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Demon Girls & Boys

von

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Mut zum Beschützen

Mut zum Beschützen
 


 

Den darauffolgenden Samstag fing Laura Carsten nach dem Mittagessen ab und zog ihn einige Meter von der restlichen Gruppe weg, die sich auf den Weg zu ihrem Sondertraining machte.

„Was ist denn?“, fragte Carsten irritiert.

„Kannst du mich kurz nach Yami teleportieren?“, erkundigte sich Laura.

Verwirrt runzelte Carsten die Stirn. „So plötzlich?“

Vorsichtig schaute sich Laura um. „Angeblich werden wir doch irgendwie beobachtet. Ich will so schnell und unbemerkt wie möglich zum Schrein, damit nicht nochmal sowas passiert wie vor etwa einem Monat.“

Carsten schien zu verstehen worauf sie hinauswollte und nickte. „Aber möchtest du da wirklich ganz alleine hin?“

„Je mehr gehen würden, desto auffälliger wird es doch, nicht wahr?“

Ein schwaches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Gutes Argument.“

Carsten schien ganz kurz Susanne in ihre Pläne einzuweihen und auf Höhe der Trainingsplätze trennten sie sich von den Mädchen, die noch nicht einmal mehr die Gelegenheit bekamen, Laura viel Glück zu wünschen. Bloß nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen.

Gemeinsam verließen Laura und Carsten den Campus der Akademie über den Westwald. Automatisch fühlte sich Laura an ihre Spaziergänge mit Benni erinnert und sofort wurde ihr wieder schwer ums Herz. Dass sie ihn das letzte Mal gesehen hatte lag nun auch über einen Monat zurück. Und damals wurde er von Eagle auch noch mit dessen Schwert durchbohrt, weil er Laura hatte beschützen müssen…

Laura seufzte. Der Kampf gegen ihn, Bennis eiskalter Blick, die Verletzung, die er von Eagle hatte, der Geruch nach Blut und verbrannter Haut, … Ausgerechnet das waren ihre letzten Erinnerungen an ihn.

Natürlich wusste sie von Carsten und dessen Observationszauber, dass es Benni anscheinend gut ging. Aber so sehr beruhigen konnte sie das auch nun wieder nicht. Benni war immer noch in den Klauen von Mars. Und dieser hatte auch noch irgendwie vor, ihn zu seinem Dämonenbesitzer zu machen, um so dem Bann zu entkommen!

Sie mussten so schnell es ging etwas unternehmen. Irgendetwas, um genau das zu verhindern! Und dafür brauchte Laura ihre Dämonenform.

Inzwischen hatten sie den Bereich der Magiebarriere verlassen und Carsten teleportierte sich und Laura nach Yami. An denselben Ort, wie auch schon vor über einem Monat.

Schweigend liefen sie nebeneinander her auf den Tempel zu.

Natürlich hatte Laura Angst, dass wieder irgendwas passierte. Es passierte irgendwie immer etwas, wenn sie die Prüfung für ihre Dämonenform absolvieren wollte! Erst das grauenhafte Feuer in Obakemori, bei dem Eufelia-Sensei ums Leben gekommen war und Benni schwer verletzt wurde. Danach der Angriff von Benni und Jack, um zu verhindern, dass Laura ihre Prüfung machte. Ehrlich, Laura erwartete inzwischen eigentlich schon, dass wieder etwas vorfallen würde.

Carsten anscheinend auch, denn er bestand darauf, Laura zumindest bis vor die Tempeltür zu begleiten. Nicht, dass sie schon wieder in einen Hinterhalt geraten würde. Und nachdem Laura letzten Montag so mehr oder weniger freiwillig in Lukas Falle getappt war, schien Carsten sie ohnehin nicht mehr aus den Augen lassen zu wollen.

Natürlich verstand Laura, warum er so besorgt um sie war. Schließlich hatte er Benni versprochen auf sie aufzupassen und Laura hatte bekanntlich das nicht sehr schöne Talent sich ständig in Schwierigkeiten zu bringen. Aber trotzdem… Musste Laura nun so gut wie jeden Moment ihrer Zeit in irgendjemandes Begleitung sein? Sie fühlte sich schon so wie damals als Kind, als man sie nicht einmal alleine aus dem Haus gelassen hatte.

Laura war unwohl zumute, als sie die schwere dunkle Holztür zum Schrein öffnete und eintrat. Zögerlich drehte sie sich zu Carsten um, der immer noch auf der Türschwelle stand.

„Kommst du nicht mit?“, fragte sie ihren besten Freund verunsichert.

Ein trauriges Lächeln breitete sich auf Carstens Lippen aus. „Ich kann nicht. Der Schwarze Löwe verbietet mir den Eintritt.“

Laura schluckte schwer und Carsten sprach das aus, was sie dachte. „Deine Prüfung scheint wohl tatsächlich stattzufinden.“

Sie mühte sich zu einem Lächeln. „Es hat ja auch lange genug gedauert.“

„Viel Erfolg. Du packst das.“, sprach er ihr Mut zu und entfernte sich einige Schritte von dem Tor, das kurz darauf laut krachend in die Angeln fiel.

Laura atmete tief durch und wandte sich dem Inneren des Tempels zu.

Es war also endlich so weit.

Er sah anders aus, als bei ihrem ersten Besuch. Anstelle der japanischen Einrichtung mit den Tatamimatten und Papierwänden war dieses Mal extrem viel aus dunklem Holz. Der Boden und die Wände, die schmale Treppe, die in ein oberes Stockwerk führte, … Nur wenige Kerzen verhalfen zu einer deutlicheren Sicht und an den Wänden waren schemenhaft lauter gestapelte Bücher zu erkennen, die nicht mehr in die mit Büchern überfüllten Regale passten.

Laura stutzte. Dieser Ort kam ihr sehr vertraut vor. Zu vertraut. Auch, wenn sie ihn seit etwa einem halben Jahr nicht mehr gesehen hatte. Und nicht erwartet hätte, ihn je wieder sehen zu können.

In der Mitte des Raumes war ein sternenförmiger, kleiner Teich, auf dessen Insel in der Mitte sie automatisch eine alte Frau mit silberweißen Haaren erwartete.

Laura schluckte schwer. Doch natürlich saß da niemand, erstrecht nicht die Person, die sie vermutet hatte. Schließlich war Eufelia-Sensei tot…

Bedrückt schaute sie sich um. Es war haargenau so, wie sie das Haus in Erinnerung hatte, in dem Eufelia-Sensei und Benni einst gelebt hatten.

Unbewusst wischte sie sich über die Augen, in denen sich automatisch Tränen gesammelt hatten. Zu viele Erinnerungen waren mit diesem Ort verbunden.

„Sensei?!“, drang auf einmal von außen eine Stimme in das Innere der Hütte. Es war die helle, klare Stimme eines Kindes und kurz darauf wurde dieselbe Tür geöffnet, durch die auch Laura zuvor eingetreten war.

Ihr stockte der Atem. Das helle Haar des Kindes war, man konnte es nicht anders sagen, weiß. Das linke Auge so schwarz wie die Nacht. Und Laura wusste, dass das rechte Auge blutrot war, auch wenn es momentan von einer weißen Augenbinde verdeckt wurde.

„Benni?“

Der kleine Junge legte den Kopf schief und musterte Laura verwirrt. „Der bin ich. Und Sie? Sind Sie eine Freundin von Eufelia-Sensei?“

„Ah-ähm… Genau! Sowas… in der Art. Aber ähm… bitte… sprich mich doch nicht so höflich an!“

Laura war restlos überfordert mit dieser Situation. Sie stand nun hier, in einem Haus, was eigentlich vollständig abgebrannt sein müsste und unterhielt sich mit einer fünfjährigen Version von Benni?!

