Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 42: Ein bisschen Rebellion ---------------------------------- Ein bisschen Rebellion „Und ihr müsst wirklich alle nach Indigo weiter? Kann nicht irgendjemand hierbleiben?“, fragte Laura die inzwischen geschrumpfte Gruppe vor dem verschnörkelten Tor des Lenz-Anwesens. Janine hatte sich alleine nach Ivory zu Florian teleportiert und Benni wurde von Carsten zuvor bereits nach Spirit gebracht, während Susanne sich und Anne nach Dessert teleportiert hatte. Nun sollte Laura bei ihren Eltern in Yami abgesetzt werden… Aufmunternd legte Carsten seine Hand auf ihre Schulter. „Heute Abend sehen wir uns doch sowieso schon wieder.“
„Ja aber… Bis dahin sind es noch sieben Stunden!“, bemerkte Laura betrübt. Sie hatte um ehrlich zu sein Angst davor, O-Too-Sama alleine gegenüber treten zu müssen… Würde er diese Gelegenheit nicht ausnutzen, um sie, wegen ihrer Beziehung mit Benni, mit einer sieben Stunden andauernden Moralpredigt zu foltern? „Ach komm, diese sieben Stunden ohne uns wirst du wohl noch überleben.“ Ariane zwinkerte Laura zu. Zerknirscht gab Laura die Diskussion auf. Es hatte sowieso keinen Sinn. Ariane, Carsten, Öznur und Lissi verabschiedeten sich von ihr und verschwanden in dem farbenfrohen Licht von Carstens Teleportzauber. …Und Laura blieb alleine zurück. Nicht sehr erwartungsfreudig schlurfte sie den Steinweg zu der Villa entlang, der von den Laternen und kleinen Kirschbäumen nahezu eingezäunt war. Laura schaute zurück zu dem wieder verschlossenen Eingangstor. Die Steinmauer, die die Villa umgab und das verschnörkelte Tor hatte Laura schon immer an ein Gefängnis erinnert… Wenn auch ein schönes Gefängnis. Es war wie ein goldener Käfig. Sie durfte ihn nur dann verlassen, wenn sie von jemandem begleitet wurde, der in der Lage war, auf sie aufzupassen… Wie Benni, Carsten oder auch Rebecca. Und danach hatte man sie immer wieder hier eingesperrt. Der Butler öffnete ihr die Tür und Laura streifte sich die Schuhe von den Füßen, als sie in das modern-japanisch eingerichtete Gebäude trat. „Ihr Vater ist in der Bibliothek, Hime-Sama.“, informierte Kaj sie. Laura seufzte. Na toll, jetzt konnte sie nicht mehr einfach so unbemerkt in ihr Zimmer gehen… Wobei… Das hätte sie so oder so nicht gekonnt, da Kaj ihre Ankunft garantiert bei ihrem Vater angekündigt hätte. Sie hätte sich schon über die Mauer und den Balkon in ihr Zimmer schleichen müssen, um unbemerkt zu bleiben… und im Unbemerkt-Bleiben war Laura natürlich nicht sehr talentiert. Also ging sie in die Bibliothek im Erdgeschoss, die auch gleichzeitig das Arbeitszimmer ihres Vaters war. Nachdem sie angeklopft und das „Herein.“ auf Japanisch von O-Too-Sama gehört hatte, öffnete Laura die Tür und trat ein. Für gewöhnlich fühlte sich Laura in Bibliotheken immer wohl, weil sie eine entspannende Atmosphäre hatten und mit den ganzen Büchern in den dunklen Holzschränken zum Teil auch altertümlich und dadurch irgendwie magisch wirkten… Aber in dieser Bibliothek war das anders. Ja gut, auch hier standen unzählig viele Bücher in dunklen Holzschränken herum, aber diese Bücher waren keine, in denen Laura freiwillig schmökern wollte. Wenn es nicht gerade geschichtliche Bücher waren, dann hatten sie irgendwie anders mit Politik oder sonstigen Gesellschaftswissenschaften zu tun. In einem Regal standen auch naturwissenschaftliche Bücher und weitere Regale waren von einer Menge Klassikern gesäumt. Aber ausgerechnet diese Klassiker, die Laura nicht gerne las… Ihr Vater saß an einem schweren Holzschreibtisch vor dem Fenster und schaute noch nicht einmal dann von seinen Formularen auf, als Laura in die Mitte des Raumes gekommen war. „Ohayō gozaimasu, O-Too-Sama.“, grüßte sie ihren Vater mit einer kleinen Verneigung und versuchte, sich die ungemütliche Atmosphäre nicht anmerken zu lassen. Aber sie klang eigentlich sowieso immer total verschüchtert. „Ohayō.