Menschenrechte von Salix (Eine Textsammlung zu den Menschenrechtsartikeln) ================================================================================ Kapitel 3: Artikel 2 -------------------- Autor: Futuhiro Ein Mensch – Ein Leben Wenn man jung ist, denkt man noch, daß sich das eigene Leben nie ändern wird. Ich jedenfalls dachte das, als ich jung war. Ich war bis Ende 20 Single, das wollte ich so und konnte es mir gar nicht anders vorstellen. Ich habe meine Freiheit zu sehr geliebt, um mich zu binden. Ich hatte einen Kater, den ich über alles liebte, und hatte Eltern, mit denen ich mich blendend verstand, ich hatte gute Freunde, war mit Gesundheit gesegnet und hatte einen Job der mich erfüllte und genug Geld für ein bequemes Leben einbrachte. Und es hätte ewig so weitergehen können, wenn es nach mir gegangen wäre. Man hätte mich nie nach dem Sinn des Lebens fragen dürfen, denn mir ging es so gut, daß ich zu dieser Frage gar keine Veranlassung hatte. Ich war rundum glücklich. Aber wie das so ist, gingen die Jahre ins Land, und ich wurde älter. Und das Leben scheute nicht davor, sich doch zu ändern. Es nahm rücksichtslos seinen Lauf. Langsam, aber unbeirrt. Alle meine Freunde gründeten Familien, bekamen mit der Zeit Kinder oder gingen eigene Wege. Die Kontakte schliefen einer nach dem anderen ein. Als mein Kater 16 Jahre alt war, was für eine Katze schon ganz zufriedenstellend ist, starb er. Im Jahr darauf ging mein Vater von uns, und sehr bald dann auch meine Mutter, weil sie es nicht ertrug. Und irgendwann stand ich alleine da. Die Zeit der Einsamkeit stellte sich ein. Ich frage mich oft, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich irgendjemand anderes gewesen wäre, oder irgendwo anders auf der Welt. Ich stelle mir dann gern vor, ich wäre in Afrika geboren, in einem Eingeborenenstamm. Ich hätte in Strohhütten gelebt und im Alter von 20 Jahren vermutlich schon mehrere Kinder zur Welt gebracht, müsste täglich mehrere Kilometer laufen um an Wasser zu kommen, und würde vielleicht eines frühen Todes wegen Malaria sterben. Ich stelle mir gern vor, ich wäre in Amerika geboren, als obdachloses Kind in einem Slum im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich wäre vielleicht einer dieser Glücklichen gewesen, der vom Tellerwäscher zum Millionär wird, weil er mit außergewöhnlichem Talent beschenkt ist. Wahrscheinlich wäre ich ein Anhänger der kriegslastigen Bush-Regierung geworden, denn aus meiner Kinderstube würde ich ja nichts anders kennen als den Existenzkampf. Ich stelle mir gern vor, ich wäre in China geboren, in eines jener reichen Häuser, wo die Frauen nicht vor die Tür gehen, um sich nur ja keine Sonnenbräune einzufangen. Und weil es mir an nichts mangelte und ich so viel Zeit für das Studium hätte, würde ich ein Meister der traditionellen, chinesischen Medizin werden, einzig und allein weil ich so gern anderen helfen will. Ich stelle mir gern vor, ich wäre in Deutschland geboren, einem der Länder mit der besten medizinischen Versorgung und sozialen Absicherung überhaupt. Vielleicht wäre ich sogar ein Mann geworden. Ich würde im Sommer auf dem Bau arbeiten und wochenlang nicht nach Hause kommen, um meine Frau versorgen zu können, die mein Kind in ihrem Schoß trägt. Bei einem schweren Arbeitsunfall würde ich für den Rest meines Lebens erwerbsunfähig werden. Und es ginge trotzdem irgendwie weiter, denn das Sozialversicherungssystem kommt zum Glück für Krankenhauskosten und Renten auf. Oder ich stelle mir gern vor, ich wäre ein Mann in der Türkei geworden. Draußen, in der ländlichen Gegend. Und wie der Zufall es will, gäbe es da einen anderen Mann, der mir gut gefallen würde. Ich würde ständig den Anfeindungen aller Dorfbewohner ausgesetzt sein, weil Homosexualität dort ein totales Tabu ist, und würde häufig auf offener Straße verprügelt werden, bis meine Familie mich im Haus einsperren und nicht mehr rauslassen würde, weil sie mich vor den anderen zu verstecken versuchen. Und weil sie sich auch irgendwie ein bisschen für mich schämen. Aber eines steht fest. Egal wer ich gewesen wäre oder wo ich geboren worden wäre, ich wäre doch immer ein Mensch geblieben. Mit völlig menschlichen Zügen. Mit menschlichen Bedürfnissen und menschlichen Ängsten. Dieser Gedanke tröstet mich. Das am Ende doch alle Menschen Menschen sind. So ist das Leben. Artikel 2 Absatz 1 „Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“ Zitiert aus: Erklärung der Menschenrechte, 10. Dezember 1948. Autor: KaethchenvHeilbronn Grenzen Baden-Württemberg „Mama?