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Demon Girls & Boys

von

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Wertvolle Erinnerungen

Wertvolle Erinnerungen
 


 

Ausdruckslos saß Carsten auf einer Bank in der Sporthalle und beobachtete die anderen beim Training. Benni war nun schon seit einer Woche gegangen und inzwischen wusste auch der Rest, dass er bei Mars war. Jedenfalls hatten sich die Mädchen die Bruchstücke aus Lauras und Carstens ‚Erzählungen‘ zusammenreimen können.

Doch Bennis Bitte folgend sagten weder Laura noch Carsten irgendetwas zu seiner Verteidigung. Weshalb die Situation für Carsten nur umso schmerzhafter wurde. Der Großteil der Mädchen hatte wie von Benni erwartet mit der Zeit einen Groll gegen ihn entwickelt, da sie dachten er habe Carsten und insbesondere Laura das Herz gebrochen. Die einzigen die Bennis plötzlichem Umschwung noch kritisch gegenüberstanden waren Susanne, Janine und Lissi. Die drei konnten es sich nicht erklären, warum Benni sie ausgerechnet jetzt verlassen hatte. Susanne schien sich sogar ziemlich sicher zu sein, dass er nicht freiwillig gegangen war. Was sie an jenem Vorfall in Yami begründete, da sie vermutete es gäbe einen Zusammenhang zwischen diesem und Bennis Verrat. Wie gerne hätte Carsten ihr gesagt, dass sie Recht hatte…

Die Gruppe legte eine kurze Verschnaufpause ein und kam zu Carsten rüber.

Seitdem Benni gegangen war hatte Eagle seine Position als Lehrer für die Kampfkünstler eingenommen. Doch laut der Mädchen bekam er das nicht so gut hin wie Benni. Eagle war nun mal viel ungeduldiger und musste ständig seinen Kopf durchsetzen, was insbesondere zu kleineren Reibereien mit Anne führte. Zum Glück waren noch die Direktoren da, die ihnen etwas unter die Arme griffen.

Frau Bôss war zwar genauso streng wie Eufelia-Sensei einst, doch sie stellte eine gute Ergänzung zu Eagle dar. Da Carsten gerade psychisch weniger dazu im Stande war die Magier zu unterrichten, hatte Herr Bôss sich dazu bereit erklärt dies komplett zu übernehmen.

Ja, Carsten war psychisch gerade nicht auf dem Damm.

Wie denn auch, wenn er wusste, dass sich sein bester Freund in den Fängen des Feindes befand, welcher seine Gefühle ausnutzte um ihn zu erpressen?

Carsten ballte die Hand zur Faust und versuchte sich zusammenzureißen. Benni vertraute darauf, dass sie einen Weg finden würden Mars aufzuhalten. Er durfte sich jetzt nicht seiner Trauer hingeben! Und dennoch… Carsten konnte sich einfach nicht aus seinem Loch der Verzweiflung retten.

Er warf einen Blick auf Laura, die als einzige von ihnen keine Pause vom Training machte. Sie ging mit Bennis vermeintlichem Verrat ganz anders um als Carsten. So, wie er es niemals von ihr erwartet hätte.

Genaugenommen gönnte sie sich keine andere Freizeitaktivität mehr als Trainieren. Sie erinnerte Carsten schon regelrecht an Benni als er jünger war und alles dafür getan hatte um stärker zu werden damit man ihn endlich anerkannte. Ob Laura hoffte durch ihr eisernes Training stark genug werden zu können um Benni aus den Fängen von Mars zu befreien?

Oder wollte sie einfach nur angestaute Aggressionen abbauen?

Jedenfalls waren ihre Fausthiebe mit denen sie den Sandsack bearbeitete gar nicht mal so ohne.

Ein trauriges Lächeln bildete sich auf Carstens Lippen.

Eagle schien ihn beobachtet zu haben, denn auf einmal setzte sich sein großer Bruder neben ihn, trank einen Schluck aus der Wasserflasche und meinte schließlich: „Irgendwie seltsam, wie verkehrt die Welt auf einmal ist.“

Carsten seufzte bedrückt. „Du meinst, weil ich hier Trübsal blase und jeden Moment in Tränen ausbrechen könnte, während ausgerechnet Laura auf einmal wie verbissen am Trainieren ist?“

„Im Prinzip schon, ja.“ Ohne ihn anzuschauen hielt Eagle Carsten die Wasserflasche hin, doch Carsten nahm sie nicht entgegen. „Trink. Du hast eine ganz heiser klingende Stimme. Und ich wette, dass du die letzte Zeit kaum mehr was gegessen hast.“

„Na und?“, meinte Carsten nur.

Eagle schnaubte. „Soll ausgerechnet ich dir jetzt einen Vortrag darüber halten, wie wichtig Essen und Trinken für deinen Körper ist, Herr Arzt?“

Ausdruckslos erwiderte Carsten Eagles leicht spöttischen Blick, gab sich aber geschlagen und trank ebenfalls einen Schluck aus der Flasche.

Auch die Mädchen schienen ihn beobachtet zu haben, denn plötzlich donnerte Ariane los: „Dieser herzlose Idiot! Wie kann er euch das nur antun?!? Dir und Laura!“

Susanne seufzte. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wir wissen doch alle, wie viel Laura und Carsten Benni bedeutet haben. Warum sollte ausgerechnet er sie verraten?“

„Offensichtlich haben sie ihm ja doch nicht genug bedeutet, wenn er lieber bei Mars und seinen Schergen ist.“ Öznur verschränkte die Arme vor der Brust, wirkte aber eher bemitleidend und weniger wütend.

Carsten wusste nicht ob Laura die Mädchen gehört hatte, jedenfalls hatte ihr nächster Schlag anscheinend eine so ungeheure Wucht, dass sie damit den Sandsack einmal in der Mitte durchbohrt hatte.

Moment.

Den Sandsack durchbohrt?!

Vor Überraschung starrte jeder Laura mit geweiteten Augen an.

„Hat die gerade ernsthaft ein Loch in einen Sandsack geschlagen, der eigentlich speziell für Kampfkünstler gefertigt wurde?“, fragte Anne kritisch

Atemlos lachte Eagle auf. „Ach du scheiße, da haben sich bei jemandem aber ganz schöne Aggressionen angestaut. Mars tut mir schon fast leid, wenn sie ihm eines Tages gegenüber stehen wird.“

Laura zog ihren Arm derweil wieder aus dem Sandsack heraus und knackste mit ihren Fingern.

Öznur klopfte Carsten auf die Schulter. „Um ehrlich zu sein bin ich ziemlich froh, dass du anders damit umgehst und nicht wie Laura dort Aggressionen abbauen musst.“

Herr Bôss lachte auf. „Ach was, diese Phase hat er nur schon hinter sich gebracht.“

„Wie meinen Sie das?“, fragte Ariane verwundert.

Wie zuvor Öznur es getan hatte klopfte nun auch Herr Bôss Carsten auf die Schulter, was aber anscheinend eher aufheiternd wirken sollte. „Glaubt mir, ihr wollt Carsten gar nicht aggressiv erleben müssen.“

„Unseren ‚gutmütigen Trottel‘?“ Anne zuckte mit den Schultern. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie der bedrohlich werden sollte.“

Eagle schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was soll das denn heißen? Er ist immer noch mein kleiner Bruder, unterschätzt ihn besser nicht.“

Während Carsten überrascht von Eagles Kommentar aufschaute, musste der Rest loslachen.

„Überzeugt.“, kicherte Öznur.

Nach der Pause, als sie zu ihrem Training zurückkehren wollten, hielt Carsten Eagle am Arm zurück.

Sein großer Bruder schaute ihn fragend an. „Was ist?“

Carsten wandte den Blick von Eagle ab. „Warum tust du das?“

„Was?“

„Na ja… Irgendwie…“ Carsten wusste nicht, wie er seine Gedanken in Worte fassen sollte. Er hatte den Eindruck, dass Eagle zurzeit besonders fürsorglich gegenüber Carsten war. Es war fast schon so als mache er sich Sorgen um ihn oder so ähnlich!

