Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 44: Durch den Wind -------------------------- Durch den Wind Eagle stieß einen Fluch aus, als er sein Gewicht zu sehr auf das Bein mit dem verstauchten Knöchel verlagerte. Na klar. Carsten wurde jetzt verhätschelt bis zum geht nicht mehr und er durfte trotz seiner Verletzungen auf diese kleine Schlampe warten! Verdammt noch mal, er hatte Jack daran gehindert, ihr gesamtes Vorhaben zu versauen! War ein Dank dafür zu viel verlangt?! „Setz dich.“, forderte Öznur ihn in harschem Ton auf, der alles andere als dankbar klang. Eagle ließ sich auf einem Stuhl in der Küche nieder, während Öznur ihm einen eiskalten Beutel gegen die Schulter drückte. „Ah! Hast du sie noch alle?!“ „Das muss gekühlt werden. Klare Anweisung von Susanne.“, erwiderte Öznur. „Und du sollst dich ausruhen.“, kam von weiter hinten eine etwas freundlicher klingende Anweisung von Susanne selbst. „Sag Bescheid, falls du Schwindel oder Übelkeit verspürst, oder das Bewusstsein verlieren könntest.“ Eagle schüttelte schnaubend den Kopf, was allerdings sofort Schwindel auslöste, weswegen er es lieber bleiben ließ, sich überhaupt zu bewegen. Susanne kam mit einigen Verbänden und machte sich daran, Eagle das verstauchte Handgelenk zu bandagieren. Die Bediensteten, die in der Küche arbeiteten, schauten zwar hin und wieder etwas verwirrt nach ihnen, sagten aber nichts. Eigentlich sollte sich Eagle darüber freuen, dass sich zwei hübsche Mädchen um seine Wunden kümmerten. Aber derzeit war seine Laune einfach zum kotzen. Besonders, weil Öznur auch nicht gerade sanft mit ihm und seinen Verletzungen umging. Eagle war zwar keine Memme, aber es tat trotzdem scheiß weh. „Was ist dein Problem, verdammt noch mal?!“, schnauzte er sie deshalb gereizt an, als Öznur ihm einen der Kühlbeutel fast ins Gesicht geworfen hatte, der für den Bluterguss an seiner Schläfe bestimmt war. „Was mein Problem ist?!? Dein kleiner Bruder wurde eben fast umgebracht!!! Und du hast nichts gemacht, um ihm zu helfen! Im Gegenteil!!!“ „Na und?“ Bei dem erneut aufkommenden Schwindel ließ Eagle das Kopfschütteln dieses Mal lieber bleiben und hielt mit der nicht verletzten Hand den Kühlbeutel gegen seine Schläfe. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass er nicht mein Bruder ist? Ich kann ihn nicht leiden, okay? Es ist mir herzlichst egal, ob er nun stirbt oder nicht!“ „Rrrrraaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah, das kann doch nicht wahr sein!!! Er ist dein Bruder, verdammt noch mal!!!“, schrie Öznur aufgebracht. Okay, nun wurde Eagle schon alleine von ihrem schrillen, lauten Ton schwindelig. Hoffentlich war Lissi bald fertig mit Lukas und kam wieder, damit Eagle endlich seine Ruhe haben konnte. „Öznur, beruhige dich bitte.“, forderte Susanne sie ruhig auf. „Es hat keinen Sinn jetzt mit Eagle zu schimpfen. Mit seinen Verletzungen ist er ohnehin schon genug bestraft.“ Schnaubend wandte sich Eagle ab. Ernsthaft? Bestraft?!? Er rettete diese komische Aktion und nun wurde er durch seine Verletzungen bestraft?!? „Ist alles in Ordnung mit euch?“, erkundigte sich Samira Yoru und kam von der Küchentür zu ihnen rüber, gefolgt von ihrem Mann Jacob Yoru. Eagle schnaubte. Wohl kaum. „Können Sie diesem unsensiblen Wurm vielleicht etwas Geschwisterliebe beibringen?“, fragte Öznur das Ehepaar verzweifelt. „Carsten stirbt vielleicht und dem da ist das scheiß egal!“ „Ist nun mal so!“, herrschte Eagle sie an. „Und jetzt hör endlich auf, dich in meine Angelegen-“ Der plötzlich aufkommende starke Schwindel brachte Eagle zum Schweigen. Er hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Es kam ihm vor wie in Zeitlupe, als der Kühlbeutel ihm aus der Hand fiel und sich oben und unten auf einmal vertauschte. Ehe er vom Stuhl fiel, stützte ihn jemand und er hörte gedämpft, wie Samira Öznur riet, lieber rauszugehen. Seine Sicht schärfte sich wieder, als Susanne ihm die Stirn kühlte. „Ich habe doch gesagt, du sollst dich ausruhen und nicht ausrasten.“, seufzte sie und gab den Kühlbeutel an Samira weiter, um sich nun um Eagles verstauchten Fußknöchel zu kümmern. Okay, eigentlich war es bescheuert, so über Benedicts Mutter zu denken, aber in Eagles Kopf fühlte sich eben gerade sowieso alles wie Matsch an. Da durfte der Gedanke zur Ausnahme schon mal dabei sein, dass Samira Yoru verdammt heiß war, auch wenn sie um die zwanzig Jahre älter war als er. Wobei ‚heiß‘ nicht ganz der treffende Ausdruck war… Sie erinnerte ihn mit dem hellblauen, leicht glitzernden, eng anliegenden Kleid eher an diese Eiskönigin, wo Sakura in den Weihnachtsferien im Kinofilm war. Falls der Film keine Animation geworden wäre, hätte Samira unter Garantie diese Rolle bekommen. Ja, in Eagles Kopf war zurzeit wirklich nur Matsch. Er machte sich Gedanken über einen Kinderfilm, verdammt noch mal!!! „Und warum kümmern Sie sich jetzt um mich?“, fragte er träge, als Samira das Stirnkühlen übernahm. „Müssten Sie nicht auch total sauer sein, weil es mir am Arsch vorbeigeht, ob der beste Freund von Benedict nun stirbt oder nicht?“
