Der Blutmaler von Sky- ================================================================================ Kapitel 4: Probleme ------------------- Die Handzettel waren schneller fertig als gedacht und es waren insgesamt 50 Stück. Sie klebte sie einfach an die nächsten Straßenlaternen und summte dabei ein Lied vor sich her. Dabei dachte sie immer wieder über das nach, was sie mit Beyond besprochen hatte. Der Mörder hatte zwei Seiten, eine ruhige und unauffällige und eine vollkommen grausame und destruktive. Es würde nicht einfach werden, ihn zu schnappen und es würde noch eine menge Arbeit erfordern, ihn erst einmal zu finden. Der Mörder ging absolut sauber vor. Keine Haare, keine Fingerabdrücke und keine Zeugen. Nachdenklich starrte sie auf den Suchzettel, wo ein Foto von Yoru drauf war und raufte sich die Haare. Sie ärgerte sich einfach, dass ausgerechnet Beyond Birthday jetzt ihr Verbündeter war. Dieser verdammte Mistkerl, der lachte sich bestimmt ins Fäustchen wenn er sah, wie sehr sie die Tatsache beschäftigte, dass er wieder ungestört morden konnte. Schuld daran waren nur diese Juristen, die wirklich alles vermasselten. Aber sie war auf der Hut. Wenn sie auch nur ahnen sollte, dass er ein krummes Ding drehte, dann würde sie die Erste sein, die ihn vors oberste Gericht schleifte und ihn in der finstersten Zelle versauern ließ. „Ähm, entschuldigen Sie.“ Naomi hatte gar nicht die junge Frau bemerkt, die neben ihr stand. Sie hatte schwache asiatische Gesichtszüge, goldblondes Haar mit einer roten Schleife an der linken Seite. Beachtlich war vor allem ihre Größe! Sie war mindestens 180cm groß und trotz ihrer beachtlichen Körbchengröße zierlich. Ihre Augen waren blutrot und wirkten matt und leer. „Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich die Prudence Street finde? Ich kenne mich hier leider nicht so gut aus.“ Mensch sieht die gut aus, dachte Naomi und wurde ein klein wenig neidisch. Diese Frau hatte etwas Geheimnisvolles an sich und etwas, das an einen uralten und geschichtsträchtigen Adel erinnerte. Ihre Lippen waren rot geschminkt, ihre Kleidung wirkte dagegen ziemlich konservativ: Eine weiße Bluse mit roter Krawatte, einer schwarzen Weste mit goldenen Knöpfen und einen schwarzen Rock, der bis unter die Knie ging und ein wenig weit geschnitten war. Wenn die etwas Weiblicheres anzog, würden sich alle Männer nach ihr die Köpfe verdrehen. „Sie müssen drei Straßen geradeaus, dann links abbiegen, bis sie die Angus Street erreichen. Da gehen Sie rein und dann in der zweiten Straße nach rechts. Dann sehen Sie auch schon die Prudence Street.“ „Vielen Dank, Sie haben mir damit wirklich geholfen.“ Die junge Frau verbeugte sich und ging und Naomi schaute ihr nach. Selbst ihre Schuhe hatten nicht einmal hohe Absätze. Die schien wohl allein darauf zu vertrauen, dass ihre Natürlichkeit genug Aufmerksamkeit erregte. Manchmal wünschte sich Naomi, sie hätte auch blondes Haar. Vielleicht sah das gar nicht mal so schlecht an ihr aus, wer weiß… Nachdem sie die Zettel alle angebracht hatte, machte sie einen kleinen Umweg nach Hause, um kurz noch mal in der Apotheke vorbeizuschauen. Raye beklagte sich seit einiger Zeit über Kopfschmerzen und leider hatten sie keine Aspirintabletten mehr. Doch vor der Apotheke blieb sie wie angewurzelt stehen, als sie Mrs. Goldfarb sah, die gerade mit dem Apotheker sprach. Naomi hatte das Gefühl, ihr drehe sich der Magen um und gerade wollte sie das Weite suchen um bloß nicht schon wieder in ein Gespräch mit ihr verwickelt zu werden, da war es auch schon zu spät. „Hallöchen Liebes, was treibt Sie denn hierher?