Natürlich hatte sich ihre Beziehung inzwischen immens gebessert. Aber es war immer noch sehr seltsam Eagle so zu erleben. Er schien sich fast schon so wie ein Freund zu verhalten, oder… Oder wie ein großer Bruder…

Nach einem Moment des Zögerns ging Eagle vor Carsten, der immer noch auf der Bank saß, in die Hocke und betrachtete ihn. „Ich hab nicht den blassesten Schimmer, warum Benedict auf einmal die Seiten gewechselt hat. Und es interessiert mich auch nicht warum. Es ist nur… Dich so zu sehen, wie du andauernd diesen trostlosen Blick hast…“ Seufzend schaute Eagle zur Seite weg. „Irgendwie würde ich dir gerne helfen können…“

„Du möchtest mir helfen? …Wirklich?“, fragte Carsten ungläubig, immer noch den Blick abgewandt.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Eagle nickte. „Irgendwie…“

Seufzend stütze er sich auf seinen Knien ab und richtete sich wieder auf. Doch statt zu gehen stand er weiterhin vor Carsten und nach einer Weile legte er zögernd seine Hand auf Carstens Schulter. „Sag, wenn du was brauchst…“

Mehr als ein Nicken brachte Carsten nicht zustande.

Schweigend beobachtete er wie Eagle zu den Kampfkünstlern zurückkehrte und diese ihr Training fortsetzten.

Er wollte ihm wirklich helfen? Das war kein Scherz?
 

Nachdem sie das Training für diesen Tag beendet hatten ging Carsten zu Laura. Seit Benni gegangen war hatten sie nicht mehr wirklich miteinander gesprochen.

Carsten hatte den Eindruck, dass Laura schon genug litt, auch wenn man es ihr in Gegenwart der anderen erstaunlicherweise nicht wirklich ansehen konnte. Er wollte sie nicht auch noch mit seinem Schmerz belasten.

Laura schien es ähnlich zu gehen, denn als sonst niemand mehr in der Halle war, warf sie Carsten einen gebrochenen und trotzdem zögernden Blick zu. „Wie geht es dir?“

Carsten konnte nicht anders. So schlecht er sich gerade auch fühlte, Lauras Leiden, dieser traurige Blick von ihr weckte in ihm sofort das Bedürfnis ihr helfen zu wollen.

Vorsichtig nahm er sie in die Arme. „Vermutlich genauso wie dir.“

Nach einem weiteren Moment des Zögerns vergrub Laura ihr Gesicht in Carstens Brust und er merkte an ihren bebenden Schultern, dass sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. „Es tut so weh…“

Ihre zitternde Stimme die kaum mehr als ein Flüstern war brachte nun auch Carsten zum Weinen. Es war schon schwer genug sich in Gegenwart der anderen zusammenzureißen, doch dies hatte ihm nun den Rest gegeben.

Das Wissen wie sehr Benni wahrscheinlich leiden musste war schon unerträglich genug, doch jetzt auch noch Laura so sehen zu müssen… Carsten verstärkte seinen Griff um Laura als hätte er Angst sie würde ansonsten in kleine Teile zerfallen.

Ein zögerndes Klopfen an der Turnhallentür ließ Carsten und Laura hochschrecken. Als Laura erkannte, dass es sich dabei um den Direktor handelte, wischte sie sich schnell und unnötig grob mit dem Arm die Tränen weg.

Einen Moment lang betrachtete Herr Bôss die beiden mitleidig, bis er schließlich meinte: „Hier.“

Er warf Carsten einen kleinen Gegenstand zu und als dieser ihn auffing stellte er fest, dass es sich dabei um einen Schlüssel handelte.

Carsten schaute Herr Bôss fragend an.

„Das ist der Schlüssel zu Benedicts Zimmer im Abteil der Schülervertretung.“, erklärte Herr Bôss. „Bevor er gegangen war schien er noch einmal dort gewesen sein und hatte ihn auf den Schreibtisch gelegt.“ Seufzend fuhr er sich durchs lange rosarote Haar. „Ich weiß nicht ob ich euch damit einen Gefallen tue oder die Situation nur noch verschlimmere, aber so könnt ihr jederzeit an seine Sachen. Wie wir das jetzt mit dem Amt des Schulsprechers machen wissen meine Frau und ich noch nicht, aber jedenfalls die Ferien über werden wir das Zimmer nicht anrühren müssen. Und danach mal schauen… Irgendwie finden wir schon eine Lösung.“ Er hob zum Abschied die Hand und verließ die Turnhalle wieder.

Carsten wusste, dass der Direktor mit seinem letzten Satz nicht gemeint hatte, dass sie irgendwie eine Lösung für das Problem mit dem Amt des Schulsprechers finden würden. Sondern dass sie irgendwie einen Weg finden würden Benni wieder zurückholen zu können.

Mit einem gewissen Wehmut betrachtete Carsten den kleinen Schlüssel in seiner Hand und schaute Laura schließlich fragend an. „Wollen wir in sein Zimmer?“

Seine beste Freundin zwang sich zu einem traurigen Lächeln. „Ich weiß auch nicht, ob das die Sache besser macht. Aber irgendwie… Ich würde tatsächlich gerne.“

Carsten nickte. „Ich auch.“

Gemeinsam verließen sie die Turnhalle, auch wenn Carsten noch einen kritischen Blick auf den Sandsack werfen musste. „Wie hast du das eigentlich hinbekommen? Das kann doch nie und nimmer bloße Kraft gewesen sein.“

Laura lachte beschämt auf und hob ihre Hand, die kurz darauf von einer finsteren Aura umgeben war. „Ich hatte die Finsternis-Energie bisher häufig nur in Formen der Verteidigung beim Training mit Benni ausprobiert.“ Bei diesen Worten senkte sie zwar ihren Blick, fuhr allerdings fort. „Wie ich mich mit meiner Energie verteidigen kann hat er mir zum Großteil beigebracht, aber für Angriffstechniken fehlte letztlich die Zeit…“ Sie seufzte bedrückt. „Jetzt muss ich es so machen wie Benni damals und mir irgendetwas selbst beibringen.“

„So ist das also…“, erwiderte er daraufhin nur.

Schweigend betraten sie das Jungenwohnheim und gingen in den ersten Stock, wo sich am Ende des Ganges die Zimmer der Schülervertretung befanden. Die Tür zu dem separaten Gemeinschaftsraum der Schülervertretung war abgeschlossen, da anscheinend alle in den Ferien zuhause waren. Oder natürlich in Bennis Fall…

Jedenfalls ließ sich diese Tür auch mit dem Schlüssel öffnen den Herr Bôss ihnen gegeben hatte und Carsten und Laura betraten den kleinen Gemeinschaftsraum.

An der Wand gegenüber von ihnen hinter einem Sofa sahen sie mehrere eingerahmte Bilder ordentlich aufgereiht. Carsten folgte Laura zu dieser Bilderreihe und bemerkte, dass sie auf das letzte Bild schaute, was sich in dieser Reihe befand.

Ein schwaches Lächeln zeichnete sich auf Carstens Lippen ab. „Wie lustlos Benni auf diesem Bild aussieht.“

Laura kicherte. „Er war noch nie ein großer Fan von Fotos gewesen. Dabei ist das doch eine so schöne Möglichkeit Erinnerungen festzuhalten.“

Carsten wandte sich an die Tür links neben der Bilderreihe, steckte den Schlüssel in das Schlüsselloch und drehte ihn um. Mit einem Klack ging der Riegel zurück und Carsten öffnete die Tür.

Der Raum den sie betraten war dunkel und eine erdrückende Atmosphäre lag in ihm. Carsten merkte, wie sich Laura mit dem Handrücken über die Augen wischte. Ob es nun die dunkle Atmosphäre war oder die Erinnerungen an Benni, die dieser Raum gezwungener maßen weckte, wusste Carsten nicht. Doch auch ihm wurde schwer ums Herz, als er sich in dem tristen Zimmer umschaute.

Er gab sich einen Ruck, ging auf die andere Seite und schob die Vorhänge des großen Bogenfensters beiseite, was den Raum sofort viel heller werden ließ. Obwohl Benni vor etwa einer Woche noch hier war tanzten kleine aufgewirbelte Staubkörnchen in dem nun entstandenen Licht.