Samira seufzte. „Nicht sauer, es macht mich nur sehr traurig. Sisika hätte nicht gewollt, dass sich zwischen euch so eine Kluft bildet…“ „Lass meine Mutter aus dem Spiel!“, rief Eagle aufgebracht und wollte aufspringen, doch als ihm erneut schwindelig wurde, ließ er es lieber bleiben und beobachtete stattdessen, wie Jacob den Kopf schüttelte und einige Worte mit seiner Frau wechselte. Doch das Rauschen in Eagles Ohren hinderte ihn daran, irgendetwas zu verstehen. Nach dem Gespräch verließ Jacob die Küche und kam kurz darauf mit Florian zurück. „Wir bringen dich jetzt ins Krankenhaus zu den anderen.“, meinte dieser und half Eagle zusammen mit Jacob auf die Beine. Eagle schnaubte. „Echt jetzt? Wie edelmütig von euch. Und was ist mit Lissi?“
„Hier bin ich, Eagle-Beagle!“ Kam Lissis Quietsche-Stimme vom Eingang, was Eagles derzeitigen gesundheitlichen Zustand nicht gerade besserte, sondern nur noch mehr Kopfschmerzen verursachte. „Hast du was herausfinden können?“, erkundigte sich Florian, während er und Jacob Eagle auf dem Weg zur Hintertür hin stützten, wo Saya vorhin mit dem Krankenwagen auf sie, genauer auf die kleine Nervensäge Carsten, gewartet hatte. Tatsächlich beantwortete Lissi seine Frage mit einem Nicken, wirkte dabei aber seltsam niedergeschlagen. „Ich erzähl euch alles später…“ Statt mit einem Krankenwagen, fuhren sie dieses Mal bei den Yorus mit. Also Eagle, Lissi und Öznur, die anderen würden dann später irgendwann nachkommen. Auch während der Fahrt nahm Eagle alles um ihn herum nur verschwommen wahr. Er war froh, als sie die Autobahn herunterfuhren und die Landschaft ihm immer vertrauter wurde. Jacob parkte seinen Porsche auf einem Besucherparkplatz vom Krankenhaus von Karibera, einem flachen, länglichen Gebäude mit Holzfassade. Öznur und Lissi, die sich bei dem Viersitzer auf einen Platz gequetscht hatten, waren offensichtlich froh, endlich wieder ihren Freiraum zu haben, während Jacob Eagle aus dem Wagen half. Eagle war erleichtert, dass er seine Übelkeit in den Griff bekommen hatte. Denn auch wenn er Benni nicht allzu sehr mochte, waren seine Eltern doch ganz okay und der silberne Porsche war cool, den hätte er nicht vollkotzen wollen. Dennoch war ihm scheiß schwindelig und er wollte sich einfach nur noch hinlegen. Bei dem ganzen Durcheinander in seinem Kopf kam er gar nicht dazu, mithilfe seiner Energie den Heilprozess zu beschleunigen und Eagle hoffte, dass sich das schnell bessern würde. Natürlich musste ausgerechnet Benedict aus dem Eingang des Krankenhauses kommen. „Wie geht es Carsten?!?“, fragte Öznur ihn aufgebracht. „Laut Saya kritisch.“, antwortete er nur und Eagle wurde den Gedanken nicht los, trotz seiner derzeitigen Verfassung einen Hauch Sorge in Benedicts Stimme gehört zu haben. Die beiden Mädchen tauschten einen verzweifelten Blick aus, während ausgerechnet Benedict Eagle stützte und in das Innere des Krankenhauses half. „Ich will deine Hilfe nicht.“, meinte Eagle schnaubend. „Dennoch brauchst du sie.“, erwiderte Benedict trocken. Eagle hatte eigentlich erwartet, dass Benedict ihn genauso grob behandeln würde, wie er selbst vorhin mit Carsten umgegangen war. So Rache-mäßig. Aber überraschender Weise war Benedict trotz allem ziemlich behutsam. Einerseits war Eagle auch froh darüber, immerhin war er verwundet, aber andererseits… Musste ihm der eiskalte Engel jetzt ein schlechtes Gewissen machen?!? Ja, gut, Eagle gab es zu. So sehr er Carsten auch hasste, er hätte ihn ruhig aufgrund seiner Verletzungen etwas besser behandeln sollen. Einfach weil es ihm ja wirklich so miserabel ging. Aber jetzt kam diese Einsicht sowieso schon zu spät. Benedict brachte Eagle in ein nicht belegtes Krankenzimmer, wo sich auch Laura und Ariane befanden, die beide immer noch ziemlich aufgelöst schienen. Während er Eagle auf einem Bett absetzte, beobachtete dieser, wie Ariane erfolglos versuchte, Laura und sich selbst zu beruhigen. Klar, sie hatte mitansehen müssen, wie Jack Carsten angegriffen hatte und das hatte schon ein ziemlich krasses Bild abgegeben. Eagle schnaubte. Ernsthaft? Hatte Jack ihm so übel zugesetzt, dass er inzwischen mit seinen Gedanken sogar zu Carsten abdriftete?! Auch Öznur und Lissi waren in das Krankenzimmer gekommen und versuchten ebenfalls, Laura und Ariane zu beruhigen, was ihnen aber nicht gerade gelang, da sie selbst kurz vorm Losheulen waren. ‚Klappe!