Die Geflügelte Schlange - Schatten von Erzsebet (* * make love, not war * * - Teil 2) ================================================================================ 7. Der Plan ----------- Nachdenklich ging Nefut vom Mawatizelt fort, ließ Hamarem im Gespräch mit irgendwelchen Kaufleuten zurück. Natürlich war er darüber erleichtert, daß Hamarem seine Aufgaben offensichtlich souverän meisterte und alle diesbezüglichen Befürchtungen überflüssig gewesen waren. Seltsamerweise hatte Hamarem jedoch über Nefuts grobe Verletzung der Gebote der Schriften durch das Bekenntnis, sich körperlich zu einem scheinbaren Mann hingezogen zu fühlen, kein Wort verloren. Dabei schien der Wahre Weg der Dreh- und Angelpunkt von Hamarems Denken gewesen zu sein, als sie noch in Ashans Lager gelebt hatten. Konnte sich ein Mann innerhalb eines Mondes wirklich so ändern? Dachte Hamarem, Nefut hätte rein theoretisch gesprochen? Nein, er hatte doch Bescheid gewußt über Nefuts leidenschaftliche Zuneigung zu Amemna, es aber sofort abgetan mit der Wirkung des unirdischen Zaubers. Wie lange wußte Hamarem schon Bescheid? Hatte er inzwischen einfach Zeit gehabt, sich mit dem Gedanken abzufinden, daß Nefut anscheinend zum Liebhaber eines Mannes geworden war? War die Erkenntnis von Nefuts Abkehr vom Wahren Weg vielleicht wirklich Ursache seiner plötzlichen Krankheit gewesen? Nefut merkte, daß er auf dem Weg zum Badezelt war. Das Wasser in den Bottichen dampfte, das Badezelt war also wieder in Betrieb - dank Hamarem. Anscheinend wußte Hamarem wirklich, was er tat, auch wenn es Nefut schwer fiel, den fähigen Administrator, als der Hamarem sich hier im Lager erwies, mit dem unterwürfigen und weltfremden Tagträumer, als den er ihn kennengelernt hatte, zu vereinbaren. Nefut entkleidete sich, wusch sich und stieg endlich in einen der Bottiche. Das frisch eingefüllte heiße Wasser entspannte Nefut so sehr, daß er nach ein paar Augenblicken nahe daran war, einzunicken. Hamarem mußte den unirdischen Zauber Amemnas selbst, am eigenen Leibe, kennengelernt haben, ging Nefut plötzlich durch den Kopf und er war wieder hellwach. Es paßte alles zusammen. Sein Verständnis für Nefut, als Zweiter eines Unirdischen eine schwere Last zu tragen, die ungewöhnlich kalte Art Hamarems an jenem Abend nach der Schlacht, als Nefut beide belauscht hatte und Hamarem jeden Körperkontakt mit Amemna auffällig vermieden hatte, Hamarems Besuch oder Besuche im Amazelt - wie anders hätte er die Priesterin der Ama und ihre Schülerin als solche erkennen können - und schließlich das Liebesmal an seiner Lippe, das wohl kaum aus dem Amazelt sondern eher von einer besitzergreifenden Geliebten stammte. In Ashans Zelten war er an den sinnlichen Freuden so auffällig uninteressiert gewesen, und nun schien es, als habe Hamarem die Versäumnisse von Jahren aufholen wollen. Hatte er durch die Besuche im Amazelt und durch eine heftige Affäre versucht, sich Amemnas unirdischem Zauber zu widersetzen? Anscheinend war er damit erfolgreich gewesen, anders als Nefut. Für einen Moment war Nefut sich nicht sicher, ob er Hamarem beneiden oder bedauern sollte für seine Charakterstärke, Amemna nicht erlegen zu sein. "Ich werde Ama ein Dankopfer darbringen", hörte Nefut plötzlich leise einen Mann sagen, der in einem der Nachbarbottiche sitzen mußte. "Ich habe das Zelt schon gestern abend besucht. Es ist gut, daß die