Gemeinsam mit Laura schaute sich Carsten in dem Zimmer um. Als sein Blick auf den verstaubten Spiegel zwischen Kleiderschrank und Sofa fiel musste er lächeln. „Denkst du, Benni hat den je benutzt?“

Laura lachte auf. „Irgendwie glaube ich nicht.“

Sie stand derweil beim Bücherregal neben dem Schreibtisch und betrachtete es. „Es überrascht mich irgendwie immer noch, dass Benni so gerne liest.“

Carsten kam zu ihr rüber. „Wie meinst du das?“

„Na ja, er scheint ja all diese Bücher und Mangas gekauft zu haben. Aber er hat nie von Eufelia-Sensei oder sonst jemandem Taschengeld bekommen und außer den paar wenigen Geburtstagsgeschenken auch sonst nie etwas einfach so. Wenn er etwas haben wollte musste er immer irgendwie arbeiten, um das nötige Geld zu verdienen.“

Carsten nickte. „Stimmt, deshalb war Benni auch schon immer so furchtbar geizig gewesen. Er hatte neben dem Training häufig noch ein paar Nebenjobs gehabt.“ Er lachte auf. „Für andere Leute die Hunde ausführen hatte er doch immer am liebsten gemacht.“

Auch Laura musste lachen. „Stimmt, irgendwann war er unter den Hundebesitzern sogar zu einer Berühmtheit geworden, weil die Hunde ihn so zu mögen schienen.“

„Und als wir ihn mal begleitet hatten waren die ganzen Hunde dir hinterhergerannt.“ Carsten grinste Laura an.

Diese wurde rot. „Das war mega gruselig! Ich hatte echt Angst gehabt.“

„Dafür hatte Benni gut was zu lachen gehabt.“

Überrascht schaute Laura ihn an. „Echt? Ich kann mich gar nicht mehr so gut daran erinnern, da ich so in Panik war.“

„Und wie, er hat Tränen gelacht.“

Traurig lächelte Laura. „Wie alt waren wir denn da gewesen?“

Carsten überlegte. „Das war noch vor dem Zwischenfall mit den Profininjas, wir müssten vier und er fünf gewesen sein.“

Gedankenversunken verschränkte Laura die Arme vor der Brust und schaute die Bücher weiterhin an. „In diesem Jahr war richtig viel passiert. Erst haben wir dich kennengelernt, dann der Überfall des Schwarzen Löwen, dass du ein Dämonengezeichneter geworden bist, die Geschichte mit diesen Profininjas…“

Carsten nickte. „Das war alles vor zwölf Jahren…“

„Du hattest uns doch schon kennengelernt, bevor ich zur Dämonenbesitzerin wurde, oder?“, fragte Laura.

„Ja, ein paar Monate davor.“, gab Carsten ihr Recht und lachte auf. „Wenn man bedenkt, wie wir uns damals kennengelernt hatten…“

„Da gibt’s nichts zu lachen!“, rief Laura aufgebracht. „O-Too-Sama und O-Kaa-Sama sind mit mir, Lucia, Luciano und Benni aufgrund irgendwelcher geschäftlichen Besprechungen nach Indigo und den ersten Eindruck den Benni und ich von dieser Region bekommen haben war der, wie du von Eagle und seinen komischen Freunden verprügelt wurdest!“

Carsten kratzte sich am Hinterkopf. „Das mein ich ja. Und heute meint Eagle zu mir, dass er mir irgendwie gerne helfen würde.“

„Gut so, der hat auch einiges wieder gut zu machen.“ Laura schnaubte.

„Ich bin einfach nur froh, dass er mich endlich akzeptiert.“

Laura warf ihm aus den Augenwinkeln ein schwaches Lächeln zu. „Es ist echt beeindruckend, dass du ihm das alles was er dir angetan hat einfach so verzeihen kannst.“

Carsten seufzte. „Was passiert ist, ist passiert. Menschen können sich ändern.“ Er schaute Laura mit einem traurigen, wissenden Lächeln an. „Siehe Benni.“

Bedrückt holte Laura einen der vielen Detektiv Conan Mangas aus Bennis Bücherregal und betrachtete das Cover. „Er hatte endlich Gefühle gezeigt…“

Carsten wandte sich vom Bücherregal ab und dem Schreibtisch zu, als er stutzend innehielt.

„Benni hat sein Katana mitgenommen.“, fiel ihm auf, als er die Schwerthalterung an der Wand sah. Nur ohne das Schwert, welches sich für gewöhnlich sonst immer dort befand.

Laura ging zu Bennis Bett rüber und schaute unter das Kissen. „Die Black Death anscheinend auch…“

Carsten betrachtete den Schreibtisch wehmütig, als ihm ein weiterer Gegenstand auffiel, der fehlte. „Das Foto ebenso…“

Laura ließ sich auf das Bett sinken, wischte sich wieder mit der Hand über die Augen und schniefte. „Anscheinend erkennt Benni Fotos inzwischen doch als wertvolle Erinnerungsstücke an…“

Carsten ging zu ihr rüber, setzte sich neben sie und legte den Arm um Lauras Schultern. Schluchzend lehnte sie sich gegen ihn und Carsten musste selbst wieder mit den Tränen kämpfen.

„Trotzdem ist es schön zu sehen, dass wir ihm anscheinend so wichtig sind.“, versuchte er sie und sich selbst ein bisschen aufzumuntern.

Laura nickte lediglich und schluchzte weiter in Carstens T-Shirt.

Gedankenverloren schaute sich Carsten im Zimmer um, als sein Blick auf den Kleiderschrank fiel. Sanft befreite er sich von Lauras klammernden Händen, stand auf, ging zum Schrank hinüber und öffnete ihn neugierig.

„Hey, man schaut nicht einfach in die Schränke anderer.“, schniefte Laura. „Selbst wenn es Bennis ist.“

Doch was Carsten vorfand ließ ihn sofort loslachen, ohne das ihm überhaupt zum Lachen zumute war.

„Was ist denn?“, fragte Laura und versuchte nun doch an Carsten vorbei in den Schrank zu linsen.

Carsten öffnete den Schrank etwas mehr und trat lachend einen Schritt zur Seite.

Laura runzelte die Stirn. „Bennis Anziehsachen. Na und? Was ist daran so lustig.“

„Na ja, Benni hat ja sowieso nicht viele Sachen.“ Carsten konnte sich vor Lachen kaum mehr einkriegen. „Und es sieht nicht wirklich so aus als seien sie weniger geworden…“ Inzwischen kamen ihm die Tränen und er bekam leichte Bauchschmerzen. „Also kam er anscheinend nicht auf die Idee Wechselsachen mitzunehmen, als er sich auf den Weg zu Mars machte.“

Das brachte Laura immerhin ein bisschen zum Kichern. Aber auch nur ein bisschen. Wenig später wurde sie wieder ernst und traurig. „Ich glaube nicht, dass er in diesem Moment überhaupt einen Gedanken daran verschwendet hat, dass er eventuell Kleidung zum Wechseln bräuchte…“

Carsten seufzte betrübt. „Das stimmt allerdings… Vielleicht ist immerhin Jack so freundlich und leiht ihm was. Der Modegeschmack passt ja so halbwegs.“

Laura lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster. „Ob Benni seinen ersten Tag bei Mars mit Shopping hatte verbringen müssen?“

„Ich glaube das wäre das schlimmste, was er sich hätte vorstellen können.“

Trotz des schwarzen Humors musste Laura kichern. „Ach Quatsch, so schlimm fände er das nicht. Viel schlimmer wäre es, wenn Mars ihn in der Küche arbeiten ließe.“

Nun konnten sie nicht anders, als beide lauthals loszulachen.

Natürlich wusste Carsten, dass sie das nicht so ins Lächerliche ziehen sollten. Jedoch half es tatsächlich mit dieser Situation fertig zu werden.

Er prustete los. „Stell dir mal vor wir müssten Mars gar nicht mehr bekämpfen, weil Benni ihn aufgrund seines Kochtalentes schon bezwungen hat.“

Laura wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. „Er würde dir jetzt garantiert einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen.“

Carsten streckte Laura die Zunge raus. „Dir doch auch. Oder… Nein, dir würde er jetzt eher gegen die Stirn schnippen.“

Ein Miau an der Zimmertür ließ Laura und Carsten hochschrecken.

„Raven?“ Überrascht betrachtete Carsten die schwarze Katze, die ins Zimmer trottete, auf Lauras Schoß sprang und es sich dort bequem machte. Laura fing an sie am Kopf zu kraulen und Raven schloss gemütlich schnurrend die Augen.

