hatte sie gedacht, dass er einfach gehen würde, aber er stand immer noch einen knappen Schritt vor ihr, als wäre selbst er sich nicht sicher, was als nächstes kommen sollte. Womit sie aber gar nicht gerechnet hatte, war, dass Benni „Gute Nacht“ murmelte, sie sanft an den Schultern packte und ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn hauchte, bevor er seinen Rucksack nahm, sich umdrehte und Carsten zum Jungenhaus folgte. Ungläubig starrte Laura ihm nach, während ihr Herz Saltos schlug und sich ihr Bauch anfühlte, als würden in ihm tausende Schmetterlinge herumflattern. Immer noch benommen strich sich Laura die Haare hinters Ohr und berührte dabei die Stelle, die Benni geküsst hatte. Es war wirklich ein federleichter Kuss gewesen und selbst wenn er nur den Bruchteil eines Wimpernschlags gedauert hatte, konnte sich Laura noch genau an das Gefühl der plötzlichen Schwerelosigkeit erinnern. Laura schüttelte den Kopf, um sich jedenfalls ein bisschen wieder zu fangen, ehe auch sie sich auf den Weg zu ihrem Zimmer machte. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, doch Benni war schon längst im Jungenhaus verschwunden. Seufzend wappnete sie sich schon mal für den Verhör der anderen Mädchen, die nicht eher ruhen würden, bis Laura ihnen von dem Kuss auf die Stirn erzählt hatte. Dennoch musste sie Lächeln, als sie an diesen Moment zurückdachte. ~*~ Natürlich wollten die anderen von Laura wissen, was draußen mit dem eiskalten Engel vor sich gegangen war. Zwar hatte Ariane es geschafft, sie von den Fenstern fernzuhalten, die ihnen einen guten Ausblick auf das Geschehen geboten hätten, damit die beiden jedenfalls so halbwegs ihre Privatsphäre hatten, aber vor den löchernden Fragen der Mädchen konnte sie Laura trotzdem nicht schützen. Immerhin wollte Ariane ja selbst wissen, was passiert war. Ihre beste Freundin druckste am Anfang zwar noch ziemlich verlegen herum, aber irgendwann erzählte sie von der Verabschiedung und dass Benni sie auf die Stirn geküsst hatte. Auch wenn Ariane beim Thema Benni gerne gegen ihn war, hieß das noch lange nicht, dass sie den Schulsprecher hasste. Es brachte sie halt jedes Mal zur Weißglut, wenn er Laura zum Weinen brachte. Doch seit sie von seiner traurigen Vergangenheit gehört hatte, sah sie ihn mit etwas anderen Augen. Zwar hatte Ariane keine Ahnung, wieso Benni über seine Gefühle -oder über Gefühle im Allgemeinen- nichts wusste aber für diese Umstände hatte er doch ziemlich gut reagiert. Ariane musste sich eingestehen, dass diese Reaktion sogar eigentlich ganz süß war… Sie war froh, Laura endlich mal glücklich zu sehen, denn sie hatte in der Mensa schon die Sorge gehabt, dass sich Lauras Laune aufgrund ihres immer näher rückenden Geburtstages noch weiter verschlechtert hatte. Ariane konnte ihr das zwar nicht verübeln, aber eine glückliche Laura war ihr halt doch bei weitem lieber und so war sie dem eiskalten Engel dankbar, dass er ihrer besten Freundin endlich zu diesem Glück verhalf. Gleich am ersten Tag war die Gerüchteküche schon am Überkochen und Ariane hatte irgendwann aufgehört, die Mädchen zu zählen, die sie gefragt hatten, ob ihre Zimmergenossin und der Schulsprecher tatsächlich ein Paar seien. Und natürlich hatte Ariane immer bejahend geantwortet, so wie es sich gehört. Was witziger weise viele dieser Mädchen sehr schockierte. Dummerweise hatte Konrad am Vorabend Recht gehabt und Herr Norito hatte sie dank seiner Vampirsinne gehört. So hat Ariane gleich am ersten Schultag schon eine Seite zum Auswendiglernen abbekommen. Doch Öznur hatte es genauso erwischt, wie sie in der Mittagspause von ihr frustriert erzählt bekam. Seufzend griff Ariane nach einem Dolch. Es war Samstagvormittag und sie hatten praktischen Unterricht in ihrer antiken Begabung. Herr Nunjitsu hatte vor, sie für die restliche Hälfte dieses Halbjahres in Waffenkunde einzuweisen und sie arbeiteten zuerst mit denen, die leichter zu handhaben waren. Anne schnaubte. „Ich würde einen Dolch nie und nimmer für den eigentlichen Kampf verwenden. Ja klar, für einen überraschenden Nahangriff ist er ganz praktisch, aber man kann mit ihm seinen Gegner überhaupt nicht auf Distanz halten.“ Ariane zuckte mit den Schultern und setzte sich auf das Geländer des Trainingsplatzes, da gerade die Dreiviertelstundepause anfing. „Ich kenn mich mit so was gar nicht aus.“, erwiderte sie ehrlich. „Aber man könnte den Dolch doch werfen und seinen Gegner damit unschädlich machen, oder?“ Um es Anne zu demonstrieren schleuderte Ariane den Dolch Richtung Wald, um keinen ihrer Mitschüler zu verletzen. Aber sie hätte sich vielleicht erst einmal vergewissern sollen, dass sich auch in dieser Richtung wirklich keine weiteren Personen befanden. Erschrocken hielt Ariane den Atem an. „Benni, pass auf!