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Meeresflüstern

Die Hungerspiele der Annie Cresta
von

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Verräterisches Glück

Mit einem Knall öffnet sich die schwere Tür des Rathauses und angeführt von einer hochgewachsenen Frau erscheint das Team aus Distrikt vier. Vorne weg stolziert natürlich Cecilia Sae, genannt Cece. Sie ist die Betreuerin, welche vom Kapitol geschickt wird. Hauptsächlich führt sie durch die Ernte, aber zumindest auf dem Papier sorgt sie vor den Hungerspielen für die Tribute.

Ihr heutiges Ensemble besteht aus einem orangenen Blazer mit farblich dazu passendem Ballonrock, der zu allem Übel in der Sonne seine Farbe wechselt. Bestimmt zwanzig Zentimeter lange Absätze heben sie in Schwindel erregende Höhen und wie immer erscheint es wie ein Wunder, dass sie überhaupt geradeaus laufen kann.

Die Krone wird dem ganzen allerdings durch Ceces neuerliche Verunstaltungen aufgesetzt: Zwei goldene Blumenranken winden sich von beiden Augenwinkeln hinab zum Mundwinkel. Es ist nicht bloß ein schlichtes Tattoo, nein, die Blüten wölben sich unter ihrer straff gespannten Haut hervor, als wollten sie daraus hervorbrechen.

Dazu trägt sie knallpinken Lippenstift und Lidschatten, was mir in meiner Kindheit regelmäßig Albträume mit ihr in der Hauptrolle beschert hat. Jetzt entlockt mir die Aufmachung nur noch ein müdes Grinsen. Aus heutiger Sicht sind diese Kapriolen der Kapitolbewohner lächerlich.

Hinter ihr folgen, wie Lämmer, Bürgermeister Southshore und seine Ehefrau. Blass und unscheinbar schleichen sie mit gesenkten Köpfen auf die Bühne. Ihre feine Leinenkleider sind im Vergleich zu Ceces Ensemble ärmlich. Und überhaupt sehen beide so aus, als wünschten sie sich weit weg von der Ernte. Nicht, weil sie Angst vor der Auswahl haben, sondern vor ihrem eigenen Volk.

Zwar hält Southshore jede seiner Reden mit Inbrunst, aber er traut sich nie, dabei den Kopf vom Rednerpult zu heben. Er weiß, dass ihm andernfalls aus hunderten Augenpaaren Verachtung entgegenschlägt.

Auf sie folgen schlussendlich die fünf verbliebenen Sieger. Zwei Frauen und drei Männer. Sie verblassen allesamt gegen Ceces Auftritt, was schon eine Leistung ist. Es spricht einmal mehr dafür, wie verrückt die Betreuerin aus dem Kapitol ist. Im Vergleich zu ihr ist das Lächeln der Sieger schmal und sie winken zwanghaft in Richtung der Kameras in dem Versuch, sich genauso fröhlich wie sie zu präsentieren.

Die Fünf sind nicht alle, die einst siegreich waren, doch mehr sind von ihnen bis zum heutigen Tage nicht geblieben. Die anderen sind gestorben und böse Zungen behaupten, dass das Kapitol seine Finger im Spiel hatte ...

Da es seit vier Jahren keinen neuen Sieger gegeben hat, ist es ungewiss, ob es bald noch weniger sind. Immerhin ist die älteste, Mags, schon über 80. An ihre Spiele erinnert sich niemand mehr. Wenn ich die runzlige kleine Dame ansehe, kann ich mir unmöglich vorstellen, dass sie einst jemanden getötet hat. Sie sieht nicht anders aus als die alten Fischersfrauen, die unten am Hafen mit zittrigen Fingern kaputte Netze flicken.

Andererseits bedeutet diese traurige Bilanz der jüngsten Hungerspiele auch, dass in den vergangenen Jahren acht Tribute in der Arena gestorben sind. Die Bürde, die auf dem Team lastet, muss groß sein, denn mit jedem erfolglosen Spiel sinken wir wieder in der Gunst des Kapitols. Da ist es auch egal, dass unser letzter Sieger der begehrte und beliebte Finnick Odair ist. Ihm wird es so oder so gut ergehen und das weiß er wahrscheinlich genau.