“ Naomi versuchte cool zu bleiben und so abweisend wie möglich zu wirken. Die alte Dame aber schien entweder ziemlich stur und neugierig zu sein oder auch nur blöd. „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht Mrs. Goldfarb. Guten Tag!“ „Warten Sie doch! Laufen Sie etwa vor mir weg? Haben Sie etwas zu verbergen?“ Einfach weitergehen und sie ignorieren, redete sich Naomi immer wieder ein und merkte wieder, wie ihr die Galle hochkam. Irgendwie schien sie mit dieser alten Klatschtante gestraft zu sein und wünschte sich, sie würde einfach wegziehen und verschwinden. Und das Beste war ja noch, dass sie ihr gerade noch hinterher eilte und versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Nichts wie ab nach Hause und dann die Tür abschließen. Während Naomi weiterging, plapperte die alte Dame munter weiter und vermochte ihr mit ihren kurzen Beinen kaum zu folgen. Ein Grund mehr, schneller zu laufen und diese Hexe endlich abzuschütteln. Als sie endlich das Haus erreichte, schloss sie hastig die Tür auf und nahm die Treppe hinauf bis in den dritten Stock. Leider war Mrs. Goldfarb trotz ihrer 73 Jahre topfit und schaffte die Treppen im Nu. Am liebsten hätte Naomi ihr direkt ins Gesicht gesagt, sie würde sie verfolgen, aber das konnte sie ihr schlecht vorwerfen. Mrs. Goldfarb bewohnte das gleiche Stockwerk und die Wohnung gegenüber. Trotzdem war Naomi so, als würde ihr ein unangenehmer Schatten folgen, den sie beim besten Willen nicht abschütteln konnte. Doch dann tauchte jemand neben ihr auf, mit dem sie wohl nicht gerechnet hatte: Beyond Birthday. Was machte der denn hier? Als Mrs. Goldfarb ihn sah, bekam sie einen Heidenschreck. Sie schrie wie am Spieß und stolperte nach hinten und fiel die Treppen runter. Es polterte laut und als sie endlich das Ende der Treppe erreichte, blieb sie reglos liegen. Entsetzt sah Naomi auf die am Boden liegende Rentnerin und dann zu Beyond, der sofort eine abwehrende Haltung einnahm und sie mit unschuldiger Miene ansah. „Hey, dieses Mal bin ich es wirklich nicht gewesen!“ „Was suchen Sie hier eigentlich?“ „Ich hab Ihre Handzettel gefunden und wollte mich erkundigen, ob es tatsächlich mein Kater ist, den ich mir geholt habe. Ähm… ich möchte Ihnen wirklich keine Vorschriften machen aber mir scheint, dass diese Dame jetzt wohl einen Sanitäter braucht…“ Schnell holte Naomi ihr Handy und rief den Notarzt, dann eilte sie hinunter um zu sehen, wie es der alten Frau nun ging. Beyond blieb oben stehen und beobachtete das Ganze. Was keiner sah, war sein hämisches Grinsen und das Aufblitzen seiner Shinigami-Augen. Der Krankenwagen kam schnell und brachte Mrs. Goldfarb ins Krankenhaus. Sie lebte noch, hatte sich aber höchst wahrscheinlich die Hüfte gebrochen und musste erst mal eine Weile wegbleiben. Naomi schilderte den Fall und war froh, dass wenigstens nicht noch die Polizei aufkreuzte. Der ganze Tag war echt ein Reinfall. Da sie sowieso keinen Nerv mehr für irgendetwas hatte, widersprach sie auch nicht als Beyond ihr in die Wohnung folgte. Yoru miaute laut und begann zu fauchen, als er den Besucher sah. Und er fauchte nicht nur, sein Fell sträubte sich regelrecht. Naomi war erstaunt darüber und sah Beyond an. Der schien nicht wirklich überrascht zu sein und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Scheinbar kann er mich immer noch nicht leiden.