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Kein Liebeslied

Haymitch x Effie
von

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„Vielleicht hast du recht, Prinzessin. Ich glaube aber viel eher, dass du mich nicht halb so sehr hasst, wie du es gern würdest.“, dieser Gedanke folgte Effie seit sie wieder erwacht war.

„Du solltest mich hassen.“, Effie würgte. Ohne Erfolg, denn ihre Kehle bestand noch immer aus derselben kratzigen Wüste, die sie vor dem kurzen, wenig erholsamen Schlaf gewesen war. Wenn man das, was sie da tat überhaupt als schlafen bezeichnen konnte. Herrgott, sogar dösen wäre zu viel der Lobpreisung gewesen auf die Alptraum durchfurchten Momente in denen sie ab und an wegdämmerte. Wenn sie nicht gerade an einen unbequemen Stuhl gefesselt in einem Raum von einer stechend hellen Lampe angeleuchtet wurde, die ihr gleichermaßen Orientierung wie Verstand raubte. Wobei Effie sich langsam nicht mehr ganz so sicher war, ob sie jemals einen besessen hatte. Zumindest tat sich in ihr unweigerlich der Verdacht auf, dass sie ihn Zeit ihres Lebens niemals benutzt hatte. Niemals hatte benutzen dürfen… und wollen.

Ihre Kehle fühlte sich an als bestünde sie aus einer einzigen Wunde. Tausende von Scherben kratzten und zerschnitten sie als sie schluckte und die Lippen ein tonloses Wort formten. Erneut wagte sie einen mutigen Vorstoß ins Licht. Blinzelnd registrierte sie, dass Gestalten den Raum betreten hatten und sich nun um sie herum aufstellten. Dann wurde das Licht gelöscht.

„Bitte…“, eine trockene Handfläche ließ ihr Gesicht mit einem harten Aufschlag zur Seite knallen.

„Effie Trinket. Du weißt, weshalb du hier bist. Du bist eine Verräterin am Kapitol und arbeitest eng zusammen mit den Rebellen aus dem ehemaligen Distrikt 13. Für den Spotttölpel bist du bereit zu sterben.“

Eine einsame Träne rann ihr über die geschundene Haut, die sicherlich schon seit Ewigkeiten keine notwendige Behandlung mit Feuchtigkeitscreme und Maske mehr bekommen hatte. Am liebsten hätte sie bitter aufgelacht. Es war nicht so als würde sie sich jemals wieder Gedanken um ihr Aussehen machen müssen. Eine erschreckend beruhigende Erkenntnis, wie Effie plötzlich bemerkte. Kein pink mehr, keine schrillen, todschicken Kleider. Keine Highheels. Unwillkürlich hob sie den Blick in der plötzlichen Verzweiflung sogar ihr Haar verloren zu haben. Dass es ihr vor einiger Zeit abgeschoren worden war fiel ihr erst danach ein.

Sie spürte wie ihre festgeschnallten Glieder automatisch zu zittern begannen, ehe sie in ein unkontrolliertes Zucken verfiel und es sie samt des Stuhls, wäre er nicht für eben diesen Zweck im Boden eingelassen, auf eben diesen gerissen hätte. Stattdessen waren es nur die Fesseln die ihr scharf in Haut und Fleisch schnitten. Effie würgte ihren nicht vorhandenen Mageninhalt hervor und Tränen flossen in stillen Flüssen an ihr hinab.

„Effie Trinket. Du weißt, weshalb du…“, sie schrie. Der krächzende Schrei ging, noch ehe sie mit einem unwirschen Knüppelschlag auf die Schläfe zum Schweigen gebracht werden konnte in einem leidvollen Gurgeln unter.

„Du solltest mich hassen.“

„Effie Trinket. Du weißt, weshalb du hier bist. Du bist eine Verräterin am Kapitol und arbeitest eng zusammen mit den Rebellen aus dem ehemaligen Distrikt 13. Für den Spotttölpel bist du bereit zu sterben.“

„Prinzessin.“

„Wir werden dich ertränken, zerstören, innerlich wie äußerlich, dich bis zur Unkenntlichkeit vernichten. Deine einzige Rettung ist es zu kooperieren.“

Die Mischung aus süßem Blei und ätzender Galle machte ihre ohnehin plumpe, nutzlose Zunge taub. Sie wollten Antworten? Wofür? Weshalb war sie hier? Sie war eine edelmütige, gutherzige Tochter des Kapitols, eine Verbündete, eine loyale Bürgerin durch und durch.