‘, würde Eagle ihnen am liebsten jetzt zurufen, oder ‚Heult wo anders, ich will schlafen!‘, aber dafür war er viel zu erschöpft. So streifte er sich einfach die Schuhe von den Füßen und legte sich im Anzug auf das Bett. Einschlafen konnte er bei dem Geflenne der Mädchen leider nicht, aber immerhin konnte er sich ausruhen. Das war doch schon mal etwas. Nach und nach trudelten auch die restlichen der Dämonenbesitzer ein, erst Anne und Susanne und schließlich auch Florian und Janine mit Rina und immer wieder war die erste Frage: ‚Wie geht’s Carsten?‘ Als sie zum weiß Gott wievielten Mal fiel, platzte Eagle schließlich der Kragen. „Ihm geht’s scheiße! Zufrieden?! Und mir übrigens auch, also haltet entweder endlich mal die Fresse oder verschwindet!“ Seine Reaktion klang schroffer, als beabsichtigt und natürlich musste ausgerechnet Laura betroffen zusammenzucken, die sich das alles sowieso immer viel zu sehr zu Herzen nahm. Und natürlich hielt Benedict es nicht für nötig, sie zu trösten. Na gut, er war gerade auch gar nicht hier. Öznur schnaubte verärgert. „Echt jetzt?!?“ Laura schluchzte. „Wie kann dir Carsten so egal sein?!“
„Stimmt. Sogar als Benni damals bei dem Feuer schwer verletzt wurde, warst du betroffener.“, bemerkte Anne kritisch. „Ist halt so.“ Eagle zuckte mit den Schultern und stellte leicht erfreut fest, dass die beschleunigte Heilung endlich ihre Wirkung zeigte, da diese Bewegung kaum mehr weh tat. „Aber warum?!?“, schrie Laura weinend. „Carsten ist dein Bruder!!!“ Genervt massierte sich Eagle die Schläfen. Trotz der beschleunigten Heilung war er immer noch verletzt! Also warum mussten die Mädchen eigentlich bei jeder Kleinigkeit gleich loskreischen?!? Öznur seufzte. „Das hab ich ihm auch schon gesagt, aber es hat keinen Sinn. Eagle ist und bleibt ein Arsch.“ „Schön, dass du das auch noch in meiner Gegenwart sagen musst.“, schnaubte Eagle gereizt. „Ich hoffe halt, dass sich das irgendwann mal ändern wird!“ Verärgert funkelte Öznur ihn an. Laura schluchzte. „Na und? Selbst wenn… Carsten rettet das auch nicht!“ Ariane drückte sie wieder an sich. „Er wird schon wieder… Und wo zum Teufel ist der eiskalte Engel?!? Eigentlich sollte er sich doch um seine Freundin kümmern. Er weiß doch, wie schwer Laura das ganze trifft!“ Anne verdrehte die Augen. „Der drückt sich garantiert mal wieder davor, sie zu trösten. Ist doch typisch für ihn.“ „So ein Unsinn.“, nahm Janine Benedict in Schutz. „Saya hat Benni zum Häuptlingsanwesen geschickt.“, erklärte Konrad ruhig, der gerade das Zimmer betreten hatte. „Er soll für Carsten frische Sachen holen, die nicht gerade voller Blut sind.“ „Wie geht es ihm?“, erkundigte sich Susanne zögernd und Eagle gab sich alle Mühe, bei dieser Frage nicht schon wieder auszurasten. Konrad seufzte. „Na ja… Etwas besser. Ich habe ihm das Blut wiedergegeben und Saya hat die Wunden genäht, er ist also außer Lebensgefahr. Aber wenn er aus der Narkose aufwacht, wird er höllische Schmerzen haben…“ Janine atmete auf. „Aber er wird es schaffen?“
„Er hat gute Chancen.“, antwortete Konrad, was aber noch einiges offen ließ. „K-können wir… Zu ihm?“, fragte Laura, immer noch schluchzend und an Ariane geklammert. Konrad zwinkerte ihr zu und ging aus der offenen Tür raus. Kurz darauf kam Saya rein, die ein Krankenbett vor sich herschob. Viele der Mädchen stürmten sofort zu ihr, warteten aber, bis sie das Bett mit gerade mal zwei Metern Abstand neben das Bett von Eagle gestellt hatte. „Carsten! Wie geht es dir?!“, fragte Ariane besorgt. „Er schläft, du Dummkopf. Er wird dir nicht antworten können.“ Anne schlug ihrer Freundin auf den Hinterkopf. „Autsch! Na und?!“ Ariane rieb sich die schmerzende Stelle und funkelte Anne vorwurfsvoll an. „Aber ist es nicht zu gefährlich, wenn Sie ihn auf ein normales Krankenzimmer bringen?“, erkundigte sich Susanne besorgt. Saya winkte ab. „Ach was, Carstens Zustand ist ziemlich stabil. Und sollte es ihm wirklich unvermittelt schlechter gehen, gibt es hier genug Leute, die das sofort bemerken würden. Nicht wahr?“ Bei ihrer Frage lächelte sie zu Benni rüber. Eagle hatte gar nicht bemerkt, dass er inzwischen auch gekommen war und abseits bei Konrad an der Tür stand. „Na endlich!