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Demon Girls & Boys

von

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Der Schwarzmagier

Der Schwarzmagier
 


 

Der August ging schneller rum als gedacht. Die Mädchen verbrachten den Großteil ihrer Zeit mit Trainieren und als schließlich auch noch die Ferien zu Ende waren hatten sie neben Schule und Training eigentlich kein Leben mehr.

Leider konnte Eagle ihnen dann auch nicht mehr groß helfen, da zur selben Zeit auch in Indigo die Schule wieder losging. Ja, Eagle ging noch zur Schule. Es war eine besondere Eliteschule in Indigo, in welcher neben der typischen schulischen Ausbildung auch eine Kampfausbildung stattfand. Vergleichbar mit der Coeur-Academy, nur speziell für Indigoner.

Obwohl Eagle ähnlich wie Benedict die Kampfausbildung gar nicht mehr nötig hätte. Er tat es nur, da er es machen musste.

Immerhin würde er eines Tages den Titel seines Vaters übernehmen. Ein Stammesführer ohne Schulabschluss kam für gewöhnlich nicht so gut an. Aber zum Glück machte Eagle in einem halben Jahr schon seinen Abschluss, dann hatte er endlich Ruhe. Schule war nie seine große Leidenschaft gewesen. Stundenlang in einem Raum eingesperrt zu sein und komische Sachen zu büffeln, die er später zum Großteil noch nicht einmal benötigen würde… Ätzend.

Manchmal kam noch Öznur zu Besuch und sie verbrachten die Zeit gemeinsam. Aber trotzdem kannte seine Freundin den Teleportzauber immer noch nicht auswendig. Was für ein Kurzzeitgedächtnis. Na ja, Eagle war es gleich. Die Zeit mit Öznur war angenehm und er genoss sie in vollen Zügen.

Zwar verbrachte Carsten seine Zeit ebenfalls in Indigo um von Koja schwarze Magie zu erlernen, doch Eagle bekam ihn fast nie zu Gesicht. Es war eine Seltenheit, ihm am Esstisch zu begegnen und meistens brannte noch bis spät in die Nacht in seinem Zimmer Licht.

Eagle wollte überhaupt nicht wissen, wie übermüdet und abgemagert er inzwischen sein musste.

Am ersten September -einem Sonntag- kam Carsten doch tatsächlich ins Speisezimmer und setzte sich zum Rest der Familie an den Frühstückstisch.

„Crow, was für eine Ehre, dass du dich mal dazu herablässt uns einen Besuch abzustatten.“, spottete Sakura und fuhr sich durchs schwarze Haar.

Carsten grüßte die Anwesenden lediglich mit einem schwachen „Guten Morgen.“ und nahm sich eine große Portion Rührei. Er war wirklich so übermüdet und abgemagert, wie Eagle vermutet hatte.

Saya lächelte. „Dass wir alle gemeinsam gefrühstückt haben hatten wir schon lange nicht mehr.“

Ihr Kommentar löste in ihm Unbehagen aus. Das letzte Mal das sie gemeinsam gefrühstückt hatten war vor über sechseinhalb Jahren gewesen… Und zwar aus dem Grund, da Carsten für sechs Jahre das FESJ besucht hatte. Wofür Eagle verantwortlich war.

Warum hatte er seinen kleinen Bruder die ganze Zeit nur so gehasst?!? Warum hatte er sich so strikt dagegen gewehrt ihn zu akzeptieren?!? Warum hatte er sich all die Zeit nur wie ein Arschloch ihm gegenüber benommen?!?

„Eagle? Kannst du mir bitte die Kaffeekanne geben?“, riss Carstens Bitte ihn aus seinen Selbstvorwürfen.

„Du trinkst Kaffee?“ Trotzdem reichte Eagle ihm die noch halb gefüllte Kanne. Ein Blick in sein übermüdetes Gesicht verriet Eagle, dass sein kleiner Bruder den Kaffee zumindest dringend brauchte um nicht direkt über seinem Frühstück einzuschlafen.

Sakura legte den Kopf schief. „Du bist komisch, Bruderherz. Früher hättest du den Kaffee über ihn geschüttet.“

Verärgert funkelte Eagle seine kleine Halbschwester an, entschied sich aber dazu nichts darauf zu erwidern. Stattdessen wandte er sich Carsten zu. „Wie weit bist du?“

„Fertig, hoffe ich. Nachher möchte Koja mit mir noch ein Prüfungsritual durchführen und wenn das einwandfrei funktioniert bin ich immerhin kein Novize mehr.“

„So wie du aussiehst wirkt es eher so, als würdest du kurz vor einer Prüfung zum Erzmagier stehen.“, kommentierte Eagle den miserablen Anblick seines Bruders.

Carsten lachte auf. „Schön wär’s.“

„Wie lange dauert so eine Ausbildung eigentlich?“, erkundigte sich Saya.

„Koja meinte eine normale Ausbildung zum Schwarzmagier dauert etwa sechs Jahre. Wenn man sich wirklich ranhält könnte man es sogar in drei schaffen.“, antwortete Carsten.

Eagle runzelte die Stirn. „Und du hast nicht mal einen Monat dafür gebraucht… Du bist echt nicht normal.“

„Du doch auch nicht.“, erwiderte sein kleiner Bruder mit einem leichten Hauch Sarkasmus.

Eagle hatte den Eindruck etwas Kommunikation tat Carsten ganz gut. Immerhin hatte er die letzten drei Wochen nur gebüffelt um das zu lernen, was andere in mindestens drei Jahren packten. Der Junge war echt zu übertrieben intelligent und fleißig.

„Weißt du was von den Mädchen aus der Akademie?“, fragte Carsten nach.

Eagle zuckte mit den Schultern. „Alles wie gehabt. Von Benedict oder Jack haben wir seit jenem Vorfall auch nichts mehr gehört, jedoch…“

Eagles Schweigen schien Carsten zu verunsichern. „Jedoch was?“

Er seufzte. „Johannes scheint sich bereits in Mars‘ Fängen zu befinden.“

„Was?!?“ Carsten war aufgesprungen und das Geschirr klapperte.

„Susanne ist täglich zu deren Haus gegangen um die Familie zu erreichen, sobald diese aus dem Urlaub zurückgekehrt ist. Leider ist uns Mars zuvorgekommen. Wie auch immer er von ihrem Aufenthaltsort erfahren hat… Jedenfalls hat er Johannes anscheinend während dieser Urlaubszeit schon entführt.“

„Verdammt!“ Carsten schlug auf den Tisch.

„Crow, beruhige dich wieder.“, mahnte sein Vater mit strenger Stimme.

Verbissen nahm Carsten wieder Platz, die Hand immer noch zur Faust geballt. „Als wäre es nicht schon schlimm genug.“

Eagle schnaubte. „Oh, es wird noch besser.“

Auf Carstens fragenden und alles andere als hoffnungsvollen Blick hin erklärte dieses Mal Chief: „Die letzten drei Wochen über sind viele wichtige Persönlichkeiten verschwunden, was die Herrscher über die anderen Regionen stark in Aufruhr versetzt hat. Anscheinend merken nun auch sie, dass etwas nicht stimmt. Jedenfalls wurde eine Krisenbesprechung einberufen. Sie findet heute Nachmittag statt.“

Carstens Augen weiteten sich vor Entsetzen. „So weit ist Mars inzwischen schon?“

Eagle nickte. „Er scheint sich die Köpfe der Regionen vorzunehmen, um diese dadurch aus ihrem Gleichgewicht zu bringen. Konrad spioniert ziemlich häufig in der Unterwelt. Das letzte was wir von ihm gehört haben war, dass Mars anscheinend eine recht große Streitmacht aus Unterweltlern aufbaut.“

Carsten schauderte. „Also hatte Koja recht, was den Krieg betrifft…“

„Hat sie deine Zukunft vorhergesagt?“, fragte Saya nach.