Dieser schaute sich im Raum um und meinte schließlich: „Sensei scheint momentan außer Haus zu sein. Möchten Sie… ich meine… möchtest du hier warten, bis sie zurückkehrt?“

Laura brachte lediglich ein Nicken zustande und kniete sich auf den Holzboden, um dem kleinen Benni besser in die Augen schauen zu können.

Zögernd ging er einige Schritte auf Laura zu und fragte sie schließlich: „Wer sind Sie… bist du überhaupt?“

Diese Frage bohrte sich wie ein Pfeil durch Lauras Herz. Du weißt doch, wer ich bin!, schrie es in ihrem Kopf. Laura versuchte das beklemmende Gefühl zu ignorieren und rief sich in Erinnerung, dass dieser Benni nur ihre zwölf Jahre jüngere Version kennen konnte.

Moment. Zwölf Jahre?

Laura betrachtete Benni genauer, welcher schweigend auf ihre Antwort wartete. Tatsache. Er sah genauso aus wie vor zwölf Jahren.

„Ach so, ähm… Ich bin Laura.“, antwortete sie als ihr auffiel, dass sie sich immer noch nicht vorgestellt hatte.

„Laura?“ Benni schien leicht irritiert. Was auch nachvollziehbar war. Immerhin hieß sie genauso wie das vierjährige Mädchen, auf das er momentan aufpasste.

Laura fragte sich, ob sie in dieser Prüfung auch auf eine junge Version von Carsten oder gar sich selbst treffen würde.

Derweil war Benni wieder einige Schritte näher gekommen und musterte sie mit dem für ihn typischen neutralen Blick. Wobei… Laura musste sich berichtigen. So ganz neutral war er nicht. Benni wirkte immer noch verwirrt und neugierig. Und auch ein bisschen traurig.

Jedoch wandte er sich ohne ein weiteres Wort ab und ging zurück zur Tür.

„Warte! Wo… wo gehst du hin?“, hielt Laura ihn vom Rausgehen ab.

„Zum Anwesen der Familie Lenz.“, antwortete Benni lediglich, den Blick immer noch abgewandt.

„Ich… ähm… ich würde gerne mitkommen, wenn das okay ist.“ Zögernd stand Laura auf.

Benni zuckte lediglich mit den Schultern. „Wenn du magst…“

Gemeinsam verließen sie die Hütte von Eufelia-Sensei und bei einem Blick über die Schulter stellte sie fest, dass sie sich tatsächlich auf jener Lichtung befand, die ihr seit ihrer Kindheit so vertraut war.

Auch der Pfad durch den Wald war genau derselbe, den sie früher so häufig mit Benni entlang gegangen war. Und ebenso hatte Benni die für ihn charakteristische Schweigsamkeit.

Es war ein seltsames Gefühl, neben dem kleinen Benni zu laufen. Laura wusste immer noch nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Immerhin kannte er sie ja in gewisser Weise nicht, während sie inzwischen alles über ihn wusste.

Sie versuchte, so unwissend wie möglich zu klingen, als sie einen Smalltalk mit Benni startete. „Wie alt bist du denn?“

„Fünf.“

„Also gehst du noch in den Kindergarten?“

Der kleine Benni nickte.

Laura seufzte. Jap, genauso schweigsam wie sonst.

Bei ihrer nächsten Frage fühlte sie sich zwar alles andere als wohl, aber sie war die naheliegendste für so ein Gespräch. „… Magst du es dort?“

Benni hielt einen Moment inne und Laura merkte, wie er die kleinen Hände zu Fäusten ballte. „Nein.“

Bedrückt senkte Laura den Blick. „Sind… die anderen Kinder etwa gemein zu dir?“

Sie machte es nicht gerade besser.

„So in der Art…“

Bei dem bedrückten Klang seiner Stimme hätte Laura ihn am liebsten sofort in die Arme genommen. Früher als Kind war ihr das nie aufgefallen, da sie immer zu ihm aufgeschaut hatte und ihn für unbesiegbar hielt. Aber nun… Er wirkte so einsam. So verloren. Und so zerbrechlich.

„Das ist schade…“ Laura blieb stehen und ging neben Benni in die Knie, um etwa auf seiner Augenhöhe zu sein. Dieses matte schwarze Auge, was jetzt schon deutlich zeigte, wie viel Leid und Verzweiflung er bereits in diesen jungen Jahren mit sich rumtrug. Und das rote Auge, was er vor der ganzen Welt verstecken musste.

Lauras Herz zog sich schmerzhaft zusammen, während sie Bennis süßes Kinder-Gesicht betrachtete und sich partout nicht vorstellen konnte, wie man auf die Idee kam so jemand goldiges als Monster zu bezeichnen.

Zwar erwiderte Benni ganz ruhig ihren Blick, doch Laura erkannte trotzdem, dass er traurig war. Aber sie wollte ihn nicht so sehen müssen! In seiner Kindheit litt Benni unter der Gesellschaft, jetzt leidet er unter Mars, … Warum konnte Benni nicht einfach ein normales, glückliches Leben führen?!

Laura atmete tief durch und lächelte Benni aufmunternd zu. „Du scheinst es nicht leicht zu haben… Aber lass dich von diesen Idioten nicht unterkriegen. Ich weiß, dass du das packst. Du bist stark, sehr stark. Auch, wenn du dir dessen vielleicht noch nicht bewusst bist. Und egal was die anderen sagen… So lieb wie du bist, verdienst du es, glücklich zu sein.“

Bennis Wangen färbten sich leicht rötlich. „Ich bin nicht lieb.“, widersprach er.

Laura kicherte und tippte ihm mit den Fingern gegen die Stirn. „Oh doch, bist du. Und noch dazu richtig süß.“

„Gar nicht wahr.“ Schnell wandte er sich ab und ging weiter zu dem Anwesen. Belustigt folgte Laura ihm.

Auch das Anwesen war so, wie es schon immer war und sein würde. Die hohe Steinmauer mit den schwarzen Ziegeln, die japanischen Bäume und Sträucher, die Laternen und Kirschbäume, die den Weg zierten, …

Noch während sie auf die Villa zugingen öffnete sich die Eingangstür und ein Junge kam herausgestürmt. Die schwarzen längeren Haare, die dunkle Indigonerhautfarbe und die magischen lila Augen waren unverkennbar.

Amüsiert stellte Laura fest, dass der vierjährige Carsten kaum anders war als der sechzehnjährige, der sie vor kurzem noch zum Schrein begleitet hatte. Okay, natürlich war der Carsten, der nun vor ihr stand viel kleiner und hatte noch viel kindlichere Gesichtszüge. Aber das Lachen, mit dem er Benni begrüßte, war dasselbe. Überrascht bemerkte Laura, dass die drei Narben über seiner Nase fehlten. Also war er wohl noch kein Dämonengezeichneter.

„Da bist du ja endlich!“, rief vom Eingang aus eine Mädchenstimme. Laura beobachtete, wie ihr vierjähriges Selbst die Stufen des Anwesens hinabstieg und ebenfalls auf sie und Benni zuging. Sie trug einen grünen Kimono mit hellen Blumen und einem roten Obi. Die honigfarbenen Haare waren zu einer Hochsteckfrisur gebunden und…

Laura hielt inne. Als Kind hatte sie immer kurze Haare gehabt und deshalb nie Hochsteckfrisuren tragen können. Das war immer…

„Du bist später als erwartet.“, hörte sie eine weitere Stimme aus dem Eingang. Der Junge, der auf sie zu kam, war etwa genauso alt wie Laura eben und hatte dunkle, rötliche Haare und schokobraune Augen.

Lauras Herz setzte aus, ihr Atem stockte.

Sie konnte nur wie gelähmt beobachten, wie sich Benni verneigte und auf Japanisch für die Verspätung entschuldigte.