“, rief Ariane. Sie schaute den eiskalten Engel auffordernd an und deutete dann auf Laura, die neben ihr an dem Bett stand, in dem Carsten lag und immer noch total verheult war. Aber überraschender Weise saß sowohl ihre Frisur als auch ihre Schminke immer noch perfekt. Rina wusste anscheinend auch über Lauras Hang zum Heulen Bescheid. Tatsächlich schien der eiskalte Engel inzwischen etwas aufgetaut zu sein. Denn im Gegensatz zu sonst reichte schon alleine diese Aufforderung aus, dass er zu Laura rüberging und sie sanft in den Arm nahm, während sich Laura Trost suchend wie ein kleines Kätzchen an ihn kuschelte. Da Eagle den beiden ein bisschen Privatsphäre lassen wollte, richtete er sich etwas in seinem Bett auf, um Carsten mal genauer betrachten zu können. Nicht aus Sorge um ihn versteht sich, sondern einfach aus Neugierde. Seine linke Seite, die Jack regelrecht aufgeschlitzt hatte, war über und über mit großen weißen Pflaster-artigen Dingern beklebt. Eagle war kein Arzt, er kannte sich mit dem ganzen Zeug nicht aus. Aber einige der Mädchen schienen Carsten nicht wegen seiner Verletzungen zu betrachten. „Oh mein Gott!“, rief Öznur auf. „Ich wusste ja gar nicht, dass Carsten einen so guten Körperbau hat!!!“ Sowohl Florian, als auch Konrad und Rina mussten bei ihrem Kommentar lauthals loslachen, während sich Benni und Eagle fast gleichzeitig mit der Hand auf die Stirn schlugen. Allerdings war das für Eagle doch noch ziemlich schmerzhaft. „Ernsthaft?“, fragte er die Mädchen genervt. „Hey, das hatte keiner von uns gedacht!“, verteidigte sich Öznur. „Ich dachte, er hätte eher einen dürren Körper…“ „Wie Lauch!“, ergänzte Lissi. Laura schnaubte beschämt. „Ich bin nicht ‚dürr‘!“ „Oh doch, Bohnenstängchen. Und wie.“, widersprach Lissi ihr. Florian verdrehte grinsend die Augen. „Nur weil wir Magier sind, heißt das noch lange nicht, dass wir körperlich schwach sind. Im Gegenteil. Damit wir nicht unter den Nachwirkungen unserer Magie leiden, brauchen wir eine gewisse Fitness.“ „Ja schon, aber trotzdem. Ich hätte nicht gedacht, dass Carsten so muskulös ist.“, meinte Öznur unnötig begeistert. Na gut, muskulös musste hier wohl etwas anders definiert werden. Genau genommen war Carsten immer noch alles andere als muskulös. Er hatte kein sonderlich breites Kreuz und die definierte Muskulatur war zwar schon sichtbar aber nicht so stark ausgeprägt. Schlank beschrieb diesen Spargeltarzan also nach wie vor deutlich besser als muskulös. Aber zur Ausnahme hielt sich Eagle mit seiner Meinung mal zurück, immerhin war es ja nicht so, dass Carsten schlecht aussah. …Jacks Angriff hatte eindeutig irgendeinen Schaden in Eagles Hirn verursacht. Anne verdrehte die Augen. „Er war sechs Jahre im FESJ, eine Besserungsanstalt, die einen mit den reinsten Knochenarbeiten foltert. Und du denkst ernsthaft, nach diesen sechs Jahren hätte er noch nicht mal ansatzweise Muskeln bekommen?“ Lissi klatschte in die Hände. „Uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuh, Banani, das ist ja mal was ganz Neues. Seit wann nimmst du unser Cärstchen denn so in Schutz?“ „Ich nehm ihn nicht in Schutz. Das sind neutral betrachtete Fakten.“, zischte Anne sie an. Einige der Mädchen tauschten vielsagende Blicke aus. „Na ja, er ist der erste Junge, dem du nicht ständig Kontra gibst.“, bemerkte Janine. Susanne nickte. „Da hat sie Recht.“ Anne grummelte etwas, aber das wurde von einer sich gerade öffnenden Tür überspielt. Chief, also Eagles und Carstens Vater, trat ein. Auch wenn Eagle ein angespanntes Verhältnis zu seinem Vater pflegte, hatte er doch großen Respekt vor Chief. Er war ein stattlicher Indigoner mit langen, glatten, schwarzen Haaren, die bereits einige gräuliche Strähnen hatten. Dennoch besaß er eine furchteinflößende und autoritäre Ausstrahlung, die durch das markante Kinn unterstützt wurde. Ebenso durch die etwas schmaleren hellbraunen bis orangenen Augen, die er an Eagle weitervererbt hatte. Er wandte sich an Saya. „Bist du fertig? Können wir gehen?“ Noch bevor Saya antworten konnte, meinte Öznur plötzlich: „Äh, hallo? Kein: ‚Wie geht es meinem Sohn?‘?!?“ Chief schaute zu Eagle rüber, der inzwischen aufrecht auf dem Bett saß. Zwar war er noch angeschlagen, aber es ging ihm weitgehend wieder ganz akzeptabel. Im Vergleich zu vor einigen Stunden jedenfalls. „Ich sehe, dass es ihm relativ gut geht, daher brauche ich nicht zu fragen.“, meinte Chief, nachdem Eagle seinen Blick kurz erwidert hatte. Ariane biss die Zähne zusammen. „Öznur hatte nicht Eagle gemeint.“ Nur ganz kurz betrachtete Chief Carsten, vielleicht noch nicht mal eine Sekunde lang, ehe er sich der Tür zuwandte. „Gehen wir.“ „Oh nein!“ Öznur stapfte an Chief vorbei, versperrte ihm den Weg raus und schlug die Tür zu. Bei dem Knall entstand um die gesamte Tür herum eine Stichflamme und der roten Aura um Öznur und ihren rot glühenden Augen nach zu urteilen, war sie verdammt angepisst. „Niemand verlässt hier diesen Raum, bis sich nicht endlich geklärt hat, warum Carsten so scheiße von seiner Familie behandelt wird!“ Auf Chiefs irritierten Blick hin meinte Öznur: „Das hat er nicht verdient!!!“ Eagle konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Diese Aktion von Öznur kam ihm echt zu blöd vor. „Ach nein?“