„Ob Benni über die Tiere weiß, was wir so machen?“, fragte sie sich, wieder etwas wehleidiger.

Carsten überlegte. „Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass Mars das zulässt. Immerhin könnte Benni uns über diesen Weg auch geheime Informationen über ihn zukommen lassen und ich glaube, dass würde ihm nicht so passen.“

Bedrückt seufzte Laura. „Stimmt… Schade…“

Carsten kam wieder zum Bett und kraulte Raven ebenfalls. „Aber wenn das der Fall ist, wird Raven wahrscheinlich auch nicht zu Benni zurückkehren können. Wer weiß? Vielleicht hat er sie absichtlich hier gelassen damit sie ein Auge auf uns werfen kann?“

Ravens ‚Miau‘ schien wie eine zustimmende Antwort zu sein.

Carsten kicherte. „Verpetz uns aber bitte nicht bei ihm, dass wir diese Witze gemacht haben, wenn du ihn irgendwann wiedersiehst.“

Wieder maunzte Raven. Da fiel eine von Lauras Tränen auf ihr samtiges schwarzes Fell.

Erst jetzt bemerkte Carsten, dass Laura Raven nicht mehr kraulte sondern den Kopf gesenkt hatte und leise schluchzte.

Er seufzte. Sie konnten sich zwar für einen Moment lang etwas aufheitern, aber trotz allem war Benni immer noch bei Mars. Er befand sich immer noch in den Klauen ihres Feindes.

„Wie es ihm wohl gerade geht?“, fragte Carsten vor sich hin murmelnd.

Raven schmiegte ihren Kopf gegen Carstens Hand. Danach richtete sie sich auf und streckte sich zu Lauras Gesicht hoch, wo sie mit ihrer kleinen Katzennase Lauras anstupste.

Schluchzend wischte sich Laura über die Augen. „Du hast ja recht, wir sollten uns gefälligst zusammenreißen.“
 

„Ich glaube, das reicht für heute mit Lernen.“, meinte Susanne und klappte das Mathebuch zu. „Verstehst du es inzwischen etwas besser?“

Öznur seufzte. „Na ja… Irgendwie.“

„Die Prüfung ist nächste Woche am ersten August, oder?“, erkundigte sich Susanne, auch wenn die Frage eher rhetorisch war. „Bis dahin dürften wir alles durchhaben und du müsstest gut vorbereitet sein.“

Öznur nickte nur. Diese scheiß Nachprüfung. Dieses scheiß Mathe! Warum musste ausgerechnet sie durchfallen? Warum nur sie?!? Warum war nicht jedenfalls auch Lissi in irgendeiner Prüfung durchgefallen?

„Warum packt Lissi eigentlich alles auf Anhieb, obwohl sie ständig so… planlos wirkt?“, erkundigte sich Öznur bei Lissis Zwillingsschwester.

„Lissi ist nicht dumm.“, meinte diese.

Abwehrend hob Öznur die Hände. „Ich meinte das nicht als Beleidigung.“

„Ich weiß doch.“ Susanne lächelte sie aufmunternd an.

Gemeinsam verließen sie den mittelalterlich wirkenden Bücherturm und gingen auf das Mädchenwohnheim zu.

„Ich meinte damit Lissi ist schlauer, als ihr denkt.“, erklärte Susanne ihre Aussage genauer. „Meistens ist sie einfach nur faul. Selbst in Klausuren.“

Öznur runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“

Susanne überlegte. „Also ich würde sagen Lissi liegt von ihrem IQ her etwas unter dem von Benni. Sie muss nicht viel lernen für Klausuren und in den Prüfungen selbst schreibt sie dann immer nur so viel auf, bis sie die Note hat, die sie braucht oder gerne hätte.“

Wie bitte was?

Überrascht hielt Öznur an. „Wie? Was hast du gesagt? Du meintest… Was?!?“

„Lissi ist hoch intelligent. Wenn sie wollte könnte sie dieselben Noten in den Prüfungen erzielen wie Carsten, Benni oder ich.“

Öznur fiel aus allen Wolken. Meinte Susanne das ernst? Lissi?!? Ausgerechnet Lissi?!?

„J-ja aber… Sie wirkt immer so- so…“

„So dumm?“, sprach Susanne das aus, was Öznur nicht in Worte hatte fassen können.

„Ja!“

Susanne lachte auf. „Der Schulstoff ist für Lissi einfach viel zu leicht, sie langweilt sich sehr schnell dabei. Außerdem macht sie sich aus ihrer Intelligenz nicht viel. Sie ist lieber das dumme, naive, kleine Mädchen das hübschen Jungs schöne Augen macht.“

„A-aber… Warum?!?“ Öznur verstand es nicht. Öznur verstand die Welt nicht mehr. Lissi war hochintelligent und stellte sich nur dumm?!?

Susanne kicherte. „Um ehrlich zu sein weiß ich es selbst nicht. So ist nun mal ihr Charakter. Häufig sind die Lehrer bei ihr am Verzweifeln, weil sie Lissi einfach nicht einschätzen können.“

„Wow… Das hätt‘ ich nun echt nicht gedacht…“

Öznur war baff. Lissi?! Ausgerechnet Lissi zählte zu den intelligentesten der Mädchen?!

„Du, Lissi, Carsten oder Benni. Wer denkst du ist eigentlich der schlauste von euch?“ Fragend schaute Öznur Susanne an.

„Carsten, definitiv.“, meinte Susanne sofort und sehr überzeugt. „Ich meine mal gehört zu haben er habe einen IQ von etwa 190.“

„Das stimmt.“, gab ihnen auf einmal eine sehr tiefe Männerstimme recht.

Überrascht drehten sich die beiden Mädchen um.

„Eagle!“, stellte Öznur fest, wem diese Stimme gehörte. „Sag mal… Hättest du gedacht, dass Lissi fast so intelligent wie Benni ist?!“

Eagle runzelte die Stirn. „Hä? Nie im Leben. Ernsthaft?“

„Ernsthaft!“, rief Öznur aufgebracht. Sie konnte es immer noch nicht glauben.

Eagle lachte auf. „Nun ja, stille Wasser sind tief.“

Öznur boxte ihm in die Seite. „Sag mal, wie Intelligent schätzt du dich eigentlich ein?“

„Intelligenter als du jedenfalls.“, kommentierte er trocken.

„Hey!“ Der war mies.

Er zuckte mit den Schultern. „Was willst du groß an einem IQ ablesen? Sieht man doch perfekt an Lissi. Sie ist hoch intelligent und trotzdem wirkt sie als wäre sie gänzlich hohl in der Birne.“ Beschwichtigend hob er die Hände. „Nicht böse gemeint.“ Anschließend steckte er seine Hände in die Taschen seiner Jeans und ging mit Susanne und Öznur weiter Richtung Mädchenwohnheim.

Vor dem Eingangsbereich fragte er schließlich: „Was habt ihr jetzt so vor?“

„Nun ja, ich muss mich jetzt zurecht machen und teleportiere mich anschließend nach Eau.“ Da sich Susannes Wangen bei ihrer Antwort leicht rötlich färbten ahnte Öznur schon, was sie damit andeuten wollte.

Begeistert packte sie Susannes Hände. „Oh Susi, hast du etwa ein Date?!?“

„Ja… Also… Doch schon.“ Susanne strich sich eine ihrer kurzen schwarzen Strähnen hinters Ohr und wirkte immer noch leicht verlegen.

„Das ist ja schön! Ich freu mich so für dich!!!“ Öznur fiel Susanne um den Hals.

„D-danke.“ Sie lachte auf.

„Mit diesem Michel?“, erkundigte sich Eagle.

Susanne kicherte. „Fast, Miguel.“

„Und das, obwohl deine Schwester ihn anscheinend so gar nicht leiden kann?“

„Lissi macht sich vollkommen grundlos solche Sorgen. Ich habe mich nun bereits einmal mit Miguel privat getroffen und er ist wirklich sehr lieb.“, meinte Susanne.

Eagle nickte nur. „Ich hoffe es für dich.“

Susanne hob leicht erschrocken den Kopf. „Ach so, sagt es aber bitte keinem. Jedenfalls nicht- Ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen dabei…“

Öznur runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“

Susi seufzte. „Wegen Laura. Sie macht doch sicher gerade die Hölle durch, da Benni uns verraten hat. Es fühlt sich irgendwie falsch an eine Verabredung zu haben, während sie…“

„Ach so… Ich verstehe, worauf du hinauswillst.“ Betrübt warf Öznur einen flüchtigen Seitenblick auf Eagle, war aber froh, dass Susanne diesen nicht bemerkt hatte.

