Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 91: Lagebesprechung --------------------------- Lagebesprechung       Seufzend verschränkte Eagle die Arme vor der Brust und betrachtete die große Karte Damons an der Wand, welche für die heutige Sitzung im Fokus aller Aufmerksamkeit stehen sollte. Da gestern das Gesetz unterschrieben worden ist, konnten nun auch endlich die restlichen Dämonenbesitzer an den Sitzungen teilnehmen. Deren Begeisterung sich genauso arg in Grenzen hielt wie die von denjenigen, die schon regelmäßig bei dem Mist dabei waren. Sonderlich angenehmer gestaltete dies die Sitzungen zwar nicht, aber so konnten die Regions-Vertreter immerhin die Gelegenheit nutzen die Dämonenbesitzer besser kennenzulernen und zu realisieren, dass dieser verrückte Haufen zwar ein verrückter Haufen war, aber nichts, wovor man sich fürchten musste. Zumindest wenn… Verärgert warf Eagle einen Seitenblick auf Jack, der wieder nur an seinem Smartphone saß und sich für nichts zu interessieren schien. So sehr sich Eagle Carsten zuliebe zusammenriss… Er konnte den Typen einfach nicht ausstehen. Er konnte ihm nicht verzeihen, was geschehen ist. Und trotzdem… Zähneknirschend erinnerte sich Eagle an den Anblick vom Vortag. So einen heftigen Gefühlsausbruch hätte er ihm eigentlich nicht zugetraut. Und ja, Eagle musste sich eingestehen… in diesem Moment war Mitleid aufgekommen. Als er sich bewusst geworden ist, wie verzweifelt Jack doch in Wahrheit war. Wie am Ende er mit sich und der Welt war, dass er tatsächlich keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte als… Es gibt zwei Wege da rauszukommen. Entweder als Verbrecher oder- Kopfschüttelnd wandte er sich wieder der Karte zu und meinte schließlich: „Das bringt nichts, Mars könnte Damon von allen Seiten angreifen.“ „Ein Vier-Fronten-Krieg also…“, meinte der König von Ivory nachdenklich. „Noch mehr Fronten, wenn man an die ganzen Portale zur Unterwelt denkt, die in Damon verstreut sind.“, ergänzte der Senatsvorstand der Vampire. „Aber damit haben wir zumindest einen Anfang.“, stellte Leon Lenz fest und richtete sich auf, um zwei blaue Kreuzchen auf der Karte zu machen. „Wir kennen die Positionen der Portale von Yami und Spirit.“ Johannes meldete sich fingerschnipsend, als sei er in der Schule. „Oh, oh, oh, in Jatusa ist auch eins! In einem Parkteich!“ „Stimmt, aber das hatte Benni wieder verschlossen, nachdem er mit dir in die Oberwelt zurückgekehrt ist.“, erinnerte sich Konrad. „Die anderen Standorte der Portale kenne ich zwar auch, aber viel wird uns das nicht bringen, da sie für gewöhnlich immer verschlossen sind. Ausgenommen Yami und Spirit natürlich.“ „Aber mit Energie lassen sie sich öffnen, nicht wahr?“, vergewisserte sich der Vertreter von Cor. Konrad nickte. „Aber dafür müssten Mars und seine Leute trotzdem erst am entsprechenden Ort der Unterwelt sein, damit sie dieses Portal nutzen können. Einen so großen Aufmarsch würden die Einheimischen in der Unterwelt niemals übersehen können.“ „Aber wo kamen dann die Unterweltler her, die die Coeur-Academy angegriffen hatten?“, fragte Sultana irritiert. Trotz ihres immer noch kritischen Zustandes konnte niemand sie dazu bringen sich im Krankenhaus zu erholen, während der Rest Kriegsvorbereitungen traf. Anne schnaubte. „Die schienen wie aus dem Nichts aufgetaucht.“ Genervt stöhnte Jack auf. Irritiert schauten sie zu ihm rüber und vermutlich fragte sich jeder, ob er bei Tetris irgendetwas verkackt hatte. Doch überrascht mussten sie feststellen, dass sein Blick nicht auf das Display gerichtet war, sondern er in die Runde schaute als er fragte: „Noch nie was von Spalten gehört?