“, erwiderte O-Too-Sama die Begrüßung, ohne von den Zetteln aufzublicken. …Mehr nicht. Laura schluckte den Klos im Hals runter. Anscheinend wollte ihr Vater keine Moralpredigt abhalten, sondern sie gleich mit Ignoranz bestrafen… „Ich… geh dann mal hoch.“ Darauf reagierte O-Too-Sama gar nicht mehr. Laura floh regelrecht aus der Bibliothek, die Treppen hinauf, bis sie ihr Zimmer erreicht hatte. Dort angekommen ließ sie die Tür in die Angeln fallen, lehnte sich dagegen und sank auf den Boden. Es war grauenvoll gewesen… Und Laura fühlte sich auch noch schuldig!
Aber was konnte sie denn für ihre Gefühle für Benni?! Es war halt nun mal so! Bei Benni fühlte sie sich so wohl und geborgen, wie bei keinem anderen… Nur bei ihm war sie wirklich glücklich! Aber warum konnte O-Too-Sama ihn nicht leiden?!? War es einfach nur wegen Bennis sturem und rebellischem Charakter? Oder lag es daran, dass er ein ‚Waldläufer ohne Identität‘ war, wie O-Too-Sama ihn einst genannt hatte? Laura fragte sich, wie er über Benni denken würde, wenn er wüsste, wer er wirklich wäre… Denn auch, wenn der Yoru-Clan schon lange nicht mehr herrschte, war er doch noch sehr hoch angesehen. Aber Benni konnte ja nicht zu seinen leiblichen Eltern, es musste ein Geheimnis bleiben. Um sie vor Mars zu schützen… Dennoch musste Laura bei dem Gedanken kichern, dass Benni der sogenannte ‚Erbe des Yoru-Clans‘ war, wie man den Nachfolger immer nannte. Er war im Prinzip nichts anderes als ein Prinz… Diese Erkenntnis hob Lauras Stimmung wieder etwas. Jaaaa, wenn O-Too-Sama wüsste… Dann würde er sich garantiert in Grund und Boden schämen, den ‚Erben des Yoru-Clans‘ so abwertend behandelt zu haben, dachte sie sich leicht schadenfroh. Das nächste Hindernis bis zum Abend, an dem sie die anderen -und insbesondere Benni- endlich wiedersehen konnte, war das Mittagessen. Die Zeit davor hatte Laura problemlos mit dem Schmökern in Manga überbrücken können. Aber beim Mittagessen konnte sie sich nicht einfach so hinter ihren japanischen Comics verstecken. Doch die Sache mit Benni bereitete ihr dieses Mal beim Treffen mit O-Too-Sama viel weniger Sorgen… Dieses Mal würde er sehen, wie sie sich ernährte. Denn Laura war seit dem Ende der Osterferien Vegetarierin… Und O-Too-Sama mochte bekanntlich keine Vegetarier. Missbilligend schüttelte er den Kopf. „Den Floh hat Dir dieser Waldläufer ins Ohr gesetzt, ist es nicht so?“ Denn natürlich war das sein erster Gedanke. Er mochte weder Vegetarier, noch Benni. …Und Benni war von klein auf Vegetarier! „So ein Unsinn!“, verteidigte Laura ihn. „Er zwingt keinem seine Ernährungsweise auf und er heißt Benni und nicht Waldläufer!“ „Zügle Deine Zunge!“, herrschte O-Too-Sama sie bei ihrem Ton an und Laura zuckte sofort zusammen. Er räusperte sich und meinte schließlich, etwas ruhiger: „Es ist vollkommen gleich, ob er jemandem seine Ernährungsweise aufzwingt oder nicht. Auch wenn es Dir unbewusst ist, er übt trotzdem einen Einfluss auf Dich aus. Einen negativen, sehr zu meinem Bedauern.“ Frustriert biss sich Laura auf die Unterlippe. Das stimmte aber nicht! Ja gut, durch Benni hatte sie die ‚andere Seite‘ kennengelernt. Bisher hatte sie sich immerhin nie Gedanken darüber gemacht, was sie da eigentlich aß! Aber die Entscheidung, kein Fleisch mehr zu essen, war letztlich ihre eigene gewesen! Und Laura vermisste den Fleischgeschmack auch gar nicht. „Schatz, dadurch fehlen dir aber wichtige Vitamine.“, mischte nun auch O-Kaa-Sama im Gespräch mit. Laura seufzte. „Nein, keine Sorge, O-Kaa-Sama. Du kennst Carsten doch, er passt schon auf, dass ich mich ausgewogen ernähre.