Dienerinnen der Göttin zurückgekehrt sind", antwortete ein anderer Mann. Von Schelschér wußte Nefut, daß es im Süden auch üblich war, der Hawat ein kleines Opfer zu bringen, Frauen eine Blüte und Männer eine Haarlocke. Er sollte der Ama ein kleines Opfer bringen und um ihren Beistand bitten, denn er würde ihn brauchen, jetzt, wo er sich Amemna endlich offenbaren wollte. Der Gedanke an die Dienerinnen der Göttin hatte erstaunlicherweise nichts Verlockendes für Nefut. Alle Künste, die sie beherrschten, beherrschte auch Amemna. Und darüber hinaus hatte sie Verständnis für die Dinge des Krieges, wußte mit einem Schwert umzugehen, konnte befehlen. Sie war mehr als eine Frau, und auch wenn es Nefut noch immer deutliches Unbehagen verursachte, wollte er ernsthaft versuchen zu akzeptieren, daß auch ihre männlichen Genitalien ein Teil von ihr waren. Sie hatte immerhin nie verlangt, daß er sie wie einen Mann befriedigen sollte, also konnte er ihr kaum Vorwürfe machen für eine körperliche Eigenart, die sie ihrer unirdischen Natur verdankte. Nefut würde sich zu Amemna bekennen und seine Liebe nicht mehr verheimlichen. Und Hamarem und Oremar würden eben wie Derhan damit leben müssen, daß Nefut scheinbar zum überzeugten Liebhaber eines Mannes geworden war. Er mußte Amemna endlich sagen, daß er sie liebte, in einer Art und Weise daß sie merkte, wie ernst es ihm war. Dafür versuchte Nefut, seine Kenntnis der Südländersprache wiederzubeleben. 'Tschan' war der oder die Liebste, 'fr'tschan' - meine Liebste, 'fr'tschan ne' - du bist meine Liebste, ich liebe dich. Und mit neuer Energie erhob Nefut sich aus dem Wasserbottich, trocknete sich ab und bekleidete sich. Das Amazelt lag gleich neben dem Badezelt, im offenen Eingangsbereich stand eine mit einem bunten Tuch bekleidete, mit einigen Blüten geschmückte Amastatue. Nefut sammelte sich, trat dann in den leeren Eingangsbereich, kniete sich vor die Statue, die lächelnd auf ihn hinabschaute. "Ama, große Göttin, segne meine Verbindung mit meiner Geliebten", flüsterte Nefut. Dann schnitt er mit seinem Dolch eine Haarsträhne ab und legte sie an den Fuß der Statue, wo schon einige andere Haarsträhnen lagen. Er steckte seinen Dolch zurück, versank einen Moment im Anblick des Bildes der Göttin und senkte dann noch einmal den Kopf, drückte die Stirn auf die Teppiche. "Ama, laß sie meinen Sohn tragen." Nach einer Weile des Verharrens, hörte er das Klingeln von Schmuck, das neben ihm innehielt. Nefut schaute auf und erblickte eine junge Ostlerin, barfuß und in einem schlichten blauen Kleid, die unnahbar zu ihm heruntersah, fast wie die Göttin selbst. "Seid gegrüßt im Zelt der Ama", sagte sie. "Wollt ihr der Göttin auch ein großes Opfer bringen?" Nefut erhob sich, neigte ehrerbietig den Kopf vor der Dienerin der Göttin. "Nein, ich wollte nur zu ihr beten. Aber nehmt das für den Weihrauch." Und er zog für die Frau eine Silbermünze aus seinem Gürtel. "Die Göttin möge euch segnen", und das Gesicht der Frau schien etwas freundlicher. "Euch ebenfalls", erwiderte Nefut dankend, dann machte er sich auf zu den Pferdepferchen, um zurück nach Tetraos und seiner Geliebten zu reiten. * Als Nefut den Palast erreichte, entdeckte er in den Stallungen, daß Amemnas Stute fehlte, Derhans Wallach jedoch war noch da. Und während er sein Pferd versorgte, sah er, wie gerade jetzt zufällig der Mann sein Pferd zurück