“, schrie Laura panisch. Doch diese Warnung war vollkommen überflüssig gewesen. Der Dolch hatte noch nicht einmal die Hälfte der Entfernung zwischen ihnen und Benni überbrückt, als er schon auf das Gras fiel. Während sich Anne vor Lachen den Bauch hielt, kam Benni zu ihnen rüber und hob auf halbem Weg den Dolch auf. „T-tut mir leid.“, murmelte Ariane betroffen und wich dem Blick des eiskalten Engels aus, da sie befürchtete, dass er wütend auf sie und ihre Nachlässigkeit war. „Das ist nun wirklich keine Entschuldigung wert.“ Benni klang zwar ziemlich sarkastisch, aber Ariane war froh, dass er nicht sauer war. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Laura besorgt. Anne stöhnte zwar genervt auf, lachte aber immer noch. „Ich glaube, nach diesem erbärmlichen Wurf kann bei ihm nur alles in Ordnung sein.“ „So schlecht war der auch nun wieder nicht.“, widersprach Ariane verlegen. „Oder?“, wandte sie sich hoffnungsvoll an Benni, den sie fast umgebracht hätte, wäre er nicht ganz so weit weg von ihnen gewesen. Immerhin müsste er sich ja als ‚stärkster Kämpfer Damons‘ mit so was auskennen. „Du weißt, dass ich nicht lügen kann?“, erkundigte er sich in seinem neutralen Ton, doch Ariane verstand, worauf er hinauswollte. Beschämt senkte sie den Kopf, während Benni kopfschüttelnd meinte: „Wie wollt ihr euch einem Gottesdämon stellen, wenn ihr noch nicht einmal in der Lage seid, einen Dolch anständig werfen zu können?“ Anne regte sich zwar über Bennis Kommentar auf, aber Ariane musste sich eingestehen, dass er Recht hatte. Sie waren einfach noch viel zu unerfahren, um tatsächlich eine Chance gegen Mars zu haben. Doch was sollten sie tun? Schweigend lehnte sich Benni neben Laura gegen das Geländer, deren Wangen sofort einen leichten Rotton annahmen, wie Ariane belustigt bemerkte. Aber ihr fiel auch auf, dass Benni zwar sehr dicht neben Laura stand, sie sich aber dennoch nicht berührten. Ariane unterdrückte ein Seufzen. Da kam Lissi vom Trainingsplatz zu ihnen gerannt. „Hallöchen, Bennlèy! Kommst du, um deiner Geliebten Gesellschaft zu leisten?“, rief sie ihm begeistert als Begrüßung entgegen. „Nein, er ist nur hier, weil Ariane ihn unbedingt als Zielscheibe misshandeln wollte.“, meinte Anne lachend und berichtete Lissi auf deren fragenden Blick hin von Arianes Wurfversuch. Es war mehr als eindeutig, dass diese Aktion sie köstlich amüsierte. „W-wie geht es eigentlich deinen Verbrennungen?“, erkundigte sich Laura verschüchtert, während sie Benni besorgt musterte. Überrascht schaute Ariane auf und beobachtete ihn ebenfalls. An Bennis Verletzungen hatte sie gar nicht mehr gedacht, aber sie hatte ja selbst gesehen, wie übel sie noch vor knapp zwei Wochen ausgesehen hatten. „Sie sind fast verheilt.“, antwortete er ruhig. Ariane fiel auf, dass der eiskalte Engel ein schwarzes, langarmiges Trainingsshirt trug, in dem er zwar wie immer sehr gut aussah, was sich selbst Ariane eingestehen musste, aber was eigentlich schon etwas zu warm war, dafür, dass sie bei den milden zwanzig Grad Sport machten. Also trägt er dieses lange Shirt aus anderen Gründen… Zum Beispiel um seine Verletzungen vor neugierigen Blicken zu verbergen, folgerte Ariane. „Zeig.“, forderte Laura ihren Freund auf, als wolle sie sich selbst vergewissern. Was Ariane auch sehr gut verstand, denn ‚fast geheilt‘ war eine sehr dehnbare Formulierung, wenn man daran dachte wie schlimm diese Verbrennungen vor zwei Wochen noch gewesen sind. Seufzend gab Benni nach und zog das Sweatshirt bis zum Ellbogen nach oben. Ariane verzog das Gesicht. Zwar konnte Benni nicht lügen, aber er hatte die Dehnbarkeit seiner Formulierung ganz schön ausgenutzt. So übel wie vor zwei Wochen sah es zum Glück tatsächlich nicht mehr aus, aber trotzdem wies sein gesamter Arm noch ziemlich viele stark gerötete Stellen auf. „Das ist nicht ‚fast verheilt‘.“, meinte Laura und wandte betrübt den Blick ab. Benni zog den Ärmel wieder nach unten. „Es ist wirklich nicht mehr so gravierend.“ Auf Lauras kritischen und besorgten Blick hin schüttelte er nur den Kopf. „Ich muss wieder zum Unterricht… Bis später.“ Hätte Ariane die beiden auch nur für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen gelassen, wäre ihr gar nicht aufgefallen, dass Benni flüchtig mit seinen Fingern über Lauras Handrücken strich bevor er ging, als sei diese Berührung nur zufällig und nicht beabsichtigt gewesen. Doch Ariane hatte das Gefühl, dass dem nicht so war und sie beobachtete kichernd, wie Laura ihrem Freund verträumt nachschaute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)