Das Mädchen schüttelte verstimmt den Kopf und der abwertende Blick, mit welchem der Junge Benni betrachtete, war nicht zu übersehen.

Dennoch nahm Benni keine Notiz davon. Er schien sich bereits daran gewöhnt zu haben. Stattdessen wandte er sich Laura zu. „Das sind Lucia und Luciano Lenz, die Kinder des Oberhaupts des Siebenerrates, Leon Lenz.“

„Ich weiß…“ Ihre Stimme war zu schwach, als dass sie mehr als nur ein Flüstern hätte zustande bringen können. Immer noch paralysiert beobachtete sie, wie sich ihre Geschwister höflich verneigten.

„Ähm und ich… ich bin Carsten.“, stellte sich der kleine Carsten vor. Zwar höflich, aber dennoch schüchtern und distanziert, so wie er sich etwas hinter Benni versteckte.

Luciano schaute Laura kritisch an. „Und du bist?“

Laura merkte gar nicht, dass diese Frage an sie gerichtet war. Sie stand immer noch nur da, wie als wäre sie zu Stein erstarrt. Ihre Gedanken überschlugen sich.

Was geht hier vor sich? Benni hat doch schon die Augenbinde, also müssten wir zeitlich nach dem Angriff des Schwarzen Löwen sein! Lucia und Luciano müssten…

„Sie meinte, ihr Name sei… Laura.“, übernahm Benni die Vorstellung für sie, als Laura immer noch nicht geantwortet hatte.

Lucia und Luciano schauten erst Benni, dann Laura selbst kritisch an. „Wirklich?“

Zögernd nickte sie.

Ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf Lucias Lippen ab. „Was für ein Zufall… Du heißt genauso wie meine Schwester.“

Auch Luciano lächelte sie bedrückt an. „Du siehst ihr sogar ziemlich ähnlich.“

Laura versuchte, den metallischen Geschmack herunterzuschlucken. „W-was… was ist denn mit eurer… Schwester?“

Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen. Sie wollte gar nicht hören, was die anderen ihr wahrscheinlich gleich antworten würden.

Lauras angespannter Körper begann zu zittern, während sie beobachtete, wie Lucia und Luciano betrübt den Kopf senkten. Der kleine Carsten hatte ebenso bedrückt eine Hand auf Bennis Schulter gelegt, welcher den Kopf abgewandt und die Augen zusammengekniffen hatte, als würde er verzweifelt um Selbstbeherrschung ringen.

Schließlich rang sich Luciano zu einer Antwort durch. „Leider ist sie vor wenigen Wochen verstorben. Sie… hatte Karystma.“

Gepresst versuchte Laura Luft zu holen. Sämtliche Kraft entwich ihrem Körper und nur mit Mühe konnte sie verhindern, auf den Boden zu sacken. Sie war… tot?

Luciano musterte sie besorgt. „Alles in Ordnung? Du bist so blass.“

„J-ja…“ Trotz des Schwindels der sie überkam, versuchte Laura nicht zu taumeln. „Das… das muss schrecklich für euch sein… Mein Beileid…“

Luciano nickte leicht. „Danke…“ Lucia hatte sich derweil an das Hosenbein ihres großen Bruders gekrallt, welcher ihr sanft über den Scheitel strich. „Es ist schrecklich.“, meinte er schließlich und erwiderte Lauras Blick, welche immer noch gegen den Schock ankämpfte. „Die beiden waren Zwillinge.“

„Verstehe…“, erwiderte Laura schwach. Darum bemüht, nicht umzukippen.

Was ging hier vor sich? Warum waren Lucia und Luciano noch am Leben? Und warum war Laura selbst… War das hier nicht einfach nur die Vergangenheit?

Luciano wies auf das Anwesen. „Möchtest du für einen Moment mit rein kommen?“

Laura nickte langsam und atmete tief durch, um ihren Geschwistern ins Innere des Hauses folgen zu können. Dennoch schwankte sie etwas.

Luciano betrachtete sie kritisch. „Ist wirklich alles in Ordnung?“

„J-ja, mir… ist nur etwas… schwindelig.“

Ihr großer Bruder lächelte sie melancholisch an und hielt ihr seine Hand hin, um sie zu stützen. „Es ist süß, wie dich der Tod unserer Schwester so mitzunehmen scheint. Danke, für dieses aufrichtige Beileid.“

Laura wich seinem Blick aus. Weil ich diese Schwester bin…

Nur mit viel Mühe konnte Laura die Tränen zurückhalten, während Luciano sie ins Haus geleitete und ihr im Speisezimmer half, sich hinzusetzen. Mit einem Schlag kamen sämtliche Erinnerungen an ihren großen Bruder zurück. Damals hatte er sie häufig gestützt oder getragen, wenn Lauras Körper keine Kraft mehr hatte.

Lucia setzte sich zögernd neben Laura und Luciano bat die Magd, ihnen Teewasser aufzusetzen.

Noch bevor sich auch Benni setzen konnte, meinte Lucia auf einmal: „Wolltest du nicht eigentlich nur Carsten für euer Training abholen?“

Obwohl Laura immer noch neben der Spur war, war es ihr unmöglich zu überhören, wie aufgesetzt Lucias Freundlichkeit gegenüber Benni klang.

Dieser nickte lediglich und zupfte Laura am Saum ihres T-Shirts. „Carsten und ich gehen schon mal vor. Kennst du den Weg zurück zu Eufelia-Sensei?“

Besorgt merkte sie, wie Benni es konsequent vermied, ihr in die Augen zu schauen. Laura fragte sich, wie es ihm wohl mit… ihrem Tod ging. Bedrückt erinnerte sie sich daran, wie Benni vor etwa zwei Monaten vor dem Grab seines Opas zusammengebrochen war. Und da hatte man ihm ‚nur‘ damit gedroht, sie und Carsten umzubringen.

Am liebsten hätte Laura den kleinen Benni genommen und fest an sich gedrückt. Und irgendwie hatte sie den Eindruck, dass er eine Umarmung auch gut gebrauchen könnte.

„Ähm, ja… Den Weg kenne ich. Vielen Dank.“, meinte sie als ihr auffiel, dass Benni noch ihre Antwort erwartete.

Dieser nickte lediglich und verneigte sich noch einmal vor Lauras Geschwistern, ehe er das Zimmer wieder verließ. Carsten folgte ihm eilig, um anscheinend bloß nicht alleine hier zu bleiben.

Luciano wies auf die wieder geschlossene Tür. „Der Junge eben ist der zweitgeborene Sohn des Häuptlings von Indigo. Er ist zwar extrem schüchtern, aber eigentlich ganz lieb. Und noch dazu ein ziemlich talentierter Magier.“ Nun wies er auf Lucia. „Er bringt ihr bereits jetzt schon einige Tricks bei.“

Ach, so war das also. Hier war es nicht Benni, der Laura das Kämpfen beibrachte, sondern Carsten, der Lucia im Zaubern unterrichtete.

Laura warf einen Seitenblick auf ihre eigentlich ältere Zwillingsschwester und fragte sich, ob O-Too-Sama nun vorhatte, sie mit Carsten zu verheiraten. Er war ja anscheinend immer sehr daran interessiert gewesen, die Beziehungen zwischen Yami und Indigo mit einer Hochzeit zu verstärken.

„Den anderen Jungen, Benedict, scheinst du ja bereits zu kennen.“, fuhr Luciano fort und klang auf einmal nicht mehr so wohlwollend. „Er war eigentlich mit dem Schutz unserer kleinen Schwester beauftragt aber nun ja…“

Laura schluckte den Kloß im Hals herunter und versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass sie in dieser Welt bereits jetzt schon nicht mehr am Leben war.

Das ist alles nur eine Projektion des Schwarzen Löwen, rief sie sich in Erinnerung. Und doch half es nicht, dieses beklemmende Gefühl in ihrem Herzen abzuschwächen.