Ihr Lächeln zeigte blutige Zähne, ehe ihre inzwischen einzige gute Freundin Effie besuchen kam. Die Bewusstlosigkeit kündigte sich nicht an. Sie umfing einen mit flaumigen Decken und hüllte einen in einen Kokon aus trügerischem Frieden.
 

Effie erwachte mit bebenden, blutleeren Lippen und dem Schweißausbruch des Jahrhunderts. Die graue Decke aus Satin war am Bettende zu einem wirren Haufen zusammen geknüllt. Irgendwie hatte sie es geschafft sie sich im Schlaf so um den Knöchel zu schlingen, dass jegliches Blut daraus gewichen war und nun ein steifer Klumpen ihren Fuß darstellte. Effie setzte sich auf und begrub das Gesicht in den Händen, ehe sie es sich zögerlich abtastete. Da war sie, lang und dünn als hätte sie schon immer zu ihr gehört. Die lange Narbe, die sich schräg von ihrer Ohrmuschel ihre Wange hinunterzog und ihre Hände erzittern ließ. Ihre Nasenflügel blähten sich fast sekündlich auf und sie gab sich nicht einmal kurz die Mühe den aufsteigenden Heulkrampf zu unterdrücken, der sie nur eine Sekunde später erschütterte. Noch immer lagen ihre Fingerkuppen prüfend auf ihrer zerstörten Haut. Sie war entstellt. Sie war gebrochen. Sie lag in einem Bett, in dem sie niemals freiwillig gelegen hätte in einem Distrikt, in das sie nie freiwillig einen Fuß gesetzt hätte – außer, wenn es um ihre eigene Profilierung ging.

Ein weiterer Schluchzer schüttelte sie, während sie sich versuchte aus dem Knäuel zu befreien, das ihre Bettdecke sein sollte. Doch ihre Finger waren noch immer so zittrig und von einer so ureigenen Ungeduld eingenommen, dass sie den fest gewebten Stoff mit einem wütenden Schrei zerriss. Wer hätte gedacht, dass es so gut tut etwas zu zerstören? Es war gegen jede Manier, gegen jede Etikette, die ihr jemals beigebracht worden war und die alte Effie hätte über dieses Benehmen, über diesen… Ausbruch schockiert die perfekt manikürten Nägel vor dem ebenfalls sinnlich hervorgehobenen Mund zusammengeschlagen. Nicht zu vergessen der anschließende vorgehaltene Tadel des Jahrhunderts. Aber die alte Effie gab es nicht mehr.

Unwillkürlich erwischte sie sich dabei, wie ihr Blick zu der hellen Stelle über der Kommode glitt, die ihr altes Ich als spartanisch beschrieben hätte. Wenn nicht sogar als herunter gekommen. Alles in diesem Haus war herunter gekommen. Besonders der Besitzer. Sie gab einen Laut von sich, von dem man nicht genau sagen konnte ob er nun Verzweiflung oder Erniedrigung aussagen sollte. Sie selbst war sich dessen nicht wirklich sicher als sie in die weichen Pantoffel glitt, noch ein letztes Mal an dem übrigen Fetzen riss, der sich in einem penetranten Knoten an ihrem Bein festgefressen hatte und die Tür hinter sich schloss. Die Wanduhr zeigte punkt 3:00 Uhr nachts an und zumindest vom Grad der vorherrschenden Dunkelheit konnte das sogar gut möglich sein. Auf den Wahrheitsgehalt, oder eher die tatsächliche Funktionsfähigkeit der Dinge in diesem Haus gab sie weniger als… sie gab nichts darauf. Hier funktionierte einfach nichts so wie es sollte, vom Kühlschrank mal abgesehen. Dessen alleinige Funktion allerdings darauf zu beschränkt sein schien nach wie vor Bier und andere Spirituosen kalt zu stellen.