“ Und das stimmte tatsächlich. Immerhin war Carsten sowohl ein begnadeter Koch, als auch ein talentierter Mediziner und das, obwohl er gerade mal sechzehn Jahre alt war. Wenn er sich nicht mit ausgewogener und gesunder Ernährung auskannte, dann niemand. Mit ihm oder den Mädchen hatte Laura damals eigentlich gar nicht diskutieren müssen, sie hatten ihre Entscheidung sofort akzeptiert. Auch wenn jemand wie Anne daraufhin spöttisch die Augen verdreht hatte. Na gut, sie hatten ebenfalls vermutet, dass Benni Laura in diesem Punkt beeinflusst hatte. Und Laura musste sich eingestehen, dass das zum Teil vermutlich sogar stimmte… Aber es war nicht, um ihn zu beeindrucken! Abgesehen davon, dass es Laura sowieso ein Rätsel war, womit man Benni eigentlich beeindrucken konnte… Sie wollte keine Tiere mehr essen und fertig! O-Too-Sama gab ein gereiztes Schnauben von sich. „Immerhin passt der Indigoner-Prinz noch auf Dich auf. Er wäre weitaus besser für Dich geeignet, als dieser oberflächliche Atheist.“ Okay, nun rastete Laura völlig aus. Benni und oberflächlich? Benni und oberflächlich?!? Verärgert sprang sie auf und schlug die Hände auf den Tisch. „Warum zum Teufel redest du ständig so über Benni?!? Du kennst ihn doch überhaupt nicht wirklich!!!“ „Rede nicht in diesem Ton mit mir, junge Dame!“ Auch ihr Vater war aufgestanden und blickte erzürnt auf seine Tochter hinab. „Nur, wenn du endlich verstehst, dass du Benni nicht nach seiner Herkunft, seiner Ernährungsweise, seinen religiösen Ansichten oder was weiß ich was beurteilen sollst!!!“, schrie Laura unter Tränen. „Und er passt sehr wohl auf mich auf!!! Ich hab schon aufgehört zu zählen, wie oft er mir alleine in diesem Jahr bisher schon das Leben gerettet hat!!!“ „Weil es seine Aufgabe ist.“, erwiderte O-Too-Sama. „Ich habe von der Direktorin gehört, wie ihr ihn nennt: den ‚eiskalten Engel‘. Er ist ein gefühlskalter Killer!“ „Ist er nicht!!!“, brüllte Laura. „Und er wird immer seltener so genannt! Weißt du eigentlich, warum er so gefühlskalt rüberkommt?!? Weil Menschen wie du ihn damals immer und immer wieder verletzt habt! Kein Wunder, dass er sich gottverlassen fühlt! Kein Wunder, dass er sich versucht hat, von allen abzuschotten!!!“ Laura hatte genug von all dem. Sie stürmte zu dem Ausgang und riss die Schiebetür auf. „Ach so und er ist nicht oberflächlich!!! Der einzige Oberflächliche hier bist du!!!“ Unter Tränen rannte Laura die Treppe wieder hinauf in ihr Zimmer. Sie hörte von unten, wie ihr Vater sie lautstark anwies, wieder zurück zu kommen und fertig zu essen, aber nach alldem war Laura der Appetit vergangen. Sie schloss die Zimmertür ab und warf sich schluchzend aufs Bett. Warum nahm ihr Vater nie Rücksicht auf ihre Gefühle? Warum?!?
Er war der Gefühlskalte, nicht Benni!!! Laura hörte ein Klopfen an der Tür und das Kaj irgendetwas sagte von wegen Abendgesellschaft und zurechtmachen und Rina, aber Laura beachtete ihn gar nicht. Sie wollte mit keinem hier mehr was zu tun haben… Sie wollte einfach nur noch zu Benni. Laura hatte keine Ahnung, wie ewig lange sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und sich die Augen aus dem Kopf geheult hatte, als es erneut an die Tür klopfte. „Hime-Sama, Rina-Sama ist eingetroffen.“, hörte sie Kaj von der anderen Seite sagen. Verwirrt rieb sich Laura über die Augen. „Hä?“ „Hey Laura, schon gut, lass mich rein, ich beiß auch nicht.“, kam nun auch Rinas Stimme von der anderen Seite der Tür. Widerwillig mühte sich Laura aus ihrem Bett und ging zur Tür, um den Schlüssel rumzudrehen. „Ist offen.“, murmelte sie nur und ging zu ihrem Bett zurück. Doch ehe sie sich wieder in den Kissen und der Decke verkriechen konnte, öffnete sich die Tür und die junge Vampirfrau bat sie, die Vorhänge zuzuziehen. Genervt stöhnte Laura auf. Sie wollte alleine sein! Oder bei Benni!!! Verärgert stapfte sie zur Balkontür und zog die Vorhänge zu. „Was willst du?!?“, herrschte sie Rina in dem nun dunklen Zimmer an. Diese knipste das Licht an. „Dir beim Zurechtmachen für die Abendgesellschaft helfen, was sonst?