Traurig und auch missbilligend schüttelte Luciano den Kopf. „Der Junge ist… schwierig.“

Erneut spannte sich Lauras Körper an. Egal was passiert war, die Meinung ihrer Geschwister über Benni schien sich offensichtlich nicht geändert zu haben.

„Wie meinst du das?“ Laura bemühte sich, so unwissend und neutral wie möglich zu wirken. „Auf mich macht er einen sehr vernünftigen Eindruck. Er ist absolut lieb, zuvorkommend und höflich. Na gut, vielleicht ist er etwas zu still und verschlossen für sein Alter… Aber wenn er sich anscheinend… ähm… um… eure Schwester gekümmert hat… Also…“

„Es stimmt, gut erzogen ist er im Prinzip. Keine Frage. Aber das bringt nicht viel, wenn er ständig am Rebellieren ist und immer seinen eigenen Kopf durchsetzen muss.“

Lucia schnaubte. „Egal wo er hinkommt, immer macht er Ärger.“

Laura runzelte die Stirn. Bennis rebellischer Charakter konnte doch nicht ernsthaft der Grund sein, warum ihre Geschwister ihn so abwertend behandelten. Weshalb sie ihn regelrecht hassten!

„Aber wenn er doch ansonsten seine Pflichten erfüllt hat…“, versuchte sie Benni in Schutz zu nehmen, während die Magd ihnen den Tee brachte.

„Etwas zu gut, will ich meinen.“ Luciano ballte die Hand zur Faust. „Er sollte einfach nur auf unsere kleine Schwester aufpassen und sich nicht direkt in sie verlieben.“

Laura verschluckte sich an dem zu heißen Tee. Was hatte Luciano da gesagt?!

„V-verlieben?“, brachte sie hustend hervor.

Luciano zuckte verärgert mit den Schultern. „Im Prinzip schon. Wobei ich keine Ahnung habe, wie ‚romantisch‘ solche Gefühle in dem Alter sein können.“

Wenn Laura schon den Eindruck hatte, beim Gespräch mit dem kleinen Benni überfordert gewesen zu sein, dann hatte sie sich gewaltig geirrt. Das hier war überfordernd.

Hatte ihr großer Bruder eben ernsthaft behauptet, Benni habe schon damals Gefühle für Laura gehabt?

Bis vor wenigen Monaten noch hatte sie nicht den blassesten Schimmer, was Benni für sie empfunden hatte. Manchmal hatte sie sogar daran gezweifelt, ob er ihr überhaupt auch nur annähernd freundschaftlich zugeneigt war.

Und Benni selbst wusste seine Gefühle ja ohnehin so gut wie nie zu deuten. Hatte sie den Großteil seines Lebens gar versucht gänzlich auszublenden.

Und nun sagte Luciano auf einmal, er sei jetzt schon in sie verliebt?

„Das kann ich mir gar nicht vorstellen…“, brachte Laura lediglich zustande und merkte gar nicht, dass sie sich am heißen Tee die Zunge verbrannt hatte.

Luciano zuckte mit den Schultern. „Es ist tatsächlich schwer vorstellbar. Der Junge wirkt auch einfach ständig so kalt und unnahbar. Unser Vater spricht ihm genaugenommen auch sämtliche Emotionen ab, erstrecht solche wie Liebe und Freundschaft.“ Er warf Laura ein trauriges Lächeln zu. „Sagen wir einfach, das ist der Instinkt eines großen Bruders.“

Lucia blies die Backen auf. „Ich wollte immer, dass er sich von meiner Schwester fern hält. Ich hatte Angst, dass sein Hang zu Schwierigkeiten irgendwann auch Laura in Gefahr bringen könnte.“

Überrascht bemerkte Laura, dass Lucias Sorge gar nicht mal so unbegründet war, wenn sie an ihre jetzige Situation mit Mars dachte, der Bennis Gefühle gewissenlos ausnutzte um ihn zu erpressen.

Luciano seufzte. „Das stimmt. Nur mir wäre diese Sorge lieber, als… die jetzige Situation.“

Traurig nickte Lucia und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. „Zumindest Laura hatte ihn immer sehr gemocht… Und dann war er noch nicht einmal da, als sie- als sie…!“ Sie schluchzte auf. „Entschuldigt mich…“ Eilig sprang Lucia von ihrem Stuhl runter, als wolle sie das Zimmer verlassen. Als wolle sie vor den Augen einer Fremden nicht weinen.

Aber Laura war keine Fremde!

Instinktiv schnappte sie nach Lucias Hand. „Ist schon okay…“

Als Lauras eigentlich ältere Zwillingsschwester nun endgültig in Tränen ausbrach und sich bitter schluchzend an Lauras Rock klammerte, musste sich Laura selbst noch mehr zusammenreißen. Und es fiel ihr von Sekunde zu Sekunde schwerer.

Sie vermisste ihre verstorbenen Geschwister immer mehr. Genauso wie Benni, der wohl, egal in welcher Zeit, einfach immer mit irgendwelchen Schicksalsschlägen zu kämpfen hatte.

Vorsichtig hob Laura die immer noch zitternde und weinende Lucia zu sich hoch auf den Schoß, wo sie ihr Gesicht in Lauras T-Shirt vergrub.

Luciano beobachtete seine kleine Schwester und schien selbst gegen seine Gefühle anzukämpfen. „Entschuldige…“. Er lächelte Laura traurig zu.

Diese musste sich auch mehr als nur zusammenreißen, um halbwegs normal reden zu können. „Ist schon okay…“

Es war irgendwie auch schön zu sehen, dass ihre Geschwister genauso sehr um Laura trauerten, wie sie um ihre Geschwister. Aber trotzdem wollte sie sie nicht so verzweifelt sehen müssen…

Laura bemühte sich, irgendwie das Gespräch fortführen zu können. „Was meinte Lucia damit, dass er nicht da war, als…“

Luciano seufzte. „Den Zwischenfall mit dem Schwarzen Löwen hast du doch sicherlich mitbekommen, oder?“

Laura brachte lediglich ein Nicken zustande. Immerhin wären an dem Tag eigentlich ihre Geschwister…

„Als der Dämon irgendwann verschwunden war, ist Benedict auf einmal zusammengebrochen und Blut kam aus seinem rechten Auge. Danach war er etwa zwei Wochen lang nicht bei Bewusstsein. Innerhalb dieser Zeit… Na ja, du kannst es dir denken. Der Angriff des Schwarzen Löwen hatte sie einfach zu sehr geschwächt…“

Lucias Schluchzen wurde stärker. „Kurz bevor sie- sie hatte ständig nach ihm gefragt! Hatte andauernd geweint, weil er sie auf einmal alleine ließ! Wenn er jedenfalls dann bei ihr gewesen wäre! Dieses eine Mal!!!“

Laura verlor den Kampf gegen ihre Tränen.

Sie wusste, dass Lucia Recht hatte. Wie häufig hatte sie die Monate vor ihrem sechzehnten Geburtstag schon in der Angst gelebt, dass Benni sie am Ende alleine lassen würde? Dieses erdrückende Gefühl, dass es ihm gänzlich egal war, wenn sie starb. Und selbst, nachdem sie wusste, dass es ihm nicht egal war… Wie häufig hatte sie sich trotzdem davor gefürchtet, von ihm alleine gelassen zu werden?

Die lähmende Angst vor dem Tod kehrte zurück. Zitternd verstärkte Laura ihren Griff um Lucias Schultern.

Bedrückt stand Luciano auf, ging um den Tisch herum und reichte sowohl Laura als auch Lucia ein Taschentuch.

„Verzeih, dass wir dir so viel zumuten.“, meinte er nur, an Laura gewandt.