“ „Hat er einen Grund dazu?“ „Keine Ahnung. Schon seit meiner Kindheit sind Tiere nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen. Hunde, Katzen, sogar Vögel und Reptilien. Ich mach nichts und sie hassen mich trotzdem. Tja und so wie es aussieht, kann Yoru sich nicht an mich gewöhnen.“ Das war wirklich komisch. Wie konnten Tiere eine derartige Feindseligkeit gegen jemanden hegen? Vielleicht weil sie instinktiv spürten, dass mit ihm etwas nicht stimmte? „Schade.“, murmelte Beyond schließlich „Das wird wohl nichts werden. Ich komme selbstverständlich für die ganzen Umstände auf, ich hoffe Sie hatten keine Schwierigkeiten mit ihm.“ „Nein, überhaupt nicht. Aber was haben Sie mit ihm jetzt vor?“ „Ich schätze mal, zurück ins Tierheim bringen.“ Na das wollte Naomi nun auch nicht. Den armen kleinen Kerl einfach in ein Tierheim bringen, konnte ja auch nicht die Lösung sein. Naomi nahm den schwarzen Kater auf den Arm und streichelte seinen Rücken. „Lassen Sie es gut sein, ich werde mich erst mal um den Kleinen kümmern, bis sich ein neuer Besitzer findet. Er fühlt sich ja recht wohl hier.“ „Das ist mir nicht entgangen“, bemerkte Beyond und schien ein wenig erleichtert zu sein, dass sein Kater bei ihr gut aufgehoben war. Damit war Yoru vorübergehend Naomis Haustier, zumindest solange noch nicht mit Raye geklärt war, ob das in Ordnung ging. Begeistert würde er erst einmal nicht sein und das könnte sicher noch ein längeres Gespräch geben aber sie hatte den kleinen Stubentiger ins Herz geschlossen. Beyond trat ein wenig auf der Stelle und schien ein wenig nervös zu sein. „Ich sollte jetzt besser gehen. Wenn ich was Neues habe, rufe ich Sie an.“ Damit ging Beyond zur Tür hinaus, ohne sich zu verabschieden. Irgendwie war er gerade ganz seltsam drauf gewesen und Naomi konnte sich nicht erklären, was es war. Beyond schien ein wenig verlegen gewesen zu sein, wahrscheinlich weil er zum ersten Mal die Wohnung jener Person betreten hatte, die ihn vor knapp zwei Monaten festgenommen hatte. Oder war es etwas anderes? „Ein merkwürdiger Mensch. Na komm Yoru, jetzt gibt’s erst mal was zu essen.“ Als hätte er es verstanden, eilte der Kater an ihr vorbei und wartete in der Küche auf sie. Von Katzenfutter hatte Naomi nicht besonders viel Ahnung, aber sie hatte einfach das mitgenommen, was sie essen würde, wenn sie eine Katze wäre. Und tatsächlich schien sie richtig entschieden zu haben. Während sie Yoru beim Fressen zusah, dachte sie noch mal über den Fall nach. Der Mörder ging äußerst gewissenhaft und geduldig vor, aber kaum dass er den Kopf abgetrennt hatte, drehte er durch. Warum löste ein abgetrennter Kopf so etwas bei ihm aus? Irgendwie ließ sie das Gefühl nicht los, dass diese Blutgemälde gar nicht zur eigentlichen Arbeit gehörte sondern nur Beiwerk oder eine bloße Signatur war. Es ging ihm um den Augenblick, wenn er den Kopf in Händen hielt. Irgendetwas wurde bei ihm ausgelöst, was ihn zu einem regelrechten Monster machte und