Effie linste um die Ecke und schlich weiter. Wenigstens hatte sie herausgefunden welche Dielen sie übergehen musste um möglichst lautlos ins Erdgeschoss gelangen zu können. So drückte sie sich Meter um Meter durch das dunkle Obergeschoss, die Treppe hinab und schaffte es schließlich ungesehen und ungehört den Knauf der Küchentür umzudrehen. Lautlos stieß sie die vor Spannung angehaltene Luft aus den Lungen und konnte sich ein Husten gerade noch so verkneifen. Automatisch huschte ihr Blick hektisch die Treppe hinauf und sie verharrte bewegungslos. Sie lauschte, doch das einzige Lebenszeichen war eine fette Fliege, die ihren Weg durch den Spalt zwischen Küche und Tür antrat und ihr ganz persönliches Schlaraffenland betrat. Effie fragte sich, ob selbst diese Fliege unter Alkoholeinfluss stand, seit sie hier unter Haymitch Abernathys Dach herumsurrte. Ein Gedanke der sie gleichzeitig auf fast paradoxe Weise erheiterte und abstieß. Geräuschlos lehnte sie die Tür hinter sich an, nachdem sie hindurch gehuscht war und das flackernde, schwache Licht des geöffneten Kühlschranks nun die Küche in groteske Schattenspiele tauchte. Naja. Zumindest hätten sie dann etwas gemeinsam, die Fliege und sie.

Die alte Effie hätte bei helllichtem Tag in einem Anflug von gekräuselter Nase und unterdrücktem Würgereflex sämtliche Flaschen mit alkoholischem Inhalt aus diesem Haushalt auf Nimmer Widersehen verbannt. Die gegenwärtige Effie genoss die kalte Wohltat als der Schnaps ihren Rachen in Feuer setzte, während sie sich matt am Tisch niederließ und die Decke anstarrte. Die einstmals so schön prallbunten Lippen waren einen Spalt breit geöffnet und schürten das warme Brodeln das von ihrer Kehle direkt weiter ihren Magen erhitzte. Dieses Haus hatte dringend eine gründliche Renovierung nötig. Dachte die alte Effie.

Das ist das schönste Haus, in dem ich je leben durfte. Bemerkte die neue und nahm einen weiteren, diesmal fast schon verzweifelt tiefen Schluck aus der langen Flasche mit der klaren Flüssigkeit, die munter und einladend darin hin und herschwappte.

„Die Prinzessin kann auch nicht schlafen, hm?“, Effie schreckte zusammen und die Flasche glitt ihr um ein Haar aus der Hand. Schnell ließ sie sie unter den Tisch gleiten.

„Ich habe einen Namen, Haymitch. Falls du dich daran erinnern kannst.“

„Sag’ ich doch. Prinzessin.“, mit schweren Schritten schlurfte Haymitch zum Kühlschrank und im Gegensatz zu ihr konnte man meinen ein Wildschwein pflüge gerade die Küche um. Haymitch grunzte unzufrieden und kratzte sich in wenig appetitlicher Manier an der unrasierten Wange, ehe er sich schmatzend für ein simples Bier entschied. Im Gegensatz zu Effie griff er in letzter Zeit immer seltener zum starken Zeug. Der Korken flog in einem auf dem Fuße folgenden Plopp achtlos einen Meter weiter klirrend auf den Boden, wo er auch liegen bleiben sollte. Bis sich Effie darum bemühte ihn wieder aufzuheben.

Es dauerte einen Moment, bis Effie ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte und zumindest meinte ihrem Gastgeber nicht sofort deswegen an die Gurgel springen zu müssen. Er tat es schließlich mit Absicht. Den ganzen halben Monat schon. Jeden einzelnen Tag bückte sie sich um hinter ihm herzuräumen. Ob es nun Deckel, Dreck oder ein liegen gelassenes Kleidungsstück war.

Die Flasche fühlte sich erdrückend schwer an in ihrer Hand, während sie penibel darauf achtete sie im Schatten neben sich zu halten. Sie drückte die Lippen aufeinander und wendete automatisch den Kopf ab, ein missbilligendes Schnauben folgte auf dem Fuße.

„Hah. Wenn’s dich irgendwie glücklich macht – ich auch nicht.“, seufzte Haymitch als er sich ihr gegenüber auf den Stuhl fallen ließ, den Kopf in den Nacken legte und mit offenem Mund die Decke musterte. So wie er es immer tat. Abwesend. Effie fielen die feinen Fältchen auf, die sich nur noch ein wenig mehr um seine Augen herum gebildet hatten. Selbst durch die Dunkelheit, die nur durch den vollen Mond erhellt wurde erkannte sie jede Feinheit an ihm. Ein weiterer Fleck am Revier des Hemdes, das er nun schon seit drei Tagen trug, ein Loch hier, ein graues Haar da. Effie blinzelte als ihr auffiel, dass Haymitch nicht mehr die Decke anstarrte. Und sie blinzelte noch mehr als sie bemerkte, dass er eigentlich nur ihr eigenes Starren erwiderte. Sie räusperte sich abwehrend und setzte eine möglichst verächtliche Miene auf.