Laura schüttelte lediglich den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ist schon okay…“

Luciano lehnte sich gegen den Tisch. „Ich weiß auch nicht, warum wir dir das alles erzählen… Vermutlich einfach, weil du ihr so ähnlich bist.“ Freudlos lachte er auf. „Aber es ist wohl kaum möglich, dass unsere Schwester als zwölf Jahre älteres Mädchen auf einmal wieder unter den Lebenden weilt.“

Am liebsten hätte Laura ihm entgegen gebrüllt, dass das sehr wohl möglich war.

Ich bin eure Schwester!, schrie es in ihren Kopf.

Doch bevor sie diesen Gedanken wirklich herausschreien konnte, fuhr ein stechender Schmerz durch ihr Herz.

Erschrocken schaute sie sich um. Irgendetwas war passiert. Sie wusste nicht, wieso sie das wusste. Aber sie wusste es.

Luciano betrachtete sie besorgt. „Alles in Ordnung?“

Eilig stand Laura auf, Lucia immer noch in den Armen haltend. „Etwas stimmt nicht.“

Er runzelte die Stirn. „Wie meinst du das denn?“

„K-keine Ahnung. Es ist irgend so ein Gefühl!“

Und dieses Gefühl sagte ihr, dass sie sich beeilen sollte. Ansonsten würde sie es bitter bereuen.

Diese ganze Welle an Ereignissen und Eindrücken ließ Laura taumeln. Ihr Körper zeigte ihr ganz deutlich, dass er durch diese Gefühlsflut keine Kraft mehr hatte.

Und trotzdem… Lauras Instinkt befahl ihr sich zu bewegen. Etwas zu unternehmen. Zu verhindern, dass etwas ganz Schlimmes passierte.

Sie gab Lucias immer noch zitternden Körper an ihren großen Bruder.

„Es tut mir furchtbar leid, aber ich muss los!“ Und schon stürmte sie aus dem Esszimmer. Hielt sich schwankend an der Eingangstür fest, während sie irgendwie in ihre Schuhe stolperte. Schwer atmend rannte sie über das Grundstück ihrer Familie auf das Eingangstor zu.

„Laura, warte! Was ist denn plötzlich los?!“, rief Luciano ihr hinterher.

Laura antwortete nicht und rannte stattdessen in den Wald hinaus. Sie wusste nicht, wohin sie rannte. Aber ihren Beinen war das egal.

„Ist etwas passiert?!“, fragte Luciano, der sie auf einmal eingeholt hatte und immer noch Lucia auf dem Arm trug, die sie ebenso verwirrt betrachtete.

Stimmt ja, Luciano war ein Kampfkünstler. Er hat wohl kaum ein Problem, mit mir Schritt halten zu können., erinnerte sie sich.

„Ja, aber keine Ahnung, was!“, rief Laura, während sie erkannte, welchen Weg ihre Beine da entlang rannten.

Lauras Herzschlag beschleunigte sich. Die Erschöpfung wich der Angst und das Adrenalin brachte ihr wieder Kraft.

Schließlich kam die Lichtung in ihr Blickfeld. Laura konnte mehrere großgewachsene, dunkle Gestalten erkennen, die zwei kleine Jungs eingekreist hatten.

Sie hielt den Atem an und konnte nur aus der Entfernung beobachten, wie einer von ihnen einen Dolch zog und sich auf die zwei Kinder stürzte.

Carsten schrie auf und stolperte zurück. Benni sprang dazwischen und wehrte den Angriff gerade noch rechtzeitig ab, während der Dolch einen tiefen Schnitt in seinem Unterarm hinterließ. Anstatt zurückzuweichen, griff der Kampfkünstler erneut an, dieses Mal zusammen mit seinen Komplizen.

Einen Hieb gegen die Seite und einen Tritt konnte Benni blocken. Doch den Dolchstoß konnte er nicht mehr abwehren. Taumelnd wich Benni einige Schritte zurück und hielt sich die blutende Schulter, als ihn ein Schnitt ins Schienbein in die Knie zwang.

Laura hatte in dieser Zeit gerade mal die Lichtung erreichen können, als der erste Angreifer den kleinen Benni an der Kehle packte und hochhob.

Erneut schossen Erinnerungen durch ihren Kopf.

Wie gelähmt beobachtete Laura, wie Bennis Augenbinde durchgeschnitten wurde und somit das rote Auge nicht mehr verdecken konnte.

„Aufhören!!!“, hörte sie sich schreien und rannte zu den Typen. Sie musste verhindern, was gleich passierte. Musste rechtzeitig diese letzten Meter überwinden.

Der Mann beachtete sie jedoch gar nicht. Mit ungeheurer Kraft stieß er Bennis kleinen Körper von sich fort. Auf einen Baum zu.

Es waren immer noch zu viele Meter.

„Nicht!!!“

Laura streckte die Hand nach Benni aus. Als würde sie irgendwie so die letzten Meter überwinden können. Aber sie musste! Sie durfte nicht zulassen, dass Benni verletzt wurde!

Instinktiv sandte sie ihre Finsternis-Energie aus. Hüllte Bennis Körper in sie ein. Betete, dass sie ihn irgendwie etwas abbremsen würde.

Er darf nicht verletzt werden. Er darf nicht verletzt werden!

Und tatsächlich, die Finsternis-Energie schwächte die Wucht des Angriffs etwas ab. Verlangsamte ihn zumindest ein bisschen. Noch bevor Benni gegen den Baum prallen konnte, hatte Laura ihn eingeholt. Sie sprang zwischen ihn und den Baum und fing Benni auf. Und absorbierte auch die restliche Energie mit der Finsternis.

Erschöpft lehnte sich Laura gegen den Baumstamm. Den kleinen Benni hielt sie immer noch fest. Sie traute sich gar nicht ihn loszulassen.

Benni atmete schwer und Laura spürte, wie sein kleiner Körper zitterte.

„Es ist alles gut.“, redete sie beruhigend auf ihn ein. „Dir wird nichts mehr passieren. Ich passe auf dich auf.“

Luciano und Lucia hatten sie inzwischen auch erreicht. „Was geht hier vor sich?!“, rief Lauras großer Bruder zu den Kampfkünstlern rüber.

„Nanu? Was für ein Zufall. Was macht ihr beide denn hier?“

Laura zuckte bei der Stimme zusammen. Sie war ihr besser bekannt, als ihr lieb war.

Luciano runzelte die Stirn. „O-Nii-Sama?“

Lukas lächelte seinen ein Jahr jüngeren Cousin lediglich an.

Laura verstärkte ihren Griff um den kleinen Benni. Es war ja klar, dass Lukas dahinter steckte. Sie betrachtete ihren Cousin genauer. Er sah tatsächlich jünger aus und Narben hatte er auch noch keine. Aber die Haare waren bereits blau gefärbt und das widerliche Grinsen hatte sich auch in keiner Weise verändert.

Der Schrei einer Jungenstimme durchbrach die angespannte Atmosphäre und erschrocken bemerkte Laura, wie einer der dunkel-gekleideten Kampfkünstler Carsten am Handgelenk gepackt hatte.

Lukas warf einen kurzen Blick auf ihn. „Lass den Kleinen gehen. Chief wäre es zwar wahrscheinlich egal, was aus ihm wird, aber wir sind nicht wegen ihm hier.“

Daraufhin ließ der Typ Carsten tatsächlich los, welcher zu ihnen rüber rannte und sich verängstigt an Lauras Arm klammerte.

„Und weshalb seid ihr hier?“, rief Luciano fragend zu ihm rüber.

Lukas und seine Männer kamen bedrohlich auf sie zu. Ohne es zu merken verlagerte Laura ihr Gewicht, um sich notfalls verteidigen zu können. Trotzdem hielt sie Benni immer noch mit einem Arm fest und schirmte mit dem anderen Carsten vor den Typen ab.