emotional total durcheinander brachte. Der Mord an sich bedeutete ihm nichts, zumindest nicht in dem Sinne jener, die hauptsächlich aus egoistischen Gründen töteten oder weil sie sich eine seelische Befriedigung erhofften. Nein, eine Befriedigung waren ihm diese Morde nicht. Im Gegenteil. Für Naomi sah es nämlich so aus, als würde der Mörder nach etwas anderem suchen. Kein Seelenheil… aber was dann? Erhoffte er sich vielleicht so etwas wie Buße? Nein, keine Reue und keine Buße. Das gehörte ja zum Seelenfrieden und er schien zu wissen, dass er diesen nicht bekommen würde. War er so etwas wie ein Masochist? Es klang total bescheuert, aber es gab ja Menschen, die mordeten weil sie sich auf einer gewissen Art und Weise selber seelische Schmerzen zufügen wollten. Möglicherweise war der Blutmaler genauso. Naomi musste an die Gerichtsverhandlung denken, als Beyond Birthday wegen dreifachen Mordes verurteilt wurde. Kurz vor Beginn der Verhandlung hatten sie kurz miteinander gesprochen und Beyond hatte ihr etwas sehr merkwürdiges gesagt: „Es gibt Menschen, die töten weil sie einen Grund dazu sehen und jene, die keinen brauchen. Menschen, die keinen Grund benötigen, um jemanden zu töten, sind von Grund auf böse.“ Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Beyond etwas ganz Bestimmtes damit andeuten wollte. Er war eben der Typ Mensch, bei dem man immer zwischen den Zeilen lesen musste um zu verstehen, was er wirklich sagen wollte. Es war ein wenig schwierig, aber Naomi konnte teilweise seine versteckten Botschaften deuten. Zumindest glaubte sie das… Sie kochte sich Kaffee und setzte sich an den Tisch während sie sich die Polaroidfotos ansah. Auf der Rückseite hatte sich Beyond Notizen gemacht. „Insgesamt vier Opfer: Kayleigh Clarkson, Andrej Zachary, Rick Bicksby, Amanda Sanders. Habe Geheimnis bald gelöst.“ Geheimnis? Sag bloß, dass Beyond etwas wusste, wovon er sie noch nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Vielleicht… steckte ja wie bei den BB-Morden ein Geheimnis dahinter. In diesem Mordfall hatten alle Opfer die Initialen BB mit Ausnahme des zweiten Opfers Quarter Queen. Sollte auch hier so eine Art Namensrätsel dahinterstecken? Vielleicht konnte Naomi ja das Rätsel vor Beyond lösen. Aus dem Wohnzimmer holte sie einen Notizblock mit Kugelschreiber und begann erst einmal die Initialen aufzuschreiben. Das Ergebnis war mehr als Enttäuschend: „KCAZRBAS“ und auch umgekehrt ergab diese Reihe wenig Sinn. Schließlich versuchte sie es mit einem Anagramm und leider kam nicht viel dabei heraus. „So ein Scheißendreck. Das ist nicht so einfach wie gedacht. Yoru, hast du vielleicht eine Idee?“ Doch der Kater gab nur ein maunzen von sich und setzte sich auf die Fensterbank, um wieder aus dem Fenster zu sehen. Naomi riss das vollgekritzelte Blatt ab, knüllte es zusammen und warf es in den Papierkorb. Sie sah sich noch mal die Namen an und schrieb sie untereinander. Vielleicht… vielleicht sollte sie nur die ersten Buchstaben des Nachnamens nehmen. Naomi schrieb auf: „CZBS“. Nicht wirklich besser und so versuchte sie es mit den Anfangsbuchstaben der Vornamen. „KARA“. Kara? Nun ja, es sah nicht wirklich so aus, als würde ihr das auch noch weiterhelfen. Vielleicht gab es ja kein Schema in dem Sinne wie bei den BB-Morden und sie hatte sich da in etwas verrannt. Aber warum schrieb Beyond Birthday dann so etwas auf? Er musste sich was dabei gedacht haben, nur so aus Spaß hätte er das sicher nicht gemacht. Sie verbrachte lange an diesem Rätsel, ohne auch nur einen Schritt weiterzukommen und merkte erst, dass Raye wieder zurück war, als er neben ihr stand. „Was sind das für Fotos Naomi?