“ „Doch, natürlich wissen wir, was ein Spalt ist.“, erwiderte der Vertreter von Eau irritiert. „Spalte zwischen Unter- und Oberwelt?“ Jack hob eine Augenbraue, da aber sonst nichts kam schüttelte er den Kopf. „Na schön.“ Er hob die rechte Hand, den Handrücken seinen Zuhörern zugewandt. Direkt fiel Eagle der goldene Ring mit dem orangenen Edelstein am Mittelfinger auf. „Das da ist ein Portalring. Mit ihm kann man sich ein Portal erschaffen, um an einen Ort zu gelangen, wo sich ein Spalt befindet.“ „Ah, so konntest du immer vor unseren Augen in einem Portal verschwinden.“, fiel Ariane auf. „Exakt. Der Ort wo man ein solches Portal erschafft ist egal. Aber der Zielort ist immer bei einem Spalt.“ Laura legte den Kopf schief. „Wie meinst du das?“ Jack seufzte, erklärte aber ausführlicher: „Okay, angenommen ich bin in der Unterwelt und möchte in diesen Konferenzraum. Direkt komme ich hier nicht hin, da sich hier kein Spalt befindet. Ich muss mir also denjenigen suchen der am nächsten liegt und die restliche Strecke zu Fuß oder sonst wie überbrücken.“ „Und wo wäre der?“, fragte Eagle kritisch. „Am Rand von Karibera, etwa auf Höhe des Teiches.“ „Ah, ich verstehe!“, rief Johannes aus. „Als wir also in Cor angekommen sind, hatten wir deshalb die ganzen Halloween-Monster vor der Nase, weil sie durch denselben Spalt gekommen sind.“ Jack nickte. „Ich würde ja sagen war wohl ein blöder Zufall, dass ich uns ausgerechnet zur Coeur-Academy bringen wollte, die Mars in dem Moment angegriffen hat, aber im Nachhinein… Eigentlich war’s klar gewesen.“ „Wusstest du von dem Angriff?“, erkundigte sich Susanne. Jack schüttelte den Kopf. „Max hatte etwas von einer großen Sache erzählt, die am Laufen war, weshalb wir diese Gelegenheit nutzen konnten. Aber wo das war… das haben wir erst vor Ort herausgefunden. Aber wie gesagt, eigentlich war’s vorhersehbar.“ Die Vertreterin von Lumière betrachtete ihn kritisch. „Und wie viele gibt es? Von diesen… Spalten?“ „Ähm…“ Jack dachte einen Moment nach, richtete sich schließlich auf und nahm einen der schwarzen Marker in die linke Hand. Schweigen breitete sich aus, lediglich das leicht quietschende Geräusch des Stiftes auf dem Papier war zu hören, als Jack ein Kreuz nach dem anderen auf der Karte setzte, fast schon so als würde er Schiffe versenken spielen. Irgendwann hielt er inne und schien zu überlegen, wobei jeder insgeheim hoffte, dass er nicht noch mehr Kreuzchen setzen würde. Denn die Anzahl war erschreckend. Dennoch kamen noch fünf weitere hinzu. „Das sind alle, an die ich mich erinnern kann.“ „… Toll.“, kommentierte Anne. Konrad seufzte. „Das heißt, dass du über Ivory und Spirit gar nichts weißt?“ „Ne, Ivory und Spirit haben keine Spalte.“ „Wie ‚haben keine Spalte‘?“, fragte die Vertreterin von Monde irritiert. „Es gibt Regionen wie Lumière, Terra und Mur, die platzen aus allen Nähten und Ivory und Spirit haben einfach gar nichts?“ „Indigo hat auch nur den einen bei Karibera.“, bemerkte Eagle. „Oder hat dich der Rest nie interessiert?“ „Das ist der einzige.“, meinte Jack direkt. „Ich wollte mal ne Erkundungstour durch Indigo machen. War ziemlich frustrierend, ihr hättet eure Straßen zumindest motorradfreundlicher gestalten können.“ „Wie sicher bist du dir, dass das alle sind?“, fragte Herr Bôss. „Jedenfalls nicht zu hundert Prozent. Im Großen und Ganzen bleiben die Spalte dieselben, aber sie können sich trotzdem über die Zeit verändern. An einem Ort kann ein neuer auftauchen, am anderen einer verschwinden… Wie Verletzungen, die entstehen und verheilen.