Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 102: Erklären --------------------- Erklären       „… Sensei?“ Ungläubig erwiderte Benni den ruhigen Blick dieser grauen Augen. Das war Eufelia, ohne Zweifel. Auch, wenn sie deutlich jünger aussah als er seine Lehrmeisterin in Erinnerung hatte. „Was geht hier vor sich?“, fragte er und war überzeugt, dass die Antwort ‚du träumst‘ lauten würde. Die junge Eufelia lächelte auf Bennis Verwirrung lediglich, doch ihre Gesichtszüge hatten eine melancholische Ausstrahlung. Auf seine Frage antwortete sie nicht. Aber dafür erklang eine männliche Stimme. „Es ist also wie befürchtet, der Bann wurde gebrochen.“ Ein junger Mann trat vor, schätzungsweise Mitte zwanzig. Auch sein Körper war schwach durchscheinend, leuchtete jedoch nicht. Ob er auch älter war als er aussah? Benni betrachtete den Mann mit den weinroten längeren Haaren, der in fernöstlicher, edler Tracht gekleidet war. Er erinnerte ihn ein bisschen an seinen Vater, bis auf die Augen, die nicht nachtschwarz, sondern blutrot waren. Es dämmerte ihm. „Leonhard?“ Der Angesprochene lächelte sanft. „Freut mich, Urenkel.“ „Da fehlen aber ein paar ‚Ur’s.“, kommentierte eine weitere Person, eine junge Frau mit schokoladenbraunen Augen, deren honigblonde Haare leicht gelockt waren. Neben ihr stand ein junger Mann mit einem ähnlichen Aussehen, nur die Haare waren etwas dunkler. Lucia und Luciano waren also auch hier. „Kann mir bitte jemand erklären, was das hier zu bedeuten hat?“, verlangte Benni, dem die Anzahl bekannter Gesichter verstorbener Personen allmählich zu viel wurde. „Wer weiß? Vielleicht hast du den Verstand verloren?“, vermutete Lucia mit einem leicht sarkastischen Lächeln. „So langsam glaube ich das auch.“, erwiderte er trocken. Leonhard tauschte mit der jungen Version seiner Lehrmeisterin einen belustigten Blick aus. Schön, dass sich ansonsten wohl jeder Anwesende an Bennis Verwirrung erfreuen konnte. „Es ist der Bann.“, ließ sich sein Ahn schließlich zu einer Antwort herab. „Oder eher eine Nebenwirkung, die wir bei der Erstellung des Zaubers damals nicht hatten vorhersehen können.“ Eufelia fuhr fort: „Als wir den Herrscher der Zerstörung hier wegsperrten, wollten wir auch jeglicher Zerstörung Einhalt gebieten, die sich über Rutoké ausbreitete. Der Purpurne Phönix hatte seine Spuren hinterlassen, diese versuchten wir zu beseitigen. Doch dabei berücksichtigten wir nicht, dass die Zerstörungs-Energie ebenso ein Teil von ihm ist.“ Allmählich verstand Benni, worauf seine Meisterin hinauswollte. „Also wurden folglich auch diejenigen, die durch Zerstörungs-Energie zu Tode gekommen sind, in die tiefste Schlucht der Unterwelt eingesperrt.“ Eufelia und Leohnard gaben ein bestätigendes Nicken. Bennis Blick fiel auf Lauras Geschwister. „Aber bei euch war es doch die Finsternis-Energie des Schwarzen Löwen.“ Die beiden nickten und es war nicht übersehbar, wie sich ihre Blicke trübten. Vermutlich unbewusst griff Lucia an den Saum ihres grünen Kimonos, direkt über dem Herzen. Der Gedankennebel lichtete sich. Mit einem Schlag wurde Benni bewusst, warum die beiden hier waren. Und auch, warum sie sich einst so verhalten hatten. Warum der Schwarze Löwe keine andere Möglichkeit gesehen hatte, als ihnen den Tod zu bringen. Jacks Erklärung klang immer noch deutlich in seinem Gedächtnis nach. ‚Das Fluchmal ist Mars‘ Zeichen. In ihm liegt eine gewisse Macht inne, mit der er seinen Opfern seinen Willen aufdrängen kann. Meistens handelt es sich um einen Befehl und wenn dieser erfolgreich ausgeführt wurde verschwindet das Mal auch wieder. Aber es gibt auch Befehle die für einen langen Zeitraum, wenn nicht gar für eine Ewigkeit aktiv sein können.‘ „Er hatte euch all die Zeit kontrolliert. Sogar über euren Tod hinaus.“ Lucia biss sich auf die Unterlippe, eine Geste, die er so häufig schon bei Laura gesehen hatte. Doch ansonsten erwiderten die Geschwister nichts. Schließlich setzte Eufelia zu einer Antwort an. „Der Purpurne Phönix wollte allem Anschein nach über Yami eine ähnliche Kontrolle erlangen wie über Terra, oder gar wie über Mur. Als er feststellen musste, dass Lukas doch nicht der Erbe des Titels wird, hat er seine Macht auf die Kinder von Leon Lenz ausgeweitet.“ „‘Doch nicht‘?“ „Stimmt, du, Laura und Lucia, ihr hattet davon überhaupt nichts mitbekommen.“, stellte Luciano fest und überwand sich verbissen zu einer Erklärung: „Es ist bereits einige Jahre her, ich selbst war erst neun und Lukas entsprechend nur ein Jahr älter, als mein Onkel und dessen Ehefrau bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. So heißt es zumindest offiziell.