“ Erschrocken zuckte sie zusammen und hätte beinahe den Kugelschreiber fallen gelassen. „Ähm, das sind Tatortfotos. Ich beschäftige mich jetzt eben mit dem Fall des Blutmalers.“ „Und seit wann geht das?“ „Vorgestern habe ich einen anonymen Anruf erhalten und im Briefkasten lag ein Buch mit einem Polaroidfoto von einem dieser Blutporträts. Ich war mir noch nicht hundertprozentig sicher, was ich von der Sache halten sollte und wollte dir erst Bescheid geben, wenn ich der Sache vertrauen kann.“ Raye sah alles andere als begeistert aus und Naomi konnte es ihm nicht übel nehmen. Sicher glaubte er jetzt, sie würde Geheimnisse vor ihm haben und dabei vertraute er ihr doch. „Wann hattest du eigentlich vorgehabt, mir davon zu erzählen?“ „Spätestens heute Abend. Ich wollte doch nicht, dass du dir Sorgen machst.“ „Naomi, ich liebe dich aber wenn wir Geheimnisse voreinander haben, dann…“ „Es tut mir leid.“ Naomi stand auf und umarmte ihren Verlobten. „Ich liebe dich doch auch.“ Sie setzten sich nun gemeinsam hin und Naomi erzählte Raye alles, was sie bisher über den Blutmaler in Erfahrung bringen konnte. Doch im Gegensatz zu Beyond schien Raye da nicht so wirklich überzeugt zu sein und verschränkte schließlich die Arme. „Naomi, das sind alles Theorien aber woran willst du diese festhalten?“ „Aber wie willst du dann das Verhalten des Täters erklären? Diese Blutporträts sind nicht sein eigentliches Ziel sondern das, was er empfindet, wenn er sein Opfer enthauptet.“ „Und wozu macht er dann den ganzen Aufwand? Er könnte doch genauso gut dieses Hautabziehen und das Malen mit Blut sein lassen.“ Da hatte Raye nicht ganz Unrecht. Der Blutmaler machte sich doch unnötig Arbeit, er hätte wirklich die Möglichkeit, den einfachen Weg zu wählen und sein Opfer einfach zu enthaupten. Es sei denn, er wollte unbedingt, dass man auf ihn aufmerksam wurde. „Vielleicht macht er das, weil er eine Botschaft über die Medien vermitteln will und damit man diese Morde auch wirklich allesamt in Verbindung miteinander bringt, hat er…“ Naomi sprach den Satz nicht zu Ende, da sie selbst merkte, dass sie auf dem Holzweg war. Selbst ohne die Blutporträts hätte man die Morde zusammenbringen können. Es war immerhin jedes Mal dieselbe Vorgehensweise. „Vielleicht will er ja, dass er geschnappt wird. Es kann gut möglich sein, dass er jemanden mit diesen Morden eine Art Botschaft vermitteln will, die nur er versteht!“ „Naomi, hörst du eigentlich wie stumpfsinnig das klingt? Als FBI Agent hat man sich an Fakten zu halten und du steigerst dich in irgendetwas rein, was vollkommen abwegig scheint.“ „So vollkommen abwegig, dass es wiederum sehr wahrscheinlich sein kann. Denk nur an die BB-Morde.“ „Das kannst du aber nicht damit vergleichen!