“ Irgendwie war es leicht makaber, dass Jack die Spalte direkt mit einer Verletzung verglich. Das dachte wohl auch Sultana. „Verletzungen?“ „Kommt, ein bisschen könnt ihr auch mitdenken.“, meinte Jack genervt. „Vergleicht einfach mal die Regionen mit vielen und die mit wenigen Spalten und überlegt, womit das zusammenhängen könnte.“ „… Der Anzahl antiker Begabter?“, vermutete die Vertreterin von Monde. Jack gab einen Laut von sich, der wie ein Falsche-Antwort-Ton aus einer Ratesendung klang. Mit vor der Brust verschränkten Armen wartete er auf weitere Ideen. Eagle glaubte das Muster erkannt zu haben. „Mit den Dämonen.“ „Bingo! Punkt für die Mettigelchen-Fraktion!“ …Ich will ihn umbringen. Dennoch kicherten die meisten Mädchen belustigt. Verräterinnen. „Es hängt also mit dem Ausmaß der Dämonenverfolgung zusammen.“, schlussfolgerte Florian. „Im Prinzip. Oder eher, wie sehr die Dämonen dadurch gezwungen waren sich zu verstecken.“ Eagle konnte nicht anders als auflachen. „Was für eine Ironie. Die Dämonenverfolgung in den menschlichen Regionen Damons ist also im Prinzip die Ursache, warum gerade diese Regionen beim nahenden Krieg besonders am Arsch sind.“ „Jop.“ Zwar wurden einige Stimmen laut, die sich über Eagles Ausdrucksweise empörten, aber er wusste, dass die Betroffenen nur irgendwie den Frust rauslassen mussten, was für ein herber Rückschlag das für sie war. Daher nahm Eagle die Beschwerden gerne zusammen mit leichter Schadenfreude entgegen. Er warf einen Seitenblick auf Öznur. Auch, wenn es ihr inzwischen besser ging, musste er besorgt feststellen, wie ihr Gesicht bei diesem Thema direkt wieder an Farbe verlor. Wie sie dadurch wieder an den grauenhaften Erdrutsch in ihrer Heimat und die erdrückenden, hasserfüllten Rufe ihrer Nachbarn erinnert wurde… Seufzend legte er einen Arm um ihre Schultern und betrachtete die Karte erneut. „Yami, Cor und Dessert sind dafür aber ziemlich gut davon gekommen.“ „Da dort die Dämonen trotz der Verfolgung insgeheim aktiver waren als in den anderen Regionen.“, meinte Jack. „Es kommt im Prinzip darauf an, wie viel Energie in der Region ist. Sie ist so eine Art Schicht zwischen Ober- und Unterwelt.“ Susanne verstand ihn. „Also wie die Haut. Und wenn die Energie, also die Oberfläche schwach ist, dann entstehen Risse. Die Spalte.“ Jack nickte. Konrad runzelte die Stirn. „Ich nehme mal an, nur Energie-Beherrscher können diese Spalte nutzen, oder? Wie die Portale.“ „Genau genommen nur die, die so einen Ring besitzen. Der kann dann die entsprechende Energie in ein Portal formen.“ Wieder hielt Jack die Hand hoch. „Dieser hier lässt sich nur mit Erd-Energie aktivieren.“ „Also kannst nur du ihn benutzen.“, folgerte Susanne, woraufhin Jack wieder nickte. Anne stöhnte auf. „Also hat Mars einen für die Zerstörungs-Energie.“ „Nein…“ Verbissen lehnte sich Jack neben der Karte an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber Benni einen für Finsternis-Energie.“ Schweigen breitete sich aus. Eagle entging es nicht, wie Carsten betrübt den Blick senkte und Laura sich auf die Unterlippe biss, als bliebe ihr keine andere Möglichkeit als so ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Auch Herr Bôss klang deprimiert als er meinte: „Also kann Mars jeden dieser Spalte mit Hilfe von Bennis Energie für sich nutzen.“ Florian seufzte. „Bei dieser Anzahl macht es die Sache nicht gerade einfacher. Besonders, da wir nur schwer einschätzen können, welchen der Spalte er verwenden wird, um seine Armee loszuschicken.“ Der König von Ivory nickte bestätigend. „Es ist sogar gut möglich, dass er die Legionen aufteilen wird, so wie einige bereits die Academy angegriffen hatten.