“, fragte sie schulterzuckend. Laura beobachtete, wie Rina sich von einem bodenlangen schwarzen Umhang mit Kapuze befreite, der anscheinend ihren gesamten Körper vor der Sonne beschützt hatte. Trotz ihrer verweinten Augen konnte Laura erkennen, dass Rina hinreißend aussah. Sie trug ein langes samtrotes Kleid mit Spitze und wunderschönem Dekolleté, das sie mit Samthandschuhen und schwarzen Lack-High-Heels kombiniert hatte. An ihrem Hals hing eine schwer und teuer wirkende Goldhalskette mit einem roten Rubin und ihre blonde Haarpracht hatte sie gekonnt zu einer Hochsteckfrisur bändigen können, die Laura etwas an ihre eigene Frisur vom Neujahrsball erinnerte. Nur das Rina irgendwie viel besser damit aussah… Rina stellte eine größere Schachtel auf dem Bett ab und betrachtete Laura zum ersten Mal eingehender. „Meine Güte, wie siehst du denn aus?!?“ Beschämt wich Laura ihrem Blick aus. „Na wie wohl?“ Wie als hätte sie gerade geheult wie ein Weltmeister natürlich! Mitfühlend seufzte Rina. „Ich hab am Telefon schon von eurem Butler gehört, dass es da eine ‚kleine Auseinandersetzung‘ gab…“ Laura schniefte. „Kleine Auseinandersetzung ist gut… Warum hasst mein Vater Benni so?!?“ Tröstend legte Rina ihr eine Hand auf die Schulter. „Einfach, weil Benni ist wie er ist… Aber jetzt komm, beruhige dich wieder. Mit diesen verheulten Augen wirst du doch wohl nicht auf die Abendgesellschaft gehen wollen?“ „Ich will gar nicht auf die Abendgesellschaft!“ Rina kicherte. „Sicher? Aber Benni wird doch da sein.“ Passend zu ihren rot geschwollenen Augen färbten sich nun auch Lauras Wangen rot. Sie wollte überall hin, wo Benni war! …Sogar auf diese dämliche Abendgesellschaft. „Na also.“, meinte Rina zufrieden, als sie bemerkte, dass sich Laura geschlagen gab. „Aber zurechtmachen… Heißt das, du willst mir die Haare schneiden?!?“, krisch Laura entsetzt. Rina lachte auf. „Nein, keine Angst. Ich möchte dir nur etwas helfen, was dein Outfit und dein Styling an sich betrifft.“ „Aber… O-Too-Sama ist so traditionell. Ich muss einen Kimono tragen!“ Das ‚O-Too-Sama‘ brachte Laura nur mühsam über die Lippen und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Rina seufzte. „Keine Sorge, das hab ich mit ihm schon geregelt. Er war zwar nicht erfreut, hat aber eingesehen, dass du unter den jungen Leuten doch auch lieber ‚modern‘ herumlaufen möchtest. Abgesehen davon…“ Kichernd gab sie Laura einen leichten Stoß in die Rippen. „…Abgesehen davon kannst du heute ruhig noch etwas mehr rebellieren. Und du willst doch, dass Benni dich hübsch findet!“ „Was?!? Denkst du, Benni findet mich nicht hübsch?!?“, schrie Laura verängstigt auf. Beruhigend hob Rina die Hände. „Unsinn! Du kennst Benni, ihm ist das eigentlich egal. Und auch, wenn er das von sich aus nie sagen würde… und es auch gar nicht in Worte fassen könnte… Er würde dich auch in den hässlichsten Lumpen hübsch finden.“ „Und… Warum muss ich mich dann groß zurechtmachen?“, brachte Laura trotz hochrotem Gesicht zustande. Erneut kicherte Rina. „Weil ich will, dass er dich nicht nur hübsch, sondern bezaubernd findet! Bring ihn mal so richtig aus der Fassung! Beeindrucke ihn! Zeig ihm, dass du nicht nur hübsch bist, sondern auch wunderschön sein kannst!“ Laura fragte sich, ob ihr Kopf nicht gleich platzen müsste, so erhitzt, wie er sich anfühlte. „…Nach der Geschichte mit O-Too-Sama reicht es mir, wenn er mich ‚nur‘ hübsch findet…“ „Ach was, ich weiß, dass das nicht wahr ist.“ Bestimmt stand Rina auf und hob den Deckel von der Kiste. Da sie gegen die Vampirdame sowieso nichts würde ausrichten können -und bevor Rina auf die Idee kam, ihr mit einem Haarschnitt zu drohen- gab sich Laura also geschlagen und ließ sich von Rina ‚zurechtmachen‘. Im Prinzip hatte sie ja auch Recht… Laura würde sich riesig freuen, wenn sie in Bennis Augen tatsächlich wunderschön aussah… Er war zwar nicht oberflächlich, wie sie ihrem Vater davor bereits versucht hatte klarzumachen, aber auch er konnte Sachen schön finden. Und ja, Laura wollte wirklich, dass Benni sie mal wunderschön fand… Nach getaner Arbeit seufzte Rina schließlich zufrieden. „Traumhaft… Wenn Benni jetzt nicht hin und weg von dir ist, hat er offiziell nicht mehr alle Tassen im Schrank.