„Du schläfst in der Kleidung, die du schon den ganzen Tag getragen hast? Und wahrscheinlich noch länger…?“, ihr Pantoffel tippte unruhig auf den Boden.

„Ich dachte nur, es würde dich vielleicht beruhigen, wenn ich in meinem Haus nachts nicht vollkommen nackt herumgeistere, während du hier lebst. Was nebenbei bemerkt mein vollstes Recht wäre, da es mein Haus ist.“, er erntete einen säuerlichen Blick und antwortete mit einem süffisanten Anziehen der Augenbraue, während ein weiterer Schluck Gerstensaft den Weg in seinen Magen fand, ehe er mit dem Flaschenhals in ihre Richtung deutete.

„Wenn du schon meinen besten Schnaps jede Nacht wie Wasser trinkst.“, er ignorierte, dass sie nach Luft schnappte und ihre Haltung sich sekündlich versteifte, auch wenn er nicht leugnen konnte, dass ein kleiner Funken Belustigung in seinen Augen aufglomm.

„Oder soll ich lieber davon ausgehen, dass dich meine Schlafgewohnheiten interessieren, Prinzessin? Wenn dem so ist: Ich schlafe nackt.“

Er zeigte ihr in einem breiten Grinsen die Zähne, von dem sie beide wussten, dass es nur dem Zweck diente, sie zu provozieren. Die Frage, ob er es schaffte erübrigte sich als Effie mit bebender Hand die Schnapsflasche auf den Holztisch knallte und ihn aus zusammen gekniffenen Augen heraus anfunkelte. Haymitch legte die Stirn in Falten und das aufgesetzte Grinsen schwächte sich zu einem selbstgefälligen, triumphalen Aufzucken der Mundwinkel ab. Es war ein interessantes Bild sich vorzustellen wie die blasse, unverfälschte und seit jüngster Vergangenheit vernarbte Effie nur eine Tischbreite von ihm entfernt vor Röte in Flammen aufging. Bildlich gesprochen verstand sich.

„Nun!“, gab sie spitz von sich und ihre Lippen glichen nun mehr einem Strich.

„Und wenn du mit einem pinken, rückenfreien Abendkleid deinen Rausch ausschlafen würdest – es interessiert mich nicht im Geringsten, Haymitch Abernathy.“, der Griff um ihre Flasche – wenn er schon von ihren nächtlichen Ausflügen hierher in die Küche wusste, konnte sie diese ruhig auch für sich beanspruchen – verkrampfte sich unweigerlich und sie schluckte den Drang ganz schnell einen Whirlpool mit Kräuterbad aufzusuchen hinunter. Das waren Impulse und Handlungsweisen der alten Effie. Sie hatte kein Recht dazu hier in der Gegenwart an ihr zu reißen. Die alte Effie war tot. Und nach einem Whirlpool mit Kräuterbad konnte sie hier ohnehin suchen bis sie schwarz wurde. Oder vielleicht realistischer: blau.

Sie begoss den Gedanken mit einem offensichtlich sehr undamenhaften, sehr langen Schluck Schnaps, der ihr das Gesicht zu einer angeekelten Maske verzerrte und sie sich unweigerlich schütteln ließ, ehe sie sich aufrichtete. Die Wirkung des schnell hinuntergestürzten Alkohols machte sie schwach in den Knöcheln und ihre Sicht war mit einem Mal alles andere als klar, doch Wut war stärker als Abscheu oder die Arroganz die sie früher angetrieben hatte.

„Soll ich dich Tragen? Kann mir gut vorstellen, dass es für dich verdammt schwer ist, ohne deine Beinbrecherschuhe Treppen zu erklimmen.“, der Sarkasmus troff aus jeder einzelnen Silbe, während Haymitch sie regungslos musterte.

„Oh, fahr’ zur Hölle, Haymitch!“, ihre Füße trugen sie schneller zur Tür hinaus als sie den stechenden Schmerz in Handgelenk und Knien spürte, der sie unweigerlich durchrannte als sie die Treppe hinauf fiel.