in den Stall führte, der den Stall am Morgen kurz vor Nefut verlassen hatte. Ein seltsamer Zufall war das. Nefut eilte zu den Gemächern, die dem Birh-Melack und seinem Gefolge zugewiesen worden waren und fand sie leer. Er lief hinaus auf den Gang und fragte den Wächter vor ihren Räumen, wo Derhan denn sei. Der wies ihm den Weg zu den Wirtschaftsräumen im Erdgeschoß des Palastes. Nach seinem Weg vorbei an den Waschbottichen mit kichernden Wäscherinnen, von denen Nefut im Vorbeigehen Bemerkungen wie 'Ein Leibwächter des schönen Birh-Melack' und 'Ein Leibwächter von Baridas neuem Liebling' aufschnappte, entdeckte er Derhan schließlich in einem kleinen Hof, in dem er gerade dabei war, Amemnas Mantel zu waschen. "Wo ist unser Herr?" fragte Nefut, während Derhan den edlen Stoff in dem Wasserkübel eifrig stampfte. Derhan sah auf zu Nefut, stampfte dann wortlos weiter, holte den Mantel aus dem Wasser und wrang ihn aus. Dann schüttelte er das nasse Gewebe auseinander, begutachtete sein Werk, roch an dem Stoff, schien zufrieden und legte den Mantel, sorgfältig ausgebreitet über eine quer durch den Hof gespannte Leine. "Unser Herr geruhte, den Palast zu verlassen, um im Lager nach dem Rechten zu sehen. Vielleicht sucht er auch dich dort, wer weiß?" antwortete Derhan dann in der gestelzten Art, der sich die Zwergendiener im Palast bedienten. Dann hockte er sich vor den Bottich und zog noch ein weißes Untergewand aus dem Waschwasser und schließlich den grünen Gürtel, den Amemna am Morgen gerade umgebunden hatte, als Nefut sich aufmachte ins Heerlager. "Hat Amemna sich beim Frühstück bekleckert?" fragte Nefut scherzend und erntete dafür einen kritischen Blick. "Nein, er bekam nur Gelegenheit, seine unirdischen Kräfte auch hier im Palast vorzuführen", antwortete Derhan von der Leine her, über der nun auch das Untergewand und der Gürtel hing. Das klang nicht gut. "Was soll das heißen?" rief Nefut aufgebracht über Derhans Rätselspielchen und die plötzlich aufkeimende Angst um Amemna. "Genau, was ich sagte. Unser Birh-Melack hat gezeigt, daß auch ein Dutzend Dolchstiche in den Hals ihn nur zum Bluten, aber nicht zum Sterben bringen." "Wer hat es gewagt?" schrie Nefut und war drauf und dran, Derhan am Kragen seines Untergewandes zu packen, hielt sich aber gerade noch zurück. Wieso sollte Derhan Amemna irgend etwas antun? Derhan hielt Nefut mit kampfeslustiger Miene stand. "Es war ein kleiner Junge, Hamarems kleiner Junge um genau zu sein, mit Hamarems Dolch. Amemna bringt den Dolch gerade zurück zu seinem Besitzer." Der Dolch, den der kleine Nefut Hamarem gestohlen hatte. "Aber Hamarem hat doch nichts mit dem Anschlag auf Amemna zu tun!" ereiferte Nefut sich. "Das kann doch auch Amemna nicht glauben. Der Junge hat Hamarem den Dolch gestohlen, gerade als ich dabei war. Ich habe ihn noch damit aufgezogen, daß er es nicht gemerkt hat. Oh ihr Götter!" Nefut schüttelte den Kopf. "Ich muß zurück ins Lager und Amemna erklären..." "Du mußt gar nichts, Nefut", unterbrach Derhan ihn. "Amemna hat mir befohlen, hier zu bleiben und dir sollte ich das selbe sagen, wenn du wieder auftauchst." "Aber..." Derhan schüttelte den Kopf. "Unser Birh-Melack wird erkennen, ob Hamarem schuldig ist oder nicht. Daran zweifle ich nicht. Wieso vertraust du ihm in dieser Sache weniger als ich?" "Weil...", begann Nefut, doch er verkniff sich fortzufahren mit