“ Neugierig betrachtete Laura sich im Ganzkörperspiegel und… und musste sich eigestehen, dass sie wirklich traumhaft aussah… Rina war tatsächlich Meisterin in ihrem Gebiet. Das schwarze Kleid, das sie Laura mitgebracht hatte, war zwar trägerlos, aber obenrum eine Korsage, sodass Laura keine Angst hatte, es könne ihr runterrutschen. Denn es war dadurch ziemlich eng. Aber nicht so eng, dass sie nicht mehr atmen konnte. Es war auch nicht zu weit ausgeschnitten, was Laura ein weiteres Gefühl der Sicherheit gab, da sie bei ihrer spärlichen Oberweite leider nicht so viel bieten konnte, wie Rina oder manche andere der Mädchen. So war dadurch auch ihr Selbstwertgefühl gerettet worden. Das Kleid war vollständig mit schwarzer Spitze gespickt, auf der sich Rosen, Ranken und Schnörkel befanden. Insgesamt war es so lang, dass es wohl fast auf dem Boden schleifen würde, hätte Laura keine schwarzen, glänzenden Plateau-High-Heels an, in denen sie sogar überraschend gut laufen konnte. Um ihren Hals trug Laura ein Band ebenfalls aus schwarzer Spitze. Trotz allem brachte sie es nicht übers Herz, die Kreuzkette abzulegen die Benni ihr vor einigen Monaten zum Valentinstag geschenkt hatte… Inzwischen war sie wie ein Teil von ihr geworden. Was Lauras Frisur betraf… Rina konnte zwar angeblich keine Haare schneiden, aber im Frisieren war sie ein Profi. Sie sah fast genauso aus wie die, die sich Rina selbst gemacht hatte. Also die Frisur, die Laura auch auf dem Neujahrsball hatte. Doch dieses Mal waren ihre Haare gelockt und am Ansatz des Dutts steckten drei schwarze Rosen, die anscheinend sogar echt waren. Auch das Schminken beherrschte Rina perfekt. Lauras Make-up war dezent, aber doch irgendwie auffällig. Es betonte ihre langen Wimpern und dunklen Augen, aber auch ihre Lippen kamen schön zur Geltung. Etwas verschämt zupfte Laura an den ellenbogenlangen Spitze-Armstulpen und wandte sich wieder vom Spiegel ab. Rina lächelte Laura an. „Gefällst du dir so?“ Mit geröteten Wangen nickte Laura. Sie war alles andere als eingebildet, aber trotzdem… sie fand sich richtig hübsch! Und sie hoffte von ganzem Herzen, dass auch Benni sie hübsch -oder wie Rina sagte ‚bezaubernd‘- finden würde… Die Zeit verlief deprimierend schweigsam, während sie in der Limousine saßen, die der Chauffeur zu der großen Halle in dem wohlhabenden Viertel von Zukiyonaka steuerte. Diese Halle war in einem wirklich edlen Gebäude, das eigentlich nur dazu diente, Yamis Wohlstand zu demonstrieren. Es hatte Ähnlichkeit mit der Villa, in der Laura lebte, wirkte aber noch mehr wie ein japanisches Schloss. Hinter einem Absperrband gegenüber dieses Schlosses standen ein Haufen Journalisten, die um die besten Fotos der reichsten und berühmtesten Leute wetteiferten. Laura war schon sehr lange nicht mehr auf einer Abendgesellschaft gewesen, sie hatte schon fast vergessen, wie viel da immer los war. Sie verließ die Limousine auf der Seite zum Schloss hin, wo sie, eingezäunt von muskulösen Männern in Anzügen und mit Sonnenbrille, vor dem Blitzgewitter geschützt war. Denn laut dem Jugendschutzgesetz war es verboten, minderjährige Kinder berühmter Personen zu ‚bedrängen‘, wie zum Beispiel mit Fotos und Autogrammen und so. So sollte ihnen eine jedenfalls halbwegs normale Kindheit ermöglicht werden. Während sich Laura also in das Innere des Schlosses flüchten durfte und musste, stellten sich ihre Eltern den bösen Kameras dieser ganzen Leute und lächelten freundlich in die Runde. Erst im Schloss war Laura aufgefallen, dass Rina hinter ihr war. „Solltest du nicht auch fotografiert werden?