“ „Es ist an sich seltsam, dass bisher noch nichts passiert ist.“, bemerkte Anne irritiert. „Jetzt, da er den Bann gebrochen hat, hätte doch eigentlich absolutes Chaos ausbrechen müssen.“ Wieder richteten sich alle fragenden Augen auf Jack. Er würde die Pläne des Dämons wohl am besten kennen, also vielleicht wusste er noch mehr. Dieser betrachtete die Karte neben sich und schien gar nicht zu merken, dass man eine Erklärung von ihm erhoffte. Oder eher verlangte. „Er macht das mit Absicht…“, meinte Jack, mehr zu sich selbst. „Was du nicht sagst.“, erwiderte Anne spöttisch. „Als würde jemand ausversehen die Welt zerstören.“ Jack schüttelte den Kopf. „Er wartet mit Absicht. Er will zusehen. Schauen, wie sich die Sache entwickelt.“ Auf die fragenden Blicke hin meinte er: „Okay. Wer von euch isst gerne?“ Eagle verzog das Gesicht. Was zum Henker ist mit dem Typen falsch, dass er jetzt an Essen denken kann? Wieder hob Johannes wie in der Schule die Hand und auch Ariane meldete sich auf seine Frage hin. Carsten schloss sich ihr leicht belustigt an, ebenso Jack selbst und nach und nach… ach eigentlich meldete sich am Ende im Prinzip jeder, auch Eagle. Zu einem guten Stück Fleisch würde er immerhin niemals nein sagen können. Jack lachte auf. „Okay, nächste Frage: Selbst kochen oder sich von jemandem bedienen lassen, zum Beispiel in einem Restaurant?“ „Bedienen lassen!“, rief Johannes direkt. Das wäre auch Eagles Antwort, er ließ sich definitiv lieber bekochen als selbst was machen zu müssen. „Ich mag beides.“, meinte Ariane. „Kochen und besonders Backen macht halt einfach Spaß. Aber wenn zum Beispiel Carsten mal wieder was richtig Leckeres macht, dann esse ich das auch mega gerne.“ Belustigt stellte Eagle fest, wie Carsten daraufhin verlegen den Blick senkte. Aber er konnte nun mal wirklich gut kochen. Jack klopfte auf die Karte. „Und jetzt bezieht das mal auf Mars.“ „Mars mag Essen?“ Öznur schien leicht verwirrt, woraufhin die anderen Anwesenden loslachen mussten. Eagle verstärkte seinen Griff um ihre Schultern und gab ihr einen kurzen Kuss auf den Scheitel. Wahrscheinlich hatte sie den Großteil des Gespräches gar nicht wirklich mitbekommen. „Im Prinzip.“, gab Jack ihr amüsiert recht. „Nur, dass seine Mahlzeit aus Leid, Chaos, Hass und Zerstörung besteht.“ Nun verstand Eagle, worauf er hinauswollte. Und er musste sich eingestehen, die Metapher war gar nicht mal so blöd. „Er liebt es also sich zurückzulehnen und zuzusehen, wie alles im Chaos versinkt. Und wenn es ihm nicht genug ist, dann setzt er mit seiner Energie oder mit einem Angriff der Unterweltler noch einen drauf. Wie als würde er nachwürzen müssen.“ „Hey, man kann ja richtig gut mit dir zusammenarbeiten, Mettigelchen.“, bemerkte Jack erfreut. Eagle ballte die Hand zur Faust. „Ich arbeite hier gleich was ganz anderes zusammen, wenn du mich noch einmal so nennst!“ Die anderen lachten auf, bis Florian nachdenklich meinte: „Das erklärt zumindest die ‚Naturkatastrophen‘ und warum Mars bisher noch nicht anderweitig in Aktion getreten ist.“ „Das stimmt.“, bestätigte Leon Lenz. „Die Katastrophen könnten das Ziel haben, den Hass der Bevölkerung auf die Dämonen noch weiter anzustacheln.