Er nickte. „Sie sieht viel Schmerz und Leid kommen…“

Seufzend lehnte Eagle sich in seinem Stuhl zurück. „Klingt irgendwie nicht so, als könnte ich meinen Abschluss dieses Jahr noch in Ruhe machen… Falls ich ihn überhaupt je machen werde.“

Chief schaute seinen Sohn vorwurfsvoll an. „Solchen Pessimismus verbitte ich mir. Nicht umsonst werden wir heute Nachmittag auf diese Krisenbesprechung gehen. Die anderen Regionen müssen von dem Purpurnen Phönix erfahren, sodass wir gemeinsam einen Schlachtplan erstellen können.“

„Aber können wir ihnen überhaupt vertrauen?“, fragte Eagle kritisch. „Immerhin wird Mur insgeheim bereits von Mars regiert und in Terra scheint sein Einfluss auch groß. Wir können dank Lukas noch nicht einmal Yami trauen! Die einzige Region der ich gerade noch vertrauen könnte wäre Ivory!“

Warum eigentlich ausgerechnet die Schnulz-Region?!?

Vielleicht, gerade weil sie so schwul war? Nein, Unsinn. Elben und Indigoner waren beide Nachfahren der Dryaden, welche im magischen Krieg ausgerottet wurden. Und diesen Krieg hatte Mars angezettelt. Also konnten die Elben wahrscheinlich genauso wenig was mit dem Dämon anfangen wie die Indigoner.

Noch nicht einmal Spirit konnte Eagle vertrauen. Immerhin kamen die Vampire dort einst aus der Unterwelt, wo Mars zurzeit lebte.

„Das ist mir durchaus bewusst.“, erwiderte sein Vater verbissen. „Doch wenn wir jetzt nichts unternehmen wird der Purpurne Phönix jede Region nach und nach an sich reißen. Selbst Ivory und Indigo.“

Eagle stöhnte auf. „Wie lästig.“

Nach dem Frühstück begleitete Eagle Carsten zu Koja. Er war neugierig, was sein kleiner Bruder in diesen drei Wochen so gelernt haben soll.

Während Carsten alle möglichen Sachen für das Ritual vorbereitete, setzte sich Eagle zu Koja und beobachtete ihn dabei.

Als alles an seinem Platz zu sein schien fragte seine Großmutter: „Für welchen Zauber entscheidest du dich?“

„Eine Art Observationszauber.“, antwortete Carsten. „Ich möchte ähnlich wie Eufelia-Sensei einst eine Wasseroberfläche benutzen, um damit jemand anderen zu beobachten.“

Eagle lächelte in sich hinein. Carsten wollte also wissen, was Benedict gerade so trieb. Nun ja, es war ja auch eine ziemlich krasse und gleichzeitig auch gefährliche Situation in welcher er sich befand. Da war schon klar, dass Carsten gerne wissen würde, ob es seinem besten Freund noch gut ging. Insbesondere, da er ihn seit einem Monat nicht mehr gesehen hatte.

Eagle betrachtete die verzierte Tonschüssel in welcher sich klares Wasser befand. Sie stand auf einem Tisch vor ihm und auf der anderen Seite saß Carsten und zündete zwei Kerzen links und rechts von der Schüssel mit seiner Magie an.

„Ich fang jetzt an.“, meinte er nur und begann einen Zauber zu sprechen.

Es klang fast so wie ein Gebet, doch Eagle konnte keines der dryadischen Worte verstehen. Während er sprach hob Carsten seine linke Hand und schnitt mit einem kleinen Messer einen recht tiefen Schnitt in die Handfläche.

Eagle verzog das Gesicht. Tolle Magie, in welcher man sich selbst verletzen musste.

Immer noch diese Art Gebet-Zauber sprechend ließ Carsten sein Blut in die Schüssel tropfen. Das Wasser und das Blut vermischte sich automatisch und als es sich schließlich gänzlich im Wasser gelöst hatte klärte sich auf einmal das Bild.

Neugierig beugte sich Eagle etwas vor, um es genauer betrachten zu können. Er sah einen Zelltrakt, in welchem sich vier Personen befanden. Ein Junge und ein Mädchen mit blonden Haaren saßen in den Zellen, während zwei erwachsene oder fast erwachsene Männer davor saßen.

Eagle schaute etwas genauer hin. Bei den Kindern handelte es sich um Arianes kleine Schwester und Johannes und die zwei Typen waren Benedict und Jack. Und sie… spielten Karten?

Jedenfalls legte Johannes just in diesem Moment die letzte Karte ab die er auf der Hand hatte und jubelte: „Juhuuu, gewonnen!“

„Schon wieder? Das ist schon das vierte Mal in Folge!“, empörte sich Jack und legte kurz darauf auch seine letzte Karte aus der Hand. Seufzend wandte er sich an Benedict. „Was ist das hier eigentlich? Du bist im Prinzip Mars‘ Sklave, weil du nicht möchtest, dass er deinen besten Freund und deine Geliebte tötet. Und diese zwei hier sind eigentlich Gefangene. Und trotzdem sitze ich hier mit euch und spiele Karten?!?“

„Du musst nicht, wenn du nicht möchtest.“, erwiderte dieser.

Während nun auch Arianes kleine Schwester ihre letzte Karte ablegte, lachte Jack auf. „Aber irgendwie macht es Spaß euch zu beobachten. Du bist ziemlich unbeholfen im Umgang mit Kindern und trotzdem lieben sie dich.“

Benedict legte die letzten drei Karten die er noch in der Hand hatte auf den Boden. „Dafür kannst du erstaunlich gut mit Kindern umgehen.“

„Findest du? Blödsinn.“

Da tippte Johanna Benedict an. „Du, warum bist du eigentlich immer so ernst?“

„Da ich Mars‘ Sklave bin, um Laura und Carsten vor ihm zu schützen.“, antwortete er.

Eagle verkniff sich bei dem leichten Hauch Sarkasmus ein Lachen, um das Ritual bloß nicht zu unterbrechen.

Jack wiederum machte sich gar nicht erst die Mühe sein Lachen zu verbergen. „Ach was, du ziehst doch immer so ein Gesicht.“

„…Tu ich?“

„Nie bemerkt?“ Amüsiert boxte Jack ihm gegen den linken Arm, doch von Benedict kam keine Reaktion. Dafür verzog Jack das Gesicht. „Ich hab die Wunde getroffen, oder?“

„Hast du.“

„Darf ich sehen?“

Auf Jacks Bitte hin krempelte Benedict den Ärmel seines T-Shirts hoch. Eagle erkannte eine längliche Schnittwunde am Oberarm, die anscheinend so tief war, dass sie sogar genäht worden ist.

Jack runzelte die Stirn. „Krass, dass die selbst nach drei Wochen noch nicht verheilt ist. Der Rest war nach drei Stunden völlig verschwunden.“

„Sie ist durch Zerstörungs-Energie entstanden.“, entgegnete Benedict.

„Oha, du scheinst Mars ja ganz schön auf die Palme gebracht zu haben, wenn er dich sogar mit Zerstörungs-Energie angegriffen hat.“

„Was?!?“, rief Carsten erschrocken.

Eagle schaute auf und beobachtete, wie sein kleiner Bruder voller Sorge und Angst ganz bleich geworden war und in die Schüssel blickte.

Derweil schaute Benedict plötzlich mit einem kritischen Blick nach oben. Es war genau die Richtung, aus der sie die Gruppe durch den Wasserspiegel beobachteten.

„Ist was?“, fragte Jack irritiert.

„Ich dachte da wäre was.“

„Unsinn. Wirst du langsam schizophren?“ Jack lachte.

Während Benedict den Kopf schüttelte wurde das Bild immer unklarer und der Zauber löste sich auf. Selbst die Kerzen löschten sich wie von selbst und hinterließen den Raum in einem dämmrigen Licht.

Carsten fuhr sich mit der rechten Hand über die drei Narben auf seinem Gesicht und schien seine Gedanken zu sortieren.

„Also ist Johannes wirklich bereits gefangen.“, bemerkte Eagle. Musste aber belustigt lächeln, als er daran dachte, dass die beiden Gefangenen mit Benedict und Jack Karten spielten. So schlimm schien es ihnen also nicht zu ergehen.

„Aber warum ist Benni verletzt?“, fragte Carsten eher sich selbst. „Warum hat Mars ihn sogar mit der Zerstörungs-Energie verwundet? Das ergibt keinen Sinn, immerhin braucht Mars Benni allem Anschein nach lebend und bei guter Gesundheit.“

Eagle zuckte mit den Schultern. „So übel zugerichtet sah er doch gar nicht aus.“

„Aber Jack hat so etwas in der Art angedeutet gehabt!“, widersprach Carsten und die Sorge in seiner Stimme war nicht zu überhören.