“, fragte sie die Vampirin verwirrt. Rina zwinkerte Laura zu und legte den Umhang ab, den sie seit dem Verlassen des Lenz-Anwesens wieder getragen hatte, um sich vor der untergehenden Sonne zu schützen. „Wir Vampire haben Sonderrechte, immerhin wollen wir ja nicht verbrutzeln.“ „Ah, ach so.“ Wieder etwas aufgeheitert kicherte Laura. „Beneidenswert.“ Lachend schüttelte Rina den Kopf. „Nicht wirklich. Lieber werde ich von Paparazzi heimgesucht, als in Gefahr zu laufen, mit etwas Pech in der Sonne zu verbrennen.“ „…Das ist wahr.“ Neugierig schaute sich Laura um. „Wo sind eigentlich die anderen?“ Rina gab ihren Mantel einem Bediensteten und ging mit Laura den Gang weiter zur großen Halle. Kurz davor bogen sie aber in einen Seitengang ab. Bereits bevor Laura um die Ecke ging, hörte sie schon Bennis ruhige Stimme, die zu jemandem -vermutlich Konrad- sagte: „Warum musste jeder von ihnen mitkommen? Du weißt doch selbst, dass sie-“ Genau in dem Moment, in dem Laura und Rina um die Ecke kamen und Benni sie erblickte, brach er unvermittelt im Satz ab. Laura fiel auf, dass er anscheinend irgendetwas sagen wollte, aber aus irgendeinem Grund nichts sagen konnte, während sein Blick zwar ruhig aber irgendwie auch überrascht an ihr haftete. Neben Konrad, waren auch noch Carsten mit Ariane und Eagle mit Lissi und Öznur da, die Benni und Laura amüsiert beobachteten. Während Bennis Blick immer noch schweigend auf ihr ruhte -und sich Laura fragte, wieso- hatte sie jedenfalls die Möglichkeit, wie eine Bekloppte Benni anzuschmachten. Denn er sah umwerfend aus! Es stand außerfrage, dass Benni bei Vampiren lebte, immerhin sah er selbst aus wie einer. Von dem schwarzen Auge mal abgesehen. Seine Kleidung war in Schwarz- und Rottönen gehalten und erinnerte Laura an einen ihrer Lieblingsmangas, der in der viktorianischen Zeit spielte. Benni trug eine Art Anzugsjacke -frack, wie auch immer man so was nannte, was ihm vorne bis zu den Hüften reichte und hinten bis zu den Knöcheln ging. Dieser Anzugsjacken-mantel hatte einen klassischen ‚Vampir-Stehkragen‘ und in ein Knopfloch war eine schwarze Rose angesteckt, die so aussah wie die, die sich in Lauras Haaren befanden. Unter diesem edlen Frack war eine dunkle, weinrot glänzende Weste und darunter wiederrum befand sich ein schwarzes Hemd mit Rüschen anstelle einer Krawatte, was umso vampirmäßiger wirkte. Überrascht fiel Laura der dunkelrote, etwas breitere Gürtel auf, an dem auf Bennis rechter Seite ein Schwert, genauer ein Degen befestigt war. Aber warum auch immer Benni eine Waffe trug, jedenfalls stand sie ihm wie angegossen und es wäre auch seltsam, würde er keine Waffe tragen. Denn irgendwie gehörte sie zu seinem Outfit einfach dazu. Die schwarze Stoffhose war in kniehohe Reiterstiefel gesteckt, was umso traditioneller wirkte. Aber egal, wie gut Benni in diesen Kleidungen aussah und wie gut sie ihm standen, Laura war trotz allem immer und immer wieder am meisten überwältigt von seinem wunderschönen Gesicht. Und diese seidigen, fluffigen Haare, die einen eigentlich dazu einluden, da durch zu wuscheln, auch wenn sie ordentlich gekämmt waren. An sich… wenn hier jemand von ihnen wirklich wunderschön und bezaubernd aussah, dann war es auf jeden Fall Benni und nicht Laura. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie lange sie sich einfach nur angeschaut hatten, jedenfalls lachte Konrad plötzlich los. „Was ist denn los, Benni?! Hat es dir die Sprache verschlagen?“ Benni öffnete den Mund, als wolle er etwas erwidern, schloss ihn aber wieder. Rina kicherte und verließ ihren Platz neben Laura, um zu Konrad rüber zu gehen. „Ich hab doch gesagt, das funktioniert.“ Konrad schüttelte lächelnd den Kopf und klopfte Benni auf die Schulter. „Falls du deine Sprache wiederfindest, kannst du ihr ruhig sagen, dass sie bezaubernd ist. So was hören die meisten Mädchen gerne.“ Doch selbst darauf reagierte Benni nicht. Carsten lachte auf. „Toll, danke Laura. Jetzt hast du ihn vollkommen aus der Bahn geworfen!