„Nein! Was ist daran so lustig?!“, fragte Öznur ihn verärgert. Eagle verdrehte die Augen. „Du willst uns in ein Krankenzimmer einsperren und dadurch zum Reden bringen? Abgesehen davon: Wenn du dich so sehr um ihn sorgst, dann solltest du vielleicht merken, dass Herumbrüllen ihm nicht gerade hilft. Im Gegenteil.“
„Was?!?“, schrie Öznur ihn an. „Du weichst uns doch immer aus, wenn wir wissen wollen, warum du Carsten so sehr hasst!“ Susanne ging zu ihr rüber und legte ihre Hand auf Öznurs Schulter. „Aber Eagle hat Recht. So gut dein Vorhaben auch gemeint ist, Carsten braucht unbedingt Ruhe.“ Öznur atmete tief durch und schien sich allmählich zu beruhigen. Doch das rot flammende Lodern wollte trotzdem nicht ganz verschwinden. „Na gut, ein allerletztes Mal auf die freundliche Tour.“ Anne warf Eagle einen warnenden Blick zu. „Also. Sag uns endlich, warum du Carsten nicht ausstehen kannst, oder ich katapultier dich aus dem Fenster. Dann wird die leichte Gehirnerschütterung von vorhin noch dein geringstes Problem gewesen sein.“ Natürlich wusste Eagle, dass er Anne haushoch überlegen war, aber da er ja nicht ganz auf dem Damm war, ging er trotzdem lieber auf Nummer Sicher. Außerdem musste er auch aufpassen, dass er die anderen nicht zu sehr verärgerte. Anne alleine war vielleicht kein Problem, aber auch Öznur traute er zu, handgreiflich zu werden und er wollte nicht als Brathähnchen enden. Und auf Florians Würge-Ranken hatte er erstrecht keine Lust. Einmal war schon mehr als genug. Bei Benedict baute Eagle jedenfalls darauf, dass er sehr beherrscht und nicht so kampflustig war und außerdem, wie vorhin auch, Rücksicht darauf nehmen würde, dass Eagle immer noch verwundet war. Verbissen stellte Eagle fest, dass Benni von allen hier wohl den ehrenvollsten Charakter hatte… Verdammt. „Also?“, drängte Ariane, „Sagst du uns, warum du Carsten nicht leiden kannst oder möchtest du den Weg nach Hause kriechen?“ Also im Drohen waren die Mädchen jetzt keine Meisterinnen, aber was soll’s. Seufzend gab sich Eagle geschlagen. War ihm doch egal, was sie danach von ihm hielten, wenn sie wussten, warum er Carsten nicht ausstehen konnte. „Es gibt keinen richtigen ‚Grund‘. Ich hab ihn einfach noch nie leiden können.“ „Das kann nicht sein.“, widersprach Susanne ihm. Ariane nickte. „Egal wie nervig kleine Geschwister auch sein können, man hat sie trotzdem lieb. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.“ „Nun, dann liegt es vielleicht daran, dass ich Carsten nicht als meinen Bruder betrachte, wie ich euch schon die ganze Zeit versuche zu verklickern.“, meinte Eagle genervt. „Das versteh ich nicht ganz…“ Verwirrt schaute Laura ihn an. „Sakura magst du doch und sie ist auch nur deine Halbschwester.“ Eagle schnaubte. „Das ist was anderes.“ „Nein, ist es nicht.“ Öznur gab sich eindeutig Mühe, nicht zu laut zu sprechen. „Doch, ist es.“, gab ihm ausgerechnet sein Vater Recht. „Und daran bist alleine du Schuld.“ Eagle hatte keine Ahnung wieso, aber der Kommentar seines Vaters machte ihn regelrecht aggressiv. Vermutlich, weil dieser Kommentar ausgerechnet von seinem Vater kam. Ja klar, der Arsch wusste ja auch, wieso Eagles Beziehung zu Carsten was anderes war, als seine Beziehung zu Sakura. Doch Chief schien nicht verstanden zu haben, dass Eagle genau das mit seiner Aussage gemeint hatte, da er seinen Sohn nur total verwirrt anschaute. „Woran soll ich die Schuld tragen?“ Eagle ballte die Hände zu Fäusten. „Jetzt tu nicht so scheinheilig! Im Endeffekt bist du der Grund, warum ich Carsten schon immer gehasst habe! Du und Saya!!!“ Als niemand, noch nicht einmal die beiden Angesprochenen, verstanden, was er meinte, platzte Eagle endgültig der Kragen. „Denkt ihr im Ernst, ich bin so bescheuert, dass ich das nicht merken würde?! Dass du meine Mutter betrogen hast?!?“
„Ich habe sie nie betrogen.“, meinte Chief verwirrt. „Verkauf mich nicht für dumm! Carsten ist etwa zwanzig Minuten nach ihrem Tod auf die Welt gekommen! Super Timing, nicht wahr?!? Etwa neun Monate davor fickst du ihre beste Freundin und kaum ist Mutter tot hast du an ihrer Stelle noch nen Sohn!!! Wahnsinn, ein toller Stammesführer bist du!!!“, brüllte Eagle seinen Vater voller Zorn an. „Rede nicht in diesem Ton mit mir!“, erwiderte Chief wütend. „Ich rede, wie ich will!!!