Wie erwartet wies Lukas auf Benni. „Ich wäre ganz froh, wenn du meinen Auftrag nicht weiter hinterfragen würdest.“

Während Laura nach dem Fächer an ihrem Gürtel tastete, gingen Lucia und Luciano auf einmal einige Schritte zurück.

„Carsten, Laura, es ist besser, wir gehen jetzt.“, wies Lauras großer Bruder sie an.

Schockiert starrte sie ihn an. „Was?!“

Luciano hielt ihr die Hand hin. „Lukas wird seine Berechtigung haben. Es ist besser, wenn wir nicht hierbleiben.“

Laura biss die Zähne zusammen. Lukas wollte ein fünfjähriges Kind töten und Luciano schöpfte keinerlei Verdacht? Vertraute er seinem Cousin etwa so blind?

„Das lasse ich nicht zu.“ Wütend funkelte Laura Lukas an. „Ich lasse nicht zu, dass du Benni etwas antust.“

Irritiert runzelte Lukas die Stirn. „Und du bist?“

Luciano packte Laura am Arm. „Komm, du kannst ihm nicht helfen.“

„Nein!“ Laura riss sich von ihm los. „Wie kannst du das einfach zulassen wollen?!?“

Nun zog Lucia an ihrem Arm. „Bitte, Nee-Chan! Lukas weiß schon, was er tut.“

Lauras Herz setzte aus. Ihr wurde schwindelig als sie erkannte, wie sehr Lukas die beiden in seiner Gewalt hatte.

Ihr Blick fiel auf ihren Cousin. „Was hast du mit ihnen gemacht?“

Dieser schien verwirrt. „Wie bitte?“

„Tu nicht so dumm. Hast du sie irgendeiner Gehirnwäsche unterzogen?“ Während Laura vorsichtig Benni absetzte und Carsten seinen besten Freund etwas stützte, zog sie ihren Fächer aus dem Gürtel.

„Laura, es reicht!“, wies Luciano sie auf einmal lautstark zurecht. Automatisch zuckte Laura bei dem wütenden Ton ihres großen Bruders zusammen. „Lukas hat nichts mit uns gemacht!“

„Er will ein Kind töten und du nimmst ihn auch noch in Schutz?!“, schrie sie ihn an. Auch wenn sie das nicht schaffte, ohne dass sich Tränen in ihren Augen sammelten.

Luciano packte sie erneut am Arm. „Wie gesagt, er hat sicherlich seine Gründe. Und jetzt komm lieber, ich möchte dir nicht wehtun müssen.“

„Sehr gut, denn ich möchte dich auch nicht verletzen!“ Nun stellte sich Laura komplett zwischen Lukas und Benni, der immer noch von Carsten gestützt wurde. „Aber genauso wenig möchte ich, dass Benni verletzt wird! Also lass mich endlich los!“

Lukas schnaubte gereizt. „Ihr stellt meine Geduld ganz schön auf die Probe.“

Er gab seinen Männern das Zeichen zum Angriff.

„Laura!“, brüllte Luciano.

Laura kniff die Augen zusammen. „Bitte! Zwing mich nicht, mich zwischen meinen Geschwistern und Benni entscheiden zu müssen!!!“

Luciano ließ sie los. Und nur so hatte Laura genug Zeit, um den Angriff mit ihrem Tessen abfangen zu können. Den ersten Schlag stieß sie nach links weg, den zweiten nach rechts.

Als ein Dolch auf sie zugeschossen kam wollte Laura erst zur Seite ausweichen, doch dann fiel ihr auf, dass hinter ihr Carsten und Benni standen, die sie vor den Angriffen beschützen musste.

In letzter Sekunde bremste Laura den Dolch mit ihrer Finsternis-Energie ab, der nur wenige Zentimeter vor ihrer Kehle zum Stillstand kam. Sie schlug die Hand, die den Dolch hielt zur Seite und trat dem Besitzer dieser Hand in die Brust. Noch während der Typ aufkeuchte, musste Laura zwei weiteren Angriffen seines Komplizen ausweichen. Sie leitete die Finsternis-Energie in ihre Handfläche und schlug mit dieser zu, kaum dass sich eine Öffnung zeigte. Laura blieb gar nicht die Zeit sich zu vergewissern, dass der Komplize wirklich bewusstlos auf den Boden fiel, als der Dritte sie attackierte.

Gerade, als sie einen Konter ausführen wollte, hörte sie hinter sich plötzlich jemanden ihren Namen schreien.

Erschrocken drehte sich Laura nach der Ursache um. Der erste Angreifer hatte sich von ihrem Schlag bereits erholt und griff nun mit seinem Dolch den immer noch verwundeten Benni an und Carsten, der ihr einen hilfesuchenden Blick zuwarf.

Natürlich ließ sich Laura davon zu lange ablenken und so war sie kaum dazu in der Lage, auf den Schlag auf ihre Schläfe zu reagieren. So schnell es ihr Körper zuließ sprang sie nach vorne, schaffte es irgendwie gleichzeitig den Angriff mit ihrer Finsternis-Energie zu stoppen und schlug demjenigen, der Benni und Carsten attackierte mit ihrem Ellenbogen in die Seite.

Zumindest reichte das aus, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Doch nun musste sie gegen zwei Gegner gleichzeitig kämpfen, was viel komplizierter war. Kaum blockte sie den einen Angriff, war der zweite schon zur Stelle und nutzte ihre Deckungslosigkeit aus. Ein Schlag gegen den Kopf ließ Laura taumeln und so konnte sie auf den Schlag in die Magengrube gar nicht reagieren. Sie versuchte, mit ihrem Fächer zu kontern, doch dieser wurde ihr aus der Hand getreten. Noch während Laura von dem pochenden Gefühl in ihren Fingern abgelenkt war, zischte der Dolch auf ihr Gesicht zu.

Sie spürte ein leichtes Brennen in ihrer Wange, als sie dem Dolch seitlich auswich.

Dafür konnte sie nun dem Besitzer dieses Dolches die Handfläche in die Rippen rammen und verstärkte ihren Schlag mit ihrer Energie.

Da sie schon ahnte, dass der andere sie von hinten angreifen würde, sammelte Laura ihre Energie sofort danach im Ellenbogen, kniff die Augen zusammen und schlug blind zurück.

Erst als sie zweimal das dumpfe Geräusch eines Aufpralls hörte, traute sich Laura, ihre Augen wieder zu öffnen. Schwer atmend richtete sie sich auf und schaute sich um. Die drei in schwarz gekleideten Angreifer lagen allesamt bewusstlos auf dem Boden. Wenige Meter von ihnen entfernt saßen Benni und Carsten, die Laura mit großen Augen anschauten. Nicht weniger überrascht war der Blick von Lucia und Luciano oder gar Lukas.

Laura rieb sich die schmerzende Hand und spürte, wie etwas Blut aus der leicht brennenden Wunde an ihrer Wange sickerte.

Immer noch nicht ganz bei Atmen und etwas unsicher auf den Beinen ging Laura zu ihrem Tessen und hob diesen vom Boden auf. Steckte ihn allerdings noch nicht weg. Lukas war schließlich auch noch da.

„Wer bist du?“, fragte dieser sie mit einem bedrohlichen Unterton in der Stimme.

Hinter sich hörte Laura einige Schritte und sie spürte, wie eine Kinderhand vorsichtig ihre schmerzenden Finger berührte. Auch ohne hinzusehen merkte sie, wie Benni ihr etwas von seiner Finsternis-Energie gab und dadurch einen Teil ihrer Verletzungen heilte.

Der Griff um ihre Hand verstärkte sich. „Du bist wirklich Laura, nicht wahr?“, fragte Benni und Laura fiel auf, wie er immer noch leicht zitterte. „Also… Ich meine…“

Nun wagte sie es doch, Lukas aus den Augen zu lassen und einen Seitenblick auf Benni zu werfen. Dieser klammerte sich immer noch an ihre Hand und schaute mit seinen großen Kinderaugen zu ihr hoch, in denen sich Tränen sammelten.