„Hey, Benni ist hart im Nehmen. Dieser Kratzer mit Zerstörungs-Energie ist nichts, wenn man ihn mit den Brandwunden von Mars‘ Angriff vor fünf Monaten vergleicht.“, versuchte Eagle seinen kleinen Bruder zu beruhigen.

Carsten seufzte bedrückt. „Du hast ja recht, aber trotzdem… Warum wurde Benni von Mars verletzt?“

„Mars ist ein teuflischer Dämon. Er braucht wahrscheinlich noch nicht einmal einen Grund.“, vermutete Eagle, beruhigte Carsten damit allerdings kein bisschen.

Dennoch atmete er durch und versuchte, den Gedanken beiseite zu schieben. „Immerhin kommen Benni und Jack anscheinend gut miteinander klar.“

Eagle nickte. „Gerade für seine Verhältnisse geht er sehr offen mit jemandem um, den er erst seit ein bis zwei Monaten kennt.“

Daraufhin musste Carsten tatsächlich lächeln. „Sie sind sich nun mal sehr ähnlich…“

Schließlich schaute er seine Großmutter fragend an. „Habe ich bestanden? Immerhin habe ich am Ende versehentlich das Ritual unterbrochen.“

Koja machte eine wegscheuchende Geste. „Du hättest den Zauber ohnehin nicht mehr lange aufrecht erhalten können. Der Junge hat einen sehr guten Instinkt. Nur wenige bemerken solch einen Observationszauber.“

Eagle legte den Kopf schief. „Wie meinst du das?“

„Ein Observationszauber verliert seine Wirkung, wenn derjenige der beobachtet wird das irgendwie bemerkt.“, erklärte Carsten. „Es ist gut möglich, dass Benni bereits Verdacht geschöpft hat. Immerhin hatte Eufelia-Sensei früher auch hin und wieder so einen Zauber auf ihn gewirkt, er kennt also dieses Gefühl beobachtet zu werden, ohne dass irgendjemand in der Nähe ist.“

„Warum haben wir das nicht öfter zum Ausspionieren verwendet?“, fragte sich Eagle.

„Du musst dafür die Person die du beobachten möchtest persönlich kennen. Je besser du sie kennst, desto besser funktioniert der Zauber. Daher wäre es schwierig, Jack oder Lukas zu beobachten. Oder gar Mars, den wir noch nie zuvor gesehen haben.“

„Wobei einen Dämon zu observieren eigentlich unmöglich ist.“, warf Koja ein.

Irritiert musterte Eagle sie. „Woher weißt du eigentlich von allem?“

Koja schaute ihn mit einem wissenden Oma-Lächeln an. „Mein lieber Junge. Ich habe in diesem Jahr drei Mal die Magiesperre aufheben müssen. Zweimal weil mein Enkel, und einmal weil dessen bester Freund in Lebensgefahr schwebte. All die Jahre zuvor habe ich so etwas nie machen müssen. Denkst du wirklich, da hinterfrage ich nicht, was hier vor sich geht? Chief und Saya haben mir alles erklärt.“

Eagle lachte auf und betrachtete seine Großmutter genauer. Die dunkle ledrige Haut, die dunkelgrauen etwas längeren Haare, die blass-lila Augen, … Erst jetzt fiel Eagle auf, dass ihre Augenfarbe etwa in dieselbe Farbrichtung ging, wie Carstens. Warum hatte er diese Ähnlichkeit nicht früher bemerkt gehabt?

„Woher kommt eigentlich eure Augenfarbe? Deine, Carstens und die von unserer Mutter?“

Immerhin hatten sie allesamt lila Augen. Auch in einer Welt mit Magiern und Kampfkünstlern war lila eigentlich keine geläufige Augenfarbe. Jedenfalls unter den Menschen und Indigonern nicht. Wie es bei den Elben war wusste Eagle nicht.

Koja lächelte. „Das Lila bezeugt, dass wir aus einer sehr alten und machtvollen Familie stammen. Der Stamm der Sae hat schon seit Generationen viele der mächtigsten Magier hervorgebracht. Die lila Augenfarbe kennzeichnet die Magier.“

„Also war unsere Mutter auch eine Magierin?“, bemerkte Carsten überrascht.

Auch Eagle hatte das bisher noch nicht gewusst.

Koja nickte und wirkte leicht bedrückt. „Doch leider hielt sich ihre Macht stark in Grenzen. Wer weiß? Wäre sie stärker gewesen hätte sie dem Karystma vielleicht nicht unterliegen müssen.“

Mit einer Handbewegung brachte sie schließlich die Kerzen wieder zum Leuchten. „Crow, die Prüfung ist abgeschlossen. Du beherrschst nun offiziell die Grundlagen der schwarzen Magie.“ Sie zeigte auf seine linke Schulter. „Krempel den Ärmel hoch.“

Carsten tat wie geheißen.

Eagle beobachtete, wie Koja die Hände wie zum Gebet faltete und auf Dryadisch irgendetwas zu singen begann. Er fragte sich, ob Carsten später auch solche Zauber würde singen müssen. Irgendwie stellte er sich das lustig vor.

Auf einmal begannen die Kerzenflammen ungewöhnlich groß zu werden und zu flackern, sodass Eagle schon die Sorge hatte das Zelt würde abgefackelt werden. Doch seltsamer Weise passierte das nicht.

Auf Kojas Handfläche tauchte ein Leuchten auf, als sie diese seitlich auf Carstens Schulter presste. Eagles kleiner Bruder verzog kurz das Gesicht und als Koja die Hand entfernte erkannte Eagle ein seltsam verziertes Pentagramm auf der Schulter eingebrannt. Doch die Brandwunde verheilte erstaunlich schnell und eine verhältnismäßig helle Narbe in Form dieses Pentagramms war alles, was davon übrigblieb.

Als das Ritual offensichtlich beendet war meinte Eagle lediglich: „Ihr seid mir ein wirklich seltsames Völkchen. Kein Wunder, dass schwarze Magie heutzutage verboten ist.“

Carsten betrachtete das Zeichen auf seiner Schulter und seufzte schließlich. „Was man nicht alles macht um Mars besiegen zu können.“

Eagle lachte auf. „Ach was, es steht dir eigentlich ganz gut.“

Daraufhin verdrehte sein kleiner Bruder lediglich die Augen. „Jedenfalls steht mir das Zeichen, was bezeugt, dass ich etwas Verbotenes beherrsche. Juhu.“

„Ich hätte nie gedacht, dass du so ironisch und sarkastisch sein kannst.“, bemerkte Eagle amüsiert.

Koja deutete auf das Zeichen. „Dadurch wirst du von anderen Schwarzmagiern als solcher anerkannt. Es wird sich also als hilfreich erweisen, wenn du nach Unterstützung für den Zauber suchst, der den Purpurnen Phönix bannen soll.“

„Du weißt ja echt über alles bescheid.“, bemerkte Eagle. Seine Großmutter war gruselig.

Diese grinste ihn lediglich wieder mit ihrem Oma-Lächeln an.
 

Nach diesem seltsamen Prüfungsritual-Ding widmete sich Eagle seinem Training und am Nachmittag ging er mit Carsten und Chief zu dieser komischen Krisenbesprechung. Sie fand recht zentral von Damon in Lumiére statt und die höchsten Tiere der Regionen waren anwesend. Außer von Mur und Terra, wie Eagle amüsiert feststellte. Anscheinend vertraute man ihnen bereits so wenig, dass man sie nicht auf dieses Treffen eingeladen hatte. Falls sie überhaupt davon wussten, was sogar zu bezweifeln war. Die meisten Vertreter der Regionen kannte Eagle überwiegend nur vom Sehen durch die Abendgesellschaften. Immerhin Sultana kannte er persönlich, welche gemeinsam mit ihrer Tochter Anne gekommen war. Auch Leon Lenz war mit Frau und Tochter da, aber von Lukas fehlte jede Spur.

Offensichtlich hatte Laura Carsten diese drei Wochen ziemlich vermisst gehabt, denn kaum erblickte sie ihn, kam sie auch schon angerannt und fiel ihrem besten Freund um den Hals.