dem, was er befürchtete. Daß Hamarem vielleicht doch nicht unschuldig war, daß der kleine Nefut und Hamarem ihm und Oremar nur etwas vorgespielt hatten, um den unirdischen Verführer zu töten. Diese Durchtriebenheit mochte er Hamarem nicht unterstellen, aber der Verdacht ließ sich nicht mehr zum Verstummen bringen, denn Hamarem hatte Nefuts Offenbarung viel zu gelassen zur Kenntnis genommen und offensichtlich steckte in Hamarem ja weit mehr, als es in Ashans Lager den Anschein gehabt hatte. * Im Laufe des Nachmittags kehrte Amemna zurück in den Palast. Sie zeigte sich Derhan und Nefut nur, um zu sagen, daß sie nicht gestört zu werden wünsche, egal wer nach ihr verlangte, und verschoß die Tür zwischen ihrem Zimmer und dem Vorzimmer, in dem Derhan und Nefut sich aufhielten. Sie hatte ausgesehen wie ihr eigener Geist. Das konnte doch nur bedeuten, daß ihr Vertrauter aus der Zeit als Gefangene Ashans, mit dem sie sich im Lager der Hannaiim zu nächtlichen Gesprächen an den Pferdepferchen weggestohlen hatte, ihr Vertrauen auf das Schwerste enttäuscht hatte. Wie hatte Hamarem nur soetwas tun können? Er war es doch gewesen, der als erster davon gesprochen hatte, Amemna sei ein Unirdischer. Er war es der ihre offenbar gewordenen Kräfte zum Zeichen ihrer unirdischen Natur erklärt hatte, der auf dem Schlachtfeld einen Kniefall gemacht und geschworen hatte, ihr immer treu zu dienen. Hamarem, der Nefut gefragt hatte, wo dessen fürstliche Ideale geblieben seien, um Nefuts Verbindung mit Amemna wissend. Sah Hamarem in Amemna eher einen böswilligen Verführer als einen Liebenden? Was unterschied denn Dämonen und Unirdische in den Schriften - außer ihre Taten und ihre Haltung gegenüber den Menschen? Beide waren doch ursprünglich die Kinder des Ungenannten, die einen, denen ihr Vater wohlgesonnen war, dienten dem Nächtlichen Träumer, die anderen, die Verstoßenen, dem Herrn des Totenreiches. Und wenn es nur eine einzige Verfehlung war, die einen Unirdischen aus den Gärten der Freude in Chelems Reich fallen ließ? Doch Nefut schreckte davor zurück, diesen ketzerischen Gedanken weiterzuspinnen. Aber wie hatte Hamarem auf die Idee kommen können, Amemna mit einem Dolch töten zu können? Oder war die Wahl des Attentäters die eigentliche Waffe gewesen? Ein unschuldiges Kind, durch die unterbrochene Opferzeremonie noch immer dem Ungenannten geweiht, das mußte eine sichere Waffe gegen einen Dämonen sein. Nur das Amemna offensichtlich doch kein Dämon war und daher den Anschlag überlebt hatte. Nefut sah hilflos zu Derhan, aber der zuckte mit den Schultern. Er hatte wohl keine Hoffnung, etwas an Amemnas Zustand ändern zu können. Also klopfte Nefut an die Tür seiner Geliebten. "Birh-Melack, darf ich mit euch sprechen?" fragte er leise. Amemna antwortete nicht, dabei war Nefut sicher, daß sie ihn hatte hören können. Er klopfte noch einmal. "Laß mich, Nefut", erklang es durch die Tür, als stünde sie genau auf der anderen Seite. "Amemna", flüsterte er, versuchte, seine ganze Sehnsucht in dieses Wort zu legen. "Laß mich", war jedoch wieder die Antwort, dann hörte Nefut ihre Schritte, die sich von der Tür entfernten. Es drehte Nefut das Herz im Leib um, wie sie ihn von sich stieß, jetzt da er endlich den Entschluß gefaßt hatte, ihr seine Liebe zu gestehen, da er sie aus eigenem Willen aufsuchte, nach der langen Abstinenz sicherlich nicht durch ihren