Bedrückt lächelte Laura. Das war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie Benni weinen sah. Vorsichtig befreite sie ihre Hand aus seiner und wuschelte ihm durch die hellen Haare. „Ich weiß, was du meinst.“

Hastig fuhr sich Benni mit dem Arm über die Augen. Dass er selbst immer noch verletzt war, schien er nicht zu merken.

Inzwischen waren auch Luciano und Lucia ihnen näher gekommen. „Also bist du wirklich…“, setzte ihr großer Bruder an, konnte den Gedanken allerdings nicht aussprechen.

Laura nickte und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Lukas. Sie war sich ziemlich sicher, dass es noch nicht zu Ende war.

„Ich bin Laura Lenz, das dritte Kind von Leon und Yuki Lenz und derzeitige Besitzerin des Schwarzen Löwen.“

„Wie ist das möglich?“, hörte sie Luciano fragen. Überraschung und Trauer, aber auch Hoffnung schwang in seiner Stimme mit.

„Sagen wir einfach, ich komme aus einer anderen Zeit.“, antwortete Laura. Sie hatte keine Ahnung, ob der Schwarze Löwe damit ein Problem hatte, dass sie nun ihre wahre Identität verriet. Aber eigentlich war ihr das auch egal.

Lukas runzelte die Stirn. „Die derzeitige Besitzerin des Schwarzen Löwen? Nun, dass ist ein glücklicher Zufall. Luciano!“, rief er zu Lauras großem Bruder hinüber, „Das Mädchen stellt eine Bedrohung für ganz Yami, nein, für die ganze Welt dar! Wir müssen sie gefangen nehmen!“

„Aber-“, setzte Luciano an, schaffte es allerdings nicht, ihm zu widersprechen.

Zerknirscht verlagerte Laura ihr Gewicht und ging in eine Angriffsposition. Lukas schien ihn wirklich irgendwie kontrollieren zu können.

Noch bevor Lukas die Gelegenheit bekam, ihren großen Bruder irgendwie überzeugen zu können, sie unschädlich zu machen, griff Laura an. Sie öffnete ihren Fächer und zielte auf Lukas Brust. Doch natürlich war er schnell genug ihr auszuweichen und den Angriff zu kontern.

Trotzdem war er immer noch viel langsamer und schwächer als Benni bei ihren Trainingskämpfen. Und somit hatte Laura überhaupt kein Problem damit, die nächsten Fausthiebe zu blocken und als seine Deckung komplett fiel, verpasste sie ihm einen Schnitt über seinem rechten Auge.

Lukas taumelte zurück. „Luciano! Wenn du schon nicht sie angreifen möchtest, dann knöpf dir zumindest den Kleinen vor!“

„Untersteh dich!“, brüllte Laura zu ihrem Bruder rüber, während sie ihre Angriffserie auf Lukas fortsetzte.

Sie bekam nur am Rande mit, wie ihr Bruder anscheinend alle Probleme hatte, sich zwischen den Fronten entscheiden zu können. Erst bei einem erstickten Schrei, fuhr Laura erschrocken um.

Luciano war auf den Boden gesackt, das Gesicht schmerzverzerrt, und seine Hand krallte sich in sein Hemd über der Brust.

„Luciano, was-“ Ein Tritt in die Seite raubte Laura den Atem. Sie spürte ein ekliges Knacken bei ihren Rippen und vor ihrem inneren Auge tanzten Sternchen.

Hustend stützte sie sich mit den Armen auf dem Boden ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Benommen beobachtete sie, wie Lucianos zitternde Hand von seiner Brust abließ und ganz langsam nach einem versteckten Dolch an seinem Gürtel griff.

„Nicht!“, schrie sie mit heiserer Stimme zu ihrem Bruder rüber. Jemand stieß sie zur Seite und Laura schlug mit dem Kopf auf der Wiese auf, die sich irgendwie alles andere als weich anfühlte. Obwohl sich alles um sie herum drehte und der Schmerz sie keinen klaren Gedanken fassen ließ, war Laura ihre eigene Situation völlig egal. Viel wichtiger war, dass sie Benni retten musste. Bei seinen Verletzungen würde er keine Chance gegen Luciano haben!

Aber in ihrer jetzigen Lage wäre es zu gefährlich, den Fächer irgendwie zu werfen. Bei ihrem Talent würde sie garantiert Benni oder Carsten treffen.

Ein Fuß trat auf ihre gebrochenen Rippen und ließ Laura erneut aufschreien.

Zeitgleich verlor Luciano seinen inneren Kampf und stürmte mit gezogener Waffe auf die beiden Jungs zu.

Laura hatte keine Ahnung, wieso sich ihr Körper noch bewegen ließ. Doch sie schaffte es, sich auf den Rücken zu drehen und mit dem Fächer einen Schnitt in Lukas Bein zu hinterlassen, sodass dieser das Gleichgewicht verlor. Noch während sie sich aufrichtete, schlug sie Lukas mit ihrer Finsternis-Energie in den Bauch. Als dieser taumelnd zu Boden sackte, stand Laura schwankend auf und hastete zu Benni und Carsten.

Ich muss sie beschützen, koste es, was es wolle!

Zeitgleich mit Laura war auch Luciano bei ihnen angekommen und holte zum Angriff aus.

„Hör auf!“, schrie sie und stellte sich dazwischen, um den Angriff abzufangen. Durch den immer noch brennenden Schmerz in ihren Rippen war ihr Blick verschwommen. Sie spürte lediglich, wie sich etwas durch ihre linke Hand bohrte und bremste es instinktiv mit ihrer Finsternis-Energie ab.

„Ich flehe dich an Laura, geh zur Seite.“, hörte sie Lucianos verzweifelte Stimme direkt vor sich. Schemenhaft erkannte sie sein Gesicht, umrahmt von den dunkelroten Haaren. Immer wieder wurde ihr ganz kurz schwarz vor Augen. Der Schmerz und der Schwindel wollte sie in die Besinnungslosigkeit reißen. Doch Laura durfte das Bewusstsein nicht verlieren! Sie durfte nicht zulassen, dass jemand Benni oder Carsten verletzen würde!

„Lass sie… in Ruhe.“, keuchte Laura. Zu dem betäubenden Gefühl in ihren Rippen kam nun auch das in ihrer Hand dazu. Sie biss die Zähne zusammen und versuchte, sich gegen Lucianos Körper zu stemmen. Ihn irgendwie weg von Benni und Carsten zu schieben. Aber ihr fehlte die Kraft.

Auf einmal merkte sie, wie Finsternis-Energie eingesetzt wurde und gleichzeitig der Widerstand von Lucianos Körper nachließ. Gleichzeitig sackten Luciano und Laura auf den Boden.

„O-Nii-Sama!“, hörte sie Lucia schreien und schnelle Schritte näherten sich ihnen.

Schwer atmend versuchte sich Laura aufzurichten, in der Angst, sie müsse nun auch noch irgendwie gegen ihre Zwillingsschwester kämpfen.

Doch die Erschöpfung gewann die Oberhand. Noch während sie in die Tiefe der Finsternis gezogen wurde spürte sie, wie jemand sie stützte.

„Geht’s?“, erkundigte sich eine Stimme. Doch es war weder die von Benni noch von Carsten. Es war eine männliche Stimme, in der so viel Macht lag, dass Laura den Eindruck hatte, alleine der Klang ließe sie neue Kraft schöpfen.

Gleichzeitig spürte sie, wie Finsternis-Energie in ihren Körper strömte und der grauenhafte Schmerz in ihren Rippen und ihrer Hand verschwand.

Immer noch benommen nickte Laura und öffnete vorsichtig ihre Augen.