Carsten, immer noch ziemlich erschöpft, taumelte etwas zurück, als er Laura auffing. „Nicht so stürmisch.“, meinte er nur belustigt. Doch an seiner Stimme konnte man deutlich hören, wie fertig er war.

Besorgt musterte Laura ihn. „Du siehst gar nicht gut aus…“

Carsten seufzte. „Ich fühle mich auch nicht gut. Ich möchte einfach nur noch schlafen.“

„Du hättest wirklich nicht mitkommen müssen.“, meinte Eagle und betrachtete seinen kleinen Bruder. Als hätte er sich nach seiner Prüfung noch mal schlafen gelegt. Schön wär’s gewesen. Stattdessen hatte er sich direkt mit Konrad und Florian abgesprochen und einen Plan geschmiedet, wie sie nun den Bannzauber am besten umschreiben könnten.

Auch Anne war inzwischen bei ihnen. „Hat dieses ganze Unterfangen jedenfalls was gebracht?“

„Ich will es hoffen.“, erwiderte Carsten. „Nach dem Treffen setze ich mich mit Konrad und Florian zusammen. Wir wollten uns gemeinsam einen ersten Eindruck von dem Zauber verschaffen. Vielleicht kommen wir direkt auf eine Idee ihn zu ändern, ohne einen Erzmagier fragen zu müssen.“

„Muss das noch heute sein? Du gehörst ins Bett. Und zwar dringen.“, merkte Eagle besorgt an, doch Carsten schüttelte den Kopf. „Mars hat nun auch schon Johannes in seiner Gewalt. Wir haben keine Zeit mehr.“

Eagle seufzte. Seinem kleinen Bruder war einfach nicht zu helfen.

Nach und nach kamen auch die restlichen Repräsentanten der verschiedenen Regionen an. Der König von Ivory war ebenfalls wie Leon Lenz gemeinsam mit seiner Frau und Tochter da, doch auch Florian begleitete sie. Der Senatsvorstand der Vampire war gemeinsam mit Konrad gekommen. Selbst Jacob und Samira Yoru waren da. Eagle war überrascht, wie viel Ansehen die Yorus anscheinend immer noch hatten, obwohl sie seit bald 180 Jahren schon nicht mehr regierten.

Als alle die erwartet wurden angekommen waren, setzten sie sich an einen gigantischen runden Tisch.

Die Vertreterin des Volkes von Lumiére ergriff als erste das Wort. „Ich danke Ihnen, dass Sie alle die Zeit finden konnten sich heute hier einzutreffen. Hiermit übertrage ich den Vorsitz offiziell an Herrn Yoru.“

Eagle runzelte die Stirn. Echt? Der Yoru-Clan war immer noch so angesehen, dass Jacob den Vorsitz über dieses Krisentreffen übernahm? Nun gut, seine Familie hatte früher zusammen mit den Dryaden über den ganzen Kontinent geherrscht und sie war es auch, die Mars beim Magischen Krieg aufgehalten hatte. Aber gerade von zweitem dürfte eigentlich kaum jemand etwas wissen. Und trotzdem schien man ihn sehr zu achten.

Jacob stand auf und deutete eine knappe Verneigung an. „Dann wollen wir direkt zu dem Grund der heutigen Versammlung kommen: Die Ursache für das Verschwinden wichtiger Volksvertreter. Da noch nicht jeder einen vollständigen Überblick über die aktuelle Situation hat, erlaubt mir bitte die genaueren Umstände zu schildern.“

Jacob lieferte eine ziemlich ausführliche Erklärung über Mars ab und Eagle fragte sich direkt wieder, ob sie allen Anwesenden hier vertrauen konnten. Andererseits fehlten ja die üblichen Verdächtigen bereits, also schien man sich davor schon Gedanken über mögliche Verräter gemacht zu haben. Wer auch immer diese Versammlung eigentlich einberufen hatte.

Nachdem Jacob geendet hatte wusste jeder über den wahren Verursacher des Magischen Krieges Bescheid und dass der Bann welcher ihn in der tiefsten Schlucht der Unterwelt gefangen hielt inzwischen besorgniserregend schwach war. Die Einzelheiten über die Dämonenverbundenen oder auch die große Schwäche des Bannes ließ er allerdings aus.

Nachdenklich legte Leon Lenz die Fingerspitzen aufeinander. „Sie wollen uns also sagen ein Dämon, der auch noch über die Zerstörung herrscht, droht damit unsere ganze Welt zu vernichten?“

„So ist es.“, entgegnete Jacob und nahm wieder auf seinem Stuhl platz.

„Verzeihen Sie, aber es fällt mir schwer dies zu glauben.“, meldete sich der Vertreter von Eau zu Wort. „Haben Sie denn Beweise?“

„Sie können sich gerne die Tagebücher von Coeur durchlesen.“, antwortete er und wies auf Konrad. „Oder Sie vertrauen auf Zeugenaussagen.“

„Warum sollten wir einem Vampir, der gleichzeitig auch noch mit den Dämonen zu schaffen hat trauen?“ Die Vertreterin von Lumiére schien nicht so gut auf Vampire oder Dämonenverbundene zu sprechen zu sein.

Der König von Ivory ergriff das Wort. „Der junge Mann hat bereits sehr viel für uns über den Purpurnen Phönix in Erfahrung gebracht und in diesem Unterfangen sich selbst in große Gefahren begeben. Ansonsten hätten wir dieses Treffen heute nicht organisieren können, da wir in Gefahr gelaufen wären mögliche Verräter einzuweihen.“

Das war immerhin eine Antwort auf Eagles Sorge, dass sich unter ihnen Spitzel von Mars befinden könnten. Konrad schien ziemlich häufig in der Unterwelt spioniert zu haben, wenn er sogar so genau wusste, wer ihnen alles hätte gefährlich werden können. Nicht schlecht.

„Also soll ich diesem Vampir glauben, dass mein Neffe zu besagten Verrätern gehört?“ Es war nicht übersehbar, dass Leon Lenz diese Information über Lukas deutlich missfiel.

„Er ist mit einer der aktivsten von Mars‘ Untergebenen.“, erwiderte Konrad und deutete auf Laura. „Wenn Sie mir nicht glauben wollen, dann vielleicht eher ihrer Tochter.“

Leon schaute seine Tochter mit einem nahezu unheimlichen Blick an. „Woher soll sie davon wissen?“

Eingeschüchtert von diesem Blick schwieg Laura.

„Wir haben schon öfter gegen Lukas kämpfen müssen.“, ergriff Eagle für sie das Wort. „Wenn Sie uns immer noch nicht glauben, können Sie auch gerne Anne, Florian oder Crow fragen.“

Es war seltsam plötzlich Carstens offiziellen Namen zu verwenden. Aber bei einem Treffen unter den höchsten Tieren Damons gehörte das zum guten Ton dazu.

Leon beäugte die genannten Personen kritisch. „Ich kann Ihnen wirklich immer noch nicht glauben. Aber vertagen wir dies lieber vorerst. Ich werde entsprechend der Forderungen meinen Neffen nicht einweihen.“

Der Senatsvorstand der Vampire nickte. „Ich danke Ihnen vielmals für Ihr Verständnis. Die Geheimhaltung der Informationen in dieser Zusammenkunft hat höchste Priorität. Daher bitte ich Sie alle, niemanden der heute nicht hier anwesend war darüber zu unterrichten.“

Die restlichen Anwesenden nickten lediglich.

Nachdenklich stützte Annes Mutter Sultana ihr Kinn auf den Händen ab. „Ich stelle die Richtigkeit dieser Informationen in keinster Weise infrage, doch warum sollte der Purpurne Phönix ausgerechnet jetzt eine Gefahr für uns darstellen? Er ist nun schon seit über 179 Jahren in dieser tiefsten Schlucht gebannt und obwohl der Bann geschwächt ist, scheint er dennoch intakt zu sein.“

Herr Yoru nickte. „Das stimmt, jedoch hat der Bann eine gravierende Schwachstelle.“

Laura runzelte die Stirn. „Eine Schwachstelle?“

Eagle beugte sich zu Carsten rüber. „Du hast es ihnen nicht gesagt?“

„Du doch auch nicht.“, flüsterte Carsten zurück.