“ Sie sind heute mit dem Rad unterwegs; die kleine Efi hat im letzten Jahr beachtliche Fortschritte gemacht, genauer gesagt ist sie ganz vernarrt ins Radfahren. Deshalb die Tour durchs Kinzigtal, die plötzlich unterbrochen wird, als das Mädchen vor einem eisernen Pfahl Halt macht, der senkrecht links des Weges in der Erde steckt und zwei Wappen trägt. „Mama? Was ist denn das da?“ Die Mutter hat angehalten, als sie von ihrer Tochter ausgebremst worden ist, der Vater kommt nun einige Meter weiter vorne auch zum Stehen. „Das markiert eine Grenze, mein Schatz.“ „Eine Grenze? Zwischen was?“ „Zwischen zwei Ländern. Ganz früher war das, wo wir wohnen, nämlich mal Württemberg, und wohin wir fahren, Baden.“ „Oh“, gibt da die Kleine von sich, „Und müssen wir jetzt auch, wie die Prinzen im Märchen, wenn sie in ein fremdes Land kommen, fragen, ob man rein darf?“ Die Mutter lacht. „Nein, Efi, heute ist das nicht mehr so, wir dürfen einfach weiterfahren.“ „Fahren Sie weiter. Sie dürfen passieren.“ Noch immer hielt er die Luft an, die Worte waren noch nicht in sein Bewusstsein gedrungen. Erst als die Kutsche sich wieder in Bewegung gesetzt hatte und die Pferde einige Meter weiter getrabt waren, begriff er so langsam, was geschehen war: Er hatte das Gefängnis verlassen und war nun frei. „Halt!“, rief er; sein Begleiter zuckte erschrocken zusammen, doch der Kutscher hielt die Pferde an. Er öffnete die Kutschtür und sprang hinaus. Atmete das erste Mal badische Luft. „Streicher, wir sind frei!“ Lachend packte er seinen Freund an den Schultern, tanzte mit ihm über die Wiese, warf seinen Hut in die Luft… „Hihi, Mama, da hat einer seinen Hut verloren.“ Berlin „Papa?“ Das Wetter ist heute nicht besonders gut, aber sie haben sich trotzdem dazu entschlossen, mit der U-Bahn von Marzahn, wo sie ihre Ferienwohnung gemietet haben, in die Innenstadt Berlins zu fahren. Mit Regenschirmen und Regencapes im Rucksack ausgerüstet schlendert die Familie durch die Straßen, bis die Tochter plötzlich stehen bleibt, ihren Blick auf den Boden gerichtet, wo in den Asphalt Steine in regelmäßigem Abstand eingelassen sind. „Papa, was ist das?“ „Hier war die Grenze.“, antwortet ihr ihr Vater, während ihre Mutter dem kleinen Bruder die Wasserflasche reicht, nach der dieser gequengelt hat. „Die Grenze zwischen DDR und der Bundesrepublik?“, fragt Efi. „Genau.“ „Ah, das hatten wir in Geschichte. Hier stand also die Mauer?“ „Ja, hier verlief bis 1989 die Mauer.“ Efi bleibt einen Moment vor der Steinreihe stehen und versucht sich vorzustellen, vor ihr ragte eine Betonwand auf und trennte sie von ihrer Familie. „Deine Familie?“ Er nickte, ließ aber seinen trüben Blick auf der trostlosen Betonwand ruhen. „Onkel und Tante, meine Cousinen.“ Sein Freund gab einen mitfühlenden Laut von sich. Er wollte ihm sagen, wie gerne er nachts herkommen, eine Leiter anstellen und über diese verfluchte Mauer klettern wollte, um von hier zu entkommen, egal wie viel Stacheldraht er passieren müsste, wie viele Männer auf ihn schießen würden. Aber er schwieg, weil er sich nicht sicher sein konnte, ob sein Freund wirklich sein Freund war. „Gib Efi auch was vom Wasser.“, meint die Mutter, woraufhin der kleine Junge ein wenig widerwillig zu seiner Schwester hinüberläuft. Unvorstellbar, denkt Efi und nimmt die Wasserflasche entgegen. „Wir zwei können heute Nachmittag ja ins DDR-Museum gehen.“, schlägt ihr Vater vor, nachdem sie einen Schluck genommen hat, „Damit du siehst, wie das früher so war, mit der Grenze.“ „Auja!“, stimmt ihm Efi zu. Ihr Vater fährt ihr lächelnd über die Haare. „Ein Glück gibt’s so was heute nicht mehr.“ Mexico-USA „Mamá?“ Sie sind auf dem Weg vom Einkaufen nachhause; das erste Mal läuft die kleine Pita die ganze Strecke alleine, nur an der Hand ihrer Mutter. Heute haben sie deshalb auch den kürzeren Weg genommen, weshalb das Mädchen nun plötzlich stehen bleibt, als sie das ihr völlig unbekannte Ungetüm entdeckt: Ein endlosscheinender Zaun, der für die Kleine bis in den Himmel ragt und den heißen Sand durchteilt. „Mamá? Was ist das denn?“ Übers Gesicht der Mutter huscht ein kummervoller Ausdruck, als sie ihre Tochter hastig weiter mit sich zieht. Sie will nicht, dass sie erfährt, wo ihr Vater umgekommen ist, weil er seiner Kleinen ein besseres Leben ermöglichen wollte. Artikel 2 Absatz 2 „Des weiteren darf kein Unterschied gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebiets, dem eine Person angehört, gleichgültig ob dieses unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder sonst in seiner Souveränität eingeschränkt ist“ Zitiert aus: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)