unirdischen Zauber gezwungen, und da sie des Trostes offenbar dringend bedurfte. Und sie ließ ihn nicht zu sich. Schließlich hatte Nefut das Gefühl, bald platzen zu müssen vor angestauten Emotionen. Sein Zorn auf Hamarem und seine Sorge um Amemna, zusammen mit der nun endlich selbsteingestandene Liebe zu ihr bildeten eine explosive Mischung. Nicht einmal Derhan wagte, ihn mit seinen bösartigen Bemerkungen zu provozieren, denn er ahnte wohl, daß Nefut sich diesmal sicher nicht zurückgehalten hätte. Schließlich griff Nefut sich sein Übungsschwert, um sich abzureagieren. Er lief hinunter zu den Wirtschaftsräumen, in den kleinen Hof, in dem Derhan Amemnas Kleider aufgehängt hatte und machte sich mechanisch an die Übungen: vor, vor, zurück, Hals, Kehle, Schwerthand... Ein Huschen im Säulengang zog Nefuts Aufmerksamkeit auf sich, aber er tat, als habe er nichts bemerkt. Er veränderte während der Übungen langsam die Position im Hof, um die betreffende Säule besser im Blick zu haben, ohne gerade darauf sehen zu müssen. Da stand ein Mann im Schatten der Säule, zweifellos. Und es schien genau der Mann zu sein, der am Vormittag so auffällig zeitgleich mit Nefut den Palast verlassen und wieder erreicht hatte. Nefut wurde also, sicher im Auftrag der Regentin, beschattet. Vermutlich wurden sie alle drei beschattet und sicherlich hatte die Regentin auch Spione im Lager ihrer neuen Söldner. Nefut kam ins Schwitzen, entkleidete seinen Oberkörper und fuhr fort mit den Übungen. Vielleicht konnte der Mann der ihn beobachtete, davon noch etwas lernen. "Was seid ihr für ein stattlicher Mann", hörte Nefut eine junge Frauenstimme hinter sich. Er beendete die Übungseinheit und drehte sich dann um, lächelte der Wäscherin zu, und begann die nächste Übung. "Wird euch das nie langweilig, Oshey?" fragte die Frau nach ein paar Augenblicken. Nefut mußte grinsen, aber er machte weiter. "Die Eunuchen der Regentin halten sich mit Ringkämpfen in Form", erklärte sie dann. "Für wen übt ihr euch?" Vor Erstaunen hielt Nefut inne. "Für den Kampf", antwortete er. "Nicht auch für das Bett einer schönen Frau?" fragte die Wäscherin kokett zurück. Nefut konnte bei diesen offenen Worten nicht verhindern, daß er errötete. Er flüchtete sich wieder in seine Übungen. "Unsere Regentin hat heute nacht ja wohl etwas ganz Besonderes mit eurem Birh-Melack vor, nach der ganzen Aufregung heute Mittag", sagte sie dann beiläufig. Nefut versuchte, die Wäscherin zu ignorieren. "Wenn euer Herr heute Nacht beschäftigt ist, seid ihr doch frei von Verpflichtungen. Vielleicht können wir zwei dann auch etwas ganz Besonderes unternehmen?" fragte sie mit einem eher ordinären als verführerischen Augenaufschlag. Also wieder eine Nacht, in der die Regentin Amemna für sich beanspruchte. Nefut verwünschte den mit offensichtlich viel Vorbedacht formulierten Vertrag. Wieso beschränkte Barida sich bei ihren Vergnügungen nicht auf ihre Lustsklaven? Amemna hatte nicht so ausgesehen, als sei sie in der Verfassung, der Regentin heute einen kraftstrotzenden Jüngling vorzuspielen. Nefut legte die Besorgnis über Amemnas Zustand und die Wut auf die Regentin in seine Schläge, die Wäscherin wich vor ihm vorsichtshalber in den Säulengang zurück. Warum konnte sich die Regentin nicht einen richtigen Mann suchen? Schließlich hielt Nefut inne, ging zu dem Brunnen in der Ecke des Hofes und legte das Holzschwert