„Ja, da ich dachte du machst das.“

Carsten seufzte. „Ich wollte, aber irgendwie habe ich es nicht übers Herz bringen können. Ich weiß nicht, wieso. Und danach war ich sowieso mit Lernen beschäftigt, da hatte ich es ganz vergessen, dass der Rest noch nicht Bescheid weiß.“

Erst jetzt fiel den Brüdern auf, dass die restlichen Gespräche im Raum aufgehört hatten.

Jacob wies auf Carsten. „Würdest du ihnen bitte von der Schwachstelle erzählen?“

„N-natürlich.“ Carstens Wangen färbten sich bei der plötzlichen Aufmerksamkeit rötlich. Eagle lachte in sich hinein. Er war immer noch so schüchtern wie früher.

Dennoch konnte Carsten seine Gedanken beisammenhalten und begann zu erklären: „Das Problem bei dem Bann war, dass er von drei Leuten errichtet wurde, die alle irgendwie miteinander ‚verwandt‘ waren. Leonhard und Coeur waren zwar nicht offiziell liiert, hatten jedoch trotzdem ein gemeinsames Kind. Und da Eufelia Coeurs kleine Schwester war, hatte dieses Kind im Prinzip auch etwas von ihrer DNA. Mithilfe des Erben des Yoru-Clans wird Mars also in der Lage sein, den Bann brechen zu können.“

„Was?!?“, rief Laura erschrocken auf und schaute Carsten schockiert an. Sie hatte es wirklich noch nicht gewusst.

„Das ist ein Witz, oder?“, äußerte sich Anne und klang alles andere als begeistert.

„Aber selbst wenn, warum gerade jetzt?“, fragte Sultana. „Er hätte sich jede Generation aussuchen können.“

Jacob schüttelte den Kopf. „Für das Brechen des Bannes ist es notwendig, dass die entsprechende Person eine antike Begabung besitzt. Doch bis inklusive meiner Generation gab es keinen Erben des Yoru-Clans mehr, der antik begabt war.“

Der Vertreter von Eau seufzte. „Dann sollten Sie beide also keine Nachkommen zeugen, so hart es auch klingen mag.“

Leon Lenz gab ihm mit einem Kopfnicken recht. „Das wäre am besten für ganz Damon. Verzeihen Sie, Frau Yoru. Ich weiß, dass sie bereits schwanger sind. Aber dieses Kind könnte eine Gefahr für die ganze Welt darstellen.“

„Ihr seid schwanger?“, erkundigte sich die Vertreterin von Lumiére und atmete bedrückt aus. „Dann ergibt es Sinn, dass der Purpurne Phönix jetzt aktiv wird. Mit der Geburt des Kindes könnte er, insofern es eine antike Begabung besitzt, tatsächlich den Bann brechen.“

Eagle runzelte die Stirn. Wovon zum Henker redeten die denn da?

Ach so, außer ihrer Gruppe wusste ja kaum jemand, dass Benedict Samiras und Jacobs Sohn war. Natürlich dachte der Rest dann, dass das Kind mit dem Samira eben schwanger war auch gleichzeitig das Erstgeborene sein würde.

Jacob schüttelte den Kopf und legte beruhigend eine Hand auf die Schulter seiner Frau, die bei den Worten der anderen Vertreter der Regionen einen leicht verärgerten Blick bekommen hatte.

„Dieses Kind ist nicht der Erbe des Yoru-Clans.“, meinte Jacob nur.

„Wie meinen Sie das?“, fragte Sultana kritisch.

„Wir haben bereits einen 17-jährigen Sohn.“, erklärte Samira. „Er ist nur nicht bei uns aufgewachsen, da man uns bereits sagte, dass der Purpurne Phönix es auf ihn abgesehen haben könnte. Jedoch wussten wir damals nichts davon, dass sich der Bann mit ihm brechen ließe.“

„Sie haben bereits einen Sohn?“ Auch Leon Lenz schien noch nichts über Benedict zu wissen.

Eigentlich machte es inzwischen keinen Unterschied mehr, ob jeder wusste, dass er der Erbe des Yoru-Clans war oder nicht. Mars hatte ihn ja ohnehin schon in seiner Gewalt.

Dasselbe schien sich auch Jacob zu denken, der auf Leons Frage hin antwortete: „Ja, haben wir. Einige von Ihnen dürften ihn sogar persönlich kennen, allerdings unter dem Namen Benedict Ryū no chi.“

Leons Augen weiteten sich vor Überraschung. „Wie bitte?“

Eagle bemerkte, wie Laura ein Kichern zu unterdrücken versuchte. Und auch er selbst und Carsten mussten über Leon Lenz‘ Verwunderung lächeln. Immerhin hatte er Benedict ziemlich häufig ziemlich schlecht behandelt, da er ihn für einen ‚Waldläufer ohne Identität‘ gehalten hatte und einfach nicht leiden konnte.

Sultana schaute ihre Tochter fragend an. „Benedict ist der Erbe des Yoru-Clans? Wirklich?“

Anne nickte.

„Und er besitzt eine antike Begabung für das Physische.“, ergänzte der Senatsvorstand der Vampire.

Leon Lenz atmete geräuschvoll aus. „Er ist der Erbe des Yoru-Clans… Unglaublich.“ Er schaute seine Tochter fragend an. „Wusstest Du davon?“

Laura nickte. „Seit April. Davor wusste es noch nicht einmal er selbst.“

„Das stimmt.“, gab Samira ihr recht. „Um zu vermeiden, dass man ihn als unseren Sohn enttarnt mussten wir leider jeglichen Kontakt zu ihm vermeiden.“

„Unfassbar…“ Frau Lenz hatte die Hände über dem Herzen gefaltet.

„Aber das bedeutet doch, dass wir verhindern müssen, dass er dem Purpurnen Phönix in die Hände fällt.“, stellte Sultana fest. „So wie ich gehört habe ist er ein sehr guter Kämpfer. Das dürfte sich also als nicht sehr problematisch darstellen.“

Konrad seufzte. „Leider sind uns in dem Punkt die Hände gebunden. Mars hat Benni bereits in seiner Gewalt.“

„Wie bitte?!“, rief der König von Ivory geschockt und ein angeregtes Raunen ging durch die Gesellschaft. Eagle hörte häufiger ein ‚Das kann nicht sein.‘ oder ‚Wie konnte das passieren?‘ heraus.

Nach einer Weile rief Jacob plötzlich mit kraftvoller Stimme: „Ich bitte um Ruhe.“

Sofort wurde es still. Beeindruckt musterte Eagle ihn. Irgendwie hatte er den Eindruck, dass diese autoritäre, charismatische Ausstrahlung innerhalb des Yoru-Clans weitervererbt wurde. Nur wenige konnten in so einer Situation sofort die Aufmerksamkeit aller Anwesenden gewinnen. Kein Wunder, dass er den Vorsitz übernehmen sollte.

Jacob schaute Carsten auffordernd an. „Ich denke es ist besser, sie wissen Bescheid.“

Dieser nickte nur bedrückt. „Der Purpurne Phönix hat Benni nicht direkt mit Gewalt entführt, vielmehr hat er ihn erpresst.“

Leon musterte ihn kritisch. „Womit sollte man ihn bitteschön erpressen können?“

Carsten atmete tief durch. „Mit Lauras und meinem Tod.“

Nachdem eine geraume Zeit absolutes Schweigen geherrscht hatte, meinte Leon Lenz schließlich: „Das ist absurd. Benedict hat nie in seinem Leben Gefühle gezeigt. Warum sollte er sich also damit erpressen lassen?“

„Er hat sich geändert.“, widersprach Laura ihrem Vater. „Und als Kind hatte er sehr wohl Gefühle gezeigt.“

Carsten legte seiner besten Freundin die Hand auf den angespannten Arm. „Es ist vollkommen gleich, ob sich Benni hat erpressen lassen und warum das überhaupt möglich ist. Der Punkt ist, dass er sich gezwungener maßen bei Mars befindet und uns von dort aus nur indirekt unterstützen kann, indem er irgendwie versucht Zeit zu schinden.“

„Zeit für was?“, fragte der Vertreter von Cor.

„Einen neuen Bannzauber.“, antwortete Carsten. „Die Grundlagen dafür haben wir bereits, wir brauchen nur noch etwas Zeit, um ihn entsprechend formulieren zu können.“

„Und das sollen wir einem Kind anvertrauen?“, fragte der Vertreter von Eau kritisch.