Auf jeden Fall bringt er ein suggestives Grinsen hervor – nicht für das Publikum, sondern für die Kameras, die alles live ins Kapitol übertragen. Die Zuschauer lieben ihn, im wahrsten Sinne des Wortes. Ständig hat er eine neue Liebschaft in der Hauptstadt und frönt dort einem ausschweifenden Lebensstil. Von sämtlichen Siegern ist er der unangefochtene Liebling und damit spielt er so leichtfertig, wie er Knoten knüpfen kann.

Kaum zu glauben, dass ich mal Mitleid mit ihm hatte. Aber er hat mich eines Besseren belehrt – ihm gefällt dieses Leben offensichtlich. Allein schon deswegen kann ich ihn von allen Siegern am wenigsten leiden. Sicherlich verschwendet er keine großartigen Gedanken an seine Tribute, denen er ein Mentor sein soll, sondern beschäftigt sich lieber mit seinen Betthäschen.

Das Kapitol ist seinem Aussehen verfallen, das schon ganz in Ordnung ist, wenn auch keine Seltenheit für jemanden aus dem Distrikt. Wie viele hat er grün-blaue Augen, ein paar Sommersprossen und von der Sonne ausgeblichenes, bronzenes Haar. Die Stylisten der Hungerspiele haben allerdings dafür gesorgt, dass jeder zuerst seinen durchtrainierten Körper bemerkt und der Rest ist Geschichte.

Ich kenne Odair eigentlich nur aus dem Fernsehen, wenn man mal von der flüchtigen Begegnung vor vielen Jahren an einem dunklen Strand absieht, aber das war scheinbar nicht derselbe Mensch.

Gegen ihn wirken die anderen Sieger langweilig, bis auf eine große Frau mit glattem schwarzen Haar und muskulösen Armen, die finster dreinblickt. Amber Hart ist ständig von einer düsteren Aura umgeben, die einen nicht vergessen lässt, wie sie in ihren Hungerspielen Tribute mit bloßen Händen erwürgt hat. Die Bilder haben sich eingebrannt.

Als letztes bleiben Trexler und Floogs, ein seltsames Doppelgespann, das sich schweigsam gibt. Trexler ist ein wahrer Schrank von Mann und fast zwei Meter groß und trotzdem gelingt es ihm, im Hintergrund unterzugehen. Floogs hat ein steifes Bein seit seinen Spielen und humpelt hinten drein.

Alle Beteiligten nehmen jetzt Platz auf der Bühne, um sich die Rede des Bürgermeisters anzuhören, die traditionell immer die Ernte eröffnet. Schwerfällig erhebt Southshore sich und wankt auf das Mikrofon zu. Er quält sich wie jedes Jahr durch seine wohlklingend formulierten Ausführungen über die dunklen Tage und das Kapitol, vor allem jedoch darüber, wie anmaßend die unwürdigen Distrikte waren.

Sogar Cece unterdrückt bei diesen gnadenlosen Übertreibungen ein Gähnen. Ich will nicht sagen, dass sie sympathisch ist, aber trotz all ihrer Lächerlichkeit gleichen wir uns zumindest in dieser Hinsicht.

»… und darum schicken wir dem Kapitol jedes Jahr zwei unserer Kinder, als Tribut für unsere Vergehen. Auf dass wir die dunklen Tage nie vergessen!«, schließt der Bürgermeister seine Rede.

Der große Moment ist gekommen und damit kehrt die Aufregung zurück in meine Glieder. Vor lauter Nervosität kribbeln mir sogar die Fingerspitzen.

Cece erhebt sich und streicht ihren glänzenden Rock glatt. Sie stolziert zu dem kleinen Tisch, auf dem die rundbauchigen Gläser voller Lose stehen, jeder ihrer Schritte exakt bemessen. »Fröhliche Hungerspiele! Und möge das Glück stets mit uns sein!«, ruft sie so laut, dass es eine Rückkopplung gibt und ein schriller Ton über den Platz jagt.

Dieses Jahr nähert sie sich zuerst dem Glas mit den Jungennamen. Sie streckt ihre Hand mit den künstlichen Fingernägeln tief in das Behältnis, vollführt einige gedehnte Bewegungen, ehe sie sich einer hungrigen Möwe gleich auf ein Los stürzt und es unter den anderen hervorzieht. Triumphierend hält sie es in die Höhe.