Verärgert biss sie die Zähne zusammen.

Benni, du Arschloch. Wie kannst du der armen Laura so etwas nur antun?!

Susanne atmete tief durch. „Nun denn, dann gehe ich mal.“

Öznur drückte sie an sich. „Ich wünsch dir trotzdem viel Spaß.“

„Danke.“ Susanne verschwand im Mädchenhaus.

„Du verstehst also, worauf sie hinauswill?“ Eagles tiefe Stimme wirkte leicht belustigt.

Öznur schnaubte. Er hatte ihren Seitenblick also bemerkt.

Er deutete auf das Gebäude neben dem Mädchenwohnheim, wo die Lehrer, andere Angestellte und nicht zuletzt auch Gäste der Coeur-Academy untergebracht wurden. „Möchtest du mitkommen?“

Seufzend nickte sie.

Öznur begleitete Eagle in sein Gästezimmer und ließ sich auf die Couch fallen. „Susi hat recht… Na toll. Jetzt fühl ich mich auch schuldig.“

„Nur weil wir in letzter Zeit öfter miteinander rumhängen?“ Eagle öffnete seinen Pferdeschwanz und fuhr sich durch das lange glatte schwarze Haar.

Scheiße, sah er gut aus.

„Rumhängen?“ Öznur warf ihm einen kritischen Blick zu.

Eagle setzte sich neben sie auf das Sofa. „Wie würdest du es denn nennen?“

Öznur zuckte mit den Schultern. „Rummachen trifft es wohl eher.“

Mit einem amüsierten schiefen Grinsen zog Eagle Öznur an sich ran und küsste sie. Öznur vergrub die Hand in seinen schwarzen Haaren und erwiderte den Kuss, welcher immer leidenschaftlicher wurde.

Schließlich packte Eagle sie an den Hüften und zog sie auf seinen Schoß. Öznurs Herzschlag beschleunigte sich und ihr Atem zwischen den Küssen entwickelte sich zu einem Keuchen. Eagle packte ihre Haare und zog ihren Kopf leicht zurück, um an ihren Hals zu können.

Öznur stöhnte bei dem wohligen Gefühl auf, welches sich in ihr ausbreitete als seine Lippen ihren Hals berührten. Mit der anderen Hand fuhr Eagle zuerst über ihren Hintern, bis er ihr Top packte. Für einen kurzen Moment unterbrach er seine Küsse und zog Öznur das Top über den Kopf, sodass sie obenrum nur noch den BH trug.

Während sich Eagles Lippen langsam zu ihren Brüsten tasteten riss sich Öznur zusammen.

„Warte.“, keuchte sie.

Eagle hielt inne. „Was ist?“

Schwer atmend schaute sie Eagle in die Augen. „Was ist das hier eigentlich zwischen uns?“

Es fiel ihr schwer sich zusammenzureißen. Das Verlangen nach Eagle war zu groß. Doch sie wollte endlich wissen, wie es um sie stand. Waren sie nun in einer Beziehung oder war das hier nur eine dieser ‚lockeren Bekanntschaften‘?

Eagle schien zu verstehen. Er ließ von Öznur ab, doch sie blieb trotzdem auf seinem Schoß sitzen. Eigentlich wollte sie ja gar nicht weg. Eigentlich wollte sie das ja auch gar nicht unterbrechen. Sie würde am liebsten direkt dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten.

Eagle lehnte sich zurück und legte einen Arm über die Sofalehne. „Was würdest du denn sagen?“

Öznur seufzte. „Ich weiß es irgendwie nicht. In dem einen Moment gehen wir noch einfach so zusammen Feiern und jetzt… Es ging irgendwie so schnell.“

„Zu schnell?“

Amüsiert schüttelte Öznur den Kopf. Es war süß, wenn er diesen rücksichtsvollen Ton hatte. Er klang so sanft und es schwang immer ein Hauch Sorge mit, die eigentlich so gar nicht zu dem stattlichen Indigoner passte.

Öznur atmete tief durch. „Es ist nur so… Ich will eine feste Beziehung. Mit dir. Aber ich würde gerne wissen, ob du auch so denkst.“

Grinsend beugte sich Eagle wieder vor und küsste Öznur erneut. Jedoch war es dieses Mal nur ein sehr kurzer Kuss und als er sich von ihr löste war sein Gesicht trotzdem noch ganz nah an ihrem, sodass Öznur ihm direkt in die bernsteinfarbenen Augen sehen konnten, die gerade im Kontrast zu seiner dunklen, leicht rötlichen Indianerhautfarbe regelrecht zu strahlen schienen.

„Und wenn dem so wäre?“

„Eagle, bitte. Das ist mir wichtig.“

Um seine Lippen zuckte ein Lächeln. „Ich bin froh, dass du das angesprochen hast. Mir liegt sowas ganz und gar nicht.“ Er atmete tief durch und Öznur hatte den Eindruck, dass er tatsächlich ein kleines bisschen verlegen war. „Ich wäre gerne mit dir in einer richtigen Beziehung.“

Öznurs Herz schlug genauso schnell wie zuvor, als er ihren Hals geküsst hatte. Doch dieses Mal war es kein Verlangen, was sich in ihr ausbreitete. Eher war es eine Art Wärme. Eine wohlige Wärme, wie wenn man in einer kalten Winternacht Zuhause vor dem knisternden Kamin saß.

„Wirklich?“

„Wirklich.“ Der Blick in Eagles Augen verriet ihr, dass er sich keinen Scherz erlaubte.

Er lehnte sie wieder zurück gegen die Sofalehne, während Öznur ihr Glück immer noch kaum fassen konnte.

Sie wusste ja, dass Eagle nicht sehr geschickt in ernsthaften Beziehungen war. Als sie ganz am Anfang der Prüfungsphase mit den anderen Feiern waren hatte er so etwas in der Art ja angedeutet gehabt. Aber dennoch… Öznur hatte sich nun mal so langsam aber sicher in ihn verliebt.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass Eagle sie die Zeit über weiterhin beobachtet hatte. Mit einem Lächeln beugte sie sich zu ihm. Doch nicht, um dort weiter zu machen wo sie zuvor aufgehört hatten, sondern einfach um ihren Kopf auf Eagles Brust zu legen und sich lediglich auf seine Nähe und Wärme zu konzentrieren. Sie hörte seinen kräftigen Herzschlag und begann sich zu entspannen.

Eagle legte den Arm um sie und küsste sie auf den Scheitel. „Moment… Jetzt da es offiziell ist, müssen wir es den anderen etwa auch sagen?“ An seiner Stimme konnte sie hören, dass er leicht verunsichert wirkte.

Öznur kicherte. „Natürlich.“
 

Nervös betrachtete Susanne Miguel welcher sich seiner Forelle widmete, während sie ihre Tortilla bisher kaum angerührt hatte.

Er war ein großer, schlanker junger Mann mit gebräunter südländischer Haut und dunklen Locken. An seiner Kleidung sah man, dass er aus gutem Hause stammte und ebenso waren seine Manieren vorbildlich. Sie konnte sich nicht erklären, warum ihre Schwester so ein Problem mit ihm hatte.

Nun ja, sie kennt ihn ja kaum., sinnierte Susanne. Das letzte Mal, dass sie Miguel gesehen hatten lag über zehn Jahre zurück und damals war er tatsächlich noch nicht so freundlich und zuvorkommend gewesen. Doch er hatte sich sehr gut entwickelt.

Dennoch wollte sie nicht eine Beziehung mit jemandem eingehen, den ihre Schwester nicht akzeptieren konnte. Susanne beschloss, dass sie Miguel mal mit nach Cor nehmen sollte. So würden sich sowohl ihre Schwester als auch der Rest ein Bild von ihm machen können und Susanne war sich sicher, dass Miguel dazu in der Lage war sie zu überzeugen.

Denn eigentlich würde Susanne gerne eine Beziehung mit ihm eingehen.