„Ich bin eher darüber überrascht, dass gerade die hier anwesenden Kinder anscheinend bereits sehr in dieser Situation verstrickt sind.“, merkte die Vertreterin von Lumiére an und musterte insbesondere Laura und Carsten. „Warum habt ihr euch nicht sofort an die Erwachsenen gewandt?“

Florian lächelte amüsiert. „Bisher kommen sie eigentlich sehr gut mit der Situation klar, obwohl sie noch nicht volljährig sind.“

„Das merkt man, wenn man bedenkt, dass der Purpurne Phönix offensichtlich schon die Person in seiner Gewalt hat, die er benötigt um den Bann zu brechen.“, spottete Leon Lenz.

Nun ergriff Eagles Vater das Wort. „Denken Sie, Sie oder irgendeiner der anderen Anwesenden hätte dies verhindern können?“

„Wir hätten uns zumindest untereinander beraten können.“, erwiderte der Vertreter von Eau und wirkte leicht gereizt.

„Oh ja, beraten. Reden könnt ihr gut.“, murmelte ausgerechnet Laura leise vor sich hin.

„Wie bitte?!“ Leon Lenz schaute seine Tochter mit einem warnenden Blick an, der sagte, dass sie jetzt besser nichts Falsches antworten solle.

Laura schien vergessen zu haben, dass sie eigentlich viel zu schüchtern für solche Aktionen war. Stattdessen ballte sie die Hand zur Faust und stand auf. „Ich möchte ehrlich mit Ihnen allen hier sein: Was hätten Sie denn anderes machen können als sich zu beraten? Benni ist sehr schlau und handelt immer mit viel Bedacht. Noch dazu wurde tatsächlich eine erwachsene Person von ihm eingeweiht, nämlich Herr Bôss, welcher auch keine bessere Alternative hatte vorschlagen können. Glauben Sie ernsthaft, Sie wären auf eine gute Idee gekommen?“

„Junge Dame, ich verstehe Ihre Beweggründe diesen jungen Mann in Schutz zu nehmen.“, erwiderte die Vertreterin von Monde, die bisher geschwiegen hatte. „Und es ehrt Sie, so ehrlich zu uns zu sein und klar und deutlich Ihre Meinung zu sagen. Jedoch, so herzlos es nun auch klingen mag, die Alternative Sie und Crow sterben zu lassen wäre für das Wohl der Welt die bessere gewesen.“

Nun sprang auch Carsten auf. „Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht einmal etwas von dieser Schwachstelle!“, rief er aufgebracht.

Jacob hob beruhigend die Hände. „Es ist alles gut ihr zwei. Setzt euch erstmal wieder.“

Widerwillig nahmen Laura und Carsten wieder platz, dafür stand Florian auf. „Darf ich?“

Jacob nickte.

Florian wandte sich an den Rest. „Um eins klar zu stellen: Innerhalb weniger Monate sind bereits zwei Leute die Benni sehr nahestanden vor seinen Augen verstorben, genauer ermordet worden. Denken Sie wirklich, da würde er den Tod der beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben verkraften?“

„Sie hätten sich für das Wohl der Welt geopfert.“, widersprach die Vertreterin von Lumiére und so langsam wollte Eagle ihr eine reinhauen.

„Und danach?“, warf Konrad ein. „Glauben Sie wirklich, dass der Purpurne Phönix bei Lauras und Carstens Tod aufgehört hätte? Viel mehr wären es dann doch Herr und Frau Yoru oder Rina und ich, die er als nächstes ins Visier genommen hätte. Irgendwann knickt jeder ein.“

„Sie dürften doch eigentlich genug Erfahrungen damit gemacht haben.“, ergänzte Florian und klang unheimlich gereizt und verärgert. „Wer hatte es bitteschön veranlasst, die kleine Schwester des ehemaligen Besitzers des Weißen Hais zu töten? Wer hatte den fünf Jahre alten Sohn des ehemaligen Besitzers des Schwarzen Löwen entführen lassen, damit dieser sich für dessen Leben opferte? Welche Region hatte es auf ein noch nicht mal fünf Jahre altes Mädchen abgesehen, nur weil diese die Besitzerin des Roten Fuchses war?“

Eagle meinte, etwas Energie zu spüren, die von Florians Körper ausging und erkannte tatsächlich eine leicht türkisfarbene Aura um den Elben. Okay, er war nicht nur gereizt und verärgert, er schien ziemlich angepisst zu sein.

Eagle erinnerte sich, dass Florian bei der Verfolgung der Dämonenbesitzer ziemlich unangenehm darin verstrickt gewesen war. Hatte man ihn nicht gefangen genommen, da er den Köder gespielt hatte um diese kleine ehemalige Besitzerin des Roten Fuchses zu retten?

„Was wollen Sie damit sagen?“, fragte die Vertreterin von Lumiére und klang alles andere als erfreut.

„Bevor Sie Benni wegen seiner Entscheidung verurteilen und sagen, die zwei hätten sich zum Wohle der Welt opfern sollen, sollten Sie erst einmal vor ihrer eigenen Haustür kehren. Sie haben die ehemaligen Dämonenbesitzer in den Tod getrieben und zwar mit Taten, die nicht gerade besser waren als das, was der Purpurne Phönix Benni angetan hat.“

„Du willst also damit sagen, dass wir nicht besser sind, als der Purpurne Phönix?!“, donnerte Leon Lenz und vergaß sogar seine guten Manieren. Auch viele der restlichen Politiker äußerten sich empört über diese Anschuldigungen. Insbesondere die, deren Regionen indirekt angeklagt wurden.

Irgendwie mochte Eagle es, wie hier auf einmal die Post abging. Er hatte schon befürchtet, dass dieses komische Krisentreffen nur in langweiligem Blabla enden würde. Doch so, wie die sich hier gegenseitig anzickten…

Belustigt beobachtete er, wie Florian ruhig und bedrohlich darauf erwiderte: „Genau das will ich damit sagen.“

„Hey, Flo.“ Konrad, der neben Florian saß, zog ihn auf den Stuhl zurück und stand selbst auf. „Bitte vergessen Sie diese Unterbrechung. Sie wissen sicher noch, dass Florian vor zwölf Jahren keine allzu guten Erfahrungen mit den damaligen Herrschern über die Regionen und den Verfolgern der Dämonenbesitzer machen durfte. Dieser Schmerz aus der Vergangenheit hat ihn eingeholt und nicht mehr klar denken lassen.“

Tatsächlich beruhigten Konrads Worte die verärgerten Politiker. Schade. Eagle hätte gerne noch etwas mehr Unterhaltung gehabt.

„Aber das ist auch eine gute Überleitung zu dem Punkt, den wir noch bei Ihnen ansprechen wollten.“, ergänzte Konrad. „Die aktuellen Dämonenbesitzer benötigen freie Hand zum Handeln. Es geht nicht, dass sie insgeheim immer noch so gefürchtet werden.“

„Wie meinen Sie das?“, fragte der Vertreter von Cor.

Konrad schaute Carsten an. „Dieser junge Mann entwickelt gerade einen Zauber, der Mars erneut bannen soll. Dafür werden allerdings die Kräfte der Dämonenbesitzer benötigt. Aller Dämonenbesitzer. Es wäre uns eine große Hilfe, wenn Sie es in die Wege leiten könnten, den aktuellen Besitzern mehr Freiraum zu lassen. Noch lebt der Großteil von ihnen im Verborgenen, in der Sorge, dass ihnen dasselbe wie ihren Vorgängern passiert. Aber gerade jetzt, wo der Purpurne Phönix in Aktion tritt, werden die Regionen mehr und mehr auf sie angewiesen sein.“

Der Vertreter von Eau schaute Konrad fragend an. „Kennen Sie die aktuellen Dämonenbesitzer denn?“

„Fast alle.“, antwortete er.

Die Vertreterin von Lumiére seufzte. „Es stimmt schon, gegen einen Dämon werden wohl nur die Dämonen etwas ausrichten können.“

„Wenn ich fragen darf: Wer sind denn die Besitzer der restlichen Dämonen?“, erkundigte sich die Vertreterin von Monde.