Eisernes Schweigen liegt über dem Festplatz, während sie eine ihrer Krallen hinter das Siegel schiebt und den Zettel langsam auseinanderfaltet. Es sind diese Sekunden, in denen jeder sich selbst der Nächste ist und für sich bangt.

Jetzt ist das Los entfaltet, Cece liest die Beschriftung, ihr Gesicht hellt sich auf und sie ruft kraftvoll einen Namen. »Pon Amberson!«

Ich kenne ihn flüchtig. Er ist ein kleiner, gerade zwölfjähriger Junge aus der Schule. Mutig tritt er aus der Menge hervor, während sich die Kameras auf ihn richten. Distrikt vier hält kollektiv den Atem an und wir warten auf den lauten Ruf eines Freiwilligen. Nicht einmal seine Mutter schreit nach ihm.

Mit kleinen Schritten durchschreitet der blonde Junge die Reihen, welche sich respektvoll vor ihm teilen und erklimmt schließlich die Tribüne. Keine Regung zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, nicht einmal als Cece mit ihren Klauen seinen Arm ergreift. Er zuckt kurz zusammen, blickt dann aber wieder starr geradeaus, auf der Suche nach einem Retter.

Noch immer hat kein Freiwilliger gerufen und selbst Ceces Blick wandert jetzt für einen Moment fragend über die Menge. In den vergangenen Jahren gab es mindestens einen mutigen Karriero, insbesondere wenn das Los ein junges Kind getroffen hat. Cece scheint das allumfängliche Schweigen genauso wenig zu behagen wie den Zuschauern, nur aus anderen Gründen.

Selbst ich bin angespannt und verwirrt. Tief graben sich meine Fingernägel in die Handinnenfläche, obwohl es nicht einmal um mich geht.

Cece trippelt nun doch zum Mikrofon. »Freiwillige?«, ruft sie, leiser als vorher.

Unbeantwortet verhallt ihre Frage. Nein, dieses Jahr meldet sich keiner. Niemand will für Pon Amberson sein Leben riskieren. Ich höre bloß den Wind durch die Gassen pfeifen.

»Unser männlicher Tribut für die siebzigsten Hungerspiele heißt Pon Amberson! Einen großen Applaus bitte für Pon!«

Sie beugt sich zu dem Jungen herab und zischt etwas in sein Ohr, woraufhin er den Arm hebt und der Menge winkt, das Gesicht immer noch eine ungläubige Maske.

Wie betäubt applaudiere ich für ihn, zusammen mit den anderen, bevor Cece auch schon zum nächsten Glas schreitet.

Schmerzhaft verkrampfen sich sämtliche Eingeweide in mir und ich breche in kalten Schweiß aus. Stumm flehe ich, dass es gleich für immer vorbei sein wird. Acht Lose tragen meinen Namen. Acht Chancen, dass mein Leben genauso zerstört wird wie das von Pon Amberson eben gerade. Plötzlich erscheint mir die vermeintliche Sicherheit vom Vormittag völlig irrational.

Erneut fahren Ceces Krallen durch die Zettel, fassen einige an und lassen sie wieder fallen. Schlussendlich zieht sie einen hervor, tief vom Grund des Glases. Mir ist danach, mich zu übergeben, und gleichzeitig wird mein Mund staubtrocken.

Langsam entfaltet Cece den Zettel, liest den Namen, schreitet zum Mikrofon, räuspert sich einmal, dann erklingt es schrill und unreal:

»Annie Cresta!«

Ich höre nichts außer dem Rauschen meines eigenen Bluts. Das verstehe ich nicht … welcher Name wurde gesagt? Warum regt sich niemand? Starren mich etwa alle an?

Ein Mädchen in der hinteren Reihe gibt mir einen unsanften Stoß in die Rippen. »Geh schon!«, zischelt sie mir zu.

»Wieso?«, hauche ich ungläubig, doch sie stößt mich nur erneut vor.