Sie war sich nicht sicher, ob sie schon in ihn verliebt war. Doch so etwas brauchte für gewöhnlich seine Zeit, nicht wahr? Wie gesagt, er war sehr freundlich, zuvorkommend und aufmerksam. Wie würde sie keine Gefühle für ihn entwickeln können?

Miguel schaute von seiner Forelle auf und musterte Susanne aus seinen braunen Augen.

„Susanne, du wirkst so bedrückt. Ist irgendetwas vorgefallen?“, erkundigte er sich in einem rührenden besorgten Tonfall.

Susanne seufzte. „Entschuldige… Es ist nur… Eine Freundin wurde erst letztens von ihrem Freund verlassen und ist deshalb am Boden zerstört. Ich mache mir Sorgen um sie.“

„Hatten sie Streit?“

„Ich weiß es nicht… Eigentlich sah es nicht danach aus. Im Gegenteil, die beiden waren ein Herz und eine Seele.“

Kritisch runzelte Miguel die Stirn. „Warum sollte er sie dann verlassen?“

„Das ist es ja…“ Seufzend legte sie die Gabel weg. „Irgendwie habe ich den Eindruck, dass er das unfreiwillig getan hat. Es wirkte nahezu so als habe er keine andere Wahl gehabt, als zu gehen.“

Auch Miguel legte sein Besteck beiseite und strich sich nachdenklich eine schwarze Locke aus dem Gesicht. „Das wird ja immer suspekter. In meinen Ohren klingt es fast so, als habe man ihn erpresst oder dergleichen.“

Susannes Herzschlag schien für einen kurzen Moment auszusetzen.

Mit vor Schreck geweiteten Augen schaute sie Miguel an. Doch es war nicht nur der Schock… Es war auch die Erkenntnis.

Natürlich!

Bennis Zusammenbruch wenige Tage vor seinem Verschwinden, Lauras plötzliche Trainingswut, die Tatsache, dass Laura und Carsten bei Nachfragen über Bennis Gründe für sein Gehen schwiegen, …

Nun ergab alles einen Sinn!

„Das muss es sein!“, rief Susanne aus.

Überrascht schaute Miguel sie an. „Wirklich? Es war nur ein spontaner Gedanke. Ich meine, das klingt schon beinahe nach einem Verbrechen. Wer sollte bitteschön-“

„Doch, es ist ganz sicher so!“, widersprach Susanne bestimmt.

Nun war sie sich zu einhundert Prozent sicher. Benni wurde von Mars erpresst. Es konnte gar nicht anders sein!

Doch was sollte er gegen ihn in der Hand haben?

Natürlich…

Susanne fuhr sich mit der Hand durchs Haar, während sie in ihrem Kopf alle Puzzleteile zusammenfügte.

Benni hatte schon zwei ihm sehr wichtige Menschen an Mars verloren. Weiterhin waren Konrads Eltern von Lukas ermordet worden welche Benni ebenfalls nahestanden, wie sie von Rina bei ihrem Besuch in Spirit erfahren hatten. Noch dazu wurde Bennis leiblicher Vater vor nicht allzu langer Zeit angegriffen und auch wenn es sich um eine Art Unfall gehandelt hatte, war auch Carsten bereits dem Tod gefährlich nahe gekommen.

Nun war sich Susanne allem bewusst. Mars hatte Benni garantiert mit dem Tod von Laura oder Carsten gedroht, vielleicht sogar beiden.

Selbst wenn Benni eine sehr starke Persönlichkeit hatte… Dies wäre sicherlich selbst für ihn zu viel.

Aber warum erklärten Laura und Carsten ihnen dann nicht die Situation? Susanne war sich ziemlich sicher, dass Benni sie darüber in Kenntnis gesetzt haben musste. Anders wäre das Verhalten der beiden, insbesondere das von Laura, nicht zu erklären.

Nun ja, er ist jetzt im Prinzip unser Feind, ob er das nun möchte oder nicht., überlegte Susanne. Vielleicht fällt es ihm leichter, wenn wir ihn hassen und dadurch tatsächlich auch als Feind betrachten?

Susanne presste die Lippen zusammen. Sie wusste, dass sie Recht hatte.

Natürlich verbesserte dies die Situation nicht im Geringsten. Nun taten ihr nicht nur Laura und Carsten, sondern insbesondere auch Benni unsagbar leid. Doch gleichzeitig breitete sich in Susanne eine Erleichterung aus. Benni hatte sie nicht verraten. Er wollte sie nie verraten.

Sie konnte sich zwar nicht erklären, warum Mars es ausgerechnet auf Benni abgesehen hatte, außer vielleicht aufgrund seines ungeheuren Kampftalentes, jedoch beschloss sie sich erst später Gedanken darüber zu machen.

Sie warf Miguel einen dankbaren und nicht zuletzt erleichterten Blick zu. „Danke. Vielen Dank. Das muss es sein, ganz sicher.“ Beschämt lachte sie auf. „Eigentlich ist es so logisch… Warum bin ich nicht darauf gekommen?“

Miguel warf ihr ein aufheiterndes Lächeln zu. „Manchmal behindern Gefühle einen dabei klar zu denken und man sieht selbst das offensichtlichste nicht. Da kann sich die Sichtweise eines neutralen Außenstehenden als sehr nützlich erweisen.“ Er wurde wieder ernst. „Aber das wirkt auf mich wirklich schon wie ein Verbrechen.“

Susanne seufzte bedrückt. „Im Prinzip ist es auch eins… Aber zurzeit sind uns die Hände gebunden. Wir können nichts ausrichten.“

Miguel lachte auf. „Du scheinst sehr viel Zeit für Lernen und Training in der Coeur-Academy zu verbringen, ihr seid einem Verbrecher auf der Spur über den du mir offensichtlich aus irgendeinem Grund nicht mehr erzählen möchtest, … Was bist du? Eine Geheimagentin?“

Susanne konnte nicht anders als ebenfalls zu lachen. „Wenn dem so wäre dürfte ich es dir leider trotzdem nicht sagen.“

Dennoch bereitete ihr sein Scharfsinn Sorgen. Natürlich war Miguel sehr schlau, doch nun wurde es langsam unheimlich…

Dank ihrer Erkenntnis fiel es Susanne nun immerhin leichter das Treffen mit Miguel genießen zu können. Und sie hatte den Eindruck, dass dies auch ihn zu freuen schien.

Nach dem Abendessen gingen sie noch gemeinsam an dem Strand in Kara spazieren und genossen den Sonnenuntergang, bis sie sich verabschiedeten und sich Susanne zurück zur Coeur-Academy teleportierte.

Dort angekommen trommelte sie direkt alle Mädchen und Eagle zusammen. Nur Laura und Carsten ließ sie aus. Wenn Benni sie wirklich darum gebeten hatte nichts von seinen Gründen zu erzählen, damit sie ihn als Feind betrachten konnten, war es Susannes Erachtens vorerst sinnvoller die beiden nicht in ihre Vermutungen einzuweihen. Erst einmal wollte sie wissen, was der Rest davon hielt.

Nachdem sich alle in Susannes, Lissis und -inzwischen auch- Öznurs Zimmer versammelt hatten, berichtete sie ihnen unverzüglich von ihrer Theorie.

Nachdem Susanne mit ihrer Erzählung geendet hatte, herrschte eine Zeit lang betretenes Schweigen.

Ariane ließ sich in Janines ehemaliges, inzwischen Öznurs Bett fallen. „Mist, das klingt verdammt einleuchtend. Zu einleuchtend.“

„Aber das ist doch lediglich eine Theorie.“, kritisch verschränkte Anne die Arme vor der Brust. „Warum sollte sich ausgerechnet der eiskalte Engel mit sowas erpressen lassen?“

Öznur runzelte die Stirn. „Wo warst du die ganze restliche Zeit? Man hat doch deutlich sehen können, wie sich Benni verändert hat. Ich wette er würde alles für Laura und Carsten tun, damit ihnen nichts passiert.“

„Und diese Geschichte mit dem Laura und Carsten sollen nichts sagen, damit wir ihn als Feind betrachten? Was soll der Mist?!“, zischte Anne zu Öznur.

Eagle lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter den Kopf. „So unlogisch ist das gar nicht. Benedict ist mit Abstand der stärkste von uns. Selbst mit vereinten Kräften würden wir ihn nur mit Mühe und Not bezwingen können. Sollten wir ihm je im Kampf gegenüberstehen und hätten nicht die Bereitschaft ihn zu töten, würden gar zögern, wenn wir die Gelegenheit dazu bekämen, hätten wir überhaupt keine Chance gegen ihn.“

„A-aber… Warum das denn?“, fragte Janine besorgt.