„Sie dürfen fragen, ich antworte allerdings nicht.“, erwiderte Konrad. „Bitte verzeihen Sie meine Vorsicht, doch nach dem was vor über zwölf Jahren passiert ist, möchte ich gerade im Sinne der anderen Dämonenbesitzer noch auf Nummer sicher gehen. Es reicht, wenn Sie wissen, dass Florian und ich vorerst als Vermittler dienen.“

Der Vertreter von Cor nickte. „Das ist durchaus nachvollziehbar. Wenn Sie irgendetwas benötigen, wenden Sie sich an uns.“

„Vielen Dank.“

Die Versammlung zog sich noch mehrere Stunden in die Länge und Eagle hätte sich am liebsten einfach nur schlafen gelegt. Verdammt, war das langweilig. Er fragte sich, wie Carsten mit dem wenigen Schlaf, den er in diesen drei Wochen gehabt hatte, jetzt noch wach bleiben und zuhören konnte.
 

Am Abend war die Versammlung endlich fertig und da es sowieso schon dunkel war, beschlossen Florian, Eagle und auch Konrad den Rest unbemerkt in die Coeur-Academy zu begleiten.

Dort angekommen wurden sie erfreut von den übrigen Mädchen empfangen.

„Eagle!“, rief Öznur begeistert und überfiel ihn mit einem stürmischen Kuss.

Amüsiert erwiderte Eagle den Kuss. Er mochte es, wie sich Öznur immer so zu freuen schien ihn zu sehen. Anschließend grüßte er den Rest der Mädchen.

„Wie war die Versammlung?“, erkundigte sich Susanne.

Anne schnaubte. „Wie erwartet: Todlangweilig. Und so wirklich gebracht hat sie auch nichts. Diese Politiker können nichts anderes, als reden.“

Sie versammelten sich im Dreierzimmer von Lissi, Susanne und Öznur, da dort am meisten Platz war und erzählten etwas von der Versammlung.

„Und eigentlich sollten wir doch niemand Außenstehenden einweihen.“, bemerkte Florian belustigt.

Konrad schüttelte lachend den Kopf. „Damit hatte der Senatsvorstand nur die restlichen Leute gemeint gehabt. Ich hatte davor sogar die offizielle Erlaubnis bekommen, euch im Nachhinein von allem zu erzählen.“

Eagle seufzte. „Dann hätte ich ja doch schwänzen können.“

„Schande über dich als zukünftiger Häuptling.“, spottete Anne. „Laura und ich waren immerhin auch da. Der einzige, der das Recht gehabt hätte zu schwänzen wäre Carsten, da er nur der Zweitgeborene ist.“

„Wie sieht es eigentlich aus mit der schwarzen Magie?“, erkundigte sich Susanne.

Lissi grinste. „Bist du nun der mysteriöse, sexy Schwarzmagier?“

Carsten verdrehte die Augen und krempelte den linken Ärmel seines kurzärmligen Hemdes hoch. „Jedenfalls bin ich ein offizieller Schwarzmagier.“

Laura betrachtete das Pentagramm kritisch. „Wurde dir das eingebrannt?“

Carsten nickte. „Angeblich werde ich dadurch von anderen Schwarzmagiern anerkannt.“

„Wirst du. Herzlichen Glückwunsch.“ Konrad lächelte ihn aufmunternd an.

„Hast du so was eigentlich auch?“, fragte Öznur.

Der Vampir nickte. „Ja, damals wurde das in der Unterwelt noch offiziell von Privatlehrern beigebracht. Aber ich benutze schwarze Magie kaum und inzwischen ist mein Wissen darüber ein bisschen eingerostet.“

Florian runzelte die Stirn. „Von wegen eingerostet. Damals im Krieg hast du doch mit deiner Energie andauernd das Blut von Elben absorbiert gehabt und damit dann schwarze Magie gewirkt. Das war echt unfair von dir, weißt du das?“

Konrad grinste daraufhin lediglich.

„Ach, das wollten wir euch schon seit einer Weile fragen.“, merkte Susanne an. „Könnt ihr uns von dem Krieg zwischen den Elben und Vampiren erzählen?“

„Ihr wisst davon?“, fragte Konrad irritiert.

Laura nickte. „Damals bei dem Fest in Ivory hatte uns Florians kleine Schwester davon erzählt.“

Florian fuhr sich durch die etwas längeren blonden Haare. „Was wollt ihr denn wissen?“

„Wie habt ihr ihn beenden können?“, fragte Janine. „Flora meinte damals, dass ihr nicht ganz untätig bei dem Ende des Krieges gewesen wärt.“

Daraufhin mussten sowohl Konrad als auch Florian plötzlich lauthals loslachen und brauchten einige Minuten, um sich wieder einzukriegen. Verwirrt aber irgendwie auch belustigt beobachteten Eagle und die anderen die zwei, die sich an gute alte Zeiten zu erinnern schienen.

Schließlich erbarmte Konrad sich dazu, ihnen davon zu erzählen. Er wischte sich eine Träne aus den Augen und meinte: „Es war jedenfalls kein: ‚Oh, du bist ein Dämonenbesitzer genauso wie ich? Prima, lass beste Freunde werden!‘ Falls ihr euch das erhofft habt.“

„Was war es dann?“, fragte Eagle und war inzwischen auch neugierig geworden.

Florian zuckte amüsiert mit den Schultern. „Es war eher ein: ‚Okay, du bist ein Dämonenbesitzer genauso wie ich. Endlich mal ein Gegner, der auf meinem Level kämpft.‘“

Konrad nickte. „Man könnte sagen wir waren beide für dieses Schlachtfeld etwas zu ‚überpowert‘. Ich glaube, einige Elben hassen mich immer noch dafür, dass ich viele aus ihren Reihen getötet habe. Aber Florians Ansehen bei den Vampiren ist nicht gerade besser.“

„Ihr habt euch wirklich bekriegt?“, fragte Janine und war leicht schockiert.

Florian nickte. „Niemand von uns hatte diesen Krieg hinterfragt. Jeder hat die andere Seite als ‚die Bösen‘ angesehen. Obwohl im Endeffekt niemand wirklich gut oder böse war, wir haben einfach alle Mist gebaut gehabt.“

Anne runzelte die Stirn. „Irgendwie kann ich mir euch beide nicht wirklich aktiv kämpfend in einem Krieg vorstellen.“

„Ich auch nicht.“, gab Eagle ihr Recht. Okay, bei Konrad ging es noch. Er konnte sich schon vorstellen, dass der Vampir ziemlich gefährlich werden konnte. Aber Florian? Klar, er hatte einiges auf dem Kasten und konnte auch sehr bedrohlich sein, wenn er wollte. Das hatte Eagle sogar am eigenen Leib mal zu spüren bekommen. Aber in einem Krieg?

„Und ihr habt euch wirklich bis aufs äußerste bekämpft?“, fragte Carsten.

Konrad nickte belustigt. „Ich hätte Flo damals fast umgebracht.“

„Umgebracht? Mich?“ Empört verschränkte Florian die Arme vor der Brust. „In wenigen Minuten hätte dich die Sonne verbrutzelt und durch meine Ranken konntest du dich nicht mehr bewegen.“

„Pah, bis dahin wärst du doch schon längst verblutet.“ Herausfordernd grinste Konrad ihn an und zeigte dadurch seine spitzen Vampireckzähne.

Eagle konnte nicht anders, als bei dem Schlagabtausch der beiden loslachen zu müssen. Es hatte also in einem Unentschieden geendet.

Anne hob eine Augenbraue. „Und in dem Moment habt ihr bemerkt, dass der Krieg eine blöde Idee war?“

Konrad zuckte mit den Schultern. „So kurz auf der Schwelle vor dem Tod merkt man so einiges.“

„Aber ich muss gestehen, der Kampf gegen dich hat echt Spaß gemacht. Außer der Tatsache, dass wir fast gestorben wären.“ Florian lachte.

„Und dann seid ihr auf einmal beste Freunde fürs Leben geworden?“, fragte Öznur ebenfalls lachend.

„Fast.“, meinte Konrad. „Wir haben schon im Kampf gemerkt, dass wir uns eigentlich nicht wirklich hassen. Aber er war ein Elb und ich war ein Vampir. Wir waren Feinde. So einfach ist das manchmal. Aber als wir in dieser Pattsituation waren hatten wir diesen blöden Krieg endlich infrage gestellt.“

Florian grinste. „Du hattest damals nur gefragt ‚Was machen wir hier eigentlich?‘ und daraufhin total den Lachanfall bekommen.“

„Es war halt auch eine einfach bescheuerte Situation.“, erwiderte Konrad amüsiert.