“ Eagle spürte, wie er derweil die gesamte Aggression, die sich über Jahre angestaut hatte, in Form seiner Wind-Energie endlich freiließ. Sie riss das Fenster auf, ließ Gegenstände im Raum herumwüten und warf einige der nicht so standhaften Mädchen zum Teil sogar schmerzhaft zu Boden. Doch Eagle war es egal. Diese ganzen Leute hier konnten ihn mal! Ehe es tatsächlich lebensgefährlich wurde, spürte er, wie jemand ihn in einem schmerzhaften Polizeigriff packte. „Lass es, du bist nur ein primärer Gesegneter! Du kannst mich nicht kontrollieren!“, rief Eagle über die Schulter Benedict zu, der nahezu unheimlich ruhig erwiderte: „Das habe ich auch gar nicht nötig.“ Eagle spürte, wie Benedict seinen Griff an Eagles Handgelenk verstärkte und zu spät fiel ihm auf, dass es jenes Handgelenk war, welches er sich im Kampf gegen Jack verstaucht hatte. Ein brennender Schmerz fuhr durch Eagle, als Benni ihm das schon verstauchte Handgelenk auch noch fast brach und mit einem Schlag war der gesamte Wind verschwunden. Krachend fielen die zuvor noch herumgeflogenen Sachen auf den Boden und ein Tisch hätte fast den immer noch im Bett liegenden Carsten erschlagen, als ein zweiter Windstoß kam, der alles wieder auf seinen rechten Platz brachte. Auch ohne hinzusehen wusste Eagle, dass dieser von Benedicts Wind-Energie ausgelöst worden war. Schwer atmend rieb sich Eagle das Handgelenk, das Benedict endlich wieder losgelassen hatte. Es tat höllisch weh. Derweil beobachtete er, wie sich die Mädchen wieder auf die Beine mühten und ihn zum Teil verängstigt musterten. Susanne wurde anscheinend von irgendetwas Scharfem gestreift, da sich ein leicht blutender Schnitt in ihrem Unterarm befand, der allerdings so schnell heilte, dass man ihm dabei schon zusehen konnte. Eagles Blick fiel auf seinen Vater, der ihn zornig anfunkelte. „Das reicht Eagle, du gehst jetzt sofort nach Hause und lässt dich hier nicht mehr blicken. Du bist eine Schande für die Familie.“
„Ach ja, bin ich?“, fragte Eagle gereizt. „Und was bist du dann?!“ „Es reicht!“ Unterbrach Samira Yoru den Streit. Es war schon fast beeindruckend, wie viel Kraft sie in diese zwei Worte legen konnte. Saya nickte. „Beruhigt euch, alle beide. Das hier ist ein Krankenhaus. Mein Krankenhaus. Und ich dulde eure Streitigkeiten hier nicht länger. Also entweder ihr verhaltet euch so, wie ihr euch eurem Verstand entsprechend eigentlich verhalten sollt, oder ihr könnt beide gehen.“ Da sogar Chief nichts erwiderte, blieb Eagle lieber auch still. Das letzte was er gebrauchen konnte war als Verletzter von Saya aus dem Krankenhaus geworfen zu werden, weil er sich mit seinem Vater gestritten hatte. „Ich glaube, hier liegt ein grundliegendes Missverständnis vor.“ Samira schaute Eagle fragend an. „Kannst du dich noch daran erinnern, wie Sisika aussah?“ „Willst du damit sagen, sie war hässlich?!“, fuhr Eagle sie aufgebracht an. Jacob Yoru hob beruhigend die Hände. „Beantworte einfach die Frage.“ Zähneknirschend wandte sich Eagle ab. „Nein, kann ich nicht. Wie auch?! Der Arsch, der sich mein Vater schimpft, hat offensichtlich alle Fotos entsorgen lassen und leider besitze ich nicht so ein Elefantengedächtnis, wie der eiskalte Engel.“ Benedict reagierte gar nicht darauf, während Chief widersprach: „Ich habe sie nicht entsorgt. Nur weggesperrt!“ „Und warum?!?“ „Wie soll ich deiner Meinung nach eine gesamte Region führen, wenn ich ständig an meine verstorbene Frau erinnert werde?!?“, fragte Chief. Auch wenn es rhetorisch gemeint war, antwortete Eagle: „Ich glaube, das war kein großes Problem für dich. Immerhin hast du sie betrogen!“ Dieses Mal hielt sich Eagle jedoch mit aller Kraft zurück, um nicht schon wieder auszurasten. Denn Benedict stand immer noch hinter ihm und Eagle hatte keine Lust, am Ende nicht nur ein verstauchtes, sondern ein gebrochenes Handgelenk zu haben. Samira seufzte. „Und genau hier liegt das Problem.“ Sie kam zu Eagle rüber und holte ihr Portemonnaie aus der Handtasche. Aus diesem wiederrum holte sie ein Bild und reichte es Eagle. Neugierig kamen fast alle Mädchen rüber, um das Foto ebenfalls zu betrachten, während Eagle es kritisch musterte. Jedenfalls vorerst… Das Foto zeigte drei junge Frauen und einen Mann, geschätzt drei Jahre älter als er und es stand sofort fest, wer sie waren. Bei den beiden in der Mitte handelte es sich um ein Brautpaar, offensichtlich Samira und Jacob. Neben Jacob stand Saya, anscheinend eine Trauzeugin und neben Samira… Eagles Mutter Sisika. Mit einem Schlag fiel Eagle das Atmen schwer und langsam hob er den Blick, als hätte er Angst, sein Kopf würde platzen, wenn er ihn zu schnell bewegte. Sisika hätte auch genauso gut Carstens Zwillingsschwester sein können. Es fiel ihm schwer, auf dem Bild seine Mutter erkennen zu können, einfach weil er immer und immer wieder Carsten in ihr sah! Der Mund, die weißen Zähne… Das war sein Lachen. Die freundlichen, großen Augen mit diesem magischen Lila… Das waren seine Augen. Der einzige Unterschied war, dass ihre schwarzen Haare nicht glatt waren, sondern perfekte Locken hatten. „W-wie ist das möglich?