“ Lauras Wangen färbten sich rötlich. Meinte Carsten das ernst? ‚Aus der Bahn geworfen‘ im positiven oder negativen Sinne?!? „Ääääähm…“, gab sie etwas überfordert von sich. Fand Benni sie nun schön oder hässlich?!?!?!?!? Schließlich schüttelte Benni den Kopf und kam endlich zu ihr rüber. Denn natürlich traute sich Laura bei ihrem rasenden Herz nicht, in diesen mörderisch hohen Schuhen auch nur einen Schritt zu gehen. Vor Aufregung würde sie sich da nur den Knöchel verstauchen… Bestenfalls. Gedankenversunken strich Benni ihr einige Strähnen aus dem Gesicht, während Lauras Herz anscheinend einen Weltrekord zu brechen versuchte. Jedenfalls bis Benni plötzlich murmelte: „Du siehst toll aus.“ Überrascht schaute Laura ihn an. „W-wirklich?“, hauchte sie, nun vollkommen überfordert. Benni nickte nur, während er ihr immer noch tief in die Augen schaute. Von den anderen hörte Laura ein gerührtes ‚Oooooooooooooh‘, doch das bekam sie gar nicht wirklich mit. Sie freute sich riesig, dass Benni sie anscheinend tatsächlich schön fand… So schön, dass er zu Beginn sogar erst mal sprachlos war! Und das sollte was heißen, denn normalerweise ließ sich Benni eigentlich gar nicht aus der Bahn werfen. Mit Freudentränen fiel Laura ihm um den Hals. Das war das Zweitschönste, was er je zu ihr gesagt hatte! Es kam direkt nach diesem ‚unausstehlich-unwiderstehlich-Spruch‘ von ihrem Geburtstag. Sie spürte, wie Benni ebenfalls seine Arme um sie legte, was Lauras Herz einen weiteren Freudensprung machen ließ. In diesem Moment hatte sie die traurigen und haarsträubenden Momente vom Nachmittag vollkommen vergessen. Mit einem Schlag waren sie in die hinterste Ecke ihrer Erinnerungen verbannt. …Aber irgendwie… sehnte sie sich trotzdem noch nach Bennis Nähe. Irgendwie sehnte sie sich trotzdem noch nach mehr… Rina hatte Recht, sie konnte heute ruhig noch etwas mehr rebellieren. Laura löste sich wieder ein kleines bisschen aus der Umarmung und küsste Benni. Einfach so. Dieses Mal traf sie sogar wirklich seinen Mund! Die freudige Erkenntnis darüber wurde sehr schnell wieder zu diesem wohligen Kribbeln, als Benni ihren Kuss sanft erwiderte. Zum Glück kam er Laura länger vor, als er eigentlich war, denn etwas zu spät erinnerte ihre Schüchternheit sie daran, dass hier sehr viele Leute waren… Die das Geschehen natürlich begeistert beobachtet hatten. Doch bevor jemand einen seiner typischen Kommentare fallen lassen konnte, hörte Laura hinter sich ein strenges Räuspern, dass sie nur zu gut kannte. Erschrocken drehte sie sich um, soweit das in Bennis Armen möglich war, und musste betroffen feststellen, dass O-Too-Sama den Kuss, seiner missbilligenden Mimik nach, ganz eindeutig mitbekommen hatte. „Ich hätte etwas mehr Anstand von euch beiden erwartet.“, meinte er vorwurfsvoll. Laura wollte sich irgendwie rechtfertigen, brachte aber keinen Ton zustande. „Daran ist doch nichts anstandslos.“, bemerkte Ariane verwirrt. „Laut Etikette schon.“, erklärte er tadelnd. „Es gehört sich nicht für eine Prinzessin, in aller Öffentlichkeit eine Person zu küssen. Nur in besonderen Ausnahmen.“ „Das ist ja total bescheuert!“, empörte sich Öznur lautstark, „Die Etikette verbietet es zwei Leuten, die sich lieben, das in aller Öffentlichkeit zu zeigen?!?“ War es überhaupt nötig, zu erwähnen, dass Laura bei dieser Bemerkung wie immer knallrot wurde? Doch ihre Röte war sofort wie weggeblasen, als Laura hörte, was O-Too-Sama daraufhin zu Benni sagte: „Liebe ist für Dich doch ein Fremdwort, Waldläufer. Ist es nicht so? Du kannst nichts anderes, als Menschen zu verletzen. Doch Du kannst dich darauf verlassen, solltest Du meiner Tochter eines Tages das Herz brechen, wovon ich ausgehe, werde ich die Todesstrafe doch noch durchsetzen, vor der ich Dich einst vor Jahren bewahrt habe.