Carsten lachte auf. „Das so Freundschaften entstehen können…“

„Unterschätz das mal nicht.“, meinte Florian und wies auf Eagle. „Manche Feinde können sich als ziemlich gute und zuverlässige Verbündete entpuppen.“

„Was soll das den heißen?!“ Eagle funkelte den Elb wütend an. Natürlich hatte er Florians Andeutung verstanden.

Lachend boxte Öznur ihm in die Seite. „Das weißt du ganz genau.“

„Wie könnt ihr das lustig finden?“, fragte plötzlich Ariane, die bisher nur geschwiegen hatte. Besorgt stellte Eagle fest, dass sie seit jenem Vorfall mit ihrer kleinen Schwester ziemlich ruhig geworden ist. Viel zu ruhig.

Konrad schüttelte den Kopf. „Wir finden das kein bisschen lustig, glaub mir.“

Auch Florian wurde wieder ernst. „Das stimmt. Im Krieg sieht und erlebt man Dinge, die man sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht hätte vorstellen können.“ Er seufzte. „Es ist nicht so, dass wir ihn ins Lächerliche ziehen wollen. Kein Stück.“

„Man könnte sagen wir lachen, da wir einfach nicht wissen, wie wir sonst damit umgehen sollen.“, ergänzte der Vampir bedrückt.

Schaudernd rieb sich Janine die Arme. „Ist ein Krieg wirklich so schlimm?“

Konrad senkte den Blick. „Die Todesschreie von Freund und Feind, der Gestank verwesender und verbrannter Körper, das düstere Schlachtfeld, was nur von Feuern erhellt wird…“

Ein betrübtes Schweigen brach aus, bis Carsten schließlich hoffnungslos meinte: „Und sowas kommt auf uns zu…“

„Wie meinst du das?“, fragte Laura verängstig.

„Koja hat Carstens Zukunft vorhergesagt.“, erklärte Eagle. „Angeblich hat sie einen Krieg kommen sehen.“

„Wirklich?“ Öznur fing tatsächlich an etwas zu zittern, wie er aus den Augenwinkeln feststellte. Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie näher an sich.

Laura schaute derweil Carsten fragend an. „Diese Schwachstelle des Bannes… Wie genau kann Mars den Zauber mit Bennis Hilfe brechen?“

Carsten seufzte. „In Bennis Adern fließt im Prinzip das Blut von Leonhard, Coeur und Eufelia, also allen, die diesen Bann errichtet haben.“

„Das heißt, Mars wird Benni opfern?!“, schrie Laura beängstigt auf.

„Nicht direkt.“, meinte Carsten kopfschüttelnd. „Dann hätte es auch jeder andere Erbe des Yoru-Clans sein können. Nein, es musste ein antiker Begabter sein. So wie ich das verstanden habe, kann Mars den Bereich des Bannes verlassen, wenn er sich in dem Körper dieses Erben des Yoru-Clans befindet.“

Susanne runzelte die Stirn. „Im Körper? Du meinst also…“

„Genau. Mars wird Benni zu seinem Dämonenbesitzer machen wollen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Regina_Regenbogen
2020-09-26T20:14:59+00:00 26.09.2020 22:14
😱 Benni als Dämonenbesitzer. Noooo!
Wer hätte gedacht, dass eine politische Veranstaltung doch so interessant werden könnte. :D
Auch schön, von Florians und Konrads Vergangenheit zu erfahren. Ich finde es immer so toll, wie du einfach so viele Charaktere mit einer eigenen Story ausgestattet hast. Das ist echt beeindruckend.
Ich bin so stolz auf Carsten, auch wenn ich mir etwas Sorgen mache, wenn er sich so verausgabt. Und um Ariane mache ich mir ja eh Sorgen. Carsten sag ihr gefälligst, dass du gesehen hast, wie sie mit Benni und co. Karten gespielt hat! Und Benni ist mit seinen Sinnen wieder superbeeindruckend. Hoffentlich macht ihm das Hoffnung, wobei er eh ganz fest an Laura und Carsten glaubt. ♡



Antwort von:  RukaHimenoshi
26.09.2020 22:48
Die Schwachstelle wurde aufgedeckt. ^^"
Keine Sorge, du wirst auch noch langweiligere Sitzungen bekommen. XD (Blöderweise schaffe ich es einfach nicht, dass sich diese nervigen Erwachsenen aus der ganzen Sache raushalten... ^^")
Ich fühle mich echt geschmeichelt. ^^ Wobei vieles davon tatsächlich erst beim Schreiben kam. Die schwarze Magie beispielsweise hatte ich in der ursprünglichen Planung überhaupt nicht drinnen! Und die wird noch eine extrem zentrale Rolle spielen (welch Wunder XD). Da ist es vielleicht auch gar nicht mal so schlecht, wenn man richtig lange an einer Geschichte sitzt. Über die Zeit sammeln sich dann doch sehr viele Ideen an, sodass jeder seine eigene Geschichte bekommen kann. Ich habe dadurch aber dummerweise das Problem, dass viel zu viele meiner Leute irgendeine tragische Vergangenheit haben, oder zumindest ein sehr tragisches Erlebnis. ^^"
Meine ganzen Sorgenkinder... XD
Antwort von:  Regina_Regenbogen
26.09.2020 23:17
Ja, immer diese Erwachsenen XD
Das kenne ich auch. Mit den Jahren nimmt das Ganze noch mal eine andere Gestalt an. :) Wie lange arbeitest du schon daran?
Antwort von:  RukaHimenoshi
27.09.2020 12:00
Und trotzdem müssen sie sich ständig in allem einmischen und wenn sie es nicht machen, wirkt die Geschichte mit einem Schlag weniger glaubwürdig... XD

Die Basis-Story existiert seit etwa 2007, also die Grundlage mit den Dämonen und dem Kampf gegen Mars. Die weiblichen Charaktere existieren aber schon seit ca 2003, wo sie in absolut albernen Grundschul-Kurzgeschichten Kim Possible-like als Supergirls ständig irgendwelche Bösewichte besiegt haben. :'D
Antwort von:  Regina_Regenbogen
27.09.2020 14:36
Das klingt total süß mit den Kurzgeschichten! :D Finde ich toll, dass du die Charaktere dann auch für diese Geschichte verwendet hast.
Die erste Idee zu Balance Defenders hatte ich schon im Spätsommer 2001. Da hab ich die Geschichte noch handschriftluch geschrieben. Die Geschichte und selbst die Charaktere teilweise haben sich seither noch mal ganz anders entwickelt im Vergleich zum Anfang. Irgendwie schon lustig, wie eine Geschichte sich mit den Jahren wandelt. Hast du das auch?
Antwort von:  RukaHimenoshi
27.09.2020 20:27
Na ja, literarische Meisterwerke waren das erwartungsgemäß nicht gerade, aber egal. ;D Ja, war ziemlich pragmatisch. XD Aber entsprechend planlos war damals auch meine Überlegung bei den Namen. Der Grund, warum Laura auch genauso heißt wie ich selbst. ^^" Hatte schon häufiger überlegt, die Namen noch zu ändern, aber inzwischen geht das einfach nicht mehr, dieser Zug ist schon längst abgefahren. XD

Wow, die Idee existiert bei dir aber auch schon richtig lange!!! /(°o°)\ (Nice, dass du der unaufgeforderten Frage doch noch nachgegangen bist. Ich wollte es eigentlich noch fragen, hab's beim Antwort-Tippen aber schon wieder vergessen. ^^") Und auch richtig cool, wie auch deine erste Version handschriftlich entstanden ist! (Ich bin auch erst viel später auf Computer umgestiegen :D)
Oh ja, bei mir hat sich auch noch viel geändert. Aber Lukas war zumindest schon immer ein Depp und Lissi schon immer... Lissi. XD Auch krass, wie sich die Geschichte von der ursprünglichen Planung abwenden kann. Die Reihenfolge von Ereignissen verändert sich, andere fallen ganz weg oder kommen neu hinzu, ...


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