“, fragte Eagle mit zitternder Stimme, während er Carsten beobachtete, schwer verwundet und immer noch nicht bei Bewusstsein und in ihm auf einmal gleichzeitig seine Mutter sah, wie sie auf ihrem Sterbebett lag. „Was ist das für ein fauler Zauber?!“ Verzweifelt und verwirrt schaute er Chief, Saya, Samira und Jacob an. „Das ist keine Magie.“, erwiderte Saya ruhig. „Carsten ist Sisikas leiblicher Sohn.“ Da Eagle seine Sprache nicht wiederfinden konnte, fragte Ariane schließlich, ebenso verwirrt: „Aber wie kann das sein? Sie ist vor seiner Geburt gestorben, das hat Carsten selbst mal gesagt.“ Saya seufzte. „Na ja… Als Sisika erfuhr, dass sie zum zweiten Mal ein Kind erwartete, stand bereits fest, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Hätte sie das Kind allerdings behalten, hätte es sie so sehr geschwächt, dass sie keine zwei Monate mehr überlebt hätte. So wäre das nicht nur ihr, sondern auch der Tod des Kindes gewesen.“
„Ich habe ihr geraten, es abzutreiben.“, fuhr Chief verbissen fort. „Wenn der Junge ihren Tod bedeutet hätte und dabei noch nicht einmal selbst überleben konnte…“ Nach einer Weile meinte Saya schließlich: „Aber natürlich hat sie sich dagegen gewehrt. Sie wollte unter allen Umständen jedenfalls ihr Kind retten. Und als wäre das nicht genug, hatten Samira und Jacob sie auch noch nach allen Kräften unterstützt.“ „Natürlich.“, meinte Samira, als sei das selbstverständlich. „Wir konnten ihre Situation immerhin vollkommen nachvollziehen…“ Sie warf einen traurigen Seitenblick auf Benni, der ihm allerdings auswich. „Aber Carsten ist am Leben… Was habt ihr also gemacht?“, fragte Laura verwirrt und ging zu Benni rüber, um seine Hand zu nehmen. „Ich habe ihn an Sisikas Stelle ausgetragen.“, antwortete Saya. Einen Moment lang war der Raum bloß in ehrfürchtiges Schweigen getaucht. Eagle konnte nicht glauben, was seine Ohren ihm da weismachen wollten zu hören. Saya hatte… was? Also war sie gar nicht Carstens richtige Mutter? Er war in Wahrheit… Aber… „… Ihr wart wirklich gute Freunde…“, bemerkte Janine gerührt. „Aber wie kann es dann sein, dass Eagle Carsten von Anfang an so sehr gehasst hat? Immerhin sieht er seiner Mutter doch schon fast zum Verwechseln ähnlich!“, fragte Öznur. … Mit einem Schlag bekam Eagle bei ihren Worten ein schlechtes Gewissen. Er hatte Carsten sein Leben lang gehasst! Er hatte sich immer geweigert, ihn als seinen Bruder zu betrachten! Hatte allen Frust und Ärger an ihm ausgelassen! Und warum?!? Eagle ließ das Foto betrübt sinken. „Als kleines Kind hab ich immer gedacht, dass er meiner Mutter die Lebensenergie ausgesaugt hat, oder so ähnlich… Deshalb habe ich ihn irgendwie seit ich denken kann gehasst und auch als ich später wusste, dass das eigentlich unlogisch ist, der Hass…“ Eagle zitterte am ganzen Körper. Zur Ausnahme war ihm mal wirklich zum Heulen zumute, doch er hielt sich mit aller Kraft zurück. Nicht vor den ganzen Leuten. „Carsten sah Sisika schon als Baby sehr ähnlich. Vermutlich hat dich diese Ähnlichkeit unterbewusst verwirrt und um eine Antwort zu finden, hast du dir dann diese Geschichte zusammengereimt.“, vermutete Samira. „Und vielleicht hatte ihn auch das Bild damals negativ geprägt, als wir Carsten auf Sisikas Brust gelegt hatten.“, fiel Saya auf. „Hä?“ Fragend legte Ariane den Kopf schief. Saya seufzte traurig. „Carsten wusste seit seiner Geburt, dass ich nicht seine wahre Mutter bin…“ „Echt jetzt?!“, fragte Laura überrascht. „Ja, er hatte einfach keine Ruhe gegeben. Normalerweise beruhigen sich Neugeborene ja, wenn sie den Herzschlag ihrer Mutter hören, aber bei Carsten war das nicht so.“, erklärte Saya, „Erst als wir ihn zu Sisika gelegt haben, obwohl es in dem Moment nur noch ihre Leiche war, hat er sich beruhigt und ist eingeschlafen…“ „Das heißt, er wusste von Anfang an, dass seine leibliche Mutter tot ist?“ Janine rieb sich über die Augen, in denen sich anscheinend Tränen gesammelt hatten. Klar, sie war immerhin Vollwaise… Sie konnte Carstens Situation vermutlich viel zu gut mitfühlen. Saya nickte. „Vielleicht ist es euch aufgefallen, er hat mich immer nur bei meinem Namen genannt.“ „Stimmt!“, bemerkte Laura überrascht. Fragend schaute sie Benni an. „Wusstest du davon?“ Dieser nickte als Antwort. „Und warum habt ihr mir nichts gesagt?!“, fragte Eagle verärgert. „Hätte ich gewusst, wie das alles wirklich war, dann- … dann…“ „Dann… wärst du Carsten gegenüber nicht so ein Arschloch gewesen?“, schlug Öznur ihm vor. Verbissen nickte Eagle. Ja, dann hätte er das alles verstehen können!