“ Laura bemerkte, wie Benni die Zähne zusammenbiss und sich sein Griff an ihrer Schulter verstärkte, was ihn allerdings nicht verzweifelt, sondern eher unheimlich erscheinen ließ. „Sollte ich Ihrer Tochter wirklich das Herz brechen, wäre mein Leben ohnehin verwirkt.“ Laura fiel die Kinnlade herunter. Niemand, noch nicht einmal O-Too-Sama wusste darauf etwas zu erwidern. Dieser Kommentar schien jeden wie einen Blitz getroffen zu haben. Nach einem endlos wirkenden Schweigen schlug Konrad schließlich vor: „Wollen wir nicht langsam mal reingehen?“ Die Fassung wiedergewinnend meinte O-Too-Sama: „Ja, das sollten wir.“ Während sein kritischer Blick weiterhin auf Benni ruhte, gingen er und O-Kaa-Sama weiter in die große Halle. Laura, die die Fassung noch nicht wiedergewonnen hatte, starrte Benni ungläubig an. „W-war das… War das… dein… Ernst?“ Nach einem kurzen Zögern nickte Benni und befreite sie ganz aus der Umarmung. Betroffen trat Laura von dem einen auf den anderen Fuß. Sie hatte keinen Plan, was sie dazu noch sagen konnte… Einerseits freute sie sich natürlich total, weil Benni damit ja im Prinzip gemeint hatte, dass sie… dass sie eigentlich so was, wie… wie der Grund war, warum er lebte… Oder so. Aber andererseits… machte es sie auch traurig. Benni sollte sein Leben nicht verwirken!
…Na gut, dann sollte er ihr halt auch nie das Herz brechen!!! Damit wäre dann jeder glücklich. …Bis vielleicht in Ausnahme von O-Too-Sama. Aber das konnte ihr dann auch egal sein. Die Etikette war Laura ebenfalls egal, erneut kuschelte sie sich in Bennis Arme. „Das einzige, was mir das Herz brechen könnte wäre, wenn du nicht mehr da wärst…“, murmelte sie, das Gesicht in seiner Brust vergraben. Eagle stöhnte auf. „Okay, jetzt wird’s mir echt zu schnulzig. Knutscht von mir aus ruhig noch weiter rum, ich geh rein.“ Er packte jeweils Öznur und Lissi mit einer Hand an den Armen und schleifte seine beiden Begleiterinnen mit sich in die große Halle, die Laura und Benni nur zu gerne weiter beobachtet hätten. Konrad kicherte. „Irgendwie musstest du es ihm noch heimzahlen, oder?“ Benni verstärkte die Umarmung etwas und schien den Kopf zu schütteln. „Das hätte ich jedem sagen können.“ Rina seufzte melodramatisch. „Ach Gott, wie süß!“ „Heimzahlen?“, fragte Laura verwundert, immer noch -trotz dieser bescheuerten Etikette- an Benni gekuschelt. „Du denkst doch nicht ernsthaft, dass Benni von dieser ‚kleinen Auseinandersetzung‘ nichts mitbekommen hat?“, meinte Rina kichernd. „Was?!?!?!?“ Panisch schaute Laura sie an. Diese ‚kleine Auseinandersetzung‘ war ihr todpeinlich… Einfach nur aus dem Grund, weil sie danach glatte drei Stunden geheult hatte. Rina zuckte mit den Schultern. „Er war im Zimmer, als ich mit Kaj telefoniert habe und er mir das erzählt hat… Und ich konnte ziemlich deutlich erkennen, dass Benni für seine Verhältnisse sehr verärgert gewirkt hat.“ Verlegen schaute Laura zu Benni hoch, doch er erwiderte ihren Blick nur ruhig und löste die Umarmung wieder. Ehe das Laura einen Stich ins Herz versetzen konnte, hielt er ihr die linke Hand entgegen. „Gehen wir endlich rein.“ Mit wie immer rasendem Herzen legte Laura ihre rechte Hand in seine. Benni war bei Vampiren aufgewachsen, natürlich verstand er es, sich vorbildlich und gentlemanlike zu benehmen! Daher schaffte er es, wie immer elegant zu wirken, während er Laura in die große Halle geleitete und sie dabei noch unauffällig stützte. Denn obwohl Laura eigentlich ganz gut in den Schuhen laufen konnte, zitterte sie durch die plötzliche Aufregung am ganzen Körper und hatte auf einmal Mühe, ans Atmen zu denken. Sie wusste, dass Benni dieser ganzen Aktion immer noch kritisch gegenüberstand, als befürchtete er tatsächlich, es könne etwas passieren. Und da sein Instinkt ihn bisher noch nie im Stich gelassen hatte, war die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass wirklich etwas passierte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)