Was keinen großen Unterschied machte, wie sie feststellen musste. Es war immer noch alles pechschwarz.

Ebenso die Augen der Person, oder eher des Wesens, dass ihr von seiner Finsternis-Energie gegeben hatte.

„Leo?“

Die Lippen des Schwarzen Löwen formten sich zu einem Lächeln. „Genau der.“

Zwar waren Lauras Verletzungen vollständig verheilt, doch als sie nun das Adrenalin verließ, wäre sie trotzdem vor Erschöpfung wieder zusammengebrochen, hätte Leo sie nicht immer noch gestützt. „Wow, Vorsicht.“ Er lächelte sie schief an. „Das war wohl etwas zu viel auf einmal?“

„Etwas ist gut…“, erwiderte Laura lediglich.

„Sorry. Ich wollte, dass du emotional etwas aufgewühlt bist, damit dir der Kampf selbst nicht ganz so leicht fällt.“

„Das hast du gut hinbekommen…“ Zitternd atmete Laura aus und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. „Wurden Lucia und Luciano wirklich von Lukas irgendwie kontrolliert? Hattest du sie deshalb… getötet?“

Leo half Laura, sich auf den nicht existenten Boden zu setzen und setzte sich im Schneidersitz ihr gegenüber. „Sowas in der Art.“

Laura schluckte schwer. „Gab es keine andere Möglichkeit, sie zu retten?“

Sie brauchte Leos Kopfschütteln gar nicht zu sehen, um die Antwort bereits zu wissen.

Eine Zeit lang schwiegen beide, bis Leo plötzlich meinte: „Du machst mir keinen Vorwurf, dass ich dich habe gegen Luciano kämpfen lassen?“

Laura strich sich einige Strähnen aus dem Gesicht und ließ den Blick gesenkt. „Keine Ahnung… Ich weiß gar nicht, was ich überhaupt denken soll.“

„Und ansonsten hast du doch immer so viele Fragen an mich.“, merkte Leo leicht belustigt an.

„Die hab ich immer noch.“, meinte sie matt.

Leo verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sie immer noch amüsiert. „Darf ich raten? ‚Hat Benni mich wirklich schon all die Zeit geliebt?‘“

Selbstverständlich färbten sich Lauras Wangen bei dem Thema rot. Dennoch nickte sie.

Leo zuckte mit den Schultern. „Von dem was ich so mitbekommen habe: Ja. Bei ihm selbst wirst du dich aber wohl kaum vergewissern können. Immerhin wurde er sich seiner Gefühle für dich erst in letzter Zeit so richtig bewusst. Schon witzig, dass sein bester Freund ihn besser kennt, als er sich selbst.“

„Carsten wusste es?“

Leo lachte. „Natürlich. Noch mehr Fragen?“

„Ja.“ Endlich schaffte es Laura, den Blick zu heben und ihm in die pechschwarzen Augen zu schauen. „Was wolltest du mich in dieser Prüfung prüfen? Es war doch klar, dass ich Benni und Carsten beschützen würde.“

Der Schwarze Löwe nickte. „Das stimmt. Ich habe auch nicht im Geringsten daran gezweifelt. Gerade deshalb wollte ich es dir auch etwas erschweren, indem deine Geschwister darin verwickelt waren.“ Er erwiderte ihren Blick und klang auf einmal ganz ernst, als er meinte: „Diese Augen die sagten: ‚Es ist mir egal, was du bist und wie mächtig du sein magst. Wenn du jemandem etwas antust, der mir viel bedeutet, mache ich dir die Hölle heiß.‘ Das war das erste, was mir damals bei dir aufgefallen ist.“

Freudlos lachte Laura auf. „Ich wünschte, dem wäre so.“

„Dem ist so. Wenn du es wissen möchtest: Deshalb habe ich damals beschlossen, dich zu meiner Dämonenbesitzerin zu machen.“

Erneut färbten sich Lauras Wangen rötlich. „Nur, weil ich jemanden am liebsten zu Brei verarbeiten würde, wenn er jemand mir wichtiges etwas antut?“

„Wegen deines starken Beschützerinstinktes.“, korrigierte er sie. „Ich hatte den Eindruck, da steckt mehr dahinter als einfach nur der Wunsch sie ‚zu Brei zu verarbeiten‘. Ich hatte den Eindruck, wenn du die Fähigkeiten dazu hattest, würdest du diesen Wunsch auch in die Tat umsetzen können.“

„Das macht doch jeder, wenn er die Kraft dazu hat.“, widersprach Laura ihm.

Leo seufzte. „Mensch, bist du wenig von dir überzeugt, Mädchen. Du lagst eben bereits besiegt am Boden und hast trotzdem noch die Energie aufgebracht, Lukas außer Gefecht zu setzen und Luciano aufzuhalten. Das war nicht einfach nur die Finsternis-Energie, das war deine Willensstärke, die dich hat weiterkämpfen lassen.“

Nervös kaute Laura auf ihrer Unterlippe. Sie war ja schon überglücklich gewesen, als Benni einst meinte sie würde ihre Finsternis-Energie extrem gut beherrschen können. Immerhin gab ihr das zum ersten Mal den Eindruck, dass sie tatsächlich zu etwas zu gebrauchen war. Dass sie kein Klotz am Bein sein würde.

Und jetzt wurde sie von Leo, dem Schwarzen Löwen, für ihre Willensstärke gelobt?!

Leo lächelte sie schief an, richtete sich auf und ging direkt vor ihr in die Hocke.

„Im Prinzip ist es als einfach nur dein Beschützerinstinkt gepaart mit diesem ausgesprochen beharrlichen Dickkopf, der dich hat die Prüfung bestehen lassen. Und mit dem du wahrscheinlich auch noch viele Prüfungen in Zukunft bestehen wirst.“

Mit diesen Worten gab Leo ihr einen Kuss auf die Nasenspitze und Laura spürte, wie eine gewaltige Menge an Energie in sie strömte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Regina_Regenbogen
2020-09-26T22:45:52+00:00 27.09.2020 00:45
Yay! Lauras Prüfung! Das war auch eine originelle Idee, die Vergangenheit bloß in anderer Form zu sehen. Jetzt frage ich mich, ob ihre Geschwister auch so ein Mal von Mars hatten.
Was ich dir auch noch sagen wollte: Ich finde es auch immer super, wie du die Kämpfe beschreibst!
Eigentlich wollte ich nur noch ein Kapitel die Woche lesen, damit ich nicht zu schnell an dem Punkt bin, wo ich warten muss. Aber Pustekuchen. :'D
Antwort von:  RukaHimenoshi
27.09.2020 12:18
Eine sehr faszinierende Theorie, die du da hast. ;)
Ooooh, vielen lieben Dank für dieses Kompliment!!! Ich betrachte die Kämpfe eigentlich immer als meine Schwachstelle, da ich nie weiß, wie ich sie actionlastig und dynamisch darstellen soll, ohne mich zu sehr im Detail zu verlieren oder zu oberflächlich zu sein. Zum Glück konnte ich mich da von Büchern inspirieren lassen und es ist auch sicher von Vorteil, selbst Kampfsport zu machen, aber diese Zweifel sind trotzdem immer da. ^^"

Ehm... musste gerade zählen, wie viele Kapitel du die letzten Tage kommentiert hast. Joa, eins pro Woche und so. XD Aber ich fühle mich geschmeichelt, dass dein Plan nicht wirklich aufgeht. Das ist ein gutes Zeichen! X'D
Antwort von:  Regina_Regenbogen
27.09.2020 21:05
Ich finde die Kämpfe echt gut gemacht. Eben weil es schwer ist, dass es nicht in zu genaue Beschreibungen ausartet und dadurch jeglichen Schwung verliert.
Durch das Wissen aus dem Kampfsport ist es dann natürlich umso authentischer. :D


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