In the end you are alone von Mugoika ================================================================================ Kapitel 6: Unlucky Fellow ------------------------- 6. Kapitel __Ich-Erzähler: C... ...__ ~-~C~-~[/center Wie von Sinnen hastete ich durch den Park zurück zu dem Hotel, wo ich L vermutet hatte. Ich achtete überhaupt nicht mehr auf meine Umgebung, sondern hatte nur noch mein Ziel vor Augen. So bemerkte ich zu spät, dass ich direkt in die Fahrbahn eines jungen Skateboarders geraten war. Mit voller Wucht prallte er auf mich und riss mich zu Boden. „Verdammte Scheiße! Wo haben Sie denn Ihre Augen? Können Sie nicht aufpassen?“, brüllte der Junge mich an und klopfte sich die Hose ab, nachdem er mühsam aufgestanden war. „Was rennen Sie auch wie eine Irre, ohne Ihre Umgebung im Blick zu haben?“ Er reichte mir die Hand und half mir auf die Beine. Leicht benebelt sah ich an mir runter. Meine Knie waren aufgeschlagen und meine Hände von Schürfwunden geprägt. Mit den Fingern fuhr ich mir durch die blonde Mähne. Es ziepte fürchterlich… Irgendwas schien darin zu kleben. „Madre de Dios! Sie haben da eine gewaltige Platzwunde an der Stirn.“, beantwortete der Skateboarder mit einem geschockten Ausruf meine stumme Frage. Er hob die Hand, als wolle er darüberstreichen, ließ sie aber wieder sinken. „Sie sollten dringend ins Krankenhaus und das nähen lassen.“ Er hatte südländische Gesichtszüge, eine braungebrannte Haut und schwarze, kurzgeschnittene Haare. Er nahm sich das Skateboard und kniff es sich unter den Arm. „Ich bin auch an dem Unfall schuld, also bringe ich Sie hin.“ Hysterisch schüttelte ich den Kopf, wodurch es mir nur schwindelig wurde. „Nein, nein, das geht nicht. Ich habe jetzt keine Zeit für so was!“, schrie ich ihn an und humpelte weiter. Ich hatte schon zu viel Zeit damit verschwendet, B über Kira zu informieren und da durfte ich nicht noch länger brauchen. Zu meiner Verärgerung musste ich bemerken, dass der Junge mir nachlief und auf meinen Fersen blieb. Himmel! Auch das noch! Energisch drehte mich um – leider zu schnell: vor meinen Augen tanzten schon bunte Sternchen – und funkelte ihn wütend an. „Lass mich in Frieden!“, fuhr ich ihn an, aber er ließ nicht locker. „Ich bin dafür verantwortlich, dass…“ Resigniert seufzte ich und brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Später. Wenn du schon so hartnäckig bist, bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Aber bitte nerve mich jetzt nicht mehr.“ Ich war gereizt, ich hatte Kopfschmerzen und mir war schwindelig. Vermutlich hatte ich nicht nur eine einfache Platzwunde, sondern auch eine Gehirnerschütterung. Bei meinem Glück war das auch kein Wunder. Warum konnte ich nicht so viel Glück haben wie jeder normale Mensch auch? Warum musste ausgerechnet bei mir dieser wichtige Punkt so unterentwickelt? Wahrscheinlich verpasste ich wegen dieser Verzögerung auch noch L. „Was haben Sie denn, dass Sie, obwohl Sie verletzt sind, nicht mal Pause machen können?“, hörte ich die Stimme des Jungen hinter mir. Er war scheinbar nicht auf die Idee gekommen, dass ich auch ohne seine Hilfe, nach meiner wichtigen Erledigung ins Krankenhaus gehen würde. „Ich habe es eilig.