“ Entweder hatte Raye Recht und Naomi reimte sich irgendwelche Fantasiegeschichten zusammen, oder er sah diesen Fall nicht mit ihren Augen, weil er sich nur an die Fakten hielt und deshalb falsch lag. Irgendwie fühlte sich Naomi mies und kam sich wie ein Idiot vor. Sie legte die Fotos in einen Umschlag und legte diesen in ihre Tasche. Raye merkte, dass Naomis Stimmung erheblich gesunken war und versuchte das Thema zu wechseln. „Sag mal, hast du eigentlich schon den Katzenbesitzer gefunden?“ „Ja, er war auch schon bei uns. Er hat Yoru aus dem Tierheim geholt und kurz darauf ist er weggelaufen, weil er eine Abneigung gegen seinen Besitzer hat und ihn nicht heranlässt. Ich habe ihm angeboten, dass er den Kater so lange bei uns lässt, bis sich ein neuer Besitzer findet.“ Sie hatte geahnt, dass Raye nicht mit Luftsprüngen reagierte, aber dass er sich gleich so aufregte, konnte sie nicht nachvollziehen. Er ärgerte sich richtig drüber und starrte mit finsterer Miene auf den Kater, der gerade mit der Fellpflege beschäftigt war und sich nicht an seinen Blicken zu stören schien. „Hast du auch mal daran gedacht, das vielleicht mit mir abzusprechen?“ „Was regst du dich denn jetzt so auf? Was hast du gegen Katzen?“ „Das sind stinkige kleine Biester, die die Möbel zerkratzen und nur ihr Ding machen. Ich dachte wir wären uns einig darauf, dass wir uns einen Hund holen.“ „Raye, du weißt genau dass ich eine Heidenangst vor Hunden habe. Wir waren uns also gar nicht einig. Du warst dir höchstens einig mit dir selbst.“ Naomi wurde langsam wütend und verstand einfach nicht, wie verbohrt Raye manchmal sein konnte. Manchmal hatte sie das Gefühl, er würde sich überhaupt nicht auf sie einlassen und nur seine Interessen durchsetzen wollen. „Weißt du was Raye? Ich war einverstanden damit, mit der Arbeit aufzuhören, wenn wir erst einmal heiraten und ich bin zu dir gezogen und jetzt finde ich, dass du auch mal ein wenig auf meine Wünsche Rücksicht nehmen könntest.“ „Was soll das denn jetzt heißen? Willst du damit sagen, ich wäre egoistisch?“ „Ich will damit sagen, dass ich auch mal das Recht habe, mir etwas einzufordern. Ich wollte schon immer eine Katze als Haustier haben, aber ich habe respektiert, dass du keine Lust auf Katzen hast.“ „Habe ich etwa kein Verständnis gehabt, als du dich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hast, dass ich mir einen Schäferhund zulege?“ „Das ist aber etwas ganz anderes: Ich habe Angst vor Hunden und ich habe es dir schon mal gesagt: Wenn du einen Hund in der Wohnung halten willst, dann muss ich ausziehen.“ Der Streit zog sich zwei Stunden fort und endete schließlich damit, dass Naomi diese Nacht auf der Couch schlief und den Rest des Tages kein Wort mehr mit ihrem Verlobten wechselte. Sie ärgerte sich tierisch über Rayes Dickköpfigkeit und mangelndem Einsichtsvermögen. Immer wollte er seinen Willen durchgesetzt haben und war doch tatsächlich der Meinung, dass es das Gleiche war, wenn er sich gegen eine Katzenanschaffung wehrte, wenn Naomi sich weigerte, mit einem Hund in der Wohnung zu leben. Das war verdammt noch mal nicht das Gleiche! Sie hatte Angst vor Hunden, weil sie als Kind von so einem Tier gebissen wurde und Raye wollte nur deswegen keine Katze haben, weil er Sorge hatte, dass überall Haare herumfliegen würden. Aber das war bei einem Hund doch genau das gleiche Problem und auch ein Hund konnte stinken. Naomi konnte Rayes Denkweise wirklich nicht nachvollziehen und fand erst spät in der Nacht Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)