“ Die Vertreterin von Monde warf einen Blick auf Öznur, sagte aber nichts dazu. Stattdessen meinte der Vertreter von Cor: „Weiterhin gestaltet das unsere Situation deutlich schwieriger. Wir können nicht öffentlich mitteilen, dass die Dämonenverbundenen als ‚normale‘ Bewohner Damons akzeptiert werden, wenn genau jetzt…“ Jacob Yoru lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das würde zu einem Bürgerkrieg führen. Genauso wie damals beim magischen Krieg. Alle Vermittlungsversuche meiner Ahnen schienen die Situation nicht bessern zu können. Eher war das Gegenteil der Fall gewesen…“ „… Weil jemand im Hintergrund die Fäden in der Hand hatte und Magier und Kampfkünstler immer weiter gegeneinander aufgestachelt hatte.“, führte Konrad seine Überlegungen fort. Geräuschvoll atmete Anne aus. „Also können wir doch nicht so öffentlich und sorglos agieren, wie wir wollen.“ Florian nickte. „Mit Pech würden wir dadurch eine zweite Welle der Dämonenverfolgung hervorrufen, die sehr bald in einen Bürgerkrieg übergehen würde, wenn die Bevölkerung erfährt, dass die Dämonenverfolgung plötzlich als verboten gilt.“ „Also die ganzen letzten Wochen Diskussion fürn Arsch.“, stellte Eagle genervt fest. Und genaugenommen war das für sie gerade nur ein Problem, da diese bescheuerten Regions-Vertreter nicht schon früher die Eier in der Hose hatten, dieses Gesetz zu unterzeichnen. Doch Herr Bôss schüttelte den Kopf. „Würde ich nicht so sagen. Selbst, wenn die Bevölkerung momentan nicht sicher auf unserer Seite steht, haben wir nun die Garantie, dass die Dämonenverbundenen ab sofort rechtlich wie alle anderen behandelt werden. Im Kampf gegen Mars wird das vielleicht auf kurze Sicht nichts mehr bringen, das mag sein. Aber in Zukunft, wenn all das vorbei ist, habt ihr nicht mehr solche Dinge wie die Dämonenverfolgung zu befürchten.“ Lissi nickte. „Stimmt, wir müssen dann keine Angst mehr haben, uns versehentlich zu verraten. Und noch dazu wissen wir ja jetzt zumindest, wie Mars tickt und dass er uns immer gegeneinander ausspielen will.“ „Definitiv, er hat die ganze Zeit schon sehr viel im Hintergrund agiert.“, bestätigte Jack. Fragend schaute Susanne ihn an. „Das, was du uns neulich erzählt hattest, mit… mit deinem Vater… Denkst du nicht, dass das in Wahrheit auch Mars war?“ Stimmt, die Vermutung war naheliegend, bemerkte Eagle. Schließlich war es doch unmöglich, dass einer einzigen Person- Jack schüttelte den Kopf. „Hatte ich auch schon gedacht. Hab ihn mal gefragt, er hatte damit nichts zu tun.“ Laura war verwirrt. „Gefragt? Du bist einfach so hingegangen und hast gefragt: ‚Hey Mars, hast du was damit zu tun, was mit mir damals passiert ist?‘“ „Klar.“ „Und das glaubst du ihm einfach? Dass er damit nichts zu tun hat?“, fragte Ariane ebenso irritiert. Seufzend legte Jack den Kopf in den Nacken und betrachtete die Decke, als er schließlich antwortete: „Deshalb kam ich überhaupt auf die Idee, wie er so drauf ist. Ich… Wenn andere aus seinem Gefolge Mist gebaut haben, dann haben die das immer bitter zu spüren bekommen. In den ersten Jahren hab ich viel Mist gebaut, hab ihm viel Ärger bereitet. Aber irgendwas an mir war anders, weshalb er seinen Frust nicht an mir ausgelassen hatte…“ „… Und… was war das?“, fragte Sultana vorsichtig. Lissi kannte die Antwort. „Deine Vergangenheit. Und ihre Folgen.“ Jack nickte, erwiderte aber sonst nichts darauf, sondern schaute einfach nur weiter zu den Lampen an der Decke, während der Rest ihn wiederum mitleidig betrachtete. „… Psychische Probleme?“, vermutete Jannik. Jack zuckte mit den Schultern. „Depressionen, Panik- und Schlafstörungen, PTBS und so weiter. Ich war gefundenes Fressen für ihn. Das hat es dann wohl ausgeglichen, dass ich mit meinen Versuchen damit fertig zu werden seinen Plänen eher im Weg stand als zu helfen.