Dann hätte er weder seinen Vater noch Carsten die ganze Zeit über gehasst!!! Chief seufzte. „Bis eben gerade haben wir gar nicht gewusst, dass du es nicht wusstest…“ „Aber Eagle hat euch doch sogar irgendwie dazu gebracht, Carsten auf das FESJ zu schicken! Warum habt ihr das nicht hinterfragt?!“ Vorwurfsvoll funkelte Laura Chief und Saya an. „Woher hätten wir denn wissen sollen, dass die Ähnlichkeit von Carsten und Sisika der Ursprung seines Hasses war?“, fragte Saya traurig. „Und Chief war es sowieso recht, dass Carsten aus seinen Augen verschwand…“ „Was?!? Wie können Sie ihrem eigenen Sohn das antun?!? Wissen Sie eigentlich, was er deshalb von Ihnen denkt?!?“, fragte Ariane aufgebracht. „Wie kann ich über den Tod von Sisika hinwegkommen, wenn ich sie Tag aus Tag ein vor Augen habe?!“, erwiderte Chief gereizt. „Ich habe nicht umsonst alle Bilder weggeschlossen! Und kaum fällt mein Blick auf Crow, sehe ich an seiner Stelle sie!“ „Aber das ist doch schön! Es ist wie als würde Sisika durch Carsten noch weiterleben!“, meinte Laura hoffnungsvoll, als Eagle noch etwas auffiel… Etwas Eindeutiges, was ihm eigentlich sofort hätte verraten können, dass Carsten sein vollständiger Bruder war… „Crow…“, murmelte er vor sich hin. Chief nickte. „Sie hat sich gewünscht, dass er nach einem Vogel benannt wird, so wie sie auch dich nach einem benannt hat. Crow, Krähe… Der Bote des Todes… Das hat gepasst.“ „Sie haben Carsten also ‚Todesbote‘ genannt?!“, fragte Öznur erschrocken. „Krähen haben in der Mythologie nicht nur eine so negative Bedeutung. Sonst hätten wir diesen Namen nie und nimmer zugelassen.“, beruhigte Samira sie. „In der Indigonischen Kultur heißt es, diejenigen mit dem Krafttier ‚Krähe‘ besitzen eine hohe Intelligenz.“ Jacob nickte zustimmend. „Und man könne die Pforte in die Welt alles Übernatürlichen sehen, wenn man einer Krähe in die Augen schaut… Angeblich. Aber es ist nicht zu bestreiten, dass Carstens Augen alleine durch das Lila schon übernatürlich wirken.“ Öznur atmete erleichtert auf. „Okay, dann passt der Name ja doch ganz gut zu Carsten… Aber trotzdem! Man nennt keinen ‚Todesboten‘!“ Saya seufzte. „Vielleicht stellt sich Carsten sogar deshalb lieber mit seinem Erstnamen statt dem eigentlichen offiziellen vor? Wer weiß. Sisika hätte ihn vermutlich Sparrow genannt…“ Traurig lachte sie auf. Doch Eagle war nicht zum Lachen zumute… Crow, Sparrow… Das war doch jetzt egal. Viel schlimmer war doch, dass er von Anfang an versucht hatte, Carstens Leben zur Hölle zu machen! Das Leben seines kleinen Bruders… Unbeabsichtigt rutschte Eagle das Foto aus der Hand, das er die ganze Zeit über verkrampft gehalten hatte. Aber ehe er es aufheben konnte, hatte Öznur es schon genommen und reichte es ihm. Anscheinend wirkte sein Gesichtsausdruck ziemlich verzweifelt, denn Öznur lächelte ihn aufmunternd an. „Hey, das wird schon. Du wirst schon sehen, Carsten wird wieder gesund und du kannst alles wieder gut machen.“ Traurig schaute Eagle zu Carsten rüber. „Du denkst doch nicht ernsthaft, dass er mir das alles verzeihen wird, was ich ihm in diesen sechzehn Jahren angetan habe…“ „Na ja… Er wollte sogar Jack helfen.“, überlegte Ariane. „Das war was anderes…“ „Aber du bist sein Bruder!“ In Lauras Augen standen mal wieder Tränen. „Tief im Herzen hat er dich immer geliebt…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)