Fast stolpere ich über meine eigenen Füße, finde in letzter Sekunde Halt und trete durch den Gang, der sich vor mir auftut, wie schon bei Pon. Als wenn alle Angst hätten, mich zu berühren. Mit gesenktem Kopf gehe ich zu der Bühne, die sich drohend vor mir aufrichtet. Die Blicke der Sieger begleiten ausdruckslos meinen Weg und ich sehe, wie die alte Mags Odair etwas zuflüstert.

Wie ich hinauf gelange, ist unbegreiflich, denn sämtliche Gliedmaßen gehorchen mir nicht länger. Mit einem Mal stehe ich jedenfalls da und höre das Schweigen auf Ceces Nachfrage nach Freiwilligen. Und während ich dieses Schicksal noch anzweifele, schlägt sie ihre Hände gegeneinander, ein harscher Ton in der Stille. Es dauert eine Weile, aber dann steigt der gesamte Distrikt ein. Ich fühle, wie Galle in mir aufsteigt.

Zittrig reiche ich Pon die Hand auf Ceces Befehl hin, nicke ihm zu und erhebe meinen Arm, um der gesichtslosen Masse vor der Bühne zu winken. Irgendwer Fremdes muss die Kontrolle über mich übernommen haben. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ich tatsächlich der Menge zuwinke. Schreit jemand nach mir? Ich weiß es nicht.

»Fröhliche Hungerspiele!«, ruft Cece den Standardsatz, der den Beginn des Grauens einläutet.

Grobe Hände packen meine Arme und drängen mich in Richtung Rathaus, doch ich hege ohnehin keinerlei Gedanken an Flucht. Alle Sicherheit und Zufriedenheit ist auf einen Schlag verschwunden. Nur unscharf nehme ich weichen Teppichboden, holzgetäfelte Wände und die Stimme von Bürgermeister Southshore wahr. Türen klappern, dann finde ich mich in einem großen Raum wieder. Die Hände lassen von mir ab und plötzlich bin ich alleine.

An Ort und Stelle sacke ich auf die Knie. Auf den dunkelblauen Teppich fällt ein einzelner Tropfen. Ich bin gezogen worden! ICH! Verwirrt schüttle ich den Kopf, aber das ändert nichts an der Lage.

David! Was wird er nur tun? Die Gedanken an ihn und meine Familie kehren mit voller Wucht zurück. Sie mussten das alles mit ansehen!

Von all diesen Eindrücken wird mir schwindelig und ich wanke hinüber zu einem Sofa, das mitten in dem Raum steht. Ohne irgendwelche Fragen zu stellen, setze ich mich auf eine Ecke und starre die gegenüberliegende Eichentür an.

Alles, was ich empfinde, ist … Leere. Weder Angst noch Wut sind in mir, sondern nur dieses große Nichts, als würde ich mein Schicksal von außen betrachten.

Eben waren David und ich glücklich zusammen und nun warten die Hungerspiele darauf, mich zu einer willenlosen Spielfigur zu machen. Erst jetzt, in der Stille des Rathauses, bemerke ich, wie sich meine Hände in den Saum des roten Kleides gekrallt haben. Ich löse sie und lege sie in auf den Schoß, unsicher, worauf ich überhaupt warte.

Nach wenigen Minuten wird die Tür endlich aufgerissen und im Rahmen erscheint mein Vater, Cyle an der Hand. Als er mich sieht, reißt der Kleine sich los und stürmt geradewegs in meine Arme. Ich schließe sie um ihn, völlig perplex.

Langsamer kommt unser Vater in den Raum. Auf den ersten Blick erkenne ich den Ausdruck in seinem Gesicht. Es ist wie damals, nachdem meine Mutter gestorben ist. Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen, aber ich bemerke den Glanz, der sich über seine Augen gelegt hat. Stumm setzt er sich neben mir auf die Couch und legt seinen Arm um uns beide.

Ich lehne mich an seine Schulter und dann fließen auch schon die Tränen, welche sich bis eben zurückgehalten haben.

»Annie … hör auf zu weinen! Hör auf!«, flüstert mein Bruder. Er ist doch erst neun. Er begreift es noch gar nicht. So fest wie möglich, drücke ich ihn an mich. Es ist schwer, die Tränen zurückzuhalten, aber für ihn will ich stark sein.