Eagle zuckte mit den Schultern. „Wenn du deinen Gegner nicht töten möchtest kämpfst du automatisch nicht mit aller Kraft die du hast. Die Kraft mit der du zuschlägst ist schwächer und -wie gesagt- wenn du die Gelegenheit bekommen würdest, würdest du zögern und das kostet dich einen wertvollen Moment, in welchem du unsagbar verwundbar bist. Das ist mir bei Jack letztens aufgefallen.“

„Hä?“ Die Mädchen schauten ihn irritiert an.

„Bei der Abendgesellschaft.“, erklärte Eagle. „Ihr habt gesehen, wie stark Jack plötzlich war, als Carsten ihn versehentlich so in Rage gebracht hat. In dem Moment hatte er tatsächlich mit der Absicht zu töten angegriffen.“ Er seufzte. „Ich hatte damals nur einen kritischen Treffer bei ihm landen können, da er kurz davor gezögert hatte.“

Anne schaute ihn herausfordernd an. „Also ist Jack stärker als du?“

Eagle schnaubte. „Das bezweifle ich. Aber so schwach ist er auch nicht. Der Kampf hätte sich garantiert mehr in die Länge gezogen, hätte er ernsthaft gekämpft.“

Bedrückt atmete Ariane aus. „Jetzt fühle ich mich richtig schlecht, Benni so gehasst zu haben.“

„Und wie…“ Öznur ballte frustriert die Hand zur Faust. „Besonders, weil wir doch eigentlich hätten dahinter kommen müssen! Es ist so logisch! Laura und Carsten gehören für Benni eigentlich schon zur Familie! Warum waren wir so blind?!?“ Öznur schlug auf das Bett und aus Frust und Ärger schienen ihr Tränen zu kommen.

Sanft nahm Eagle sie in den Arm und Susanne fragte sich, seit wann sich die beiden so nahestanden. Natürlich hatte sie bemerkt, dass sowohl Öznur als auch Eagle Gefühle für den jeweils anderen entwickelt hatten. Gerade die letzte Woche, die Eagle komplett mit ihnen an der Akademie verbracht hatte, hatte Susanne dies beobachten können. Aber dass sie sich bereits so nahe waren hätte Susanne trotzdem nicht erwartet.

„Wahrscheinlich war einfach der Großteil von uns von seinen Gefühlen geblendet.“, vermutete er. „Ob er nun freiwillig gegangen ist oder erpresst wurde: Laura und Carsten leiden sehr darunter, egal was nun sein Beweggrund war.“

Ariane nickte zögernd. „Ich habe mir um ehrlich zu sein nie Gedanken über Benni gemacht. Für mich war es einfach nur schrecklich mitansehen zu müssen, wie furchtbar es Laura geht.“

Anne zuckte mit den Schultern. „Ich hab ihm nie wirklich vertraut. Ehrlich gesagt hatte es mich nicht überrascht, dass er uns auf einmal verraten hat.“

„Du musst an deinem Bild über Jungs noch ganz schön arbeiten, oder?“, stellte Öznur seufzend fest.

Zischend funkelte Anne sie an. Anscheinend war zwischen den beiden immer noch nicht alles im Reinen, auch wenn es immerhin nicht mehr sofort in einem Streit ausartete.

Betreten schaute Susanne auf den Boden. „Und was machen wir nun?“

„Na ja, wir sind uns doch jetzt ganz sicher, dass Benni nichts dafür kann, dass er gegangen ist.“, meinte Öznur nachdenklich.

„Schon, aber erzählen wir Laura und Carsten davon, dass wir Bescheid wissen? Immerhin sollten sie es doch in gewisser Weise vor uns geheim halten.“

Eagle verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich verstehe so halbwegs, was du meinst. Aber ich glaube, Laura und Carsten würde es eher helfen, wenn wir ihnen mehr Verständnis entgegen bringen.“

Öznur nickte. „Definitiv. Es hilft ihnen nicht, wenn wir weiter so tun als würden wir Benni hassen und ihn beschimpfen.“

„Im Gegenteil, wenn man daran denkt was Laura vorhin mit dem armen Box-Sack angestellt hat.“, stellte Ariane fest. „Ich glaube es wird ihnen besser gehen, wenn wir auch mit der Einstellung an die Sache rangehen, dass wir Benni retten wollen und nicht, dass wir ihm am liebsten an die Kehle gehen würden.“

„Und was ist, wenn wir wirklich mal dazu gezwungen sein werden gegen ihn zu kämpfen?“ Janine rieb sich die Arme, auf denen sich eine Gänsehaut gebildet hatte.

Eagle zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, wir müssen mit der Einstellung kämpfen ihn töten zu wollen. Ansonsten haben wir keine Chance gegen ihn.“

„Aber ich will ihn nicht töten!“, rief Janine aus. „Und Benni uns doch sicherlich auch nicht!“

„Was ihn wiederum schwächt.“, überlegte Lissi.

„Aber er wird sich das nicht anmerken lassen dürfen.“, meinte Susanne nachdenklich. „Angenommen Mars droht Benni wirklich mit Carstens und Lauras Tod, was sehr wahrscheinlich ist wie wir nun festgestellt haben. Dann hat er ihn auch jetzt noch vollkommen in seiner Hand. Er scheint sehr grausam zu sein, wenn man nur daran denkt, dass er die ganze Welt gerne zerstören würde. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Benni alles machen muss was er sagt und sich nicht den kleinsten Fehler erlauben darf.“

„Du meinst ansonsten tötet Mars die beiden, obwohl Benni um sie zu beschützen schon die Seiten gewechselt hat?“, stellte Ariane schaudernd fest.

Susanne nickte. „Natürlich ist Benni nicht dumm. Er wird garantiert Wege bei der Ausführung von Mars Befehlen finden, die für ihn am wenigsten belastend sind. Doch wenn er sagt ‚Töte diese Person, ansonsten sterben Laura und Carsten.‘ würde Benni diese Person töten.“

Seufzend lehnte sich Öznur wieder gegen Eagle. „Mann ey, jetzt hab ich ein noch schlechteres Gewissen.“

„Du meinst, weil du mit Eagle-Beagle auf Wolke sieben schwebst, während Bennlèy für Lauch und Cärstchen zu Mars Sklaven geworden ist?“ Lissi betrachtete die beiden. „Ja, da ist dein schlechtes Gewissen gerechtfertigt.“

Verstimmt schüttelte Anne den Kopf. „Was geht eigentlich gerade mit euch ab? Erst heißt es Öznur und Eagle sind zusammen und kurz darauf erzählt Susanne, dass sie sich mit diesem Typen aus Eau trifft.“

Susanne übersah es nicht, dass Lissi bei Annes zweiter Aussage verärgert ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst hatte. Sie musste unbedingt ein Treffen mit Miguel arrangieren. Sie musste Lissi unbedingt zeigen, was für ein guter Mensch er geworden ist!

Eagle streckte sich und stand von Öznurs Bett auf. „Wenn ihr nichts dagegen habt geh ich dann mal zu Carsten und sag ihm, dass wir ziemlich sicher über Benedict Bescheid wissen.“

Susanne nickte. „Besser du führst mit ihm ein ruhiges Gespräch, als wenn wir alle in einer großen Horde angelaufen kommen.“

Ariane konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Kann es sein, dass du deinen kleinen Bruder inzwischen ziemlich lieb gewonnen hast?“

Eagle reagierte daraufhin nur mit einem Schnauben. Er küsste Öznur noch kurz auf die Lippen und verließ anschließend das Zimmer.

Fragend schaute Susanne Öznur an. „Ihr seid wirklich zusammen?“

Öznur nickte. „Beim Abendessen haben wir es den anderen gesagt. Sorry, du warst ja nicht dabei…“

„Ach was. Ich freue mich jedenfalls sehr für euch.“

Susanne war wirklich froh. Es gab ihr irgendwie ein bisschen Hoffnung in dieser doch sehr trostlosen Zeit. Hoffnung, dass doch noch alles gut werden würde.