“ Mehr ging ihn nicht an. Hätte ich mich umgedreht, wüsste ich, dass er mich anstarrte. Dieser Junge war nur wenige Jahre jünger als ich, aber trotzdem redete er mit mir so höflich und respektvoll. In Frankreich würde er mich vielleicht sogar siezen. Merkwürdig. Vor mir sah ich schon die Straße, in der auch das Hotel lag. Mein Herz klopfte schneller und ich beschleunigte meine Schritte. Der Kies knirschte unter meinen Füßen. Der Wind pfiff laut. Im Hintergrund plätscherte ein Springbrunnen. Kleine Kinder lachten, als sie um die Wette rannten. Die Geräusche verbanden sich zu einem Rhythmus, zu einer eigenen Melodie. Ich war wie in Trance. Nur noch wenige Meter und ich hatte es geschafft. Nicht mehr viel und ich hatte mein Ziel erreicht. Das letzte Stück rannte ich fast und hinter mir hörte ich das Hecheln des Jungen, der sich hartnäckig an meine Fersen geheftet hatte. Unwillkürlich schlich sich ein Grinsen auf meine Lippen. Diese Hartnäckigkeit gefiel mir gut. Sie erinnerte mich an mich selbst. Zu schade, dass ich ihn mir nicht als Haus-„mensch“ halten konnte. Menschenbesitz war leider nicht mehr gerne gesehen. Zumindest nicht in Industrieländern wie den USA. In vereinzelten Ländern fanden die Leute immer wieder Methoden, sich Sklaven zu nehmen. Meine Schritte verlangsamten sich. Wir waren da. Vor uns ragte auf der anderen Straßenseite das Hotel auf. „Whoah!“, kommentierte der Skateboarder diese monströse Erscheinung wenig geistreich. „Pff. Das ist noch gar nichts zu einigen europäischen und asiatischen Hotels, die ich gesehen habe.“, merkte ich an. Eine Limousine fuhr vor und die Glastür des Hotels öffnete sich. Zwei Männer traten heraus. Mein Herz raste und mein Bauch kribbelte, als würden tausende Insekten in ihm herumkrabbeln. Der eine Mann war alt, hatte einen grauen Schnurrbart und trug einen schwarzen eleganten Hut auf dem Kopf. „Watari…“, murmelte ich fassungslos. „Was bitte?“, fragte der Junge neben mir. Ich reagierte nicht, sondern starrte nun den jungen, schwarzhaarigen Mann neben Watari an. Es war der Mann, der mir auf dem Gang begegnet war, nachdem ich in das Apartment eingebrochen war. Der Mann, der mich während meines Heulanfalls angesprochen hatte. Dieser Mann war L. Ich hatte es geschafft! Ich hatte L gefunden! Mein Herz überschlug sich. (Zumindest fühlte sich das so an. Rein theoretisch war das natürlich nicht möglich.) War dieser Mann mir vor einigen Stunden noch abstoßend vorgekommen, so kam er mir jetzt wie ein Gott vor. Die tiefen, dunklen Ringe unterstrichen nun die Größe, der klugen, durchdringenden Augen und sein wirres Haar sah nun nicht mehr einfach nur unordentlich aus, sondern wirkte wie von einem Frühlingswind durchfahren. Als hätte er gespürt, dass er beobachtet wurde, blickte er auf und sah mich direkt an. Eine Gänsehaut überzog meine Unterarme. Ich glaubte, freudige Erkenntnis in seinen Augen aufkommen zu sehen, aber dann hoben sich seine Mundwinkel nur zu einem entschuldigenden Lächeln und er stieg durch die von Watari aufgehaltene Tür in den Wagen. „Nein…“, flüsterte ich. „Nein, nein, nein!“ Der Wagen fuhr an. Ich setzte mich auch in Bewegung und rannte den Bürgersteig entlang dem Auto nach. Nach einem etwa hundert Meter langen Sprint verschwommen mir die Bilder vor Augen und ich torkelte. Meine Füße gehorchten mir nicht mehr und ich stolperte. Als der Junge mich eingeholt hatte, fand er einen kraftlos in sich zusammengesunkenen Körper auf dem Boden vor. „Verdammte Scheiße. Ich hab doch gesagt, dass sie ins Krankenhaus gehen soll.“, murmelte er kopfschüttelnd vor sich hin, während er den Notruf wählte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)