ab. Die Wäscherin gesellte sich zu ihm. "Wie groß ihr seid", hauchte sie in dem unverhohlenen Bemühen, ihn zu verführen. Nefut schöpfte einen Eimer Wasser, trank ein paar Schluck aus der hohlen Hand und wusch sich dann oberflächlich. "Ich habe das Gelübte abgelegt, mich keiner Frau zu nähern", behauptete er, als er die Arme wieder in sein Untergewand steckte und begann, die Kopfleiste zu schließen. "Das ist nicht euer Ernst, oder?" fragte die Wäscherin enttäuscht. "Doch, das ist mein Ernst", antwortete Nefut. Er steckte das Schwert in den Gürtel und nahm Amemnas inzwischen getrocknete Gewänder von der Leine. "Ich diene ausschließlich meinem Birh-Melack. Den Segen Tyrimas für euch", und er ging zurück in die Gemächer der Mawati. * Auch für das Nachtessen öffnete Amemna nicht ihre Tür, und schon vor Einbruch der Nacht befahl die Regentin Amemna zu sich. Zunächst reagierte Amemna wieder nicht auf Nefuts Klopfen und die Nachricht, dann öffnete sie die Tür schließlich einen Spalt und befahl, heißes Wasser für ein Bad und die gewaschenen Gewänder zu bringen. Sie sah Nefut nicht an, wich seinem Blick absichtlich aus, aber er sah ihre rotgeweinten Augen, als er ihr gemeinsam mit Derhan das Bad bereitete. Zum Baden schloß sie sich wieder ein. Schließlich kam die Zwergin ein weiteres Mal, und Amemna tauchte fertig gewaschen und bekleidet aus ihrem Zimmer auf und folgte der Zwergin mit grimmigem Gesicht und ohne ein Wort der Verabschiedung an ihre Mawati. "Unser unirdischer Birh-Melack sah nicht aus, als würde er sich auf die Nacht mit der Regentin freuen", bemerkte Derhan leise. Dieser chelemverfluchte Vertrag! Irgendwie mußten sie Amemna aus den von der Regentin erzwungenen privaten Verpflichtungen lösen, etwa damit, daß sie durch kriegswichtige Dinge beschäftigt wurde und so der Regentin nicht zur Verfügung stand. "Derhan, zeigst du mir, wie das Bohnenspiel geht?" fragte Nefut mit einem honigsüßen Lächeln. Derhan zog die Augenbrauen mißtrauisch zusammen, aber er fragte nicht nach. "Ich besorg' Bohnen und einen Spielplan", antwortete er nur und verschwand. Nefut setzte sich mitten im Vorzimmer auf den Boden und sah sich mit gelangweiter Miene um. In den mit Blumenranken bemalten Wänden sah er keine offensichtlichen Löcher durch die sie beobachtet werden konnten, aber das hieß nichts. Es war durchaus möglich, das Stücke der scheinbar massiven Mauern von einem Geheimgang aus herausgenommen werden konnten, um die Bewohner dieser Räumlichkeiten zu beobachten. Aber vielleicht reichte es Barida ja auch schon, das Gefolge ihres Birh-Melack durch die Tür oder von einem benachbarten Fenster aus zu belauschen. Derhan kam mit zwei Schüsseln voll Bohnen und einem Stoffetzen zurück. Er gebot Nefut, das Stück Stoff auf dem Boden straff zu ziehen und begann dann mit einem kalten Stück Kohle, die spielplantypischen gekreuzten Linien zu ziehen. "Wir setzen die Bohnen abwechselnd auf die Schnittpunkte der Linien", erklärte Derhan dann. "Man muß versuchen, die Bohnen des anderen mit den eigenen zu umschließen, damit nimmt man sie gefangen. Und man versucht außerdem, die eigenen Bohnen in einer unangreifbaren Stellung zu plazieren, um sie nicht an den Gegner zu verlieren." Derhan legte eine Handvoll Bohnen auf den Spielplan. "Zum Beispiel", fing er an und rückte die roten und weißen Bohnen zurecht, "diese Stellung ist unangreifbar. Setzt