“ Okay wow, das war wirklich krass. Eagle konnte diesen Arsch immer noch nicht ausstehen. Und trotzdem kam er nicht drum herum sich eingestehen zu müssen, dass der Typ so viel Schmerz und Leid einfach nicht verdient hatte. Gleichzeitig war es beeindruckend, wie offen er inzwischen darüber reden konnte. Verglichen mit… Eagle warf einen Seitenblick auf Carsten und merkte, wie dieser den Kopf gesenkt hatte. Wie viele Punkte die Jack aufgelistet hatte trafen wohl auf ihn zu? Wie viele waren der Schwarzmagie verschuldet? Jacks Anspannung nach zu urteilen schienen ihn diese Themen trotzdem noch zu belasten. Wieder hatten seine Augen diesen leeren, toten Blick… Auch der König von Ivory sah dies und meinte seufzend: „Ich denke, es ist Zeit für eine Mittagspause, finden Sie nicht? Wir sind auf jeden Fall einen großen Schritt weitergekommen, dies sollten wir erst einmal setzen lassen.“ Die anderen Regions-Vertreter stimmten dem zu und der Senatsvorstand ergänzte: „Ihre Informationen waren sehr hilfreich junger Mann, vielen Dank dafür.“ Jack betrachtete den Vampir so verwirrt, als habe dieser irgendetwas in einer ihm unbekannten Sprache gesagt. Die Versammlung löste sich auf und Lissi hüpfte nach vorne, um Jack um den Hals zu springen, hätte er sie nicht mit ausgestrecktem Arm von sich ferngehalten. „Persönlicher Freiraum, schon vergessen?“ Lissi seufzte. „Och Jackie-Chan, nimm doch zumindest ein bisschen Dankbarkeit von anderen entgegen.“ Ah, sie hatte diesen Blick von ihm wohl deuten können. Kopfschüttelnd wandte sich auch Jack zum Gehen, als Laura ihn zögernd von der Seite ansprach: „Ähm Jack… Was… was waren das denn für Versuche, damit umzugehen?“ Sein Blick fiel auf Carsten, welcher sich auf der anderen Seite des Raumes mit Herr Bôss unterhielt. Der vermutliche Grund, warum Laura sich dazu durchgerungen hatte diese Frage überhaupt zu stellen. Nun wurde auch Eagle unwohl bei der Sache. Besonders, als Jack antwortete: „Willst du gar nicht wissen.“ Auf Lauras umso betroffeneren Blick hin wuschelte er ihr lächelnd durch die Haare. „Hey, er ist nicht ich.“ „Und was ist, wenn wir das wegen dir fragen?“, erkundigte sich Susanne plötzlich. „Weil wir uns Sorgen um dich machen und dir helfen wollen?“ Jack lachte auf. „Dann wollt ihrs erst recht nicht wissen.“ Mit diesen Worten verließ er den Konferenzsaal, während der Rest ihm betreten nachschaute. Eagle seufzte. „Und noch ein Sorgenkind.“   Gedankenverloren schaute Eagle auf den Monitor seines Computers, und haute ein paar Monster platt, ohne sich wirklich auf das Onlinespiel zu konzentrieren. Nach dem Mittagessen war die Diskussion über die Spalte weitergegangen. Und besonders wurde thematisiert, wie man am flexibelsten auf spontane Angriffe reagieren konnte. Eagle musste sich eingestehen, dass sich Jack als überraschend große Hilfe herausstellte und man besser mit ihm zusammenarbeiten konnte als er es je für möglich gehalten hätte. So wurden, abgesehen von den Spalten, aus den vier möglichen Fronten der Grenzen Damons nur noch zwei oder eher eine große, als Jack erklärte, dass das Dämonische Meer und Obakemori keine Bedrohung für sie darstellen würde, sondern nur die Grenzen zu Rutoké. Also dem zerstörten Gebiet, welches schon immer nachts von gefährlichen Monstern heimgesucht wurde. Insgesamt war es beeindruckend, wie schnell sich die Regions-Vertreter auch mal einig werden konnten. Am Ende gab es eigentlich nur noch einen Streitpunkt: Mur und Terra. Da diese beiden Regionen im Prinzip unter Mars‘ Kontrolle standen und kein Teil der neu gegründeten Damonischen-Allianz waren, konnte man nicht wirklich aktiv etwas für deren Sicherheit tun. Und dass diese beiden Regionen so mit Spalten