Auch Ariane sprang vom Bett auf. „Dann übernehme ich das Gespräch mit Laura. Ich hab echt ein mieses Gewissen, weil ich mich vor ihr immer so über Benni aufgeregt habe.“

Kurz darauf verließ auch der Rest das Zimmer.

Susanne wusste nicht, was sie eigentlich vorhatte, als sie gedankenverloren über den Campus Richtung Sportgelände lief.

Jedoch brachte Annes Stimme sie dazu, stehen zu bleiben. „Susanne, warte!“

Überrascht drehte sich Susanne um und sah Anne auf sie zukommen. „Was ist?“

„Die Sache mit Öznur damals. Als ich dich angegriffen hatte als ich so wütend war. Du weißt, dass es mir leidtut, oder?“

Verwirrt musterte Susanne sie. „Natürlich, du hattest dich bei dem Fest in Ivory doch schon entschuldigt gehabt. Ich meinte doch ich kann verstehen, dass Öznurs Kommentar dich so aufgewühlt hat. Es war ja nicht so, dass du mich mit Absicht angegriffen hattest. Du konntest in dem Moment einfach nicht klar denken und das auch aus einem nachvollziehbaren Grund. Es ist alles bestens, ich bin dir nicht böse.“

Anne atmete auf. „Das ist gut.“

Susanne musste bei Annes Erleichterung lächeln. „Belastet dich das wirklich noch so sehr?“

„Na ja… Ja.“

Sie kicherte. „Irgendwie ist das süß von dir.“

Anne schnaubte, jedoch… Wurde sie da gerade etwas rot?

Ein seltsam betretenes Schweigen entstand und Susanne wurde leicht unruhig.

„Ist… Noch etwas?“, fragte sie deshalb nach einer Weile, um diese unangenehme Ruhe zu durchbrechen.

„Wie findest du diesen Miguel eigentlich?“

Annes Frage warf Susanne nun völlig aus der Bahn. „W-wie meinst du das?“

„Ich will nur wissen, was du von ihm hältst.“, erwiderte Anne schulterzuckend.

„Nun… Er ist sehr nett und zuvorkommend und außerdem kann er auch sehr witzig sein. Und er ist ziemlich schlau. Ich bin wirklich froh, mit ihm vorhin indirekt über die Sache mit Laura und Benni gesprochen zu haben.“

„Ach so…“ Mehr sagte Anne nicht dazu.

„…Warum interessiert dich das so?“ Irgendwie war Susanne nicht wohl bei der Sache. Kein bisschen.

„Ach, nur so. Ich geh noch ein bisschen Sport machen. Man sieht sich.“ Mit diesen Worten ging Anne an ihr vorbei Richtung Sporthallen und ließ eine leicht verwirrte Susanne zurück.

Warum interessierte sich Anne dafür, was sie von Miguel hielt? Susanne konnte einfach keine Erklärung darauf finden.

Na ja, sie vertraut Jungs im Allgemeinen immer noch nicht so wirklich., überlegte sie. Gerade, da sogar Lissi Miguel gegenüber noch kritisch ist, macht sich Anne vielleicht einfach Sorgen…

Susanne kicherte. Irgendwie fand sie das süß. Diese Fürsorge passte eigentlich nicht zu Anne.

Erst jetzt erkannte sie, dass sie in der Nähe des Ballturms angekommen war, direkt bei den Reitställen.

Susanne öffnete das Holztor und ging an den Boxen vorbei, bis sie bei der eines edlen schwarzen Einhorns angelangt war.

Flicka schnaubte ihr zur Begrüßung zu und Susanne streichelte über ihre Nase. „Du vermisst Benni, oder?“

Wie als würde sie antworten, wieherte das Einhorn.

Traurig lächelte Susanne und schaute zu dem Stroh rüber. Eigentlich hätte sie erwartet, dass Benni dort liegen und sich entspannen würde, doch natürlich war die Box bis auf Flicka leer.

Seufzend betrat sie sie und setzte sich in das Stroh. Flicka legte sich neben sie und ließ sich den Hals tätscheln.

Susanne erinnerte sich an jenen Tag nach dem Jatusaner-Markt, wo sie hier zum ersten Mal ein richtiges Gespräch mit Benni hatte führen können und so überrascht darüber war, wie freundlich er doch eigentlich war. Auch erinnerte sie sich daran, wie er ihr am Ende die Mütze mit den Katzenohren gegeben hatte, die sich Laura so gewünscht hatte. Damals hatte er Susanne darum gebeten Laura nicht zu sagen, dass sie von ihm war und Susanne hatte es für Laura umschrieben. Sie hatte gesagt, die Mütze sei von ihrem Schutzengel.

Wehleidig seufzte sie. Du hast einen wunderbaren Schutzengel, Laura. Einen, der alles für dich tut. Der sich sogar auf die Seite des Feindes schlägt, nur um dich zu beschützen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Regina_Regenbogen
2020-09-13T18:26:08+00:00 13.09.2020 20:26
Schön, dass Laura und Carsten doch noch ein bisschen lachen können, das war ein süßer Moment.
Na endlich, Eagle! Bin echt froh, dass er endlich mal ein großer Bruder ist. Dass er und Öznur jetzt offiziell zusammen sind, ist auch gut.
Ich hab so meine Bedenken wegen diesem Miguel. Ich denke nicht, dass Lissi ohne Grund so negativ über ihn denkt. Aber was hat es mit Annes Verhalten auf sich? Ich bin sehr gespannt! Es war auf jeden Fall schön, wie Anne sich entschuldigt hat. Dieser Miguel scheint in Ordnung zu sein, aber Lissis Meinung macht mich dennoch stutzig, schließlich ist sie sonst nicht so. Aber es ist echt schön, dass Susanne durch Miguels Hilfe darauf gekommen ist, warum Benni sie verlassen hat. Gut, dass die anderen jetzt nachvollziehen können, was mit Carsten, Laura und Benni los ist.
Ich finde es immer schön, bei Susanne zu sein und ihre Gedanken mitzubekommen, weil sie so was Beruhigendes hat.
Es war auch cool zu erfahren, dass Lissi eigentlich voll intelligent ist. Boah, aber ich wäre voll ausgerastet an Öznurs Stelle als Eagle meinte, er sei intelligenter als sie, auch wenn er es dann wieder relativiert hat. Intelligenz hat ja wirklich nichts damit zu tun, wie sich jemand verhält.
Ich bin froh, dass das Kapitel nicht die ganze Zeit trist war trotz der Situation mit Benni. Selbst als Leser ist man richtig traurig. :'( Ich weiß, ich muss Geduld haben. Und irgendwann wird schon wieder alles gut.
Aber so cool, wie Laura jetzt einfach so eine Kämpferin wird. Das gefällt mir. XD
Antwort von:  RukaHimenoshi
14.09.2020 08:49
Diese Szene von Eagle und Öznur ist so aus dem Ruder gelaufen beim Schreiben... Das war so furchtbar! X'D Eigentlich wollte ich deren Beziehung langsam aufbauen und auf einmal machen die miteinander rum! Und ich war nur so: WTF geht ab mit euch?!? (Ich sag's ja immer, die haben ihren eigenen Willen ^^")
Lissi will halt nur das beste für ihre Schwester und selbst wenn Miguel "gut" ist, ist das nicht "gut genug" in ihren Augen. Und sie hat ja auch ein riesiges Problem damit, dass das eigentlich nur von ihren Eltern organisiert worden ist. Das widerspricht sich extrem mit Lissis Einstellung. ^^"
Eagle verpasst halt trotz allem gerne mal nen Seitenhieb. XD
Und freut mich, dass dir Lauras Kämpfer-Natur gefällt, hehe :3
Antwort von:  Regina_Regenbogen
14.09.2020 09:06
XD Eagle und Öznur lassen halt beide nichts anbrennen. Das hätte halt nicht zu ihnen gepasst, es langsam anzugehen. XD
Es ist immer lustig, wenn die Charaktere einem etwas zeigen, das einem vorher nicht so bewusst war. Ich denke, oft weiß man unterbewusst, was zu den Charakteren passt, und dann kommt das beim Schreiben raus oder so. Keine Ahnung. Die weigern sich dann einfach und es fühlt sich falsch an oder sie kommen mit unvorhergesehenen Ideen, besonders die eher spontanen unter ihnen. :D

Ja, verständlich, dass Lissi nicht damit klarkommt, weil das von ihren Eltern ausging.


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