Weiß eine Bohne in diese Lücke, ist sie von Rot völlig umschlossen, also verloren, denn dort ist eine zweite Lücke, die Weiß nicht gleichzeitig schließen kann, um so Rot völlig zu umschließen." Nefut nickte abwesend und rückte dann selber die Bohnen auf dem Spielplan zurecht. "Wenn wir hier also den Fürsten haben", sagte er und ignorierte Derhans zweifelnden Blick, "und hier seine Leibwächter", und zwei weitere weiße Bohnen wurden dazugelegt, "und hier den anderen Fürsten und seine Spione...", und vier rote Bohnen wurden gegenüber den weißen plaziert. Derhan nickte langsam. "Du hast es also gemerkt", stellte er fest, bedeutete Nefut dann aber, weiterzusprechen. "Die weißen Bohnen müssen irgendwie versuchen, ihren Fürsten in das Heerlager zu bekommen, anstatt in den Zugriff des roten Fürsten." "Glücklicherweise haben die roten Bohnen nur noch drei oder vier Runden, danach erreichen die weißen Bohnen ohnehin ihr Heerlager und sind in Sicherheit", bemerkte Derhan. Also drei oder vier Tage noch bis zum Feldzug. Das war wirklich eine Erleichterung. "Und wie würdest du vorschlagen, daß die weißen Bohnen ihren Weg über den Spielplan nehmen, ohne von den roten Bohnen verraten oder gehindert zu werden? Meinst du, es ist eine gute Idee, zur Ablenkung den roten Fürsten persönlich anzugreifen?" fragte Derhan leise und schob eine der als Leibwächter bezeichneten weißen Bohnen neben die rote Fürstenbohne. Nefut wiegte zweifelnd den Kopf. "Ich glaube es wäre schwer für eine der Leibwächterbohnen, die rote Fürstenbohne von der weißen Fürstenbohne abzulenken. Ich dachte an ein indirekteres Vorgehen. Eigentlich müssen die weißen Bohnen doch nur dafür sorgen, daß stets ein Abstand zwischen den Fürstenbohnen bleibt." Er griff nach der Schüssel mit den weißen Bohnen und legte eine ganze Reihe zwischen die beiden zu Fürsten erklärten Bohnen. "Wir verändern das Mengenverhältnis, das ist gut", stimmte Derhan zu. "Aber es stehen nur zwei weitere Leibwächterbohnen zur Verfügung", sagte er und wollte die Überzähligen vom Spielplan nehmen. "Es stehen etwa acht Leibwächterbohnen zur Verfügung", korrigierte Nefut seinen Waffenbruder. Er zeigte stumm auf seinen Mantel und sein Kopftuch, die beide auf einem Stuhl lagen. Es gab noch eine andere Oshey-Wannim im Lager und sie hatten noch fünf oder sechs makelose Ma'ouwatitücher von ihren gefallenen Gefährten. Ihren unirdischen Birh-Melack würden wohl auch die anderen Oshey beschützen wollen. "So sollte es doch möglich sein, den weißen Fürsten mehrfach pro Runde zu seinem Heerlager zu rufen, wo der rote Fürst keinen Zugriff hat." Derhans Gesicht zeigte zunächst seine Ratlosigkeit doch erhellte sich dann plötzlich. "Natürlich, die grauen Bohnen sehen für die roten Bohnen genauso aus, wie die weißen Bohnen." Offensichtlich hatte er verstanden. "Dann müssen die grauen Bohnen jedoch mobilisiert werden." "Gleich morgen, bei der ersten Gelegenheit", gab Nefut zurück. Derhan nickte. "Morgen früh ist gut. Ich wasche jetzt lieber noch das Untergewand unseres Birh-Melack, es roch heute morgen schon zu sehr nach seinen nächtlichen Aktivitäten, aber er konnte das Lager ja nicht blutig besuchen." Und er stand auf. In Nefut wallte noch einmal der Zorn über die Verletzung seiner Geliebten auf und er ballte die Fäuste, doch was konnte er jetzt tun? Es war wohl gut, daß er Amemna nicht in ihrem eigenen Blute gesehen