Haymitch starrte durch die Tür, ehe er vage den Kopf schüttelte und sich unterm Kinn kratzte.

„Da war ich schon.“, die glanzlosen Augen starrten den Punkt an, an dem Effie eben noch gestanden und ihn verflucht hatte. Mit einem tonlosen Seufzen strich er sich die aschblonden Haare aus dem Gesicht. Die sollte er sich wohl auch mal wieder schneiden, nicht? Er fragte sich, wann Effie ihn deswegen zurechtweisen würde, ehe er sich schwerfällig aufrichtete um beide Flaschen abzudichten und zurück in den Kühlschrank zu räumen. Eilig hatte er es dabei nicht, es wäre nur eine Verschwendung sie einfach so schlecht werden zu lassen. Das Bier zumindest konnte er morgen vergessen.

Effie rang mit der Fassung. Krampfhaft versuchte sie den rasselnden Atem des aufkommenden Tränenkrampfes zu unterdrücken und sich gleichzeitig wieder aufzurichten, was nur wieder darin endete, dass sie unglücklich am glatten Holz abrutschte und sich das Knie aufschlug. Die alte Effie hätte niemals geflucht. Die neue tat das auch nicht. Allerdings nicht, weil es sich nicht gehörte und sie in einem schlechten Licht dastehen lassen ließ, sondern weil sie nicht wollte, dass er sich feixend als strahlender Sieger dieses Gefechts im Stuhl zurücklehnte und sein verdammtes Bier genoss, während sie wie ein angeschossenes Tier auf seinem Treppenvorsprung lag und mit einem Nervenzusammenbruch kämpfte, der nicht nur auf Alpträumen an vergangene Wochen begründete, sondern inzwischen auch auf Gefühlen, die sie nicht einordnen konnte. Und wollte. Sie wollte nicht zugeben, dass sie darunter litt, wenn er sie Prinzessin nannte, weil sie dachte, er wollte sie deswegen verspotten. Und sie wollte erst recht nicht, dass er ihr ins Gesicht sah, so wie sie war. Ungeschminkt, ungemacht, mit hässlichen Narben, rauer, unreiner Haut und dem widersprüchlichen Bild der naiven, bemitleidenswert aufmerksamkeitssüchtigen Frau aus dem Kapitol, als die sie geboren worden war. Sie hatte ihren Spiegel nicht umsonst abgehangen. Das, was sie sah, konnte sie nicht ertragen. Die lächerlich zerstörte Witzfigur, das lächerlich unwichtige, medientolle, luxusverwöhnte Mädchen, dessen einzige Sorge einst gewesen war, welcher künstliche Wimpernkranz besser zum völlig übertrieben pompösen Kleid mit den lächerlich hohen Schuhen passen würde. Sie wusste nicht, was sie sollte. Sie wusste nur, dass sie nichts wusste. Und dass sie nicht wollte, dass er wiederum das wusste. Er sollte nicht auf sie herabsehen, wie er es immer getan hatte. Nicht, nachdem er sie in den Klauen der Folter zurück gelassen hatte. Aus der er sie später wieder befreit hatte.

Der Wasserfall hatte wieder begonnen und sie bemerkte erst, dass sie weinte als sie auf die Arme genommen und die Treppe hinauf getragen wurde. Von Armen, die viel stärker waren als sie ihm je zugetraut hätte, auch wenn sie es schon immer geahnt hatte.

„Lass das, ich brauche dein Mitleid nicht.“

„Nein.“

Effie verengte die Augen und hörte damit auf sich aus seinem Griff winden zu wollen.

„Denkst du, nur weil ich dort erzogen wurde, schöne Kleider liebte und hohe Schuhe, dass ich… ich deswegen angewiesen wäre auf einen dauerhaft betrunkenen, rüpelhaften, widerwärtigen Mann, der mich nur deswegen in seinem Haus duldet, weil ihm die Pistole auf die Brust gesetzt wurde? Denkst du, du kannst deswegen auf mich herabsehen, Haymitch? Du bist widerlich, ich hasse dich!“, mit einem dumpfen Stöhnen kam sie auf dem Rücken in ihrem Bett auf und schnappte zornig nach Luft, während die Tränen noch immer kein Ende nahmen. Und er? Er sah sie nur an. Abgedunkelt durch Schatten, da das schwache Licht durch das hohe Fenster nur auf sie viel und sie beleuchtete. Instinktiv krümmte sich Effie zusammen, die Hände krallte sie sich ins Gesicht und ein markerschütternder Schluchzer durchzog das gesamte Haus.