“ „Lukas‘ Eltern wurden also ermordet.“, folgerte Benni. Das erklärte auch, warum Leon Lenz schon immer solch eine Angst vor möglichen Anschlägen auf sich und seine Familie hatte. Wenn der Bruder bereits so zu Tode gekommen war… Luciano nickte. „Lukas hatte den Unfall damals überlebt und war der festen Überzeugung, dass mehr dahintersteckte als ein betrunkener Autofahrer. Als er älter war, hat er somit auf eigene Faust Nachforschungen angestellt.“ „Das klingt so, als wäre das nicht Mars‘ Werk.“, fiel Benni auf. „Nein, es war…“ Bedrückt atmete Luciano aus. „Der Drahtzieher hinter alldem war unser eigener Großvater gewesen. Lukas hatte mich in seine Recherchen eingeweiht. Sein Vater war der Erstgeborene und hätte somit der Erbe sein müssen, doch O-Jii-Sama schien dies unter allen Umständen verhindern zu wollen.“ Benni hob eine Augenbraue. Er hatte Lauras Großvater nie sympathisch gefunden, doch einen so intriganten Umsturz hätte er ihm nicht zugetraut. „Warum konnte er nicht einfach direkt euren Vater als Erben benennen?“ „Das hätte eine Änderung des Gesetzes erfordert. Und für O-Jii-Sama war das Ansehen der Familie schon immer die oberste Priorität. Zugeben zu müssen, dass er seinem Sohn dies nicht zutrauen würde, war ein Ding der Unmöglichkeit, wenn er sein Gesicht wahren wollte.“ „Und deswegen hat er ihn direkt umbringen lassen?“ Lucia seufzte. „Das Ansehen der Familie halt. Ein tragischer Unfall hat da eine deutlich bessere Wirkung als den Sohn als inkompetent zu bezeichnen.“ „Und dabei stimmt das noch nicht einmal. Aber unser Onkel war so furchtbar schüchtern und hat sich so gut wie gar nichts zugetraut…“ Traurig lächelte Luciano. „Also genauso wie die jetzige Erbin.“ Allmählich wurde Benni mehr und mehr klar, was Leon Lenz‘ Beweggründe für alle seine Taten waren. „Deswegen hat euer Vater auch bis vor wenigen Monaten noch versucht, Laura mit Eagle zu verheiraten. Laura möchte diese Position noch nicht einmal und als Ehefrau des Häuptlings von Indigo hätte sie sich aus der Erbfolge heraus retten können. Und noch dazu wäre es dann möglich, die Erbschaft demjenigen zu überlassen, der sie ursprünglich hätte antreten sollen.“ Lucia lachte auf. „Ja, das klingt absolut nach O-Too-Sama.“ Auch Luciano schien belustigt. „Nur die Rechnung hat er wohl oder übel ohne Lauras Gefühle für eine gewisse andere Person gemacht.“ Ein flaues Ziehen breitete sich in Bennis Magengegend aus, als er die Blicke der Geschwister bemerkte. Lucia seufzte. „Hör mal… Inzwischen ist es vielleicht zu spät aber… Es tut uns leid.“ „Uns beiden.“, betonte ihr großer Bruder. „Wir wissen, wie viel du für unsere Schwester getan hast. Und wir möchten auch, dass du weißt, wie sehr wir das schätzen und wie dankbar wir dir dafür sind.“ Das Ziehen wurde stärker und verursachte ein unangenehmes Gefühl, was Benni nicht zu deuten vermochte. Ebenso wenig wusste er etwas auf die Worte der beiden zu antworten. Lauras Zwillingsschwester schien leicht belustigt, als sie die Arme vor der Brust verschränkte. „Du hast hiermit die offizielle Erlaubnis, dich nicht von unserer Schwester fernzuhalten.“ „Wobei du trotzdem wissen solltest, dass es mir nach wie vor nicht passt, dass du was mit ihr anfängst.“ Luciano lachte auf. „Aber das würde ich zu jedem sagen, ist wohl die großer-Bruder-Krankheit.“ „Wie großzügig.“, kommentierte Benni lediglich, musste aber feststellen, dass dieses eigenartige Gefühl anscheinend in der Tatsache begründet war, dass diese Situation ihn mehr überforderte als gedacht. Die Geschwister schienen das zu merken und erwiderten darauf lediglich ein belustigtes Kichern. Grinsend ging Leonhard einen Schritt nach vorne. „Da das nun endlich geklärt ist, sollten wir uns vielleicht mal Gedanken darüber machen, wie wir hier rauskommen und dafür sorgen, dass mein Urenkel wieder zu seiner Zukünftigen kommt.“ Luciano warf ihm einen warnenden Blick zu. „Großer-Bruder-Krankheit, schon vergessen?“ „Großvater-Krankheit. Die wollen ihre Enkel erst recht in guten Händen wissen.“, erwiderte Leonhard lachend. „Mit genaugenommen fünf ‚Ur’s, du kannst dir also vorstellen, wie stark ausgeprägt das Bedürfnis ist.“ Während ausgerechnet Eufelia-Sensei dieser Kommentar amüsierte, wusste Benni nicht, was er davon halten sollte. Doch gerade hatten sie ohnehin andere Sorgen. Er schaute in Richtung Decke, wo sich entfernt Mars‘ Gemächer befanden. „Also hat jemand Ideen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)