hatte, unbedachtes Verhalten seinerseits hätte zu einer Katastrophe führen können. Er löste die Fäuste, aber dann schlug er mit der flachen Hand doch so fest gegen die steinerne Wand, daß es schmerzte, denn er konnte sich nicht verzeihen, den Vormittag für ein Gespräch mit dem verräterischen Hamarem frei genommen zu haben, als Amemna eigentlich seiner Gegenwart bedurft hätte. * Nefut wartete die halbe Nacht im Vorzimmer der Gemächer des Birh-Melack auf Amemnas Rückkehr. Natürlich konnte Amemna den Befehl der Regentin nicht einfach ignorieren, das hätte die ganze Birh-Mellim gefährdet. Aber war es zuviel verlangt gewesen, daß Amemna ein paar Worte mit Nefut wechselt? Er sehnte sich so sehr nach ihr. Aber sie ignorierte den Mann, den sie nach eigenem Bekunden liebte, strafte ihn mit Nichtachtung. Wie konnte er sie trösten, wenn sie ihn nicht an sich heranließ? Endlich wurde die Tür geöffnet und Amemna kam langsam, offensichtlich müde und wie geschunden wirkend, herein. Sie stolperte über den Mantel, den sie über dem Arm trug, so daß Nefut dazu sprang, um sie zu stützen. Schwer ließ sie sich in seine Arme sinken. Sie roch stark nach dem berauschenden Getränk der Ostler. Was hatte die Regentin mit ihr gemacht? War es in der vergangenen Nacht ebenso gewesen, als Nefut von Amemnas Rückkehr nichts mitbekommen hatte? "Was ist mit dir, Amemna, fr'tschan?" fragte Nefut zärtlich, während er sie auf dem Weg zu ihrem Bett stützte. Wie kam es nur, daß sie ihn in ihrer Hilflosigkeit so erregte? War das wieder ihr unirdischer Zauber? Aber an ihr schien weniger ihr eigener Duft zu sein, als der von parfümiertem Öl, das wohl von der Regentin stammte und der Geruch von Sperma, das immerhin Amemnas eigenes sein mußte. Nefut schämte sich, daß gerade jetzt, nachdem Amemna von der Regentin als Mann wer weiß wie gefordert worden war, eine unbändige Lust in ihm aufstieg und ihn zittern ließ. Trotz ihres Zustandes entging Amemna Nefuts Erregung anscheinend nicht. "Du willst mich als Frrau, nicht wahrr?" fragte sie flüsternd. Sie zog Nefuts Dolch aus seinem Gürtel und setzte sich auf den Rand ihres Bettes. "Vielleicht sollte ich mich kastrrieren, Keliebterr. Dann hast du endlich, was du willst." Sie schüttelte die Scheide von der Klinge des Dolches und hob mit der anderen Hand zugleich den Saum ihres Untergewandes, als wolle sie wirklich ihre männlichen Genitalien abschneiden. Nefut hielt ihre Hand fest. "Laß das sein. Du bist trunken vom Oinos." Aber Amemna war stark und wand ihre Hand mühelos aus Nefuts Griff. "Keinerr von euch will mich wirrklich als Mann", begehrte sie auf. "Laßt mich derr Köttin ihrr unerrwünschtes Keschenk surrückkeben. Dann seid wenigstens ihrr klücklich." Nefut gelang es, ihr den blanken Dolch doch abzunehmen, dann drückte er Amemna auf das Bett und nahm sie fest in die Arme. "Ich will nicht, das du dich verstümmelst", sagte er voller Überzeugung. "Dann halt mich fest Nefut und beschütze mich diese Nacht", bat sie leise. "Ja" versprach Nefut, aber Amemna war schon eingeschlafen in Nefuts Armen, der seine heftige Erektion an ihren Schenkel preßte und die Nase in ihrem duftenden Haar vergrub. Und nach einer ganzen Weile flüsterte er: "Amemna, ich liebe dich, fr'tschan ne, Tk'awla." Er würde verhindern, daß Amemna noch eine weitere Nacht bei der Regentin verbrachte. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)