Haymitch starrte die gebrochene Frau vor sich an. Es dauerte einen Moment, bis ihre Worte ihre Bedeutung transferiert hatten, denn der tägliche Alkoholkonsum war sicherlich nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. An seiner Reaktionsfähigkeit danach aber hatte sich kaum etwas geändert. Grob griff er nach ihren Knöcheln um sie aus ihrer Krümmung zu zerren, ehe er sich über sie lehnte und ihr Kinn nicht minder unsanft mit einer Hand umfasste. Ihm war nicht danach zärtlich zu sein und Effie wusste, dass sie es nicht verdient hatte. Genauso wie er wusste, dass er versöhnliche Worte nicht verdiente.

Sein Blick bohrte sich unsanft in ihren, während sie unter ihm zappelte und versuchte ihn von sich zu treten. Ihre Tränen rannen über seine Hand als er mit der anderen die Finger mit ihren verschränkten und den Kopf schüttelte. Effie riss die Augen auf. Sie hatte eine Backpfeife erwartet, vielleicht sogar noch gewürgt zu werden. Nicht aber diese intime Berührung, auch wenn sie nur von ihren ineinander verschränken Händen ausging. Aber sie hatte die gewünschte Wirkung gezeigt, denn außer ihrem sich hektisch hebend und senkenden Brustkorb bewegte sie sich nicht mehr.

„Ich denke dass du traurig bist. Und dass dir keine Schminke besser steht als dieses alberne Clownsgesicht des Kapitols. Und soweit ich das sehe bist du diejenige von uns die ein paar Schlucke zu viel guten selbstgebrannten getrunken hat, Effie.“, er sah sie unverwandt an und seine Stimme war nicht die eines versöhnlichen Gesprächs. Nicht die eines liebevollen, romantischen Mannes, der seine Frau auf Händen trug und ihr das Blaue vom Himmel versprach. Es war die raue, die streitsüchtige Stimme eines Mannes, der keinen Platz in sich hatte für Feinheiten und Benehmen.

„Und du hasst mich nicht. Auch wenn ich dir gesagt habe, dass es besser für dich wäre.“, Haymitch wendete einen Moment lang fahrig den Blick ab und sein ungehobelter Griff verfestigte sich unweigerlich, was Effie ein weiteres Schluchzen entrang.

Dann lockerte sich sein Griff und er zog sich zurück. Haymitch wankte zur Seite und hielt sich am Bettgestell fest. Vielleicht war er nicht betrunken. Aber was hieß das schon. Nur weil sie ihn nicht hasste, hieß das auch nicht, dass sie ihn mochte. Er lachte missgünstig und ohne Freude.

„Ich habe darum gebeten dich hier haben zu dürfen.“

„Weil du fürchterlich bist.“, fügte er hinzu und strich sich müde mit beiden Händen übers Gesicht.

„Und weil wir uns gegenseitig verdienen, Prinzessin.“

Effie fuhr auf und der altbekannte Geschmack von Blut mischte sich mit dem bitteren Überbleibsel des Alkohols.

„Haymitch.“

„Hm?“

„Ich hasse dich.“

„Nein, das tust du nichts, Prinzessin.“
 


 


 


 

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...vorläufiges Ende.

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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  belladonna_lily
2013-09-30T15:21:21+00:00 30.09.2013 17:21
Fortsetzung! Fortsetzung! Fortsetzung! Fortsetzung! Fortsetzung! Fortsetzung!Fortsetzung! Fortsetzung! Fortsetzung! Fortsetzung! Fortsetzung! Fortsetzung!