überquollen, dass man sie eigentlich als jeweils einen einzigen großen Spalt betrachten konnte, machte die Sache auch nicht leichter. Aber trotzdem… Was war mit den Zivilisten? All den einfachen Leuten, die nichts dafür konnten, was ihre Regierung für einen Mist baute? Jack war es wohl ziemlich egal, dass man seiner Region nicht wirklich helfen konnte und wollte, wobei ihm ja ohnehin alles egal zu sein schien. Aber bei Janines trübem Blick hatte man deutlich erkennen können, wie sehr ihr das zu schaffen machte. Auch Öznur, die auf Eagles Bett lag und zur Decke starrte, ging dieser traurige Blick wohl nicht aus dem Kopf. „Jacks Idee Kontakt zu den Rebellen aufzunehmen finde ich eigentlich ziemlich gut.“ Eagle nickte. „Besonders, da diese ‚Bekannten von ihrer Adoptivmutter‘, die ihr damals geholfen hatten über die Grenze zu kommen, ziemlich sicher Rebellen gewesen sind.“ „Trotzdem gefällt es mir nicht, dass sie jetzt nur mit Lissi und Susi zusammen nach Mur ist, um mal beim Waisenhaus zu schauen, ob die was wissen…“ „Nicht nur dir.“, erwiderte er zerknirscht. „Nach ihrem letzten Ausflug dorthin…“ „Ja… Ich kann ja verstehen, dass sie nicht wollte, dass du, ich, Carsten oder Anne mitkommen. Wir fallen dort viel zu sehr auf mit unserer Hautfarbe. Aber trotzdem…“ Seufzend richtete sich Öznur auf und kam zu ihm rüber, um die Arme um seine Schultern zu legen. „Apropos, ist dieser Dunkelritter eigentlich wieder aufgetaucht, der eure Gilde vor ner Woche so mies hat hängen lassen?“ Schnaubend bewegte Eagle seinen Chara an einen sicheren Ort, wo er sich ausloggen konnte. „Nichts. Hat sich einfach nicht mehr gemeldet der Sack. Und das, obwohl er für den einen Raid vor ner Woche auch noch zugesagt hatte. Wir standen ziemlich blöd da.“ „Ich hoffe es ist nichts passiert… Bei den ganzen Katastrophen…“ „Wär schade um ihn, es gibt selten so gute Tanks.“ Eagle lehnte sich im Stuhl zurück, um Öznur einen Kuss zu geben. „Hey, der hat uns schon am Abend vor dem Angriff auf die Coeur-Academy sitzen lassen. Mit Monde hat das also eher weniger etwas zu tun.“ Dennoch half dieser Versuch nicht, ihren trüben Blick zu erhellen. Er richtete sich auf, um Öznur hochzuheben, wobei sie leicht erschrocken aufquietschte. Eagle lächelte sie an. „Und hör du endlich mal auf so ein Gesicht zu ziehen. Deiner Familie geht’s gut, das ist doch die Hauptsache.“ Öznur seufzte und legte wieder die Arme um ihn. „Ich weiß. Und das hab ich alleine dir zu verdanken…“ Als er merkte, wie sich ihr Griff anspannte und ihr Atem zittriger wurde, trug Eagle sie zum Bett rüber und legte sich neben sie. Er wusste nicht, was ihr mehr zu schaffen machte. Die Ungewissheit über die Zukunft ihrer Familie oder die Tatsache wie asozial sich die Nachbarschaft verhalten hatte? „Das wird schon wieder.“ Mehr wusste Eagle darauf nicht zu sagen, während er Öznur über die Haare strich, die schluchzend ihr Gesicht in seiner Brust vergrub. Wie so häufig in letzter Zeit… „… Danke…“, meinte Öznur plötzlich mit schwacher Stimme. Eagle runzelte die Stirn. „Wofür?“ „Für… Weil… weil nur wegen dir… Wäre die Leibwache nicht gewesen, dann… dann hätten sie es wohl nicht …“ Eagle verstärkte den Griff und schaute schweigend zur Wand, die sein Zimmer von Carstens trennte. Wobei dieser sich schon wieder im Krankenhaus aufhielt. Schließlich meinte er: „Kein Grund sich zu bedanken, ist doch selbstverständlich.