Er löst sich aus der Umarmung und streckt mir etwas in seinen kleinen Händen hin. Im Gegensatz zu mir ist er blond und kommt eher nach meiner Mutter, einer klassischen Schönheit. Das Einzige, was wir gemeinsam haben, sind unsere grün-blauen Augen.

Der traurige Blick darin reißt an meinem Herzen und ich brauche alle Kraft, um nicht weiter zu weinen. Trotzdem laufen mir einige stumme Tränen über die Wangen. Ich sehe hinab auf den Gegenstand in seinen Händen. Es ist eine feine Goldkette.

»Ich weiß, sie eignet sich nicht für Arena, aber zumindest als Andenken, bevor ... In dem Medaillon ist ein Bild von uns allen ...«, mein Vater senkt den Blick, »wir haben sie nur als Vorsichtsmaßnahme eingesteckt – ich hätte nie geglaubt, dass du sie wirklich brauchen wirst.«

Heftig nach Atem ringend, fahre ich Cyle durch die verwuschelten Haare. »Niemand hat damit gerechnet«, entgegne ich unter verzweifelten Schluchzern.

»Ich hoffe sie bringt dir Glück.« Die kräftigen Arme meines Vaters schließen sich um mich und nehmen mir fast die Luft. Mit belegter Stimme flüstert er: »Ich liebe dich, meine Kleine. Vergiss das nie.«

Ich nicke und versuche, die Tränen zu verdrängen. Schniefend beuge ich mich zu meinem Bruder hinab und drücke auch ihn an noch einmal. Ich presse das Gesicht in seine Haare und sauge ihren Duft auf. »Deine große Schwester wird immer für dich da sein, versprochen«, flüstere ich hilflos. Es ist eine Lüge, doch etwas anderes kann ich ihm nicht sagen.

Kaum habe ich den Satz beendet, da ist unsere gemeinsame Zeit schon wieder vorbei. Bevor sie gehen, dreht mein Vater sich ein letztes Mal um. »Du bist stark«, formt er mit den Lippen. Tapfer nicke ich, um ihn nicht zu enttäuschen.

Als Nächstes erscheint Davids ganze Familie. Der Einzige, der fehlt, ist er selbst. Sie wünschen mir viel Glück, sprechen ihr Beileid aus und versprechen, sich gut um meinen Vater und Bruder zu kümmern.

Ich lasse es geschehen, aber geistig bin ich längst nicht mehr anwesend. Der Abschied von Cyle war schlimm genug.

Seine Eltern reden viel und merken gar nicht, dass ich selbst nichts sage, außer »Danke«. Fast bin ich dankbar, dass David nicht hier ist. Vermutlich würde ich es sonst nicht einmal bis ins Kapitol schaffen.

Erst ganz zum Schluss drückt seine Mutter mir einen Zettel in die Hand. »Er wollte nicht kommen, weil es so schmerzhaft ist. Euer letzter Abschied war so schön, sagt er. Und er will es dir nicht schwer machen. Aber ich soll dir das hier geben, als Erinnerung ...«, erklärt sie.

Sobald sie weg sind, falte ich den Zettel auseinander.

Mein Herz wird immer nur dir gehören. David.

Mehr steht nicht darauf. Dazu hat er eine seiner typischen, ungelenken Zeichnungen auf den unteren Rand gemalt. Ich erkenne den alten Bootsschuppen, in dem wir als Kinder immer gespielt haben. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, so schmerzhaft es auch ist. Ein Splitter der verblassten Erinnerungen, die nun noch viel endgültiger erscheinen, kommt in mir auf und schickt schwache Wärme durch mein Herz.

Ich falte den Zettel und stecke ihn in das Medaillon. Es ist oval und hat kaum Verzierungen, bis auf eine schmale Blumenranke. Das Bild im Inneren ist schon einige Jahre alt und zeigt mich, meine Eltern und Cyle glücklich vor unserem Boot, der Peppersheep.

Ein paar letzte Tränen bahnen sich ihren Weg über mein zerbrochenes Lächeln, dann werde ich von den Friedenswächtern abgeholt und zum Zug, der uns in das Kapitol bringen wird, geführt.

Ich drehe mich nicht um.

 



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