:D oh bitte bitte bitte schreib weiter!
Die beiden Sind wirklich ein paar das sich wundervoll ergänzt und ich stimme dir absolut zu! :)
Bitte bitte bitte schreib weiter ;)
Herzliche grüße
Von:  Kalliope
2013-02-22T22:10:10+00:00 22.02.2013 23:10
Jaaa, eine FF zu Haymitch und Effie! ♥
Ich liebe die beiden, sowohl im Film als auch im Buch und du hast absolut Recht, es gibt viel zu wenig Leute, die sich aktiv mit diesem Pairing auseinander setzen, dabei passen sie so toll zueinander! Du bringst das auch richtig gut rüber, wie es Effie nach der Folter ergeht, außerdem hast du die Charaktere der beiden sehr gut getroffen. Da würde ich am liebsten noch viel mehr von lesen :)
Von:  Phoenixfedern
2013-02-19T15:44:12+00:00 19.02.2013 16:44
Schöne FF!
Und das schreit förmlich nach einer Fortsetzung! :)
Mit gefällt dein Schreibstil sehr. Du bringst es wirklich wunderbar rüber, wie es Effie nach der Folter vom Kapitol bei Haymitch geht.
Außerdem liebe ich Haymtich! XD und du hast seinen Charakter wirklich sehr schön getroffen :)
Weiter so :D
Von:  Liuna
2012-09-27T09:35:38+00:00 27.09.2012 11:35
Ohhh endlich mal eine FF über die beiden. Ich war so traurig, dass man am Ende gar nichts mehr von den beiden hörte. Deswegen: Super!!
Von:  Fairyannie
2012-07-25T18:22:06+00:00 25.07.2012 20:22
Ich liebe Hayffie. :)
Also muss ich hier einfach etwas hin schreiben. Ist doch Ehrensache ;-)
Ich finde es sehr gut, dass du dich damit befasst, was mit Effie passiert ist und wie sie damit umgeht. Immerhin weiß man aus den Büchern nicht besonders viel.
Haymitch ist wirklich sehr gut getroffen und ich fand es toll das hier zu lesen.
Danke :)
Von:  Coronet
2012-05-16T20:57:18+00:00 16.05.2012 22:57
Wow, mir liegt das Pairing eigentlich eher weniger, aber mit deinem OS hast du es geschafft, mich irgendwie zu überzeugen.
Er ist sehr schön geschrieben und die Charaktere passen einfach wunderbar. Am besten gefällt mir wohl, dass der Schluss nicht kitschig und romantisch ist, sondern eher nüchtern ausfällt.
Alles in allem ein schöner kleiner OS, gegen dessen Ausweitung zu einer Serie ich nichts hätte ^-~
Liebe Grüße,
Coronet
Von: abgemeldet
2012-04-18T17:14:48+00:00 18.04.2012 19:14
Ich hab mich extra angemeldet um einen Kommentar loszuwerden, noch ehe ich die FF gelesen habe. :D Die erste Hayffie FF die ich seit.... Stunden ? gefunden habe. :D
Seit einigen Wochen bin ich jetzt im Panem-Fieber und das Pairing ist... TOLL ! Seitdem ich den Film gesehen habe, bin ich voll und ganz überzeugt, dass die beiden zussaammen gehören. :D
Ich werde jetzt die FF lesen, obwohl sie mich spoilert und ich noch 1/4 des letzten Teils vor mir habe. :D
Von: Swanlady
2012-03-25T15:14:30+00:00 25.03.2012 17:14
Weißte, eigentlich war mir Hayffie immer egal. :D' Irgendwie zu... offensichtlich, weil alle die zwei mögen und ich meistens eher auf seltene Kombinationen ausweiche. Aber nachdem ich gesehen hab, wer diese FF geschrieben hat, musste ich sie einfach lesen. ;)
Allein schon, weil meine Haymitch-Obsession gefüttert werden will. Und ich bereue es nicht!

Sieht ganz so aus, als könnte ich mich unter den richtigen - oder falschen? - Umständen wirklich sehr gut mit dem Pairing anfreunden. Und es war ja auch so schön subtil angedeutet; etwas, das ich pers. sehr mag und auch sehr oft mache. |D
Zu deinem Schreibstil muss ich mich wohl nicht mehr äußern, inzwischen sollte klar sein, dass ich total auf ihn stehe. <3 Die Figuren waren auch sehr IC, finde ich. Der Charakter von Haymitch kommt immer so schön zur Geltung, wenn er etwas sagt - mag daran liegen, dass wir im Original ja nur Katniss' Sichtweise erfahren - und das ist mitunter das schwierigste an ihm. Hast ihn wirklich gut getroffen. :)

Und: Haymitch + Kosenamen = hell yes. Ich habe es ja schon geliebt, wie er Katniss immer sweetheart genannt hat. Prinzessin passt wirklich sehr gut. :]

Daumen hoch, liebe Bells! Ich hätte nichts gegen eine Fortsetzung.


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