“ Öznur schüttelte den Kopf. „Eben nicht. Wenn… Wenn du sie nicht dorthin geschickt hättest, dann…“ So langsam verstand Eagle, was Öznur von all dem am meisten zu schaffen machte. Es war die Tatsache, wie unverschämt viel Glück sie und ihre Familie gehabt hatten. Wenn man an Rebeccas Vater dachte, welcher niemanden hatte, der schnell genug reagieren und helfen konnte… Sie hatte schon recht. Ohne die Leibwache wäre es definitiv nicht nur bei einer verletzten Schwester geblieben. „… Fühlst du dich schuldig?“, fragte er sie vorsichtig. So heftig wie Öznur plötzlich in Tränen ausbrach hatte er wohl genau den wunden Punkt getroffen. Zerknirscht legte er ihre Brille zur Seite, die eher hinderlich war, wenn man sich komplett aufgelöst die Augen aus dem Kopf heulte. … Mal wieder… Und wieder blieb Eagle nichts anderes übrig als sie im Arm zu halten und zu warten, bis der Gefühlsausbruch vorüber war. Und dabei war er doch eine alles andere als geduldige Person. Er versuchte ein bisschen auf sie einzureden, irgendwelche beruhigenden Worte die vermutlich noch nicht einmal zu ihr durchdrangen. „Ist ja gut, Süße. Das wird schon wieder…“ Ja. Das wird schon wieder. Irgendwann. Inzwischen hatte er standardmäßig eine Packung Taschentücher in greifbarer Nähe, sodass er ihr direkt eins geben konnte, kaum dass sich ihre Gefühle wieder beruhigt hatten. Schluchzend und schniefend richtete sich Öznur auf und meinte schließlich: „Tut mir leid…“ Eagle seufzte. Die Entschuldigung machte es auch nicht besser. „Schon gut, lass einfach raus.“ Doch Öznur schüttelte den Kopf. „Ich… ich komm mir so mies vor. Ich heule hier die ganze Zeit rum und dabei… dabei bist doch du derjenige, der… der es viel schlechter hat als ich…“ Einen Moment lang hielt Eagle inne und versuchte den plötzlich aufkommenden Schmerz zu verdrängen, als er gezwungen an seinen Vater erinnert wurde. Kopfschüttelnd lehnte er sich gegen die angrenzende Wand und zog Öznur wieder an sich. „Özi, es macht keinen Sinn zu vergleichen wer es besser und wer schlechter hat. Deine Gefühle gehören dir und wenn die Situation schlimm ist, dann ist sie das halt. Abgesehen davon…“ Er lächelte verbittert. „Abgesehen davon kannst du wohl kaum behaupten, dass ich sonderlich besser damit umgegangen bin, kurz nach dem er… nach dem Ganzen.“ Traurig lachte Öznur. „Stimmt auch. Aber…“ „Nichts aber.“ Er seufzte bedrückt. „Ist halt einfach alles scheiße zurzeit.“ „So ein Unsinn!“ Abrupt richtete sich Öznur auf. „Wir haben uns, zählt das nicht?!“ Dieser plötzliche Umschwung verwirrte Eagle kurz, aber ihr immer noch verheulter und trotzdem hoffnungsvoller, entschlossener Blick, dieser Widerspruch in ihren Augen, ließ ihn auflachen. „Doch, hast ja recht.“ Er zog Öznur zu sich um sie zu küssen, die ihre Lippen sofort öffnete und den Kuss leidenschaftlich erwiderte. Sein Herz hämmerte wie bekloppt, als Öznur auf ihn kletterte und ihren Körper so eng gegen seinen presste als versuchte sie damit auszugleichen, dass sich nach wie vor eine dünne Stoffschicht zwischen ihnen befand. Das reichte ihr wohl immer noch nicht. Ungeduldig öffnete Öznur die oberen Knöpfe, um sobald es ging kurz den Kuss abzubrechen und Eagle das Hemd über den Kopf ziehen zu können. Ebenso befreite sie sich von ihrem eigenen Oberteil und dem BH in einem. „Özi…“ Eagle war leicht verwirrt von dieser plötzlichen Stimmungsänderung, doch Öznur ließ ihn mit einem weiteren Kuss nicht zu Wort kommen. Er unterdrückte ein Stöhnen, als sie sich wieder gegen ihn presste als wäre ihr selbst das noch nicht genug. Schwach lächelte Eagle und drehte den Schlüssel mit seiner Wind-Energie um, damit niemand einfach so reinplatzen konnte. So lange sie ihre Leidenschaft noch hatte, waren seine Sorgen wohl unbegründet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)